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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.10.2023 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg (Vorsitzende) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.260,23 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 13.5.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 8% und die Klägerin zu 92 %. Die Kosten des Rechtsstreits 2. Instanz trägt die Klägerin.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt jeweils vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
GRÜNDE
2I.
3Die Parteien streiten über die restliche Vergütung aus einem Vertrag über Gleiserneuerungsarbeiten.
4Die Beklagte ist für den Betrieb, die Instandhaltung und Investitionen in das Schienennetz der A.-AG in Deutschland verantwortlich. Beim hier streitgegenständlichen Bauvorhaben wurde die Beklagte durch ihre Vergabestelle „A.- AG Beschaffung Infrastruktur, Einkauf Bauleistungen Region West in B.-Stadt“ vertreten. Die Klägerin ist ein Unternehmen, das sich auf die Erstellung, den Umbau und die Erneuerung von Gleisanlagen spezialisiert hat.
5Die Beklagte hat unter dem 10.04.2014 die Gleisauswechselung einschließlich Planumsverbesserung (PLV) im Bahnhof C.-Stadt Gleisnummer 3 + 4 sowie im Bahnhof D.-Stadt Gleisnummer 5/17 und die Erneuerung der Weiche 12 im Bahnhof C.-Stadt im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben (Anlage K 1). Die Vergabe sämtlicher Leistungen erfolgte im Verbund.
6Die Klägerin hat unter dem 06.05.2014 auf dem Leistungsverzeichnis der Beklagten ein Angebot unterbreitet (Anlage K 2), welches einen Gesamtbetrag von 1.879.66,39 € aufwies. Nach für die Klägerin erfolgreicher Submission haben die Parteien unter dem 21.05.2014 ein Bietergespräch zur Angebotsaufklärung i.S.d § 15 VOB/A durchgeführt (Gesprächsprotokoll vom 21.05.2014, Anlage K 3). Unter dem 04.06.2014 erteilte die Beklagte der Klägerin sodann den Auftrag für das ausgeschriebene Bauvorhaben (Anlage K 4).
7Die Klägerin hat die Arbeiten in der Zeit von Oktober 2014 bis März 2015 ausgeführt. Die Beklagte hat die Leistungen der Klägerin unter dem 20.04.2015 abgenommen (Abnahmeprotokolle vom 20.04.2015, Anlage K 5).
8Mit Schlussrechnung vom 3.3.2016 (Anlage K6) hat die Klägerin der Beklagten insgesamt (netto) 5.223.125,04 € in Rechnung gestellt. Unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen weist die Rechnung einen noch offenen Betrag in Höhe von 3.352.388,39 € auf, den die Klägerin mit der Klage geltend gemacht hat.
9Die Schlussrechnung gliedert sich auf in die Hauptvertragsleistungen (1.870.951,15 € netto), den Nachtrag 1 (Titel 99.01, sog. externe Logistik, 2.586.706,28 € netto) und den Nachtrag 2 (Titel 99.02, zusätzliche Leistungen und geänderte Sicherungsmaßnahmen 765.467,61 € netto). Der Nachtrag 2 beinhaltet sonstige geänderte und zusätzliche Leistungen. Die vier größten Einzelposten betreffen
10- die Herstellung der Sickerleitung unterhalb der Bettungsunterkante (612.535,68 € netto, Position 99.02.0060),
11- die teilweise Änderung der Sicherungsart in Los 10 und Los 15 von einer fest installierten Sicherung auf eine Sicherung mittels AWS-Systems (64.819,63 € netto, Position 99.02.0080),
12- eine Zulage für angeblich nachträglich angeordnete Nachtarbeit in den Losen 11 und 12 (39.783,60 € netto, Position 99 02.0070)
13- und eine Verstärkung der Isolierstöße (26.077,86 € netto, Position 99.02.0050).
14Die Abrechnung der Klägerin stellt sich damit wie folgt dar:
15- Hauptvertragsleistungen 1.870.951,15 €
16- Nachtrag 1 2.586.706,28 €
17- Nachtrag 2 765.467,61 €
18- Schlussrechnungssumme 5.223.125,04 €
19- geleistete Abschlagszahlungen 1.870.736,65 €
20- Restforderung (Klagebetrag) 3.352.388,39 €.
21Die Beklagte hat die Schlussrechnung der Klägerin mit Schreiben vom 12.05.2016 (Anlage K 9) zurückgewiesen und jedwede weitere Zahlung verweigert.
22Mit dem Nachtrag 1 macht die Klägerin Kosten für den An- und Abtransport von Material und Abfällen per Schiene geltend. Die Bauabschnitte waren so gelegen, dass sie nur zu Fuß oder per Schiene zu erreichen waren. Die Klägerin stützt den Nachtrag darauf, sie habe den Transport bis zum Ende der straßenseitigen Erreichbarkeit zulässigerweise per LKW geplant und kalkuliert. Nach dem Vertrag habe ihr hinsichtlich des Transportes bis zu den in der Baubeschreibung genannten Ladestraßen an Bahnhöfen in Baustellennähe (von ihr als „externe Baustellenlogistik“ bezeichnet) ein Wahlrecht zugestanden. Die Beklagte habe erst nachträglich angeordnet, dass auch für diese externe Logistik die Schienen zu nutzen seien. Die Beklagte meint, der Vertrag habe von vorneherein dem Unternehmer kein Wahlrecht zugestanden. Ausgeschrieben und beauftragt habe sie einen komplett schienengebundenen Transport.
23Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
24Mit dem am 25.10.2023 verkündeten Urteil hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg (Vorsitzende) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 226.429,83 € nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
25Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt:
26Die mit der Schlussrechnung abgerechneten Hauptvertragsleistungen seien unstreitig und begründeten eine Forderung in Höhe von 1.870.951,15 €.
27Hinsichtlich der Nachträge sei die Klage teilweise begründet.
28Eine Einigung über die mit den Nachträgen geltend gemachten Positionen sei vorgerichtlich nicht erzielt worden. Hinsichtlich des Nachtrages 1 sei aus den geführten Verhandlungen kein Anerkenntnis der Beklagten dem Grunde nach abzuleiten. Hierfür fehle es an einer eindeutigen rechtsgeschäftlichen Erklärung der Beklagten. Auch hinsichtlich des Nachtrags 2 habe es keine bindende Einigung gegeben. Soweit die Beklagte meine, man habe sich auf eine zusätzliche Vergütung von (nur) 140.731,59 € geeinigt, sei das entsprechende Verhandlungsprotokoll (Anlage B5) von Klägerseite nicht unterschrieben.
29Der Klägerin stehe der als Nachtrag 1 geltend gemachte Anspruch nicht gemäß § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B zu. Die Beklagte habe weder nachträglich Leistungen angeordnet, noch durch eine Änderung des Bauentwurfs oder durch andere Anordnungen die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert. Die Art der externen Baustellenlogistik habe nicht zur freien Wahl der Klägerin gestanden. Es sei nicht zu einer Änderung des Bausolls gekommen. Aus einer Planungspflicht folge ein Methodenwahlrecht des Auftragnehmers. Übe dieser sein Wahlrecht fehlerfrei aus, werde die von ihm gewählte planerische Entscheidung zum Bausoll. Vorliegend sei die Klägerin aber nicht frei in der Wahl hinsichtlich des Transportes sämtlicher Stoffe zwischen Übergabe-/Güterverkehrsstelle und Verwendungsstelle gewesen. Dies folge aus einer Auslegung der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung nebst den Begleitumständen. Aus den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis, dem Leistungsverzeichnis mit der Beschreibung der Leistungen in dem Text der Einzelpositionen, der dem Leistungsverzeichnis beigefügten Beschreibung der geforderten Leistungen im Langtext sowie den Plänen und Zeichnungen folge, dass die Klägerin sämtliche Transporte der Alt- und Neumaterialien schienengebunden habe durchführen müssen. Die Positionen 10.10.0010 und 11.10.0010 sähen einen schienengebundenen Transport vor. Eine Unterscheidung zwischen dem Transport innerhalb des Baufeldes (interner Transport) und zum/vom Baufeld hin/weg (externer Transport) sei nicht vorgesehen. Hätte man den Transport allgemein ausschreiben wollen, hätte man entweder den Einschub „schienengebundener Transport“ weglassen können oder als „jedweder Transport“ oder „schienengebundener und -ungebundener Transport“ formulieren müssen.
30Soweit in der allgemeinen Baubeschreibung (Anlage K 10) mehrfach ein Lkw-Transport genannt sei, stehe dies der Auslegung nicht entgegen. Unstreitig hätten kleinere Transporte mit Lkw durchgeführt werden dürfen (in Pos 10.40.30, 10.40.30, 10.40.70). Hieraus folge nicht, dass es im Belieben der Klägerin gestanden habe, wie sie den Transport i.S. der Positionen 10.10.0010 usw. durchführe. Soweit der Klägerin unter C.2 der allgemeinen Leistungsbeschreibung eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Fahrzeuge zustehe, beziehe sich dies nur auf schienengebundene Fahrzeuge.
31Die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Transportmitteln folge auch nicht aus der Beschreibung der „Zufahrtsmöglichkeiten zur Baustelle“. Rückschlüsse darauf, dass der Transport - soweit nach der Zufahrt möglich - in allen Fällen per LKW erfolgen dürfe, ließen sich der Beschreibung nicht entnehmen. Dies schon deshalb, weil unstreitig Kleinteile per LKW hätten transportiert werden dürfen. Ob nach den Steckbriefen eine LKW-Andienung an bestimmten Werken möglich gewesen sei, sei unerheblich, da nach den Steckbriefen auch ein schienengebundener Transport möglich gewesen sei.
32Im Hinblick auf den Nachtrag 2 sei die Klage zum Teil begründet.
33Die Klägerin habe wegen des Einbaus der verstärkten Isolierstöße einen Anspruch in Höhe von insgesamt 19.857,78 € netto (12.639,65 € netto + 7.218,13 €) aus § 2 Abs. 5 VOB/B.
34Die Klägerin habe für die zusätzlich angeordnete Herstellung der Sickerleitung unterhalb der Bettungsunterkante, insbesondere die notwendige Ummantelung der Sickerzone mit Geovlies und Filterkies, auf der Basis eines Einheitspreises von je 158,90 €/m einen Anspruch in Höhe von 193.222,40 €. Es handele sich um eine erforderliche Zusatzleistung, die nicht Gegenstand des im Leistungsverzeichnis festgelegten Bausolls gewesen sei. Allerdings sei die geltend gemachte Nachtragsposition lediglich in Höhe von 193.222,40 € begründet. Hinsichtlich der Ermittlung des Nachtragspreises folge die Kammer den Darlegungen und Berechnungen des Sachverständigen, wonach ein Einheitspreis von 158,90 € plausibel sei.
35Die unter den Positionen 99.02.0010 – 0030 abgerechneten 896,61 € für zusätzliche Erdungsarbeiten habe die Beklagte unstreitig gestellt.
36Die unter den Positionen 99.02.0075 – 0070 abgerechneten 7.146,60 € für geänderte Leistungen im Zusammenhang mit der von der Beklagten eingesetzten Ladevorrichtung seien gerechtfertigt. Mit E-Mail vom 01.10.2014 habe die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass die Schienenenden der Altschienen so zu positionieren seien, dass diese „verlascht“ werden könnten. Zur Durchführung der von der Beklagten angeordneten Änderung der Methodik des Schienenverladens habe die Klägerin einen Zweiwegebagger einsetzen müssen. Im Leistungsverzeichnis sei das Verlaschen nicht vorgesehen gewesen.
37Die Berechtigung der Position 99.02.0090 iHv 5.091,94 € werde von der Beklagte nicht bestritten.
38Unter Berücksichtigung der unstreitig bereits geleisteten Zahlung von 1.870.736,65 € verbleibe der ausgeurteilte Betrag.
39Im Übrigen bestehe keine Nachforderung.
40Für eine Änderung der Sicherungsart von fester Absperrung zu (in Teilbereichen) AWS-Anlagen (Pos. 99.02.0080) könne die Klägerin die geltend gemachte Vergütung von 64.819,63 € nicht verlangen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B oder § 2 Abs. 6 VOB/B aufgrund der Änderung der Sicherungsart in Teilbereichen von Los 10 und LOS 15 habe. Selbst wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen sei, dass die Klägerin entgegen der ursprünglichen Planung in Teilstrecken wegen bestehender Höhenunterschiede zwischen den Gleisen statt einer festen Absperrung AWS-Anlagen habe einsetzen müssen, habe sie keinen Zahlungsanspruch. Denn sie habe die Höhe einer ihr etwa zustehenden Mehrvergütung nicht schlüssig dargelegt. Die Parteien hätten sich konkludent darauf geeinigt, die neuen Preise durch Fortschreiben der Urkalkulation zu ermitteln. Dies sei der Klägerin offenbar nicht möglich, da sie die Einzelkosten der Teilleistung „Sicherung geg. Gefahren aus dem Bahnbetrieb“ nicht aufgeschlüsselt und nur einen Gesamtpreis angegeben habe. Ziehe man die tatsächlichen Kosten nebst Zuschlägen heran, so fehle es an der Darlegung der anteiligen Minderkosten. Da die festen Absperrungen in dem zu bewertenden Teilbereich nicht zur Ausführung gekommen seien, müssten nach den Ausführungen des Sachverständigen Minderkosten berücksichtigt werden. Da die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür mitgeteilt habe, mit denen die Minderkosten berechnet oder zumindest geschätzt werden könnten, sei der geltend gemachte Mehrvergütungsanspruch i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B bzw. § 2 Abs. 6 VOB/B unschlüssig.
41Auch hinsichtlich der Position 99.02.0070 (Nachtarbeit) stehe der Klägerin kein Anspruch zu, so dass die Klage in Höhe der verlangten 39.783,60 € unbegründet sei. Bei der Nachtarbeit handle es sich nicht um eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B; auch eine Änderung des Bauentwurfs oder eine Änderungsanordnung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B scheide aus. In den Sperrpausenanmeldungen der Klägerin seien in der Nacht stattfindende Sperrpausen enthalten gewesen. Die Klägerin habe selbst mit Nachtarbeit kalkuliert. Mit Schreiben vom 28.12.2015 habe sie mitgeteilt, dass sie ihre Angebotspreise in der Urkalkulation mit Nachtzuschlag beaufschlagt habe. Die Klägerin habe das Risiko übernommen, dass die Beklagte mehr Nacharbeitsstunden verlange, als von der Klägerin kalkuliert.
42Die unter Position 99.01.100 geltende gemachten Nachtragsbearbeitungskosten könne die Klägerin ebenfalls nicht verlangen.
43Gegen die erfolgte Klageabweisung richtet sich die Klägerin teilweise mit der Berufung, in der sie wie folgt vorträgt: Sie wende sich gegen die Abweisung des Nachtrags 1 sowie die pauschale Abweisung des Nachtrags 2 im Hinblick auf die Sicherungsart und die Nachtarbeit. Im Übrigen verfolge sie den Werklohnanspruch nicht weiter.
44Hieraus ergebe sich die im Berufungsrechtszug geltend gemachte Summe wie folgt:
45Urteil 1. Instanz 226.429,83 €
46Nachtrag Nr. 1 2.586.706,28 €
47Kosten Sicherungsart 64.819,63 €
48Mehrkosten Nachtarbeit 39.783,60 €
49Das Landgericht habe seine Hinweispflichten nicht erfüllt und eine Überraschungsentscheidung getroffen. In der mündlichen Verhandlung seien keinerlei sach- und rechtsbezogene Hinweise zu dem Grund der Abweisung des Nachtrags betreffend die Sicherungsleistung erteilt worden. Die Kammer habe weder in der mündlichen Verhandlung noch in schriftlicher Form detaillierte Hinweise zur angeblich fehlenden Gegenrechnung von Minderkosten erteilt. Die vom Landgericht in seiner Entscheidung vermisste Aufgliederung des Nachtragspreises sei seitens der Kammer nicht einmal ansatzweise erörtert worden. Mit Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Nachtragshöhe habe sie nicht rechnen müssen. Auch der Sachverständige habe die Kosten für zutreffend gehalten. Auf einen entsprechend detaillierten Hinweis hätte sie weiter ergänzend ausführen können.
50Das Landgericht habe die unter Nachtrag 1 abgerechneten Kosten zu Unrecht als unbegründet angesehen. In der Sache gehe es darum, dass sie die Baustellenlogistik anders habe ausführen müssen, als sie es nach der Ausschreibung habe kalkulieren dürfen. Es sei nicht zutreffend, dass sie nur schienengebunden habe kalkulieren dürfen. Der von der Klägerin beim gegenständlichen Bauvorhaben geschuldete Leistungsumfang, d.h. das Bau-Soll, erstreckte sich auf die Durchführung von Gleiserneuerungs- und Planungsverbesserungsarbeiten an den Bahnhöfen C.-Stadt und D.-Stadt. Dabei sei es immanent, dass von dem Unternehmer eines Bauvorhabens, so auch der Klägerin, während der gesamten Bauphase ständig Materialien, Gerätschaften und Personal zur Baustelle zu bringen und von dieser weg zu befördern seien. Dabei hätten bestimmte Bereiche der Baustelle nur über die Schiene erreicht werden können.
51In der Leistungs- und Baubeschreibung des Vertrages seien vier, in einiger Entfernung zum eigentlichen Baustellenbereich liegende, Fixpunkte benannt gewesen, sämtlich Ladestraßen in Bahnhöfen (untechnisch „Umschlagplätze“). Von diesen Umschlagplätzen aus sei der eigentliche Baustellenbereich nur schienengebunden zu erreichen. Den Weg zwischen den Umschlagplätzen und dem Baustellenbereich bezeichne sie als „interne Baustellenlogistik“. Für diesen Teil habe sie auch schienengebunden kalkuliert.
52Die Angabe der Übergabepunkte spreche dafür, dass Unterschiede beim Transport möglich gemacht werden solle. Bei den angegebenen Umschlagplätzen handele es sich ausdrücklich um solche, die per Straße erreichbar seien. Nachtragsrelevant sei die von ihr so bezeichnete „baustellenexterne“ Logistik. Hierbei gehe es um den Transport der Alt- und Neumaterialien von den Umschlagplätzen zu den Entsorgungsstellen und von den Versorgungsstellen zu diesen Umschlagplätzen. Während die Beklagte für den internen Transport eine schienengebundene Lösung vorgeschrieben habe, habe sie das für die externe Zu- und Abfuhr nicht getan. Hier habe sie als Unternehmerin ein Wahlrecht gehabt.
53Im Leistungsverzeichnis sei auf Seiten 18 und 19 an verschiedenen Stellen vorgegeben, dass der Transport von der Baustelle zu den Entsorgerwerken bzw. zwischen Baustelle, Logistik, Gleisen und der Übergabestelle (Entsorgungswerk) mit AN-eigenen Wagen/Förderfahrzeugen zu erfolgen habe. Auch ein Umladen von MFS-Einheiten auf Wagen/Förderfahrzeuge des AN sei in die Einheitspreise einzukalkulieren gewesen. Die gebotene objektive Auslegung dieser Textpassagen lasse nur den Schluss zu, dass sie die Art und Weise der externen Logistik „in Eigenregie“ durchzuführen habe, was dann auch zwingend bedeute, dass sie die Methode frei habe wählen dürfen. Förderfahrzeuge seien sämtliche Fahrzeuge, die Materialien transportieren könnten, auch LKW.
54Aus der Maßgabe, dass ein Umladen zu kalkulieren sei, folge, dass kein einheitliches Transportsystem vorgesehen gewesen sei. Soweit sich das Landgericht in diesem Zusammenhang auf die Vorgänge im Schotterwerk selbst beziehe, stellten diese kein Umladen dar, sondern das erstmalige „Beladen“.
55Auch die Beschreibung der Zufahrtsmöglichkeiten begründe eine Wahlmöglichkeit. Hätte die Beklagte die Vorstellung gehabt, dass auch die externe Logistik von und bis zu den Umschlagpunkten schienengebunden durchzuführen sei, ergebe der Verweis auf die Andienungsmöglichkeit per Lkw keinen Sinn.
56Es sei kein durchgängiger schienengebundener Transport vorgeschrieben gewesen. Nach 0.2.14 DIN 18300 gelte grundsätzlich freie Logistikwahl. Sofern der Auftraggeber dieses Wahlrecht einschränken wolle, müsse dies im Vertrag deutlich erkennbar geregelt und vereinbart sein. Dies sei vorliegend hinsichtlich der baustellenexternen Transporte nicht der Fall.
57In den Positionen über die Baustellenlogistik (z.B. Pos. 11.10.0010) sei sowohl von dem „Transport“ als auch einem „schienengebundenen Transport“ die Rede.
58Sie habe die externe Baustellenlogistik nicht schienengebunden, sondern mit dem Einsatz von LKW kalkuliert. Letztlich habe die Beklagte von ihrer anders lautenden Anordnung sogar Abstand genommen, nachdem ihr die finanziellen Auswirkungen bewusst geworden seien. Warum hätte die Beklagte die Anordnung zurücknehmen sollen, wenn diese inhaltlich gar nicht nachteilig gewesen wäre.
59Die Beklagte habe nach Vertragsschluss in ihr Wahlrecht hinsichtlich der Ausführung der Baustellenlogistik eingegriffen und im Sinne einer Änderungsanordnung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B von ihr verlangt, dass sie auch den externen Transport schienengebunden ausführe. Diese Anordnungen seien schließlich per E-Mail vom 31.07.2014 erfolgt. Sie habe der Anweisung zunächst trotz Bedenken und unter Anzeige von Mehrkosten Folge geleistet.
60Sie hätten über den Nachtrag bezüglich der Mehrkosten der schienengebundenen externen Baustellenlogistik mehrfach und über mehrere Monate hinweg außergerichtlich verhandelt. Zwar habe keine Einigung zur Nachtragshöhe erreicht werden können. Es habe jedoch Einigkeit bestanden, dass der Nachtrag dem Grunde nach berechtigt gewesen sei. Das Landgericht hätte hierzu die angebotenen Beweise erheben müssen.
61Als Zulage für Nachtarbeit könne sie 39.783,60 € verlangen (2.056 Stunden zu 19,35 € Zulage gemäß Urkalkulation). Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Tatsache, dass sie in einem geringfügigen Umfang Nachtarbeit in der Urkalkulation berücksichtigt habe, dazu führen solle, dass die Beklagte Nachtarbeitsstunden in jedem beliebigen Umfang anordnen könne. Sie habe mit Mail vom 26.5.2014 eine zeitlich auskömmliche Erstellung ohne Nachtschichten dokumentiert. Dies habe sie auch unter Beweis gestellt. Herr E. habe am 16.10.2014 Nachtarbeit angeordnet, um die geplante Nachtsperrung zu nutzen. Die Relevanz der Nachtsperrung sei das Risiko der Beklagten gewesen.
62Zutreffend habe sie zudem 64.819,63 € (netto) dafür abgerechnet, dass die Beklagte nach Vertragsschluss die Art der Sicherung gegen Gefahren aus dem Bahnbetrieb für die Lose 10 und 15 in Teilbereichen von der ursprünglich geplanten festen Absperrung hin zu einem Warnsystem mit Handeinschaltung geändert habe. Hierbei habe sie, die Klägerin, die ihr durch den Einsatz des Nachunternehmers F. entstandenen Mehrkosten in Höhe von 52.095,34 € (netto) unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Zuschlages von 24,425 % an die Beklagte weiterberechnet. Der Nachtrag sei bereits als Mehrkostennachtrag aufgestellt und geltend gemacht worden. Minderkosten seien ihr nicht entstanden. Nur die Differenz zwischen den Gesamtkosten und den bereits über die Hauptvertragsposition abgerechneten Beträgen seien Inhalt des Nachtrags.
63Bei festen Absperrungen bestünden im Wesentlichen nur Personalkosten, da die Absperrungen nicht „verbraucht“ würden. Es seien nur 660 m feste Absperrung entfallen, was im Verhältnis zu Gesamtlänge von 6.000 m keine wesentlichen Personalminderkosten begründe.
64Die Klägerin beantragt,
65unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Duisburg die Beklagte zu verurteilen, an sie insgesamt 2.917.739,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.05.2016 zu zahlen;
66hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Duisburg aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Duisburg zurückverwiesen.
67Die Beklagte beantragt,
68die Berufung zurückzuweisen.
69Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Eine Überraschungsentscheidung liege auch im Hinblick auf die Sicherungsart nicht vor. Bezeichnenderweise bleibe die Klägerin weiterhin jegliche Antwort schuldig, was sie gegen die berechtigten Bedenken des Landgerichts denn eigentlich vertieft hätte vortragen können und wollen. Sie stütze sich weiter auf die unzutreffende Behauptung, dass schon keine Mehrkosten zu berücksichtigen seien. Im Übrigen sei die Ansicht des Landgerichts nicht überraschend gewesen. Sie selbst habe mehrfach darauf hingewiesen, dass die Klägerin ersparte Aufwendungen nicht in Abzug gebracht habe. Sie habe darüber hinaus die ordnungsgemäße Preisfortschreibung der Nachtragskalkulation bestritten. Ebenfalls habe sie darauf hingewiesen, dass die Klägerin in der Schlussrechnung unter den Positionen 15.70.0010 bis 15.70.0050 (Anlage K 6) die für die geänderte Sicherungsart teilweise entfallende feste Absperrung nichtsdestotrotz weiterhin in voller Höhe abrechne. Auch aus dem Beweisbeschluss vom 13.4.2018 sei die Relevanz der Minderkosten hervorgegangen. Auch der Sachverständige habe auf die fehlende Berücksichtigung von Minderkosten hingewiesen.
70Auch materiell sei das Urteil zutreffend.
71Ein schienengebundener Transport von Abfällen und Stoffen sei vertraglich vorgegebenes Leistungssoll gewesen. Sie habe vertraglich konkrete Vorgaben zu der Art der durchzuführenden Transporte aufgestellt. Das Leistungsverzeichnis habe durchgängig – mit Ausnahme des Transports von Kleinteilen – einen schienengebundenen Transport dieser Materialien und Abfälle vorgesehen.
72Eine Differenzierung zwischen einem „externen“ und „internen“ Transport hätten die vertraglichen Vorgaben eben nicht vorgesehen. Diese Begrifflichkeiten seien bei Bauvorhaben der Bahn gänzlich anders belegt als die Klägerin dies erstinstanzlich habe in den Vertrag hineinlesen wollen. Mit den dahingehenden Begriffen werde lediglich das Leistungsspektrum des Auftragnehmers von den Beistellungen des Auftraggebers abgegrenzt, sodass mit dem Begriff der internen Baustellenlogistik keine räumliche Abgrenzung erfolge. Dementsprechend verwundere es wenig, wenn die Positionen des Leistungsverzeichnisses (vgl. Pos. 10.10, 11.10, 12.10,13.10, 14.10 und 15) lediglich Angaben über die interne Baustellenlogistik machten.
73Der Vertrag unterscheide nicht zwischen Quertransporten innerhalb des Baufeldes und von und zu den von der Klägerin so bezeichneten Umschlagplätzen/Zwischenlagern einerseits und dem Zu- und Abtransport zur Baustelle andererseits. Es sei eindeutig von einem schienengebundenen Transport der Abfälle und Stoffe die Rede.
74Die punktuelle Bezugnahme der allgemeinen Baubeschreibung auf Lkw-Transporte stehe der Auslegung des Landgerichts nicht entgegen, da sie sich auf Transporte von Kleinteilen im Umfang von wenigen 100 Kilo bezogen habe. Die Positionen hinsichtlich des Transports der Kleinteile zeige vielmehr, dass die Beklagte, wenn sie LKW meinte, dies auch vertraglich fixiert habe.
75Auch bei einer rein schienengebundenen Logistik könne ein Umladen erforderlich werden bzw. aus preislichen Gründen sinnvoll sein.
76Die Beschreibung der Zufahrtsmöglichkeiten stelle sich nur als allgemeine Ortsbeschreibung dar. Im Übrigen stütze die Beschreibung auch insoweit die Argumentation der Klägerin nicht, da demnach die Zufahrt nur mit Lkw mit maximal drei Achsen gegeben gewesen sei. Derartige 3-Achser seien für Transporte, wie sie die Klägerin angeblich habe durchführen wollen, nicht geeignet aufgrund ihrer geringen Nutzlast. Mit der Mail vom 31.7.2014 habe sie nur zur vertragsgemäßen Erfüllung angehalten.
77Unstreitig sei keine Einigung auf das durch die Klägerin vorgelegte Nachtragsangebot zustande gekommen. Darüber hinaus habe die Klägerin lediglich pauschal behauptet, dass sie den Anspruch dem Grunde nach bereits außergerichtlich anerkannt habe. Sie habe dies lediglich aus dem Umstand abgeleitet, dass es überhaupt Nachtragsverhandlungen gegeben habe. Eine Beweisaufnahme zu diesem unzutreffenden Rückschluss sei nicht angezeigt gewesen.
78Ein Anspruch der Klägerin hinsichtlich Position 99.02.070 aufgrund vermeintlich angeordneter Nachtarbeit bestehe ebenfalls unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Gemäß Ziffer B. 1.6 der allgemeinen Leistungsbeschreibung (Anlage K 10) sollten die Bauzeiten aus der dem Vertrag beigefügten Baubetriebsplanmeldung hervorgehen, die auch Arbeiten in der Nacht vorgesehen habe.
79Auch hinsichtlich der vermeintlichen Änderung der Sicherungsart komme das Landgericht zu dem zutreffenden Ergebnis, dass ein Anspruch der Klägerin auf zusätzliche Vergütung nicht bestehe. Der Anspruch sei schon nicht schlüssig dargelegt. Die Parteien hätten sich auf eine Ermittlung der Preise durch Fortschreibung der Urkalkulation geeinigt. Dahingehende Kosten seien nicht aufgeschlüsselt worden. Minderkosten müssten berücksichtigt werden.
80Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.
81II.
82Die insgesamt zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg.
831.
84Der Klägerin steht wegen der teilweise abweichend ausgeführten Absicherung der Strecke ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B 2012 zu. Der Anspruch besteht aber nur in Höhe von 48.260,23 €.
85a)
86Hinsichtlich der Sicherung der Strecke liegt eine Leistungsänderung aufgrund einer Anordnung der Beklagten vor. Denn die Beklagte hat durch eine nachträgliche Anordnung das Bausoll hinsichtlich der Lose 10 und 15 geändert. Hierdurch wurde auch die preisliche Grundlage für die im Vertrag vorgesehenen Leistung geändert.
87aa)
88Die Klägerin schuldete die Sicherung der Baustelle aus dem Bahnbetrieb, s. Positionen 10.70 und 15.70. Unstreitig war hierfür eine feste Sicherung vorgesehen (= Bausoll). Dies trägt die Beklagte selbst vor. Zudem geht auch aus den Grundlagen für die Sicherungsplanung (Anlage B15) hervor, dass eine feste Sicherung vorgesehen war, wobei – so die Klägerin ausdrücklich – die Grundlage der Sicherungsplanung durch die Beklagte vorgegeben war. Die Grundlage der Sicherungsplanung war auch nach Vortrag der Beklagten Gegenstand der Ausschreibungsunterlagen ist damit bei der Bestimmung des Bausolls heran zu ziehen. Entsprechend führt auch der Sachverständige in dem Ausgangsgutachten aus, die ursprüngliche Ausschreibung mit fester Sicherung könne nachvollzogen werden. Auf dieser Basis wurde der Preis für die Sicherung unter Positionen 10.70 und 15.70 vereinbart.
89bb)
90Es ist im Verlauf des Prozesses unstreitig geworden, dass bei den zwei Losen eine feste Sicherung nicht durchgehend möglich bzw. nicht zulässig war. Das hat die Beklagte nach der durchgeführten Ortsbesichtigung unstreitig gestellt, wäre allerdings durch die Zeugenaussagen und die Feststellungen des Sachverständigen auch bewiesen.
91Der Sachverständige G. hat dokumentiert, dass auf der Strecke Los 10 zwischen Baugleis und Nachbargleis eine Betonwand steht, die eine Nutzung der festen Absperrung unmöglich bzw. unzulässig macht. Der Sachverständige hat das Teilstück – auf dem die Absicherung in fester Form nicht möglich war – mit 280 m ermittelt. Dies ist nach dem Gutachten überzeugend. Der Sachverständige hat weiter dokumentiert, dass auf der Strecke Los 15 zwischen Baugleis und Nachbargleis (Bereich H.-Stadt) eine Höhendifferenz besteht, die eine Nutzung der festen Absperrung unmöglich bzw. unzulässig macht. Der Sachverständige hat das Teilstück – auf dem die Absicherung in fester Form nicht möglich war – mit 286 m ermittelt. Auch die Zeugen J. und K. haben davon gesprochen, dass es im Bereich H.-Stadt zwei (so K.) oder drei (so J.) Bereiche gegeben habe, bei denen nicht mit fester Sicherung gearbeitet werden konnte. Die Klägerin hat zwar etwas längere Streckabschnitte behauptet, der Zeuge J. hatte hierzu aber keine exakte Erinnerung.
92cc)
93Es steht zur Überzeugung des Senates weiterhin fest, dass seitens der Beklagten der Einsatz der AWS für die betroffenen Bereiche angeordnet wurde. So haben alle drei Zeugen bekundet, Herr E. als Ansprechpartner bei der Beklagten habe für die jeweiligen Bereiche Sicherungspläne verändert und die Sicherungsart AWS gewählt.
94Nach den überzeugenden Angaben des Zeugen J. hat der BKK L. die Anordnung genehmigt. Denn er soll erklärt haben, es sei alles richtig gemacht worden. Der Anordnung steht nicht entgegen, dass während des Aufbaus der festen Absperrung zusätzliche Sicherungsposten notwendig sein könnten. Denn diese sollten nur für die Zeit des Aufbaus geschuldet sein, nicht für die eigentliche Zeit der Arbeiten.
95dd)
96Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich nicht um eine zusätzliche Leistung nach § 2 Abs. 6 VOB/B, so dass auch die vorherige Ankündigung der Mehrkosten nicht notwendig war. Beauftragt war die Sicherung der gesamten Baustellenbereiche. Nach den Anordnungen von Herrn E. schuldete die Klägerin nicht eine zusätzliche Sicherungsmaßnahme oder eine Sicherung zusätzlicher Bereiche, sondern in den ohnehin zu sichernden Bereichen zum Teil eine andere Art der Sicherung.
97ee)
98Durch die Anordnung wurde in die Preisbildung eingegriffen. Dem stehen auch die Zusätzlichen Vertragsbedingungen nicht entgegen. Demnach sollen Nebenleistungen ohne Erwähnung im Vertrag geschuldet sein und nicht gesondert vergütet werden. Nach Ziffer 1.1.8 sollen hierunter auch Sicherungsmaßnahmen fallen. Die nur subsidiär geltende Ziffer 1.1.8 kommt aber nicht zum Tragen. Denn sowohl in der Baubeschreibung/Vorbemerkung Teil C. 9 als auch in dem Leistungsverzeichnis sind Sicherungsmaßnahmen konkret beauftragt. Sie werden nach dem Leistungsverzeichnis auch gesondert vergütet.
99Allenfalls könnte fraglich sein, ob nach Teil C. 9.1 die Klägerin das Risiko tragen sollte, dass die zunächst vorgesehene feste Absicherung nicht ausreichend sei. So findet sich dort der Zusatz, alle erforderlichen Sicherungsleistungen seien durch den AN zu planen, kalkulieren und in die Leistungsposition einzurechnen (Unterstreichung d. Senat). Gleichzeitig aber findet sich der Hinweis, die Sicherungsplanung erfolge auf der „Grundlage für die Sicherungsplanung gemäß Anlage 3.8“. Indem die Beklagte die Grundlage für die Sicherungsplanung vorgibt, bestimmt sie auch das von der Vergütung gedeckte Bausoll. Auf dieser Grundlage trägt dann die Klägerin das Planungs- und Kostenrisiko.
100Hätte die Beklagte etwas Anderes gewollt, hätte sie dies klarer ausdrücken müssen. Nach der Rechtsprechung des BGH darf der Bieter die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung nach der VOB/A im Zweifelsfall so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen will. Danach ist die Leistung u.a. eindeutig zu beschreiben, § 9 Nr. 1 VOB/A. Dem Wortlaut der Ausschreibung kommt vergleichsweise große Bedeutung zu, weil der Empfängerkreis der Erklärung nur abstrakt bestimmt ist. Sind die sprachlichen Formulierungen der Ausschreibung nicht genügend aufeinander abgestimmt, ist einer Auslegung der Vorzug zu geben, welche die nach der VOB/A geforderte Eindeutigkeit nicht in Frage stellt (vgl. BGH, NJW 1999, 2432, beck-online).
101b)
102Die Klägerin hat der Anordnung Folge geleistet und die AWS-Systeme eingesetzt. Es steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die AWS-Systeme in den benannten Bereichen zum Einsatz kamen. Dies haben alle drei Zeugen glaubhaft bestätigt. Die Zeugen habe dabei auch bekundet, wenn sie sich an bestimmte Details nicht erinnern konnten.
103Der Senat ist auch überzeugt, dass die Mengen erbracht wurden, wie in der Rechnung K34 abgerechnet.
104Hinsichtlich des Loses 10 folgt aus Anlage K 83, dass an drei Tagen jeweils drei Anlagen zum Einsatz kamen. Diese wurden am 30.9, 1.10. und 5.10. abends auf- und morgens wieder abgebaut und waren 8 Stunden im Betrieb. Der Zeuge K. hat bestätigt, dass er die Aufmaße bestätigt und gestempelt habe. Anhaltspunkte dafür, dass er etwas abgezeichnet haben könnte, das es nicht gegeben hat, bestehen nicht. Insofern ist unerheblich, dass der Zeuge aus der Erinnerung meinte, im Bereich C.-Stadt seien (nur) zwei Anlagen eingesetzt worden. Bei dem Einsatz von drei Anlagen an drei Tagen ergibt sich ein 9maliger Einsatz mit 72 Betriebsstunden. Diese Mengen hat auch der Sachverständige als nachvollziehbar beurteilt (S. 21 des Gutachtens). Hier ergeben sich Nachunternehmerkosten mit Zuschlag in Höhe von 15.352,02 € (wie auch die Beklagte errechnet). Unerheblich ist, ob die Beklagte die Aufstellung der AWS „auf Lücke“ als unzulässig ansieht. Denn nur diese Aufstellung hat die Klägerin abgerechnet. Einen zu Gegenrechten führenden Mangel müsste die Beklagte substantiiert darlegen. Angesichts des Umstands, dass der Zeuge K. alles geprüft und abgezeichnet hat, genügt eine unkonkrete Behauptung nicht.
105Hinsichtlich des Loses 15 finden sich im Anlagenordner 8 die Aufmaßprotokolle für insgesamt 29 Einsätze an sechs verschieden Stellen – die man zwei Bereichen zuordnen kann. Die Auflistung der Aufmaßprotokolle, die sämtlich von dem Zeugen K. unterzeichnet sind, findet sich auf S. 222 des Gutachtens. Hier wurden zumeist zwei, vereinzelt drei Anlagen eingesetzt. Dies ist mit den Angaben des Zeugen K., wonach bei der einen Stelle zwei und der anderen drei Anlagen in Einsatz waren, zumindest grob in Einklang zu bringen. Bei 29 Einsätzen ergäben sich Nachunternehmerkosten inklusive Zuschlag in Höhe von 49.467,62 €, was der Sachverständige als plausibel ansieht. Auch die Beklagte bezweifelt letztlich die Richtigkeit der unterzeichneten Aufmaßprotokolle nicht. Soweit die Beklagte sie auf Lücken in der Sicherung verweist, ist dies für die Höhe der Vergütung unerheblich. Für Gegenrechte trifft nach Abnahme die Beklagte die Darlegungslast.
106c)
107Den für die geänderte Leistung anzusetzenden Preis schätzt der Senat auf 48.260,23 €.
108Betroffen sind die Positionen 10.70 und 15.70 der Schlussrechnung (Sicherung gg. Gefahren aus dem Bahnbetrieb), konkret die Positionen 10.70.0020 und 15.70.0020 (Sicherungsmaßnahmen Haupt-Bauarbeiten). Abgerechnet hat die Klägerin jeweils 38.464,13 € als Pauschale, was dem Angebot entspricht, sowie 52.095,34 € aus der Rechnung F. (K 34) zzgl. dem in der Urkalkulation durchgehend verwandten Zuschlag. Tatsächlich kann sie nur 48.260,23 € verlangen.
109aa)
110Eine nach § 2 Abs. 5 VOB/B vorrangig zu berücksichtigende Einigung auf einen neuen Preis erfolgte hier nicht.
111bb)
112Wie die Preisfindung bei fehlender Einigung der Parteien zu erfolgen hat, ist höchstrichterlich nicht entschieden. Allerdings hat der BGH Grundsätze zu der Preisfindung im Rahmen des wortgleichen § 2 Abs. 3 VOB/B aufgestellt. Können sich die Parteien nicht auf einen neuen Einheitspreis verständigen, so entscheidet im Streitfall das angerufene Gericht. Es hat zu prüfen, ob der in Ansatz gebrachte Preis gerechtfertigt ist, wobei auch eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO möglich ist.
113Abgesehen von der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vorgesehenen Einigung auf einen neuen Einheitspreis können sich die Vertragsparteien sowohl bei Vertragsschluss als auch nachträglich über einzelne Teilelemente der Preisbildung verständigen. Sie können etwa einen bestimmten Maßstab bzw. einzelne Kriterien oder Faktoren festlegen, nach denen im konkreten Fall der neue Einheitspreis bestimmt werden soll. Haben sich die Parteien nicht insgesamt oder im Hinblick auf einzelne Elemente der Preisbildung geeinigt, enthält der Vertrag eine Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu schließen ist. Danach ist entscheidend, was die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Zu fragen ist also, welchen Maßstab die Parteien zur Bestimmung des neuen Einheitspreises vertraglich zu Grunde gelegt hätten, wenn sie seinerzeit vorhergesehen hätten, dass sie sich nicht auf einen neuen Einheitspreis für die relevanten Mehrmengen einigen können (vgl. BGH NJW 2020, 337). Dabei entspricht es der Redlichkeit und dem bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen, dass durch die unvorhergesehene Veränderung der auszuführenden Leistungen keine der Vertragsparteien eine Besser- oder Schlechterstellung erfahren soll. Die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien nach Treu und Glauben ergibt, dass – wenn nichts Anderes vereinbart ist – für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind (vgl. BGH NJW 2020, 337, beck-online). Damit folgt der BGH jedenfalls für die leistungsabhängigen Kosten nicht der früher weitgehend vertretenen Ansicht der kalkulatorischen Preisfortschreibung. Vielmehr werden die Mehr- und Minderkosten nach dem Maßstab der tatsächlich erforderlichen Kosten ermittelt (vgl. Kniffka/Koeble/Jurgeleit/sacher Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 2020, Teil 4, Rn. 383b). Die von dem BGH entwickelten Grundsätze sind angesichts des vergleichbaren Wortlautes auf § 2 Abs. 5 VOB/B zu übertragen (vgl. Urteil des Senats vom 11.1.2019, 5 U 52/19; ebenso: KG Berlin, Urteil vom 27.8.2019, 21 U 160/18; OLG Köln ZfBR 2021, 415, OLG Dresden BauR 2021, 1143, Ingenstau/Korbion-Keldungs VOB, 22. Auflage 2023 § 2 Abs. 5 VOB/B mwN).
114cc)
115Die Parteien scheinen hier davon ausgegangen zu sein, der neue Preis solle sich aus der Urkalkulation heraus ergeben. Näher dargelegt haben sie diese Annahme nicht. Bei verständiger Würdigung ist dieses Verständnis ohnehin einschränkend dahingehend zu interpretieren, dass eine Berechnung des neuen Preises auf Basis der Urkalkulation erfolgen sollte, soweit dies möglich sei. Vorliegend war die Klägerin bei Herleitung des Preises nur im Hinblick auf den Aufschlag an die Urkalkulation gebunden.
116Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Herleitung eines neuen Preises mit der vorliegenden Urkalkulation nicht möglich sei. Dies überzeugt. Denn die Urkalkulation gibt zu den Positionen 10.70 und 15.70 für die Ermittlung des neuen Preises letztlich wenig her. In der Urkalkulation wird lediglich auf eine Pauschale für den Einsatz des Subunternehmers verwiesen, auf die ein Aufschlag (24.4250 %) erhoben wird. Eine Aufteilung in Personalkosten und Vorhaltekosten bspw. erfolgt nicht. Zudem waren die bei der Ausschreibung vorgesehenen Sicherungsarbeiten anders gelagert. Hier war vorrangig Material einzubringen, wohingegen bei dem AWS-System ein mehrmaliger Auf/Abbau und ein Betrieb mit Personaleinsatz in Nachtschicht zu erfolgen hatte. Zudem hat die Klägerin für die Sicherung der einzelnen Lose jeweils denselben Betrag angesetzt, unabhängig von der Länge der zu sichernden Bereiche. Mithin wurde offenbar die gesamte Sicherungsvergütung gleichmäßig auf die Bauabschnitte verteilt. Die Urkalkulation hat auch daher wenig Aussagekraft für die Entwicklung neuer Preise.
117dd)
118Eine Nachtragskalkulation war nicht zu verlangen. Vielmehr kann der Senat unter Heranziehung von § 287 ZPO den Preis auf Basis der angefallenen Mehrkosten im Wege der Schätzung ermitteln.
119Die Urkalkulation ist kein Selbstzweck, sondern soll im Interesse des Auftraggebers gewährleisten soll, dass eine Nachtragsforderung auf das Preisniveau des Ausgangsvertrages begrenzt bleibt (vgl. Jansen/Seibel/Funke, 6. Aufl. 2025, VOB/B § 1 Rn. 134, 135, beck-online). Eine Pflicht zu einer Nachkalkulation wird auch dann kritisch gesehen, wenn – wie hier – die Urkalkulation für die zusätzlichen Leistungen keinen Aussagewert hat (vgl. Kniffka/Koeble aaO Teil 4 Rn. 194 a). Auch in der Rechtsprechung wird in Fällen, in denen die Abrechnung der baubetrieblichen Mehrkosten nicht den Vorgaben des § 2 Nr. 5 Satz 1, Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B 2002 entsprach, keine Nachtragskalkulation verlangt, sondern der Vergütungsanspruch auf Basis von § 287 ZPO ermittelt (vgl. OLG Celle Urt. v. 12.9.2013 – 6 U 41/13, BeckRS 2015, 11605 Rn. 13, beck-online).
120Überdies hat der BGH verschiedentlich erklärt, eine Nachkalkulation sei nicht Schlüssigkeitsvoraussetzung. So soll im Rahmen eines vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrages eine Nachkalkulation einer bei Vertragsschluss irrtümlich nicht kalkulierten Position nicht Voraussetzung für eine prüfbare Schlussrechnung oder einen substantiierten Vortrag zur Vergütung sein (vgl. BGH ZfBR 2004, 687, beck-online). Auch in Fällen nicht prüfbarer Schlussrechnung soll die Werklohnklage nicht von vornherein unschlüssig sein. Bei ausreichender Grundlage könne der Werklohn vielmehr gemäß § 287 ZPO geschätzt werden (vgl. BGH NZBau 2006, 179, beck-online). Dem schließt sich der Senat für die hiesige Konstellation an. Eine ausreichende Schätzgrundlage besteht.
121Der BGH hat im Rahmen von § 2 Abs. 3 BGB der ergänzenden Vertragsauslegung maßgebliche Bedeutung zugemessen. Dass die Parteien vorliegend für den Fall der fehlenden Aussagekraft der Urkalkulation eine Nachkalkulation vorgesehen hätten, ist nicht ersichtlich. Vielmehr scheinen die Parteien übereinstimmend davon auszugehen, dass für den hier vorliegenden Fall die tatsächlich angefallenen Mehrkosten grundsätzlich eine brauchbare Grundlage für die Ermittlung der Sicherungskosten sind. Der Senat nimmt eine konkludente Einigung der Parteien dahingehend an, dass die Nachtragsvergütung hilfsweise unter Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Kosten abzüglich der ersparten Kosten zu finden ist. Diese Vorgehensweise bringt die Beklagte hilfsweise selbst in Ansatz. Die Klägerin geht letztlich auch von dieser Berechnungsweise aus und behauptet nur, sie habe keine maßgebliche Ersparnis gehabt.
122Demnach ergeben sich (unstreitige) Kosten für die AWS-Sicherung in Höhe von 52.095,34 €, woraus sich ein Preis in Höhe von 64.819,63 € ermittelt. Hiervon abzuziehen ist eine Ersparnis aufgrund der Mindermengen bei der festen Absicherung inklusive Zuschlags. Diese Ersparnis schätz tder Senat auf 16.559,40 €
123(1)
124Ein Abzug hat nicht deshalb zu unterbleiben, weil die Klägerin behauptet, keine maßgebliche Ersparnis gehabt zu haben. Die Behauptung ist zum einen unschlüssig, zum anderen auch nicht mit den benannten Beweismitteln bewiesen. In erster Instanz hat die Klägerin unter Sachverständigen-Beweis gestellt, dass hinsichtlich des Auf- und Abbaus der festen Absperrung die Länge unerheblich sei. Es seien keine Personalminderkosten angefallen. Der Sachverständige G. hat dies nicht bestätigt. Im Übrigen kommt es nicht nur auf die Personal-, sondern auch die Vorhaltekosten für die Dauer des Einsatzes an. Eine Ersparnis wäre nur dann nicht anzunehmen, wenn die Klägerin mit dem Nachunternehmer hinsichtlich der Sicherung einen Globalpauschalpreis – unabhängig von der Länge der Sicherung – geschlossen hätte. Dies ist allerdings nicht vorgetragen und angesichts des vorgelegten Auszuges des mit F. vereinbarten Rahmenvertrages auch nicht anzunehmen.
125In der Berufungsinstanz hat die Klägerin nichts relevant Neues vorgetragen. So meint sie, bei der Rechnung der Firma F. handele es sich schon um eine „Mehrkostenrechnung“. Dies ist weder unter Beweis gestellt, noch schlüssig vorgetragen. So ist in der Rechnung gerade keine entfallende Leistung aufgeführt, sondern der Einsatz genau nach dem Preisverzeichnis des Rahmenvertrages abgerechnet. Im Übrigen behauptet sie auch nicht, dass es keine Ersparnis gegeben habe, sondern dass „kein wesentlicher“ Personalminderaufwand angefallen sei. Sie äußert sich nicht zu den Vorhaltekosten. Bei jeglichen Sicherungsmitteln – wie auch bei Gerüsten etc. – ist es nach der Erfahrung des Senates stets auch preisbildend, wie lange welche Menge an Material zum Einsatz kommt. Dies kommt auch in der K34 (bezogen auf die Einschaltstelle) und den Abrechnungsgrundsätzen in den zusätzlichen Vertragsbedingungen der Beklagten zum Ausdruck.
126(2)
127Der Senat schätzt den Abzug (die ersparten Aufwendungen inklusive Zuschlag von 24,425 %) auf 16.559,40 €.
128Dabei geht der Senat zunächst davon aus, dass die Klägerin auf einer Strecke von insgesamt 660 m keine feste Absicherung hat aufbauen müssen
129Der Senat schätzt auf Basis der vorgelegten Urkalkulation und des Leistungsverzeichnisses die ersparten Kosten für die feste Absicherung der Hauptarbeiten auf 25,09 € pro Meter. Die Klägerin hat – wie oben aufgeführt – die Kosten der Position „Absicherung Hauptarbeiten“ gleichmäßig auf alle Lose verteilt. Insgesamt hat sie die Leistung Hauptabsicherung auf Basis der kalkulierten Nachunternehmerkosten plus Zuschlag in Höhe von 230.784,78 € angeboten. Für diesen Preis waren während der Hauptarbeiten rund 9.200 m zu sichern. Der Projektübersicht ist zu entnehmen, dass das Los 10 gut 5.000 m umfasste, das Los 11 insgesamt 1.185 m, das Los 12 insgesamt 1.320 m, das Los 13 ca. 750 m und das Los 15 knapp 900 m. Das Los 14, das nur eine Weiche betraf, wird von dem Senat mit ca. 50 m eingeschätzt. Gerechnet wird: 660m x 25,09 € = 16.559,40 €
1302.
131Wegen ausgeführter Nacharbeiten steht der Klägerin kein Anspruch zu. Ein solcher folgt nicht aus § 2 Abs. 5 VOB/B 2012.
132Es ist schon nicht feststellbar, dass durch eine Anordnung der Beklagten die Grundlagen des Preises für die Ausführung der Arbeiten des Teilprojektes C.-Stadt Gleis 3 und 4 (Los 11 und 12) geändert wurden.
133Die Klägerin beruft sich darauf, Herr E. habe mit Mail vom 16.10. und 21.10.2014 eine Nachtarbeit angeordnet und damit ihre Pflichten verändert. Die angeführten Mails des Zeugen E. stellen aber keine Anordnung iSd § 2 Abs. 5 VOB/B dar.
134a)
135Eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B erfordert eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll (vgl. BGH, NJW 2024, 3716, beck-online). Seitens des Bestellers muss also eine Änderung der Vertragspflicht verlangt werden (vgl. BGH, NJW 2024, 3716). Nicht ausreichend ist hierfür, wenn mit der Anordnung lediglich eine bereits bestehende Leistungspflicht konkretisiert oder eine vertragsgemäße Ausführung gewährleistet werden soll; oder wenn die Leistungsänderung bereits vom vertraglichen Leistungsumfang umfasst ist (vgl. OLG Dresden Endurteil v. 9.1.2013 – 1 U 1554/09, BeckRS 2015, 15307, beck-online). Zudem betont der BGH das Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Erklärung, woran es z.B. fehlt, wenn dem Bauunternehmer lediglich bestehende Hindernisse mitgeteilt werden. Ob eine Erklärung oder ein Verhalten des Auftraggebers als Anordnung iSd § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen ist, beurteilt sich nach §§ 133, 157 BGB (vgl. BGH, NJW 2024, 3716 Rn. 20, beck-online).
136b)
137Unter Anwendung der oben genannten Grundsätze fehlt es an einer rechtsgeschäftlichen Anordnung zur Änderung der Vertragspflichten.
138Unstreitig war aufgrund der Ausschreibungsunterlangen ersichtlich, dass Nachtarbeit möglich und ggf. auch erforderlich sein würde. Dadurch war die Klägerin allerdings nicht per se verpflichtet, die Möglichkeit zur Nachtarbeit (voll) zu nutzen, sofern sie das Projekt auch mit Tagarbeit innerhalb der vereinbarten Fristen fertigstellen könnte. Unstreitig hatte die Klägerin zunächst (ganz weitgehend) ohne Nachtarbeit geplant.
139Bei einer Auslegung der von der Klägerin angeführten Mails des Herrn E. nach §§ 133, 157 BGB fehlt es aber an einer rechtsgeschäftlich bindenden Erklärung der Beklagten, dass die Klägerin umfassend Nacharbeit vorzunehmen habe. Vielmehr sind die Nachrichten des Herrn E. bei verständiger Würdigung dahingehend zu verstehen, dass er die Klägerin zu einer Ausführung im Zeitplan anhalten wollte.
140So hat E. unter dem 16.10.2014 verschiedene Bedenken im Hinblick auf den Bauablaufplan aufgeführt. Unter anderem sei aufgefallen, dass die Arbeiten nur in Tagschicht geplant seien. Es werde auf den Arbeitsschutz verwiesen und darauf, dass das jeweilige Nachbargleis nachts umsonst betrieblich nicht zur Verfügung stehe. Er bitte den BAP unter Beachtung der o.g. Punkte und Einhaltung der vertraglichen Vorgaben (...) zu erstellen.
141Gegen einen Willen zu einer verbindlichen, einseitigen Vertragsänderung spricht, dass nur allgemein die Erwartung dargelegt wird, dass von den nächtlichen Arbeitsmöglichkeiten Gebrauch gemacht werde. Für eine Anweisung, tatsächlich in dem später von der Klägerin ausgeführten Umfang nachts zu arbeiten, fehlt es an ausreichend konkreten Vorgaben. So wird keine konkrete Vorgabe zum Umfang der Nachtarbeiten (wie viele Stunden? An wie vielen Tagen?) gemacht. Überdies steht der Hinweis auf die Möglichkeit zur Nachtarbeit auch in einem Kontext mit der Verteilung der Bauzeiten am Gleis 3 und am Gleis 4. Unabhängig davon, ob der Wechselzeitpunkt vertraglich bindend war, spricht dieser Aspekt gegen einen Willen zur Änderung des Vertrages und für den Wunsch, die vertrags-/planmäßige Ausführung sicherzustellen.
142c)
143Zudem hatte die Klägerin offenbar selbst Zweifel dahingehend, ob mit der Nachricht einseitig und bindend ihre Vertragspflicht geändert werden sollte. So hat sie sich unter dem 21.10.2014 direkt an Herrn M. gewandt und erklärt, sie gehe davon aus, dass Herr M. die Verbindlichkeit der Anweisung von Herrn E. im vertraglichen Sinne anerkenne. Anderenfalls erwarte sie einen Widerspruch bis zum 23.10.2014, 10:00 Uhr. Aus dieser Nachricht ist zu entnehmen, dass die Klägerin selbst nicht sicher war, ob Herr E. wirklich in Vertretung der Beklagten gesprochen habe (er war selbst nicht als vertretungsberechtigt genannt, berief sich aber auf eine Abstimmung mit Herrn M.) und ob die Beklagte tatsächlich bindend die Anordnung einer umfassenden Nachtarbeit habe anordnen wollen. Hierauf erwiderte Herr E. mit Mail vom 23.10.2014 (allerdings erst 11:15 Uhr) unter Verweis auf die Urlaubsabwesenheit von Herrn M.:
144„Um bestehenden Missverständnisse aufzuräumen möchten wir mitteilen, dass wir Ihren vorgelegten Bauablaufplan nicht grundsätzlich abgelehnt haben. Wir bitten nur um die Bestätigung/Ergänzung der in der Folge angegebenen Punkte (...)“
145In der Gesamtschau musste ein verständiger Dritter in der Person der Klägerin die Mitteilungen der Beklagten gerade nach dieser Klarstellung dahingehend verstehen, dass es der Beklagten nicht um die einseitige Anordnung von Nachtarbeit in einer bestimmten Zeit oder gar für den gesamten, möglichen Zeitraum ging, sondern die Beklagte eine vertragsgemäße Ausführung sicherstellen wollte. Angesichts der großen Probleme, die sich logistisch aus einer Überziehung der Bauzeiten/der Sperrzeiten für den Bahnverkehr ergeben, ist dies nachvollziehbar.
1463.
147Der Klägerin steht der im Zusammenhang mit dem Transport von Stoffen und Abfällen von und zu einem Zwischenlager/Abstellbahnhof keine zusätzliche Vergütung zu. Ein Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 2 Abs. 5 VOB/B 2012.
148Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch ist, dass durch eine Anordnung der Beklagten die Grundlagen des Preises für die Vergütung der Baustellenlogistik geändert wurde. Eine solche Anordnung liegt schon deshalb nicht vor, da die Klägerin von Beginn an zu einem schienengebundenen Transport von Stoffen und Abfällen verpflichtet war
149Die Klägerin stützt sich auf eine Mail des Herrn N. vom 31.7.2014 (K13). Darin erklärt die Beklagte, sie habe den Bauentwurf weder geändert, noch eine andere Anordnung getroffen. Sie sei der Auffassung, eindeutig und unmissverständlich schienengebundenen Transport ausgeschrieben und beauftragt zu haben. Sie weise daher die geplante Ausführung (Logistik mit LKW) zurück und fordere die Klägerin auf, der vertraglichen Leistungspflicht (schienengebundenen Logistik) nachzukommen.
150Eine preisändernde Anordnung (oder ein Angebot zur Vertragsänderung) liegt in dieser Erklärung nicht, da die Klägerin ohnehin ganz weitgehend zu einem schienengebundenen Transport der ein- und auszubauenden Materialien verpflichtet war. Ergibt die Auslegung, dass die Leistung, für die eine Mehrvergütung verlangt wird, bereits Gegenstand der ursprünglichen Vereinbarung war, ist der Mehrvergütungsanspruch unbegründet (vgl. BGH, ZfBR 2011, 254, beck-online). Auch das Landgericht hat eine Verpflichtung zum schienengebundenen Transport angenommen und hierauf gestützt die Klageforderung als unbegründet angesehen. Hiergegen wendet sich die Berufung letztlich ohne Erfolg.
151a)
152Welche Leistungen von der Vergütungsabrede in einem Bauvertrag erfasst sind, ist durch Auslegung des Vertrags nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, §§ 133, 157 BGB, zu ermitteln. Dabei sind das gesamte Vertragswerk und dessen Begleitumstände zu Grunde zu legen (vgl. BGH NJW 2008, 2106). Neben dem Wortlaut der Ausschreibung sind die Umstände des Einzelfalls, unter anderem die konkreten Verhältnisse des Bauwerks zu berücksichtigen (BGH NJW 2008, 2106 mwN). Bei einer öffentlichen Ausschreibung kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu. Wie diese zu verstehen ist, hängt vom Empfängerhorizont ab. Maßgeblich ist insoweit bei Ausschreibungen nach VOB/A der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter (vgl. BGH NZBau 2012, 102 mwN; BGH NJW 1999, 2432 )
153Die Auslegung hat zu berücksichtigen, dass der Bieter grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten darf. Deshalb darf der Bieter die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung nach der VOB/A im Zweifelsfall so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen will. Nach diesen Anforderungen ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung in gleichem Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann (vgl. BGH NZBau 2012, 102 Rn. 12-15, beck-online).
154Bei der Auslegung besteht kein grundsätzlicher Vorrang des Leistungsverzeichnisses gegenüber den Vorbemerkungen. In aller Regel enthalten die Vorbemerkungen wesentliche Angaben, die zum Verständnis der Bauaufgabe und zur Preisermittlung erforderlich sind. Diese Angaben sind in Verbindung mit dem Leistungsverzeichnis und auch anderen vertraglichen Unterlagen als sinnvolles Ganzes auszulegen (vgl. BGH NJW 1999, 2432, beck-online).
155Ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung unter Berücksichtigung aller dem Vertrag zu Grunde liegenden Umstände klar und eindeutig, dass ein bestimmtes Leistungsdetail Gegenstand der Preisvereinbarung ist, so bedarf es seiner weiteren Erwähnung im Vertrag grundsätzlich nicht. Denn dann ist die Leistung auch ohne Erwähnung dieses Details eindeutig und erschöpfend beschrieben und dem Auftragnehmer wird durch Weglassen des Details kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet (vgl. BGH ZfBR 2012, 241, beck-online).
156b)
157Unter Anwendung dieser Grundsätze war die Klägerin von Beginn an zu einem schienengebundenen Transport verpflichtet.
158Die mit „interne Baustellenlogistik“ überschriebenen Positionen des Leistungsverzeichnisses (Pos. 10.10, 11.10, 12.10 etc. nachfolgend zusammenfassend auch „XX.10“) sehen einen schienengebundenen Transport von Stoffen und Abfällen vor (hierzu unter aa). Bei einer verständigen Gesamtschau mit den Allgemeinen bautechnischen Angaben (Teil C der Vorbemerkung/Baubeschreibung) ergibt sich, dass der schienengebundene Transport in Bezug auf Stoffe und Abfälle auch für die Wegstrecken vorgesehen war, die die Klägerin als „externe Baustellenlogisitk“ bezeichnet (hierzu unter bb). Nach der Leistungsbeschreibung sollte der schienengebundene Transport von Stoffen und Abfällen zwischen dem Ort erfolgen, an dem die Beklagte die Materialien bereitstellte bzw. der zur Entsorgung vorgesehen war („Übergabeort“) und dem Ort, an dem sie eingebaut wurden („Verwendungsort“). Aus den sonstigen vertraglichen Angaben ergeben sich keine Unklarheiten (hierzu unter cc).
159aa)
160Unter den Positionen XX.10 des Leistungsverzeichnisses ist unter der Überschrift „interne Baustellenlogisitk“ jeweils folgender Text aufgeführt:
161„Baustellenlogistik, Heran- und Abführen von Baumaschinen und Personal, Transport von Abfällen und Stoffen, schienengebundener Transport, zwischen Übergabe-/Güterverkehrsstelle und Verwendungsstelle sowie Gegenrichtung, einschl. Transportmittel (Wagen und Triebfahrzeug mit Betriebsstoffen), und Personal einschl. Rangierbegleiter und Triebfahrzeugführer (Tf), einschl. Telekommunikationsmöglichkeiten für Beteiligte, Gestellen aller Transportmittel, einschl. Fahrpläne und Überwachung des Zuglaufs von Material, Transportmittel und schienengebundenen Maschinen (...)Veranlassen und Überwachen aller schienengebundener Transportmittel und Maschinen."
162Das Leistungsverzeichnis enthält zu den Positionen XX.10.10 die Vorgabe, dass der im obigen Sinne definierte Transport schienengebunden zu erfolgen hatte.
163(1)
164Zunächst enthält das Leistungsverzeichnis ausdrücklich die Formulierung „schienengebundener Transport“. Der schienengebundene Transport stellt dabei nicht nur eine (Wahl)Möglichkeit dar. Die sprachliche Fassung des Leistungsverzeichnisses ist durch die Kommata etwas sperrig. Bei einem verständigen Lesen ergibt sich aber, dass sich die Angaben im Verlauf weiter konkretisieren und die Vorgaben immer näher definiert werden. So erfasst die „Baustellenlogistik“ als Oberbegriff den „Transport von Abfällen und Stoffen“ der dann als „schienengebundener Transport“ konkretisiert wird, wobei zuletzt definiert wird, was hiervon umfasst ist.
165Bestünde bei der Transportart eine Wahlmöglichkeit, ergäbe die Angabe „schienengebundener Transport“ keinen Sinn. Das Wort „Transport“ war bereits in dem Zusammenhang erwähnt, was von der Klägerin zu transportieren ist (Abfälle und Stoffe). Daraus, dass es wiederholt wird, folgt, dass hiermit die Art des Transportes (schienengebunden) festgelegt wird. Es folgt danach dann die Angabe, worauf sich der schienengebundene Transport von der Strecke her bezieht. Wäre kein ausschließlich schienengebundener Transport gewollt gewesen, wäre der entsprechende Einschub überflüssig.
166Die Angabe „schienengebundener Transport“ erklärt sich nicht damit, dass die eigentliche Verwendungsstelle nur per Schiene zu erreichen und damit auch schienengebundener Transport notwendig war. Zum einen folgte die Erreichbarkeit eindeutig schon aus der Vorbemerkung/Baubeschreibung unter B 1.1) und ist bei der Erneuerung von Schienen auch regelmäßig der Fall – wie die insofern erfahrene Klägerin selbst vorbringt. Vor allem wird nicht von „auch schienengebundener Transport“ oder „inklusive schienengebundener Transport“ gesprochen. Eine Differenzierung der Transportmittel je nach Streckenabschnitt ist entgegen der Ansicht der Klägerin in der Leistungsposition nicht angelegt.
167(2)
168Auch aus den weiterhin genannten Details zum Umfang der Transportleistung wird deutlich, dass hier ein schienengebundener Transport vorgeben ist. So werden als Transportmittel „Wagen und Triebfahrzeuge mit Betriebsstoffen“ aufgeführt. Zwar ist der Begriff Wagen nicht besonders spezifisch. Allerdings wird aus der Zusammenschau klar, dass mit „Wagen“ gerade „Schienen-Wagen“ gemeint sind, die gemeinsam mit dem Triebfahrzeug dann für den Transport auf der Schiene zu nutzen sind. Der Text benennt als Transportmittel gerade nicht „Wagen und/oder Triebfahrzeuge“, zumal mit Triebfahrzeugen alleine wenig transportiert werden kann.
169Triebfahrzeuge sind nach allgemeinem Verständnis stets schienengebunden. Bei Wikipedia findet sich zu Triebfahrzeug folgende Erklärung: „Als Triebfahrzeug, abgekürzt Tfz, wird ein angetriebenes Schienenfahrzeug bezeichnet. Unerheblich dabei ist, ob es nur sich selbst oder auch andere Fahrzeuge bewegt.“
170Auch die übrigen zu kalkulierenden Bestandteile wie Rangierbegleiter, Triebfahrzeugfüher, Fahrpläne und Überwachung des Zuglaufs bauen auf einem schienengebundenen Transport auf. Anhaltspunkte dafür, dass – wie die Klägerin meint – wahlweise ein Transport mit LKW möglich sein sollte, finden sich zur LP XX.10 nicht. Auffällig ist insbesondere, dass hierfür nämlich keine besonders einzukalkulierenden Leistungsbestandteile genannt sind.
171Für ein Verständnis von „Wagen“ als (umgangssprachlich) Wagons spricht, dass das Leistungsverzeichnis den Begriff des LKW durchaus kennt. So ist unter den Positionen 10.20.0080 und 10.40.0070 ein Transport mit LKW des AN vorgesehen. Auch an anderer Stelle sind LKW erwähnt. Diese betreffen dann aber einen Transport durch die Beklagte, die z.B. „Kleineisen per LKW“ zum Netzbezirk liefert. Dies korrespondiert mit Teil C. 2, wonach bei LKW-Lieferungen die Lieferorte, Mengen der von der AG bereitzustellenden Stoffe und Termine zur T12 Besprechung verbindlich mitgeteilt werden.
172(3)
173Zwar mögen Vorgaben zur Art und Weise des Transportes nicht die Regel und in bestimmten Fällen bei öffentlicher Auslegung sogar unzulässig sein. Bei einer Auslegung sind aber auch die Begleitumstände zu berücksichtigen. Vorliegend war die Auftraggeberin (im weitesten Sinne) die A.. Hier ist nicht überraschend, dass diese ein Interesse an einem schienengebundenen Transport hat. Es ging zudem um die Erneuerung von Schienen, wobei die eigentlichen Baubereiche nur per Schiene oder zu Fuß erreichbar waren. Auch dies ist bei entsprechenden Baustellen häufig der Fall. Die Materialien müssen also ohnehin zwingend auf die Schiene geladen werden.
174Da die benötigten/ausgebauten Materialien seitens der Beklagten in definierten Lieferwerken bereitgestellt bzw. zurückgenommen wurden, benachteiligte eine Vorgabe des Transportweges auch nicht einzelne Bieter oder bürdete ihnen ein unvorhergesehenes Wagnis auf. Das Material und die Entsorgung wurden gestellt, waren also nicht preisrelevant. Die Liefer- und Entsorgungswerke waren allesamt per Schiene erreichbar. Der zu leistende Transportweg war mithin für alle Bieter gleich. Es liegt gerade nicht die Situation vor, dass Bieter gezwungen wären, Material von bestimmten - nur per Schiene erreichbaren - Anbietern zu kaufen und diese Anbieter höhere Preise durchsetzen könnten.
175bb)
176Bei verständiger Würdigung ist der Vertrag dahingehend zu verstehen, dass der in Positionen XX.10. vorgegebene schienengebundene Transport sich auf die ganze Strecke von dem Lieferwerk oder Entsorgungswerk zum Verwendungsort bezieht. Dies folgt insbesondere aus einer verständigen Gesamtwürdigung der Positionen XX.10.0010 in Verbindung mit Teil C 2 der Vorbemerkung. Der Vertrag kann hingegen nicht dahingehend verstanden werden, dass er nur den Transport von einem Umschlagplatz/Fixpunkt (dem Ende der straßenseitigen Erreichbarkeit) zum Verwendungsort auf der Baustelle meint.
177(1)
178Das Leistungsverzeichnis erfasst in den Positionen XX.10.0010 als schienengebunden den Transport zwischen der „Übergabe-/Güterverkehrsstelle“ und der „Verwendungsstelle“ sowie der Gegenrichtung. Dabei wird jeweils u.a. darauf verwiesen, Angaben zum Ort/Beschreibung der Übergabestelle und der Verwendungsstelle seien den Vorbemerkungen zu entnehmen, ebenso Angaben zur Zufahrts- und Zugangsmöglichkeit zur Baustelle.
179In der Baubeschreibung/Vorbemerkung findet sich im Teil B (Projektbeschreibung, zusätzliche bautechnischen Angaben) hinsichtlich der Materialbeistellung/Vers- und Entsorgung ein Verweis auf Teil C 2. Unter C 2 (Allgemeine bautechnische Angaben; Materialbeistellung und Ver- und Entsorgung der Baustelle) wird aufgeführt, welches Material seitens der Beklagten wo bereitgestellt wird. Ebenfalls wird ausgeführt, wo und wie ausgebaute Altschwellen, Altbettung, Bodenaushub und andere Materialien zur Entsorgung abzuliefern sind. Dabei wird mehrfach erwähnt, dass der Transport in die Baustelle oder zu den Entsorgungswerken Sache des Auftragsnehmers sei. Es werden die Übergabestellen/Lieferwerke und die Übergabestellen/Entsorgungswerke für die einzelnen Materialien festgelegt. Für die Entsorgung von Altbettung/ Boden ist dies bspw. die O.-GmbH & Co.KG in P.-Stadt. Eine Besonderheit besteht für Neuschienen und Weichen. Diese werden von dem Auftraggeber auf Bahnwagen „am Tarifpunkt“ bereit gestellt.
180Durch Teil C 2 wird also die in Pos. XXX.10.0010 genannte „Übergabestelle“ definiert (zumeist Lieferwerk oder Entsorgungswerk). Mit dem Leistungsverzeichnis kohärent ist in C 2 der Transport zwischen diesen Übergabestellen und dem Verwendungsort als Aufgabe („Sache“) des AN dargestellt.
181Demgegenüber finden sich keine Hinweise auf Umschlagsplätze oder Fixpunkte am Ende der straßenseitigen Erreichbarkeit. Unter Teil C 3 (Bereitstellungflächen) finden sich nur allgemeine Ausführungen. Es werden keine Bereitstellungsflächen benannt. Lediglich die Gleise 56 und 57 sind als Montagefläche für die Weiche aufgeführt. Damit ergibt der Wortlaut des LV unter Einbeziehung von Teil C 2 eindeutig, dass mit der „internen Baustellenlogisitk“ im Leistungsverzeichnis der gesamte Transport zwischen dem jeweiligen Liefer- oder Entsorgungswerk und dem Verwendungsort gemeint ist. Gesonderte Regelungen für unterschiedliche Streckenabschnitte finden sich nicht.
182(2)
183Eine Differenzierung oder eine Definition von Umschlagsplätzen folgt auch nicht aus Darstellung der Zufahrtsmöglichkeiten für LW und PKW unter Teil B Ziffer 1.1 der Baubeschreibung/Vorbemerkung. Die Überschrift lautet: „Angaben zu Lage und Umfeld der Baustelle“, die weitere Überschrift: „Zufahrtsmöglichkeiten zur Baustelle“. Entsprechend sind die Zufahrtsmöglichkeiten zur Baustelle erläutert und nicht etwaige Übergabestellen definiert, ab denen der schienengebundene Transport auszuführen gewesen wäre. Ersichtlich wollte die Beklagte mit der Beschreibung ihrer Verpflichtung aus § 7 VOB/A nachkommen, die Lage und Erreichbarkeit der eigentlichen Baustelle transparent zu machen. Nach § 7 VOB/A sind in den Ausschreibungsunterlagen Angaben zur Baustelle, Umgebung, und den Zufahrtsmöglichkeiten zu machen (Ingenstau/Korbion-Schranner VOB Kommentar, 22. Auflage, 2023, § 7 VOB/A Rn. 58). So ist es auch lediglich als Hinweis zu verstehen, dass ab den genannten Punkten ein Transport nur noch über das Gleis möglich ist. Dass und inwieweit auf der Stecke zuvor ein Transport per LKW zulässig ist, darüber besagt dieser Zusatz nichts.
184Eine solche Angabe war im Übrigen auch sinnvoll, da im Einzelfall ein LKW-Transport vorgesehen war (z.B. Position 10.40.0070) und zudem Personen und Gerätschaften an die Baustelle herangeführt werden mussten. Eine wie auch immer geartete Differenzierung hinsichtlich der Transportart für Stoffe und Abfälle abhängig davon, ob eine straßenseitige Erschließung bestand, ist an keiner Stelle angedeutet.
185Im Übrigen wird unter Ziffer 1.6 im Teil B auch darauf verwiesen, dass die Streckenverhältnisse von/zu der Baustelle zum/vom Tarifpunkt sowie Ent- und Versorger zu beachten sind. Zu den zu beachtenden Straßenverhältnissen beispielsweise wird nichts ausgeführt.
186An keiner Stelle des Leistungsverzeichnisses oder der Vorbemerkung wird auf Lagerflächen an den von der Klägerin als Umschlagsplätze definierten Bahnhöfen verwiesen oder darauf, dass solche Flächen von der Klägerin eigenverantwortlich und auf eigene Kosten gesucht und gemietet werden müssten.
187cc)
188Die von der Klägerin weiter hervorgehobenen Textpassagen stehen dem Verständnis nicht entgegen und lassen den Vertragstext auch nicht insgesamt unklar erscheinen. Dabei berücksichtigt der Senat, dass dem Leistungsverzeichnis kein Vorrang gegenüber den Vorbemerkungen zu geben ist, sondern diese gemeinsam gelesen werden müssen.
189(1)
190Die Klägerin bezieht sich insbesondere auf die unter Teil C 2 erfolgte Angaben
191- die für den Transport in die Baustelle erforderlichen Wagen/Förderfahrzeuge hat der AN zu stellen,
192- der Transport in die Baustelle ist Sache des AN.
193Sowie:
194- der Transport von der Baustelle zu den Entsorgerwerken ist Sache des AN
195- und hat mit AN-eigenen Wagen/Förderfahrzeugen zu erfolgen
196Allein aus dem Umstand, dass der Transport „Sache“ = „Aufgabe“ des AN ist, folgt vorliegend nicht, dass es eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Transportweges gibt. Eine solche Wahlmöglichkeit des Transportweges ist nicht in Abweichung zu den Positionen XX 10. angedeutet. Vielmehr kann der Begriff „Sache“ auch ohne Widerspruch zu dem übrigen Leistungsverzeichnis dahingehend ausgelegt werden, dass der Transport auf der Schiene von der Klägerin zu organisieren und zu leisten ist. Weiter ergibt sich zunächst einmal, dass die Mittel des Transportes (ganz weitgehend) von der Klägerin beizustellen sind. Lediglich Neuschienen und Weichen werden auf Bahnwagen der Beklagten bereitgestellt.
197Dabei begründet auch die Verwendung der Begriffe „Wagen/Förderfahrzeuge“ keine Uneindeutigkeit dahingehend, dass ein schienengebundener Transport beauftragt wurde. Nach dem Leistungsverzeichnis ist „Wagen“ bereits ein Teil eines schienengebundenen Transportmittels. Zudem ist ein Wagen keineswegs nur straßengebunden. Selbst wenn „Wagen“ ein Oberbegriff wäre, ergäbe seine Verwendung angesichts des an anderer Stelle ausdrücklich vorgesehenen Schienentransportes hier keine Unklarheit. Ein Förderfahrzeug ist, anders als ein Triebfahrzeug, möglicherweise nicht allgemein definiert. Hierunter sind nach dem Vertrag aber (zumindest auch) Fahrzeuge zu verstehen, die auf Schienen fahren können. So sieht das Leistunsverzeichnis bei Strecken, für die eindeutig nur ein Schienentransport möglich ist – unmittelbarer Baustellenbereich – zum Teil vor, dass der Transport mit „Förderfahrzeugen“ erfolgt. Auch die Klägerin meint, dass der Begriff Förderfahrzeug schienengebundene Fahrzeuge einschließt.
198Zudem sieht die von der Klägerin angeführte Passage (S.18 Vorbemerkung) gerade vor, dass der Auftragnehmer während des gesamten Be-/Entladevorgangs in dem Werk eine Az-Lok für Rangierarbeiten einzukalkulieren hat. Wofür soll eine Rangier-Lok bei einem Straßentransport notwendig sein?
199(2)
200Betrachtet man dann die etwas detailliertere Beschreibung, wo welche Materialien angeliefert/abgeholt werden, so setzen auch diese eine schienengebundene Lieferung voraus. So heißt es hinsichtlich der abzuholenden Materialien (S. 19 Baubeschreibung oben) nicht nur, dass der Transport zwischen Übergabestelle und Baustelle von dem Auftragnehmer durchgeführt wird. Vielmehr wird hier explizit aufgeführt „Übergabestelle (Lieferwerk), Logistikgleisen / evtl. vom AN angemieteten Abstellgleisen und Baustelle“. Dasselbe gilt für den Abtransport.
201(3)
202Aus dem Umstand, dass die Klägerin ein „evtl. Umladen zwischen verschiedenen Arten von Förderfahrzeugen“ einzukalkulieren hat, entsteht ebenfalls keine Unklarheit. Ein Umladen kann aus verschiedenen Gründen notwendig oder sinnvoll sein, auch bei schienengebundenem Transport. So benennt die Klägerin auch keine Stelle, aus der ein Umladen auf ein anderes Transportsystem folgt. Im Übrigen ist in den einzelnen Leistungspositionen, die einen Transport benennen, kein (zwingendes) Umladen aufgeführt, so z.B. 11.40.0050/11.41.0010/1.44.0010 „Material in P.-Stadt bei O. auf Förderfahrzeuge des AN laden und zur Einbaustelle transportieren“.
203Soweit die Klägerin Beweis durch den Zeugen Q. und einen Sachverständigen dafür angeboten hat, dass ein Umladen bei einem einheitlichen Transportsystem nicht erforderlich gewesen wäre, war dem nicht nachzukommen. Die Aussage kann unterstellt werden, ohne dass es das Auslegungsergebnis ändert. Denn auch wenn ein Umladen nicht erforderlich (also nicht zwingend) ist, ist nicht ausgeschlossen, dass ein Anbieter ein Umladen für sinnvoll hält oder es aufgrund von zunächst nicht erkennbaren Unwägbarkeiten im Einzelfall notwendig wird. Hier ist auch zu sehen, dass bei den Positionen im Leistungsverzeichnis, die z.B. ein An- und Abfahren zum O.- P.-Stadt mit Förderfahrzeugen vorsehen, auch kein Umladen aufgeführt ist. Soweit die Klägerin weiterhin unter Beweis stellt, der Vorbehalt hätte bei einheitlichem Transportsystem keinen Sinn ergeben, handelt es sich um eine (rechtliche) Beurteilung und keine Tatsachenfrage.
204(4)
205Eine Unklarheit folgt nicht daraus, dass in Teil C 2 auf die Steckbriefe der Ver-/Entsorgungswerke verwiesen wird. So heißt es:
206„Der Ausschreibung liegen die Steckbriefe der vorgesehenen Ver-/Entsorgungswerke als Anlage bei. Die in den Steckbriefen angegebenen Randbedingungen (u.a. Öffnungszeiten, nutzbare Wagenarten, Leistungsdaten) sind in der Kalkulation zu berücksichtigen.“
207Mit der Beilage der Steckbriefe kam die Beklagte ersichtlich ihrer Verpflichtung aus § 7 VOB/A nach. Steckbriefe sind schon nach dem allgemeinen Wortverständnis allgemein gehaltene Angaben für eine Vielzahl von Fällen. Sie dienen einer allgemeinen Beschreibung und nicht einer Leistungsbestimmung. Es ist üblich, dass nicht alle Angaben in einer solchen allgemeinen Beschreibung für den Bieter im Einzelfall relevant sind. Nur daraus, dass ein Lieferwerk per LKW erreicht werden kann, folgt nicht, dass diese Andienung Teil der geschuldeten Leistung ist. Überdies wird auch bei den relevanten Randbedingungen explizit auf die „nutzbaren Wagenarten“ hingewiesen.
2084.
209Soweit die Klägerin noch einen Anspruch auf Werklohn hat, hat sie auch Anspruch auf Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 2 BGB a.F. iVm §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Mit Schreiben vom 12.5.2016 hat die Beklagte erklärt, keine Zahlungen auf die Schlussrechnung zu leisten. Damit liegt ein Fall der Selbstmahnung vor.
210III.
211Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO (erste Instanz) und aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (zweite Instanz). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Es bestanden keine Gründe, nach denen die Revision zuzulassen wäre.
212Streitwert 2. Instanz: 2.690.308 €
213… … …