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Die Berufung des Beklagten gegen das am 11.04.2024 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kostennebenintervention der Streithelferin zu 1) werden dem Beklagten auferlegt.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Verhandlungstermin vom 21.03.2025 wird aufgehoben.
G r ü n d e :
2Auf den Beschluss des Senats vom 03.02.2025 wird Bezug genommen. Die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 04.03.2025 führen nicht zu einer ihm günstigeren Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
31.Der Ansicht des Beklagten, die Klage sei mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Klägerin macht Schadensersatz wegen der mangelhaft ausgeführten Rinnen geltend, nämlich die Mängelbeseitigungskosten und die Kosten für Trocknungsarbeiten der Fa. A., die sich auf 4.350,00 EUR belaufen. Sie hat geltend gemacht, dass der über 4.350,00 EUR hinausgehende Schaden vollständig auf die zur Mangelbeseitigung der Duschrinnen aufgewendete Kosten entfalle (Berufungserwiderung Seite 4 f.). Selbst wenn man also annehmen wollte, dass die Kosten der Trocknung einen anderen Mangel betreffen würden als die Kosten für die Duschrinnen, wäre die Klage hinreichend bestimmt. Darauf kommt es allerdings nicht an, da – wie der Senat im Hinweisbeschluss ausgeführt hat – die Klägerin auch die Trocknungskosten als Schadensfolge der mangelhaften Rinnenkonstruktion einordnet.
4Sollte der Beklagte geltend machen wollen, die Klägerin trage in Bezug auf die fehlerhafte Konstruktion der Duschrinnen verschiedene Mängel vor, wäre dem nicht zu folgen. Der Umstand, dass die Rinnenkonstruktion aus mehreren, sich überlagernden Gründen mangelhaft ausgeführt ist, führt nicht dazu, dass von einer Mehrheit von Mängeln auszugehen ist, wegen derer zwischen den jeweiligen Mangelbeseitigungskosten differenziert werden müsste. Denn es geht um die insgesamt mangelhafte Rinnenkonstruktion, auf die sich die Mangelbeseitigungs-arbeiten auch insgesamt bezogen haben. Eine Differenzierung ist schon deshalb nicht möglich, weil die Rinnenkonstruktion insgesamt neu ausgeführt worden ist.
52.Ein Haftungsausschluss oder ein Mitverschulden wegen der Beauftragung der Streithelferin zu 1) mit einem Teil der zur Neuherstellung der Duschrinnen erforderlichen Arbeiten kommt nicht in Betracht. Der Senat hat bereits im Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass die Klägerin an Stelle der Streithelferin zu 1) auch eine andere Unternehmerin mit der Mangelbeseitigung hätte beauftragen können und in diesem Fall die gleichen Kosten ausgelöst worden wären. Die Beauftragung der Streithelferin zu 1) vermag daher den Beklagten nicht zu entlasten.
63.Der Beklagte macht geltend, er sei nicht mit allen Leistungsphasen beauftragt worden, sondern mit Planungs- und Bauüberwachungsarbeiten.
7Im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung heißt es:
8„Im Jahr 2013 hatte sich die Klägerin entschlossen, den Fitness- und Wellnessbereich ihres Studios zu erweitern. Hierzu beauftragte sie den Beklagten mündlich mit der Vollarchitektur.“
9Der Tatbestand des Urteils erster Instanz liefert gemäß § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der ersten Instanz. Diese Beweiswirkung erstreckt sich auch darauf, ob eine bestimmte Behauptung bestritten ist oder nicht. Dies gilt auch für sogenannte Rechtstatsachen. Die Rechtsprechung stellt tatsächlichen Umständen Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Feststellung rechtlich und tatsächlich schwierig sein kann. Maßgeblich ist allein das Ergebnis dieses Vorgangs (OLG Stuttgart, Urt. v. 20.12.2022 – 10 U 96/22, juris-Rn. 42). Der Begriff „Vollarchitektur“ ist eine solche Rechtstatsache. Dieser weit verbreitete Begriff wird dahin verstanden, dass alle Leistungsphasen eines Leistungsbildes übertragen werden (vgl. etwa Staudinger/Klein/Moufang (2024) BGB § 634a Rn. 88; Sonntag/Rütten FormularBibliothek Vertragsgestaltung – Privates Baurecht, Muster: Architektenvertrag – Vollarchitektur; Thode/Thierau/Wessel ArchitektenR/IngenieurR-HdB/Staudacher § 11 Rn. 32).
10Hierauf kommt es aber auch nicht entscheidend an. Der Beklagte stellt nicht in Abrede, mit Planungs- und Überwachungsarbeiten betraut worden zu sein. Sein Vortrag in der Stellungnahme vom 05.03.2025,
11Unstreitig war der Beklagte mit Planungs- und Bauüberwachungsaufgaben beauftragt (vgl. bereits Klageschrift vom 27.05.2019, Seite 3, Abs. 1). Wollte man die Leistungspflichten in Anlehnung an die HOAI ausdrücken, wofür übrigens ebenfalls weder Vortrag noch Anhaltspunkte ersichtlich wären, handelte es sich hier um die HOAI-Leistungsphasen 1-8.
12ist allerdings nicht eindeutig. Der Beklagte scheint zugleich geltend machen zu wollen, Leistungspflichten entsprechend den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 in § 34 HOAI übernommen zu haben und dass es hierfür weder Anhaltspunkte noch Vortrag gebe. Diese Unklarheit kann dahinstehen. In erster Instanz ist unstreitig geblieben, dass der Beklagte mit der Vollarchitektur beauftragt war. Mit neuem Vortrag in der zweiten Instanz kann der Beklagte mangels Zulassungsgrund nicht gehört werden. Zudem räumt der Beklagte ein, dass er mit der Bauüberwachung betraut war. Diese Pflicht hat er unabhängig davon verletzt, ob die Parteien zur Ausgestaltung der Pflichten des Beklagten auf die Leistungsphasen des § 34 HOAI Bezug genommen haben.
134.Der (sachkundige) Beklagte vermag keinen relevanten Unterschied zwischen der hier eingebauten Rinnenkonstruktion und einer Rinnenkonstruktion in privaten Haushalten darzulegen. Er verweist auf genaue Berechnungen von Wasserverbräuchen und Abflussmengen, die bei einer gewerblichen Duschanlage erforderlich seien, nicht aber bei einer privaten Duschanlage. Das ist in Bezug auf den hier vorliegenden Mangel kein relevanter Unterschied. Die Rinnenkonstruktion ist unabhängig von den Durchflussmengen mangelhaft. Sie wäre ebenso mangelhaft, wäre sie in dem Bad eines Einfamilienhauses so eingebaut worden.
145.Die Ansicht des Beklagten, er habe sich mit den Duschrinnen überhaupt nicht befassen müssen, vermag der Senat nach wie vor nicht zu teilen. Mit der Bauüberwachung betraute „Sonderfachleute“ gab es nicht (dazu noch nachfolgend). Die Pflicht des Beklagten war auch nicht auf „Baustellenorganisation und- koordination“ beschränkt. Schon danach hätte er übrigens für eine Überwachung des kritischen Gewerks sorgen müssen, wenn er – wie er geltend macht – als Architekt für die Beurteilung der handwerklichen Details einer TGA-Anlage (hier: Duschrinne) nicht ausgebildet ist. Zudem waren jedenfalls die Gewerke der Kostengruppe 300 von dem Beklagten zu überwachen (Hinweisbeschluss Seite 8), was der Beklagte nicht konkret angreift.
15Der Beklagte macht geltend, die mangelhafte Ausführung der Duschrinnen habe nicht überwacht werden müssen, weil es sich um handwerkliche Selbstverständlichkeiten handele. Für die mit der Ausführung der Technischen Gebäudeausrüstung betrauten Unternehmer handele es sich um handwerkliche Selbstverständlichkeiten, wenn sie fachlich in der Lage seien, einen solchen Auftrag zu bearbeiten. Ihm selbst sei die Mangelhaftigkeit aber verborgen geblieben. Mit diesem Vortrag nimmt der Beklagte für sich in Anspruch, weniger Kenntnisse haben zu müssen als ein Sanitär- und Heizungsbauer, als ein Trockenbauer, als ein Estrichleger und als ein Fliesenleger. Das überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Allein der Umstand, dass ein Handwerker ein Werk mangelfrei ausführen kann, belegt nicht, dass es sich um eine handwerkliche Selbstverständlichkeit handelt. Vorliegend geht es um eine Abdichtung, die eine Koordination mehrerer Gewerke voraussetzte. Abdichtungen sind besonders kritische Bauteile, mithin keine handwerklichen Selbstverständlichkeiten (Locher/Koeble/Frik HOAI § 34 Rn. 246). Der Beklagte als Architekt muss zudem solche Kenntnisse haben, die es ihm erlauben, die von ihm geschuldete Bauüberwachung zu leisten.
166.Eine „Eigenüberwachung“ des ausführenden Bauunternehmers durch sich selbst kann es nicht geben. Die Bauüberwachung ist eine zusätzliche Kontrolle des bauausführenden Unternehmers, die dem Besteller eine zusätzliche Gewähr für die mangelfreie Ausführung des Werks verschaffen soll. Im Verhältnis zum Besteller ist der ausführende Bauunternehmer ohne weiteres verpflichtet, mangelfrei zu leisten. Er ist hierzu nicht durch die Bauüberwachung „anzuhalten“. Die Bauüberwachung ist eine „Kontrollinstanz“, die dem Besteller zusätzliche Sicherheit verschafft, dass die Werkleistung mangelfrei ausgeführt wird. Ausführender Unternehmer und Bauüberwacher können daher nicht personenidentisch sein.
17Der Beklagte macht geltend, die „Eigenüberwachung“ sei das Geschäftsmodell jeden „Generalunternehmers“, der oftmals keinen externen Bauüberwacher neben seiner internen Eigenüberwachung dulde. Ein solches „Geschäftsmodell“, sollte es denn existieren, besagt nichts zu der Frage, ob der Beklagte die Notwendigkeit einer Überwachung erkennen musste und – wenn er selbst nicht zur Überwachung in der Lage war – die Klägerin auf die Notwendigkeit einer Überwachung durch einen Fachplaner hinweisen musste. Übernimmt ein Unternehmer neben der Ausführung sämtlicher Gewerke auch die Ausführungsplanung und verpflichtet er sich zur schlüsselfertigen Herstellung (das wird nach der nicht einheitlichen Terminologie als Generalunternehmervertrag, Generalübernehmervertrag, Totalunternehmervertrag oder Totalübernehmervertrag bezeichnet) ist er gemäß § 633 Abs. 1 BGB zur mangelfreien Leistung verpflichtet. Eine „Eigenüberwachung“ eines solchen Unternehmers im Sinne einer internen Qualitätskontrolle mag es zwar geben. Diese „Eigenüberwachung“ dient aber nur der Erfüllung der originären Pflicht Unternehmers, mangelfrei zu leisten. Nicht nachvollziehbar ist es, dass ein solcher Unternehmer einen externen Bauüberwacher nicht dulden würde. Installiert der Besteller zusätzlich eine Qualitätskontrolle und Bauüberwachung, kann sich der Unternehmer hiergegen nicht wehren. Zudem entspricht es der Vertragspraxis, im Falle der Beauftragung eines mit Planung und Ausführung betrauten Unternehmers eine zusätzliche Bauüberwachung bzw. Projektkontrolle vorzusehen (vgl. Beck´sche Online-Formulare/Berger, Generalunternehmervertrag § 5 (1); Roquette/Schweiger, Vertragsbuch Privates Baurecht, Generalunternehmervertrag in § 4 Nr. 8), wie sie etwa durch einen Projektsteuerer geleistet werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 10.06.1999 – VII ZR 215/98, NJW 1999, 3118 zur Anwendung von Werkvertragsrecht, wenn die zentrale Aufgabe des Projektsteuerers die technische Bauüberwachung des Generalübernehmers ist).
18Der Beklagte macht zudem letztlich nur geltend, er habe von einer Überwachung der Streithelferin zu 1) durch sich selbst ausgehen dürfen. An der Ausführung der Rinnenkonstruktion waren aber auch die weiteren Streithelfer beteiligt. Der Beklagte bleibt die Darlegung schuldig, wer diese Arbeiten überwacht haben könnte.
19Wenn der Beklagte geltend macht, dass die Beauftragung eines Fachplaners für die Technische Gebäudeausrüstung auch bei kleineren Bauvorhaben nicht ungewöhnlich sei (er nennt Kleinkläranlagen, Heizungs-/Geothermieanlagen und Wärmepumpen), mag das zutreffen. Im vorliegenden Fall gab es aber einen solchen Fachplaner nicht, sondern waren nur ausführende Unternehmen neben dem Beklagten involviert. Der Beklagte verfehlt daher den richtigen Gesichtspunkt, wenn er geltend macht, es habe keine Anhaltspunkte gegen die Zuverlässigkeit der Streithelfer gegeben. Auch zuverlässige Fachunternehmer müssen überwacht werden.
207.Der Beklagte macht geltend, er sei vor der Mängelbeseitigung nicht „konsultiert“ worden, weshalb die in der Entscheidung des BGH, Urt. v. 07.03.2013 – VII ZR 119/10, BauR 2013, 1129 entwickelten Grundsätze nicht anwendbar seien. Die Klägerin hat indessen dem Beklagten mit Schreiben vom 05.09.2018 den Schaden angezeigt und das Gutachten des Sachverständigen B. beigefügt. Mit Schreiben vom 19.09.2018 hat sie ein Sanierungsangebot der Fa. C. übersandt, das sie mit Schreiben vom 01.10.2018 ergänzt hat. Ohnehin hatte der Beklagte keinen Anspruch dahin, „konsultiert“ zu werden. Der Beklagte ist nicht berechtigt, im Bauwerk realisierte Mängel selbst zu beseitigen (BGH, Urt. v. 16.02.2017 – VII ZR 242/13, NZBau 2017, 555). Nicht zu folgen vermag der Senat der Ansicht, die Frage der Erstattungsfähigkeit der von der Klägerin aufgewendete Kosten betreffe die haftungsbegründende und nicht die haftungsausfüllende Kausalität. Der (Primär-) Schaden liegt darin, dass sich der Bauüberwachungsfehler des Beklagten im Bauwerk realisiert hat und deshalb das Bauwerk mit einem Defizit behaftet ist (BGH, Urt. v. 16.02.2017 – VII ZR 242/13, NZBau 2017, 555 Rn. 24). Die von der Klägerin zur Mangelbeseitigung aufgewendeten Kosten sind daher Mangelfolgeschaden, erfolgen sie doch, um das Defizit des Bauwerks, also den Primärschaden, zu beseitigen. Der Schaden ist daher gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen.
21Welche Angaben der Beklagte zu den Kosten der Mängelbeseitigung vermissen könnte, erschließt sich nach seinem Vortrag nicht. Dass sich die Klägerin bei der Sanierung an den Feststellungen des Gutachters B. orientiert haben mag, belegt die Notwendigkeit einer Beweiserhebung nicht. Auf die tatsächliche Erforderlichkeit kommt es im Übrigen schon aus rechtlichen Gründen nicht an, weil die Klägerin den Empfehlungen des von ihr beauftragten Privatgutachters folgen durfte.
228.Der Vortrag, der Sachverständige habe in erster Instanz die erforderlichen Kosten nicht kalkulieren können, ist unerheblich. Maßgeblich sind die von der Klägerin aufgewendeten Kosten.
23Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
24Berufungsstreitwert: bis 110.000,00 EUR.
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