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Die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt im Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Iserlohn vom 08. Dezember 1995 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Antragstellers wird die vorgenannte Entscheidung dahin abgeändert, daß der Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt ganz abgewiesen wird.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
2Beide Berufungen sind zulässig. Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg, dasjenige des Antragstellers hingegen hat Erfolg.
3A)
4Der Antragsgegnerin steht ein Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt weder nach der vom Amtsgericht zugrunde gelegten Vorschrift des § 1571 BGB noch nach sonstigen evtl. in Betracht kommenden Bestimmungen zu. Sie hat nämlich nicht darzulegen vermocht, daß nach Berücksichtigung anrechenbarer Eigeneinkünfte ein noch offener, vom Antragsteller abzudeckender Bedarf verbleibt.
5I.
6Die für den nachehelichen Unterhalt maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse werden durch das bis zur Scheidung nachhaltig erzielte Einkommmen geprägt, wobei tatsächliche Veränderungen bis zur Scheidung grundsätzlich beachtlich sind, es sei denn, es handelt sich um eine unerwartete, vom Normalverlauf erheblich abweichende Entwicklung (vgl. BGH NJW 1992, 2477 = FamRZ 1992, 1045, 1046 m.w.N.).
71a)
8Daraus folgt - was die Antragsgegnerin auch nicht verkennt -, daß die vom Antragsgegner vor der Trennung der Parteien erzielten überdurchschnittlich hohen Einkünfte aus seiner Geschäftsführertätigkeit für die und seine Beteiligung an der inzwischen in Vermögensverfall geratenen Firma
9außer Betracht zu bleiben haben.,
10b)
11Entsprechendes gilt aber auch für vom Antragsteller in der Folgezeit erzielte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Handelsvertreter. Diese Tätigkeit ist nämlich nach den glaubhaften Angaben des Antragstellers im Senatstermin - in dem der Scheidungsausspruch in dem angefochtenen amtsgerichtlichen Urteil durch Rücknahme der insoweit eingelegten Berufung der Antragsgegnerin rechtskräftig geworden ist - bereits seit Mitte 1995 nicht mehr erzielt worden.
12c)
13Eine fiktive Anrechnung entsprechender Einkünfte in Höhe der zuvor erzielten Bezüge kommt bereits im Hinblick auf die Überobligationsmäßigkeit der ausgeübten Tätigkeit nach der Vollendung des 65. Lebensjahres (am 02.11.1994) nicht in Betracht.
14aa)
15Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gilt die im Erwerbsleben bei Nichtselbständigen übliche Regelaltersgrenze grundsätzlich auch bei Selbständigen. Diese sind deshalb ebenfalls unterhaltsrechtlich nicht verpflichtet, auch über das 65. Lebensjahr hinaus erwerbstätig zu sein. Eine nach Erreichen des 65. Lebensjahres gleichwohl noch ausgeübte Tätigkeit darf dementsprechend ohne unterhaltsrechtliche Nachteile grundsätzlich jederzeit eingestellt werden (vgl. BGH FamRZ 1983, 146/ 149; 88, 256).
16bb)
17Ob und ggfls. in welchem Umfang Ausnahmen bei anderweitiger Lebensplanung der Ehegatten oder beengten wirtschaftlichen Verhältnissen gelten, kann dahingestellt bleiben. Eine gemeinsame Lebensplänung, nach der der Antragsteller auch über das 65. Lebensjahr hinaus erwerbstätig sein sollte, hat die Antragsgegnerin nämlich selbst nicht behauptet. Zudem hat sie, der Erklärung des Antragstellers im Senatstermin nicht widersprochen, auch seine Tätigkeit für die in Vermögensverfall geratene XXX wäre mit Vollendung des 65. Lebensjahres beendet worden.
18d)
19Dementsprechend kann auf Seiten des Antragsgegners als bedarfsprägend nur dessen mit 3.072,00 DM bezifferte und belegte monatliche "Rente" aus ausgezahlten Lebensversicherungen in Ansatz gebracht werden. Von dieser sind unstreitige Krankenversicherungsbeiträge von 955,05 DM in Abzug zu bringen, so daß anrechenbar 2.166,95 DM verbleiben.
20Nach den Erklärungen des Antragstellers im Senatstermin über die Veräußerung vorhandener Wertpapiere können diesem auch keine entsprechenden (u.U. fiktiven) Zinseinkünfte angerechnet werden.
212)
22Auf Seiten der Antragsgegnerin ist von Mieteinahmen aus einem in ihrem Miteigentum befindlichen Geschäfts- und Wohnhaus, in XXX sowie von Zinseinnahmen auszugehen.
23a) aa)
24Legt man hinsichtlich der ersteren die an die Miteigentümer für die jeweiligen Kalenderjahre erfolgten Ausschüttungen zugrunde, ist bei der gebotenen Ermittlung des über einen längeren Zeitraum hinweg erzielten Durchschnittseinkommens im Interesse der erforderlichen möglichst großen Aktualität der Dreijahreszeitraum 1993 bis 1995 zugrunde zu legen. Dementsprechend ist von an die Antragsgegnerin erfolgten Ausschüttungen von 48.500,00 DM für 1993 und 48.000,00 DM für 1994 auszugehen. Nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen ist für 1995 eine Ausschüttung zwar noch nicht erfolgt. Im Hinblick darauf, daß der (vor Abschreibung) erzielte Überschuß nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten vorläufigen Gewinnberechnung mit 195.908,80 DM deutlich über dem in der Berechnung für 1993 ausgewiesenen Betrag von 156.859,38 DM lag, erscheint es gerechtfertigt, von einer Ausschüttung von jedenfalls nicht unter 48.000,00 DM auszugehen.
25Dementsprechend errechnet sich für den erwähnten Dreijahreszeitraum ein Bruttoeinkommen von 48.166,67 DM.
26bb)
27Bringt man. die in dem erwähnten Zeitraum tatsächlich gezahlten Steuern in Abzug, nämlich
im Jahre 1993 | 584,00 DM Steuervorauszahlung (Bl. 289) |
im Jahre 1994 | 8.043,00 DM Steuervorauszahlung (Bl. 291) 343,33 DM Steuernachzahlung für 1992 (Bl. 287), |
im Jahre 1995 | 11.407,00 DM (9.792,00 DM'+ 734,00 DM + 881,00 DM) Steuervorauszahlung (Bl. 377, 384) 10.089,28 DM Steuernachzahlung für 1993 (Bl. 289) ergeben sich Steuerzahlungen von insgesamt = 29.882,61 DM, jahresdurchschnittlich also 9.960,87 DM. |
Dementsprechend errechnet sich ein jahresdurchschnittliches Nettoeinkommen von 38.205,80 DM, das sind monatlich 3.183,82 DM.
30b)
31Hinzuzurechnen sind unter Zugrundelegung des Zahlenwerks in einer Anlage (Bl. 310) zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.03.1996 Zinsen von 100,60 DM (monatsanteilig 53,27 DM von der Sparkasse XXX und 47,33 DM aus einem Postsparbuch).
32Bringt man die Krankenversicherungsbeiträge der Antragsgegnerin
33von 1.039,83 DM in Abzug, verbleibt ein anrechenbares Einkommen von 2.244,59 DM.
343)
35Zur Ermittlung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen ist dem sich ergebenden Gesamtbetrag der beiderseitigen Einkünfte von 4.411,54 DM der während des Zusammenlebens der Parteien von beiden in Anspruch genommene Wohnwert des dem Antragsteller gehörenden Einfamilienhauses hinzuzurechnen. Diesen hat der Antragsteller mit (185 qm x 7,65 DM =) 1.415,00 DM jedenfalls nicht zu niedrig beziffert. In Abzug zu bringen sind allerdings die vom Antragsteller getragenen monatlichen Belastungen von 146,83 DM, so daß ein letztlich anrechenbarer Wohnwert von 1.268,17 DM verbleibt.
364)
37Unter Berücksichtigung dieses Wohnwerts ist danach von bedarfsprägenden Einkünften bzw. vermögenswerten Vorteilen der Ehegatten von insgesamt 5.679,71 DM und dementsprechend von einem Bedarf der Antragsgegnerin von (5.679,71 DM : 2 =) 2.839,86 DM auszugehen.
38II.
39Bringt man zur Ermittlung eines eventuellen Aufstockungsunterhaltsbedarfs die Eigeneinkünfte der Antragsgegnerin von jedenfalls nicht unter 2.244,59 DM in Abzug, verbleibt zwar eine Differenz von 592,27 DM. Diese wird indessen durch die Vorteile abgedeckt, die der Antragsgegnerin durch mietfreies Wohnen im Hause des Antragstellers zufließen. Selbst wenn man ihr nur die Hälfte des Wohnwertes anrechnen wollte (im Hinblick darauf, daß sie den vollen Wohnwert des Hauses seit der Trennung im Jahre 1993 seit mehr als einem Jahrzehnt in Anspruch nimmt, wohl nicht gerechtfertigt), verbleibt kein vom Antragsteller abzudeckender Restbedarf.
40III.
41Soweit die Antragsgegnerin berücksichtigt wissen will, daß sie ab 01.08.1996 nach ihren Angaben nicht mehr kostenfrei im Haus des Antragstellers wohnen, sondern durch Umzug in eine Mietwohnung Mietzins zu zahlen haben wird, erscheint die Annahme, der erwähnte Umstand werde sich unterhalts-erhöhend auswirken, nicht ohne weiteres gerechtfertigt.
421)
43Bei seinen obigen Berechnungen hat der Senat da es nicht darauf ankam auf Seiten der Antragsgegnerin ohne weiteres als Einkommen die jeweils erfolgten Ausschüttungen aus der Grundstücksgemeinschaft angesetzt. Es konnte dahingestellt bleiben, ob bei Zugrundelegung der steuerlichen Einkünfte im Ergebnis nicht von einem höheren unterhaltsrechtlich zugrunde zu legenden Einkommen auszugehen ist. Möglicherweise ist eine Korrektur der Berechnung der steuerlichen Einkünfte nach oben hin geboten, weil vorgenommene Abschreibungen und aufgeführte Reparaturaufwendungen nicht zu berücksichtigen bzw. letztere jedenfalls auf einen längeren Zeitraum umzulegen sind.
442)
45Ferner hat der Senat - da sich auch insoweit bei anderweitiger Handhabung am Ergebnis nichts geändert hätte - bei der Ermittlung des von der Antragsgegnerin von 1993 bis 1995 erzielten Durchschnittseinkommens ohne weiteres eine im Jahre 1995 erfolgte Steuernachzahlung von 10.089,28 DM berücksichtigt. Es konnte dahingestellt bleiben, ob diese - für das Jahr 1993 erfolgte - Nachzahlung nicht unberücksichtigt zu bleiben hat, weil sie ein nicht in den vorliegend zugrunde gelegten Durchschnittszeitraum einbezogenes Jahres betraf und/oder wegen ihres einmaligen und dementsprechend eine entsprechende Zahlung in der Zukunft ausschließenden Charakters zu einer Verzerrung der Durchschnittsberechnung führt.:
463)
47Es konnte auch dahingestellt bleiben, ob die Nichtberücksichtigung der Steuernachzahlung für 1993 - stellt man hinsichtlich des Einkommens auf die vorgenommenen Ausschüttungen ab - nicht jedenfalls deshalb geboten ist, weil entgegen dem Zufluß-Prinzip eine im Jahre 1993 (für 1992) erfolgte weitere Ausschüttung von 24.000,00 DM (Bl. 328) bisher nicht berücksichtigt worden ist.
484).
49Einer Beantwortung der aufgeworfenen Fragen durch den Senat bedurfte es indessen nicht. Der Wegfall der Vorteile mietfreien Wohnens vom 01.08.1996 an ist nämlich nicht sicher genug, um ihn bereits jetzt berücksichtigen zu können. Die Antragsgegnerin hat im Senatstermin nämlich nicht einmal einen für den Vermieter verbindlichen Mietvertrag vorlegen können, so daß sich nicht ausschließen läßt, daß die Umzugspläne sich noch zerschlagen.
505)
51Ist der Umzug der Antragsgegnerin in eine Mietwohnung nicht hinreichend sicher, können ferner auch die unterhaltsrechtlichen Auswirkungen dahingestellt bleiben, die sich bei einer -nach den Erklärungen der Parteien im Senatstermin für den Fall des Auszugs der Antragsgegnerin abzeichnenden - Veräußerung des Hausgrundstücks durch den Antragsteller ergeben mögen (vgl. BGH FamRZ 1985, 354, 356; FamRZ 1990, 269, 272; Graba, Zur Mietersparnis im Unterhaltsrecht, FamRZ 1995, 385 ff.).
52B)
53Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 93 a. 97 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des § 708 Ziff. 10 ZPO