Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.6.2023 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf in der durch den Berichtigungsbeschluss vom 17.7.2023 gefundenen Fassung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 218.701,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.1.2020 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nicht auf das Verfahren anrechenbare Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsvertretung in Höhe von 1.466,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basis Zinssatz seit dem 20.1.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin zu 92 % und die Beklagte zu 8 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt jeweils vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
GRÜNDE
2I.
3Die Klägerin macht Architektenhonorar und hilfsweise Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung geltend.
4Die Beklagte plante die Errichtung eines Bürogebäudes als neue Firmenzentrale in A.-Stadt (auch als: „B.“ bezeichnet) auf dem Grundstück C.-Straße 0 in A.-Stadt. Hierzu führte sie als Ausloberin im Herbst 2018 einen Realisierungswettbewerb durch. Der zu bebauende Bereich des damals noch anderweitig bebauten und im Eigentum Dritter stehenden Grundstücks grenzt im Westen an das C.-Straße am D. Umgebend befinden sich denkmalgeschützte Bauten, wie der E. und das F.
5Zu dem Architektenwettbewerb waren zehn deutsche Architekturbüros eingeladen. Im Hinblick auf den Zuschlag und die weitere Bearbeitung heißt es in Teil A der Auslobung (Wettbewerbsbedingungen) unter Ziffer 16:
6„Der Auslober verpflichtet sich, sobald und soweit das Vorhaben zur Realisierung kommt, unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Preisgerichts, eine/n oder mehrere der Preisträger/-innen mit weiteren planerischen Leistungen zu beauftragen.
7Der Umfang der weiteren Beauftragung umfasst die Leistungen für Gebäude gem. HOAI 2013 § 34 mindestens bis zur abgeschlossenen Leistungsphase 5.“
8Zur Vergütung der weiteren Beauftragung regelt Ziffer 17:
9„Im Rahmen des Wettbewerbs bereits erbrachte Leistungen werden bis zur Höhe des Honorars nicht erneut vergütet, wenn der Wettbewerbsbeitrag in seinen wesentlichen Teilen unverändert der weiteren Bearbeitung zugrunde gelegt wird.“
10In den Wettbewerbsunterlagen waren abstrakte Vorgaben für das Erscheinungsbild des Neubaus enthalten, die insbesondere im Zusammenhang mit der vorhandenen, Bebauung und den städtebaulichen Strukturen standen.
11Die Klägerin und das Architektenbüro G. reichten fristgerecht zum 02.10.2018 ihre Wettbewerbsbeiträge ein. In einer ersten Sitzung am 29.10.2018 entschied das Preisgericht, dass nur noch drei Entwürfe im Wettbewerb verbleiben sollten, die gemäß den Vorgaben des Preisgerichts jeweils überarbeitet werden sollten. Auch die drei überarbeiteten Entwürfe vermochten das Preisgericht in der zweiten Sitzung vom 17.12.2018 nicht zu überzeugen. Einstimmig wurde festgestellt, dass sämtliche Überarbeitungen die jeweiligen Wettbewerbsbeiträge „nicht weitergebracht haben“ und ein 1. Preis nicht vergeben werde. Die Klägerin erhielt auf Basis ihres ersten Entwurfes den 2. Preis, das Architekturbüro G. den 3. Preis. Von den ausgelobten Preisgeldern wurde der Klägerin ein Betrag von 75.000,- € zugesprochen, das Architektenbüro G. erhielt ebenso wie ein weiterer Drittplatzierter 50.000,- €. Ferner wurden der Klägerin wie auch dem Architektenbüro G. für den zusätzlichen Aufwand zur Umsetzung der Überarbeitungsvorgaben jeweils weitere 5.000,- € zur Verfügung gestellt.
12Das Preisgericht empfahl der Beklagten im Hinblick auf den Entwurf der Klägerin, „mit dem Entwurfsverfasser über einen entsprechenden Architektenauftrag zu verhandeln und mit dem Entwurfsverfasser und der A.-Stadt den Entwurf gemäß den (im Sitzungsprotokoll im Einzelnen aufgelisteten) Empfehlungen weiterzuentwickeln“. Dabei ging es dem Preisgericht in erster Linie um die äußere Wirkung bzw. die äußere Gestaltung des Objektes.
13Am 18.12.2018 kam es zu einem von den Parteien als „Kick-Off“ oder „Auftaktgespräch‘“ bezeichneten Termin, an dem jedenfalls der Zeuge H. und der Geschäftsführer der Beklagten J. teilnahmen. Der genaue Ablauf des Gespräches ist streitig. Nachfolgend kam es bis Mitte März 2019 zu zahlreichen Besprechungen zwischen der Klägerin und der Beklagten über die weitere Planung. Anlässlich dieser Besprechungen wurden der Beklagten weitere Planungen vorgelegt, die u.a. die Fassade, die Innenraum- und Grundriss-Planung und den Zeitplan bis zum Bauantrag für die weiteren Architektenleistungen und die Sonderfachleute betrafen.
14Mitte März 2019 kam es zum Bruch zwischen den Parteien. Mit E-Mail ihres Geschäftsführers K. vom 18.03.2019 bat die Beklagte die Klägerin um einen Vorschlag, wie sie auseinandergehen könnten. Zudem wurde die Klägerin aufgefordert, keinen weiteren Aufwand mehr in das Projekt zu stecken oder dies mit dem Geschäftsführer der Beklagten abzustimmen.
15Die Beklagte beauftragte zu das Architektenbüro G. mit den weiteren Planungsarbeiten für das Bauvorhaben. Zu den Planungen der Klägerin im Wettbewerb und später sowie den Planungen von G. wird auf die Anlage zum Gutachten K 16 und auf das Anlagenkonvolut K 17 Bezug genommen.
16Die Klägerin stellte der Beklagten unter dem 09.04.2019 für erbrachte Architekturleistungen 201.630,71 € in Rechnung. Nach zwischenzeitlich gescheiterten Vergleichsverhandlungen übersandte die Klägerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten unter dem 06.12.2019 eine Rechnung über 218.701,14 € brutto.
17Mit der Klage fordert die Klägerin zudem, unter Hinweis auf die ihrer Ansicht nach mit E-Mail vom 18.03.2019 erfolgte freie Kündigung, Vergütung in Höhe von 1.351.587,10 € für nicht erbrachte Architektenleistungen bis zur Leistungsphase 5. Diese Forderung ist Gegenstand einer weiteren Rechnung vom 2.12.2019.
18Hilfsweise macht die Klägerin Schadenersatz wegen behaupteter Urheberrechtsverletzung aufgrund der Übernahme ihrer Planungsleistungen in Höhe von 1.124.959,38 € geltend.
19Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
20Mit dem am 23.6.2023 verkündeten Urteil hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, vertragliche Vergütungsansprüche schieden aus, da die Parteien in der Zeit ab dem 17.12.2018 keinen Architektenvertrag geschlossen hätten. Die Klägerin habe das Zustandekommen eines Vertrages durch konkludentes Verhalten nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die Klägerin behaupte nicht, dass die Parteien im Rahmen der von der Klägerin angeführten 13 Besprechungen in der Zeit von Ende Dezember 2018 bis Mitte März 2019 oder auch bei einer anderen Gelegenheit über den Abschluss eines Architektenvertrages gesprochen oder einzelne Vertragsbestandteile verhandelt hätten. Sie berufe sich insofern allein auf einen konkludenten Vertragsschluss. Ein konkludenter Vertragsschluss lasse sich nicht feststellen.
21Dafür, dass die Parteien durch eindeutiges konkludentes Handeln einen Architektenvertrag geschlossen hätten, lägen auch in der Gesamtschau keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vor. Der Umstand allein, dass die Klägerin nach dem vermeintlichen endgültigen Abschluss des Architektenwettbewerbs weiterhin Planungsleistungen erbracht habe, lasse keinen gesicherten Rückschluss dahingehend zu, dass dies in Erfüllung eines konkludent geschlossenen Architektenvertrags erfolgt sei. Insbesondere im Vorfeld des Abschlusses von Architektenverträgen sei es nicht ungewöhnlich, dass Architekten zum Zwecke der Akquise zunächst unentgeltlich tätig seien, um eine Planungsgrundlage zur Ermittlung der Planungsziele zu schaffen. Es entspreche üblichen Gepflogenheiten, dass Architekten zur Akquisition von Aufträgen Teilleistungen unentgeltlich erbächten, um anschließend den Auftrag zu erhalten.
22Soweit die Beklagte umgekehrt bis Mitte März 2019 unstreitig weitere Planungsleistungen entgegengenommen habe, komme auch diesem tatsächlichen Verhalten nicht der für den konkludenten Vertragsschluss erforderliche, hinreichend eindeutige Erklärungswert zu.
23Zudem sprächen die äußeren Umstände, wie die Einbettung des hier streitgegenständlichen Geschehens in die Endphase des Architektenwettbewerbs, gegen die Annahme eines entsprechenden Rechtsbindungswillens.
24Soweit das Preisgericht der Beklagten empfohlen habe, mit der Klägerin als Entwurfsverfasserin über einen entsprechenden Architektenauftrag zu verhandeln und mit ihr und der A.-Stadt den Entwurf unter Berücksichtigung der im Sitzungsprotokoll im Einzelnen aufgelisteten Empfehlungen weiterzuentwickeln, rechtfertige dies im Verhältnis zwischen den Parteien weder die Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses noch handele es sich um ein (gewichtiges) Indiz hierfür. Das tatsächliche Verhalten der Parteien und die etwaige Verpflichtung zum Abschluss eines Architektenvertrages seien zu unterscheiden. Das Preisgericht selbst erkläre nicht im Namen des Auslobers den Abschluss des Architektenvertrages, sondern es spreche lediglich Empfehlungen aus, die rechtlich bindend sein könnten.
25Zwar sei der Auslobende im Bereich vergaberechtlicher Realisierungswettbewerbe im Anwendungsbereich des § 661 BGB unter Berücksichtigung der Ziffer 16 der Wettbewerbsbedingungen und der Wertung des hier subsidiär geltenden § 8 Abs. 2 RPW 2013 grundsätzlich dazu verpflichtet, einen der Preisträger, in der Regel den Gewinner, auch mit den weiteren Planungsleistungen zu beauftragen, wenn das Bauwerk tatsächlich errichtet werde. Diese Klausel sei dahingehend auszulegen, dass sie nur für den Regelfall gelten solle. Nach der Rechtsprechung bestehe die Verpflichtung zur Auftragsvergabe zum einen dann nicht, wenn wichtige Gründe gegen die Beauftragung eines Preisträgers sprächen. Zum anderen setze die Verpflichtung zur Beauftragung eines Preisträgers eine verbindliche Entscheidung des Preisgerichts voraus. Nur eine solche sei geeignet, bei den Preisträgern schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich einer späteren Beauftragung mit weiteren Architektenleistungen zu begründen.
26Eine solche endgültig verbindliche Entscheidung des Preisgerichts liege hier nicht vor, weil die an die Beklagte gerichtete Empfehlung zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit der Klägerin untrennbar mit der Auflage zur Durchführung weiterer Planungsarbeiten verbunden gewesen sei. Das Preisgericht habe zwar Preisgelder vergeben, aber keinen Gewinner (1. Platz) gekürt. Es liege schon deshalb kein Regelfall vor. Die von der Klägerin vertretene einschränkende Auslegung, wonach nur dem bestplatzierten Teilnehmer des Architektenwettbewerbs die Auftragserteilung zustehe, finde weder in den hier maßgeblichen Wettbewerbsbedingungen noch in der Rechtsprechung eine Stütze.
27Selbst wenn man die Entscheidung des Preisgerichts vom 17.12.2018 dahingehend verstehen würde, dass mit der Empfehlung zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen gleichzeitig die Empfehlung zum Abschluss eines Architektenvertrags verbunden gewesen sei, so lägen jedenfalls unüberwindbare Widersprüche in der Entscheidung des Preisgerichts vor, die einer Bindungswirkung entgegenständen.
28Für den Architektenwettbewerb sei anerkannt gewesen, dass die Teilnehmer – abgesehen von dem Preisgeld und der weiteren Entschädigungspauschale von 5.000 € – keine Vergütung erhalten sollten. Die Klägerin habe nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass ein maßgeblicher Anteil der Planungsarbeiten, den sie vom 17.12.2018 bis Mitte März erbracht habe, nicht von der Auflage des Preisgerichts zur Weiterentwicklung ihres Wettbewerbsbeitrags umfasst gewesen sei bzw. damit nicht unmittelbar im Zusammenhang gestanden habe. Ferner sei die Planung der Beklagten in der Zeit von Ende Dezember 2018 bis Mitte März 2019 auch noch nicht so weit fortgeschritten gewesen, dass redlicher Weise auch aus Sicht des Auftraggebers nicht mehr nur von einer nur unentgeltlichen (Akquise-)Tätigkeit habe ausgegangen werden können. Dass die in Rede stehenden Planungsarbeiten die Leistungsphase 3 betroffen hätten, habe die Klägerin auch nicht vorgetragen. Vielmehr habe sie schriftsätzlich vorgetragen, dass die hier streitgegenständlichen weiteren Planungsarbeiten lediglich Teilleistungen aus dem Bereich Grundlagenermittlung und Objektplanung nach den Leistungsphasen 1 und 2 des § 34 HOAI gewesen seien.
29Mangels Architektenvertrags habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die nicht erbrachten Architektenleistungen gemäß § 648 BGB in Höhe von 1.351.587,10 €. Darauf, ob in der E-Mail des Geschäftsführers eine freie Kündigung im Sinne dieser Vorschrift zu sehen sei, komme es folglich nicht mehr an.
30Es bestehe auch kein Schadensersatzanspruch wegen einer Urheberrechtsverletzung. Zwar sei das Bauwerk, nach dem von der Klägerin in ihrem Wettbewerbsbeitrag präsentierten Gesamtkonzept, in seiner Gesamtheit urheberrechtsschutzfähig. Die nach dem Gesamteindruck für die Annahme der Urheberrechtsfähigkeit maßgeblichen gestalterischen Elemente seien indessen nicht übernommen worden. Bei der Beurteilung des hier maßgeblichen Gesamteindrucks sei nicht auf einzelne Pläne oder Grundrisse, sondern auf die in dem Entwurf zum Ausdruck kommende Gesamtgestaltung abzustellen. Dabei sei der auf Urheberrechtsstreitigkeiten spezialisierten Kammer auf Grundlage der von den Parteien eingereichten Unterlagen eine Entscheidung auch ohne Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen möglich.
31Demnach weise das dem Entwurf zu entnehmende Bauwerk mit seiner futuristischen, transparenten Gestaltung des Dachs, das in den Randbereichen aus unterschiedlich geformten und ausgerichteten Dreiecksflächen bestehe, der transparenten, nur leicht strukturierten Glasfassade sowie dem lichtdurchfluteten Atrium mit dem gläsernen Fahrstuhl und den seitlich hierzu angeordneten Büroräumen eine schöpferische Individualität und eine künstlerische Qualität auf, die aus dem alltäglichen Bauschaffen herausrage. Der Gesamteindruck, der in der von der Beklagten in Auftrag gegebenen Planung von G. zum Ausdruck komme, weiche aber maßgeblich von diesem Gesamteindruck ab. Gerade die den Gesamteindruck des Entwurfs der Klägerin prägenden Gestaltungsmerkmale, wie die besonders charakteristische Dachform mit den unterschiedlich geformten Dreiecksflächen, die in verschiedenste Richtungen ausgerichtet seien, und die schlichte gläserne Fassadengestaltung, seien nicht übernommen worden. Während die Glasfassade nach dem klägerischen Entwurf transparent wie eine "gläserne Gebäudehülle" wirke, werde die Glasfassade nach der neueren Planung von G. von durchgängig gerade verlaufenden Linien bestimmt, so dass sich eine deutliche Strukturierung ergebe, die aufgrund des geringen Abstandes der Strukturelemente engmaschig wirke. Die Idee der unregelmäßig angeordneten transparenten Dreiecksflächen, die dem Dach insgesamt die Anmutung eines Kristalls oder eines Diamanten gebe, werde nicht aufgenommen. Stattdessen sehe die neuere Planung von G. ein gleichförmiges umlaufendes Walmdach vor, das sich erkennbar an der Dachform des benachbarten E.s und dessen Walmdach anlehne.
32Soweit sich die Klägerin zur Begründung einer Urheberrechtsverletzung auf die Übernahme einzelner ausgewählter Gestaltungsmerkmale berufe, führten die von ihr angeführten Gestaltungsmerkmale weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit zur Urheberrechtsschutzfähigkeit, so dass insoweit von vornherein eine Urheberrechtverletzung durch die Beklagte ausscheide. Die Trennung der Baukörper/Gebäudeteile basiere auf naheliegenden funktionellen Erwägungen. Es liege auf der Hand, diese Nutzungen in drei unterschiedlichen Gebäudeteilen unterzubringen, um die Nutzungsarten so voneinander zu entkoppeln. Die Ausrichtung der Lichtachse in Ost-West-Richtung liege nahe, weil dies für den Lichteinfall günstiger sei. Entsprechende Atrien seien zudem kein ungewöhnliches architektonisches Gestaltungsmittel, sondern kämen bei der Gestaltung von modernen Bürogebäuden gerade in jüngster Zeit häufig zum Einsatz. Gleiches gelte für das weitere von der Klägerin angeführte Gestaltungsmerkmal der Übergangsbrücken.
33Gegen das Urteil richtet sich die Klägerin mit der Berufung, in der sie wie folgt vorträgt:
34Sie habe einen Anspruch aufgrund eines konkludent geschlossenen Architektenvertrages. Das Vorliegen eines solchen Vertrags ergebe sich ohne weiteres daraus, dass die Beklagte sie, als bestplatzierte Preisträgerin, nach Beendigung des Realisierungswettbewerbs kontaktiert und mit weiteren, umfangreichen planerischen Leistungen beauftragt habe.
35Hiermit sei die Beklagte der aus Ziffer 16 der Wettbewerbsbedingungen folgenden Verpflichtung zur Beauftragung eines oder mehrerer Preisträger nachgekommen. Die Verpflichtung habe sich infolge einer verbindlichen Empfehlung des Preisgerichts und anschließender Kontaktaufnahme durch die Beklagte auf sie konkretisiert. Dies berücksichtige das Landgericht ebenso wenig, wie die vorliegend gegebenen Begleitumstände.
36Für ein Entfallen einer in der Ziffer 16 explizit vorgesehenen Beauftragungspflicht hätte es eines wichtigen nachträglichen Grundes bedurft, für den aber nichts ersichtlich sei. Insbesondere habe sie nicht nur die Anforderungen aus den Wettbewerbsauslobungen grundsätzlich erfüllt, sondern sie sei auch sämtlichen nach Wettbewerbsende von der Beklagten geforderten Änderungswünschen stets fristgerecht und vollumfänglich nachgekommen. Es habe nicht an einer „verbindlichen Entscheidung des Preisgerichts“ gefehlt. Eine zwingende Auflage lasse sich den Empfehlungen des Preisgerichts nicht entnehmen. Vielmehr ergebe sich nur eine „Empfehlung“ einer Weiterentwicklung.
37Ihre Leistungen seien nicht in der Zielfindungsphase erfolgt. Die wesentlichen Ziele seien schon vor der Durchführung des Wettbewerbes durch die Fachplaner der L. festgelegt worden. Die vorherige Bestimmung der Planungsgrundlage sei als Voraussetzung für die Erstellung der Auslobungsunterlagen (hier Teil C „Definition der Aufgabe“) und damit für die Durchführung des Realisierungswettbewerbs zwingend erforderlich gewesen.
38In der Zeit vom 18.12.2018 bis zum 18.03.2019 habe sie auf Anforderung der Beklagten umfangreiche Planungsarbeiten erbracht, die von der Beklagten entgegengenommen und verwertet worden seien. Sie habe Leistungen der LP 1-3 erbracht. Die Leistungen seien auf Anforderung der Beklagten erfolgt und über die Empfehlungen des Preisgerichts hinausgegangen.
39Aufgrund der gegebenen Begleitumstände sei für beide Parteien offensichtlich gewesen, dass es sich bei ihren Leistungen nicht mehr nur um unentgeltliche Akquisetätigkeiten, sondern um vergütungspflichtige Leistungen aufgrund eines konkludent geschlossenen Vertrags gehandelt habe.
40Sie, die Klägerin, sei zu Ankaufsgesprächen mit der Stadt hinzugezogen worden. Zudem seien ihre Wettbewerbsentwürfe für die Umsetzung des Bauprojekts genutzt worden. Das Büro G. habe seien eigenen Wettbewerbsentwurf aufgegeben und das klägerische Konzept umgesetzt. Dementsprechend dienten ihre Planungen als Grundlage des von G. eingereichten Bauantrags und würden realisiert. Bei einer Verwertung von Architektenleistungen sei stets und automatisch von einer konkludenten Annahme auszugehen, ohne dass es weiterer Begleitumstände bedürfe.
41Sie habe schon aufgrund des ersten Gespräches – unmittelbar nach dem Wettbewerb – von einer Beauftragung ausgehen dürfen. Schon damals sei die Überarbeitung der Fassade und der Grundrisse gefordert worden.
42Es sei üblich, Preisträger bis zur LP 5 zu beauftragen. Aus den Auslobungsunterlagen des Realisierungswettbewerbs (und den RPW 2013) folge eine zu ihren Gunsten eingreifende verbindliche Beauftragungspflicht bis zur LP 5. Für eine Beauftragung bis zur Leistungsphase 5 spreche der aus steuerlichen Gründen bestehende Zeitdruck der Beklagten in Bezug auf die Bauausführung. Der Zeitplan wäre bei einem Wechsel des Planungsbüros schlicht nicht realisierbar gewesen. Die Beklagte habe kontinuierlich gedrängt, die Bauanträge so früh wie möglich einzureichen. Selbstverständlich habe sie dies als verbindliche Beauftragung zur Genehmigungsplanung verstanden.
43Sie habe Leistungen der LP 3 erbracht. Es sei die Tiefgaragen-Einfahrt verlegt und die Tiefgarage neu strukturiert worden. Die Erschließungskerne seien reduziert worden. Die Grundrisse des Wohnhauses seien überarbeitet worden. Bereits aus Art und Umfang dieser Änderungsanforderungen der Beklagten ergebe sich, dass die hierfür zu erbringenden Leistungen teilweise über die Leistungsphase 2 hätten hinausgehen müssen. So seien die statischen Konzepte mit einem Tragwerksplaner entwickelt und mit einem TGA-Planer besprochen und die Ergebnisse in ihre Planung einbezogen worden. Sie habe schon erstinstanzlich angeboten, sämtliche Planungsunterlagen vorzulegen. Sie habe auch Wirtschaftlichkeitsberechnungen angestellt, die der LP 3 zuzuordnen seien.
44Der Beklagten sei ihr Honorarrahmen aufgrund der Auslobungsunterlagen bekannt gewesen. Es zähle zur üblichen Praxis, bei Großverfahren nicht auf frühen Honorarverhandlungen zu bestehen.
45Eine Tafelfortschreibung sei möglich und inzwischen allgemein üblich. Entsprechende Fortschreibungen würden veröffentlicht. Üblicherweise genutzt werde die RiFT-Tabelle. Diese bestätige ihren Honoraransatz. Letztlich bestätige sich dieses Ergebnis durch zwischenzeitlich 68 außerhalb der Honorartabellen liegende Bauvorhaben, die vom Büro der Klägervertreterin anwaltlich betreut worden seien und bei denen ebenfalls die RifT-Tafelfortschreibungen zugrunde gelegt worden seien.
46Darüber hinaus sei der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen Urheberverletzung aus § 97 Abs. 2 UrhG begründet. Rechtsfehlerhaft komme das Erstgericht zu dem Ergebnis, eine Urheberrechtsverletzung liege nicht vor. Wie sich an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum D.auhafen Köln/Kranhäuser zeige, gelte Urheberschutz auch für Entwürfe eines städtebaulichen Konzepts. Hiermit habe sich das Landgericht nicht befasst. Der Urheber erhalte nicht nur Schutz gegen Eingriffe in das vollständige Werk, sondern auch gegen Eingriffe in Werkfragmente, die bei einer isolierten Betrachtung den notwendigen Grad an Individualität aufwiesen. Wer geschützte Werkteile entlehne, greife in das fremde Urheberrecht ein. Sie mache nicht nur eine Verletzung ihres Wettbewerbsentwurfs in seiner Gesamtheit, sondern auch die Verletzung der konkret benannten Werke und Werkteile geltend:
47- Städtebau
48- Gebäudeensemble
49- Wohnhaus
50- Seniorenwohnen
51- Bürohaus Fassade
52- Bürohaus M. (Erdgeschoss)
53- Grundriss Bürohaus (einschließlich Atrium)
54Das Erstgericht hätte daher auch diese Werkteile, insbesondere aber das städtebauliche Konzept im Hinblick auf das Vorliegen einer Werkqualität prüfen müssen.
55Auch mit dem Gutachten habe sich das Landgericht nicht befasst. So ergebe sich aus den dortigen Ausführungen, dass das von ihr erarbeitete städtebauliche Konzept der besonderen Identität des Ortes in hohem Maß und auf außergewöhnliche Weise Rechnung trage.
56Ihr Konzept erlange auch durch die vorgenommene Trennung und Anordnung der einzelnen Häuser eine besondere individuelle Prägung. Indem das Erstgericht hier jedoch nur isoliert einzelne Gestaltungselemente betrachtet habe, übersehe es die sich aus der Umsetzung der obigen Kriterien ergebende Individualität des städtebaulichen Konzepts. Die prägenden Merkmale des Atriums lägen nicht in einem „gläsernen Fahrstuhl“, sondern in der Positionierung des Atriums und der hierdurch geschaffenen Blickbeziehung, ferner in der Mehrgeschossigkeit und der hiermit verbundenen Bildung eines speziellen, durch die Übergangsbrücken zergliederten Luftraums. Diese prägenden Elemente des Atriums lasse das Erstgericht völlig unberücksichtigt.
57Im Übrigen enthalte die Anlage K 17 auch die von ihr für die Beklagte erarbeiteten Planvarianten. Auch auf die Übernahme der sich aus diesen Planvarianten ergebenden Gestaltungsmerkmale stütze sie sich. Die Planvarianten lasse das Erstgericht völlig unberücksichtigt. Dabei zeige sich zum Teil gerade hier, dass das Büro G. ihre Planungen 1:1 übernommen habe. Die in der Planvariante enthaltene Grundstruktur des Baukörpers, die Dachkonstruktion (Walmdach) und die Fassadengestaltung (hier das Merkmal einer auch den Dachbereich überziehenden, gläsernen Gebäudehülle) seien vollständig übernommen worden.
58Eine Übertragung der Nutzungsrechte folge nicht aus den Auslobungsunterlagen des Wettbewerbsverfahrens. Vielmehr sehe Ziffer 19 der Auslobungsunterlagen eine Verwertung von Wettbewerbsentwürfen eines Teilnehmers durch einen Dritten explizit nur gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung vor.
59Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vom 5.12.2024 eingeräumten Schriftsatzfrist zu der Einschätzung des Senates zu den Fragen des Urheberrechts hat die Klägerin fristgemäß wie folgt vorgetragen: Der Senat habe offensichtlich nur ihren Wettbewerbsentwurf mit dem Entwurf von G. verglichen und darauf abgestellt, es liege ein unterschiedlicher Gesamteindruck vor. Bereits ausgehend von der Entwurfsfassung ließen sich die Feststellungen des Gerichts nicht bestätigen. Es treffe nicht zu, dass die von ihr erarbeitete Transparenz und Leichtigkeit des Bürogebäudes nicht von G. übernommen worden sei. Deutlicher werde dies, indem man die Veränderungen der G.-Entwürfe im Zeitablauf berücksichtige. Aus der Ansicht Bl. 291 GA OLG (entspricht Anlage 19, rechte Seite der Anlage K17, Anm. d. Senats). lasse sich ersehen, dass der G.-Entwurf ebenfalls eine gläserne Gebäudehülle aufweise, die ebenfalls den Dachbereich mit einbeziehe bzw. überspanne und sogar eine komplette Durchsicht erlaube.
60Es treffe nicht zu, dass beim Entwurf von G. Dach und Fassade nicht ineinander übergingen. Es seien gerade die Gestaltungsmerkmale übernommen worden, die zu einer Transparenz und Leichtigkeit führten. Auch ihr Wettbewerbsentwurf habe grundsätzlich eine Gestaltung in Form eines Walmdachs vorgesehen. Die von G. übernommenen Merkmale führten auch zu einem vergleichbaren Gesamteindruck.
61Sie mache auch die Verletzung ihrer weiteren Planungsvarianten geltend. Auch diese unterlägen dem urheberrechtlichen Schutz. Dabei sei auch ihr städtebauliches Konzept geschützt. Es sei ein Spielraum für eigenschöpferische Gestaltungen gegeben gewesen. Im Rahmen des Realisierungswettbewerbs seien lediglich die Nutzungen als solche als funktionale Anforderungen vorgegeben gewesen. Eine Vorgabe, wie diese anzuordnen seien, habe es nicht gegeben. Ihr Entwurf sei der einzige gewesen, der eine Aufteilung der Nutzungen auf drei vollständig separierte Gebäude vorgesehen habe.
62Die Klägerin beantragt,
63unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf
641.
65die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.570.288,24 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2020 zu zahlen;
662.
67hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.124.959,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung des Nutzungsrechts an der Planung der Klägerin bzgl. des Bauvorhabens B. in A.-Stadt;
683.
69die Beklagte zu verurteilen, an sie nicht auf das Verfahren anrechenbare Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsvertretung in Höhe von 9.317,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen;
70Die Beklagte beantragt,
71die Berufung zurückzuweisen.
72Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Die Klägerin habe erstinstanzlich nicht einmal vorgetragen, das Verhalten der Beklagten tatsächlich im Sinne einer verbindlichen Beauftragung verstanden zu haben. Soweit die Klägerin nun erstmals mit der Berufungsbegründung hierzu vortrage, bestreite sie dies mit Nichtwissen. Es handele sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Berufungsinstanz nicht berücksichtigungsfähig sei.
73Aufgrund der unbefriedigenden Wettbewerbsbeiträge sei kein erster Platz vergeben worden. Infolgedessen sei es auch nicht zu der Empfehlung des Preisgerichts gekommen, nunmehr einen der Bewerber zu beauftragen. Es sei nur empfohlen worden, mit der Klägerin über einen entsprechenden Architektenauftrag zu verhandeln und mit der Klägerin und der A.-Stadt den Entwurf gemäß den im Sitzungsprotokoll im Einzelnen aufgelisteten Empfehlungen des Preisgerichts weiter zu entwickeln. Sie sei dieser sehr verhaltenen Empfehlung des Preisgerichts gefolgt und habe noch im Dezember 2018 Kontakt zu der Klägerin aufgenommen. Mit dieser, der Klägerin in allen Einzelheiten bewussten, Hypothek sei sodann von Mitte Dezember 2018 bis Mitte März 2019 der Versuch unternommen worden, den Entwurf der Klägerin auf einen Stand zu bringen, wie er eigentlich schon im Rahmen des Architektenwettbewerbs hätte erreicht sein müssen. Es sei eine Art – ursprünglich nicht vorgesehenes – Zwischenverfahren installiert worden. Es habe ausgelotet werden sollen, ob die Parteien gemeinsam mit den zuständigen Fachbereichen der Stadt A. in der Planung doch noch zueinanderfänden. Dies sei Voraussetzung dafür gewesen, dass die Klägerin tatsächlich mit den weitergehenden Architektenleistungen zu dem Bauvorhaben beauftragt werde. Die Klägerin sei sozusagen auf dem Prüfstand bzw. in einer Art Bewährungsphase gewesen. Über all dies sei die Klägerin uneingeschränkt im Bilde gewesen.
74Der Versuch sei gescheitert. Die Klägerin habe weder sie noch die zuständigen Fachbereiche der Stadt A. davon überzeugen können, dass sie in der Lage gewesen sei, die planerischen Vorgaben aus der Ausschreibung angemessen umzusetzen. Deshalb habe sie, die Beklagte, die Testphase Mitte März 2019 beendet. Bis dahin sei entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Kern nur über die äußere Wirkung bzw. die äußere Gestaltung des Objektes gesprochen bzw. verhandelt worden. Darüber hinausgehende Planungen habe sie nicht bei der Klägerin angefordert.
75Entgegen dem Vorbringen der Klägerin habe sie (die Beklagte) keine Planungsleistungen der Klägerin aus dieser Phase „verwertet“. Es habe schlicht nichts zu verwerten gegeben. Abgesehen davon hätte dies auch mit der Frage einer konkludenten Beauftragung nichts zu tun.
76In dieser speziellen Konstellation griffen naturgemäß nicht die von der Klägerin herangezogenen Grundsätze zur konkludenten Beauftragung von Architektenleistungen im „Normalfall“. Unabhängig davon, dass die Planungsleistungen der Klägerin in der hier in Rede stehenden Phase die hierfür notwendige Tiefe nicht erreicht hätten, sei der Klägerin immer völlig klar gewesen, dass eine weitergehende Beauftragung mit Architektenleistungen (noch) nicht zur Debatte gestanden habe. So habe der Zeuge K. der Klägerin schon anlässlich eines Auftaktgesprächs am 18.12.2018 erläutert, dass über eine Beauftragung erst dann entschieden werde, wenn zu der Gestaltung der Fassade Einigkeit erzielt worden sei.
77Bezeichnenderweise sei die Klägerin an sie nie mit dem Anliegen herangetreten, einen Architektenvertrag abzuschließen. Auch nach März 2019 habe die Klägerin zunächst nur eine Honorarrechnung zu den angeblich erbrachten Planungsleistung gestellt. Abgesehen davon stehe der Klägerin auch für die erbrachten „Leistungen“ eine Vergütung nicht zu, da es ersichtlich um Akquise gegangen sei, nämlich um die der Klägerin eingeräumte Chance, doch noch zu zeigen, dass sie die geforderte Planung erbringen könne.
78Die Entscheidungen des Preisgerichts seien nur so zu verstehen, dass man das Verfahren zumindest formal zum Abschluss habe bringen wollen, auch wenn im Ergebnis kein wirklich preiswürdiger und verwertbarer Entwurf vorgelegen habe. Die Behauptung der Klägerin, dass solche Empfehlungen eines Preisgerichts sozusagen üblich seien, werde bestritten. Einen Anspruch der Klägerin, beauftragt zu werden, habe es nicht gegeben. Ihrer Verpflichtung, überhaupt einen der Teilnehmer zu beauftragen, sei sie nachgekommen.
79Ein urheberrechtlicher Anspruch bestehe nicht. Sie habe die Übertragung des Urheberrechts bestritten. Ein Anspruch der Klägerin scheitere bereits an der fehlenden Aktivlegitimation. Mit der Berufungsbegründung stelle die Klägerin offenbar das Ergebnis des Landgerichts, wonach sich der Gesamteindruck des Entwurfs der Klägerin von demjenigen von G. unterscheide und deshalb unter diesem Gesichtspunkt eine Urheberrechtsverletzung nicht vorliege, nicht in Frage. Der Klägerin gehe es vielmehr nur noch darum, dass nach ihrer Auffassung auch einzelne Werkteile ihres Entwurfs selbständig Urheberrechtsschutz genössen und das Landgericht Verletzungen insoweit fehlerhaft nicht erkannt habe. Hierzu bringe die Klägerin dann aber konkret wenig vor. Auch habe sich das Landgericht mit einem Urheberschutz für einzelne Werkteile auseinandergesetzt und sei zu einem plausiblen Ergebnis gekommen.
80Der Hinweis der Klägerin darauf, dass eine Urheberrechtsverletzung auch auf von ihr erarbeitete Planvarianten zu prüfen sei, sei verspätet. Denn er sei in der Berufungsbegründung nicht enthalten und auch in erster Instanz nicht ins Feld geführt worden.
81Das Vorhaben sei durch ihre Nutzungsvorstellungen und die prominente Lage weitgehend definiert gewesen. Diese habe vor allem für die äußere Gestaltung wegen zwangsläufig zu berücksichtigender städtebaulicher und planungsrechtlicher Randbedingungen gegolten. Da die Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt gewesen seien, liege es in der Natur der Sache, dass die vorgelegten Entwürfe gestalterische Ähnlichkeiten und sogar Überschneidungen aufwiesen. Eine Urheberrechtsverletzung begründe dies nicht.
82Auf den Hinweis des Senats habe sie darauf verwiesen, dass für eine teilweise Beauftragung nichts spreche, da auch die Klägerin ein „alles oder nichts“ Verständnis zugrunde lege. Im Hinblick auf das Bürogebäude sei das einfache Bestreiten zulässig, da sich das Honorar nicht nach der Honorartafel berechne.
83Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H. und K. Auf die Vernehmungsniederschrift vom 5.12.2024 wird Bezug genommen.
84II.
85Die zulässige Berufung hat im Hinblick auf den Hauptantrag insoweit Erfolg, als die Klägerin eine Vergütung für die erbrachten Leistungen verlangen kann (218.701,14 €). In diesem Umfang hat die Berufung auch mit den geltend gemachten Nebenforderungen Erfolg. Übrigen ist die Berufung jedoch unbegründet.
861.
87Der Klägerin steht für erbrachte Planungsleistungen ein Anspruch auf Zahlung von 218.701,14 € aus §§ 650q, 631, 632 BGB iVm §§ 7 Abs. 5 und Abs. 1, 34 HOAI 2013 gegen die Beklagte zu.
88a)
89Zwischen den Parteien ist ein Vertrag über die Erbringung von Planungsleistungen jedenfalls der Leistungsphasen 1 und 2 zustande gekommen.
90Ein Architektenvertrag ist konkludent geschlossen worden. Dies folgt aus einer Auslegung des Verhaltens der Beteiligten unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles. Der Vertrag stand auch nicht unter dem Vorbehalt oder der aufschiebenden Bedingung, dass zunächst eine Lösung für die Gestaltung der Fassade gefunden werden müsse. Hiervon ist der Senat nach der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt.
91aa)
92Für die Bestimmung des Zustandekommens eines Architektenvertrages sind die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Auslegungskriterien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls heranzuziehen (vgl. BGH NJW 1999, 3554; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 11 Rn. 31ff.). Nach gefestigter Rechtsprechung wird die Frage, ob im Einzelfall ein Vertrag abgeschlossen oder nur ein Gefälligkeitsverhältnis begründet wurde, danach beantwortet, ob die Leistung mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zugesagt oder erbracht worden ist (vgl. BGH NJW 1996, 1889 m. w. N.). Aus dem Tätigwerden eines Architekten allein kann noch nicht auf eine entsprechende Bindung geschlossen werden. Für die Annahme eines Vertragsschusses ist vielmehr erforderlich, dass dem Tätigwerden eine Willensübereinstimmung (Einigung) beider Teile und ein entsprechender beiderseitiger Bindungswille zu Grunde liegen (vgl. BG, NJW 1999, 3554; BGH NJW 1997, 3017). Auch aus der Entgegennahme von Leistungen kann nicht schon auf den Willen geschlossen werden, ein entsprechendes Angebot anzunehmen. Das bloße “Wollen” von Leistungen und deren schlichte Entgegennahme führen noch nicht ohne weiteres zu einem Vertragsschluss (vgl. BGH Urt. v. 10.4.1997 – VII ZR 211/95, BeckRS 1997, 4048, beck-online). Erforderlich sind vielmehr weitere Umstände, die einen rechtsgeschäftlichen Willen erkennen lassen (vgl. BGH NJW 1999, 3554).
93Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden war, ist nicht nach dem inneren Willen des Leistenden zu beurteilen, sondern danach, ob der Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen durfte (vgl. BGH NJW 1996, 1889). Es kommt also darauf an, wie sich dem objektiven Betrachter das Handeln des Leistenden darstellt (vgl. BGH a. a. O.; OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 20.9.2005, Az. 22 U 210/02, BeckRS 2011, 19360) Für die Beantwortung der Frage, ob ein Werkvertrag durch konkludente Willenserklärungen zustande gekommen ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und zu berücksichtigen (vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2009, 457).
94Eine gesetzliche oder tatsächliche Vermutung dahingehend, dass umfangreiche Architektenleistungen nur im Rahmen eines Vertrages erbracht werden, gibt es nicht. Da zahlreiche Architektenleistungen Hoffnungsinvestitionen in einer Vertragsanbahnungssituation sind, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ein Architekt nur aufgrund eines Auftrags plant (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2003, 1251; OLG Düsseldorf NZBau 2009, 457). Trotz umfangreicher Architektenleistungen kann es gegen eine rechtsgeschäftliche Beauftragung sprechen, wenn die noch nicht gesicherte Realisierung des Objekts gefördert werden soll oder der Architekt gegen andere Bewerber ankämpft (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 18. Auflage, 2023, Rn, 651). Eine auf Abschluss eines Planungsvertrages gerichtete Willensäußerung liegt im Regelfall dann vor, wenn der Bauherr Änderungswünsche an den vorgelegten Planungen anbringt (vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2002, 279, beck-online.)
95Im Regelfall ist auch dann von einer Auftragserteilung auszugehen, wenn der Auftragnehmer die Leistung des Architekten verwertet (vgl. OLG Düsseldorf NZBau, 2002, 279; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher aaO Teil 11 Rn. 33). Zumindest aber stellt eine Verwertungshandlung ein gewichtiges, Indiz für einen konkludenten Vertragsschluss dar (vgl. KG NZBau 2005, 522; OLG Frankfurt, aaO). Erkennbar offene Realisierungschancen des Projekts können trotz „Verwertungshandlungen“ der Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses entgegenstehen. Entsprechendes gilt in Fällen ausdrücklicher Absprachen „zunächst“ akquisitorischer Tätigkeit (vgl. Beck HOAI-O.- BGB vor § 650p Rn. 103). Gleiches kann gelten, wenn der Auftraggeber zu Beginn unwidersprochen mitgeteilt hat, er verstehe die Tätigkeit des Planers zunächst als akquisitorische oder honorarfreie Leistung (vgl. Beck HOAI-O.-, BGB vor § 650p Rn. 103; so auch angedeutet in: BGH NJW 1997, 3017). Einer Vergütungspflicht steht nicht entgegen, dass Grundleistungen iSd § 650p BGB erbracht werden. Denn Grundleistungen können auf Basis eines Architektenvertrages erbracht werden und sind dann selbst nach Ausübung des Sonderkündigungsrechtes aus § 650r BGB zu vergüten.
96bb)
97Die erforderliche Gesamtbetrachtung der zwischen den Parteien erfolgten Kontakte und der erbrachten Arbeiten hat hier vor dem Hintergrund des bereits erfolgten Realisierungswettbewerbes zu erfolgen.
98Die Beklagte konnte sich durch den Wettbewerb bereits vor dem Zeitpunkt der eigentlichen Zusammenarbeit ein Bild von dem Konzept und der Herangehensweise der Klägerin verschaffen.
99Rechtlich stellt der Realisierungswettbewerb eine einseitige Auslobung iSd § 661 BGB dar (vgl. BGH NJW 1983, 442). Durch die bloße Beteiligung eines Architekten an dem Wettbewerb erfolgt noch keine vertragliche Bindung (vgl. BGH NZBau, 2016, 368; BVerfG BauR 2005, 1946). Der Realisierungswettbewerb stellt eine, wenn auch bestimmten Regeln unterworfene, Akquisephase dar. Anders als bei sonstigen Vertragsanbahnungen hat der Architekt bei der Kontaktaufnahme durch seinen Beitrag zum Wettbewerb eine umfangreiche und zudem durch ein Preisgericht bereits bewertete Leistung erbracht. Der Auftraggeber hatte dadurch die Möglichkeit, sich eine Vorstellung von den Ideen und der Herangehensweise des Architekten zu verschaffen. Aus Sicht eines verständigen Auftraggebers ist im Regelfall daher nicht anzunehmen, dass der Architekt auch nach Abschluss des Wettbewerbs noch umfassende Akquise-Leistungen erbringen will. Umgekehrt muss ein verständiger Architekt nach einem Wettbewerb im Regelfall nicht davon ausgehen, dass der Auftraggeber sich auch dann noch nicht binden will, wenn er eine umfassende Weiterentwicklung des Beitrages wünscht.
100Weiter war die Beklagte durch den Wettbewerb bei pflichtgemäßem Verhalten in ihrer Wahlfreiheit begrenzt. Der Auslober ist, wenn er sich nicht schadensersatzpflichtig machen will, dahingehend gebunden, den Gewinner oder einen der Preisträger zu beauftragen, sofern kein wichtiger Grund entgegensteht. Entsprechend sieht sich ein Architekt aus dem Kreis der Preisträger im Regelfall auch nicht mehr in einem umfassenden Konkurrenzkampf. In dem Vertragsschluss mit einem der Preisträger liegt dann die Erfüllung der mit der Auslobung eingegangen vertraglichen Verpflichtung (vgl. Werner/Pastor aaO Rn. 650).
101Dieser Gedanke ist auch vorliegend zu beachten. In den Wettbewerbsbedingungen hatte sich die Beklagte verpflichtet (Teil A, Ziffer 16 der Auslobungsunterlagen, Anlage K1), unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Preisgerichts eine/n oder mehrere der Preisträger/-innen mit weiteren planerischen Leistungen zu beauftragen. Zwar folgt aus einer Verpflichtung zu einer rechtlichen Bindung nicht automatisch, dass die entsprechende Person ihrer Verpflichtung entsprechen will. Insoweit ist, wie das Landgericht ausführt, zwischen einem tatsächlichen Verhalten und einer etwaigen Verpflichtung zu unterscheiden. Allerdings ist der Rechtsbindungswille aus der Sicht des Empfängers zu beurteilen. Der Umstand, dass ein Auslobender in seiner Wahlfreiheit eingeschränkt ist, kann dabei aus Sicht eines verständigen Architekten durchaus als ein Aspekt für einen rechtlichen Bindungswillen gewertet werden.
102Die Klägerin war jedenfalls eine von nur drei Bewerbern, mit deren Beauftragung die Beklagte ihrer Verpflichtung nachkommen konnte. Dem steht nicht entgegen, dass kein Wettbewerbsbeitrag das Preisgericht vollends zu überzeugen vermochte. Die Art der Preisvergabe und die von der Preisjury veröffentlichte Empfehlung stellen keine Umstände dar, die aus Sicht eines verständigen Architekten in der Person der Klägerin generell einem schutzwürdigen Vertrauen in einen Vertragsschluss entgegenstanden. Zum einen war die Auslobung nicht dahingehend gestaltet, dass (nur) eine Pflicht zur Beauftragung des Trägers des ersten Preises bestanden hätte. Die vorrangig geltenden Wettbewerbsbedingungen sahen die Beauftragung eines Preisträgers vor. Der Wettbewerb endete mit drei Preisträgern. Dass mindestens eine Arbeit den ersten Preis erlangt haben müsste, ist den Wettbewerbsbedingungen nicht immanent.
103Überdies hatte die Preisjury, deren Empfehlung die Beklagte bei der Beauftragung zu berücksichtigen hatte, die Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit der Klägerin empfohlen. Unter Vertragsverhandlungen ist keine weitere Akquisephase zu verstehen, sondern eine Absprache der Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit. Dass die empfohlene Weiterentwicklung der Beauftragung zeitlich vorausgehen solle oder müsse, lässt sich der Empfehlung gerade nicht entnehmen. Ebenso gut könnte sich dies auf die Zeit der vertraglichen Zusammenarbeit beziehen. Hierfür spricht, dass auch eine Weiterentwicklung von Aspekten empfohlen wurde, die das Preisgericht positiv bewertet hatte.
104Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob die Beklagte von der Beauftragung einer der drei Preisträger hätte absehen dürfen. Vielmehr ist entscheidend, wie ein verständiger Dritter in der Person der Klägerin das Verhalten der Beklagten redlicherweise verstehen konnte und durfte. Eine Bindungswirkung des Auslobers entfällt, wenn er hinreichende sachliche Gründe hat, die es unzumutbar erscheinen lassen, ihn an seiner Verpflichtungserklärung festzuhalten (vgl. BGH BauR 2004, 1326). Ob es solche Gründe gibt, ist von außen nicht unbedingt feststellbar. Insofern hätte ein Dritter in der Person der Klägerin nur dann erhebliche Bedenken im Hinblick auf den Bildungswillen haben müssen, wenn ein Entfallen der Bindungswirkung quasi auf der Hand gelegen hätte. Vorliegend musste die Klägerin hiervon allerdings nicht ausgehen. Insbesondere war es nicht so, dass die Arbeiten nach Einschätzung der Jury grundlegend ungeeignet gewesen wären. Denn dann hätten gar keine Preise vergeben werden dürfen. Nach § 7 Abs. 1 der hier subsidiär anwendbaren RPW 2013 werden Preise (nur) für Arbeiten zuerkannt, auf deren Grundlage die Aufgabe realisiert werden kann. Nach Ziffer 15 der Wettbewerbsbedingungen waren Arbeiten, die den formalen Bedingungen nicht entsprachen, die bindende Vorgaben der Auslobung nicht erfüllten oder nicht in wesentlichen Teilen dem geforderten Leistungsumfang entsprachen, nicht zum Wettbewerb zuzulassen. Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin nicht zu verstehen gegeben, dass sie die Empfehlung der Jury als in sich widersprüchlich und daher nicht bindend angesehen hätte. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt nach außen zu verstehen gegeben, den Abschluss des Wettbewerbs als nicht mit den Wettbewerbsbedingungen konform anzusehen. Vielmehr betont die Beklagte im Prozess, sich an die Empfehlung der Jury gehalten zu haben.
105Soweit die Beklagte darauf hinweist, der erste (weiterverfolgte) Beitrag der Klägerin sei der Höhe nach nicht genehmigungsfähig gewesen, stellt auch dies keinen Grund dar, weshalb die Klägerin nicht mit einer Beauftragung hätte rechnen dürfen. Zum einen war die Firsthöhe im überarbeiteten Beitrag wohl schon reduziert. Zum anderen waren Befreiungen denkbar (s. Anlage K22). Zudem war die Klägerin im Wettbewerb verblieben und nicht ausgeschlossen worden.
106cc)
107Auf Basis der allgemeinen Grundsätze, des zu berücksichtigenden Hintergrundes und der im weiteren zu beachtenden Gesamtumstände durfte die Klägerin das Verhalten der Beklagten im Nachgang des Termins am 10.1.2019 dahingehend verstehen, dass sie nunmehr verbindlich mit der Erbringung von Planungsleistungen beauftragt wurde.
108Die Beklagte konnte hingegen nicht mehr davon ausgehen, dass ihre Wünsche noch als Fortsetzung des Wettbewerbes oder einer sich anschließenden Akquise kostenfrei umgesetzt würden.
109Die Beklagte veranlasste konkret eine Fortentwicklung der Wettbewerbsleistungen durch die Klägerin. So verlangte ihr Geschäftsführer nach dem Gespärchstermin vom 10.1.2019 eine Fortentwicklung der Fassade in zwei Varianten. Aufbauend auf die Überarbeitungen hat die Beklagte zahlreiche Termine in Anspruch genommen, in denen die Überarbeitungen zugrunde lagen und erneut fortentwickelt wurden. Vor dem Hintergrund des schon durchgeführten Wettbewerbs durfte die Klägerin dies als konkludente Beauftragung verstehen.
110Nach der Entscheidung der Wettbewerbsjury am 17.12.2018 kam es zu zehn Besprechungen zwischen Klägerin und Beklagter und drei weiteren Terminen, an denen auch Vertreter der Stadt A. teilnahmen. Unstreitig kam es zumindest zu folgenden Planungsleistungen:
111- Überarbeitung der Fassadengestaltung in zwei Varianten
112- Verlegung der Tiefgarageneinfahrt
113- Verzicht auf ebenerdige Stellplätze
114- Veränderung der Erschließungskerne und Aufzüge
115- Durchgang zum Innenhof
116- Fahrradabstellraum
117- Umplanung ebenerdige Abstellräume und Stellplätze zu Wohnraum,
118- Verlegung Abstellräume in Keller
119- Reduzierung der Geschossanzahl mit Untersuchung der Auswirkungen
120Dabei waren diese Änderungen jedenfalls weitgehend von der Beklagten veranlasst. Dabei kann dahinstehen, ob alle Änderungen jeweils konkret von der Beklagten angefordert wurden. Denn jedenfalls die mit der Fassade und der Reduzierung der Gebäudehöhe zusammenhängenden Umplanungen hat die Beklagte unstreitig gewollt und veranlasst. So hat die Beklagte erklärt, für sie habe die Fassade im Vordergrund gestanden. Die erforderliche Reduzierung in der Höhe sei nur durch die Reduzierung des Gebäudes um ein Geschoss zu realisieren gewesen. Dies habe zumindest ansatzweise zu Überlegungen im Hinblick auf eine Umplanung im Inneren des Gebäudes geführt. Solche Überlegungen/Planungen seien maximal grob angestellt worden. Auslöser der erfolgten Umplanungen sei die zwingend gebotene Umgestaltung der äußeren Hülle/der Fassade des Objektes gewesen, insbesondere des Bürotraktes. Hierum sei es ihr primär gegangen. Auch nach dem Vortrag der Beklagten erschöpften sich damit die Umplanungen nicht in einem Vorpreschen oder dem Andienen neuer Ideen durch die Klägerin. Denn entweder verlangte die Beklagte die Planungen konkret oder sie veranlasste diese jedenfalls dadurch, dass sie Abwandlungen und Planungsvarianten für die Fassade wünschte und dabei von dem ersten Wettbewerbsentwurf der Klägerin ausging, der noch eine höhere Gebäudehöhe vorsah. Die Beklagte ist auch dem Vorbringen der Klägerin nicht konkret entgegengetreten, wonach ihr Geschäftsführer im Nachgang der Besprechung vom 10.1.2019 geäußert habe, er wolle eine Weiterentwicklung beider Fassadenvarianten. Dass eine Weiterentwicklung zweier Fassadenvarianten bei notwendiger Reduzierung der Gebäudehöhe Folgefragen aufwirft, ist naheliegend. Entsprechende Umplanungen waren dann aber auch veranlasst und gewollt.
121Wie ausgeführt, war eine Akquisephase in Form des Wettbewerbes erfolgt. Die Klägerin war bestplatziert und die Jury hatte die Aufnahme von Verhandlungen mit ihr empfohlen. Indem die Beklagte nunmehr eine Fortentwicklung der Wettbewerbsplanung verlangte, die Planungsergebnisse besprach und die Klägerin auch bei Terminen mit externen Teilnehmern (Stadt A., Verkäuferin) hinzuzog, durfte ein verständiger Architekt in Person der Klägerin davon ausgehen, die Beklagte wolle ihrer rechtlichen Verpflichtung zur Beauftragung eines Preisträgers nachkommen. Aufgrund der von der Beklagten übernommenen Verpflichtung zur Beauftragung, in Kombination mit der eindeutigen Empfehlung des Preisgerichtes, bestand für die Klägerin auch keinerlei Veranlassung und auf Seiten der Beklagten zudem auch keinerlei Erwartungshaltung für vergütungsfreie Akquiseleistungen.
122dd)
123Die Beklagte hatte vor oder bei Vertragsschluss eine Vergütung oder eine vergütungspflichtige Beauftragung nicht davon abhängig gemacht, dass zunächst eine Lösung im Hinblick auf die Fassade gefunden werden müsse. Der Senat ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass ein entsprechend klarer und unmissverständlicher Vorbehalt, dass die Beklagte bis dahin auf eigenes Risiko arbeite (bzw. eine entsprechende Bedingung) bei dem Gespräch am 18.12.2018 (von der Beklagten auch als „Auftaktgespräch“ benannt, Bl. 220 GA LG) nicht erklärt wurde.
124Bedingungen der Honorarpflicht können mündlich vereinbart werden, z.B. eine Planung auf eigenes Risiko (vgl. BGH BauR 1998, 579; Werner/Pastor, aaO Rn. 629; Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 15. Auflage, 2021). Die Beweislast für das Fehlen eines solchen Vorbehaltes oder Bedingung trifft den Auftragnehmer, wobei der Auftraggeber eine sekundäre Darlegungslast zu erfüllen hat (vgl. BGH NJW 2002, 2862; NJW 1985, 497). Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast zunächst nachgekommen, denn sie hat sie dazu vorgetragen, wer wann einen entsprechenden Vorbehalt erklärt hat (vgl. Vortrag Bl. 220f. GA LG).
125Der Senat ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme aber davon überzeugt, dass der von der Beklagten behauptete Vorbehalt in dem von der Beklagten angeführten Gespräch am 18.12.2018 nicht oder nicht mit der notwendigen Klarheit geäußert wurde.
126(1)
127Der Zeuge H. hat bekundet, dass ihm gegenüber in dem Termin am 18.12.2018 kein Vorbehalt dahingehend erklärt worden sei, dass eine Beauftragung erst nach einer Einigung über die Fassadengestaltung erfolgen werde. Diese Aussage des Zeugen H. ist glaubhaft. So hat der Zeuge den Ablauf des Gespräches am 18.12.2018 plausibel und sachlich geschildert. Für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage sprach, dass er im Hinblick auf den Gesprächsinhalt weder zu unsachlichen Übertreibungen oder Abschwächungen neigte. So erklärte er von sich aus, es sei erörtert worden, dass zunächst die Punkte aus dem Wettbewerbsprotokoll abgearbeitet werden sollten.
128Auch im Hinblick auf den angeblich erklärten Vorbehalt erfolgte eine sachliche und präzise Darstellung. So erklärte der Zeuge, er habe einen solchen Vorbehalt nicht wahrgenommen, ihm gegenüber sei dieser nicht geäußert worden. Dies zeigt, dass es dem Zeugen auf eine zutreffende und differenzierte Schilderung ankam. Denn zu Gesprächen, an denen er nicht teilgenommen hat, konnte er naturgemäß keine Aussage treffen. Im Weiteren hat er dann erklärt, auch seine Frau habe ihm nicht von einem solchen Vorbehalt berichtet. Der Zeuge hat zudem erklärt, bei einem solchen Vorbehalt hätte man anders gearbeitet. Auch dies erschien dem Senat in sich stimmig und glaubhaft.
129Insgesamt hat der Zeuge offengelegt, wenn er sich an bestimmte Aspekte nicht erinnern konnte. Für die Glaubhaftigkeit der Aussage insgesamt spricht, dass der Zeuge keinen Hehl daraus machte, von der Beendigung der Zusammenarbeit und der Art und Weise, wie das Gebäude letztlich entstanden ist, emotional stark betroffen gewesen zu sein. Die starke emotionale Beteiligung wurde auch bei der Vernehmung noch deutlich, als die Frage auf die Geschehnisse ab März 2019 kam. Die geschilderte und bei der Aussage spürbare Enttäuschung spricht dafür, dass der Zeuge von einer vorbehaltlosen Beauftragung ausgegangen war.
130Die Aussage des Zeugen wird zudem durch den vorgelegten E-Mail-Verkehr und die tatsächlich vorgenommenen Planungen und Besprechungen gestützt. Anhaltspunkte für einen Vorbehalt oder eine Bedingung sind aus den Mails nicht ersichtlich. Auch die Beklagte hat keine Mail vorgelegt, in der an einen Vorbehalt o.ä. erinnert worden wäre.
131Entgegen der Ansicht der Beklagten erschüttern die Angaben des Zeugen im Hinblick auf die Vergütung nicht die Glaubhaftigkeit der Aussage. Zwar mag die Angabe, man spreche bei Großprojekten nicht zu Beginn über eine Vergütung, einem Juristen naiv erscheinen. Dem Senat ist aber aus diversen Prozessen bekannt, dass Architekten durchaus ohne schriftlichen Vertrag und ohne Absprache zur Vergütung Leistungen bis in höhere Leistungsphasen erbringen. Der Zeuge hat sich dabei auch darauf gestützt, sie rechneten nach der HOAI ab. Auch hinsichtlich des zeitlichen Ablaufes ergaben sich keine Widersprüche. So hat der Zeuge bekundet, meist stellten sie eine erste Abschlagsrechnung nach der LP 2. Es könne sein, dass man schon 2, 3 4 Monate gearbeitet habe. Vorliegend hatte die Klägerin bei der Vertragsbeendigung die LP 2 nach eigener Einschätzung noch nicht abgeschlossen, was sich auch aus der Schlussrechnung ergibt. Ab dem eigentlichen Start der Zusammenarbeit Mitte Januar 2019 waren zwei Monate vergangen. Selbst ab dem 18.12.2018 waren erst drei Monate vergangen, so dass nach den von dem Zeugen geschilderten Abläufen noch nicht zwingend eine Abschlagsrechnung zu erwarten gewesen wäre.
132Die Glaubhaftigkeit wird auch nicht dadurch erschüttert, dass der Zeuge etwas ausweichend auf die Frage reagierte, weshalb später zunächst nur die erbrachten Leistungen abgerechnet worden waren. Hierfür mag es viele Gründe geben. Dass der Zeuge davon ausging, überhaupt keine Vergütung verlangen zu können, folgt aus der Beschränkung auf die erbrachten Leistungen allerdings nicht.
133Unerheblich ist auch, dass der Zeuge H. angab, der Zeuge K. sei bei dem Gespräch nicht zugegen gewesen. Zunächst steht fest, dass für das Gespräch nur Herr J. angekündigt war und Herr K. auch nach seiner Angabe nur „sehr kurz“ an dem Termin teilnahm. Für den Zeugen H. stand das Kennenlernen mit Herrn J. und das Erörtern der Aufgabenstellung mit diesem im Fokus. Selbst wenn er sich hinsichtlich einer „sehr kurzen“ Anwesenheit von Herrn K. geirrt haben sollte, zieht dies seine Aussage im Übrigen aufgrund des Zeitablaufes nicht in Zweifel. Denn an wesentliche Gesprächsinhalte besteht üblicherweise eine deutlich zuverlässigere Erinnerung als daran, ob eine Person kurz an einem Gespräch teilgenommen hat.
134(2)
135Die glaubhafte Aussage des Zeugen H. wird durch die Aussage des Zeugen K. nicht erschüttert. Denn der Senat hält diese für weniger belastbar, als die Angaben des Zeugen H. Der Senat hat erhebliche Zweifel daran, dass am 18.12.2018 ein deutlicher Vorbehalt von dem Zeugen K. formuliert wurde.
136Die Aussage des Zeugen K. im Hinblick auf den angeblich von ihm geäußerten Vorbehalt blieb recht blass und abstrakt. Der Zeuge gab nur recht allgemein das Ergebnis dessen wieder, was nach seiner Wertung kommuniziert worden sei. So hat er zu dem Vorbehalt zunächst erklärt „dies wurde meinem Verständnis nach auch so kommuniziert“. Worauf der Zeuge dieses Verständnis stützte, blieb offen. Im weiteren Verlauf erklärte er dann, „so haben wir versucht, zu kommunizieren“. Auch bei dieser Angabe bleibt letztlich nicht nachprüfbar, wie deutlich und erfolgreich der Kommunikationsversuch war, insbesondere was eigentlich gesagt worden sein soll. Ohne entsprechende Details aber vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, ob für einen verständigen Dritten in der Position des Zeugen H. klar wurde, es solle erst dann eine Vergütungspflicht eintreten, wenn das Fassadenproblem gelöst sei. Im Übrigen ist das Fehlen von Details oder genaueren Angaben auch für sich genommen auffällig. Dies auch trotz des langen Zeitablaufes, da der Zeuge K. nach seiner Bekundung nur kurz an dem Gespräch teilnahm, um die Voraussetzungen für die Auftragserteilung zu kommunizieren.
137Weiter war auffällig, dass der Zeuge K. seine Einschätzung dazu, dass und wie deutlich der Vorbehalt kommuniziert worden sei, im Verlauf der Vernehmung dann mehr und mehr verstärkte. So erklärte er im weiteren Verlauf (S. 8 des Protokolls):
138„Wenn dieser Prozess erfolgreich abgeschlossen werden würde, dann - so habe ich deutlich gemacht -, würden wir über einen Vertrag sprechen.“
139Auf weiteren Vorhalt dann:
140„Es war wirklich ganz klar kommuniziert: Erst muss die Fassade entsprechend gestaltet werden, dann reden wir über einen Vertrag.“
141Hier war nicht mehr die Rede von einem Kommunikationsversuch oder dem eigenen Verständnis. Ebenso hat der Zeuge im Verlauf der Vernehmung immer mehr betont, nur „sehr kurz“ bei dem Gespräch dabei gewesen zu sein. Angesichts dessen, dass der Zeuge K. letztlich als Vertreter der Beklagten agieren und bereits in dieser Funktion bei dem Gespräch ein wichtiges Thema adressieren sollte, ist eine „sehr kurze“ Anwesenheit wenig plausibel. Auch die von dem Zeugen betonte Motivation für den Vorbehalt wirft Zweifel auf, ob der Zeuge sich zutreffend auf den Termin am 18.12.2018 bezieht. So soll dem Vorbehalt eine Beratung mit der Stadt A. zu dem Wettbewerbsergebnis vorausgegangen sein. Die Entscheidung der Wettbewerbsjury erfolgte allerdings erst am 17.12.2018.
142Entgegen der Einschätzung des Zeugen verdeutlich die von ihm gewählte Wortwahl nicht ausreichend klar, dass die Klägerin zunächst auf eignes Risiko habe planen sollen. Laien verstehen unter „Vertrag“ häufig lediglich einen schriftlichen Vertrag, in dem dann die Einzelheiten der Zusammenarbeit festgelegt werden. Aus dem fehlenden Abschluss eines schriftlichen Vertrags ist aber nicht zwingend zu schließen, dass bis dahin auch keine Vergütung auf Basis der HOAI anfallen solle.
143Gegen die Bekundung eines deutlichen Vorbehaltes spricht auch die weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien und das Verhalten des Zeugen K. So stand zwar die Fassade nach den Angaben des Zeugen im Fokus der weiteren Zusammenarbeit. Nach seiner Aussage müssen die anderen Gesprächsthemen aber einen ähnlich großen Raum eingenommen haben, da zu 50% über die Fassade gesprochen worden sei. Dennoch hat der Zeuge nicht bekundet, die Klägerin an den Vorbehalt erinnert zu haben. Dies aber, obwohl er die Diskussionen manchmal als „befremdlich“ empfunden haben will. Auch die Mail des Zeugen vom 18.3.2019 (Anlage K10) weckt Zweifel daran, dass die Beklagte selbst von einem deutlich geäußerten Vorbehalt ausging. So wurde um Vorschläge gebeten, wie man „auseinander“ komme. Es folgte kein Hinweis, dass man nicht zu einem Vertragsschluss komme oder eine Beauftragung nicht mehr beabsichtigt sei o.ä. Zudem wurden noch Unterlagen angefordert, auf die bei einem Abbruch vor Vertragsschluss kein Anspruch bestünde.
144Zudem entstand bei dem Senat der Eindruck, dass der Zeuge auf die Fragen über die Vergütung und die zum Ende der Zusammenarbeit verfassten Mails ausweichend antwortete. So erklärte der Zeuge auf Vorhalt der Mail vom 11.3.2019 (Anlage K19), die Mail lese sich so, als ob ein Auftrag der N. gegeben worden sei, einen Fachplaner zu beauftragen. Wie sich ein solcher Auftrag mit einem noch immer nicht geschlossenen Vertrag vereinbaren lässt, hat der Zeuge nicht erklärt.
145b)
146Es waren jedenfalls die abgerechneten Leistungen aus den LP 1 und 2 beauftragt.
147Welche Architektenleistungen vereinbart sind, ergibt sich durch Auslegung des Architektenvertrags gemäß §§ 133, 157 BGB. Umfang und Inhalt der Beauftragung bestimmen sich allein nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Die HOAI als gesetzliches PreL.echt enthält keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architektenverträgen. Die Leistungsbilder der HOAI können bei Bezugnahme im Vertrag aber als Auslegungshilfe zur Bestimmung der vertraglich geschuldeten Leistungen herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – VII ZR 42/05 Rn. 25; BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – VII ZR 259/02). Bei der Auslegung sind stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und der beauftragte Leistungsumfang ist konkret festzustellen, wobei die Darlegungs- und Beweislast bei der Partei liegt, die hieraus günstige Rechtsfolgen für sich ableitet (vgl. BGH ZfBR 2020, 658). Eine Vermutung für einen Vollauftrag gibt es nicht (vgl. Kniffka/Koeble, aaO Teil 11, Rn. 70, beck-online).
148Hier waren konkludent zumindest die LP 1 und 2 beauftragt. Die konkret veranlassten Überarbeitungen betrafen Kernaufgaben der LP 1 und 2 oder setzten deren Erbringung (z.B. auch im Rahmen des Wettbewerbes) schon voraus. Dabei kann dahinstehen, welcher Arbeitsauftrag im Einzelnen wann besprochen wurde. Gegenstand der Gespräche zwischen den Parteien war eine Überarbeitung des ersten Wettbewerbsbeitrages der Klägerin. Ein wesentlicher Aspekt war die Gestaltung der Fassade (des Bürogebäudes). Hier wurden wunschgemäß unstreitig verschiedene Alternativen vorgeschlagen und weiter ausgearbeitet. Ebenso war klar, dass die Höhe des Gebäudes/der Gebäude zu reduzieren war, was Folgefragen auslösen würde. Weiterhin wurden die Erschließungskerne/Aufzüge reduziert, die Einfahrt der Tiefgarage verlegt und auch der Konferenzraum in die 7. Etage verlagert. Nach dem Vortrag der Klägerin hat die Beklagte diese Änderungen stets konkret gewünscht. Nach dem Vortrag der Beklagten waren diese Änderungen „Abfallprodukte“ oder Folgen der Höhenreduzierung und zum Teil nicht „gefordert“. Aber auch dann beinhaltete die einvernehmliche Zusammenarbeit die Grundlagenermittlung und Vorplanung. Gerade die Darstellung von Varianten und das Klären wesentlicher Zusammenhänge ist ein Kernbereich der Leistungsphase 2. Auch zeitliche Vorgaben (s. Anlage K8) und der Weg zu einer schnellen Baugenehmigung standen bereits im Raum. Dabei wurde auf die Vorarbeit aus dem Wettbewerb aufgebaut. Auch diese Vorarbeit wurde damit als gewünscht und gewollt angesehen.
149Zudem liegt es nahe, das bestehende Vakuum bei den Absprachen durch den Regelungsinhalt der Anlage 10 zu § 34 HOAI zu füllen. Denn der Planer hat nach §§ 650q Abs. 1, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB sicherzustellen, dass sein Werk die „übliche“ und vom Besteller „erwartete“ Beschaffenheit aufweist. Seine Leistungen sind an dem Standard zu messen, der für einen Planer gebräuchlich ist und vom Markt der Bauherren als solcher vorausgesetzt wird. Die Auflistung von Grundleistungen in der HOAI enthält nach der amtlichen Begründung „alle wesentlichen planerischen Grundleistungen der Auftragnehmer für die Objektplanung nach dem gegenwärtigen Stand der Technik“. Nach § 3 Abs. 2 S. 1 HOAI 2013 umfassen „die Grundleistungen die Leistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrages im Allgemeinen erforderlich sind“. Dies lässt den Schluss zu, dass die in den Anlagen 2 bis 8 und 10 bis 15 aufgeführten Grundleistungen ein Abbild dessen sind, was ein Planer „üblicherweise“ zu tun hat (vgl. Beck HOAI/Preussner, 3. Aufl. 2022, HOAI § 8 Rn. 17-20). Vorliegend hat die Beklagte auch nicht konkret eingewandt, dass die Klägerin Leistungen abgerechnet hätte, die nicht erforderlich gewesen seien.
150Unerheblich ist, ob und inwieweit Leistungen der LP 1 und 2 für die Überarbeitung zu wiederholen waren. Denn die gewünschte Überarbeitung des Wettbewerbsentwurfes setzt zwangsläufig auf die im Wettbewerb erbrachte (Akquise-) Leistung auf. Würden die im Wettbewerb erbrachten Grundleistungen nicht beauftragt werden, machte auch Ziffer 17 der Wettbewerbsbedingung keinen Sinn. Mithin sind auch die in diesem Rahmen erbrachten Leistungen, soweit es sich um Grundleistungen der LP 1 und 2 handelt, dann (rückwirkend) beauftragt. Arbeiten, die zunächst auf eigenes Risiko erbracht wurden, werden von einer späteren Auftragserteilung umfasst. Dem Auftraggeber sind diese Leistungen im Regelfall bekannt. Eine Beauftragung ist folglich dahingehend zu verstehen, dass er die schon erbrachten Leistungen nunmehr ebenfalls nutzen/in Anspruch nehmen will.
151c)
152Das Honorar ist fällig. Eine prüffähige Schlussrechnung iSd § 15 Abs. 1 HOAI 2013 iVm § 650g Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 3 BGB liegt vor. Die Beklagte hat weder nach Erhalt der ersten Rechnung vom 9.4.2019 noch nach Erhalt der Rechnung vom 2.12.2019 binnen 30 Tagen Einwände gegen die Prüffähigkeit der Rechnung erhoben. Die später erhobenen Einwände betreffen die materielle Richtigkeit.
153Eine Abnahme ist entgegen § 650g Abs. 4 S. 1 BGB, § 15 Abs. 1 HOAI 2013 entbehrlich, da ein Abrechnungsverhältnis vorliegt. Das Vertragsverhältnis ist unstreitig beendet und die Beklagte wünscht keine Nachbesserung mehr.
154d)
155Da die Parteien unstreitig keine schriftliche Honorarvereinbarung getroffen haben, kommen für das Wohn- und das Pflegegebäude nach § 7 Abs. 5 HOAI 2013 die Mindestsätze zur Anwendung.
156Zutreffend rechnet die Klägerin auch im Hinblick auf das Bürogebäude auf Basis der Mindestsätze ab. Nach § 7 Abs. 2 HOAI 2013 finden die Mindestsätze zunächst allerdings keine Anwendung, da die anrechenbaren Kosten für das Bürogebäude oberhalb des Höchstbetrages der Honorartafel aus § 35 Abs. 1 HOAI liegen. Eine Anwendung der fortgeschriebenen Mindestsätze als „Taxe“ folgt hier aber aus § 632 Abs. 2 BGB.
157Eine Fortschreibung der Honorartabelle kommt ohne eine entsprechende Vereinbarung der Vertragsparteien nicht in Betracht, weil die Honorartabellen ein in sich geschlossenes System sind (vgl. grundlegend: BGH NJW 2004, 2588). Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien ist nicht feststellbar. Lässt sich eine Parteivereinbarung nicht feststellen, richtet sich die Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB (vgl. BGH NJW, 2004, 2588). Hier hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass eine Abrechnung auf Basis fortgeschriebener Tabellen inzwischen üblich sei. Dem ist die Beklagte auch nicht entgegengetreten.
158e)
159Es ergibt sich ein Honorar in Höhe von insgesamt 218.701,14 €.
160aa)
161Richtig ist die Berechnung von drei Honoraren. Die Klägerin ist zutreffend von drei Objekten ausgegangen.
162Umfasst ein Auftrag mehrere Objekte, so sind die Honorare grundsätzlich getrennt zu berechnen, § 11 Abs. 1 HOAI 2013. Ein Gebäude ist nach § 2 Nr. 1 HOAI 2013 mögliches Objekt. Zwei Gebäude sind grundsätzlich zwei Objekte. Selbständig im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 1 HOAI 2013 sind Objekte allerdings dann, wenn tatsächlich eine klare Trennung vorgenommen werden kann. Greifen die jeweiligen Bereiche bei einer komplexen Integration in einen Gesamtbaukörper dagegen derart ineinander ein, dass eine Trennung nicht vorgenommen werden kann, ist die Selbständigkeit aufgehoben (vgl. Beck HOAI/Seifert/O.-, 3. Aufl. 2022, HOAI § 11 Rn. 23). Für die Abgrenzung kommt es entscheidend darauf an, ob die Bauteile nach konstruktiven und funktionalen Kriterien zu einer Einheit zusammengefasst sind (vgl. BGH BauR 2005, 735, BauR 2012, 829). Es kommt vorrangig auf die konstruktive Selbstständigkeit an.
163Ein Auftrag umfasst jedenfalls dann mehrere Gebäude, wenn diese konstruktiv voneinander getrennt sind und nicht in einem funktionellen Zusammenhang stehen. Ist die konstruktive Selbständigkeit nicht eindeutig erkennbar, gewinnt die Abgrenzung hinsichtlich der funktionalen Selbständigkeit an Gewicht; das Gleiche gilt auch umgekehrt (vgl. Beck HOAI/Seifert/O.-, 3. Aufl. 2022, HOAI § 11 Rn. 23a).
164Die auf Basis einer Gesamtschau zu beurteilende konstruktive Selbstständigkeit ist vorliegend zu bejahen.
165Konstruktiv selbständig sind Objekte, wenn diese z. B. durch einen Zwischenraum oder durch konstruktive Fugen getrennt sind (vgl. Beck HOAI/Seifert/O.-, 3. Aufl. 2022, HOAI § 11 Rn. 25). Fehlt es an einer konstruktiven Trennung, können Objekte gleichwohl konstruktiv selbständig sein, wenn verschiedene konstruktive Bauteile, wie Wände oder Decken zu einer klaren konstruktiven Begrenzung führen. Insofern sind auch Gebäude mit einer gemeinsamen Trennwand in aller Regel als selbständig anzusehen. Dass der eine Baukörper nach Abriss des anderen Baukörpers zerstörungsfrei bestehen bleiben könnte, ist nicht Voraussetzung für eine konstruktive Selbständigkeit (vgl. Beck HOAI/Seifert/O.-, 3. Aufl. 2022, HOAI § 11 Rn. 25).
166Vorliegend ist von der Wettbewerbsplanung der Klägerin auszugehen, da sich die beauftragte Weiterentwicklung hierauf bezog. Demnach hatte die Klägerin oberirdisch drei Gebäude mit jeweils eigenem Zugang vorgesehen. Zum einen war die B.-Zentrale vorgesehen, die sich auf dem (vom D. aus gesehen) rechten Teil des Grundstücks erstreckte. Aus Sicht vom D. aus links neben der B.-Zentrale war am C.-Straße das Wohngebäude geplant und an der O.-Allee ein Haus mit Seniorenwohnungen. Das Wohngebäude und das Gebäude mit den Seniorenwohnungen grenzten jeweils an das Bürogebäude, waren untereinander aber durch einen Garten/Innenhof getrennt. Die Trennwand zwischen der B.-Zentrale und den beiden anderen Gebäuden bildet eine klare konstruktive Begrenzung. Auch optisch und von der Funktion her sollten sich die Gebäude unterscheiden. Konkrete Aspekte, weshalb es sich ihrer Ansicht nach um ein Gebäude handele, bringt auch die Beklagte nicht vor. Die Gebäude wiesen keine gleichartigen Planungsbedingungen auf iSd § 11 Abs. 2 HOAI, da sie unterschiedlichen Nutzungen dienen sollten.
167bb)
168Es sind die von der Klägerin jeweils ermittelten anrechenbaren Kosten zugrunde zu legen. Die Beklagte hat diese trotz entsprechenden Hinweises des Senates lediglich pauschal bestritten, was nicht ausreicht.
169Die Klägerin hat hinsichtlich des Bürogebäudes + Tiefgarage anrechenbare Kosten in Höhe von 34.560.900,- € zugrunde gelegt. Die Beklagte hat die Richtigkeit des Ansatzes bestritten. Mit einem einfachen Bestreiten kann sie nicht durchdringen.
170Maßgebend sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 HOAI 2013 im Ausgangspunkt die anrechenbaren Kosten auf Basis der Kostenschätzung. Da das Vertragsverhältnis während der LP 2 beendet wurde, war eine Kostenberechnung von der Klägerin zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung noch nicht geschuldet. Eine Kostenberechnung ist dann auch nicht nur zum Zweck der Honorarberechnung nachzuholen. Vielmehr ist für die Berechnung des Honorars bei Kündigung jeweils die Kostenermittlungsart maßgebend, die der jeweiligen LP zur Kündigungszeit entspricht (vgl. BGH NJW 1999, 3493).
171Die Klägerin stützt sich auf eine Kostenschätzung vom 15.2.2019. Diese genügt den Anforderungen aus § 2 Abs. 10 HOAI 2013 iVm der DIN 276. Hier hat die Klägerin eine Unterteilung in die Kostengruppen 300 und 400 und damit in die erste Ebene der Kostengliederung vorgenommen.
172Unerheblich ist, dass die Angaben zur Kostengruppe 400 nicht auf konkreten Angaben iSd § 2 Abs. 10 HOAI 2013, sondern auf (groben) Schätzungen der Klägerin beruhen. Es ist anerkannt, dass der Auftragnehmer sich mit einer an der DIN 276 orientierten Kostenschätzung begnügen darf, wenn ihm die förmliche Kostenschätzung, z.B. aufgrund des Zeitpunktes der Beendigung des Vertrages, nicht möglich ist (vgl. Locher/Koeble/Frik, HOAI 14. Auflage 2020, § 6 Rn. 16). Dies folgt vorliegend jedenfalls aus dem Gedanken von § 162 BGB. Denn die Klägerin hat die Beklagte aufgefordert, die Kostenberechnung der nachfolgend beauftragten Architekten herauszugeben. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen. In einem solchen Fall ist eine sorgfältige Schätzung der nicht näher bekannten Kosten ausreichend.
173Kann der Architekt die in seiner Schlussrechnung genannten anrechenbaren Kosten insgesamt oder teilweise nur schätzen, weil er die Grundlagen für ihre Ermittlung in zumutbarer Weise nicht selbst beschaffen kann, und erteilt ihm der Auftraggeber vertragswidrig die erforderlichen Auskünfte nicht, genügt der Architekt seiner Darlegungslast, wenn er die geschätzten Berechnungsgrundlagen vorträgt (vgl. BGH NJW 1995, 399). In einem solchen Fall kann der Auftraggeber die geschätzten anrechenbaren Kosten nur bestreiten, dass er unter Vorlage der Unterlagen die anrechenbaren Kosten konkret berechnet (vgl. BGH NJW 1995, 399).
174Hier lagen die Kosten für die Fachplanung (Kostengruppe) 400 bei Vertragsbeendigung unstreitig nicht vor. Die Klägerin hat die Beklagte unter Fristsetzung zur Auskunft bzw. Vorlage der Kostenberechnung aufgefordert. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
175Auch hinsichtlich der Kostengruppe 300 ist ein einfaches Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend. Für einen schlüssigen Vortrag ist es nicht erforderlich, dass der Architekt die anrechenbaren Kosten näher aufgliedert, wenn der Auftraggeber den Kostenansatz bisher nur pauschal bestreitet. Eine Ergänzung und Aufgliederung seines Vortrags zu den anrechenbaren Kosten obliegt dem Architekten erst dann, wenn der Auftraggeber die anrechenbaren Kosten mit einem konkreten Gegenvortrag in Frage stellt (vgl. BGH ZfBR 2002, 674). Die Beklagte setzt sich mit der „Kostenschätzung“ nicht auseinander. Dies wäre ihr angesichts des geführten Wettbewerbs und der späteren Beauftragung der Firma G. möglich gewesen.
176Die hinsichtlich des Wohn- und des Pflegegebäudes angesetzten anrechenbaren Kosten sind ebenfalls nicht explizit bestritten.
177cc)
178Die Klägerin hat hinsichtlich der beiden Wohngebäude die Honorarzone III angesetzt (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3 HOAI 2013) was nicht bestritten wird. Hinsichtlich des Bürogebäudes ist von der Honorarzone IV auszugehen. Die Beklagte hat trotz Hinweises keine Einwände gegen die Einstufung des Büros zur Honorarzone IV vorgebracht und sich mit der detaillierten Zuordnung in Anlage B7 nicht auseinandergesetzt.
179dd)
180Die Klägerin kann eine Vergütung auf Basis der insgesamt abgerechneten Leistungen verlangen. Dabei hat die Klägerin keine vollständige Erbringung der LP 1 und 2 angesetzt. Vielmehr hat sie die Grundleistungen der LP 1 jeweils nur zum Teil als erbracht abgerechnet (insgesamt 1,5% bzw. 1,3 % statt 2,0 %). Die Grundleistungen LP 2 e) und f) hat sie mit 0% angesetzt, die übrigen Grundleistungen jeweils mit einem Anteil. Für das Bürogebäude kommt sie auf 4,7 %, für das Wohngebäude auf 4,46 % und für das Pflegegebäude auf 3,65 % statt 7,0%. Dies ist zugrunde zu legen.
181Die Beklagte hat sich vorrangig darauf berufen, sie könne nicht beurteilen, ob die Bewertungen zutreffend seien. Dies stellt kein Bestreiten dar. Im Übrigen hat die Beklagte bestritten, „dass die Klägerin jeweils in dem beschriebenen Umfang Architektenleistungen erbracht habe“. Auch dies ist kein wirksames Bestreiten, da offenbleibt, was in welchem Umfang angegriffen wird. Dabei wäre der Beklagten eine konkrete Äußerung möglich. Sie hat Kenntnis von den Planungsleistungen erhalten.
182ee)
183Entgegen der Ansicht der Beklagten ist keine Abgrenzung zu den Wettbewerbsleistungen zu machen. Es handelt es sich um einen einheitlichen Auftrag, denn es wurde auf die im Wettbewerb erbrachte Planung aufgesetzt. Von einem einheitlichen Auftrag geht auch Ziffer 17 der Wettbewerbsbedingen aus, wonach „bereits erbrachte Leistungen“ bis zur Höhe des Honorars nicht erneut vergütet werden. Die Frage einer erneuten Vergütung von Wettbewerbsleistungen stellt sich aber nur dann, wenn die Wettbewerbsleistungen auch in die Leistungserbringung einzubeziehen sind. Ein solches Verständnis liegt auch der Entscheidung BVerfG BauR 2005, 1946 zugrunde: Demnach ist das Preisgeld nicht an den Mindestsätzen der HOAI zu messen, da noch kein Vertrag geschlossen ist. Weiter heißt es: „Wird die Planung später weitergeführt und umgesetzt, muss der Architekt, dessen Planung fortgeführt wird, allerdings nach der HOAI vergütet werden, wobei die im Wettbewerb erlangte Aufwandsentschädigung angerechnet werden kann“. Würde man das Preisgeld anrechnen, die erbrachte Leistung in die Honorarermittlung aber nicht einbeziehen, käme es zwangsläufig zu einer Mindestsatzunterschreitung.
184Entgegen der Ansicht der Beklagten kann Ziffer 17 der Wettbewerbsbedingen auch nicht so verstanden werden, dass mit dem Preisgeld alle im Wettbewerb erbrachten Leistungen abgegolten wären, unabhängig davon, welche Vergütung sich nach den Mindestsätzen der HOAI ergäbe. Ein solches Verständnis folgt auch nicht aus der Formulierung „bis zur Höhe des Honorars“ und der etwas abweichenden Formulierung gegenüber § 8 Abs. RPW 2013. Das Verständnis der Beklagten könnte im Einzelfall nämlich dazu führen, dass die Mindestsätze unterschritten würden. Vor allem aber kann nur das im Wettbewerb erlangte Entgelt als „Honorar“ gemeint sein, da ein anderes Honorar gar nicht feststand. Die Klägerin hat das Preisgeld/Honorar aus dem Wettbewerb insgesamt in Abzug gebracht.
185Auf Basis der Fortschreibung der Honorartafeln ergibt sich für das Bürogebäude der abgerechnete Betrag in Höhe von 205.139,65 € netto. Für die beiden anderen Gebäude errechnet sich ein Honorar von insgesamt 58.642,82 € netto. Abzuziehen sind sodann die 80.000 € Preisgeld. Hinzuzurechnen ist die Umsatzsteuer. Es ergibt sich eine offene Forderung in Höhe von 218.701,14 €.
1862.
187Für die nicht erbrachten Leistungen der Leistungsphasen 1 - 5 (Schlussrechnung vom 2.12.2019) steht der Klägerin kein Vergütungsanspruch zu. Insbesondere folgt ein solcher nicht aus §§ 650q, 648 S. 2 BGB iVm §§ 7 Abs. 5 und Abs. 1, 34 HOAI 2013.
188Denn die Rechtsfolgen einer freien Kündigung greifen hier nicht ein.
189a)
190Die Mail der Beklagten vom 18.3.2019 ist nach den §§ 133, 157 BGB aus der Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts zwar als Kündigung auszulegen, hat aber nicht zur Beendigung des Vertrages geführt, weil sie formunwirksam ist. Denn eine E-Mail erfüllt die Anforderungen der Schriftform gemäß der §§ 650q Abs. 1, 650h BGB nicht. Allerdings ist es im zeitlichen Zusammenhang mit der Mail zu einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung gekommen. Die Parteien waren darüber einig, dass die Klägerin die Planung nicht fortsetzt. So hat die Klägerin unter dem 9.4.2019 der Beklagten ihre bisherigen Planungsunterlagen sowie eine Rechnung über die erbrachten Leistungen übermittelt. Auch bei dem Gespräch am 3.6.2019 waren die Parteien darüber einig, dass die Zusammenarbeit beendet sei. Lediglich über die der Klägerin zustehende Vergütung konnte keine Einigung erreicht werden.
191b)
192Auf die Vertragsaufhebung ist vorliegend allerdings nicht die Rechtsfolge des § 648 BGB anwendbar.
193Kann das Verhalten der Parteien im Anschluss an eine formunwirksame Kündigung als konkludente Vertragsaufhebung gedeutet werden, ergeben sich im Regelfall ähnliche Rechtsfolgen wie bei einer wirksamen Kündigung (vgl. BeckOK BauVertrR/Fuchs, 24. Ed. 1.2.2024, BGB § 650r Rn. 25). Dies hat häufig die Auswirkung, dass hinsichtlich der Vergütung § 648 BGB anzuwenden ist (vgl. Grüneberg-Retzlaff BGB, 83. Auflage, 2024 § 650h Rn. 3).
194Vorliegend gilt allerdings etwas anderes, da der Beklagten im Zeitpunkt der Vertragsaufhebung ein Sonderkündigungsrecht zustand. Denn sie hätte im Zeitpunkt der einvernehmlichen Vertragsaufhebung oder zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Kündigung nach § 650r BGB hätte aussprechen können. Dann besteht kein Anspruch über die Zielfindungsphase hinaus (vgl. BGH NZBau 2023, 289; OLG Frankfurt NJW 2022, 3516).
195§ 650r Abs. 1 BGB gewährt dem Auftraggeber ein Sonderkündigungsrecht binnen zwei Wochen nach Vorlage der Unterlagen gemäß § 650p Abs. 2 BGB. Dieses stand der Beklagten noch zu.
196aa)
197Nach § 650q Abs. 2 BGB hat der Unternehmer zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung der wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele zu erstellen, soweit diese noch nicht vereinbart sind.
198An einer Vereinbarung der Planungsziele fehlt es, wenn nur so rudimentäre Leistungsziele vereinbart sind, dass der Unternehmer ohne eine konkretisierende Leistungsbestimmung des Bestellers nicht mit der „eigentlichen Planung“ beginnen könnte (vgl. BeckOK BauVertrR/Fuchs, 25. Ed. 1.5.2024, BGB § 650p Rn. 170). Bei der Planungsgrundlage geht es nicht um die eigentliche Planung, sondern um erste Skizzen oder Beschreibungen, auf denen die Planung dann aufbauen kann (vgl. BT-Drucksache 18/8486, S. 67). Hierauf stellt auch die Klägerin ab und betont, dass die „essentialia“ durch den Wettbewerb festgestanden hätten und die unterschiedlichen Varianten eine übliche Ausübung der Planung gewesen seien.
199Die Wesentlichkeit der nicht vereinbarten Leistungsziele ist jedoch nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv zu bestimmen. Selbst wenn objektiv genügend Leistungsziele vereinbart sind, können für den Besteller weitere Leistungsziele wesentlich sein, die noch nicht vereinbart sind. Ein Unternehmen, das beabsichtigt, das zu planende Gebäude später als Hauptverwaltung zu nutzen, wird ggf. sehr viel Wert auf eine repräsentative Gestaltung legen und der Funktion oder den Kosten weniger Gewicht zumessen (vgl. BeckOK BauVertrR/Fuchs, 25. Ed. 1.5.2024, BGB § 650p Rn. 171). Es lässt sich nicht objektiv allgemeingültig bestimmen, sondern hängt von dem konkreten Einzelfall ab, welche Leistungsziele für den Besteller wesentlich sind. So kann es der Vereinbarung von Leistungszielen entgegenstehen, wenn die Art des Daches, die Zahl der Geschosse oder ähnliche für die Planung grundlegende Fragen offen sind (vgl. BT- Drucksache 18/8486, S. 67). Für eine Vereinbarung sind zwei übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien erforderlich. Es reicht also nicht aus, dass der Besteller vorvertraglich bestimmte Leistungsziele einseitig festgelegt hat, vielmehr muss der Unternehmer diesen auch zustimmen (vgl. BeckOK BauVertrR/Fuchs, 25. Ed. 1.5.2024, BGB § 650p Rn. 175).
200Da kein ausdrücklicher Vertrag geschlossen wurde, ist der konkludent geschlossene Vertrag dahingehend auszulegen, ob die wesentlichen Planungsziele bereits vereinbart waren. Dies kann der Senat für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses gerade nicht feststellen. Vielmehr war der für alle erkennbar wesentliche Aspekt der Fassadengestaltung offen.
201Bei der Auslegung ist zu beachten, dass dem Vertragsschluss die Wettbewerbsphase vorausging. In den Auslobungsunterlagen waren zahlreiche Vorstellungen und Anforderungen seitens der Beklagten bereits formuliert. Im Hinblick auf die äußere Form und die Fassade fanden sich u.a. folgende Vorgaben:
202- Es wird erwartet, dass die Höhenentwicklung des neuen Gebäudes sich an die vorhandene Bebauung anpasst, sodass eine einheitliche Stadtkante ausgebildet wird. Dabei sollte sich das zukünftige Erscheinungsbild in der Massivität dem E. unterordnen.
203- Die Fassade des neuen Gebäudes hat sich in Bezug auf Farbgebung und Materialität der Umgebung anzupassen.
204In der Literatur wird darauf verwiesen, dass im Rahmen einer vom Auftraggeber formulierten Auslobung und einem entsprechenden Architektenwettbewerb die Planungsziele und Vorstellungen des Auftraggebers für das Vorhaben im Einzelnen klar geäußert seien, so dass es nach Verfolgung der in der Auslobung genannten Ziele durch die Architekten im Wettbewerb keine Zielfindungsphase mehr geben könne (vgl. Werner/Pastor aaO Rn. 666 m.w.N.; Kniffka/Koeble Teil 11, Rn 97). Durch den Architektenwettbewerb entsteht allerdings keine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Auslober und dem Architekten. Ob die Leistungsziele vereinbart sind, ist für den Zeitpunkt des (hier konkludenten) Vertragsschlusses zu entscheiden. Im Regelfall werden die in der Auslobung formulierten und von den Architekten bereits berücksichtigten Leistungsziele dann ausdrücklich oder konkludent vereinbart werden. Der Auslober wird nicht einseitig von seinen bereits formulierten Leistungszielen abrücken dürfen.
205Allerdings ist es nach Ansicht des Senates auch in einer Wettbewerbskonstellation nicht ausgeschlossen, dass sich vor Vertragsschluss zeigt, dass eben doch noch nicht alle für den Auslober wesentlichen Planungsziele in der Auslobung Anklang gefunden haben bzw. dass durch die Wettbewerbsbeiträge nicht alle Planungsziele adressiert wurden. Wenn bei einem konkludenten Vertragsschluss für den Auftragnehmer erkennbar ist, dass für den Auslober noch grundlegende Fragen der Planung offen sind, kann dies einer konkludenten Vereinbarung der Leistungsziele auf Basis der Wettbewerbsbedingungen im Einzelfall entgegenstehen. Dies war nach der Auslegung des Senates hier der Fall.
206Eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der §§ 133, 157 BGB ergibt, dass bei der Auftragserteilung noch nicht alle Planungsziele als vereinbart feststanden. Auf Basis des Wettbewerbsbeitrages der Klägerin bestand die grundlegende und noch offene Frage, wie die Fassade gestaltet werden könnte und müsste, damit sie einerseits den Anforderungen der Beklagten genügt, zugleich aber auch genehmigungsfähig war. Offen war, wie transparent bzw. geschlossen die Fassade wirken sollte. Dabei gab die Beklagte von Beginn an zu erkennen, dass
207- die Fassadengestaltung für sie ein wesentlicher, vorrangiger Aspekt war
208- sie hinsichtlich der offenen/geschlossenen Gestaltung nicht entschieden sei.
209Die Beklagte soll, so auch der Vortrag der Klägerin, direkt nach den ersten inhaltlichen Besprechungen vom 10.1.2019 eine Weiterentwicklung beider Varianten gefordert haben. Auch bei dem Kick-Off Gespräch am 18.12.2019 hatte die Beklagte durch Herrn J. geäußert, dass zunächst die Punkte aus dem Wettbewerbsprotokoll abgearbeiteten werden sollten (so der Zeuge H.). Die Preisjury hatte im Hinblick auf die Fassade deutliche Bedenken gegenüber dem klägerischen Entwurf geäußert und letztlich auf die Verleihung des 1. Preises verzichtet. Indem vor dem Hintergrund der Bedenken der Jury von der Beklagten zwei grundlegende Varianten der Fassadengestaltung gefordert wurden, war für die Klägerin ersichtlich, dass noch nicht alle für die Beklagte wesentlichen Planungsziele bereits vereinbart waren. Hierauf hat sie sich eingelassen.
210Angesichts dieses Umstandes und des Umstandes, dass bis zuletzt keine Lösung für die Fassade gefunden worden war, bestand bei Vertragsauflösung noch ein Sonderkündigungsrecht. Die hiergegen angeführten Argumente der Klägerin berücksichtigen zu wenig die besonderen Umstände. § 650r BGB soll nicht dem Bauherrn ein Kündigungsrecht geben, wenn er im Verlauf mit planerischen Details unzufrieden ist. Auch kann der Planungsprozess nicht von Anfang an mit zu vielen Details überfrachtet werden. Dem steht es aber nicht entgegen, dass die Parteien ein besonders wichtiges „Detail“ von Beginn an zur Grundlage der Zusammenarbeit erklären können. Zudem war vorliegend im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Beauftragung die Problematik der Fassade und deren hohe Bedeutung für die Beklagte und das Projekt insgesamt bekannt. Entsprechend stand die Fassade im Fokus der weiteren Planung und der Gespräche.
211Soweit die Klägerin zuletzt meint, die Beklagte habe sich schon für die geschlossene Variante entschieden gehabt, handelt es sich um neuen, unbeachtlichen Vortrag (§ 531 Abs. 2 ZPO).
212bb)
213Da keine vollständige Vereinbarung aller für die Beklagte erkennbar wesentlichen Planungsziele vorlag, stand der Beklagten noch ein Kündigungsrecht nach § 650r BGB zu. Denn es ist nicht ersichtlich, dass und wann die Klägerin der Beklagten die Planungsgrundlage iSd § 650p Abs. 2 BGB zur Zustimmung vorgelegt hätte
214Der Unternehmer muss zum Schutz des Bestellers kenntlich machen, dass er die Zielfindungsphase abschließen will. Er muss mit der Vorlage der Unterlagen deutlich machen, dass er zu diesem Zeitpunkt seine Leistungen aus der Zielfindungsphase für fertig gestellt hält und die Zustimmung des Bestellers zu den Unterlagen erwartet (vgl. OLG Frankfurt NJW 2022, 3516; BeckOK BauVertrR/Fuchs, 24. Ed. 1.2.2024, BGB § 650r Rn. 21; BeckOGK/Bernhard, 1.4.2024, BGB § 650r Rn. 6, Fuchs/O.-/Seifert, HOAI, 3. Aufl., 2022, § 650p, Rn. 187; Retzlaff, BauR 2023, 345, 351). Eine solche Erklärung hat die Klägerin soweit ersichtlich nie zum Ausdruck gebracht. Unerheblich ist, dass das Kündigungsrecht erst mit der Vorlage der Planungsgrundlagen entsteht (vgl. BGH NZBau 2023, 389). Nicht erbrachte Leistungen bis zum Ende der Zielfindungsphase sind huer nicht erkennbar und daher auch nicht zu vergüten.
2153.
216In Bezug auf den Hilfsantrag sind Klage und Berufung unbegründet.
217Der Senat hat über den Hilfsantrag zu entscheiden, da dieser ausdrücklich auch für den Fall gestellt ist, dass die Klage mit dem Hauptantrag nur teilweise als begründet angesehen wird.
218Der Klägerin steht aber kein Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung zu. Ein Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 97 UrhG. (Es ist das UrhG in der bis zum 7.6.2021 geltenden Fassung anzuwenden.)
219a)
220Die von der Klägerin vorgelegten Pläne/Visualisierungen sind teilweise schutzfähig iSd § 2 UrhG.
221Die Schutzfähigkeit einer architektonischen Leistung bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der Baukunst nebst ihren Entwürfen zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Baupläne, Entwürfe oder technische Zeichnungen genießen Urheberrechtsschutz, wenn sie eine originelle eigenschöpferische Darstellungsweise ausreichende schöpferische Individualität erkennen lassen (vgl. BGH BauR 2008, 1911). Demgegenüber sind bloße Ideen oder Anregungen nicht geschützt (vgl. BGH GRUR 2009, 1046).
222aa)
223Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen" Leistung gesprochen werden kann (vgl. BGH GRUR 2022, 899; GRUR 2021, 1290 Rn. 57; GRUR 2023, 571). Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (vgl. BGH aaO).
224In der Sache entsprechen diese Maßstäbe dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (BGH GRUR 2021, 1290). Dabei handelt es sich um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen und anzuwenden ist (EuGH, Urteil vom 13.11.2018 - C-310/17, GRUR 2019, 73 = WRP 2019, 55 - Levola Hengelo; Urteil vom 12.09.2019 - C-683/17, GRUR 2019, 1185 = WRP 2019, 1449 - Cofemel). Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH GRUR 2019, 73 - Levola Hengelo; GRUR 2019, 1185 - Cofemel; EuGH, Urteil vom 11.06.2020 - C-833/18, GRUR 2020, 736 = WRP 2020, 1006 - Brompton Bicycle). Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (vgl. EuGH GRUR 2019, 1185 - Cofemel; GRUR 2020, 736 - Brompton Bicycle).
225Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH GRUR 2019, 73 - Levola Hengelo; GRUR 2019, 1185 Rn. 29 - Cofemel; GRUR 2020, 736 - Brompton Bicycle). Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung (EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 32 - Cofemel; GRUR 2020, 736 - Brompton Bicycle), auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte (EuGH GRUR 2019, 73 - Levola Hengelo).
226Zusammenfassend: Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Objekt um ein Original in dem Sinne handeln, dass es sich als eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt, zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche geistige Schöpfung zum Ausdruck bringen (so auch: OLG Düsseldorf Urteil vom 11.1.2024, Az: I-20 U 36/23).
227Weiterhin darf keine zu geringe Gestaltungshöhe gefordert werden. Es ist zwischen einer lediglich den technischen Regeln der Baukunst folgenden oder den Zwängen der baulichen Gegebenheiten unterliegenden und damit keine freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringenden Gestaltung und einer den Werkcharakter kennzeichnenden künstlerischen Leistung zu unterscheiden (vgl. BGH GRUR 2021, 1290). Hiermit steht im Einklang, dass bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (vgl. BGH GRUR 2023, 571). Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen, ist der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maße die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt. Eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe führt zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werks (vgl. BGH GRUR 2023, 571; BGH NJW 2014, 469), so dass dann ggf. nur ein Schutz vor einem direkten Plagiat besteht.
228Das Merkmal der Gestaltungshöhe bezieht sich auf den Grad der Individualität, den ein geistiges Erzeugnis besitzen muss, um eine persönliche geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 2 UrhG zu sein. Es handelt sich bei dem Merkmal um den quantitativen Gesichtspunkt der Individualität des Werkes (Wandtke/Bullinger/Bullinger, 6. Aufl. 2022, UrhG § 2 Rn. 23, beck-online), also quasi die Maßeinheit. Je größer die Originalität, desto umfassender ist der Schutzumfang (BeckOK UrhR/Rauer/Bibi, 44. Ed. 1.11.2024, UrhG § 2 Rn. 151, beck-online).
229Die originelle eigenschöpferische Darstellungsweise kann sich dabei aus der Gesamtgestaltung des Bauwerkes, aber auch aus Einzeldetails (vgl. BGH BauR 1999, 272: Treppenhaus; BGH GRUR 2008, 984: Kirchenraum) oder auch der Einordnung in die Umgebung (vgl. BGHZ 24, 55) ergeben. Ist nur ein Detail geschützt, begründet dieses kein Urheberrecht für das gesamte Gebäude (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2016, 156; OLG Jena, Urteil vom 23.12.1998, Az: 2 U 799/96). Auch die Zuordnung von Einzelgebäuden eines Ensembles kann urheberrechtsschutzfähig sein (vgl. OLG München ZUM 2001, 339).
230bb)
231In erster Instanz hat sich die Klägerin vorrangig auf den Urheberschutz betreffend die bei dem Wettbewerb eingereichte Planung (nachfolgend „Wettbewerbsplanung“ oder „Wettbewerbsentwurf“) bezogen.
232Dass die Klägerin vorrangig auf die Wettbewerbsplanung abstellte, folgt daraus, dass sie zur Begründung des Werkschutzes auf die Begründung des Preisgerichts Bezug genommen hat. Auch das von ihr vorgelegte Gutachten (Anlage K 16) vergleicht die Wettbewerbsplanung mit der Planung der Firma G. Im weiteren Verlauf der ersten Instanz hat die Klägerin, was sie mit der Berufung auch betont, ergänzend auf Planungen abgestellt, die sie in einem späteren Stadium erbracht hat. Denn in der Anlage K17 finden sich auch überarbeitete Planungen aus Februar/März 2019.
233In erster Instanz hat sich die Klägerin auf das Bürogebäude als Ganzes als auch auf wesentliche Einzelelemente (wie Atrium, M., Traufkante, und die sich bis über die Dachflächen gezogene Fassade als „übergeordnetes Gewand“) bezogen. Weiter hat sie auf die städtebauliche Planung als Gesamtkonzept abgestellt.
234Soweit die Klägerin nunmehr auch ausdrücklich auf die beiden Wohngebäude als Einzelgebäude abstellt, waren diese in erster Instanz nur mittelbar von ihr herangezogen worden, da diese Gebäude Gegenstand des als Anlage K 16 vorgelegten Privatgutachtens waren. Ob es sich insoweit um eine Klageerweiterung oder nur eine Ausschärfung der Begründung handelt, kann aber dahinstehen, da die Gestaltung der beiden Wohnhäuser keinen eigenständigen Urheberschutz genießt.
235Unter Anwendung der zunächst abstrakt dargestellten Grundsätze gilt für die einzelnen Planungen und Planungselemente folgendes:
236cc)
237Im Hinblick auf das Bürogebäude kommt dem Wettbewerbsentwurf der Architekten H. (nachfolgend vereinfachend „der Klägerin“) unproblematisch Werkschutz zu. Die im Wettbewerb vorgelegte Planung des Bürogebäudes stellt eine originelle, eigenschöpferische Darstellung mit einer nicht unerheblichen Gestaltungshöhe dar. Die Gesamtgestaltung des Bürogebäudes ist ungewöhnlich und durchaus individuell gestaltet, was der Senat aus eigener Sachkunde als Bausenat beurteilen kann.
238Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass Mitglieder eines fachspezifischen Spruchkörpers regelmäßig hinreichenden Sachverstand haben, um die Schutzfähigkeit und Eigentümlichkeit eines Werks der bildenden Kunst zu beurteilen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruchsteller sich für den behaupteten Rang des Werks auf dessen Eindruck und Form und nicht auf die Beurteilung in der Kunstwelt stützt (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2021 – I ZR 193/20 –, Rn. 51, juris).
239Die Klägerin selbst hat sich zu den Merkmalen, aus denen sich die Schöpfungshöhe ergibt, vorrangig auf das Gutachten P. bezogen. Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Klägerin, nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll (BGH GRUR 2012, 58 Rn. 23 f; GRUR 2023, 571 Rn. 21). Nähere Darlegungen sind aber entbehrlich, wenn sich die maßgeblichen Umstände schon bei einem bloßen Augenschein erkennen lassen. In solchen einfach gelagerten Fällen kann der Kläger seiner Darlegungslast bereits durch Vorlage des Werkes oder von Fotografien des Werkes genügen (vgl. BGH, GRUR 2012, 58).
240In dem Gutachten (Anlage K 16) attestiert der Sachverständige dem Wettbewerbsentwurf einen unverwechselbaren Charakter. Er erwähnt dabei den gläsernen, skulpturalen Baukörper, der mit gestalterischer Eigenheit geformt sei. Der Baukörper sei das Ergebnis von eigenschöpferischen, individuellen Überlegungen. Die Gestaltung des gesamten Baukörpers, der kristalline Dachaufbau, die transparente Fassade und die innere Grundrisskonzeption höben sich von anderen Entwürfen deutlich ab. Die geneigten Dachflächen, die trapezförmigen Außenterassen, die leichte Verdrehung der Dachgeschosse und das konisch zulaufende Atrium erzeugten eine einmalige Dachlandschaft. Der kristalline Dachabschluss werde plastisch durchgeformt und die transparente Gebäudehülle werde über die Dachgeschosse gezogen. Die schrägen Glasflächen bewirkten in Kombination mit den Brüstungselementen eine unverwechselbare plastische Erscheinung. Der gläserne Glaskörper besteche durch sein innovatives Auftreten. Der Innenraum steche durch das Atrium besonders hervor. Dadurch ergebe sich eine interessante transparente Blickbeziehung von der Straße zum D. Auch die freispannenden Brücken seien eine besonders eigenschöpferische und individuelle Planungsleistung. Die Beklagte wendet sich nicht gegen diese Einschätzung.
241Der mit Gebäuden jeglicher Art vertraute Senat vermag aus eigener Anschauung zu beurteilen, dass die Gestaltung des Bürogebäudes gemäß Wettbewerbsplanung in der Außenansicht aber auch in Kombination mit dem Atrium (Sichtachse) sich in seiner Gesamtwirkung erheblich vor vorbekannten Gestaltungen unterscheidet. Individuell ist die gänzlich gläserne und dadurch leicht und durchlässig wirkende Ausführung, die im unteren Bereich durch die rechteckige Strukturierung leicht an ein Gewächshaus erinnert, dann aber im oberen Bereich durch Dreiecke aufgebrochen wird bzw. in diese übergeht und so eine kristalline Struktur nachzeichnet, wodurch das Gebäude eine moderne Eleganz gewinnt. Diese Kombination ist ebenso wie die Integration eines verfremdeten bzw. abgeänderten Walmdaches in die Fassade nach dem Erfahrungsschatz des Senates innovativ und von hoher künstlerischer Gestaltung.
242Zu der durchlässigen, asymmetrisch geprägten Erscheinung des Gebäudes in seiner Gesamtheit (gemäß Wettbewerbsentwurf) trägt auch das Atrium bei. Sowohl die Idee der doppelten Adressführung und der Sichtachse an sich als auch die Grundrissgestaltung des Wettbewerbsentwurfes greifen die Themen der Durchlässigkeit und diamantenen Struktur durch die trapezförmigen Abschnitte und die insgesamt schräge Linienführung auf. Zwar sind dem Senat durchaus auch ältere Bürogebäude mit Sichtachsen durch das Gebäude bekannt (z.B. Stadttor A.-Stadt). Auch sind Atrien eine bewährte Möglichkeit, in größeren Gebäuden für Licht, Luft und kommunikative Räume zu sorgen. Der Wettbewerbsbeitrag zeichnet sich aber nicht nur durch ein Atrium oder eine Sichtachse aus. Denn die im Dachbereich ersichtliche schräge Linienführung und Asymmetrie wird im Atrium und den Ausschnitten im Dach aufgegriffen. So waren im Wettbewerbsentwurf die an das Atrium grenzenden Büroräume ihrerseits schräg angeordnet, wodurch das Atrium und der Luftraum in drei aneinander grenzende Trapeze gegliedert war. Auch die Brücken über den Luftraum waren konisch/trapezförmig geformt. Ausgehend von dem Wettbewerbsentwurf nimmt das Atrium jedenfalls an der schöpferischen Gestaltung und dem Urheberschutz teil.
243Andere Aspekte des Entwurfes hingegen begründen keine eigene schöpferische Gestaltung. So war die Traufhöhe (22m) bereits im Wettbewerb vorgegeben. Auch die Lage der Tiefgarageneinfahrt richtete sich nach den örtlichen Gegebenheiten und einem Hinweis des Preisgerichts und war nicht das Produkt einer gestalterischen Schöpfung. Der Grundriss der Etagen genießt schon nach dem Vortrag der Klägerin keinen urheberrechtlichen Schutz, da dieser in Bürogebäuden funktional und flexibel zu gestalten ist.
244Aus den gleichen Gründen kommt auch dem Wettbewerbsentwurf insgesamt ein Schutz zu, wie es auch bereits das Landgericht angenommen hat.
245dd)
246Die Wohngebäude genießen keinen individuellen Werkteilschutz, sondern haben nur in der Gesamtkonzeption an dem Urheberschutz des Gesamtentwurfes teil. Sie tragen zu der schöpferischen Gestaltung (Originalität) des Gesamtentwurfes allenfalls in geringem Maß bei. In Bezug auf die Wohngebäude waren diverse Aspekte bereits durch die technischen, funktionalen und räumlichen Vorgaben determiniert und ließen nur einen geringeren individuellen Gestaltungsspielraum. Hier waren die Funktionen und ein Flächenprogramm (Raumprogramm) vorgegeben, z.B.: 30 WE Eigentumswohnungen mit ca. 4.000 m² BGF etc). Rahmenbedingungen ergaben sich weiter aus dem Bebauungsplan (Geschosse, Baulinien) und der Form des Grundstückes. Die zur Straße gelegenen Fassaden waren vertikal zu gliedern. Einzelne Fassadenteile sollten durch deutliche Vertikalen abgegrenzt werden und Fensteröffnungen mussten einen vertikalen Zuschnitt haben (s. Bl. 24 der Auslobung).
247Der Senat vermag im Hinblick auf die Gestaltung der beiden Wohngebäude keine ausreichend originelle eigenschöpferische Gestaltung zu erkennen, so dass diesen alleine kein individueller Werkteilschutz zukommt. Hierzu hat die insofern darlegungsbelastete Klägerin auch nichts vorgetragen. Bei Gebrauchsgegenständen, bei denen die Möglichkeiten einer künstlerisch-ästhetischen Ausformung eingeschränkt sind, stellt sich in besonderem Maß die Frage, ob die gewählte Form durch den Gebrauchszweck technisch bedingt ist. Deshalb muss bei derartigen Werken der angewandten Kunst genau und deutlich dargelegt werden, inwieweit der Gebrauchsgegenstand über seine von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet ist (vgl. BGH GRUR 2012, 58).
248Wie bereits dargestellt, sind Alltagsbauten, die lediglich das bekannte architektonische Formenrepertoire wiederholen und sich nicht aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens herausragen nicht geschützt (vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, 6. Aufl. 2022, UrhG § 2 Rn. 109). Die Klägerin legt nicht dar, bei welchen Elementen der Gebäude (außer der Grundrisse) sie einen Gestaltungsspielraum hatte und inwiefern sie diesen in eigenschöpferischer Gestaltung ausgeübt hat. Den vorgelegten Bildern der Fassaden vermag der Senat jedenfalls keine Elemente zu entnehmen, die für sich oder in ihrer Kombination den bekannten Formenschatz verlassen und eine neue Gestaltung begründen würden. Die Gliederung der Fassade des Wohnhauses durch Vor- und Rücksprünge ist bewährt und findet sich bereits in ähnlicher Form in dem benachbarten Bestandsgebäude. Im Übrigen waren für das C.-Straße und die Q.-Straße eine Höhe von 22m für den Abschluss des 6. Vollgeschosses vorgegeben, zurückspringend konnte ein 7. Geschoss errichtet werden (Anlagenband Klägerin, Bl. 264, 305). Auch bodentiefe Fenster und Balkone sind weder für sich noch in der strengen Anordnung originell oder zeugen von kreativem Schaffen, zumal eine vertikale Gliederung vorgegeben war.
249Auch das Gutachten des Architekten P. legt hinsichtlich der Wohngebäude keine Originalität oder Individualität dar. Ein „hohes gestalterisches Niveau“ genügt hierfür nicht. Dass die Kombination bekannter Gestaltungselemente in ihrer Gesamtheit den Eindruck eines gefälligen, soliden und auch hochwertigen Bauwerks erweckt, kann einen Urheberschutz nicht begründen. Nötig ist ein eigenständiger individueller Umgang mit dem bekannten Formengut (Wandtke/Bullinger/Bullinger, 6. Aufl. 2022, UrhG § 2 Rn. 109).
250ee)
251Der städtebaulichen Komposition (Grundriss) kommt kein eigener Werkschutz zu, sondern sie hat nur an dem Urheberschutz des Gesamtentwurfes teil.
252Soweit die Klägerin darauf abstellt, die vertikale Aufteilung bzw. die Aufteilung auf drei Gebäude sei nicht vorgegeben gewesen, so begründen diese Aspekte im Kern eine „Idee“ zur Aufteilung des Grundstückes. Ideen oder Anregungen sind allerdings nicht geschützt. Nimmt man diese grundlegende Idee heraus, dann stellt die städtebauliche Komposition bzw. der Grundriss keine originelle, eigenschöpferische Darstellung mit einer nicht unerheblichen Gestaltungshöhe mehr dar. Es fehlt dann an einer, über die von der Funktion vorgegebene Form hinaus, künstlerischen Gestaltung mit einer den Urheberschutz rechtfertigenden Gestaltungshöhe.
253Wie bereits erwähnt, waren die Funktionen und ein Flächenprogramm (Raumprogramm) vorgegeben, z.B.: 30 WE Eigentumswohnungen mit ca. 4.000 m² BGF etc. Weitere Rahmenbedingungen ergaben sich weiter aus dem Bebauungsplan (Geschosse, Baulinien) und der Form des Grundstückes. Auch die Zuordnung verschiedener Funktionen zu verschiedenen Gebäude ist nicht neu, sondern findet sich im A.-Stadt Stadtbild häufig. Selbst die unmittelbare Umgebung am D.-Ufer weist reine Wohngebäude als auch reine Bürogebäude (z.B. R.-Kanzlei) auf. Die Ausrichtung des gut vermarktbaren Privatwohnens zum D. und die Ausrichtung des Seniorenwohnens zur O.-Straße folgen ebenfalls der Funktion. Die schräg verlaufende Grenze zwischen Wohnen und Büro trägt einerseits zur Gesamtgestaltung des Bürogebäudes bei, ist aber auch vor den äußeren Gegebenheiten des sich nach hinten verbreiternden Grundstücks und der guten Vermarktbarkeit von zum D. gelegener Balkone zu sehen.
254Die Idee der vertikalen Aufteilung verfolgten nach der Stellungnahme der Firma G. gegenüber der Architektenkammer (Anlage B2) auch andere Wettbewerbsteilnehmer. Auf Basis der Idee einer vertikalen Aufteilung ist es aber nahezu zwingend, die Wohnnutzung an die vorhandene Wohnbebauung anzuschließen und der Büronutzung die Südseite des Grundstücks zuzuweisen, gegenüber dem als Museum genutzten E. Auf dem von der Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vorgelegten Bild des Wettbewerbsbeitrages der Architekten S. (Bl. 296 GA OLG) ist ebenfalls eine vorwiegend vertikale Aufteilung mit zumindest zwei - weitgehend getrennten - Gebäudeteilen zu erkennen. Auch dort schließt sich die Wohnnutzung räumlich und gestalterisch an die bestehende Wohnbebauung an, wohingegen sich das Bürogebäude gestalterisch abhebt. Auch hier sind eine Freifläche und eine Sichtachse zum D. hin erkennbar. Im Wettbewerbsbeitrag der Architekten T. scheint der Schwerpunkt der Wohnfläche ebenfalls im Anschluss an die vorhandene Wohnbebauung vorgesehen zu sein, wohingegen der Büroteil (vom D. aus betrachtet) rechts gelegen ist. Auch die Fassade der Funktionsbereiche ist – trotz einheitlichen Gebäudes – deutlich unterschiedlich anderweitig gestaltet.
255Soweit die Klägerin darauf abstellt, sie habe als einzige drei komplett separate Gebäude vorgesehen, ist dies nur eine als solche nicht geschützte Idee.
256Aus den dargelegten Erwägungen kommen dem Zuschnitt und der Anordnung der Gebäude (Grundriss) kein Teileschutz (eigener urheberrechtlicher Schutz) zu. Zwar kann die Anordnung mehrerer Gebäude zueinander und zur unmittelbaren landschaftlichen Umgebung in besonderen Fällen als kunstschutzfähiger Ausdruck künstlerischen Schaffens gewertet werden (vgl. BGH GRUR 1957, 391, beck-online). Auch Bauwerke, die in erster Linie einem Gebrauchszweck dienen, sind urheberrechtlich geschützt, wenn sie die für eine persönliche geistige Schöpfung erforderliche Individualität aufweisen. Diese Individualität kann auch in der Einfügung oder Anpassung des Bauwerkes in seine Umgebung oder in die Landschaft zum Ausdruck kommen (vgl. BGH GRUR 2011, 59 Rn. 23, beck-online). Dies ist hier aber nicht der Fall. Legt man die Idee der vertikalen Aufteilung zugrunde, so ist die Anordnung der Gebäude aus ihrer Funktion heraus nahezu zwingend. Auch die Planung eines lichtspendenden Atriums und dessen Anordnung in ost-westlicher Richtung ist angesichts der Lage am D. und der länglichen Form des Büroteils vorrangig vorgegeben, da Büros in Deutschland möglichst ausreichend Tageslicht haben müssen (Ziffer 3.4 Anhang zur Arbeitsstättenverordnung).
257Auch besteht nach den vorgelegten Entwürfen allenfalls eine geringe Beziehung der Gebäude zueinander und keine besondere Anordnung der Gebäude im Verhältnis zu ihrer Umgebung. Anders als die Klägerin meint, vermag der Senat den Charakter einer Gesamtanlage nicht zu erkennen. Die Gebäude verweisen in ihrer Gestaltung nicht aufeinander, sondern stehen quasi unbeteiligt nebeneinander. Das Wohnhaus am D. lehnt sich eher an die Gestaltung der Bestandsgebäude an, wohingegen das Bürogebäude eine gestalterische Spannung zum Bestand erzeugt. Der Gesamteindruck wird durch das dominante Bürogebäude geprägt, hinter dem die anderen Gebäude zurücktreten. Allenfalls die Höhenlinien des Seniorenwohnens leiten von der Bestandsbebauung über zu dem hohen Bürogebäude. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall auch eine Bauaußenkante für sich alleine eine zur Zubilligung des Urheberrechtsschutzes hinreichende schöpferische Gestaltungskraft aufweisen kann (vgl. BGH GRUR 1989, 416). Im Regelfall wird der eigenschöpferische Gesamteindruck der Vorderseite eines Gebäudes aber weniger durch den Verlauf der Bauaußenkante bestimmt, als durch die Fassadengestaltung selbst (vgl. BGH GRUR 1989, 416). So liegt es auch hier. Die Anmutung des Bürogebäudes und der Wohngebäude wird durch die Anordnung zueinander und auch die (zumal von außen nicht sichtbare) schräge Grenzziehung nicht geprägt.
258ff)
259Soweit die Klägerin ergänzend auf spätere Planungen abstellt, kann der Senat nur das beurteilen, was die Klägerin durch Bilder bzw. Skizzen dokumentiert hat.
260Die Abbildungen Anlagen 18 und 20 zur Anlage K17 zeigen im Wesentlichen einen Kubus, ohne Details zur Fassaden-/Dachgestaltung, so dass nicht von einer individuellen schöpferischen Gestaltung auszugehen ist. Dafür lassen die Bilder zu wenig erkennen (vgl. hierzu: BGH GRUR 1988, 533). Gleiches gilt hinsichtlich der erstmalig in dem nachgelassenen Schriftsatz vorgelegten Bilder Bl. 293 GA OLG. Unabhängig davon, ob es sich insoweit nicht hierbei um einen neuen Streitgegenstand handelt, fehlt es an jeglichen Angaben dazu, wann diese Visualisierungen erstellt worden sein sollen und ob sie der Beklagten zugänglich gemacht wurden.
261Die Anlage 19 der Anlage K17 (Perspektive Stand 5.2.2019) zeigt das Gebäude von der D.-Seite, wobei die Südseite nur in Ansätzen zu erkennen ist und die Ostseite gar nicht. Die vorgelegte Visualisierung der Westseite Variante „geschlossene Gestaltung“ D.-Seite (Bl. 247 GA OLG) erscheint hierzu zumindest sehr ähnlich. Auch wenn die Visualisierung im Wesentlichen nur die Westseite zeigt, kann festgestellt werden, dass auch diesen Überarbeitungen Urheberrechtsschutz zukommt. Auch die im Vergleich zum Wettbewerbsentwurf überarbeitete Planung des Innenbereiches ist noch eine originelle Eigenschöpfung.
262b)
263Soweit eine Schutzfähigkeit der Planung vorliegt, ist keine Verletzung des geschützten Werkes in seinem Schutzbereich festzustellen.
264Die Klägerin stützt sich auf eine unerlaubte Vervielfältigung nach § 16 UrhG. Vervielfältigung ist jede körperliche Festlegung, die geeignet ist, ein Werk auf irgendeine Weise den menschlichen Sinnen unmittelbar oder mittelbar zugänglich zu machen (Wandtke/Bullinger/Heerma, 6. Aufl. 2022, UrhG § 16 Rn. 4, beck-online). Darunter fällt auch eine erstmalige Verkörperung des Werkes. Unstreitig hat die Beklagte das Objekt nicht 1:1 nach den Vorentwürfen und Visualisierungen der Klägerin errichten lassen. Die Klägerin stützt sich darauf, es seien wesentliche Aspekte übernommen worden.
265Zu den Vervielfältigungen zählen nicht nur Nachbildungen, die mit dem Original identisch sind. Vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers werden vielmehr auch solche Werkumgestaltungen erfasst, die sich daher trotz einer vorgenommenen Umgestaltung noch im Schutzbereich des Originals befinden, weil dessen Eigenart in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht. In einer nur unwesentlichen Veränderung einer benutzten Vorlage ist nicht mehr als eine Vervielfältigung iSd § 16 UrhG zu sehen. Eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung setzt eine wesentliche Veränderung der benutzten Vorlage voraus. Ist die Veränderung einer benutzten Vorlage so weitreichend, dass die Nachbildung über eine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfügt und die entlehnten eigenpersönlichen Züge des Originals angesichts der Eigenart der Nachbildung verblassen, liegt keine Vervielfältigung iSd § 16 UrhG vor, sondern ein selbstständiges Werk, das in freier Benutzung des Werks eines anderen geschaffen worden ist und das nach § 24 Abs. 1 UrhG aF/§ 23 Abs. 1 S. 2 UrhG nF ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf (vgl. BGH GRUR 2022, 899 Rn. 56, beck-online).
266Daraus ergibt sich eine abgestufte Prüfungsfolge (vgl. BGH GRUR 2022, 899; BGH GRUR 2023, 571):
267Zunächst ist festzustellen, welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werks bestimmen. Sodann ist durch Vergleich der einander gegenüberstehenden Gestaltungen zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der neuen Gestaltung eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden sind. Maßgebend für die Entscheidung ist letztlich ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind. Stimmt danach der jeweilige Gesamteindruck überein, handelt es sich bei der neuen Gestaltung um eine Vervielfältigung des älteren Werks. Es ist dann – soweit erforderlich – zu prüfen, ob die neue Gestaltung gleichwohl so wesentliche Veränderungen aufweist, dass sie nicht als reine Vervielfältigung, sondern als (unfreie) Bearbeitung oder andere Umgestaltung des benutzten Werks anzusehen ist. Weicht der jeweilige Gesamteindruck voneinander ab, liegt jedenfalls weder eine Vervielfältigung noch eine Bearbeitung vor (vgl. BGH GRUR 2014, 65 Rn. 38 – Beuys-Aktion; BGH GRUR 2015, 1189 Rn. 41 – Goldrapper; BGHZ 211, 309 = GRUR 2016, 1157 Rn. 21 – auf fett getrimmt).
268Eine neue Gestaltung greift dann nicht in den Schutzbereich eines älteren Werks ein, wenn ihr Gesamteindruck vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise abweicht, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind. Auch der Rechtsprechung des EuGH ist zu entnehmen, dass sich der Schutzbereich der Verwertungsrechte zwar einerseits auf eine Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke und Leistungen in veränderter Form erstreckt, andererseits aber auf eine Nutzung dieser Werke und Leistungen in wiedererkennbarer Form beschränkt ist (vgl. BGH GRUR 2022, 899).
269Zu beachten ist weiter, dass ein Eingriff in den Schutzbereich eines Werks nur bejaht werden kann, wenn die schutzrelevanten Gestaltungsmerkmale berührt sind (BeckOK UrhR/Rauer/Bibi, 44. Ed. 1.11.2024, UrhG § 2 Rn. 150). Was schutzlos ist (zB die Idee, der Stil, der schutzlose Werkteil) darf verwendet werden (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 23 Rn. 3). Insofern kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Firma G. bei der endgültigen Planung – in Abkehr von ihrem Wettbewerbsentwurf – gewisse grundlegende Ideen (vertikale Aufteilung) oder allgemein bekannte Gestaltungsmerkmale (Walmdach) übernommen hat.
270Unter Anwendung der dargestellten Grundsätze ist ein Eingriff in den geschützten Bereich der Werke der Klägerin nicht feststellbar.
271Im Einzelnen:
272aa)
273Vergleicht man zunächst den Wettbewerbsentwurf insgesamt und hinsichtlich des Bürogebäudes mit der Planung der Firma G., sind dessen charakteristische schöpferische Züge entweder nicht oder nur in Ansätzen übernommen worden. Dabei stellt das Landgericht zutreffend darauf ab, dass gerade besonders charakteristische und den Gesamteindruck prägende eigenschöpferische Züge nicht übernommen wurden. Der eigentliche Fassadenteil ist im Wettbewerbsentwurf wenig strukturiert und transparent gehalten („Gewächshaus“). Die Fassade ist eher dezent und zurückhaltend strukturiert. Die Linienführung verspringt an diversen Stellen (wobei dies auch an einem Durchscheinen des Innenausbaus liegen kann). Dagegen ist die Planung von G. von zahlreichen gerade verlaufenden Linien und einer engmaschigen, strengen Struktur geprägt (Sachverständiger: „U.“). Die Fassade ist stärker strukturiert.
274Ebenso wie bei dem Entwurf der Klägerin findet sich allerdings das Material der Fassade auch in der Dachfläche, wodurch zudem das Dach ebenso „transparent“ gestaltet wird wie die Fassade.
275Ebenfalls setzen der Wettbewerbsentwurf und die Planung von G. im Wesentlichen auf dem bekannten Element des Walmdaches auf. In dem Wettbewerbsentwurf der Klägerin wird diese klassische Form jedoch in besonderer Art und Weise abgewandelt. Durch verschiedene Asymmetrien, den leicht verdrehten Dachaufbau und die Dreiecksflächen entsteht eine kristalline Anmutung. Dies findet sich bei G. nicht. Vielmehr wird hier die strenge Linienführung der Fassade im Dachbereich konsequent fortgesetzt und gerade nicht durch Unregelmäßigkeiten aufgebrochen. Zwar sind Ausschnitte im Dachbereich vorgesehen. Diese Ausschnitte lockern das – gegenüber der Gestaltung der Klägerin – klassisch wirkende Walmdach lediglich etwas auf, ohne annähernd die bei der Klägerin durch die schräge Linienführung erreichte unregelmäßige, kristalline Anmutung und dynamische Spannung zu erzeugen.
276Der Senat übersieht nicht, dass auch bei der Gestaltung der G. das Dach die Struktur der Fassade aufnimmt, sich also das Material des Schrägdaches und der Fassade nicht wesentlich unterscheiden. Dies ist eine originelle Gemeinsamkeit, durch die sich beide Gebäude auch erheblich von anderen Gebäuden unterscheiden. Während die Klägerin aber eine eher unregelmäßige, originelle Version des Walmdaches vorsah, lehnt sich G. stark an die klassisch strenge Form des Walmdaches an.
277Auch entsteht bei der Lösung der Firma G. nicht der Eindruck einer das gesamte Gebäude überspannenden Hülle, des so genannten gläsernen Gewandes. Anders als bei dem Entwurf der Klägerin markiert bei G. eine horizontale, durchlaufende Linie den Abschluss der Fassade und den Beginn des Daches. Dies ist auch auf der zuletzt vorgelegten Visualisierung (S. 9 d. SS vom 15.1.2025 = Anlage 19 zur Anlage K17) ersichtlich. Auch durch die auf gleicher Höhe wie der Übergang zum Dach befindliche Terrasse (Einschnitt) wird optisch eine deutliche Zäsur zwischen Fassade und Dachschräge erreicht. Bei dem Entwurf G. wird trotz der gleichen Materialien gerade kein nahtloser Übergang von der Fassade zum Dach erzeugt, sondern stärker an gewohnte Gestaltungen (Dach hebt sich von Fassade ab) und Sehgewohnheiten angeknüpft. Demgegenüber scheint die Klägerin den Eindruck des nahtlosen Übergangs auch dadurch zu erreichen, dass bei dem Wettbewerbsentwurf z.T. zwischen 6. und 7. OG bereit eine leichte Schräge der Fassade vorgesehen war. Bei dem Entwurf von G. gibt es nur eine einheitliche Neigung.
278Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, unterscheiden sich die Planungen in Bezug auf das Äußere des Gebäudes trotz gewisser Anlehnungen insbesondere in der Gesamtwirkung. Die insoweit sehr treffenden Ausführungen des Landgerichts macht sich der Senat zu eigen. Eine hohe Ähnlichkeit in der Gesamtwirkung wird auch nicht durch die Gemeinsamkeit einer Sichtachse durch das Gebäude hergestellt, da eine solche von nur geringerer Individualität ist und den Wettbewerbsentwurf insgesamt nicht maßgebend prägt.
279Auch bei dem „Gesamtensemble“ sind allenfalls grundlegende Ideen übernommen worden, denen allerdings entweder schon keine eigenschöpferische Gestaltung zukommt (s.o.) oder die den Gesamteindruck nicht prägen. So wird der äußere Gesamteindruck nicht durch die Größe und Ausrichtung der Gebäude zueinander geprägt, da sich die Wohngebäude ohnehin eher an der Bestandsbebauung orientieren. Zudem wird der Gesamteindruck jeweils durch die Erscheinung des Bürogebäudes überlagert und geprägt. Der äußere Gesamteindruck des Bürogebäudes ist aber ausreichend unterschiedlich.
280Hinsichtlich des Seniorenwohnens legt der Sachverständige zudem Unterschiede zwischen der Planung der Klägerin und der G. dar. So leite das von G. geplante Gebäude nicht konsequent den Übergang zu den Höhen des Bürogebäudes über und die Fassade lehne sich an der Fassade des Wohnhauses an, wodurch die Gesamtidee der Klägerin (drei unterschiedliche Baukörper) nicht weitergeführt werde.
281Der Senat verkennt auch nicht, dass sowohl die Klägerin als auch G. ein durchlaufendes Atrium als Blickachse vorsehen, wobei dieses durch zwei Brücken überspannt und rechts und links von Büros begrenzt wird. Dabei greift die Wettbewerbsplanung der Klägerin im Inneren stark die schräge Linienführung des Äußeren auf. Dies sowohl hinsichtlich der Abgrenzung der Büroriegel als auch bei den überspannenden Brücken, so dass der Raum in drei gleichschenklige Trapeze unterteilt wird. Diese eher leichte aber auch unruhige Gestaltung greift die Dachstruktur auf und unterstreicht den durch das Dach des Gebäudes geprägten Gesamteindruck im Inneren. Die Planung G. unterscheidet sich hinsichtlich der Grundrisse stark dadurch, dass der südliche Büroriegel durch eine gerade Wand begrenzt und auch nicht unterbrochen ist. Die gegenüberliegende Seite ist jeweils zwar schräg zulaufend gestaltet, aber ebenfalls nicht unterbrochen. Das Atrium öffnet sich jeweils zu den Ausgängen, ebenso wie bei der Klägerin. Auch bei G. entstehen im Grundriss trapezförmige Formen (allerdings nur zwei, nicht drei), wobei die Trapeze aber nicht gleichschenklig sind. So wirken sie weniger harmonisch, weniger leicht und weniger verspielt als bei der Klägerin und die Atriumgestaltung insgesamt strenger, nüchterner und formaler. Auch laufen die Brücken nicht konisch zu.
282Bei einer Gesamtbetrachtung ist die „Planung der Klägerin“ gemäß Wettbewerbsentwurf in dem Entwurf der G. nicht wiederzuerkennen, sondern verblasst vollständig. Dies gilt bei dem Wettbewerbsentwurf auch unabhängig davon, ob man das Atrium separat oder nur in der Gesamtschau mit dem übrigen Erscheinungsbild betrachtet.
283bb)
284Stellt man auf den überarbeiteten Entwurf der Klägerin ab, so ergibt sich hinsichtlich der äußeren Gestaltung kein anderes Ergebnis. Dabei ist zu beachten, dass die Klägerin überarbeitete Planungen nur auszugsweise vorgelegt hat. Die Anlage 19 der Anlage K17 (Perspektive Stand 5.2.2019) zeigt das Gebäude von der D.-Seite, wobei die Südseite nur in Ansätzen zu erkennen ist und die Ostseite gar nicht. Die in der Berufungsinstanz auf Bl. 247 GA OLG vorgelegte Visualisierung der Westseite Variante „geschlossene Gestaltung“ D.-Seite erscheint hierzu sehr ähnlich.
285Ersichtlich hat die Fassade nun eine höhere Materialität. Insofern ist nunmehr die vorspringende Linienführung besonders charakteristisch, im Gegensatz dazu bei G. eine strenge, engmaschige Linienführung. Auch hinsichtlich des Daches ist weithin die unregelmäßige Form gepaart mit der schrägen/asymmetrischen Linienführung und dem nahtlosen Übergang prägend, was bei G. insgesamt nicht vorkommt.
286Auch unter Hinzuziehung der überarbeiteten Pläne und Skizzen des Atriums (insbesondere Anlage 2 zu Anlage K17) ergibt sich nichts Anderes. Zwar wurde die Linienführung im Atrium von der Klägerin etwas begradigt. Es herrscht allerdings immer noch eine unterbrochene, schräg verlaufende Linienführung vor. Die Brücken sind weiterhin konisch gestaltet. Die Elemente des Äußeren klingen im Inneren immer noch an. Tatsächlich ist das überarbeitete Atrium der Klägerin dem von G. entworfenen Atrium „ähnlicher“, ohne dass hier aber eine klare Kopie durch G. feststellbar wäre. In der entscheidenden Gesamtwirkung wird der Entwurf der Klägerin vorrangig durch die äußere Gestaltung geprägt, die im Atrium aufgegriffen wird. Dies übernimmt G. nicht. Vielmehr lehnt sich die Gestaltung bei G. im Äußeren stark an die in der V.-Stadt und dem E. ersichtliche strenge Linienführung an. Allein durch die gleichartige Gestaltung von Dach und Fassade wird dieser Eindruck aufgebrochen – insofern besteht Ähnlichkeit zu dem Entwurf der Klägerin – wobei aber der Gesamteindruck stark von einem gefälligen „Einfügen“ und weniger von einem bewussten Kontrast geprägt ist – so aber der von der Klägerin erzeugte Gesamteindruck auch in den überarbeiteten Varianten. So vermerkt auch der Sachverständige P., G. verzichte auf die diagonalen Knickungen, was dem Entwurf die gestalterische Spannung und moderne Dynamik nehme. Der Baukörper verliere seine konzeptionelle Idee.
287c)
288Zuletzt liegt auch keine isolierte Urheberrechtsverletzung im Hinblick auf den Grundriss des Bürogebäudes inklusive des Atriums auf Basis der überarbeiteten Version vor.
289aa)
290Fraglich ist schon, ob die überarbeiteten Pläne zum Grundriss des Atriums isoliert schutzfähig sind. Zunächst muss der Grundriss die wesentlichen Raumvorstellungen erkennen lassen, wie Raumzuordnungen, Tür- und Fensteranordnungen, Lichtführung und Blickrichtung (vgl. BGH GRUR 1988, 533). Dies ist bei der Anlage 2 und 3 der Anklage K17 der Fall.
291Eine individuelle Schöpfung setzt weiter voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht, der in individuell schöpferischer Weise genutzt wurde. Da es sich um einen stark funktional geprägten Bereich handelt, muss die Klägerin vortragen, worin sie gerade die gestalterische Schöpfung sieht. Die Klägerin stützt sich auf die Positionierung des Atriums, die Adressbildung zu beiden Straßen und die hierdurch geschaffene Blickbeziehung. Weiter stützt sie sich auf den mehrstöckigen, zweispännigen Grundriss und die Verbindung der Bürospangen mittels zweier konisch zulaufender Brücken sowie Glasüberdachungen zur Belichtung des Atriums.
292Die Positionierung des Atriums allerdings dürfte eher durch die Lage und Form des Grundstücks vorgegeben sein, als das Ergebnis einer gestalterischen Entscheidung. Dass im Übrigen eines dieser Elemente entgegen den Darlegungen des Landgerichts „neu“ wäre, hat die Klägerin auch in der Berufung nicht dargetan. Dies ist auch nicht anzunehmen. Vielmehr sind (mehrgeschossige) Atrien nebst Oberlichtern in Bürogebäuden durchaus bekannte Gestaltungsformen. Dies ergibt sich schon daraus, dass so innenliegenden Räumen Tageslicht zugeführt werden kann. Hinsichtlich der Verbindungsbrücken wendet sich die Klägerin auch nicht gegen die Einschätzung des Landgerichts. Auch die doppelte Adressbildung dürfte „bekannt“ sein, wenn auch dem Senat eher aus dem Hotelbereich geläufig.
293Allerdings kann auch die Verwendung allgemein bekannter, gemeinfreier Gestaltungselemente schutzfähig sein, wenn dadurch eine besondere eigenschöpferische Wirkung und Gestaltung erzielt wird (vgl. BGH GRUR 2009, 1046). Dies ist hier anzunehmen. Die Klägerin meint, der Raum werde durch die asymmetrische Anordnung der Übergangsbrücken definiert, welche den Raum in den oberen Geschossen in drei trapezförmige Lufträume gliedern. Aus dem Gutachten (K16) geht zudem hervor, dass letztlich ein mehrgeschossiges Atrium besteht, da sich in allen Etagen Verbindungsbrücken an offene Kommunikationsbereiche anschließen. In der Gesamtschau mit den jeweils wiederkehrenden Trapezformen (Brücken, Grundriss Boden, Luftraum) sind bestehende Gestaltungselemente durchaus individuell kombiniert. Insofern kommt auch dem überarbeiteten Grundriss im Hinblick auf die Gestaltung des Atriums isoliert ein Schutz zu. Allerdings ergibt sich der Schutz nicht bereits aus den einzelnen Elementen, sondern nur aus der Gestaltung und Anordnung der Elemente in ihrer Gesamtschau.
294bb)
295Die tatsächliche Umsetzung ist aber keine Vervielfältigung. Die Planung von G. hat gerade nicht die schöpferischen Eigenarten in ihrem Kern übernommen, sondern (allenfalls) einzelne und isoliert nicht geschützte Gestaltungselemente. Ähnlichkeiten bestehen insofern, als ein in Ost-West-Richtung verlaufendes Atrium gewählt wurde, bei dem zu beiden Straßen ein Gebäudeingang besteht. Die Planung der G. sieht ebenfalls Brücken vor, allerdings nicht in allen Etagen. Die schräge Linienführung mit einer Verbreiterung des Raumes zu den Ausgängen findet sich teilweise, wenn auch bei weitem nicht so ausgeprägt. So läuft bei G. nur die Wand zu den inneren Büros schräg. Auch die Brücken verlaufen bei G. schräg, sind aber nicht auch noch trapezförmig gestaltet. Auf der äußeren Gebäudeseite wird die bei der Klägerin mehrfach schräge und unterbrochene Linienführung durch G. nicht aufgegriffen. Auch scheint G. an die Brücken keine offenen Bereiche anzugliedern, sondern vielmehr Türen.
296Trotz vergleichbarer Gestaltungselemente vermittelt die Planung G. einen anderen Gesamteindruck, nämlich deutlich abweisender. Die Konzeption kommunikativer Räume durch die Klägerin spiegelt sich hier nicht wieder. Die gleiche „Wichtigkeit“ der Adressbildung wird durch die Drehtür verwässert (so Gutachter P.). Weiter stellt der Sachverständige darauf ab, die „Eingriffe“ von G. verfremdeten die Kernaussage der Planung der Klägerin. Durch die formalen und funktionalen Vereinfachungen der Grundrisse wirke die Konfiguration sehr steril. Die Grundidee eines offenen Hauses gehe verloren. Dadurch, dass an einer Seite die konische Linienführung aufgegeben werde, entstehe eine „gerichtete Bewegung“ die ein schnelles Durchschreiten des kommunikativen Bereiches provoziere und keinen Gebäudemittelpunkt erzeugen könne. Auch die gewählte Beleuchtung widerspreche der von der Klägerin gewünschten Ausbildung einer Gebäudemitte. Tatsächlich ist feststellbar, dass bei G. das Gebäude zur Mitte hin enger wird, mit Ausnahme eines aus der Laufrichtung herausgerückten Bereiches vor den Aufzügen. Dadurch ergibt sich kein Mittelpunkt. Bei der Anordnung der Bauteile durch die Klägerin hingegen weitet sich auch der Laufweg im mittleren Bereich noch einmal auf.
297Insgesamt werden lediglich allgemein bekannte Grundelemente übernommen und so verändert, dass sich insgesamt eine andere Aussage und Gesamtgestaltung ergibt und die schöpferische, originelle Gestaltung der Klägerin verblasst.
2984.
299Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 3, 280 Abs. 2, 288 Abs. 2 BGB. Die Beklagte befand sich jedenfalls ab dem 10.1.2020 mit dem Ausgleich der Rechnung über die erbrachten Leistungen vom 2.12.2019 (Re-Nr. 000 000 AZ01, Anlage K6) in Verzug.
300Der Anspruch auf anteilige Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 3 BGB. Allerdings beruht der Anspruch nicht auf einem Verzug mit dem Ausgleich der Rechnungen vom 2.12.2019. Denn die Klägervertreter wurden damit beauftragt, diese Rechnungen überhaupt zu versenden. Mit dem Ausgleich einer Vergütung für erbrachte Leistungen befand sich die Beklagte aber bereit aufgrund der Rechnung vom 9.4.2019 in Verzug. Unerheblich für den Eintritt des Verzuges ist, dass die Klägerin später einen höheren Betrag ermittelt hat. Dass die erste Rechnung nicht prüffähig gewesen sei, wird auch seitens der Beklagten nicht vorgebracht. Der Höhe nach bestand der Verzug bei Beauftragung der Klägervertreter aber nur in Höhe von ca. 176.629 €. Denn nur in dieser Höhe verlangte die Klägerin mit der Rechnung vom 9.4.2019 eine Vergütung für die in den LP 1 und 2 erbrachten Leistungen. Soweit die Rechnung noch Positionen für Modelle und Visualisierungen aufzeigt, hat die Klägerin diese Positionen bei Beauftragung der Klägervertreter nicht weiterverfolgt.
301Die Klägerin verlangt im Ausgangspunkt zutreffend den Ausgleich einer 0,75 Geschäftsgebühr als nicht anrechenbaren Teil einer 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Ausgehend von einem Gegenstandswert von „bis 185.000 €“ und der bis 31.12.2020 geltenden Gebührentabelle, beträgt eine 0,75 Gebühr 1.1446 €. Hinzu kommt die Telekommunikationspauschale von 20 €. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat den Antrag der Klägerin dahingehend ausgelegt, dass insoweit Zinsen ab Rechtshängigkeit verlangt werden.
3025.
303Soweit die Parteien noch außerhalb der gewährten Schriftsatznachlässe vorgetragen haben, bestand kein zwingender Grund iSd § 156 Abs. 2 ZPO, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Auch soweit ihm ein Ermessen zusteht (§ 156 Abs. 1 ZPO), hat der Senat dieses dahingehend ausgeübt, dass die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet wird.
304III.
305Die Kostenentscheidung beider Instanzen beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO) bestanden nicht. Es handelt sich um eine Frage der Anwendung allgemeiner Grundsätze auf den Einzelfall.
306Streitwert Berufungsinstanz: 2.695.247,62 EUR gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG. Über den Hilfsantrag ist vorliegend entschieden worden, wobei Haupt- und Hilfsantrag (Vergütung für erbrachte/nicht erbrachte Leistungen einerseits und Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung andererseits) nicht denselben Streitgegenstand betreffen.
307… … …