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Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung ihrer Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht kommt.
Sie erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis bis zum
31.01.2025
Stellung zu nehmen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Beklagte wurde von der Klägerin mit Fliesenarbeiten für die Bäder einer Wohneinrichtung für 22 Menschen mit autistischer Behinderung beauftragt. Der Auftrag vom 02.06.2014 nimmt u. a. Bezug auf die VOB/B. Die Arbeiten sollten gemäß Schreiben vom 28.07.2015 bis zum 30.08.2015 abgeschlossen werden. Erstmals am 31.08.2015 rügte die Klägerin Mängel und leitete mit Schrift vom 29.10.2015 ein selbständiges Beweisverfahren ein. In den Gutachten des Sachverständigen A. vom 02.06.2016, 05.05.2017 und 02.09.2017 wurden Mängel festgestellt.
4Im Jahr 2021 ließ die Klägerin zunächst eines der Bäder von dem Sachverständigen B. begutachten (Gutachten vom 11.05.2021 zu Bad „C.“). Der Sachverständige B. erstellte zudem unter dem 27.01.2023 ein Ergänzungsgutachten. Wegen der in diesen Gutachten beschriebenen Mängeln hat die Klägerin Ersatzvornahmekosten für die Sanierung des Bads „C.“ und Kostenvorschuss für die von dem Gerichtsgutachter D. begutachteten Bäder geltend gemacht.
5Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, ist die Beklagte verurteilt worden, an den Kläger 39.202,99 EUR nebst Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.751,80 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Das Landgericht hat zudem festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche über den Betrag von 39.202,99 EUR hinausgehende Aufwendungen und Schäden zu ersetzen, die durch den erforderlichen Austausch der Bodenfliesen in den Badezimmern in dem Objekt E.-Straße 00 in F.-Stadt entstehen. Der Klägerin stehe eine Vorschussanspruch in Höhe von 35.262,08 EUR (8 Bäder zu je 4.407,76 EUR) und ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme für das Bad „C.“ in Höhe von 3.940,91 EUR gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B zu. Der Vorschussanspruch bestehe, auch wenn das Werk nicht abgenommen worden sei. Denn die „Erfüllungsebene“ sei durch die Geltendmachung der Mängelansprüche und die Verweigerung der Mängelbeseitigung verlassen worden. In den acht noch nicht sanierten Bädern sei nach den Feststellungen des Sachverständigen D. die Abdichtung und Anbindung an den Senkeinsatz nicht entsprechend den Herstellervorgaben und entsprechend den anerkannten Regeln der Technik ausgeführt. In sämtlichen Bädern habe das montierte Dichtvlies keine zweite Dichtspachtelung erhalten und sei nicht der vorgeschriebene und erforderliche Kleber verwendet worden. Es sei zudem eine unzulässige Dispersionsbeschichtung verwendet worden, die zudem auch in sich mangelhaft sei. Der Estrich sei in einigen der Bäder nicht tragfähig. Ob in den Bädern, in denen der Sachverständige den Estrich als ausreichend tragfähig eingeschätzt habe, der Estrich gleichwohl erneuert werden müsse, hänge davon ob ab, ob es im Zuge der Mangelbeseitigung gelinge, den Flansch beim Senkentopf zu erneuern, ohne den Estrich zu sehr zu beschädigen. Das könne derzeit nicht beurteilt werden, weshalb für alle acht Bäder ein Vorschussanspruch in Höhe von je 4.407,76 EUR gerechtfertigt sei. Die Klägerin habe auch Anspruch auf Ersatzvornahmekosten für das Bad „C.“. Der Einsatz der unzulässigen Dispersionsbeschichtung sei unstreitig, die zur Mangelbeseitigung aufgewendeten Kosten nach den Feststellungen des Sachverständigen angemessen. Der Anspruch sei nicht verjährt, da eine Abnahme nicht erklärt worden. Die Aufrechnung der Beklagten könne nicht berücksichtigt werden, da sie in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz erklärt worden sei.
6Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Der Anspruch der Klägerin sei verjährt. Das Landgericht sei zu Unrecht von Mängeln ausgegangen. Ersatzvornahmekosten hätte nicht zugesprochen werden dürfen und der Kostenvorschussanspruch sei überhöht. Der Feststellungsantrag sei zu unbestimmt.
7Die Beklagte beantragt,
8unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
9Die Klägerin beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
12II.
13Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
141.Der Anspruch der Klägerin wegen der Kosten der Ersatzvornahme und ihre Vorschussansprüche sind nicht verjährt.
15Die Verjährung beginnt gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 3 VOB/B mit der Abnahme. Eine förmliche Abnahme ist von der Klägerin unstreitig nicht erklärt worden.
16a)Nicht zutreffend ist die Ansicht der Berufung, die Klägerin habe die mit Übersendung der Schlussrechnung verlangte förmliche Abnahme zu Unrecht verweigert, weswegen von einer Abnahme im Jahr 2015 auszugehen sei.
17Der Auftraggeber muss das Werk nicht abnehmen, wenn es wesentliche Mängeln aufweist (§ 12 Abs. 3 VOB/B). So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat wesentliche Mängel festgestellt. Die vorläufige Auftragssumme betrug 32.857,50 EUR, die Mängelbeseitigungskosten sind höher. Es liegen wesentliche Mängel vor. Unzureichende Abdichtungen in Duschbädern sind wesentlich.
18Der Wesentlichkeit der Mängel steht nicht entgegen, dass sie (teilweise) noch nicht beseitigt worden sind oder der Betrieb der Bäder nicht eingestellt worden ist. Ein Verzicht auf die Nutzung der Bäder ist keine Option. Auch kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die Klägerin vor rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits die Sanierung noch nicht durchgeführt hat. Mit der Beseitigung der Mängel eröffnet die Klägerin der Beklagten neue Angriffsmöglichkeiten, wie der Berufungsangriff gegen die Verurteilung wegen der Ersatzvornahmekosten für das Bad „C.“ zeigt. Deshalb ist die Klägerin nicht zur Mängelbeseitigung gezwungen und ist auch kein Schluss auf die Unwesentlichkeit der Mängel zulässig.
19Die Beklagte macht geltend, dass die Klägerin im Jahr 2015 die Abnahme wegen der (nicht streitgegenständlichen) Mängel verweigert habe, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gewesen seien. Diese Mängel seien nicht wesentlich. Diese Betrachtungsweise verkennt, dass es für das Recht des Auftraggebers, die Abnahme zu verweigern, nicht auf seine Kenntnis von einem Mangel ankommt. Maßgeblich ist allein, ob ein wesentlicher Mangel vorhanden ist. Der Anspruch auf Abnahme ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber den zur Abnahmeverweigerung berechtigenden Mangel (noch) nicht erkannt hat.
20b)Auch hat die Verjährung nicht schon im Jahre 2015 durch die Begründung eines Abrechnungsverhältnisses begonnen. Zwar kann die Verjährung auch mit der ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Abnahme beginnen (BGH, Urt. v. 30.09.1999 – VII ZR 162/97, NZBau 2000, 22). Die Voraussetzungen einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Abnahme lagen indessen im Jahr 2015 nicht vor. Die Beklagte hat hierzu lediglich auf ihr Schreiben vom 01.10.2015 mit der Bitte um einen Abnahmetermin verwiesen (Anlage M3, LG111). Eine Erklärung der Klägerin, die Abnahme ernsthaft und endgültig zu verweigern, ist nicht ersichtlich. Der Ankündigung, Mängel im Wege der Ersatzvornahme beseitigen zu wollen oder der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens kommt nicht die Bedeutung zu, die Abnahme ernsthaft und endgültig zu verweigern. Ein Abrechnungsverhältnis ist erst durch den Vortrag im Rechtsstreit begründet worden, wie das Landgericht zutreffend im Beschluss vom 06.03.2023 ausgeführt hat.
212.Unerheblich ist der Berufungsangriff der Beklagten, der Sachverständige B. habe bei drei Bädern eine Kunststoff-Mörtel-Kombination festgestellt, während der Sachverständige D. von einer Dispersionsschicht ausgegangen sei. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Einbau einer Dispersionsschicht unstreitig ist. Auch die Berufung macht geltend, die Dispersionsschicht sei entsprechend dem Leistungsverzeichnis eingebaut worden (BB Seite 3). Diese Vorgabe vermag die Beklagte nicht zu entlasten. Eine Haftungsbefreiung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil auch die Dispersionsschicht mangelhaft ist und wegen der weiteren Mängel eine Sanierung erforderlich ist. Eine Haftungsbefreiung wegen der Vorgabe im Leistungsverzeichnis würde voraussetzen, dass die Beklagte ihre Prüfungs- und Bedenkenhinweispflicht erfüllt hat. Dazu ist indessen keinerlei Vortrag erfolgt. Darauf, ob die unzulässigen Dispersionsschichten Schäden zeigen, kommt es nicht an. Unabhängig davon, ob bereits Schäden aufgetreten sind, hat der Auftraggeber Anspruch auf ein mangelfreies Werk. Der Sachverständige hat einen groben Ausführungsfehler festgestellt (Protokoll vom 28.03.2024, Seite 2). Im Übrigen hat der Sachverständige festgestellt, dass eine „G.“-Verbundabdichtung nicht verwendet worden ist. Die Beklagte hätte aber ohnehin „H.“ verwenden müssen. Nach dem Leistungsverzeichnis (Seite 4) mussten die Verarbeitungsrichtlinien der Hersteller beachtet werden. Die Verwendung von „H.“ war nach den Ausführungen des Sachverständigen vorgegeben.
223.Die Zubilligung der Kosten der Ersatzvornahme begegnet keinen Bedenken. Dass sich der Privatgutachter A. um 10 mm vermessen haben könnte, ist auszuschließen. Auch besteht an seinen Feststellungen zu fehlenden Tragfähigkeit des Estrichs kein Zweifel, nachdem sich dieser Befund auch bei weiteren Bädern gezeigt hat.
23Warum die Kosten der Fa. J. nicht zu den Kosten der Mängelbeseitigung gehören sollten, erschließt sich nicht. Die Erneuerung des Bodenablaufs ist im Zuge der Mängelbeseitigung erforderlich gewesen. Hierfür stellt keine Rolle, ob der ursprünglich eingebaute Bodenablauf von der Klägerin beigestellt worden ist.
244.Die Ausführungen der Beklagten zur Bemessung des Kostenvorschussanspruchs überzeugen nicht. Der Vorschussanspruch ist zu schätzen. Genauere Feststellungen zur Höhe von Vorschuss sind entbehrlich, weil über den Vorschuss abzurechnen ist (BGH, Urt. v. 22.02.2001 - VII ZR 115/99, NZBau 2001, 313). Danach hat das Landgericht zutreffend die Angabe des Sachverständigen D. gewertet, dass auch bei den Bädern, in denen der Estrich ausreichend tragfähig ist, eine Erneuerung im Zuge der Arbeiten erforderlich werden könnte. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist mit der Erforderlichkeit ernstlich zu rechnen. Danach wäre es sinnwidrig, die Klägerin auf eine Nachforderung von Vorschuss zu erweisen, wenn diese Arbeiten tatsächlich notwendig werden.
255.Der Feststellungsantrag ist nicht zu unbestimmt. Welche Bäder erfasst sind, ergibt sich aus der Begründung des Landgerichts. Die Entscheidung bezieht sich auf die acht noch nicht sanierten Bäder, die eindeutig durch ihre Bezeichnung (LGU Seite 5 f.) und die Bezugnahme auf das Gutachten D. identifizierbar sind. Eine Feststellung zu dem Bad „C.“ ist nach dem Tenor dagegen nicht getroffen; denn bei diesem Bad ist der Austausch der Bodenfliesen schon erfolgt.
26Zu Unrecht nimmt die Berufung an, die Klägerin habe zu einem über 39.202,99 EUR hinausgehenden Instandsetzungsbedarf vortragen müssen. Nach der Rechtsprechung des BGH enthält ein Urteil mit dem dem Auftraggeber Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten zugesprochen wird, regelmäßig die Feststellung, dass der Auftragnehmer verpflichtet ist, die gesamten Mängelbeseitigungskosten zu tragen, gegebenenfalls auch die den gezahlten Vorschuss übersteigenden Selbstvornahmekosten (BGH, Urt. v. 25.09.2008 – VII ZR 204/07, NZBau 2009, 120). Bei auf Vorschuss gerichteten Klagen muss ein Feststellungsantrag daher nicht ausdrücklich gestellt werden. Es ist aber unschädlich, wenn das zur Klarstellung geschieht (BGH, Urt. v. 10.11.1988 – VII ZR 140/87). Ein gesonderter Vortrag dazu, dass die Kosten der Ersatzvornahme höher ausfallen könnten als der Vorschuss, ist danach nicht erforderlich.
27Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben.
28… … …