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I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. September 2024 erlassene Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Senatsbeschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Beschlusses und des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H. von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis 41.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
2I.
3Das Landgericht hat den Einspruch der Beklagten gegen das klagestattgebende Versäumnisurteil vom 6. Mai 2024 als unzulässig verworfen, weil der Einspruch vom 28. Mai 2024 nicht fristgerecht bei Gericht eingegangen sei. Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei – so hat das Landgericht ausgeführt – das Versäumnisurteil nicht, wie in dessen Empfangsbekenntnis angegeben, am 17. Mai 2024, sondern bereits vor dem 14. Mai 2024 zugestellt worden.
4Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, das in Rede stehende Empfangsbekenntnis beweise urkundlich das darin angegebene Zustelldatum.
5Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
6II.
7Die Berufung ist – wie mit Beschluss vom 27. Januar 2025 angekündigt worden ist – nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel nach einstimmiger Überzeugung der beteiligten Richter offensichtlich aussichtslos ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung des Senats auch nicht zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und schließlich eine mündliche Verhandlung auch nicht aus anderen Gründen geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
8A. Das Rechtsmittel der Beklagten ist offensichtlich aussichtslos. Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass ihrem Prozessbevollmächtigten das Versäumnisurteil vom 6. Mai 2024 vor dem 14. Mai 2024 zugestellt worden ist, so dass der am 28. Mai 2024 bei Gericht eingegangene Einspruch verfristet war. Die dagegen vorgebrachten Argumente der Berufung bleiben ohne Erfolg.
91. Das Landgericht ist von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen.
10a) Die Zustellung eines elektronischen Dokuments an einen Rechtsanwalt wird gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen, das an das Gericht zu übermitteln ist. Die Zustellung ist als bewirkt anzusehen, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen. Für die Übermittlung des Empfangsbekenntnisses ist der vom Gericht mit der Zustellung zur Verfügung gestellte strukturierte Datensatz zu verwenden (§ 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Für die Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses per beA ist es erforderlich, dass aufseiten des die Zustellung empfangenden Rechtsanwalts die Nachricht geöffnet sowie mit einer entsprechenden Eingabe ein Empfangsbekenntnis erstellt, das Datum des Erhalts des Dokuments eingegeben und das so generierte Empfangsbekenntnis versendet wird. Die Abgabe des elektronischen Empfangsbekenntnisses setzt mithin die Willensentscheidung des Empfängers voraus, das elektronische Dokument an dem einzutragenden Zustellungsdatum als zugestellt entgegenzunehmen. Mit der Übersendung des Empfangsbekenntnisses wird die empfangsbereite Entgegennahme der Nachricht dokumentiert. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung (BGH, Beschluss vom 17.1.2024, VII ZB 22/23).
11b) Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses ist zulässig und möglich. Er setzt voraus, dass die Beweiswirkung des § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO vollständig entkräftet und jede ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die in ihm enthaltenen Angaben richtig sein können. Die bloße Möglichkeit der Unrichtigkeit genügt nicht. Zudem gilt: Alleine eine erhebliche zeitliche Spanne zwischen dem Zeitpunkt der Übersendung des Dokuments und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatum erbringt den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Datums für sich genommen noch nicht (BGH, NJW-RR 2021, 1584). Auch das Datum des Eingangs der elektronischen Nachricht ist insoweit nicht hinreichend aussagekräftig, weil es für die Zustellung des Schriftstücks darüberhinausgehend der Kenntniserlangung und empfangsbereiten Entgegennahme seitens des Rechtsanwalts bedarf. Umgekehrt dürfen an den Beweis der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
12c) Da nach § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO grundsätzlich das Empfangsbekenntnis des Rechtsanwalts als Nachweis der Zustellung genügt, müssen im Einzelfall konkrete aussagekräftige Anhaltspunkte vorliegen, die die inhaltliche Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses in Zweifel ziehen und einen besonderen, gegenüber dem Normalfall gesteigerten Überprüfungsbedarf begründen. Liegen solche Verdachtsmomente vor, hat das Gericht das wahre Zustelldatum aufzuklären. Zu diesem Zweck darf es den Rechtsanwalt u.a. um die Vorlage des betreffenden beA-Nachrichtenjournals bitten; dieses weist aus, wann das Schriftstück des Gerichts im Anwaltsbüro eingegangen ist und wer es wann zum ersten Mal geöffnet hat (OLG München, Beschluss vom 26.4.2024, 23 U 8369/21 m.w.N.). Kommt der Rechtsanwalt dieser Bitte ohne hinreichend rechtfertigende Gründe nicht nach, kann das Gericht aus der Weigerung des Anwalts nachteilige Schlüsse ziehen (OLG München, Beschluss vom 19.6.2024, 23 U 8369/21 m.w.N.).
132. Das Landgericht hat auf dieser rechtlichen Grundlage mit Recht festgestellt, dass das von Rechtsanwalt A. in seinem Empfangsbekenntnis angegebene Zustelldatum unzutreffend ist und der Rechtsanwalt das Versäumnisurteil tatsächlich schon vor dem 14. Mai 2024 als zugestellt entgegengenommen hat.
14a) Es bestehen begründete Zweifel an dem wahrheitsgemäßen Inhalt des in Rede stehenden Empfangsbekenntnisses.
15aa) Sie ergeben sich zwar noch nicht alleine aus der Tatsache, dass das Versäumnisurteil vom 6. Mai 2024 bereits am 8. Mai 2024 in dem elektronischen Postfach beider Parteivertreter eingegangen ist und der Klägervertreter in seinem Empfangsbekenntnis die Zustellung zum 10. Mai 2024 bestätigt hat, während Rechtsanwalt A. das Versäumnisurteil erst am 17. Mai 2024 zur Kenntnis genommen und als zugestellt entgegengenommen haben will. Die insoweit bestehende Differenz bei den Zustelldaten von einer Woche kann zwangslos auf unverdächtige Abläufe in der Kanzlei des Beklagtenvertreters, auf einer mehrtägigen Abwesenheit von Rechtsanwalt A. oder einer hohen Arbeitsbelastung des Anwalts beruhen und begründet aus diesem Grund für sich genommen nicht den Verdacht eines unzutreffend ausgefüllten Empfangsbekenntnisses.
16bb) Zweifel an dem Wahrheitsgehalt des Empfangsbekenntnisses resultieren aber aus dem Umgang, den Rechtsanwalt A. im Zusammenhang mit der Abgabe von Empfangsbekenntnissen erstinstanzlich immer wieder an den Tag gelegt hat.
17(1) Wiederholt ist Rechtsanwalt A. seiner Obliegenheit zur Rücksendung des Empfangsbekenntnisses erst nach Erinnerung durch die Geschäftsstelle des Landgerichts nachgekommen, und hat sodann ein deutlich späteres Zustelldatum angegeben als der Klägervertreter.
18(1.1) Die Ladungsverfügung vom 13. Dezember 2023 auf den 4. März 2024 (GA I 94) ist den Parteivertretern am 14. Dezember 2023 übermittelt worden. Der Klägervertreter hat die Zustellung unter dem 15. Dezember 2023 bestätigt (GA I 101). Der Beklagtenvertreter musste am 28. Dezember 2023 und erneut am 8. Januar 2024 zur Rücksendung des Empfangsbekenntnisses aufgefordert werden (GA I 95) und hat das Empfangsbekenntnis erst unter dem Datum des 12. Januar 2024 an das Landgericht übersandt (GA I 118 f.). Mit Beschluss vom 20. Dezember 2023 (GA I 107) ist das Landgericht nach § 128 a ZPO verfahren. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat bestätigt, den Beschluss am 27. Dezember 2023 erhalten zu haben (GA I 114). Rechtsanwalt A. musste am 5. Januar 2024 an die Übersendung des Empfangsbekenntnisses erinnert werden (GA I 109) und hat jenes erst unter dem 12. Januar 2024 übersandt (GA I 122).
19(1.2) Zeitnah entgegen genommen hat der Beklagtenvertreter demgegenüber die Verfügung des Landgerichts vom 27. Februar 2024 über eine – im Hinblick auf ein anhängiges Vorlageverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union zu Online-Sportwetten – möglicherweise in Betracht kommende Aussetzung des Klageverfahrens (GA I 287), und zwar noch an demselben Tag (GA I 295). Auch die gerichtliche Verfügung vom 29. Februar 2024 (GA I 297) über die Aufhebung des anberaumten Güte- und Verhandlungstermins hat Rechtsanwalt A. zeitnah am 29. Februar 2024 als zugestellt entgegengenommen (GA I 301). Gleiches gilt für die gerichtliche Mitteilung vom 11. April 2024 (GA I 357), dass eine Verfahrensaussetzung nicht beabsichtigt sei; das Empfangsbekenntnis des Beklagtenvertreters (GA I 366) bestätigt eine Zustellung am 12. April 2024.
20(1.3) Bei anderen Zustellungen wiederholen sich demgegenüber die unter Ziffer (1.1) beschriebenen Vorfälle. Die Ladungsverfügung des Landgerichts vom 18. März 2024 auf den 29. April 2024 (GA I 343) ist am 21. März 2024 von der Geschäftsstelle bearbeitet worden (GA I 344). Während der Klägervertreter die Zustellung unter dem 22. März 2024 bestätigt hat (GA I 344 C), musste Rechtsanwalt A. am 3. April 2024 und erneut am 11. April 2024 zur Rücksendung des Empfangsbekenntnisses aufgefordert werden (GA I 344) und hat die Zustellung schließlich unter dem 28. März 2024 bestätigt (GA I 344 G). In gleicher Weise verlief die Zustellung des am 6. Mai 2024 verkündeten Versäumnisurteils. Der Klägervertreter hat das Urteil zeitnah am 10. Mai 2024 als zugestellt entgegengenommen (GA I 397). Der Beklagtenvertreter musste demgegenüber am 22. Mai 2024 zur sofortigen Übersendung des Empfangsbekenntnisses aufgefordert werden (GA I 394); parallel veranlasste das Landgericht eine Zustellung des Versäumnisurteils durch Postzustellungsurkunde (GA I 394). Das am 22. Mai 2024 übermittelte Empfangsbekenntnis (GA I 398.C) weist als Zustelldatum den 17. Mai 2024 aus. Mit Beschluss vom 3. Juni 2024 hat das Landgericht den Antrag des Klägers nach § 128 a ZPO abgelehnt (GA I 442). Die Entscheidung ist dem Klägervertreter am 5. Juni 2024 zugestellt worden (GA I 443C), der Beklagtenvertreter hat die Zustellung zum 10. Juni 2024 bestätigt (GA I 443F). Im weiteren Verlauf des Prozesses hat das Landgericht Schriftstücke an Rechtsanwalt A. ausschließlich gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
21(2) Die vorbeschriebenen erheblichen Zeitverzögerungen zwischen Absendung und Zustellung der gerichtlich übermittelten Schriftstücke sowie zwischen der Zustellung der Schriftstücke an den Klägervertreter einerseits und an den Beklagtenvertreter andererseits sind nicht ansatzweise plausibel. Es werden weder Gründe vom Beklagtenvertreter aufgezeigt noch sind Gesichtspunkte ansonsten ersichtlich, die nachvollziehbar erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen Rechtsanwalt A. in der Mehrzahl der Zustellungen erst viele Tage noch Eingang und etliche Tage bis zu Wochen später als der gegnerische Prozessbevollmächtigte in der Lage gewesen sein soll, die gerichtliche Post als zugestellt entgegenzunehmen. Ebenso wenig ist zu erkennen, aufgrund welcher Umstände der Beklagtenvertreter die Gerichtspost erst so spät wie im Empfangsbekenntnis angegeben als zugestellt entgegengenommen haben will. Besonders augenfällig ist dies bei der Zustellung der Ladungsverfügung vom 13. Dezember 2023, die Rechtsanwalt A. erst einen Monat (!) nach Eingang am 12. Januar 2024 als zugestellt entgegengenommen haben will.
22Plausible Gründe sind ebenso wenig dafür ersichtlich, dass der Beklagtenvertreter immer wieder Empfangsbekenntnisse nicht an das Landgericht übersandt hat, sondern erinnert werden musste, zuweilen sogar mehrmals. Das gilt auch für die Zustellung des Versäumnisurteils vom 6. Mai 2024, das der Beklagtenvertreter am 17. Mai 2024 zugestellt erhalten haben will, zu dem er aber erst am 22. Mai 2024 auf die Mahnung des Landgerichts hin das Empfangsbekenntnis übersandt hat.
23(3) Bei der dargestellten Ausgangslage drängt sich der Eindruck auf, dass Rechtsanwalt A. seiner Pflicht zur Übersendung des gesetzlich vorgeschriebenen Empfangsbekenntnisses ohne einen sachlich begründeten Anlass nicht nachkommt. Das weckt zugleich berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit seiner Angaben im Empfangsbekenntnis. Berücksichtigt man, dass ein Rechtsanwalt durch die Mitteilung eines späten Zustelldatums in der Lage ist, eine gesetzliche und richterlich gesetzte Frist – beispielsweise auch die zweiwöchige Frist für den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil – zu seinen Gunsten zu verlängern, kann ein Verhalten wie das vorstehend unter den Ziffern (1.1) und (1.3) beschriebene nicht nur auf Nachlässigkeit des Anwalts oder eine schlechte Büroorganisation zurückzuführen sein, sondern ebenso dem Ziel dienen, gesetzte Fristen de facto zu verlängern. Ob dem Beklagtenvertreter ein solches Fehlverhalten zur Last fällt, ist nicht zu entscheiden und kann auf sich beruhen. Vorliegend genügt die Feststellung, dass sich im Streitfall nicht auszuschließen lässt, dass Rechtsanwalt A. bei der Erstellung und der nicht zeitnahen Übersendung der Empfangsbekenntnisse zum prozessualen Nutzen seiner Partei gehandelt hat. Denn bis heute hat der Rechtsanwalt keine nur ansatzweise plausible Erklärung dafür geliefert, dass vom Landgericht immer wieder Empfangsbekenntnisse angemahnt werden mussten und das von ihm angegebene Zustelldatum erheblich von dem Zustelldatum des Klägervertreters abweicht.
24(3.1) Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass sich unter den in den Ziffern (1.1) und (1.3) aufgeführten Fällen einer späten Übersendung des Empfangsbekenntnisses Konstellationen befinden, in denen die Beklagte ein nicht zur Gerichtsakte gereichtes Empfangsbekenntnis zum eigenen Vorteil nutzen kann. Das gilt zum Beispiel für die beiden Ladungen zu den Verhandlungsterminen; denn ohne einen Ladungsnachweis kann ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte nicht ergehen. Hätte die Geschäftsstelle des Landgerichts nicht mehrfach und hartnäckig auf einer Übersendung des Empfangsbekenntnisses bestanden und die Angelegenheit aus den Augen verloren, wäre in beiden Verhandlungsterminen der Erlass eines Versäumnisurteils gegen die Beklagte nicht möglich gewesen. Ähnliches gilt für die Zustellung des Versäumnisurteils, das die zweiwöchige Einspruchsfrist in Gang setzt. Durch Eintragung eines späten Zustelldatums kann ein Rechtsanwalt die zur Verfügung stehende Einspruchsfrist nach eigenem Belieben verlängern; das gilt auch im Entscheidungsfall für Rechtsanwalt A..
25(3.2) Demgegenüber hat der Beklagtenvertreter ein zeitnahes Empfangsbekenntnis ausnahmslos in allen Fällen übersandt, in denen der Inhalt der gerichtlichen Post für die Beklagte vorteilhaft oder neutral war. Die dazu unter Ziffer (1.2) aufgeführten Vorgänge betreffen die Anhörung der Prozessparteien zu einer möglichen Aussetzung des Prozesses, die Aufhebung eines anberaumten Verhandlungstermins sowie die Mitteilung, dass eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht beabsichtigt sei.
26(3.3) Misstrauen gegen das von Rechtsanwalt A. angegebene Zustelldatum ist darüber hinaus angebracht, weil dieser ganz offensichtlich nicht bereit ist, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Seine Angaben zur Sache sind vollkommen inhaltsleer. Aufgrund dessen ist es dem Beklagtenvertreter objektiv betrachtet möglich, seinen Vortrag zur Erläuterung des Zustelldatums jederzeit anzupassen.
27(3.4) Auffallend ist überdies die – in der Sache völlig unangemessene – aggressive und beleidigende Wortwahl des Rechtsanwalts. Bei lebensnaher Betrachtung drängt sich der Eindruck auf, dass Rechtsanwalt A. durch Lautstärke und haltlose ehrverletzende Vorwürfe gegen die erkennende Richterin am Landgericht Duisburg von den gegen seine Person bestehenden Glaubwürdigkeitsbedenken ablenken will.
28b) Das Landgericht durfte (und musste) den bestehenden Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit und Zuverlässigkeit der Angaben von Rechtsanwalt A. zum Zustelldatum nachgehen. Zur Aufklärung war es sachgerecht und geboten, in einem ersten Schritt – wie mit Verfügung vom 7. Juni 2024 (GA I 448 f.) geschehen – die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals für die Zustellung des Versäumnisurteils vom 6. Mai 2024 zu erbitten. Die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals war (und ist) umso notwendiger, als die Stellungnahmen des Rechtsanwalts zu der gerichtlichen Anforderung des Journals keine Klarheit schaffen, sondern weitere Zweifel an dem eingetragenen Zustelldatum begründen.
29aa) In seinem Schriftsatz vom 14. Juni 2024 (GA I 463 f.) hat Rechtsanwalt A. – soweit er sich überhaupt sachlich und problembezogen äußert – geltend gemacht:
30„Am Montag, den 6. Mai sowie am Dienstag, den 7. Mai hatte ich mehrere Gerichtstermine und zahlreiche pure Posteingänge zu bearbeiten, was bei einem täglichen Posteingang zwischen 20 und 50 in diesen Massenverfahren nachvollziehbar sein wird. Am Mittwoch, den 8. Mai hatten dann meine beiden schulpflichtigen Kinder für zwölf Tage Ferien bekommen, die ich selbstverständlich mit den Kindern verbracht habe, weil es im Leben in erster Linie darum geht, ein guter Vater zu sein und nur in zweiter Linie darum, die Justiz auf ihre Fehler hinzuweisen.“
31Seine Stellungnahme ist substanzlos und zur plausiblen Erläuterung des angegebenen Zustelldatums ungeeignet. Die Ausführungen zum 6. und 7. Mai 2024 sind schon in zeitlicher Hinsicht bedeutungslos, weil das Landgericht das Versäumnisurteil erst am 8. Mai 2024 an die beiden Prozessvertreter übersandt hat (GA I 394). Für die Zeit ab dem 8. Mai 2024 macht der Beklagtenvertreter geltend, mit seinen beiden schulpflichtigen Kindern deren zwölftägige Ferien verbracht zu haben. Freilich ist schon unklar, um welche Schulferien es sich gehandelt haben soll. Denn in B.-Stadt, dem Kanzleisitz des Beklagtenvertreters, lagen im Jahr 2024 die Osterferien in der Zeit vom 18. bis 28. März und die Pfingstferien zwischen dem 21. und dem 24. Mai. Auch in keinem anderen deutschen Bundesland waren im Mai 2024 12-tägige Schulferien. Selbst wenn man diese Tatsache außer Betracht lässt und überdies zugunsten der Berufung für die Berechnung des Ferienzeitraums zwölf Kalendertage (und keine Wochentage) zugrunde legt, befand sich Rechtsanwalt A. bis einschließlich zum 19. Mai 2024 in Urlaub. Laut Empfangsbekenntnis will er das Versäumnisurteil am 17. Mai 2024 entgegengenommen haben. Das wirft Fragen auf, denen durch eine Vorlage des beA-Nachrichtenjournals nachgegangen werden kann. Denn in dem Journal wird dokumentiert, wann das Schriftstück des Gerichts im Anwaltsbüro eingegangen ist und wer es wann zum ersten Mal geöffnet hat.
32bb) Das beA-Nachrichtenjournal ist auch vor dem Hintergrund der Berufungsbegründung von erheblichem Interesse. Darin hat Rechtsanwalt A. zur Sache vorgetragen:
33„Das Öffnen von Posteingängen überlasse ich immer meinen Sekretärinnen, die mir die Posteingänge zur Bearbeitung übermitteln, damit ich bei entsprechendem Zustellungswillen Fristen usw. notieren und Anweisungen treffen kann (Unterstreichung hinzugefügt).“
34Die Behauptung, nicht er selbst, sondern seine Sekretärinnen – denen offenbar die anwaltlichen Zugangsdaten überlassen werden – öffneten alle Posteingänge, erfolgt erstmals im Berufungsverfahren. Mit den im beA-Nachrichtenjournal gespeicherten Informationen kann die Richtigkeit des gesamten Sachvortrags überprüft werden. Sollte sich die zweitinstanzliche Darstellung des Beklagtenvertreters mithilfe des Journals bestätigen, sind die in den Ziffern (1.1) und (1.3) dargestellten Vorgänge erläuterungsbedürftig. Wird zugestellte Gerichtspost nämlich von der Sekretärin zeitnah geöffnet und sodann dem Anwalt zugeleitet, sind zahlreiche Zeiträume, die zwischen Übersendung und Zustellung der gerichtlichen Post liegen sollen, ohne eine nähere Erläuterung unglaubhaft. Das gilt in besonderer Weise für die Ladungsverfügung des Landgerichts vom 13. Dezember 2023, die beim Beklagtenvertreter am 14. Dezember 2023 eingegangen ist, die aber erst am 12. Januar 2024 als zugestellt entgegengenommen worden sein soll. Einer schlüssigen Begründung bedarf überdies das angegebene Zustelldatum für das Versäumnisurteil, das der Beklagtenvertreter während seines Urlaubs als zugestellt entgegengenommen haben will. Das gilt umso mehr, als Rechtsanwalt A. die Wichtigkeit dieses gemeinsamen Urlaubs mit den Kindern besonders hervorhebt (…. die ich selbstverständlich mit den Kindern verbracht habe, weil es im Leben in erster Linie darum geht, ein guter Vater zu sein ….) und es nicht fern liegt anzunehmen, dass er wegen dieses Urlaubs ein sachlich unzutreffendes spätes Zustelldatum im Empfangsbekenntnis genannt hat. Bei einer Zustellung des Versäumnisurteils am 8. Mai 2024 endete die Einspruchsfrist am 22. Mai 2024, also kurz nach oder noch in den Schulferien; vom 17. Mai 2024 an gerechnet, verlängert sich die Einspruchsfrist bis zum 31. Mai 2024.
35c) Mit Recht hat das Landgericht aus der grundlosen Weigerung von Rechtsanwalt A. zur Vorlage des Nachrichtenjournals geschlossen, dass das in dessen Empfangsbekenntnis angegebene Zustelldatum „17. Mai 2024“ unzutreffend ist und ihm das Versäumnisurteil vom 6. Mai 2024 früher als angegeben zugestellt worden ist. In dieselbe Richtung weist, dass Rechtsanwalt A. zur Aufklärung des wahren Zustelldatums nichts beiträgt, obwohl es ausschließlich um Umstände aus seiner Sphäre geht und es ihm durch wahrheitsgemäße Angaben mühelos möglich ist, das im Empfangsbekenntnis genannte Zustelldatum – vorausgesetzt, es handelt sich um das wahre Datum – nachvollziehbar zu erläutern. Bei vernünftiger und lebensnaher Betrachtung kann die verweigerte Aufklärung nur einen Grund haben: Das Versäumnisurteil ist Rechtsanwalt A. vor dem 17. Mai 2024 zugestellt worden, und zwar nach Überzeugung des Senats bereits vor dem 14. Mai 2024.
36B. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Senats ist weder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder aus anderen Gründen geboten. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung, die der Senat auf der Grundlage höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze treffen kann.
37III.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
39Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
40Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
41… … …