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I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. Juli 2024 verkündete Urteil der 14d. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (14d O 1/23) wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleitung in Höhe von 2.000 Euro, im übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit wegen des Unterlassungsanspruchs in Höhe von 2.000 Euro und im übrigen in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
V.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.000 Euro festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Kläger ist ein seit 1992 eingetragener, als gemeinnützig anerkannter Verein mit Sitz in …, der Ausstellungen, Konzerte, Film- und Seminarreihen, Workshops, Masterclasses, Talks und Vorträge organisiert. Der Kläger vermarktet seine Aktivitäten seit mindestens 2014 über eine G.-Seite mit der Bezeichnung „X.“, die zuletzt 4.000 Follower hatte, darüber hinaus über eine eigene Webseite, eine Präsenz auf Instagram, per Email und über gedruckte Programm-Flyer.
4Die Beklagte hat ihren Sitz in … und betreibt in Europa und damit auch für deutsche Nutzer das soziale Netzwerk G.. Die Beklagte bietet zum einen privaten Nutzern die Erstellung persönlicher G.-Seiten an, auf denen sie sich auf vielfältige Weise mitteilen und mit anderen Nutzern vernetzen können. Zum anderen bietet die Beklagte Inhalteanbietern wie dem Kläger die Erstellung von G.-Seiten an, mit denen diese ihre Inhalte unter den privaten G.-Nutzern verbreiten und mit ihren im sozialen Netzwerk G. vertretenen Kunden und Interessenten über Abonnements oder eine „Gefällt mir“-Funktion in Verbindung treten können.
5Die Beklagte verfügt über sogenannte „Gemeinschaftsstandards“, die u.a. die Nacktdarstellung von Kindern untersagen (GA 104). Die mehrfach geänderten Nutzungsbedingungen der Beklagten enthalten in Ziff. 3.2 ein Verbot u.a. des Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards und den Vorbehalt u.a. der Entfernung oder Blockade entsprechender Inhalte (GA 101, Anlage B10, Anlage B12).
6Die Nutzungsbedingungen in der Fassung von 2018 (Anlage B12) und 2021 (Anlage B10) enthalten in Ziffer 4.4 jeweils folgende, gleichlautende Bestimmung:
7„Wenn du ein Verbraucher bist und deinen ständigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hast, gelten die Gesetze dieses Mitgliedstaats für jeglichen Anspruch, Klagegegenstand oder Streitfall, den du uns gegenüber hast und der sich aus diesen Nutzungsbedingungen oder aus den G.-Produkten oder im Zusammenhang damit ergibt („Anspruch“). Du kannst deinen Anspruch vor jedwedem Gericht in diesem Mitgliedstaat klären lassen, das für den Anspruch zuständig ist. In allen anderen Fällen stimmst du zu, dass der Anspruch vor einem zuständigen Gericht in … zu klären ist und dass diese Nutzungsbedingungen sowie jedweder Anspruch irischem Recht unterliegen, und zwar ohne Rücksicht auf kollisionsrechtliche Bestimmungen.“
8Ziffer 4.4. der Nutzungsbedingungen in der Fassung von 2023 (GA 102) lautet:
9„Wenn sich aus oder im Zusammenhang mit deiner Nutzung der N.-Produkte als Verbraucher ein Anspruch oder Streitfall ergibt, vereinbaren du und wir, dass du deinen jeweiligen Anspruch oder Streitfall, den du uns gegenüber hast, und wir unseren Anspruch oder Streitfall, den wir dir gegenüber haben, von jedem Gericht in dem Land deines Hauptwohnsitzes klären lassen kannst/können, das für den Anspruch bzw. Streitfall zuständig ist, und dass die Gesetze dieses Landes ohne Berücksichtigung kollisionsrechtlicher Bestimmungen gelten werden.
10Wenn zwischen uns ein Anspruch oder Streitfall entsteht, der im Zusammenhang mit der Nutzung der N.-Produkte in irgendeiner anderen Eigenschaft steht, wie u.a. der Zugriff auf die N.-Produkte oder ihre Nutzung für einen geschäftlichen oder gewerblichen Zweck, oder den eine juristische Person in deinem Namen vorbringt, stimmst du zu, dass jeder derartige Anspruch oder Streitfall von einem zuständigen Gericht in … zu klären ist und dass irisches Recht ohne Berücksichtigung kollisionsrechtlicher Bestimmungen Anwendung findet.“
11Seit dem 15. Dezember 2021 war die G.-Seite des Klägers nicht mehr erreichbar. In einer automatisch generierten Email der Beklagten vom selben Tag (Anlage K11) heißt es:
12„Du hast 30 Tage Zeit, eine Überprüfung anzufordern
13Hallo …,
14Dein G.-Konto wurde deaktiviert, weil dein Konto oder damit verbundene Aktivitäten gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstoßen haben. Wenn du denkst, dass dein Konto fälschlicherweise deaktiviert wurde, kannst du mit wenigen Schritten eine Überprüfung anfordern. Du musst diese Schritte innerhalb von 30 Tagen abschließen, um zu verhindern, dass dein Konto dauerhaft gesperrt wird.“
15Auf den vorgenannten Text folgt die Möglichkeit, eine Schaltfläche „Überprüfung beantragen“ anzuklicken. Weiter heißt es:
16„In unseren Gemeinschaftsstandards erfährst du, warum wir manchmal Konten deaktivieren.
17Danke,
18Das G. Security-Team“.
19Die „Gemeinschaftsstandards“ sind ebenfalls anklickbar.
20Der Kläger hatte kurz vor der Sperrung das auf S. 24 der Klageschrift abgebildete Filmstill aus dem Oscar-nominierten, durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH (FSK) mit einer Altersfreigabe ab 12 Jahren eingestuften Film „Der Schamane und die Schlange“ (Col 2014/R: Ciro Guerra) zur Veröffentlichung eines Programmhinweises auf seiner G.-Seite hochgeladen, das Indigene in typischer Bekleidung zeigt.
21Die Beklagte hatte den Kläger vor der Seitensperrung nicht informiert oder angehört. Die vom Kläger noch am Tag der Sperrung erstmalig und in der Folge wiederholt vorgenommenen Versuche, den von der Beklagten bereitgestellten Mechanismus zur Überprüfung der Sperrung in Gang zu setzen, blieben erfolglos. Bei neuerlichen Anmeldeversuchen wurde dem Kläger lediglich angezeigt, dass die Sperrung gerade überprüft werde. Seit Mitte Januar 2022 erhielt der Kläger bei Anmeldeversuchen die folgende Mitteilung (Anlage K12):
22„Dein Konto wurde deaktiviert
23Du kannst G. nicht nutzen, weil dein Konto bzw. deine Kontoaktivitäten gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstoßen haben. Wir können diese Entscheidung nicht noch einmal überprüfen, da die Deaktivierung deines Kontos schon zu lange zurückliegt. In unseren Gemeinschaftsstandards erfährst du mehr darüber, warum wir Konten deaktivieren.“
24Es folgte die Möglichkeit, die „Gemeinschaftsstandards“ anzuklicken. Der Kläger forderte die Beklagte mit Email vom 26. Januar 2022 an die Adresse „….de“ unter Darstellung des Sachverhalts zur Überprüfung auf (Anlage K13). Auf seine erneute Email vom 2. Februar 2022 an die Adresse „….com“ erhielt der Kläger am selben Tag die folgende Antwort (Anlage K14):
25„Hallo,
26Danke dass du uns kontaktiert hast. Wir können dir bei diesen Arten von Problemen hier nicht helfen. Wenn du aber versuchst, dich bei deinem deaktivierten G.-Konto anzumelden, solltest du weitere Informationen dazu erhalten, warum dein Konto deaktiviert wurde und welche Schritte du eventuell ergreifen kannst.
27Mit freundlichen Grüßen
28Danke, dass du G. kontaktiert hast.“
29Mit an die deutsche Tochtergesellschaft der Beklagten, die G.1 in …, gerichtetem Schreiben vom 9. März 2022 (Anlage K15) forderte der Kläger erneut unter Darstellung des Sachverhalts zur Überprüfung und Rücknahme der Deaktivierung auf. Bei Aufruf der G.-Seite des Klägers erschien nunmehr der Hinweis, dass die Seite entfernt wurde. Der Kläger beauftragte daraufhin seine jetzigen Prozessbevollmächtigten, die die Beklagte mit Schreiben vom 11. November 2022, versandt als Einwurfeinschreiben, zur Freischaltung der Seite bis 2. Dezember 2022 und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis 9. Dezember 2022 aufforderten (Anlage K16). Die Beklagte reagierte weiter nicht, teilte insbesondere nicht das Ergebnis ihrer Überprüfung oder konkrete Vorwürfe mit.
30Mit seiner im Februar 2023 beim Landgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Entsperrung seiner G.-Seite, die Unterlassung erneuter Sperrung und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Er hat gemeint, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich für (kartell)deliktische Ansprüche aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO und für vertragliche Ansprüche aus Art. 7 Nr. 1 a) Brüssel Ia-VO. Der Kläger hat den Vortrag der Beklagten zur Einbeziehung ihrer ab dem 5. Juli 2023 geltenden Nutzungsbedingungen bereits für unschlüssig gehalten und die Einbeziehung der am 15. Dezember 2021 und ab 19. April 2018 geltenden Nutzungsbedingungen bestritten, zumal die Einwilligungserklärung des Nutzers eines privaten Accounts von der Beklagten offenbar auch als Einwilligungserklärung bezüglich der von diesem Nutzer verwalteten Seiten Dritter gewertet werde. Die in den Nutzungsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung sei wegen Unklarheit und Verstoßes gegen § 19 GWB, Art. 102 AEUV unwirksam und erfasse überdies kartellrechtliche Ansprüche nicht. Der Kläger hat geltend gemacht, die anlass-, begründungs- und anhörungslos erfolgte Sperrung seiner G.-Seite verletze seine Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 S. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Ihm stehe daher ein kartellrechtlicher Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus §§ 33 Abs. 1, 19 Abs. 1 GWB zu. Die Beklagte sei auf dem relevanten deutschen Markt für soziale Netzwerke marktbeherrschend. In der formell ohne Begründung, vorherige Abmahnung und Vorankündigung sowie materiell ohne jegliche sachliche Rechtfertigung vorgenommenen Seitensperrung liege ein Marktmachtmissbrauch im Sinne der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB und eine unbillige Behinderung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Zudem seien die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 S. 2 GWB erfüllt. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich schon aus der Erstbegehung und entfalle nicht durch die zwischenzeitliche Änderung der Nutzungsbedingungen der Beklagten. Der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch folge zudem aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1 und Abs. 2 BGB sowie aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Abs. 3, Art. 9 GG.
31Der Kläger hat mit dem Klageantrag zu 1 zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die vormals unter der URL https://www.... bzw. https://www.... verfügbare – am 15. Dezember 2021 gesperrte – Seite des Klägers mit der Bezeichnung „X.“ zu entsperren und damit ihm die Nutzung der Funktionen des G.-Netzwerks (wie die Veröffentlichung von Beiträgen, das Kommentieren fremder Beiträge und die Nutzung des Nachrichtensystems) wieder einzuräumen. Die Beklagte hat die Seite am 31. Mai 2023 wieder freigeschaltet und vorgetragen, sie habe die Veröffentlichung der Seite am 15. Dezember 2021 eingestellt, da an diesem Tag insgesamt 17 Beiträge wegen Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards von der Seite entfernt worden seien. Sie könne aufgrund der Tatsache, dass der Sachverhalt bereits lange Zeit zurückliege, nicht mehr ermitteln, welchen Inhalt diese Beiträge hatten. Sie könne lediglich nachvollziehen, dass als Grund der Entfernung Verstöße gegen das in den Gemeinschaftsstandards niedergelegte Verbot der Nacktdarstellung von Kindern hinterlegt sei. Ihr sei eine weitere Ermittlung des Sachverhalts nicht möglich; eine Fehlbeurteilung zu Lasten des Klägers sei nicht ausgeschlossen. Die Parteien haben diesen Klageantrag daraufhin übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.
32Der Kläger hat weiterhin beantragt,
332.
34die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die in Ziffer 1 genannte Seite des Klägers erneut zu sperren, wenn dies erfolgt wie bei dem der Sperrung am 15. Dezember 2021 zugrundeliegenden Sachverhalt, d.h. ohne vorherige oder unverzüglich nach der Sperrung erfolgte Benennung konkreter Gründe und/oder Gelegenheit für ihn, zu etwaigen Vorwürfen Stellung zu nehmen,
353.
36der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 2 ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den jeweiligen Direktoren bzw. Geschäftsführern, festgesetzt werden kann,
374.
38die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 627,13 Euro freizustellen.
39Hilfsweise hat der Kläger beantragt, dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV verschiedene Fragen zur Auslegung von Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO vorzulegen.
40Die Beklagte hat beantragt,
41die Klage abzuweisen.
42Die Beklagte hat den Zugang der Schreiben vom 9. März 2022 und 11. November 2022 bestritten. Sie hat die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf gerügt. Der Kläger mache einen vertraglichen Anspruch geltend, weshalb eine Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ausscheide. Die Bestimmung des Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO führe zur Zuständigkeit irischer Gerichte, weil Erfüllungsort der Sitz des Dienstleisters sei. Unabhängig davon ergebe sich die Unzuständigkeit deutscher Gerichte aus der Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der irischen Gerichte in Ziffer 4.4 der Nutzungsbedingungen. Der Kläger habe den seit dem 5. Juli 2023 geltenden Nutzungsbedingungen der Beklagten am 19. Juni 2023 bei Erstellen eines Kontos zugestimmt. Im Übrigen hätten die am 15. Dezember 2021 geltenden Nutzungsbedingungen in Ziffer 4.4 eine entsprechende Gerichtsstandsklausel und Rechtsvereinbarung enthalten (Anlage B10). Gleiches gelte für Ziffer 4.4 der früheren Nutzungsbedingungen vom 19. April 2018 (Anlage B12). Jeder Nutzer des G.-Dienstes sei unter anderem mittels Email-Benachrichtigung sowie über Pop-Up-Fenster, die sich beim Versuch des Zugriffs auf den G.-Dienst ab dem 19. April 2018 öffneten, auf die Aktualisierung der Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards mit Wirkung zum 19. April 2018 informiert worden. Die in diesen Pop-Up-Fenstern enthaltene Nachricht habe alle Nutzer über die Änderung der Be-stimmungen und Richtlinien informiert und sie dazu aufgefordert, diese über eine Schaltfläche mit der Beschriftung „ich stimme zu“ zu bestätigen; ohne Zustimmung sei die Nutzung des G.-Dienstes nicht mehr möglich gewesen (Anlage B13). Die damalige Seitenadministratorin A. des Klägers habe am 20. April 2018 durch Anklicken der Schaltfläche „ich stimme zu“ ihre ausdrückliche Zustimmung erteilt (Anlage B14). Die Beklagte hat den Unterlassungsantrag zudem mangels der erforderlichen Bestimmtheit für unzulässig gehalten. Jedenfalls fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, nachdem die Beklagte ihre Nutzungsbedingungen aktualisiert habe. Der Antrag sei auch unbegründet, weil es für eine rechtmäßige Nutzungsbeschränkung keinesfalls stets einer vorherigen bzw. unverzüglich nachträglichen Anhörung des Nutzers bedürfe. Gleiches gelte für eine dauerhafte Deaktivierung eines Nutzerkontos aufgrund einer Kündigung aus wichtigem Grund. Die Beklagte hat bestritten, Normadressatin des § 19 GWB zu sein. Zudem fehle es an einem wettbewerbswidrigen Verhalten. Ein deliktischer Anspruch scheide bereits mangels eines Eingriffs in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten lägen auch mangels vorherigen Verzugs nicht vor.
43Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, seine internationale Zuständigkeit für den geltend gemachten kartellrechtlichen Anspruch ergebe sich aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO und werde nicht durch eine zwischen den Parteien getroffene Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen. Es könne dahinstehen, ob eine solche wirksam vereinbart worden sei, weil sie jedenfalls den geltend gemachten kartellrechtlichen Anspruch nicht erfasse. Die Klageanträge seien auch hinreichend bestimmt. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich aus §§ 33 Abs. 1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB. Die Beklagte sei Normadressatin des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots, da sie auf dem räumlich national abzugrenzenden Markt für soziale Netzwerke marktbeherrschend sei. In der von der Beklagten ohne vorherige oder unverzüglich nachträgliche Begründung und Anhörung vorgenommenen Seitensperrung liege ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in Form eines Behinderungsmissbrauchs. Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folge aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Die Kosten des Rechtsstreits seien auch insoweit der Beklagten aufzuerlegen, als die Parteien den ursprünglichen Klageantrag zu 1 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, weil der Beseitigungsanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB zulässig und begründet gewesen sei.
44Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.
45Die Beklagte beantragt,
46das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
47Der Kläger beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
50Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil und auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
51II.
52Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat mit Recht dem Unterlassungsantrag des Klägers unter Ordnungsmittelandrohnung stattgegeben (dazu nachfolgend unter A.), die Beklagte zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt (dazu nachfolgend unter B.) und der Beklagten auch insoweit die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, als die Parteien den ursprünglichen Klageantrag zu 1 übereinstimmend für erledigt erklärt haben (dazu nachfolgend unter C.).
53A. Das Landgericht hat den auf Unterlassung einer erneuten Sperrung der G.-Seite des Klägers ohne vorherige oder unverzüglich nachträglich erfolgende Angabe konkreter Gründe durch die Beklagte und/oder Gelegenheit zur Stellungnahme für den Kläger gerichteten Klageantrag zutreffend für zulässig und für aus §§ 33 Abs. 1, 19 GWB begründet erachtet. Da sich der geltend gemachte Anspruch bereits aus Kartellrecht ergibt, hat das Landgericht folgerichtig nicht geprüft, ob er auch aufgrund vertraglicher oder anderer deliktischer Anspruchsgrundlagen gegeben wäre. Für eine solche Prüfung besteht auch im Berufungsverfahren kein Anlass.
541. Der auf Kartellrecht gestützte Klageantrag ist zulässig. Das Landgericht Düsseldorf war international zur Entscheidung zuständig, und der Antrag ist auch im übrigen zulässig; insbesondere genügt er den Bestimmtheitserfordernissen. Hiervon ist das Landgericht mit Recht ausgegangen.
55a) Die internationale (und örtliche) Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf, die der Senat ungeachtet des § 513 Abs. 2 ZPO auch im Berufungsverfahren zu prüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 26.11.2024 – X ZR 47/23, juris Rn. 17), folgt aus Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO). Der Anwendbarkeit des deliktsrechtlichen Gerichtsstands des Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO steht nicht entgegen, dass zwischen den Parteien ein Nutzungsvertrag besteht. Der deliktsrechtliche Gerichtsstand ist auch nicht durch eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien ausgeschlossen.
56aa) Für die Prüfung des Klagebegehrens ist gemäß Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ein im Bezirk des angerufenen Landgerichts Düsseldorf belegener Gerichtsstand am Sitz des Klägers als demjenigen Ort eröffnet, an dem sich der mit dem Antrag geltend gemachte Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gegenüber dem Kläger ausgewirkt hat und erneut auswirken würde (vgl. EuGH, Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13, juris Rn. 53 – CDC Hydrogen Peroxide; BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 8 – Wikingerhof/Booking.com).
57Die Brüssel Ia-VO ist vorliegend anwendbar, weil die Beklagte ihren Sitz in … und damit in einem Mitgliedstaat hat. Die Anwendbarkeit der Brüssel Ia-VO richtet sich allein danach, ob der Beklagte seinen Sitz in einem Mitgliedstaat hat; auf Staatsangehörigkeit oder Sitz des Klägers kommt es nicht an (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 35. Auflage 2024, Anh I Art 4 EuGVVO Rn. 12 f.). Nach Art. 7 Nr. 2, Art. 63 Brüssel Ia-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz, bzw. eine Gesellschaft oder juristische Person, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden.
58Mit dem Klageantrag macht der Kläger einen auf eine unerlaubte Handlung im Sinne des Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO gestützten Anspruch geltend. Denn er begehrt mit dem Antrag die Unterlassung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte als Betreiberin des sozialen Netzwerks G. bei der Sperrung seiner G.-Seite (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 9 f. – Wikingerhof/Booking.com). Als missbräuchlich beanstandet der Kläger die Sperrung seiner Seite durch die Beklagte, wenn sie erfolgt, ohne dass die Beklagte vor oder unverzüglich nach der Sperrung konkrete Gründe hierfür angibt und/oder dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu etwaigen Vorwürfen gibt.
59bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt das Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen den Parteien die Qualifikation des Klagebegehrens als deliktischer Anspruch nicht aus. Entscheidend für die – nicht nach nationalem Recht, sondern autonom europarechtlich vorzunehmende - Abgrenzung des besonderen Gerichtsstands des Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO von dem besonderen Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO ist vielmehr, ob ein gesetzlicher Anspruch geltend gemacht wird, der unabhängig von einem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 24.11.2020 – C-59/19, juris Rn. 25, 33 – Wikingerhof/Booking.com; BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 11 – Wikingerhof/Booking.com). Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mit der Klage beanstandeten Handlung des Anspruchsgegners nicht vom Inhalt der beiderseitigen vertraglichen Rechte und Pflichten abhängt, sondern hiervon unabhängig nach Deliktsrecht zu beurteilen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 24.11.2020 – C-59/19, juris Rn. 32 – Wikingerhof/Booking.com; BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 11 – Wikingerhof/Booking.com).
60So verhält es sich im Streitfall. Die Kartellrechtswidrigkeit der beanstandeten Handlungen hängt allein davon ab, ob der Beklagten nach § 18 GWB eine marktbeherrschende Stellung zukommt und sie diese mit diesen Handlungen missbraucht (§ 19 GWB). Auf den Inhalt des Vertrages kommt es hierfür nicht an. Es ist deshalb im Sinne der Abgrenzungsformel des EuGH zur Beurteilung der Begründetheit der Klage auch nicht unerlässlich, den Vertrag zwischen den Parteien auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 12 – Wikingerhof/Booking.com). Dies gilt sogar dann, wenn sich der Beklagte vertraglich ausbedungen hat, die vom Kläger als kartellrechtswidrig beanstandeten Verhaltensweisen vornehmen zu dürfen. Denn auch in einem solchen Fall ist eine Vertragsauslegung allenfalls erforderlich, um das Vorliegen der beanstandeten Handlungsweisen festzustellen, nicht aber dazu, um die Kartellrechtswidrigkeit zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 24.11.2020 – C-59/19, juris Rn. 35 – Wikingerhof/Booking.com; BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 12 – Wikingerhof/Booking.com). Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die nach § 19 GWB stets gebotene Interessenabwägung im Einzelfall bei einer Vertragsbeziehung der Parteien auch eine Betrachtung der vertragstypischen Rechte und Pflichten und der zwischen den Parteien getroffenen Regelungen erfordert. Denn für die Qualifikation des Klageanspruchs als deliktischen Anspruch ist dies ohne Belang, zumal dabei Interessen nicht berücksichtigt werden dürfen, deren Durchsetzung insbesondere nach den kartellrechtlichen Wertungen rechtlich missbilligt werden (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 13 – Wikingerhof/Booking.com; vgl. zum Ganzen auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2024 – VI-6 W 1/24 (Kart), juris Rn. 88 f. – Österreichische Autobahnvignette). Die von der Beklagten als Anlagen B1, B20 und B21 vorgelegten unveröffentlichten Entscheidungen des 16. Zivilsenats des OLG Düsseldorf und der Landgerichte Magdeburg und Nürnberg-Fürth geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Auch soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. April 2025 geltend gemacht hat, es bedürfe für die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der als kartellrechtswidrig beanstandeten Verhaltensweise im Sinne des § 19 GWB der Beurteilung, ob der vom Kläger hochgeladene Beitrag gegen die vertraglich vereinbarten Gemeinschaftsstandards verstoßen hat, vermag dies nichts daran zu ändern, dass der Klageanspruch auf der Grundlage der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH und des BGH als deliktisch zu qualifizieren ist.
61cc) Die nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO begründete internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nicht aufgrund einer zwischen den Parteien geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen.
62(1) Eine wirksame Zuständigkeitsvereinbarung begründet allerdings nach Art. 25 Abs. 1 S. 2 Brüssel Ia-VO eine ausschließliche Zuständigkeit, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben (vgl. EuGH, Urteil vom 21.05.2015 – C-322/14, juris Rn. 24 – Majdoub/CarsOnTheWeb.Deutschland GmbH). Das Landgericht hat offen gelassen, ob die Parteien in Ziffer 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten wirksam eine Zuständigkeit der irischen Gerichte vereinbart haben. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung kann nicht festgestellt werden. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. April 2025 eingeräumt hat, können Unternehmen wie der Kläger kein eigenes G.-Konto unterhalten, über das sie ihre G.-Seite verwalten. Ausschließlich natürliche Personen können ein G.-Konto unterhalten und verwalten über dieses – weil jede natürliche Person nur ein G.-Konto unterhalten kann – sowohl die G.-Seite des Unternehmens, für das sie tätig sind, als auch ihre private G.-Seite. Ruft eine solche natürliche Person ihr G.-Konto auf, wird sie dabei aufgefordert, (aktualisierten) Nutzungsbedingungen zuzustimmen, und klickt sie die Schaltfläche „ich stimme zu“ an, lässt sich daher nicht feststellen, dass sie diese Zustimmung als Vertreterin des Unternehmens und nicht im Rahmen ihrer privaten G.-Nutzung erteilt hat. Unbeschadet dessen erfasst die Gerichtsstandsvereinbarung in ihrer jeweiligen Fassung den geltend gemachten kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch auch nicht.
63(2) Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass die Anwendung der Gerichtsstandsklausel auf den nach §§ 33 Abs. 1, 19 GWB geltend gemachten Anspruch allerdings nicht schon gemäß Art. 25 Abs. 1 S. 1 Brüssel Ia-VO ausgeschlossen ist. Danach kann eine Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit nur eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit betreffen, was ihre Geltung auf Rechtsstreitigkeiten einschränkt, die ihren Ursprung in dem Rechtsverhältnis haben, anlässlich dessen die Vereinbarung getroffen wurde. Dieses Erfordernis soll vermeiden, dass eine Partei dadurch überrascht wird, dass die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts für sämtliche Rechtsstreitigkeiten begründet wird, die sich eventuell aus den Beziehungen mit ihrem Vertragspartner ergeben und ihren Ursprung in einer anderen Beziehung als derjenigen haben, anlässlich deren die Begründung des Gerichtsstands vorgenommen wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.2018 – C-595/17, juris Rn. 22 – Apple Sales; Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13, juris Rn. 68 – CDC Hydrogen Peroxide). Dies ist der Fall, wenn das vorgetragene wettbewerbswidrige Verhalten nichts mit dem Vertragsverhältnis zu tun hat, in dessen Rahmen die Gerichtsstandsklausel vereinbart wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.2018 – C-595/17, juris Rn. 27 – Apple Sales). Dementsprechend erfasst eine Klausel, die sich in abstrakter Weise auf Rechtsstreitigkeiten aus Vertragsverhältnissen bezieht, einen Rechtsstreit, in dem ein Vertragspartner aus deliktischer Haftung wegen seines einem rechtswidrigen Kartell entsprechenden Verhaltens belangt wird, nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.2018 – C-595/17, juris Rn. 23 – Apple Sales; Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13, juris Rn. 69 – CDC Hydrogen Peroxide). Bei einem solchen Rechtsstreit kann, da er für das geschädigte Unternehmen im Zeitpunkt seiner Zustimmung zu der genannten Klausel nicht hinreichend vorhersehbar war, weil diesem Unternehmen eine Beteiligung seines Vertragspartners an dem rechtswidrigen Kartell zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war, nicht davon ausgegangen werden, dass er auf den Vertragsverhältnissen beruht (vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.2018 – C-595/17, juris Rn. 24 – Apple Sales; Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13, juris Rn. 70 – CDC Hydrogen Peroxide). Anders liegt es bei Klagen, mit denen ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung des Vertragspartners geltend gemacht wird. Da sich der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in den von einem marktbeherrschenden Unternehmen geknüpften vertraglichen Beziehungen und über die Vertragsbedingungen manifestieren kann, ist die Erstreckung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf darauf gestützte Klagen auch dann nicht überraschend, wenn sie sich nicht ausdrücklich auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht bezieht (vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.2018 – C-595/17, juris Rn. 28 ff. – Apple Sales; BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 18 – Wikingerhof/Booking.com).
64(3) Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, erfasst die Gerichtsstandsklausel den geltend gemachten kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch jedoch nicht.
65(a) Die sachliche Reichweite einer Gerichtsstandsvereinbarung ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 20 – Wikingerhof/Booking.com). Die Auslegung einer Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit ist Sache des nationalen Gerichts, vor dem sie geltend gemacht wird (vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.2018 – C-595/17, juris Rn. 21 – Apple Sales; Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13, juris Rn. 67 – CDC Hydrogen Peroxide). Sie richtet sich, wenn sie – wie hier – Teil einer umfassenderen Vereinbarung ist, regelmäßig nach dem für den Vertrag geltenden Recht, soweit Art. 25 Brüssel Ia-VO keine Maßstäbe und Vorgaben enthält (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 20 – Wikingerhof/Booking.com; Urteil vom 17.10.2019 – III ZR 42/19, juris Rn. 21 – Schadensersatz, Gerichtsstandsvereinbarung; Urteil vom 06.12.2018 – IX ZR 22/18, juris Rn. 25).
66(b) Mithin unterliegt die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung im Fall der wirksamen Einbeziehung der der in den Nutzungsbedingungen der Beklagten enthaltenen Rechtswahlklausel irischem Recht. Das Landgericht hat offen gelassen, ob die in Ziffer 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten enthaltene Rechtswahlklausel wirksam in den zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag einbezogen worden ist und die Parteien damit die Anwendung irischen Rechts auf den Nutzungsvertrag vereinbart haben. Die Feststellung, dass die Rechtswahlklausel wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden ist, kann nicht getroffen werden. Denn wie oben ausgeführt kann nicht festgestellt werden, dass die natürliche Person, die über ihr G.-Konto die G.-Seite des Unternehmens, für das sie tätig ist, und ihre private G.-Seite verwaltet, beim Anklicken der Fläche für die Zustimmung zu (aktualisierten) Nutzungsbedingungen als Vertreterin des Unternehmens und nicht im Rahmen ihrer privaten G.-Nutzung handelt. Unbeschadet dessen ist das Landgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass sich das irische Recht im Wesentlichen nicht von den im deutschen Recht maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen unterscheidet. Wenn sich die anzuwendenden Auslegungsgrundsätze im irischen und deutschen Recht aber nicht wesentlich unterscheiden, kann dahinstehen, ob die Rechtswahlklausel wirksam in den Vertrag einbezogen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 22 – Wikingerhof/Booking.com).
67(c) Nach der von der Beklagten als Anlage B15 vorgelegten Entscheidung des irischen High Court vom 1. Februar 2024 (Record No. 2023/2255P (2024) IEHC 44) ist bei der Auslegung einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Gerichtsstandsklausel nicht nur auf den Wortlaut der Vertragsbestimmung („words in a common sense and ordinary meaning“, Rn. 55) abzustellen, sondern auch auf die Bedeutung und die Erwartung, die die Parteien unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise der Vertragsbestimmung beimessen („common sense view of the purpose of the clause“, Rn. 62). Erforderlich ist eine interessengerechte Auslegung („for good practical reasons, parties are presumed … to want to resolve all their disputes in one forum. … the parties are presumed not to want to have the completely impractical situation, whereby the contractual claims of their dispute are resolved in the Italian courts and the noncontractual claims of the same dispute are resolved in the Irish courts”, Rn. 59).
68Damit unterscheidet sich das irische Recht im Wesentlichen nicht von den im deutschen Recht maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen. Danach sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 22 – Wikingerhof/Booking.com; Urteil vom 17.02.2016 – XII ZR 183/13, juris Rn. 10).
69(d) Die danach vorzunehmende Auslegung ergibt, dass Ziffer 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten aus 2023 den hier geltend gemachten kartelldeliktischen Unterlassungsanspruch schon aus zeitlichen Gründen nicht erfasst. Diese Nutzungsbedingungen sollten nach deren Vorbemerkung am 5. Juli 2023 in Kraft treten (Anlage B3). Zu diesem Zeitpunkt war der vorliegende Rechtsstreit längst bei dem Landgericht Düsseldorf rechtshängig. Zwar kann eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 25 Abs. 1 S. 1 Brüssel Ia-VO auch für eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit getroffen werden. Der Wortlaut von Ziffer 4.4 der Nutzungsbedingungen aus 2023 („Wenn zwischen uns ein Anspruch oder Streitfall entsteht“) spricht aber dagegen, dass die dort enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung auch für bereits entstandene Rechtsstreitigkeiten gelten sollte. Die Beklagte trägt auch nichts dazu vor, dass und aus welchen Gründen die Vereinbarung sich – für einen durchschnittlichen Vertragspartner erkennbar - auch auf bereits entstandene Rechtsstreitigkeiten beziehen sollte, so dass eine diesbezügliche Einigung nicht festgestellt werden kann. Hierauf beruft die Beklagte sich mit der Berufung auch nicht mehr.
70(e) Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass auch Ziffer 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten in der – jeweils gleichlautenden - Fassung von 2018 und 2021 den Klageanspruch nicht erfasst.
71(aa) Der Wortlaut dieser Klausel bietet keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass mit ihr ein kartelldeliktischer Anspruch eines Vertragspartners der Beklagten wegen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, wie der Kläger ihn vorliegend geltend macht, erfasst werden sollte.
72((1)) In dem für Nicht-Verbraucher wie den Kläger maßgeblichen Satz 3 der Klausel ist allein von „der Anspruch“ die Rede. Daraus ergibt sich für einen durchschnittlichen Vertragspartner unter den gegebenen Umständen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen anlässlich des Abschlusses eines Nutzungsvertrags vereinbart wurden, was hier zu unterstellen ist, nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit, dass der genannte „Anspruch“ auch einen kartelldeliktischen Anspruch wegen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung erfassen soll.
73((2)) Nichts anderes gilt dann, wenn davon auszugehen wäre, dass der in Satz 3 der Klausel allein genannte „Anspruch“ alle Ansprüche umfassen soll, die nach Satz 1 der Klausel dann, wenn ein Verbraucher mit ständigem Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union betroffen ist, dem Recht dieses Mitgliedstaats unterliegen sollen.
74((a)) Soweit Satz 1 der Klausel Ansprüche „aus diesen Nutzungsbedingungen oder aus den G.-Produkten“ benennt, bietet auch dieser Wortlaut keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass damit kartelldeliktische Ansprüche eines Vertragspartners der Beklagten wegen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung erfasst werden sollten. Denn eine aus den Nutzungsbedingungen oder aus den G.-Produkten, mithin aus den Vertragsprodukten, entstehende Streitigkeit setzt voraus, dass der Streit der Parteien die sich aus dem Nutzungsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten betrifft. Gegenstand des Streits der Parteien ist aber vorliegend ein behaupteter, vom Vertrag unabhängiger kartellrechtlicher Anspruch des Klägers auf Unterlassen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Dass sich dieser Missbrauch in den vertraglichen Beziehungen und in den Vertragsbedingungen manifestieren kann, ändert nichts daran, dass der Streit nicht Rechte und Pflichten aus dem Vertrag betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 24 – Wikingerhof/Booking.com).
75((b)) Dasselbe gilt, soweit Satz 1 der Klausel auch Ansprüche „im Zusammenhang damit“, also im Zusammenhang mit den Nutzungsbedingungen oder den G.-Produkten, erfasst.
76Auch insoweit bietet der Wortlaut aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners des Klauselverwenders keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass mit Ansprüchen „im Zusammenhang“ mit den Vertragsbestimmungen oder den Vertragsprodukten auch der hier geltend gemachte kartelldeliktische Anspruch erfasst sein soll, mit dem der Kläger einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten geltend macht, der sich daraus ergeben soll, dass die Beklagte bei der Sperrung seiner G.-Seite gegen Verhaltenspflichten verstoßen hat, die sich aus einer mittelbaren Drittwirkung seiner Grundrechte ergeben. Der BGH hat in der Entscheidung Wikingerhof/Booking.com (Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 27) offen gelassen, ob eine Gerichtsstandsklausel, die für „aus oder in Verbindung mit dem Vertrag entstehende Streitigkeiten“ gilt, auch die im dortigen Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche wegen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung umfasst.
77Für den hier zu entscheidenden Fall ist die Frage, ob mit Ansprüchen „im Zusammenhang“ mit den Vertragsbestimmungen oder den Vertragsprodukten auch ein kartelldeliktischer Anspruch erfasst sein soll, mit dem der Kläger einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten geltend macht, der sich daraus ergeben soll, dass die Beklagte bei der Sperrung seiner G.-Seite gegen Verhaltenspflichten verstoßen hat, die sich aus einer mittelbaren Drittwirkung seiner Grundrechte ergeben, zu verneinen. Denn ein solcher Anspruch steht aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners nicht „im Zusammenhang“ mit dem Vertrag, sondern ist davon unabhängig und hat mit Rechten und Pflichten aus dem Vertrag nichts zu tun. Dies gilt auch deshalb, weil solche Zuwiderhandlungen gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot dem Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses regelmäßig nicht bekannt sind und er damit auch nicht rechnen muss (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 25 – Wikingerhof/Booking.com; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2024 – VI-6 W 1/24 (Kart), juris Rn. 80 ff. – Österreichische Autobahnvignette). Es kommt hinzu, dass Satz 3 der Klausel für einen durchschnittlichen Vertragspartner so zu verstehen ist, dass für die von der Vereinbarung der Zuständigkeit irischer Gerichte erfassten Ansprüche irisches Recht gelten soll. Für außervertragliche Schuldverhältnisse deutscher Vertragspartner der Beklagten aus einem den Wettbewerb einschränkenden Verhalten kann aber gemäß Art. 6 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO) irisches Recht nicht vereinbart werden. Es gilt vielmehr gemäß Art. 6 Abs. 3 a) Rom II-VO zwingend deutsches Recht als das Recht des Staates, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird. Auch deshalb kann ein durchschnittlicher deutscher Vertragspartner nicht damit rechnen, dass die Gerichtsstandsvereinbarung einen kartelldeliktischen Anspruch, wie der Kläger ihn geltend macht und für den das vereinbarte irische Recht nicht gilt, erfassen soll.
78(bb) Auch die Interessenlage der Vertragsparteien, die Rückschlüsse auf den Parteiwillen zulässt, spricht gegen die Einbeziehung des hier geltend gemachten kartellrechtlichen Anspruchs in die Gerichtsstandsklausel. Durch die Klausel wird die Beklagte als Verwenderin begünstigt. Deutsche Inhalteanbieter wie der Kläger haben regelmäßig kein Interesse daran, dass ihr gemäß Art. 6 Abs. 3 a) Rom II-VO nach deutschem Recht zu prüfender kartellrechtlicher Anspruch wegen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte vor irischen Gerichten verhandelt wird. Der Annahme einer einseitigen Begünstigung der Beklagten steht entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. April 2025 geäußerten Auffassung nicht entgegen, dass auch ohne Gerichtsstandsvereinbarung die Beklagte gemäß Art. 4 Abs. 1, Art. 63 Brüssel Ia-VO ihren allgemeinen Gerichtsstand in Irland hätte. Denn ohne die Gerichtsstandsvereinbarung hat der Kläger eine Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen und kann die Beklagte in dem aus seiner Sicht vorzugswürdigen Gerichtsstand verklagen. Diese Wahl wird ihm durch die Gerichtsstandsvereinbarung genommen.
79Nichts anderes ergibt sich für den Streitfall daraus, dass die Parteien regelmäßig ein Interesse daran haben, dass ihre vertraglichen und außervertraglichen Ansprüche vor demselben Gericht verhandelt werden. Dies mag in dem – auch vom irischen High Court in der oben erwähnten Entscheidung genannten – Fall gelten, dass Ansprüche wegen desselben Verhaltens des Anspruchsgegners auf Vertrags- und Deliktsrecht gestützt werden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der vom Kläger behauptete kartellrechtliche Anspruch ist unabhängig von einer etwaigen Vertragsverletzung oder nichtkartellrechtlichen unerlaubten Handlung. Deshalb kann es auch nicht zu der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. April 2025 angeführten Gefahr einander widersprechender Entscheidungen im Hinblick auf denselben Sachverhalt kommen. Denn während der vorliegend geltend gemachte kartelldeliktische Anspruch allein voraussetzt, dass der Beklagten eine marktbeherrschende Stellung zukommt und sie diese mit der begründungs- und anhörungslosen Seitensperrung missbraucht, käme es bei einem auf eine Vertragsverletzung gestützten Anspruch darauf an, ob die Beklagte mit einer solchen Verhaltensweise die vertraglich vereinbarten Nutzungsbedingungen verletzt.
80Da ein entsprechender Regelungswille damit nicht unterstellt werden kann, darf jedenfalls nicht ohne – im Streitfall fehlende – deutliche Anhaltspunkte hierfür angenommen werden, mit einer für im Zusammenhang mit dem Vertrag entstehende Streitigkeiten vereinbarten Gerichtsstandsvereinbarung unterwerfe sich der Vertragspartner des Marktbeherrschers dem Vertragsgerichtsstand auch für die Prüfung von Ansprüchen wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch Verhaltensweisen, die – unabhängig von den vertraglich vereinbarten Bestimmungen - gegen die Grundrechte des Vertragspartners verstoßen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2021 – KZR 66/17, juris Rn. 25 – Wikingerhof/Booking.com; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2024 – VI-6 W 1/24 (Kart), juris Rn. 84 – Österreichische Autobahnvignette). Soweit nach den von der Beklagten als Anlage B7 und B17 vorgelegten nicht veröffentlichen Entscheidungen das OLG München in den von ihm zu beurteilenden Fällen zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, veranlasst dies für den hier vorliegenden Fall aus den oben dargestellten Erwägungen keine andere Beurteilung. Dasselbe gilt für die von der Beklagten zitierten Urteile des OLG Frankfurt vom 30. Juni 2015 (11 U 31/14, juris 34 – Vertragserstellungsassistent), des OLG Brandenburg vom 27. Februar 2014 (12 U 10/13, juris Rn. 40), des OLG Stuttgart vom 8. November 2007 (7 U 104/07, juris Rn. 24), des OLG München vom 8. März 1989 (15 U 5989/88, juris), welche sich jeweils mit anderen Gerichtsstandsvereinbarungen als der hier vorliegenden und anderen als kartellrechtlichen Ansprüchen befassen. Auch die Urteile des OLG Stuttgart vom 9. November 1990 (2 U 16/90, juris Rn. 38) und des KG Berlin vom 18. Dezember 1996 (Kart U 6781/95, juris), die kartellrechtliche Schadenersatz- und Belieferungsansprüche zum Gegenstand hatten, rechtfertigen für die hier vorliegende Gerichtsstandsvereinbarung und die hier gegebene Interessenlage der Parteien keine andere Auslegung. Dies gilt auch für die Urteile des LG Kiel vom 24. August 2023 (13 O 188/21, juris Rn. 103, 109, inzwischen aufgehoben durch Urteil des OLG Schleswig vom 25.02.2025 – 20 U 2/24 Kart, juris) und des LG Düsseldorf vom 31. Oktober 2023 (14d O 17/21, juris Rn. 78 f. – Visa-System, Visa-Kartenzahlungssystem), in denen es – anders als im Streitfall – um Ansprüche wegen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ging, der sich aus den Vertragsbedingungen ergeben sollte.
81b) Wie das Landgericht weiter mit Recht angenommen hat, ist der Unterlassungsantrag auch im übrigen zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
82aa) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Dies ist bei einem Unterlassungsantrag regelmäßig der Fall, wenn die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist und lediglich das Verbot der Handlung begehrt wird, so wie sie begangen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2021 – VI ZR 73/20, juris Rn. 15 – wissenschaftliches Plagiat; Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17, juris Rn. 12 – Crailsheimer Stadtblatt II).
83bb) Danach ist der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt. Er umschreibt hinreichend deutlich, was die Beklagte unterlassen soll, nämlich eine erneute Sperrung der G.-Seite des Klägers, wenn sie so erfolgt, wie am 15. Dezember 2021 geschehen, und präzisiert dies anschließend dahin, dass die Beklagte eine Sperrung ohne vorherige Angabe konkreter Gründe und/oder Gelegenheit zur Stellungnahme für den Kläger oder jedenfalls ohne unverzüglich nachträgliche Angabe konkreter Gründe und/oder Gelegenheit zur Stellungnahme für den Kläger unterlassen soll. Damit ist entgegen der Auffassung der Beklagten hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass diese eine Seitensperrung ohne vorherige Begründung und/oder Anhörung des Klägers unterlassen soll, jedenfalls – da die Beklagte für sich reklamiert, in Ausnahmefällen eine Seitensperrung ohne vorherige Begründung und/oder Anhörung vornehmen zu dürfen – aber eine Seitensperrung ohne unverzüglich nachträgliche Begründung und/oder Anhörung des Klägers. Ebenso ist durch die und/oder-Formulierung deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Beklagte eine Seitensperrung ohne Angabe konkreter Gründe und Gelegenheit zur Stellungnahme für den Kläger unterlassen soll, jedenfalls – da die Beklagte für sich reklamiert, in Ausnahmefällen keine Begründung geben zu müssen – aber ohne Gelegenheit zur Stellungnahme für den Kläger (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 29.06.2022 – 15 W 32/22, juris Rn. 42 ff.; OLG München, Urteil vom 20.09.2022 – 18 U 6314/20 Pre, juris Rn. 25 - Kontosperre).
84Das von der Beklagten zitierte Urteil des OLG Frankfurt vom 30. Juni 2022 (16 U 229/20, juris Rn. 55 ff. – Messer-Emoji) gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung, zumal dieses einen Antrag betraf, mit dem ohne Bezugnahme auf eine bereits erfolgte Verletzungshandlung jegliche Sperrung ohne vorherige Anhörung und Möglichkeit zur Gegenäußerung untersagt werden sollte. So lag es auch in den Fällen des OLG Dresden (Urteil vom 12. Dezember 2023 – 4 U 1049/23, juris Rn. 45 ff.), des OLG Brandenburg (Urteil vom 4. Dezember 2023 – 1 U 18/22, juris Rn. 76 – Faktenprüfer), des OLG Celle (Urteil vom 22.12.2022 – 5 U 67/22, juris Rn. 51), des OLG Nürnberg (Urteil vom 13.12.2022 – 3 U 4205/21, juris Rn. 105), des OLG München (Urteil vom 12.04.2022 – 18 U 6473/20 Pre, juris Rn. 48 – Ankerzentrum). Der Beschluss des OLG Köln vom 09.06.2022 (I-15 W 30/22, juris Rn. 14) befasst sich nicht mit der Frage der Zulässigkeit eines Antrags, der auf die Unterlassung einer Sperrung – allgemein – ohne eine Möglichkeit zur Gegendarstellung, an die sich eine Neubescheidung anschließt, gerichtet war. Im Urteil des KG vom 14.03.2022 (10 U 1075/20, juris Rn. 69) ging es um einen – hier nicht gestellten – Antrag auf Unterlassung von Löschungen und Sperrungen, ohne zugleich in speicherbarer Form den Anlass der Sperrung und die Begründung, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll, mitzuteilen. Soweit die Beklagte weitere Urteile des OLG Stuttgart, des OLG Düsseldorf, des OLG Bamberg, des OLG Hamm erwähnt, sind diese offenbar nicht veröffentlicht und liegen dem Senat nicht vor.
85cc) Der Antrag ist auch im übrigen zulässig. Es handelt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um einen Leistungsantrag auf zukünftige Auskunfterteilung im Sinne des § 259 ZPO, sondern um einen auf Unterlassung begründungs- und anhörungsloser Sperrung der G.-Seite des Klägers gerichteten Antrag (vgl. OLG München, Urteil vom 20.09.2022 – 18 U 6314/20 Pre, juris Rn. 40 – Kontosperre). Das von der Beklagten gerügte Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag besteht schon deshalb, weil nicht ersichtlich ist, auf welche andere Weise der Kläger seinen behaupteten Anspruch verfolgen könnte. Ob die Beklagte ihre Nutzungsbedingungen zwischenzeitlich an die im Urteil des BGH vom 29.07.2021 (III ZR 179/20, juris Rn. 78 ff. – Hassredevorwurf) genannten Anforderungen angepasst hat, betrifft die Frage der Wiederholungsgefahr im Rahmen der Begründetheit des Antrags.
862. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aus §§ 33 Abs. 1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB begründet. Auch dies hat das Landgericht mit Recht angenommen.
87a) Die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 a) Rom II-VO. Danach ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem den Wettbewerb einschränkenden Verhalten das Recht des Staates anzuwenden, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird. Dies ist vorliegend der deutsche Markt, weil der Kläger seinen Sitz in Deutschland hat und hier tätig ist. Eine abweichende Rechtswahl ist nach Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO, wie bereits erwähnt, ausgeschlossen.
88b) Nach § 33 Abs. 1 GWB ist derjenige, der u.a. gegen § 19 GWB verstößt, gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen vor. In einer Sperrung der G.-Seite des Klägers als des Betroffenen liegt dann, wenn sie erfolgt wie bei der Sperrung am 15. Dezember 2021, d.h. ohne vorherige oder unverzüglich nachträgliche Angabe von Gründen und/oder Gelegenheit zur Stellungnahme für den Kläger, ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten in Form eines Behinderungsmissbrauchs. Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht.
89aa) Die Beklagte ist Normadressatin des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots aus § 19 GWB.
90(1) Marktbeherrschend ist ein Unternehmen nach § 18 Abs. 1 GWB, wenn es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist, keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.
91(2) In sachlicher Hinsicht ist nach dem Bedarfsmarktkonzept der Markt maßgeblich, auf dem die Beklagte Inhalteanbietern wie dem Kläger die Erstellung von G.-Seiten anbietet, mit denen diese ihre Inhalte unter den privaten G.-Nutzern verbreiten und mit ihren im sozialen Netzwerk G. vertretenen Kunden und Interessenten über Abonnements oder eine „Gefällt mir“-Funktion in Verbindung treten können.
92Die Beklagte ist mit dem sozialen Netzwerk G. auf einem mehrseitigen Markt tätig und bietet einerseits privaten Nutzern die Erstellung persönlicher G.-Seiten an, auf denen sie sich auf vielfältige Weise mitteilen und mit anderen Nutzern vernetzen können. Zum anderen bietet die Beklagte Inhalteanbietern wie dem Kläger die Erstellung von G.-Seiten an, mit denen diese ihre Inhalte unter den privaten G.-Nutzern verbreiten und mit ihren im sozialen Netzwerk G. vertretenen Kunden und Interessenten über Abonnements oder eine „Gefällt mir“-Funktion in Verbindung treten können. Darüber hinaus bietet die Beklagte Werbekunden die Schaltung von Werbeanzeigen an. Angesichts des Zwecks der Bestimmung des relevanten Marktes, die Wettbewerbskräfte zu ermitteln, denen sich die beteiligten Unternehmen zu stellen haben, und der Zielsetzung des § 19 GWB, die missbräuchliche Ausnutzung nicht hinreichend vom Wettbewerb kontrollierter Handlungsspielräume zu Lasten Dritter zu unterbinden, ist auf einem mehrseitigen Markt eine einheitliche Marktabgrenzung nur gerechtfertigt, wenn ein einheitlicher Bedarf der Marktseiten festgestellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2020 – KVR 69/19, juris Rn. 31 – Facebook I). Da der Bedarf der Inhalteanbieter wie des Klägers, die mit einer G.-Seite ihre Inhalte unter den privaten G.-Nutzern verbreiten und mit ihren Kunden und Interessenten in Verbindung treten wollen, sich von dem Bedarf der privaten Nutzer unterscheidet, die sich mitteilen und mit anderen Nutzern vernetzen wollen, und sich auch von dem Bedarf der Werbetreibenden unterscheidet, ist insoweit jeweils ein eigenständiger sachlicher Markt abzugrenzen. Dass die Beklagte ihre Angebote den Inhalteanbietern und den privaten Nutzern ohne monetäre Gegenleistung bereitstellt, steht der Annahme entsprechender Märkte nicht entgegen (§ 18 Abs. 2a GWB).
93(3) Räumlich ist der Markt aufgrund der deutschen Spracheinstellung und der von den Inhalteanbietern wie dem Kläger verbreiteten Inhalte mit einem regionalen oder nationalen Bezug, die sich an in Deutschland ansässige private Nutzer des Netzwerks G. richten, deutschlandweit abzugrenzen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2020 – KVR 69/19, juris Rn. 35 – Facebook I).
94(4) Auf dem so abgegrenzten Markt ist die Beklagte marktbeherrschend, weil nur sie Inhalteanbietern wie dem Kläger ermöglicht, mit einer eigenen G.-Seite ihre Inhalte unter den privaten G.-Nutzern zu verbreiten und mit ihren im sozialen Netzwerk G. vertretenen Kunden und Interessenten über Abonnements oder eine „Gefällt mir“-Funktion in Verbindung zu treten. Hinsichtlich des von den Inhalteanbietern nachgefragten Zugangs zu ihren Kunden und Interessenten im sozialen Netzwerk G. ist die Beklagte ohne Wettbewerber, weil mangels Interoperabilität des sozialen Netzwerks G. kein anderer Anbieter dazu in der Lage ist, Inhalteanbietern wie dem Kläger Zugang zu ihren Kunden und Interessenten im sozialen Netzwerk G. zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2010 – KZR 31/08, juris Rn. 24 ff. – GSM-Wandler; Urteil vom 19.03.1996 – KZR 1/95, juris Rn. 25 – Pay-TV-Durchleitung). Ob Inhalteanbieter wie der Kläger ihre Produkte und Dienstleistungen auch auf anderem Wege und gegenüber anderen Kunden und Interessenten bewerben können, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. April 2025 geltend gemacht hat, ist für die Frage der Marktbeherrschung der Beklagten auf dem vorliegend sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Belang.
95bb) Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass in der Sperrung der G.-Seite des Klägers, wenn sie so erfolgt, wie am 15. Dezember 2021, d.h. ohne vorherige oder unverzüglich nachträgliche Angabe von Gründen und/oder Gelegenheit zur Stellungnahme für den Kläger, ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten in Form eines Behinderungsmissbrauchs im Sinne des § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB liegt. Nach diesen Bestimmungen stellt es u.a. einen verbotenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter von gewerblichen Leistungen ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
96(1) Auch bei dem Kläger als gemeinnützigem Verein handelt es sich ohne weiteres um ein Unternehmen im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, weil die von ihm angebotenen kulturellen Veranstaltungen eine wirtschaftliche Tätigkeit auf einem bestimmten Markt darstellen, den Rahmen der privaten Tätigkeit überschreiten und damit als Tätigkeiten im geschäftlichen Verkehr angesehen werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1979 – KVR 1/79, juris Rn. 7 ff. – Deutscher Landseer-Club).
97(2) In der Sperrung der G.-Seite des Klägers ohne vorherige oder unverzüglich nachträgliche Begründung und/oder Gelegenheit zur Stellungnahme liegt auch eine Behinderung des Klägers im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB.
98(a) Eine Behinderung eines anderen Unternehmens kann sich aus jeder nachteiligen Beeinflussung der wettbewerblichen Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens ergeben, sei es auf demselben oder auf einem anderen als demjenigen sachlichen Markt, auf dem der Missbrauch erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 06.11.2012 – KVR 54/11, juris Rn. 38 – Gasversorgung Ahrensburg; Urteil vom 30.03.2004 – KZR 1/03, juris Rn. 10 – Der Oberhammer). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Durch eine begründungs- und anhörungslose Sperrung seiner G.-Seite wird der Kläger in seiner wettbewerblichen Betätigungsfreiheit auf dem Angebotsmarkt für kulturelle Veranstaltungen, auf dem er tätig ist, beeinträchtigt, weil er seine Veranstaltungen nicht wie gewünscht gegenüber seinen auf dem sozialen Netzwerk G. vertretenen Kunden und Interessenten bewerben kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2022 – 6 U 5/22 (Kart), juris Rn. 48). Der von der Beklagten zitierte Beschluss eines Zivilsenats des OLG Hamburg vom 29. Juni 2022 (15 W 32/22, juris Rn. 76 ff.) gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. In diesem Fall ging es um einen privaten Endverbraucher und einen Missbrauch nach der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB, der auf eine Vertragsverletzung gestützt wurde. Die Frage, ob eine solche Vertragsverletzung gegenüber privaten Endverbrauchern einen Missbrauch im Sinne der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB darstellt, ist im Streitfall nicht aufgeworfen.
99(b) Dabei erfordert die Annahme eines Missbrauchstatbestands nicht zwingend die Feststellung tatsächlicher Auswirkungen. Es reicht vielmehr, wenn ein wettbewerblicher Aktionsparameter zu spürbarer Beeinträchtigung der Marktverhältnisse objektiv geeignet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2020 – KVR 69/19, juris Rn. 83 – Facebook I). Dies ist angesichts der Follower-Zahl von 4.000 Nutzern, die der Kläger auf G. hat und die er bei Sperrung seiner G.-Seite nicht mehr erreichen kann, zu bejahen.
100(c) Im Hinblick auf den erforderlichen Zusammenhang zwischen Marktbeherrschung und Missbrauch ist nicht erforderlich, dass dem Normadressaten das entsprechende Verhalten nur aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung möglich ist. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. April 2025 vorgetragene Auffassung, die Marktmacht müsse eingesetzt werden, um unangemessene Bedingungen durchzusetzen, oder eine von der Beklagten vorgenommene Seitensperrung müsse ihren wettbewerblichen Vorteilen dienen, damit der Missbrauchstatbestand erfüllt sei, trifft nicht zu. Es genügt ein Wirkungszusammenhang dergestalt, dass das entsprechende Verhalten wegen der Marktbeherrschung des Normadressaten wettbewerbsschädliche Auswirkungen hat (vgl. Regierungsentwurf zur 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492 S. 70 ff.). Der erforderliche Zusammenhang ist im Streitfall gegeben. Es liegt schon nahe, dass die beanstandete Verhaltensweise der Beklagten nur aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung möglich ist, weil bei wirksamem Wettbewerb davon auszugehen wäre, dass die Beklagte nicht so handelt. Jedenfalls aber liegt ein Wirkungszusammenhang vor, weil die als missbräuchlich beanstandete Verhaltensweise der Beklagten wegen ihrer Markbeherrschung auf dem beherrschten Markt wettbewerbsschädliche Auswirkungen für den Kläger auf dem Drittmarkt hat, auf dem er tätig ist.
101(3) Zutreffend hat das Landgericht die Behinderung als unbillig im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB bewertet.
102(a) Die Beurteilung, ob ein Normadressat des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB ein anderes Unternehmen unbillig behindert, erfordert eine umfassende Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB. Ausgangspunkt dieser Abwägung ist bei vertriebsbezogenen Sachverhalten der aus der unternehmerischen Handlungsfreiheit abzuleitende Grundsatz, dass das Behinderungsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB den Normadressaten grundsätzlich nicht daran hindert, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig erachtet. Die Freiheit des Normadressaten zur Gestaltung seines Absatzsystems besteht aber nur innerhalb der durch das Kartellrecht gezogenen Grenzen. Sie ist ausgeschlossen, wo sie missbraucht wird oder zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt, die mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist. Im Rahmen der Interessenabwägung sind an die Schutzwürdigkeit der von einem Normadressaten verfolgten Belange mit zunehmender Abhängigkeit der Marktgegenseite von seinem Angebot in gleichem Maße steigende Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.2019 – KZR 73/17, juris Rn. 36 – Werbeblocker III; Urteil vom 06.10.2015 – KZR 87/13, juris Rn. 59 – Porsche-Tuning; Urteil vom 31.01.2012 – KZR 65/10, juris Rn. 29 f. – Werbeanzeigen).
103(b) Nach diesen Maßgaben ist die wettbewerbliche Beeinträchtigung des Klägers, die in einer Sperrung seiner G.-Seite ohne vorherige oder unverzüglich nachträgliche Begründung und/oder Anhörung des Klägers liegt, unbillig im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB. Hierfür kommt es entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. April 2025 vertretenen Auffassung nicht darauf an, ob die Beklagte bei der Sperrung der Seite des Klägers in der Absicht gehandelt hat, diesen in seiner unternehmerischen Tätigkeit zu behindern, oder ob sie diese Absicht nicht hatte. Ob eine wettbewerbliche Behinderung missbräuchlich ist, beurteilt sich nach objektiven Maßstäben.
104(aa) Wie der BGH im Zusammenhang mit der AGB-Kontrolle der Nutzungsbedingungen der Beklagten aus 2018 entschieden hat, ergibt die Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechte und Interessen der Parteien sowie der einzubeziehenden Drittinteressen, dass die Beklagte grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung bestimmter Kommmunikationsstandards vorzugeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben hinausgehen. In diesem Rahmen darf sie sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die (vorübergehende) Sperrung des Netzwerkszugangs einschließen (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, juris Rn. 78 – Hassredevorwurf).
105Aus dem Grundsatz der praktischen Konkordanz folgt indes zugleich, dass das Recht der Beklagten, in ihren Geschäftsbedingungen Verhaltensregeln aufzustellen und zu deren Durchsetzung Maßnahmen zu ergreifen, nicht unbeschränkt gilt. Die Grundrechtspositionen der Beklagten sind mit denjenigen der Nutzer so in Ausgleich zu bringen, dass auch die Grundrechtspositionen der Nutzer für diese möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, juris Rn. 80 – Hassredevorwurf).
106Daraus leiten sich folgende Anforderungen ab: Für die Entfernung von Inhalten und die Sperrung von Nutzerkonten muss ein sachlicher Grund bestehen. Die Beklagte darf die aus ihrer strukturellen Überlegenheit folgende Entscheidungsmacht nicht dazu nutzen, willkürlich einzelne Meinungsäußerungen zu untersagen. Die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den Nutzungsbedingungen der Beklagten müssen zudem gewährleisten, dass ihre darauf gestützten Entscheidungen nachvollziehbar sind. Dazu dürfen sie nicht an bloß subjektive Einschätzungen oder Befürchtungen der Beklagten, sondern müssen an objektive, überprüfbare Tatbestände anknüpfen (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, juris Rn. 81 f. – Hassredevorwurf).
107Mit der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechte und dem aus ihr abgeleiteten Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Entfernung einzelner Beiträge und für die (vorübergehende) Sperrung von Netzwerkzugängen verbinden sich verfahrensrechtliche Anforderungen. Insbesondere müssen Netzwerkbetreiber wie die Beklagte die ihnen zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, juris Rn. 83 – Hassredevorwurf).
108Aus den vorstehenden Gründen ist für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags und eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos umgehend zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht. Zugleich hat die Beklagte Vorkehrungen dafür zu treffen, dass Inhalte bis zur Durchführung des Gegenäußerungsverfahrens nicht unwiederbringlich gelöscht werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, juris Rn. 85 – Hassredevorwurf).
109Die nach den vorstehenden Grundsätzen erforderliche Anhörung des Nutzers ist, soweit die Beklagte eine (vorübergehende) Sperrung des Nutzerkontos beabsichtigt, vor Durchführung dieser Maßnahme geboten, von eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen. Die Kontosperrung ist im Verhältnis zur Entfernung eines einzelnen Beitrags die deutlich schwerwiegendere Maßnahme, da der betroffene Nutzer während des gesamten Zeitraums der Sperrung sein Profil nicht aktiv nutzen und dementsprechend auf der Kommunikationsplattform der Beklagten nicht nur eine bestimmte Meinungsäußerung, sondern jegliche Meinungsäußerung nicht tätigen kann. Die Kontosperrung dient zudem nicht unmittelbar der Beseitigung eines aktuellen Verstoßes des Nutzers gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten, sondern der Sanktionierung eines Verstoßes und der Prävention im Hinblick auf künftige Verstöße. Ein Interesse der Beklagten, diese Maßnahme möglichst zügig und noch vor Anhörung des Nutzers durchführen zu können, ist nicht erkennbar (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, juris Rn. 87 – Hassredevorwurf).
110Wenn nur die Entfernung eines Beitrags betroffen ist, ist es nicht zwingend geboten, die notwendige Anhörung vor dieser Maßnahme durchzuführen. Ausreichend ist insofern vielmehr, wenn der Netzwerkbetreiber im Hinblick auf die Löschung eines Beitrags in seinen Geschäftsbedingungen den Nutzern ein Recht auf unverzügliche nachträgliche Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung einräumt (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, juris Rn. 88 – Hassredevorwurf).
111(bb) Nach der zitierten Rechtsprechung des BGH ist eine beabsichtigte Seitensperrung damit vorher anzukündigen, zu begründen, und der Nutzer ist dazu anzuhören. Lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmen sind, kann davon abgesehen werden. In diesen Ausnahmefällen sind die Begründung und die Anhörung des Nutzers unverzüglich nachzuholen. Eine Seitensperrung die so erfolgt, wie gegenüber dem Kläger am 15. Dezember 2021, d.h. ohne vorherige Begründung und Anhörung und auch ohne unverzüglich nachträgliche Begründung und Anhörung, ist damit ohne weiteres unbillig im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB.
112Zu Unrecht wendet die Beklagte ein, dass sie nach §§ 314 Abs. 2, 626 Abs. 2 S. 3 BGB auch ohne Frist zur Abhilfe und Abmahnung zu einer fristlosen Kündigung berechtigt sein könne und den Kündigungsgrund nur auf Verlangen angeben müsse. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Unterlassung einer fristlosen Kündigung. Eine solche hat die Beklagte am 15. Dezember 2021 nicht erklärt. Es geht vielmehr um die Unterlassung einer (vorübergehenden) Seitensperrung.
113cc) Die für den Unterlassungsanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich grundsätzlich aus der Erstbegehung (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, juris Rn. 100 – Hassredevorwurf). Sie wird vorliegend nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte, wie sie vorträgt, ihre Nutzungsbedingungen inzwischen an die Vorgaben der vorstehend zitierten Entscheidung des BGH angepasst habe. Denn die Tatsache, dass die Beklagte in Kenntnis des oben zitierten, am 29. Juli 2021 gegen sie ergangenen Urteils am 15. Dezember 2021 die Sperrung der G.-Seite des Klägers ohne vorherige oder nachträgliche Begründung und Anhörung vorgenommen hat, lässt befürchten, dass sie ungeachtet einer Änderung ihrer Nutzungsbedingungen erneut entsprechend handeln könnte.
1143. Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.
115B. Der der Höhe nach unstreitige Anspruch des Klägers auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus § 33a Abs. 1 GWB. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Verzugsvoraussetzungen der §§ 280, 286 BGB vorlagen, welcher Gerichtsstand für diesen Anspruch gilt und nach welchem Recht er zu beurteilen ist.
1161. Nach § 33a Abs. 1 GWB ist derjenige, der einen Verstoß nach § 33 Abs. 1 GWB schuldhaft begeht, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beklagte hat bei der Seitensperrung vom 15. Dezember 2021, wie vorstehend ausgeführt, gegen § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB verstoßen, weil sie diese ohne vorherige oder unverzüglich nachträgliche Begründung und Anhörung des Klägers vorgenommen hat und im übrigen auch keinen sachlich gerechtfertigten Grund hierfür angeben konnte. Ihr Verschulden ergibt sich ohne weiteres daraus, dass ihr aufgrund des gegen sie ergangenen Urteils des BGH vom 29. Juli 2021 (III ZR 179/20, juris – Hassredevorwurf) bekannt war, dass sie nicht so handeln durfte.
1172. Weitere Einwände hat die Beklagte nicht erhoben. Solche bestehen auch nicht. Die Kosten eines Rechtsanwalts sind Teil des nach § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Schadens, sofern dessen Inanspruchnahme erforderlich und zweckmäßig war (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, § 249 Rn. 57). So liegt es hier. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind vorliegend vorprozessual tätig geworden, um die Beklagte zu einer Beseitigung der Seitensperrung und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufzufordern. Darin liegt eine sachdienliche Interessenwahrnehmung. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nur entsteht, wenn sich der Auftrag zunächst auf ein außergerichtliches Vorgehen bezieht, während die außergerichtliche Tätigkeit von der Gebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, wenn direkt ein Prozessauftrag erteilt wird (vgl. Ebert in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Auflage 2021, § 19 Rn. 14). Denn vorliegend ist anzunehmen, dass allenfalls ein bedingter Prozessauftrag erteilt worden ist, bei dem Klage lediglich im Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erhoben werden sollte. Ein solcher Auftrag steht der Entstehung der Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2013 – XI ZR 345/10, juris Rn. 37).
118C. Das Landgericht hat der Beklagten mit Recht die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit auferlegt, als die Parteien den auf Beseitigung der Sperrung der G.-Seite des Klägers gerichteten Klageantrag zu 1 übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Dies entspricht billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO. Denn der Antrag war vor der Wiederfreischaltung der Seite am 31. Mai 2023 zulässig und begründet aus § 33 Abs. 1 GWB, da die Beklagte mit der begründungs- und anhörungslosen Sperrung der Seite, für die sie im übrigen eine sachliche Rechtfertigung nicht angeben konnte, gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot aus § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB verstoßen hat.
119III.
1201. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
1212. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
1223. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Senat hat den Streitfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden.