Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beklagte wird verurteilt,
1.es bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monate oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,
die nachstehend aufgeführten Klauseln sowie diese inhaltsgleichen Klauseln in Bezug auf Abwendungsvereinbarungen, die mit Verbrauchern zur Abwendung von Energiesperren Verträgen über die Grundversorgung mit Strom und/oder Gas getroffen werden, zu verwenden, sofern nicht der jeweilige Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die hierbei in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):
a) „Aktuell besteht aus Energielieferung für die vorbezeichnete Lieferstelle eine offene Forderung in Höhe von „Hauptforderung“ zuzüglich eines Bearbeitungsentgeltes in Höhe von 15,00 Euro.“
und/oder
b) „Dem Kunden bleibt nachgelassen, die Gesamtforderung in 6/12 Raten zu den folgenden Fälligkeitsterminen zu begleichen:“
und/oder
c) „Ohne fristgerechte Zahlung der 1. Rate wird die Abwendungsvereinbarung NICHT wirksam und ein ggf. bereits angekündigter Termin zur Versorgungseinstellung bleibt bestehen.“
und/oder
d) „Ein zeitlich zwischen dem Angebot und dem Abschluss der Abwendungsvereinbarung fällig werdender Abschlag ist ebenfalls sofort bzw. am Fälligkeitstermin der 1. Rate zu zahlen. Ohne fristgerechte Zahlung wird die Abwendungsvereinbarung NICHT wirksam und ein ggf. bereits angekündigter Termin zur Versorgungseinstellung bleibt bestehen.“
und/oder
e) „Die jeweilige Zahlung ist A. nachzuweisen unter Zahlungsnachweis@A..de“
und/oder
f) „(1) Sollte der Kunde eine Rate aus § 2 und / oder eine Abschlagszahlung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig bezahlen, wird die gesamte dann noch bestehende Forderung sofort gesamtfällig.“, jedoch nur sofern dies zusammen mit der unter a) abgedruckten Klausel geschieht;
2.
an den Kläger einen Betrag in Höhe von 260,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Oktober 2024 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 1/6 der Kläger und zu 5/6 die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar
- hinsichtlich des Tenors zu 1. hinsichtlich jeder einzelnen Klausel gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € durch den Kläger,
- hinsichtlich des Zahlungsanspruchs und der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird hinsichtlich des Antrages zu 1.f) für den Kläger zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger, ein in das Verzeichnis gemäß § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband, beanstandet mehrere Klauseln, die von der Beklagten, einem Energieversorgungsunternehmen, verwendet werden. Letztere stellt ihren Kunden in der Grundversorgung mit Strom und Gas im Internet folgende „Abwendungsvereinbarung“ zur Verfügung:
3Der Kläger beanstandet die im Tenor abgedruckten Klauseln mit folgender Begründung:
7Zu 1.a)
8Ein Bearbeitungsentgelt könne die Beklagte nicht verlangen. Sie müsse kraft Gesetzes eine Abwendungsvereinbarung anbieten, daher könne sie für die Erfüllung dieser Pflicht kein Entgelt verlangen.
9Zu 1.b)
10Die Klausel beschränke die Zahl der vom Verbraucher zu zahlenden Raten auf 6, maximal 12 Raten, wohingegen § 19 Abs. 5 S. 6/7 StromGVV/GasGVV die Ratenzahlung bis auf 24 Monate ausgeweitet werden könne.
11Zu 1.c) – e)
12Die Abhängigmachung der Wirkungen einer Abwendungsvereinbarung von der Zahlung der ersten Rate und etwaiger Abschlagszahlungen sei mit § 19 Abs. 5 S. 3 StromGVV/GasGVV nicht vereinbar. Der Verbraucher werde dadurch daran gehindert, Einwände gegen die Forderung zu erheben. Zudem würden die Möglichkeiten der Verbraucher zum Abschluss einer Abwendungsvereinbarung dadurch verkürzt, dass die Zeit einer Überweisung zwischen Beauftragung und Eingang bei der Beklagten mindestens ein Tag betrage.
13Zu 1.f)
14Die Klausel verstoße gegen § 498 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 515, 514 Abs. 1 S. 1 BGB.
15Der Kläger beantragt daher nach fruchtloser Abmahnung,
161.
17es der Beklagten bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monate oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, zu untersagen, die nachstehend aufgeführten Klauseln sowie diese inhaltsgleichen Klauseln in Bezug auf Abwendungsvereinbarungen, die mit Verbrauchern zur Abwendung von Energiesperren getroffen werden, zu verwenden, sofern nicht der jeweilige Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die hierbei in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):
18g) „Aktuell besteht aus Energielieferung für die vorbezeichnete Lieferstelle eine offene Forderung in Höhe von „Hauptforderung“ zuzüglich eines Bearbeitungsentgeltes in Höhe von 15,00 Euro.“
19und/oder
20h) „Dem Kunden bleibt nachgelassen, die Gesamtforderung in 6/12 Raten zu den folgenden Fälligkeitsterminen zu begleichen:“
21und/oder
22i) „Ohne fristgerechte Zahlung der 1. Rate wird die Abwendungsvereinbarung NICHT wirksam und ein ggf. bereits angekündigter Termin zur Versorgungseinstellung bleibt bestehen.“
23und/oder
24j) „Ein zeitlich zwischen dem Angebot und dem Abschluss der Abwendungsvereinbarung fällig werdender Abschlag ist ebenfalls sofort bzw. am Fälligkeitstermin der 1. Rate zu zahlen. Ohne fristgerechte Zahlung wird die Abwendungsvereinbarung NICHT wirksam und ein ggf. bereits angekündigter Termin zur Versorgungseinstellung bleibt bestehen.“
25und/oder
26k) „Die jeweilige Zahlung ist A. nachzuweisen unter Zahlungsnachweis@A..de“
27und/oder
28f) „(1) Sollte der Kunde eine Rate aus § 2 und / oder eine Abschlagszahlung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig bezahlen, wird die gesamte dann noch bestehende Forderung sofort gesamtfällig.(2) In diesem Fall ist A. berechtigt, die Energielieferung entsprechend den rechtlichen Voraussetzungen zu unterbrechen.“
292.
30die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 260,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zahlen.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie ist der Auffassung, die beanstandeten Passagen seien rechtmäßig. Im Einzelnen:
34Zu 1.a)
35Die Regelungen des § 19 Abs. 5 StromGVV/GasGVV seien nicht abschließend. Sie könne daher ein Bearbeitungsentgelt verlangen.
36Zu 1.b) / c)
37Die Zahlung der Raten stelle eine Hauptleistungspflicht des Verbrauchers dar; das gleiche gelte von Abschlagszahlungen. Im Übrigen sei auf § 19 Abs. 5 S. 11 StromGVV/GasGVV hinzuweisen. Der Verbraucher verzichte durch die Zahlung der ersten Rate nicht auf sein Recht auf Überprüfung der Rechnung.
38Zu 1.d)
39Das Formular werde individuell angepasst. Übersteige der Rückstand mehr als 300 €, werde auf Wunsch des Kunden auch die Möglichkeit einer Rückzahlung in 12 bis 24 Raten angeboten.
40Zu 1.e)
41Der Kläger nenne keine konkrete Vorschrift, von der abgewichen werde.
42Zu 1.f)
43Der Senat habe eine entsprechende Klausel bereits gebilligt (Urteil vom 31.10.2024 – I-20 UKl 4/24).
44Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen.
45Entscheidungsgründe:
46Die Klage ist teilweise begründet.
471. Antrag zu 1.
Vorabzuschicken ist, dass an der Aktivlegitimation des Klägers kein Zweifel besteht. Er ist in das Verzeichnis nach § 4 UKlaG als Verbraucherschutzverband eingetragen. Der Antrag bezieht sich, wie aus der Klagebegründung hervorgeht und in der mündlichen Verhandlung vom Kläger bestätigt worden ist, nur auf Abwendungsvereinbarungen im Rahmen von Grundversorgungsverträgen über Strom und Gas, nicht aber auf Sonderverträge über Strom und Gas (§ 118b EnWG gilt nicht mehr) und auch nicht auf Verträge über andere Energiearten.
50Es handelt sich auch um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es handelt sich um Mustervereinbarungen, die die Beklagte standardmäßig ihren Verbrauchern anbietet.
51Im Einzelnen:
52a) Klausel a)
53Die Klage ist insoweit begründet.
54aa) Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle, § 307 BGB. Es handelt sich nicht um eine Preisabrede, die im Allgemeinen von einer Klauselkontrolle ausgenommen ist. Zwar wird der Betrag als „Bearbeitungsentgelt“ bezeichnet, wobei mit Bearbeitung ersichtlich die Entgegennahme und Prüfung des Kundenantrages sowie die weitere Überwachung der Zahlungen des Kunden gemeint ist. Wie jedoch noch näher auszuführen ist, bepreist die Klausel jedoch die Erfüllung von Pflichten, die die Beklagte kraft Gesetzes trifft (vgl. Grüneberg, BGB; 84. Aufl., § 307 Rn. 49 m.w.N.).
55bb) Die Klausel ist mit § 19 Abs. 5 StromGVV/GasGVV (vgl. auch § 41g Abs. 1 EnWG in der Fassung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Bereich der Endkundenmärkte, des Netzausbaus und der Netzregulierung, BT-Drs. 20/14199) nicht vereinbar.
56Der Grundversorger ist nach § 19 Abs. 5 S. 2 StromGVV/GasGVV verpflichtet, dem Kunden auf dessen Verlangen oder von sich aus spätestens mit der Ankündigung einer Unterbrechung der Grundversorgung den Abschluss einer Abwendungsvereinbarung anzubieten. Damit naturgemäß verbunden ist die Prüfung der Erklärung des Kunden, schließlich auch die Überprüfung der Einhaltung der Zahlungsverpflichtung. Diese Verpflichtung trifft den Grundversorger mithin kraft Gesetzes, ohne dass eine Gegenleistung vorgesehen ist. Im Gegenteil betont der Gesetzestext, dass die Stundung „zinsfrei“ (§ 19 Abs. 5 S. 3 Nr. 1) und ohne Mehrkosten für den Kunden (§ 19 Abs. 3 S. 1) ist. Zwar wird die Abwendungsvereinbarung nicht in Abs. 3 S. 2 erwähnt, die dort aufgezählten Maßnahmen sind jedoch nur „beispielsweise“ aufgeführt, die Abwendungsvereinbarung sodann in S. 3 erwähnt. Mithin kann der Grundversorger die Erfüllung dieser Pflicht nicht von einer Gegenleistung abhängig machen. Dass die Bearbeitung des Antrages mit Aufwand seitens der Beklagten verbunden ist, ist unerheblich (vgl. BGH NJW 2013, 995 zur Führung eines Pfändungsschutzkontos).
57cc) Als Schadensersatz kann die Beklagte den Betrag aus mehreren Gründen nicht verlangen:
58Zum einen wird der Betrag nicht als Schadensersatz, sondern als „Bearbeitungsentgelt“ bezeichnet.
59Des Weiteren ist nicht erläutert, dass der Betrag dem durch einen Verzug des Kunden entstanden ersatzfähigen Aufwand entspricht, zudem fehlt es an einem Hinweis nach § 309 Nr. 5 lit. b) BGB.
60b) Klausel b)
61Die Klage ist begründet.
62Die angegriffene Klausel ist so auszulegen, dass die Beklagte ihren Kunden eine Ratenzahl von höchstens 12 anbietet. Eine andere Auslegung kann dem Satz, wonach die „Gesamtforderung in 6/12 Raten … zu begleichen“ ist, nicht entnommen werden. Auch aus den folgenden Zeilen ergibt sich nichts Anderes; dort wird zwar auf „ggf. weitere“ Raten verwiesen, das ist aber damit erklärbar, dass nur 6 Zahlungstermine genannt werden. Der Kunde muss davon ausgehen, dass maximal 12 Termine eingesetzt werden können.
63Dies ist jedoch mit § 19 Abs. 5 S. 6/7 StromGVV/GasGVV nicht zu vereinbaren. Nach diesen Vorschriften ist der Rückstand je bei einem Rückstand von mehr als 300 € in höchstens 24 Monaten, im Regelfall bis zu 18 Monaten abzutragen. Diese Vorschrift lässt es zu, dass bei monatlicher Zahlung (von der S. 9 ausgeht) bis zu 24 bzw. Ratenzahlungen möglich sind. Dass die Beklagte auf Nachfrage des Verbrauchers längere Ratenzahlung anbietet, ist unerheblich.
64Im Übrigen ist es Sache der Beklagten, die Verbraucher umfassend aufzuklären und nicht erst auf ihre Nachfrage hin weitere Ratenzahlungen anzubieten, § 19 Abs. 3 S. 3/4 StromGVV/GasGVV.
65c) Klausel c)
66Die Klage ist begründet.
67Die angegriffene Klausel ist so auszulegen, dass die Vertragswirksamkeit durch die fristgerechte Zahlung der ersten Rate aufschiebend bedingt ist und dass andernfalls ein bereits zuvor anberaumter Termin zur Unterbrechung der Versorgung bestehen bleibt. Eine solche aufschiebende Bedingung ist in § 19 Abs. 5 StromGVV/GasGVV jedoch nicht vorgesehen. Im Übrigen gelten die nachfolgenden Ausführungen zu d) entsprechend.
68d) Klausel d)
69Die Klage ist begründet.
70Die Klausel weicht von § 19 Abs. 5 S. 11/12 StromGVV/GasGVV ab. Nach diesen Vorschriften hat die Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen aus der Abwendungsvereinbarung zwar zur Folge, dass der Grundversorger wieder zur Unterbrechung der Versorgung berechtigt ist. Er hat aber die Unterbrechung erneut mit einer Frist von 8 Werktagen anzukündigen. Ein vor Abschluss der Abwendungsvereinbarung anberaumter Termin kann mithin nicht einfach bestehen bleiben. Das gilt insbesondere dann, wenn zwischen dem Verzug und dem Termin weniger als 8 Werktage liegen.
71e) Klausel e)
72Die Klage ist begründet.
73Die Klausel ist so auszulegen, dass Zahlungen des Kunden im Zusammenhang mit der Abwendungsvereinbarung nur dann berücksichtigt werden, wenn sie über 000000000@A..de mitgeteilt werden. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, es handele sich alleine um einen Ratschlag an den Kunden, mit dem erreicht werden solle, dass die Beklagte die eingehenden Zahlungen schneller zuordnen könne, nicht jedoch um die Vereinbarung einer Pflicht, trifft dies nicht zu; es heißt nicht „soll“ oder „es wird empfohlen“, vielmehr „ist“ die Zahlung auf einem bestimmten Wege nachzuweisen.
74Dies verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB. Der Kunde hat die Zahlungen nach § 3 Abs. 2 der Abwendungsvereinbarung auf ein bestimmtes Konto der Beklagten zu leisten. Dies bedeutet, dass der Kunde die Leistungshandlung rechtzeitig vorgenommen, also den Überweisungsauftrag rechtzeitig erteilt haben muss. Eine etwaige Verletzung der Verpflichtung der Bank, die Überweisung innerhalb der Frist des § 675s BGB auszuführen, fällt nicht in das Risiko des Schuldners (Grüneberg, a.a.O., § 270 Rn. 6). Aber auch im Normalfall, dass die Überweisung rechtzeitig ausgeführt worden ist, ist es der Beklagten zuzumuten, das angegebene Konto auf Zahlungen des Kunden zu überwachen, wie sie dies auch bei üblichen Zahlungen des Kunden der Fall ist. Die Klausel führt dazu, dass die rein tatsächlich eingegangene Zahlung als nicht eingegangen zu behandeln ist, und zwar allein deswegen, weil der Kunde diese nicht über die genannte Webseite gemeldet hat.
75f) Klausel f)
76Die Klage ist nur teilweise begründet.
77aa) Soweit die Klage die Klausel in Alleinstellung („oder“) angreift, ist die Klage nicht begründet.
78Der Senat hat in seinem Urteil vom 31. Oktober 2024 in einem Rechtsstreit des Klägers gegen ein anderes Strom- und Gasversorgungsunternehmen (I-20 UKl 4/24; n.rk., abgedruckt in GRUR-RS 2024, 31315, beim BGH unter VIII ZR 242/24 anhängig) zu einer teilweise vergleichbaren Klausel ausgeführt:
79Die Klage des klagebefugten Verbandes (§ 4 UKlaG) ist nicht begründet. Zwar handelt es sich bei der beanstandeten Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (dazu a)), die vom Gesetz abweicht (dazu b)), sie ist jedoch nicht zu beanstanden, weil sie weder von der gemäß § 512 BGB zwingenden Vorschrift des (§ 515 i.V.m. § 514 Abs. 1 i.V.m.) § 498 Abs. 1 BGB abweicht (dazu c)) noch sie gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist (dazu d)).
80a) Allerdings handelt es sich bei der beanstandeten Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 1 UKlaG, § 305 Abs. 1 BGB.
81Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 BGB für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die der Verwender der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Der Begriff setzt eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll. Für die Unterscheidung von allgemeinen (verbindlichen) Vertragsbedingungen und (unverbindlichen) Bitten, Empfehlungen oder tatsächlichen Hinweisen ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Eine Vertragsbedingung liegt danach vor, wenn ein im Vertrag enthaltener Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden, wobei auf den rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden und die dabei gegebenen Verhältnisse abzustellen ist (zum Ganzen BGH NJW 2024, 669 Rn. 14 m.w.N.).
82Danach handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Auch wenn der fragliche Absatz mit „Wichtiger Hinweis:“ überschrieben ist, kann die angegriffene Klausel nur so verstanden werden, dass sich der Kunde mit ihrem Inhalt einverstanden erklären soll. Sie ist – als Teil der Abwendungsvereinbarung – vom Kunden zu unterschreiben. Er geht damit über einen bloßen Hinweis auf eine sowieso geltende gesetzliche Regelung hinaus.
83b) Die Vorschrift weicht vom Gesetz ab, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Es gibt keine gesetzliche Regelung, die eine Ratenzahlungsvereinbarung bei nicht fristgerechter oder unvollständiger Zahlung einer Rate für hinfällig erklärt. § 19 Abs. 5 S. 11 StromGVV/GasGVV beinhaltet nur das Recht des Versorgers, bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus der Abwendungsvereinbarung die Versorgung zu unterbrechen, jedoch nicht - auch nicht implizit - die sofortige Fälligkeit des gestundeten Restbetrages. Das Recht des Versorgers, die Energieversorgung bei nicht vollständiger und rechtzeitiger Zahlung auch nur einer Rate – nach Ankündigung – zu unterbrechen, ist auch bei ohne eine Gesamtfälligkeit des gestundeten Betrages erklärbar; der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass in einer derartigen Fallgestaltung der Verzug mit auch nur einer Rate ausreicht. Für eine weitergehende Folge ist aus der Gesetzesbegründung nicht ersichtlich (zu § 118b EnWG s. BT-Drs. 20/4685 S. 125; vgl. Assmann/Pfeiffer, in BeckOK EnWG, § 118b Rn. 44).
84c) Die Klausel verstößt jedoch nicht gegen die – im Hinblick auf § 512 BGB unabdingbare – Vorschrift des § 498 Abs. 1 (i.V.m. § 515, § 514 Abs. 1) BGB, denn es handelt sich bei einer Abwendungsvereinbarung nach § 19 Abs. 5 StromGVV/GasGVV weder um einen Kreditvertrag (dazu aa) noch um einen unentgeltlichen Zahlungsaufschub im Sinne des § 515 BGB (dazu bb).
85aa) Um einen Kreditvertrag handelt es sich bereits deshalb nicht, weil die Abwendungsvereinbarung unentgeltlich ist (§ 19 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 StromGVV/GasGVV). Unentgeltliche Stundungsvereinbarungen sind jedenfalls dann keine Kreditverträge, wenn – wie hier – der vorherige Vertrag selbst kein Kreditvertrag ist; auch die Verbraucherkreditrichtlinie, deren Auslegung durch den EuGH die Beklagte begehrt, gilt nicht (vgl. Schürnbrand/Weber, in Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl., § 514 Rn. 3).
86bb) Entgegen der Auffassung des Klägers handelt sich bei einer Abwendungsvereinbarung auch nicht um einen unentgeltlichen Zahlungsaufschub im Sinne des § 515 BGB.
87Zwar wird in der Literatur zu § 506 BGB vertreten, dass unter „Zahlungsaufschub“ nicht nur ein bereits bei Vertragsschluss vereinbarter, sondern auch ein nachträglich vereinbarter Zahlungsaufschub zu verstehen sei (Schürnbrand/Weber, in Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl., § 506 Rn. 4 m.w.N., Rn. 13). Diese Auffassung betrifft jedoch entgeltliche Zahlungsaufschübe. Das ist nachvollziehbar, da dann der Verbraucher über die Kosten des Zahlungsaufschubs informiert werden muss. Darum geht es bei einem nachträglich gewährten unentgeltlichen Zahlungsaufschub jedoch nicht. Der Sinn des § 514 BGB besteht in dem Schutz des Verbrauchers davor, dass er die Leistung sofort erhält, während er seine Gegenleistung erst später erbringen muss, und dadurch zu einem unüberlegten Vertragsschluss verlockt wird (vgl. Weber, a.a.O., § 514 Rn. 1). Soweit der Kläger im Termin angeführt hat, der Verbraucher solle auch vor einer Überschuldung geschützt werden, trifft dies nur für Schulden zu, die auf den durch die Anlockwirkung einer späteren Zahlung eingegangenen Zahlungsverpflichtung beruhen. Diese Gefahr besteht jedoch bei nachträglichen Zahlungserleichterungen nicht. Der Verbraucher hat sich bereits zu Zahlungen verpflichtet und kann nicht dazu verlockt werden, durch den Aufschub mit der Zahlungsverpflichtung einen Vertrag einzugehen.
88Hinzu kommen die Besonderheiten der Zahlungsverpflichtung aus einem Grundversorgungsvertrag.
89Der Gesetzgeber hat, wie sich aus den Schutzvorschriften des § 19 StromGVV/GasGVV ergibt, den Bezug von Strom und Gas als lebensnotwendig angesehen. Er ist nicht davon ausgegangen, dass der Kunde „einfach so“ auf den Bezug von Strom und/oder Gas verzichten kann, ihm soll vielmehr der Weiterbezug trotz angedrohter Unterbrechung ermöglicht werden. Es geht bei § 515 BGB damit genau um das Gegenteil dessen, was § 19 Abs. 5 StromGVV/GasGVV bezwecken will: Während § 515 BGB den Verbraucher vor einem unüberlegten – zu Zahlungsverpflichtungen führenden - Vertragsschluss schützen will, sollen § 19 Abs. 5 StromGVV/GasGVV die unterbrechungsfreie Fortsetzung eines bereits geschlossenen Vertrages erleichtern.
90Des Weiteren bietet der Versorger dem Kunden den Zahlungsaufschub nicht aus freien Stücken an, vielmehr ist er nach § 19 Abs. 5 StromGVV/GasGVV dazu verpflichtet. Dem Verbraucher steht es frei, ob und in welchem Umfange er davon Gebrauch machen will. Ihm steht es – in gewissem Umfange – frei, welche und wie viele Raten er leisten will. Ein Zahlungsaufschub zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass der Unternehmer eine Abweichung von der gesetzlichen Leistungszeit anbietet (vgl. Weber, a.a.O., § 506 Rn. 5/6); das ist bei einem Zahlungsaufschub, auf dessen Einräumung der Verbraucher ein Recht hat, gerade nicht der Fall.
91Zutreffend weist die Beklagte zudem darauf hin, dass auch die durch § 515, § 514 Abs. 1 BGB in Bezug genommene Verpflichtung zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 505a BGB) hier nicht passt. Aber auch die Vorschriften über die Widerrufsbelehrung (§ 515 i.V.m. § 514 Abs. 2 BGB, Art. 246 Abs. 3 EGBGB; s. dazu Weber, a.a.O., § 514 Rn. 15/16) können auf einen nachträglichen Zahlungsaufschub jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht angewendet werden; der Widerruf des Energielieferungsvertrages als solches kommt nicht in Betracht, der Widerruf des Zahlungsaufschubs ist sinnlos, da nach Sinn und Zweck von § 19 Abs. 5 StromGVV/GasGVV (vgl. auch § 271 Abs. 2 BGB) der Kunde die gestundeten Beträge auch vorzeitig erbringen kann.
92d) Die angegriffene Klausel ist auch nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
93Sie beeinträchtigt nicht das Recht des Kunden, nach § 19 Abs. 5 S. 9 StromGVV/GasGVV eine Aussetzung seiner Verpflichtungen aus der Abwendungsvereinbarung in Höhe von bis zu 3 Monatsraten zu verlangen. Dieses Recht kann nach § 19 Abs. 5 S. 10 StromGVV/GasGVV nämlich nur bis zur Fälligkeit der betreffenden Rate ausgeübt werden.
94Sie benachteiligt auch nicht aus sonstigen Gründen den Kunden unangemessen. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, dass das ihm eingeräumte Stundungsrecht nur bei vertragsgemäßem Verhalten eingeräumt wird. Nach § 19 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 StromGVV/GasGVV hat er einen Anspruch auf Stundung nur dann, wenn er seine laufenden Zahlungsverpflichtungen (sprich: die weiterhin fälligen Abschlagszahlungen) erfüllt. Gleiches gilt für das weitere Aufschubrecht des § 19 Abs. 5 S. 9 StromGVV/GasGVV). Kommt der Kunde seinen Verpflichtungen aus der Abwendungsvereinbarung nicht nach, kann der Grundversorger nach § 19 Abs. 5 S. 11 StromGVV/GasGVV sofort (ohne Rücksicht auf die Höhe des Rückstandes) die Unterbrechung der Versorgung – nach Ankündigung – vornehmen. Diese Vorschriften dienen lediglich dazu, dem Verbraucher die Versorgung zu sichern, nicht aber, die Fälligkeit der Verbindlichkeiten des Verbrauchers als solche hinauszuschieben.
95Daran hält der Senat fest.
96An dem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte das Fortbestehen der Stundung nicht nur von der fristgerechten Zahlung der in der Abwendungsvereinbarung vereinbarten Raten, sondern auch von der fristgerechten Zahlung der aus der laufenden Abnahme von Strom/Gas sich ergebenden Abschläge abhängig macht. Auf die Ausführungen im Urteil vom 31.10.2024 unter b) wird verwiesen.
97bb) Begründet ist die Klage jedoch insoweit, als sie die Verwendung der Klausel zusammen mit der unter a) angegriffenen Klausel betrifft.
98(1) Zwar wird vielfach angenommen, dass ein Merkmal nicht deswegen erfolgreich angegriffen werden kann, weil es in Kombination mit einem gesondert erfolgreich angegriffenen Merkmal verwendet wird; in diesem Fall sei dieses gesondert erfolgreich angegriffene Merkmal bei der Prüfung des anderen Merkmals hinwegzudenken (OLG Hamburg, GRUR-RR 2016, 131 Rn. 57; offen gelassen von BGH GRUR 2024, 476 Rn. 19 ff. – Corona-Prophylaxe). Wie jedoch der Kläger jedoch in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats bestätigt hat, wird die Klausel auch in Kombination mit der unter a) bezeichneten Klausel angegriffen.
99(2) In Zusammenschau mit der unter a) angegriffenen Klausel ist die Klage deswegen begründet, weil es sich dann um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub handelt; in diesem Fall gilt über § 506 Abs. 1 S. 1 BGB auch § 497 BGB. Dass es sich um einen nachträglichen Zahlungsaufschub handelt, ist – anders als beim unentgeltlichen Zahlungsaufschub (s. unter aa) – unerheblich. Der Kunde hat für den Zahlungsaufschub ein Entgelt zu leisten und ist daher schutzwürdig. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs besteht nicht.
100cc) Der Absatz (2) als solcher ist nicht zu beanstanden, da er lediglich auf die im Gesetz geregelten Voraussetzungen für eine Unterbrechung (hier: § 19 Abs. 5 S. 11/12 StromGVV/GasGVV) verweist.
1012. Antrag zu 2.
Auch dieser Antrag ist begründet, § 5 UKlaG i.V.m. § 13 Abs. 3 UWG.
104Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 28. Mai 2024 (Anlage K 3) abgemahnt. Diese Abmahnung war teilweise berechtigt. Die Höhe der Kosten ist unstreitig. Dass die Abmahnung nur teilweise berechtigt war, ist unerheblich (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 13 UWG Rn. 133).
1053. Nebenentscheidungen
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 709 S. 1, 2 ZPO. § 708 Nr. 10 ZPO ist nicht anzuwenden, weil es sich nicht um ein Berufungsurteil handelt (vgl. § 6 Abs. 1 S. 3 UKlaG).
108Die Revision ist – wie in I-20 UKl 4/24 – hinsichtlich des Antrages zu 1.f) für den Kläger zuzulassen. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vor.
109Streitwert: 30.000 € (davon auf den Antrag zu 1.f) entfallend 10.000 €).
110… … …