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Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Der Betroffene wird auf Kosten der Landeskasse, die auch seine notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen gem. Art. 1 § 8 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 RBerG wegen unerlaubter geschäftsmäßiger Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten eine Geldbuße von 300 DM verhängt. Dazu hat es folgende Feststellungen getroffen:
"Der 54 Jahre alte Betroffene ist pensionierter Kommunalbeamter und hat ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.900 DM. Er ist verheiratet und hat zwei unterhaltspflichtige Kinder. Der Betroffene, dem vom Direktor des Amtsgerichts keine Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erteilt worden ist, zeigte unter dem Datum vom 18.10.1995 dem Rechtsanwalt und Notar ... in ... an, daß er "mit der rechtlichen Beratung meiner Klientin, Frau ... beauftragt, wurde". In dem Schreiben bat er, den auf diesen Fall - das Schreiben betraf eine "Forderung der Eheleute ... auf Rückzahlung einer behaupteten (im Betrieb der Firma ... angesammelten Urlaubsreisen-Rücklage in Höhe von 1.000 DM)" - bezogenen Schriftverkehr an ihn zu richten oder in dringenden Fällen per Fax an die Firma ... zu übermitteln. Der Betroffene bezog, sich auf die "beigefügte Rechtsbeistandsvollmacht"; bezüglich des Inhalts, der in der Hauptverhandlung verlesen wurde, wird auf Bl. 4 d.A. verwiesen. Mit Schreiben vom 09.11.1995 forderte der Betroffene unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 18.10.1995 den Rechtsanwalt ... zu einer Stellungnahme zu einem Schreiben der Firma ... vom 17.10.1995 sowie auch zu seinem Schreiben vom 18.10.1995 auf. " |
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Betroffene, der der Ansicht gewesen ist, er habe keine geschäftsmäßige Rechtsberatung ausgeübt, und sich außerdem dahin eingelassen hat, die Vollmacht vom 18.10.1995 habe er wortwörtlich von einer Rechtsanwaltsvollmacht abgeschrieben, um "etwas Eindruck zu machen". Die General-Staatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
6II.
7Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung des Betroffenen.
8Nach Art. 1 § 8 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 RBerG handelt ordnungswidrig, wer ohne die erforderliche Erlaubnis geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt. Dabei erfordert der Begriff der "Geschäftsmäßigkeit" eine Tätigkeit, bei der der Handelnde beabsichtigt, sie - sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit - in gleicher Weise zu wiederholen und sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen. Es ist weder erforderlich, daß die Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich, noch daß sie gegen Entgelt ausgeübt wird. Es muß sich auch nicht um eine mehrmalige Besorgung handeln, vielmehr kann sich bereits auch aus der nur einmaligen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten die Absicht künftiger Wiederholungen ergeben (vgl. zu allem Altenhoff/Busch/Chemnitz, RBerG, 10. Aufl., 1993, Art. 1 § 1, Rn. 102; OLG Koblenz MDR 1993, 1129; OLG Karlsruhe AnwBl. 1989, 244; Die Justiz 1992, 419, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung).
9Auf der Grundlage dieses rechtlichen Ansatzes war der Betroffene von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf freizusprechen.
10Zutreffend ist das Amtsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der Betroffene durch den von ihm im Hinblick auf die zwischen den Eheleuten ... und ... umstrittene Forderung geführten Schriftwechsel eine fremde Rechtsangelegenheit besorgt hat. Das bedarf keiner näheren Darlegung.
11Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen erlauben jedoch (noch) nicht den Schluß, daß der Betroffene diese Rechtsanlegenheit, wie von Art. 1 § 8 Ziffer 1, Abs. 2 RBerG vorausgesetzt, auch "geschäftsmäßig" besorgt hat. Insoweit ist es zwar ebenfalls zutreffend, wenn das Amtsgericht darauf abstellt, daß auch die nur einmalige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten bereits den Begriff der "Geschäftsmäßigkeit" im Sinn des Art. 1 § 8 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 RBerG erfüllen kann. Dann muß aber die einmalige Tätigkeit des Handelnden bereits so angelegt sein, daß sie die Absicht künftiger Wiederholungen indiziert. Ob eine Wiederholungsabsicht vorliegt, muß in der Regel aus den Umständen geschlossen werden, die in ihrer Gesamtheit, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und nach ihrem Anlaß beurteilt werden müssen. (OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Karlsruhe AnwBl. 19989, 244).
12Hier hat das Amtsgericht die für die Frage, ob Wiederholungsgefahr gegeben ist, maßgeblichen Tatumstände zwar zutreffend festgestellt, deren Würdigung dahin, daß Wiederholungsgefahr gegeben sein soll, vermag der Senat indes nicht nachzuvollziehen. Nach Auffassung des Senats lassen - entgegen der Ansicht des Amtsgerichts und der Generalstaatsanwaltschaft - die festgestellten (Tat-)Umstände vielmehr noch nicht den Schluß auf die Absicht künftiger Wiederholung in der Person des Betroffenen zu. Gegen eine Wiederholungsabsicht des Betroffenen spricht zunächst, daß er sich nur auf einem eng eingegrenzten Gebiet, nämlich der Abwehr einer Forderung, betätigt hat. Dafür waren nach den Bekundungen des vom Amtsgericht als Zeuge vernommenen Ehemannes ... auch noch persönliche Beziehungen zwischen den Eheleuten ... und dem Betroffenen der Anlaß. Auch ist die wirtschaftliche Bedeutung der vom Betroffenen besorgten Angelegenheit - der Gläubiger ... berühmte sich einer Forderung von nur 1.000 DM - nicht erheblich. Es sind zudem die vom Betroffenen für die Eheleute ... entfalteten Tätigkeiten nicht umfangreich; sie erschöpften sich vielmehr in der Fertigung von zwei kurzen Schreiben an den Vertreter des Gläubigers. Als Indiz gegen eine Wiederholungsabsicht spricht außerdem auch, daß der Betroffene für seine Tätigkeit weder ein Honorar gefordert noch angenommen hat. Insoweit übersieht der Senat nicht, daß zwar die Zahlung eines Honorars nicht Voraussetzung für die Annahme einer "geschäftsmäßigen" Besorgung ist (vgl. die o.a. Nachweise). Aber ebenso wie die Forderung oder Annahme eines Honorars als Indiz für eine Wiederholungsabsicht angesehen werden kann (vgl. BGH AnwBl. 1986, 111, 112; OLG Koblenz, a.a.O.), muß es umgekehrt dann gegen eine Wiederholungsabsicht sprechen, wenn die Tätigkeiten vom Handelnden aus reiner Gefälligkeit erbracht werden.
13Die Wiederholungsabsicht läßt sich schließlich auch nicht aus der vom Betroffenen verwendeten Vollmacht herleiten. Diese entspricht zwar inhaltlich einer einem Rechtsanwalt ggf. erteilten umfassenden Vertretungsvollmacht, was den Schluß auf eine Wiederholungstendenz ermöglichen könnte. In diesem Zusammenhang darf aber nicht übersehen werden, daß der Betroffene sich die Vollmacht deshalb mit dem umfassenden Inhalt hat erteilen lassen, um "etwas Eindruck zu machen". Allein aus diesem - verständlichen - Motiv kann nach Auffassung des Senats - auch unter der Berücksichtigung des Berufstands des Betroffenen, der "pensionierter Kommunalbeamter" ist, nicht der Schluß gezogen werden, der Betroffene wolle auch künftig - bei sich bietender Gelegenheit - in gleicher Weise tätig werden. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil es sich bei der Vollmacht vom 18.10. 1995 nicht um eine "allgemeine", auf einem dem Betroffenen zuzuordnenden Vollmachtsformular erteilte Vollmacht handelt, sondern um eine in der Firma ... auf den ganz konkreten Fall bezogene, auf einem "Kopfbogen ..." geschriebene Vollmacht. Damit wurde auch durch die Vollmacht nicht der Eindruck erweckt, der Betroffene erledige etwa die Angelegenheiten der Firma ... mehr oder weniger umfassend bzw. er wolle das oder ähnliches zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung machen.
14Nach allem läßt sich eine Wiederholungsabsicht des Betroffenen nicht feststellen. Der Rahmen einer bloßen Gefälligkeits- und Gelegenheitsvertretung ist vielmehr (noch) nicht überschritten. Da bei einer erneuten Hauptverhandlung weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat daher von der ihm in § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit, selbst zu entscheiden, Gebrauch gemacht und den Betroffenen vom Vorwurf der unerlaubten geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gem. Art. 1 § 8 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 RBerG freigesprochen. Der Betroffene wird allerdings darauf hingewiesen, daß - nach Durchführung dieses Verfahrens - bei erneuter Besorgung fremder Rechtsangelegenheit die Annahme der "Geschäftsmäßigkeit" nahe liegen dürfte.
15III.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 465 StPO.