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Die Beschwerden werden auf Kosten der Beschwerdeführer verworfen.
Gründe:
2Das vorliegende Verfahren, das aus einem gegen noch zwei weitere bereits inhaftierte Mitbeschuldigte geführten Verfahren ausgetrennt worden ist, richtet sich gegen die beiden Beschwerdeführer, denen mehrere Schutzgelderpressungen, zum Teil in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung, zur Last gelegt werden.
3Als die gegen sie am 12. Februar 1997 erlassenen Haftbefehle des Amtsgerichts ..., die auf die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Verdunkelungsgefahr gestützt sind, durch die Kriminalpolizei am 13. Februar 1997 vollstreckt werden sollten, waren die Beschuldigten bereits an ihren Wohnorten nicht mehr aufzufinden und offensichtlich untergetaucht. Die ihren in ... ansässigen Verteidigern dort erteilten Vollmachten datieren ebenfalls vom 13. Februar 1997.
4Den Verteidigern, denen spätestens seit dem 14. Februar 1997 die Existenz der Haftbefehle bekannt ist, sind diese bislang nicht zugänglich gemacht und bekanntgegeben worden; auch ist ihnen durch die Staatsanwaltschaft bisher jegliche Akteneinsicht gemäß §147 Abs. 2 StPO verweigert worden.
5Die durch ihre Verteidiger eingelegten Haftbeschwerden der Beschuldigten sind durch die diesen mitgeteilten angefochtenen Beschlüsse des Landgerichts verworfen worden; der durch das Amtsgericht auch angenommene Haftgrund der Fluchtgefahr ist insoweit durch den Haftgrund der Flucht ersetzt worden.
6Zu den hiergegen gerichteten - weiteren - Beschwerden, auf die im übrigen Bezug genommen wird und denen die Strafkammer nicht abgeholfen hat, hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme u.a. folgendes ausgeführt:
"Die gemäß §310 Abs. 1 StPO statthaften und zulässigen weiteren Beschwerden sind aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Beschlüsse unbegründet. Auch die Ausführungen in den - inhaltsgleichen - Beschwerdeschriften sowie in dem anwaltlichen Schreiben vom 01.04.1997 rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht. Insbesondere ist eine Aufhebung der Haftbefehle nicht deswegen angezeigt, weil die Beschlüsse die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Artikel 103 Abs. 1 GG verletzen. Der Hinweis der Verteidigung auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11.07.1994 (NJW 1994, 3219 ff) verfängt hier nicht. Die von der Verteidigung partiell zitierten Passagen der vorgenannten Entscheidung verschleiern, daß sich die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich auf Beschuldigte beziehen, die bereits festgenommen und inhaftiert sind. Das Bundesverfassungsgericht macht an mehreren Stellen in den Gründen deutlich, daß nur dem inhaftierten Beschuldigten ein nicht bis zum Abschluß der Ermittlungen aufschiebbares - rechtlich geschütztes - Interesse an Akteneinsicht zusteht. Zu der Frage, ob auch einen flüchtigen Beschuldigten, der einen gegen ihn erlassenen Haftbefehl mit der Beschwerde angefochten hat, ein Recht auf Akteneinsicht bzw. ein Recht auf Kenntnisnahme vom Inhalt des Haftbefehls zusteht, verhält sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht. Hierüber hat vielmehr das Beschwerdegericht nach §33 Abs. 4 StPO, der gemäß §308 Abs. 1 Satz 2 auch im Beschwerderechtszug gilt, zu entscheiden (zu vgl. OLG Stuttgart, NStZ 1990, 247 f). Im vorliegenden Fall verbietet sich hiernach jedoch sowohl eine umfassende Akteneinsicht als auch die Bekanntgabe der Haftbefehle vor Ergreifung der Beschuldigten, weil hierdurch die Haftzwecke bzw. die Wahrheitsermittlung gefährdet werden würde. Zwar hat das Oberlandesgericht ... in der vorgenannten Entscheidung zum Ausdruck gebracht, daß die Mitteilung eines Haftbefehls an den Beschuldigten oder seinen Verteidiger bei dem Haftgrund der Flucht (§112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) unter Umständen keine Gefährdung des Haftzwecks befürchten läßt, jedoch in Fällen begründeter Verdunkelungsgefahr (§112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) dem Beschuldigten weder vorheriges rechtliches Gehör nach §33 Abs. 3 StPO zu gewähren ist, noch ihm ein erlassener Haftbefehl vor seiner Verhaftung bekanntgemacht werden darf. Nach alledem ist den Beschuldigten weder - auch nicht partiell - Akteneinsicht zu gewähren noch sind die Haftbefehle aufzuheben; die weiteren Haftbeschwerden sind vielmehr aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Beschlüsse als unbegründet zu verwerfen." |
Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat in vollem Umfang bei und bemerkt ergänzend:
9Angesichts der nicht nur bis zum Erlaß der Haftbefehle, sondern insbesondere auch noch danach vorgenommenen Verdunklungshandlungen gegenüber verschiedenen Personen, die bereits Zeugenaussagen gemacht hatten oder als Zeugen noch in Betracht kommen konnten, wäre vorliegend der Untersuchungszweck und der Zweck der Maßnahme vor einer Inhaftierung der Beschuldigten weitgehend gefährdet. Es ist bis zu diesem Zeitpunkt auch mit dem durch die Verfassung geschützten Grundsatz des rechtlichen Gehörs vereinbar, daß die Ermittlungsbehörden einen Informationsvorsprung vor den Beschuldigten besitzen. Wie das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung ausgeführt hat, darf die Sachverhaltserforschung und Wahrheitsfindung, zentrale Anliegen des Strafverfahrens, nicht unerträglichen Erschwernissen und Verdunkelungsmöglichkeiten ausgesetzt sein. Das Informationsinteresse eines Beschuldigten hat danach sogar bis zum endgültigen Abschluß des Ermittlungsverfahrens zurückzustehen. Eine andere Sichtweise erlangt erst mit dem Eintritt und zunehmender Dauer vollzogener Untersuchungshaft ein größeres Gewicht.
10Da es vorliegend aber nicht um die Fortdauer der Untersuchungshaft, sondern allein um deren Anordnung geht, läßt sich das von der Verteidigung geforderte Ergebnis der Aufhebung der Haftbefehle für den Fall weiterhin versagter Akteneinsicht und fehlender Bekanntgabe der Haftbefehle auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage des rechtlichen Gehörs nicht herleiten. Auch die im übrigen von der Verteidigung zitierte Literatur bezieht sich ausschließlich auf Fälle bereits vollzogener Untersuchungshaft, was sich auch aus dem Gesetzeswortlaut der §§114 a, 115, 115 a StPO ergibt.
11Angesichts der Art und der Schwere der den Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten liegt es auch auf der Hand, daß nicht nur der Untersuchungszweck, sondern auch aussagebereite Zeugen durch vorzeitige Bekanntgabe von Ermittlungsergebnissen in hohem Maße gefährdet wären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß den untergetauchten Beschuldigten die Existenz eines Haftbefehls dem Grunde nach bekannt ist.
12Nach alledem waren daher die Beschwerden mit der sich aus §473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.