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I.
2Die Beschwerdeführerin ist innerhalb der T.-Gruppe zuständig für den Vertrieb und das Marketing bezüglich der Produkte der T.-Gruppe in Deutschland (Beschwerdeführerin und T.-Gruppe fortan auch zusammengefasst: Beschwerdeführerin). Die Beschwerdeführerin entwickelt, produziert und vertreibt motorbetriebene Geräte für die Land- und Forstwirtschaft, die Landschafts- und Gartenpflege sowie für die Bauwirtschaft. Das Produktportfolio umfasst neben Benzin-getriebenen Motorgeräten auch elektrisch über Kabel oder Akku betriebene Geräte und zwar 1. Motorsägen und Schneidgarnituren sowie weitere Produkte der Kategorien Sägen und Schneiden (insbes. Motorsensen und Freischneider, Heckenscheren und Heckenschneider, Gesteinsschneider und Trennschleifer), 2. Produkte aus den Bereichen Mähen und Pflanzen (insbes. Rasenmäher, Vertikutierer, Mähroboter und Aufsitzmäher), 3. Produkte aus den Bereichen Reinigen und Aufräumen (insbes. Hochdruckreiniger, Kehr-/Reinigungsgeräte, Laubbläser, Sprüh- und Spritzgeräte), 4. Sonstige Motorgeräte (u.a. Häcksler, Erdbohrgeräte und Motorhacken). Weitere Produkte sind Betriebsstoffe, Gehölzschneider, Handwerkzeuge und Forstzubehör, Markenshop-Produkte, persönliche Schutzausrüstung, Rasenlüfter, Sauger, Smarte Lösungen (Connected Products), Strauchscheren, Werbemittel sowie Ersatzteile und sonstiges Zubehör für die genannten Motorgeräte. Die Produkte werden unter der Marke „T.“ vertrieben.
3Die Beschwerdeführerin vertrieb ihre Produkte in Deutschland jedenfalls bis zum Jahr 2020, als ein Direktvertrieb über einen Online-Shop eingeführt wurde, nahezu ausschließlich indirekt über ein deutschlandweites Netz selbständiger Fachhändler; in den Jahren 2016 bis 2019 entfielen maximal 1,5% des Gesamtumsatzes der Beschwerdeführerin in Deutschland auf den Direktvertrieb. Im Jahr 2019 erfolgte der indirekte Vertrieb über insgesamt 1.950 Vertriebspartner, die insgesamt 2.924 Verkaufsstellen unterhielten. Zu den Vertriebspartnern gehörten klassische Fachhändler (sog. Motoristen), die insgesamt 2.650 Verkaufsstellen unterhielten, und Bau- und Heimwerkermärkte sowie Gartencenter mit insgesamt 274 Verkaufsstellen. Die Vertriebspartner unterteilten sich in „normale“ Vertragshändler, mit denen die Beschwerdeführerin eine Fachhandelsvereinbarung traf – dies waren im Jahr 2019 1.044 Vertragshändler mit insgesamt 1.747 Verkaufsstellen – und T.-Dienste, mit denen die Beschwerdeführerin zusätzlich zur Fachhandelsvereinbarung die T.-Dienst Zusatzvereinbarung schloss – dies waren im Jahr 2019 906 T.-Dienste mit insgesamt 1.177 Verkaufsstellen. In den Jahren 2016 bis 2019 erzielte die Beschwerdeführerin rund 75% ihres Umsatzes im indirekten Vertrieb in Deutschland mit T.-Dienst Händlern und rund 25% mit „normalen“ Vertragshändlern.
4Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass der Motoristen-Fachhandel in Deutschland mindestens 4.000 bis 4.500 Verkaufspunkte habe. Das Bundeskartellamt nimmt an, dass es etwa 4.000 Motoristen in Deutschland gebe.
5Die letzte – und seit dem 1. Januar 2007 insgesamt dritte - T.-Dienst Zusatzvereinbarung hatte eine Geltungsdauer vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2021.
6Deren Ziff. 1.1.4 lautete:
7„Der T. Dienst stellt den regelmäßigen Bezug und Absatz der Produkte des T. Sortiments sicher und präsentiert das jeweils von der T. Vertriebszentrale festgelegte repräsentative Grundsortiment als auch die Neuheiten an T. Produkten.“
8Ziff. 3 lautete:
9„3.1 Der T. Dienst ist nicht berechtigt, die Herstellung oder den Absatz von Wettbewerbsprodukten – gleichgültig welchen Qualitäts- und Preisniveaus und technischer Ausführung – der in der Anlage 2 aufgeführten Produkte unmittelbar oder mittelbar zu fördern.
103.2 Der T. Dienst verpflichtet sich, während der Vertragsdauer kein anderes Unternehmen zu betreiben oder mit der Ausnahme der Erbringung von Servicearbeiten für ein anderes Unternehmen tätig zu sein, das mit seinen Erzeugnissen direkt oder indirekt im Wettbewerb zum T. Sortiment steht.
113.3 Der T. Dienst Eigentümer oder die Gesellschafter des T. Dienstes erklären, dass er an solchen Unternehmen oder an der Unternehmensführung nicht beteiligt ist.“
12Die in Ziff. 3.1 genannte Anlage 2 listete folgende Produkte auf:
13„Motorsägen und Hoch-Entaster
14Ketten
15Führungsschienen
16Kettenräder
17Motorsensen und Freischneider
18Schneidewerkzeuge
19KombiMotoren
20KombiWerkzeuge
21Trennschleifgeräte
22Heckenscheren und Heckenschneider
23Sprüh- und Blasgeräte
24Erdbohrgeräte
25Zubehör
26Ersatzteile.“
27Ziff. 4 lautete:
28„4.1 Der Vertrag gilt mit Wirkung vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2021 und endet automatisch, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Parteien bedarf. Die Parteien stimmen sich rechtzeitig über eine Verlängerung ab.
294.2 Werden T. die Nichteinhaltung der Pflichten aus diesem Vertrag bekannt, so ist die T. Vertriebszentrale berechtigt, Abhilfe innerhalb von 30 Tagen zu verlangen. Werden Verstöße innerhalb dieser Frist nicht abgestellt, kann die T. Vertriebszentrale diesen Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen.“
30Die Beschwerdeführerin verwandte die T.-Dienst Zusatzvereinbarung nur in Deutschland. Diese hatte in der Branche weltweit einzigartigen Charakter; kein Wettbewerber der Beschwerdeführerin verwendet in Deutschland ein explizites Wettbewerbsverbot.
31Auf die Eingabe der Wettbewerberin T.1 im Jahr 2019 leitete das Bundeskartellamt ein Verwaltungsverfahren ein. Mit Schreiben vom 20. November 2020 teilte das Amt der Beschwerdeführerin mit, dass diese „spätestens seit Zustellung des aktuellen Auskunftsbeschlusses in keiner Weise (mehr) von einer Duldung des Wettbewerbsverbots (…) durch die Beschlussabteilung“ ausgehen dürfe. Die Beschwerdeführerin verzichtete ab Ende November 2020 einseitig auf die Anwendung und Durchsetzung des Wettbewerbsverbots und teilte dies mit Schreiben vom 22. Juni 2021 den T.-Diensten mit. Die Beschwerdeführerin stellte das Vertriebskonzept T.-Dienst zum 31. Dezember 2021 insgesamt ein. Das Amt stellte mit Beschluss vom 31. Mai 2022 fest, dass das Wettbewerbsverbot gemäß Ziffer 3 der T.-Dienst Zusatzvereinbarung in Verbindung mit deren Anlage 2 und die Anwendung der T.-Dienst Zusatzvereinbarung mit Wettbewerbsverbot gegenüber den sogenannten T.-Dienst Händlern im Rahmen des Selektivvertriebssystems der Beschwerdeführerin in Deutschland jedenfalls im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zu dem mit Schreiben vom 22. Juni 2021 erfolgten Widerruf rechtswidrig war.
32Zur Begründung führte das Amt im wesentlichen aus:
33Das Wettbewerbsverbot in Ziff. 3 der T.-Dienst Zusatzvereinbarung verstoße gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV.
34Die Märkte für die verschiedenen tragbaren bzw. handgeführten Motorgeräte seien in sachlicher Hinsicht produktbezogen bzw. produktgruppenbezogen abzugrenzen. Dabei stelle innerhalb jeder identifizierten Produktgruppe der Vertrieb von Herstellermarken jeweils einen eigenständigen Markt dar. Zugunsten der Beschwerdeführerin sei zu unterstellen, dass der jeweils sachlich relevante Markt einerseits den Vertrieb über Motoristen und Baumärkte, Gartencenter etc. und andererseits alle Antriebsarten (Benzin, Kabel, Akku) umfasse. Die Annahme eines Sortimentsmarkts sei nicht sachgerecht. Einen eigenständigen sachlichen (Anschluss-)Markt stelle der Markt für Ersatz- und Verschleißteile für die vom Sachverhalt erfassten Motorgeräte dar, der zugunsten der Beschwerdeführerin nicht weiter nach Produktkategorien zu untergliedern sei.
35Dementsprechend seien folgende Produktmärkte betroffen:
36- Motorsägen und Kettensägen,
37- Hoch-Entaster,
38- Motorsensen, Freischneider und Rasentrimmer,
39- Heckenscheren und Heckenschneider,
40- Trennschleifer und Gesteinsschneider,
41- Erdbohrgeräte,
42- Sprüh-, Spritz-, Saug- und Blasgeräte (wie insbes. Nass- und Trockensauger, Laubbläser, Saughäcksler oder Drucksprüher) (ohne Hochdruckreiniger),
43- Hochdruckreiniger,
44- Kehrmaschinen und –geräte,
45- Motorhacken,
46- Schneefräsen,
47- handgeführte Rasenmäher und Mulchrasenmäher,
48- Mähroboter,
49- Rasentraktoren und Aufsitzmäher,
50- Vertikutierer und Rasenlüfter,
51- Gartenhäcksler,
52- Ersatzteile der genannten Motorgeräte.
53In räumlicher Hinsicht seien die Märkte im Hinblick auf die national geprägten Vertriebs- und Servicestrukturen der Hersteller deutschlandweit abzugrenzen.
54Das Amt hat für die vorgenannten Produktmärkte folgende Marktanteile der Beschwerdeführerin angenommen, wobei es das jeweilige Marktvolumen gar nicht und nur in einigen Fällen den Marktanteilsabstand zum nächsten Wettbewerber angegeben hat. Wegen dreier Wettbewerber, die die Auskunftsersuchen nicht beantwortet haben, hat es nach seinen Angaben einen Zuschlag von jeweils insgesamt 5% zum Marktvolumen vorgenommen.
55Beschwerdeführerin |
Marktanteil in % |
|||||
Gesamtmarkt (Hersteller- und Handelsmarken, alle Antriebsarten |
Nur Herstellermarken, alle Antriebsarten |
Nur Fachhandel (Motoristen), alle Antriebsarten |
||||
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
|
Motorsägen, Kettensägen |
50-60 |
50-60 |
50-60 |
50-60 |
70-80 |
60-70 |
Hoch-Entaster |
30-40 |
30-40 |
40-50 |
40-50 |
70-80 |
60-70 |
Motorsensen, Freischneider und Rasentrimmer |
30-40 |
30-40 |
40-50 |
40-50 |
60-70 |
60-70 |
Heckenscheren, Heckenschneider |
30-40 |
30-40 |
30-40 |
30-40 |
60-70 |
60-70 |
Trennschleifer, Gesteinsschneider |
70-80 |
60-70 |
80-90 |
80-90 |
80-90 |
80-90 |
Erdbohrgeräte |
60-70 |
50-60 |
60-70 |
50-60 |
90-100 |
90-100 |
Sprüh-, Spritz, Saug- und Blasgeräte |
10-20 |
10-20 |
10-20 |
10-20 |
20-30 |
20-30 |
Hochdruckreiniger |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
Kehrmaschinen und -geräte |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
Motorhacken |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
20-30 |
20-30 |
Schneefräsen |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
Handgeführte Rasenmäher, Mulchrasenmäher |
10-20 |
10-20 |
10-20 |
10-20 |
20-30 |
30-40 |
Mähroboter |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
10-20 |
10-20 |
Rasentraktoren, Aufsitzmäher |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
10-20 |
Vertikutierer, Rasenlüfter |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
10-20 |
20-30 |
30-40 |
Gartenhäcksler |
10-20 |
0-10 |
10-20 |
10-20 |
50-60 |
40-50 |
Für den Markt für Ersatz- und Verschleißteile (Ketten, Führungsschienen, Kettenräder und Ersatzteile) ist das Amt von folgenden Marktanteilen der Beschwerdeführerin ausgegangen, wobei es in Bezug auf andere Wettbewerber nur angegeben hat, dass der Marktanteilsabstand zum nächsten Wettbewerber über 20 Prozentpunkte betrage. Auch hier hat das Amt nach seinen Angaben einen Sicherheitszuschlag von 5% zum Marktvolumen vorgenommen.
57Ersatz- und Verschleißteile |
Gesamtmarkt (Hersteller- und Handelsmarken) |
Nur Herstellermarken |
Nur Fachhandel (Motoristen) |
|||
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
|
Marktanteil Beschwerdeführerin in % |
30-40 |
30-40 |
30-40 |
30-40 |
30-40 |
40-50 |
Marktvolumen in € |
100-150 Mio |
100-150 Mio |
100-150 Mio |
100-150 Mio |
100-150 Mio |
100-150 Mio |
Für den Fall der Annahme eines Sortimentsmarkts hat das Amt folgende Marktanteile der Beschwerdeführerin ermittelt, wobei es auch hier Sicherheitszuschläge von jeweils 5% zum Marktvolumen vorgenommen habe.
59Markt für alle handgeführten und tragbaren Motorgeräte sowie Mähroboter und Rasentraktoren und Ersatz- und Verschleißteile und Zubehör |
Markt für alle handgeführten und tragbaren Motorgeräte, Mähroboter und Rasentraktoren (ohne Ersatz- und Verschleißteile und Zubehör) |
|||||
Alle Antriebsarten; nur Fachhandel |
Alle Antriebsarten, nur Fachhandel |
Benzin-Geräte, Herstellermarken |
||||
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
|
Marktanteil Beschwerdeführerin in % |
30-40 |
30-40 |
30-40 |
30-40 |
30-40 |
30-40 |
Marktvolumen in € |
900-1.000 Mio |
1.000-1.500 Mio |
600-700 Mio |
700-800 Mio |
400-450 Mio |
400-450 Mio |
Vorliegend sei der zwischenstaatliche Handel im Sinne von Art. 101 AEUV berührt und das Kriterium der Zwischenstaatlichkeit erfüllt, weil das Wettbewerbsverbot sich auf das gesamte Gebiet Deutschlands erstrecke. Bei der Beschwerdeführerin und den autorisierten Fachhandelsunternehmen handele es sich um Unternehmen im Sinne von § 1 GWB, Art. 101 AEUV. Die T.-Dienst Zusatzvereinbarung stelle eine Vereinbarung im Sinne der genannten Normen dar. Diese sei dem Anwendungsbereich von § 1 GWB, Art. 101 AEUV durch die Vertikal-GVO in Bezug auf diejenigen Märkte, bei denen die 30%-Marktanteilsschwelle überschritten ist, nicht entzogen. Dies sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen für verschiedene produktbezogene Märkte sowie etwaige Sortimentsmärkte hier der Fall. Die de-minimis-Bekanntmachung der Kommission greife im vorliegenden Fall nicht ein, denn die Marktanteilsschwelle von 15% werde von der Beschwerdeführerin in Bezug auf eine ganze Reihe von relevanten Inlandsmärkten überschritten. Das Wettbewerbsverbot falle unter das Verbot des § 1 GWB, Art. 101 AEUV, weil es sich wettbewerbsbeschränkend auswirke. Es bewirke im Rahmen des zweigleisigen T.-Selektivvertriebssystems, vor dem Hintergrund der herausragenden Marktposition und des hohen Markenimages der Beschwerdeführerin, der vereinbarten Dauer von in der Regel nicht weniger als 5 Jahren und des breiten von dem Verbot erfassten Produktportfolios eine ausgeprägte Marktabschottung in Bezug auf einen nicht unerheblichen Teil der Märkte zu Lasten aktueller und potentieller Wettbewerber beim Aufbau eines Netzes an stationären Fachhändlern. Ob die Wettbewerbsbeschränkung auch bezweckt sei und außerdem als Kernverstoß gegen die Vertikal-GVO zu werten sei, könne offen bleiben. Weitere Bestimmungen der T.-Dienst Zusatzvereinbarung seien geeignet, die wettbewerbsbeschränkende Tendenz des Wettbewerbsverbots zu verstärken. Dies gelte für den gegenüber „normalen“ T.-Fachhändlern um 3,5%-Punkte erhöhten Grundrabatt auf den Listenpreis und die Sortimentsabnahmeverpflichtung. Die Wettbewerbsbeschränkung sei schließlich auch spürbar. Die Freistellungsvoraussetzungen der § 2 GWB, Art. 101 Abs. 3 AEUV seien nicht erfüllt.
61Das Amt sei an der Ausübung des Aufgreifermessens gemäß § 32 Abs. 1 GWB nicht deshalb gehindert gewesen, weil es den Kartellverstoß in der Vergangenheit nicht beanstandet habe. Das berechtigte Interesse an der Feststellung der beendeten Zuwiderhandlung im Sinne des § 32 Abs. 3 GWB ergebe sich daraus, dass zum einen bereits umfangreiche Ermittlungen durchgeführt worden seien, dass zum anderen der Beschwerdeführerin bekannt gewesen sei, dass die Voraussetzungen einer Gruppenfreistellung nicht gegeben gewesen seien, die Beschwerdeführerin daraus aber keine Konsequenzen gezogen und die Rechtswidrigkeit nicht eingeräumt habe, ferner daraus, dass die Frage der Marktabgrenzung der Klärung bedürfe und Schadensersatzforderungen Dritter im Raum stünden. Zudem gehe es um eine generalpräventive Signalwirkung. Der Tenor sei inhaltlich nicht einzuschränken gewesen, weil die vom Wettbewerbsverbot umfassten Produktkategorien fast ausnahmslos zu Produktmärkten gehörten, auf denen die Beschwerdeführerin über 30% Marktanteil halte und die nicht das Privileg des „Safe Harbour“ der Vertikal-GVO genössen.
62Die Beschwerdeführerin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2023 und mit der Beschwerdeerwiderung hat das Amt ihr ergänzende Akteneinsicht gewährt. Diese betrifft die Bände 22 und 23 der Hauptakte, Vermerke über Telefonate mit der Eingeberin T.1 und anderen Marktteilnehmern, die Offenlegung der Marktanteilstabellen für 2020 im Auswertungsvermerk zur Herstellerbefragung, weitere Offenlegungen im Auswertungsvermerk zur Händlerbefragung und weitere Offenlegungen in den Auswertungstabellen zu den Marktanteilen für 2019 und 2020. In allen Marktanteilstabellen für 2019 und 2020 sind nunmehr die genauen Marktanteile der Beschwerdeführerin und die genauen Marktvolumina auf den Märkten offengelegt, auf denen die Marktanteile der Beschwerdeführerin in der Spanne 30%-40% liegen.
63Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und ihrer Verteidigungsrechte. Sie hat zunächst beanstandet, dass sie trotz mehrfacher Rüge Akteneinsicht lediglich in die zum großen Teil geschwärzte Akte und den Tabellenteil des Auswertungsvermerks der Herstellerbefragung erhalten habe und damit nicht in der Lage gewesen sei, die Richtigkeit und Angemessenheit des Auswertungsergebnisses zu überprüfen. Dies gelte namentlich deshalb, weil das Amt ihren Marktanteil in 10%-Spannen und häufig mit einem – in der Nähe des nach der Vertikal-GVO maßgeblichen Anteils von 30% liegenden – Anteil von 30%-40% angegeben habe. Zudem habe das Amt fehlerhaft keine Akteneinsicht in die Vermerke über 13 Telefonate mit der Eingeberin T.1 gewährt, sondern die Gesprächsprotokolle aus der Akte entnommen. Die Beschwerdeführerin hält auch die weitergehende Offenlegung im Beschwerdeverfahren nicht für ausreichend und beantragt weitergehend Akteneinsicht 1. in ihre genauen Marktanteile auf Basis der Marktabgrenzungen des Amts für alle vom Wettbewerbsverbot erfassten Produktgruppen für die Jahre 2019 und 2020 (d.h. auch insoweit, als diese nicht zwischen 30%-40% liegen), 2. in die Vermerke des Amts zu Kontakten mit sonstigen Marktteilnehmern auf bestimmt bezeichneten Aktenblättern, wobei etwaige Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse geschwärzt werden können, soweit sie noch schützenswert erscheinen, 3. in den Vermerk des Amts zum Kontakt mit der Eingeberin auf Bl. 448 der Akte, wobei etwaige Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse geschwärzt werden können, soweit sie noch schützenswert erscheinen, 4. in die anonymisierten Antworten der befragten Hersteller auf den Herstellerfragebogen und der befragten Händler auf den Händlerfragebogen. Die Beschwerdeführerin macht weiterhin geltend, ohne die begehrte Akteneinsicht könne sie die vom Amt angenommenen Marktanteile und Marktvolumina und damit ihre Marktposition nicht überprüfen.
64Die Beschwerdeführerin hält ein berechtigtes Interesse des Amts an der nachträglichen Feststellung der Zuwiderhandlung nicht für gegeben. Sie wendet sich zudem gegen die sachliche Marktabgrenzung des Amts und meint, es sei von einem Sortimentsmarkt auszugehen, weil praktisch alle Händler von wenigen Herstellern – nämlich nach den Feststellungen des Amts durchschnittlich 5,1 - jeweils ein Bündel von Produkten bezögen. Jedenfalls bildeten Hersteller- und Handelsmarken einen einheitlichen Markt, zumal bei Motoristen der Handelsmarkenanteil nach den Feststellungen des Amts fast 7% betrage und Bau- und Gartenmärkte, bei denen der Handelsmarkenanteil höher sei, zum relevanten Markt gehörten. Zudem produzierten nach den Feststellungen des Amts über 43% der Hersteller auch für Handelsmarken. Gerade von den Herstellern von Handelsmarken, die das Amt als chinesische Anbieter von Billig-Produkten außen vor gelassen habe, gehe im Akku-Segment erheblicher Wettbewerbsdruck aus. Die Annahme eines eigenständigen Markts für Ersatz- und Verschleißteile sei nicht gerechtfertigt. Die Beschwerdeführerin beanstandet zudem die Ermittlung der Marktstrukturen, die Angabe ihrer eigenen Marktanteile in 10%-Spannen und die fehlende Angabe der Marktanteile der Wettbewerber sowie der Gesamtmarktvolumina. Eine Plausibilitätsprüfung sei ihr auf dieser Grundlage nicht möglich. Die Beschwerdeführerin habe bei einer Internetrecherche im Akku- und im Benzin-Segment zahlreiche Marken aufgefunden, von denen nicht klar sei, ob das Amt sie berücksichtigt habe. Auch die Ausführungen zur Anwendung eines Sicherheitszuschlags von 5% seien unzureichend. Die Ermittlung der Marktanteile habe auch nicht auf den Absatz im indirekten Vertrieb beschränkt werden dürfen. Die Feststellung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung des Wettbewerbsverbots sei schon konzeptionell verfehlt, weil aus dem Fehlen der Freistellungsvoraussetzungen der Vertikal-GVO nicht automatisch ein Verstoß gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV folge, dieser vielmehr nachgewiesen werden müsse, was dem Amt nicht gelungen sei. Auch mit der Beschwerdeerwiderung sei eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung nicht nachgewiesen. Überdies fielen zahlreiche Produktgruppen wegen des geringen Marktanteils unter die Gruppenfreistellung, so dass der Beschluss insoweit ohne weiteres aufzuheben sei. Im übrigen bestreitet die Beschwerdeführerin unter Vorlage eines Privatgutachtens nebst Ergänzungsgutachten die wettbewerbsbeschränkende Wirkung des Wettbewerbsverbots. Gehe man von deutschlandweit 4.000 Motoristen und 1.177 T.-Diensten aus, so hätten Wettbewerbern hierdurch weniger als 30% der Anlaufstellen nicht zur Verfügung gestanden. Zudem seien 2019 weitere 2.119 Baumärkte und 3.578 Gartencenter am Markt vertreten gewesen, die das Amt nicht berücksichtigt habe und die den durch das Wettbewerbsverbot gebundenen Marktanteil weiter verringerten. Auch hätten über 57% der Hersteller bei der Herstellerbefragung angegeben, dass keine Marktzutrittsschranken bestünden. Durch nichts belegt und falsch sei die Annahme einer Verstärkungswirkung infolge des erhöhten Grundrabatts auf den Listenpreis für T.-Dienste und die Sortimentsabnahmeverpflichtung. Der Zusatzrabatt habe lediglich eine Kompensation für den Zusatzaufwand aufgrund erweiterter Qualitätskriterien dargestellt, und die Abnahmeverpflichtung habe nur ein Kernsortiment betroffen. Jedenfalls sei die Wettbewerbsbeschränkung nicht spürbar gewesen. Die vom Amt in der Beschwerdeerwiderung erstmals angenommene bezweckte Wettbewerbsbeschränkung liege ebenfalls nicht vor. Unzutreffend sei schon die vom Amt hierfür herangezogene Annahme, die Beschwerdeführerin habe die nach der Vertikal-GVO höchstzulässige Dauer des Wettbewerbsverbots überschritten. Das Amt habe auch die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung zu Unrecht abgelehnt. Schließlich sei der Tenor in sachlicher und zeitlicher Hinsicht zu breit. Er erfasse Produkte, für die ein Verstoß gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV wegen zu geringer Marktanteile nicht festgestellt sei, und zudem auch die über das Wettbewerbsverbot hinausgehende Anwendung der T.-Dienst Zusatzvereinbarung. Bis zum Erhalt des Schreibens vom 20. November 2020 habe der Vertrauenstatbestand der Duldung gegolten. Für das Jahr 2021 habe das Amt zudem keine Feststellungen getroffen.
65Die Beschwerdeführerin beantragt,
66den Beschluss des Bundeskartellamts vom 31. Mai 2022, Geschäftszeichen B 5 – 130/20, aufzuheben.
67Das Bundeskartellamt beantragt,
68die Beschwerde zurückzuweisen.
69Das Amt hat der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2023 Einsicht in den Vermerk Bl. 448 der Akte gewährt. Die weitergehend jetzt noch beantragte Akteneinsicht lehnt es ab. Die Offenlegung der exakten Marktanteile der Beschwerdeführerin und der exakten Marktvolumina begründete die Gefahr der mittelbaren Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen anderer Unternehmen. Dies gelte auch für die Offenlegung anonymisierter Antworten der befragten Hersteller und Händler und von Vermerken über die begleitende Kommunikation mit diesen. Das Amt tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluss. Es trägt vor, dass in der Gesamtmarktbetrachtung (Hersteller- und Handelsmarken) nur Handelsmarkengeräte von Herstellern enthalten seien, die auch Herstellermarkengeräte vertreiben, mithin qualitativ hochwertige Motorgeräte, nicht aber Handelsmarkengeräte von Herstellern, die nur Handelsmarkengeräte vertreiben. Bei diesen nicht berücksichtigten reinen Handelsmarkenherstellern handele es sich um Hersteller aus Asien, die überhaupt keine Präsenz in Deutschland hätten und Händlern daher als Lieferanten nicht zur Verfügung stünden, während asiatische Hersteller, die ihre Marken überwiegend über Baumärkte vertreiben, als Markenhersteller in die Marktbefragung einbezogen worden seien. Der Direktvertrieb der Hersteller sei nicht zu berücksichtigen gewesen, da er nicht Teil des Handelsmarktes sei, und habe in den Jahren 2019 und 2020 zudem jeweils unter 5% der Umsätze betragen. Das Amt trägt ferner vor, dass die Ermittlung der der Verfügung zugrundeliegenden Marktanteile und Marktvolumina ohne Sicherheitszuschlag vorgenommen worden sei. Eine Betrachtung mit Sicherheitszuschlag von 5% sei aber gleichwohl vorsorglich erfolgt, indem die 30%-Schwelle auf 31,5% angehoben worden sei, und habe ergeben, dass der Marktanteil der Beschwerdeführerin auf dem Markt für Heckenscheren und Heckenschneider bei der Alternative Gesamtmarkt (Hersteller- und Handelsmarken) im Jahr 2019 unter 30% gelegen habe. Umsätze für Kombigeräte seien der jeweiligen dem Gerät entsprechenden Produktgruppe zugeordnet worden, wohingegen die gerade für verschiedene Geräte verwendbaren Kombimotoren der Kategorie „Sonstiges“ zugeordnet worden seien. Entsprechendes gelte für Kombiwerkzeuge. Ketten, Führungsschienen und Kettenräder seien dem Markt für Ersatz- und Verschleißteile zugeordnet worden. In Fußnote 53 auf S. 63 f. des Schriftsatzes vom 2. Juni 2023 gibt das Amt die Zuordnung der vom Wettbewerbsverbot erfassten Produkte zu den einzelnen Märkten wie folgt an:
70Motorsägen und Hoch-Entaster seien zwei verschiedene Märkte,
71Ketten, Führungsschienen, Kettenräder, Zubehör und Ersatzteile zählten zum Markt für Ersatzteile und Zubehör,
72Motorsensen und Freischneider seien dem gleichnamigen Markt zuzuordnen,
73Schneidewerkzeuge seien Gesteinsschneider, die zusammen mit Trennschleifgeräten zum Markt für Trennschleifer und Gesteinsschneider gehörten,
74Heckenscheren und Heckenschneider seien dem entsprechenden Markt zuzuordnen,
75Saug- (gemeint wohl: Sprüh-) und Blasgeräte seien ebenfalls dem entsprechenden Markt zuzuordnen,
76für Kombimotoren und Kombiwerkzeuge lasse sich eine eindeutige Zuordnung zu einzelnen Märkten gar nicht vornehmen; insoweit seien gleichzeitig mehrere Märkte betroffen.
77Nach weitergehender Offenlegung der Marktanteile der Beschwerdeführerin ergebe sich folgendes Bild:
78Beschwerdeführerin |
Marktanteil in % |
|||||
Gesamtmarkt (Hersteller- und Handelsmarken, alle Antriebsarten |
Nur Herstellermarken, alle Antriebsarten |
Nur Fachhandel (Motoristen), alle Antriebsarten |
||||
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
|
Motorsägen, Kettensägen |
50-60 |
50-60 |
50-60 |
50-60 |
70-80 |
60-70 |
Hoch-Entaster |
36,7 |
35,0 |
40-50 |
40-50 |
70-80 |
60-70 |
Motorsensen, Freischneider und Rasentrimmer |
39,3 |
39,3 |
40-50 |
40-50 |
60-70 |
60-70 |
Heckenscheren, Heckenschneider |
30,1 |
31,8 |
33,2 |
34,3 |
60-70 |
60-70 |
Trennschleifer, Gesteinsschneider |
70-80 |
60-70 |
80-90 |
80-90 |
80-90 |
80-90 |
Erdbohrgeräte |
60-70 |
50-60 |
60-70 |
50-60 |
90-100 |
90-100 |
Sprüh-, Spritz, Saug- und Blasgeräte |
10-20 |
10-20 |
10-20 |
10-20 |
20-30 |
20-30 |
Hochdruckreiniger |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
Kehrmaschinen und -geräte |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
Motorhacken |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
20-30 |
20-30 |
Schneefräsen |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
Handgeführte Rasenmäher, Mulchrasenmäher |
10-20 |
10-20 |
10-20 |
10-20 |
20-30 |
37,2 |
Mähroboter |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
10-20 |
10-20 |
Rasentraktoren, Aufsitzmäher |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
10-20 |
Vertikutierer, Rasenlüfter |
0-10 |
0-10 |
0-10 |
10-20 |
20-30 |
38,3 |
Gartenhäcksler |
10-20 |
0-10 |
10-20 |
10-20 |
50-60 |
40-50 |
Ersatz- und Verschleißteile |
Gesamtmarkt (Hersteller- und Handelsmarken) |
Nur Herstellermarken |
Nur Fachhandel (Motoristen) |
|||
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
2019 |
2020 |
|
Marktanteil Beschwerdeführerin in % |
35,3 |
38,8 |
35,4 |
39,0 |
37,4 |
40-50 |
Marktvolumen in € |
134.217.184 Mio |
140.878.160 Mio |
133.717.744 Mio |
140.325.824 Mio |
116.551.080 Mio |
100-150 Mio |
Dementsprechend habe die Beschwerdeführerin in den Jahren 2019 und 2020 jedenfalls auf den Produktmärkten
81- Motorsägen und Kettensägen,
82- Hoch-Entaster,
83- Motorsensen, Freischneider und Rasentrimmer,
84- Trennschleifer und Gesteinsschleifer,
85- Erdbohrgeräte,
86- Ersatz- und Verschleißteile
87Marktanteile von über 30% (d.h. unter vorsorglicher Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags zu den Marktvolumina von 5% von über 31,5%) erzielt.
88Unter Berücksichtigung der Marktanteile der Wettbewerber, die das Amt in 10%-Spannen angibt, und der Marktvolumina, die es teilweise genau, teilweise in Spannen von bis zu 50 Millionen Euro angibt, der durch das Wettbewerbsverbot gebundenen Marktanteile, der Struktur und Bedeutung der einzelnen Vertriebswege, der bestehenden Marktreife und der hohen Marktzutrittsschranken sowie der in sachlicher und zeitlicher Hinsicht umfassenden Bindung der T.-Dienste ergebe sich die wettbewerbsbeschränkende, insbesondere abschottende Wirkung des Wettbewerbsverbots. Das Amt hält den Maßstab des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachtens für verfehlt und dessen Aussagen für nicht überzeugend. Das Wettbewerbsverbot habe zudem einen „Schirmeffekt“ hinsichtlich aller in Anlage 2 zur T.-Dienst Zusatzvereinbarung aufgeführten Produktkategorien ausgeübt und gehe auf den Märkten, auf denen die Marktposition der Beschwerdeführerin schwächer ist, mit einer potentiellen Übertragung von Marktmacht einher.
89Das Wettbewerbsverbot stelle zudem eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung dar. Dies ergebe sich daraus, dass zu der Überschreitung der Marktanteilsschwellen der Vertikal-GVO die Überschreitung der maximal zulässigen Dauer des Wettbewerbsverbots hinzutrete. Denn T. habe nicht nur den maximal zulässigen Zeitraum von fünf Jahren voll ausgenutzt, sondern „kettenartige“ Verlängerungen bzw. Neuabschlüsse aneinandergereiht und hierdurch die maximal zulässige Dauer überschritten. Werde nämlich ein Wettbewerbsverbot vor Auslaufen der bisherigen Vereinbarung neu abgeschlossen, so sei die Höchstdauer von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Neuabschlusses zu berechnen. Das neue Wettbewerbsverbot müsse daher um die Zeit reduziert werden, die das alte noch laufe. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin das Wettbewerbsverbot genau auf jene Produktgruppen zugeschnitten habe, bei denen sie über eine besonders starke und teilweise sogar marktbeherrschende Stellung verfüge, so dass es besonders starke wettbewerbsschädigende Wirkungen zu erzeugen vermochte.
90Der Beschlusstenor erstrecke sich zulässigerweise auf das gesamte Wettbewerbsverbot. Eine Beschränkung auf bestimmte Produktgruppen komme wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht in Betracht. Er sei auch im Hinblick auf die ausgesprochene Rechtswidrigkeit der Anwendung hinreichend bestimmt. Einen Vertrauenstatbestand, der der Entscheidung entgegenstünde, habe das Amt nicht gesetzt. Weiterer Feststellungen für das Jahr 2021 habe es nicht bedurft, weil nach Art. 7 lit. b Vertikal-GVO auf das Vorjahr abzustellen sei.
91Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
92Das Bundeskartellamt hat T.1 mit Beschluss vom 1. Juli 2022 zu dem Verfahren beigeladen. Der Senat hat den Beschluss auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin (dieses Verfahrens und des Beiladungsverfahrens) mit Beschluss vom 21. Dezember 2022 -VI-Kart 5/22 (V) – aufgehoben. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
93II.
94Die zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Bundeskartellamts.
95A. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 74 Abs. 1 GWB frist- und formgerecht eingelegt. Es kann auf sich beruhen, ob die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs gemäß § 72 Nr. 2 GWB, § 130d ZPO auch für die Beschwerdeeinlegung bei der Kartellbehörde nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 GWB gilt und ob die beim Bundeskartellamt am 8. Juni 2022 per Telefax und am 9. Juni 2022 schriftlich eingegangene Beschwerde formgerecht eingelegt worden ist. Denn die Beschwerdeführerin hat die Beschwerde gegen die ihr am 31. Mai 2022 zugestellte Amtsverfügung am 30. Juni 2022 und damit binnen der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 S. 1 GWB in elektronischer Form auch beim Beschwerdegericht eingelegt, was gemäß § 74 Abs. 1 S. 4 GWB zur Fristwahrung genügt.
96B. Die Beschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Amtsbeschluss ist zwar nicht aus formellen Gründen wegen der Verletzung von Verfahrensrechten der Beschwerdeführerin oder eines Begründungsmangels aufzuheben. Auch der Durchführung eines Zwischenverfahrens nach § 70 Abs. 2 S. 4 GWB bedurfte es nicht. Der Amtsbeschluss ist aber materiell rechtswidrig, weil die Feststellung, das Wettbewerbsverbot gemäß Ziffer 3 der T.-Dienst Zusatzvereinbarung in Verbindung mit deren Anlage 2 und die Anwendung der T.-Dienst Zusatzvereinbarung mit Wettbewerbsverbot sei jedenfalls im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zu dem mit Schreiben vom 22. Juni 2021 erfolgten Widerruf wegen Verstoßes gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV rechtswidrig gewesen, nicht gerechtfertigt ist.
97I. Der angefochtene Amtsbeschluss ist nicht aus formellen Gründen wegen der Verletzung von Verfahrensrechten der Beschwerdeführerin oder eines Begründungsmangels aufzuheben. Auch der Durchführung eines Zwischenverfahrens nach § 70 Abs. 2 S. 4 GWB bedurfte es nicht.
981. Das Bundeskartellamt hat allerdings den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus § 56 Abs. 1 GWB und deren Recht auf Akteneinsicht aus § 56 Abs. 3 GWB verletzt, indem es zunächst die Marktanteilstabellen für 2020 im Auswertungsvermerk zur Herstellerbefragung gar nicht offengelegt hat und in den Auswertungstabellen zu den Marktanteilen für 2019 und 2020 die genauen Marktanteile der Beschwerdeführerin und die genauen Marktvolumina auf den Märkten nicht offengelegt hat, auf denen die Marktanteile der Beschwerdeführerin in der Spanne zwischen 30% und 40% liegen. Insofern liegt zudem entgegen § 61 Abs. 1 GWB ein Begründungsmangel der Amtsverfügung vor. Diese Mängel sind jedoch gemäß § 56 Abs. 8 GWB, § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden, indem das Amt die gebotene Offenlegung und Begründung seiner Verfügung im Beschwerdeverfahren nachgeholt hat und die Beschwerdeführerin insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.
99a) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz rechtlichen Gehörs, der in § 56 Abs. 1 GWB für das Kartellverwaltungsverfahren einfachgesetzlich geregelt ist, verpflichtet die Kartellbehörden nicht nur, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, sondern auch, die Beteiligten über die entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu informieren. Eine genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenstoff es für die kartellbehördliche Entscheidung ankommen kann. Sie müssen sich daher über den gesamten Verfahrensstoff informieren können. Das Gebot rechtlichen Gehörs sichert daher den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Verfahren selbstbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Zum Recht auf rechtliches Gehör gehört daher auch die Möglichkeit der Akteneinsicht (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010 – 1 BvR 3515/08, juris Rn. 36; Senat, Beschluss vom 09.12.2015 – VI-Kart 1/15 (V), juris Rn. 55 – Vollzugsverbot I; Bach in Immenga/Mestmäcker, 7. Auflage 2024, § 56 GWB Rn. 1). Gemäß § 56 Abs. 3 GWB, der mit der 10. GWB-Novelle 2021 eingefügt wurde und nach dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Verfahrensrechts auch für bei Inkrafttreten bereits anhängige Verfahren gilt, hat die Kartellbehörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Ein rechtliches Interesse ist gegeben, wenn die Akteneinsicht dem Zweck dient, die Voraussetzungen für ein rechtlich relevantes Verhalten nach dem Ergebnis der Einsichtnahme zu klären oder eine gesicherte Grundlage für die Verfolgung eines Anspruchs zu schaffen (vgl. Senat, Beschluss vom 22.04.2020, VI-Kart 3/19 (V), juris Rn. 21; Beschluss vom 03.04.2019 – VI-Kart 2/18 (V), juris Rn. 25 – Ticketvertrieb II). Erforderlich ist die Akteneinsicht bereits dann, wenn durch die Einsicht möglicherweise größere Klarheit über den bisherigen Sach- und Streitstand entsteht und aus der Sicht eines verständigen Betrachters die weitere Rechtsverfolgung oder –verteidigung erleichtert wird (vgl. Bach in Immenga/Mestmäcker, 7. Auflage 2024, § 56 GWB Rn. 21; Engelsing in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, § 56 GWB Rn. 22). Soweit die Erforderlichkeit nicht ohne weiteres erkennbar oder aus dem Zusammenhang und den Umständen offensichtlich ist, muss der Beteiligte substantiiert vortragen, inwiefern und wozu die Kenntnis der Akteneinsicht notwendig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 22.04.2020, VI-Kart 3/19 (V), juris Rn. 21; Beschluss vom 03.04.2019, VI-Kart 2/18 (V), juris Rn. 25 – Ticketvertrieb II). Gemäß § 56 Abs. 4 GWB ist die Akteneinsicht zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Behörde sowie zur Wahrung des Geheimschutzes oder von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder sonstigen schutzwürdigen Interessen des Betroffenen, geboten ist.
100b) Stützt das Bundeskartellamt eine Verfügung auf die Überschreitung bestimmter Marktanteilsschwellen durch den Verfügungsadressaten, wie es vorliegend bei der Marktanteilsschwelle von 30% gemäß Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO 2010 und der Marktanteilsschwelle von 40% für die Marktbeherrschungsvermutung nach § 18 Abs. 4 GWB der Fall ist, so hat es die Überschreitung der Marktanteilsschwellen nachzuweisen. Dazu hat es grundsätzlich den von ihm ermittelten exakten Marktanteil des Verfügungsadressaten und das von ihm ermittelte exakte Gesamtmarktvolumen zum einen dem Verfügungsadressaten zur ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs und von Akteneinsicht offenzulegen und zum anderen zur ausreichenden Begründung seiner Verfügung in dieser zu benennen. Denn der Verfügungsadressat kann grundsätzlich nur auf der Basis seines vom Bundeskartellamt ermittelten exakten Marktanteils und des von diesem ermittelten exakten Marktvolumens nachvollziehen, ob das gefundene Ergebnis richtig ist. Von diesem Grundsatz sind nach der Rechtsprechung des Senats zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zwei Ausnahmen anerkannt. Zum einen kann es zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen anderer Wettbewerber erforderlich sein, auch die Marktanteile des Verfügungsadressaten nicht genau anzugeben, weil und soweit eine Angabe der genauen Marktanteile des Verfügungsadressaten in Kombination mit der Angabe des genauen Marktvolumens Rückschlüsse auf die genauen Marktanteile der Wettbewerber erlauben würde. Aus diesem Grund hält der Senat es in ständiger Rechtsprechung für zulässig, dass das Amt Marktanteile in Spannen von 5 Prozentpunkten angibt, wenn angesichts der Gesamtumstände die zutreffende wettbewerbliche Beurteilung keine weitergehende Offenlegung erfordert. Letzteres ist etwa bei der Fusionskontrolle der Fall, wenn Marktanteile deutlich oberhalb der Marktbeherrschungsvermutungsschwelle in Rede stehen (vgl. Senat, Beschluss vom 22.04.2020, VI-Kart 3/19 (V), juris Rn. 38; Beschluss vom 25.09.2013 – VI-Kart 4/12 (V), juris Rn. 22). Bei einem Marktanteil im oberen Bereich der Spanne zwischen 50% und 60% können Marktanteilsangaben in Spannen von 10 Prozentpunkten ausreichen (vgl. Senat, Beschluss vom 03.04.2019, VI-Kart 2/18 (V), juris Rn. 43, 93 – Ticketvertrieb II). Zum anderen kann es auch zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Verfügungsadressaten selbst erforderlich sein, dessen Marktanteile nicht genau, sondern in Spannen anzugeben. Solches kommt bei Verfahren mit mehreren Beteiligten in Betracht, weil nach § 76 Abs. 1 S. 2 GWB die Beschwerdeentscheidung nur auf solche Tatsachen gestützt werden kann, die allen Verfahrensbeteiligten gegenüber offengelegt worden sind, eine Offenlegung der genauen Marktanteile des Verfügungsadressaten gegenüber den übrigen Verfahrensbeteiligten aber dessen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verletzen würde. In solchen Fällen kann nur eine einheitliche Anonymisierung erfolgen, nicht aber eine differenzierte Anonymisierung dergestalt, dass ein Beteiligter die eigenen Daten und eventuell unterschiedlich redigierte Markt- und Wettbewerbsdaten seiner Wettbewerber erfährt, während die übrigen Verfahrensbeteiligten hiervon keine Kenntnis erhalten (vgl. Senat, Beschluss vom 03.04.2019 – VI-Kart 2/18 (V), juris Rn. 43 – Ticketvertrieb II; Beschluss vom 25.09.2013 – VI-Kart 4/12 (V), juris Rn. 23).
101c) Bei Anwendung dieser Maßstäbe hätte das Bundeskartellamt für diejenigen Produktmärkte, für die es die Marktanteile der Beschwerdeführerin in Spannen von 30%-40% angegeben hat, die exakten Marktanteile der Beschwerdeführerin und die exakten Marktvolumina im Verwaltungsverfahren der Beschwerdeführerin offenlegen und in der angefochtenen Verfügung benennen müssen, um den Geboten des rechtlichen Gehörs und der Akteneinsicht aus § 56 Abs. 1 und 3 GWB und dem Begründungserfordernis gemäß § 61 Abs. 1 GWB zu genügen. Denn nur hierdurch wird die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt, nachvollziehen zu können, ob ihre vom Amt ermittelten Marktanteile zutreffend sind und ob und in welchem Umfang die vom Amt für maßgeblich erachteten Marktanteilsschwellen erreicht oder überschritten werden. Dem steht der erforderliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Wettbewerber wie auch der Beschwerdeführerin selbst nicht entgegen. Denn das Amt hat in den Auswertungstabellen zu den Marktanteilen für 2019 und 2020 (Anlage 1 zur Beschwerdeerwiderung, GA 890 ff.) für alle Produktmärkte jeweils 47 Wettbewerber der Beschwerdeführerin aufgeführt und deren Marktanteile in 10%-Spannen angegeben, so dass es ausgeschlossen ist, von dem genauen Marktanteil der Beschwerdeführerin in Kombination mit dem genauen Marktvolumen Rückschlüsse auf die genauen Marktanteile der Wettbewerber zu ziehen. Auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beschwerdeführerin selbst erfordern eine Anonymisierung von deren Marktanteilen und der Marktvolumina nicht, weil im Verfahren keine Dritten beteiligt sind, denen gegenüber diese Tatsachen nach § 76 Abs. 1 S. 2 GWB offenzulegen wären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beiladungsantrag der Eingeberin T.1, dem das Amt nach Erlass der angefochtenen Verfügung mit Beschluss vom 1. Juli 2022 noch stattgegeben hat. Insoweit ging es um eine einfache Beiladung, für die gemäß § 76 Abs. 1 S. 3 GWB von dem oben genannten Grundsatz, dass die Beschwerdeentscheidung nur auf solche Tatsachen gestützt werden kann, die allen Verfahrensbeteiligten gegenüber offengelegt worden sind, abgewichen werden kann.
102d) Dieser Verfahrensverstoß und der gleichfalls bestehende Begründungsmangel führen aber nicht zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung wegen formeller Rechtswidrigkeit. Denn diese Mängel sind gemäß § 56 Abs. 8 GWB, § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden, indem das das Amt die gebotene Offenlegung und Begründung seiner Verfügung im Beschwerdeverfahren nachgeholt hat und die Beschwerdeführerin insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (vgl. Senat, Beschluss vom 05.04.2017 – VI-Kart 13/15 (V), juris Rn. 37 – Preisvergleichsmaschinenverbot I).
1032. Das Bundeskartellamt hat den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör aus § 56 Abs. 1 GWB und ihr Akteneinsichtsrecht aus § 56 Abs. 3 GWB zudem verletzt, indem es ihr zunächst die Vermerke über Telefonate mit der Eingeberin T.1 und weiteren Marktteilnehmern, darunter auch den Vermerk über das Telefonat mit der Eingeberin T.1 auf Bl. 448 der Verwaltungsakte, vorenthalten hat. Es liegt auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme auch in diese Unterlagen hatte, um sich mit dem kartellbehördlichen Prüfungsgegenstand eines Verstoßes des Wettbewerbsverbots gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV hinreichend auseinandersetzen zu können, und dass die Einsichtnahme insoweit auch erforderlich war. Näherer Vortrag der Beschwerdeführerin dazu, warum die Akteneinsicht notwendig ist, war insoweit schon deshalb nicht erforderlich, weil das Amt ihr die erwähnten Unterlagen gar nicht, also noch nicht einmal auszugsweise offengelegt hat, so dass die Beschwerdeführerin sich auch nicht dazu äußern konnte, warum sie über eine etwaige teilweise Offenlegung hinaus Einsichtnahme in weitergehende Teile benötigt. Das Amt legt auch nicht dar, dass die Akteneinsicht in die erwähnten Unterlagen nicht zur Geltendmachung oder Verteidigung der rechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin erforderlich sei. Ebenso wenig führt das Amt Gründe an, die es gerechtfertigt hätten, der Beschwerdeführerin die Akteneinsicht in die erwähnten Unterlagen – über die Vornahme punktueller Schwärzungen zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter hinaus – vollständig zu verweigern.
104Dieser Verfahrensverstoß führt aber ebenfalls nicht zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung wegen formeller Rechtswidrigkeit. Denn auch dieser Verfahrensmangel ist gemäß § 56 Abs. 8 GWB, § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden, indem das Amt die Akteneinsicht im Beschwerdeverfahren nachgeholt und die Beschwerdeführerin insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Im Hinblick auf die im Beschwerdeverfahren jedenfalls erfolgte Heilung kann auf sich beruhen, ob das Amt verpflichtet gewesen wäre, den bereits Anfang Mai 2022 und damit rechtzeitig vor Erlass des angefochtenen Beschlusses abgeschlossenen Aktenband 22 schon im Verwaltungsverfahren offenzulegen.
1053. Auch soweit die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren weitergehende Akteneinsicht beantragt und das Bundeskartellamt diese verweigert hat, scheidet eine Aufhebung der angefochtenen Verfügung aus formellen Gründen aus. In einem solchen Fall kann vielmehr gemäß § 70 Abs. 2 S. 4 GWB das Beschwerdegericht die Offenlegung der entsprechenden Tatsachen oder Beweismittel anordnen. Eines solchen Zwischenverfahrens bedurfte es aber im Streitfall nicht, weil es für die Entscheidung auf diese Tatsachen oder Beweismittel nicht ankommt.
106a) Die Beschwerdeführerin hat zuletzt noch Akteneinsicht begehrt 1. in ihre genauen Marktanteile auf Basis der Marktabgrenzungen des Amts für alle vom Wettbewerbsverbot erfassten Produktgruppen für die Jahre 2019 und 2020 (d.h. auch insoweit, als diese nicht zwischen 30% und 40% liegen), 2. in die Vermerke des Amts zu Kontakten mit sonstigen Marktteilnehmern auf bestimmt bezeichneten Aktenblättern, wobei etwaige Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse geschwärzt werden können, soweit sie noch schützenswert erscheinen, 3. in die anonymisierten Antworten der befragten Hersteller auf den Herstellerfragebogen und der befragten Händler auf den Händlerfragebogen. Diese Akteneinsicht hat das Bundeskartellamt verweigert. Die Verweigerung der erforderlichen Zustimmung zur Akteneinsicht gem. § 70 Abs. 2 S. 1 und 2 GWB ist für den Senat grundsätzlich bindend; der Senat ist insbesondere nicht befugt, in entsprechender Anwendung von § 99 Abs. 2 VwGO nachzuprüfen, ob die Verweigerung der Zustimmung durch das Bundeskartellamt rechtmäßig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 02.02.2010 – KVZ 16/09, juris Rn. 13 – Kosmetikartikel; Beschluss vom 11.11.2008 – KVR 60/07, juris Rn. 32 – E.ON/Stadtwerke Eschwege). Nach § 70 Abs. 2 S. 4 GWB kann der Senat die erforderliche Zustimmung des Amts nur dann durch eigene Anordnung ersetzen, wenn und soweit es für die Sachentscheidung auf diese Aktenteile ankommt, andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen und nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Bedeutung der Sache für die Sicherung des Wettbewerbs das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegt. Hinsichtlich der Frage, ob die als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Tatsachen oder Beweismittel entscheidungserheblich sind, hat sich der Senat von den allgemeinen Grundsätzen seiner Aufklärungspflicht nach § 75 Abs. 1 GWB leiten zu lassen. Wenn er aufgrund tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis kommt, dass der nach § 70 Abs. 2 S. 3 GWB vorgetragene Inhalt der Unterlagen ausreicht, um den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären, darf er eine Anordnung nach § 70 Abs. 2 S. 4 GWB nicht erlassen und muss auch kein Zwischenverfahren durchführen. Verletzt er diese Regeln, liegt darin grundsätzlich kein Gehörsverstoß, sondern eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 02.02.2010 – KVZ 16/09, juris Rn. 18 – Kosmetikartikel).
107b) Nach diesen Grundsätzen war eine Anordnung nach § 70 Abs. 2 S. 4 GWB nicht erforderlich.
108aa) Auf die genauen Marktanteile der Beschwerdeführerin für die Produktgruppen, in denen ihre Marktanteile nicht zwischen 30% und 40% liegen, kommt es nicht an. Der Offenlegung stehen zwar aus den oben genannten Gründen keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter oder der Beschwerdeführerin selbst entgegen, weil angesichts der Benennung von jeweils 47 Wettbewerbern und der Angabe von deren Marktanteilen in 10%-Spannen keine Rückschlüsse auf deren genaue Marktanteile gezogen werden könnten und weil keine weiteren Verfahrensbeteiligten existieren, denen die genauen Marktanteile der Beschwerdeführerin nicht mitgeteilt werden dürften. Auf den hier in Rede stehenden Produktmärkten auf der Grundlage der – wie unten näher ausgeführt - maßgeblichen Gesamtmarktalternative handelt sich aber um Spannenangaben für die Marktanteile der Beschwerdeführerin zwischen 10% und 20%, 50% und 60%, 60% und 70%, 70% und 80%, die so weit unter oder über der Marktanteilsschwelle von 30% gemäß Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO 2010 und der Marktanteilsschwelle von 40% für die Marktbeherrschungsvermutung des § 18 Abs. 4 GWB liegen, dass die Kenntnis der genauen Marktanteile für die Entscheidungsfindung nicht erforderlich ist.
109bb) Auch auf den Inhalt der noch nicht offengelegten weiteren Vermerke des Amts zu Kontakten mit sonstigen Marktteilnehmern auf bestimmt bezeichneten Aktenblättern, bei denen es sich laut Angaben des Bundeskartellamts um Vermerke über Nachfragen von Marktteilnehmern zur Beantwortung der ihnen übersandten Fragebögen handelt, und auf die anonymisierten Antworten der befragten Hersteller auf den Herstellerfragebogen und der befragten Händler auf den Händlerfragebogen kommt es für die Entscheidungsfindung nicht an.
110(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dann, wenn das Amt eine Marktdatenerhebung durchgeführt hat und aus Gründen des Geheimnisschutzes seine Zustimmung zu einer Einsicht in diese Akten verweigert, das Gericht sich grundsätzlich darauf beschränken, die vom Amt offengelegte Auswertung der Marktdatenerhebung zur Kenntnis zu nehmen und zu verwerten. Ob die Daten zuverlässig ermittelt worden sind, braucht es im Regelfall nicht von Amts wegen zu prüfen. Das hat nur dann zu geschehen, wenn der Vortrag der Beteiligten oder der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Überlegung der sich aufdrängenden Möglichkeiten dazu Anlass gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2008 – KVR 60/07, juris Rn. 32 – E.ON/Stadtwerke Eschwege).
111(2) Vorliegend werden in der Entscheidung gemäß § 76 Abs. 1 S. 2 GWB nur die der Beschwerdeführerin zugänglich gemachten Auswertungsvermerke zu den Hersteller- und Händlerfragebögen berücksichtigt, nicht die Antworten der Marktteilnehmer auf die Fragebögen selbst und nicht anderweitige, nicht offengelegte Inhalte der Korrespondenz des Amts mit Marktteilnehmern, so dass eine Einsichtnahme in diese für die Entscheidung nicht erforderlich ist. Es bestehen auch keine Gründe für Zweifel an der Zuverlässigkeit der Datenermittlung oder -auswertung. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, ohne eine Einsichtnahme in die Antworten der Hersteller und Händler sei ihr keine Nachprüfung des Zustandekommens der Gesamtmarktvolumina und ihrer daraus abgeleiteten Marktanteile möglich, genügt das in dieser Allgemeinheit nicht, um solche Zweifel an der Richtigkeit der Datenerhebung oder -auswertung zu begründen, die eine Einsichtnahme in die zugrundeliegenden Antworten der Hersteller und Händler oder deren anderweitige Korrespondenz mit dem Amt gebieten. Auf den Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe bei einer Internetrecherche mehrere Marken aufgefunden, von denen nicht klar sei, ob das Bundeskartellamt sie berücksichtigt habe, hat das Amt schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Juli 2024 klargestellt, dass es diese Marken berücksichtigt habe, soweit es sich dabei um Handelsmarken von Herstellern handelt, die auch Herstellermarken produzieren, nicht aber, soweit es sich um Marken reiner – zumeist chinesischer - Handelsmarkenhersteller handelt, die auf dem deutschen Markt nicht vertreten seien, so dass es auch insoweit keiner Offenlegung der Antworten der Marktteilnehmer auf die Fragebögen oder deren zusätzlicher Korrespondenz mit dem Amt bedarf. Im übrigen hat das Amt in den Auswertungstabellen zu den Marktanteilen für 2019 und 2020 (Anlage 1 zur Beschwerdeerwiderung, GA 890 ff.) alle 47 bei der Marktdatenerhebung berücksichtigten Wettbewerber der Beschwerdeführerin aufgeführt und hat die Beschwerdeführerin gegenüber der Vollständigkeit dieser Herstellerliste keine substantiierten Einwendungen erhoben, die Zweifel an der Richtigkeit der Datenermittlung oder -auswertung begründen und eine Offenlegung der der Auswertung zugrundeliegenden Daten erfordern.
1124. Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 61 Abs. 1 S. 1 GWB liegt nicht darin, dass das Amt seine Verfügung erstmals im Beschwerdeverfahren auch auf den Tatbestand der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung stützt, da die Verfügung hierdurch nicht unzulässig in ihrem Wesen verändert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18.05.1993 – KVZ 10/92, juris Rn. 23 ff. – Pauschalreisen-Vermittlung II; Beschluss vom 25.10.1988 – KVR 1/87, juris Rn. 28 – Lüsterbehangsteine; Senat, Beschluss vom 25.09.2013 – VI-Kart 4/12 (V), juris Rn. 19; Beschluss vom 08.05.2007 – VI-Kart 5/07 (V), juris Rn. 18 – Außenwerbeflächen; Beschluss vom 13.02.2002 – Kart 16/00 (V), juris Rn. 30 – Freie Tankstellen). Dasselbe gilt im Hinblick auf die im Beschwerdeverfahren nachgeschobene Begründung zu der Frage, ob das in Rede stehende Wettbewerbsverbot eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bewirkt hat.
113II. Der Amtsbeschluss ist aber materiell rechtswidrig, weil die Feststellung, das Wettbewerbsverbot gemäß Ziffer 3 der T.-Dienst Zusatzvereinbarung in Verbindung mit deren Anlage 2 und die Anwendung der T.-Dienst Zusatzvereinbarung mit Wettbewerbsverbot sei jedenfalls im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zu dem mit Schreiben vom 22. Juni 2021 erfolgten Widerruf wegen Verstoßes gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV rechtswidrig gewesen, nicht gerechtfertigt ist. Das Wettbewerbsverbot ist allenfalls auf zwei von ihm erfassten Produktmärkten, nämlich auf dem Markt für Motorsägen und Kettensägen und auf dem Markt für Erdbohrgeräte, überhaupt geeignet, die Möglichkeiten des Marktzugangs Dritter wesentlich zu beeinflussen. Insoweit sind aber keine erheblichen zusätzlichen Marktzutrittsschranken festgestellt, die im Gesamtbild eine Begrenzung auf eine zweijährige Dauer rechtfertigen würden.
1141. Das Bundeskartellamt war allerdings nicht schon aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung daran gehindert, gegen das Wettbewerbsverbot vorzugehen.
115a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Verwirkung als Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit hat. Sie bildet einen Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.08.2011 – 3 B 36/11, juris Rn. 5). Dies gilt auch im Kartellverwaltungsrecht (vgl. Senat, Beschluss vom 03.04.2019 – VI-Kart 2/18 (V), juris Rn. 151 – Ticketvertrieb II). Für die Annahme der Verwirkung genügt aber – anders als für den Eintritt der Verjährung – nicht der bloße Zeitablauf. Vielmehr setzt sie zusätzlich ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten voraus, das geeignet ist, beim anderen Teil die Vorstellung zu begründen, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht werden, sowie eine Verletzung oder Gefährdung berechtigter Interessen des anderen Teils, etwa weil dieser sich auf die vom Berechtigten erweckte Erwartung der Nichtgeltendmachung des Rechts einrichten durfte und eingerichtet hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.06.2014 – 2 B 76/13, juris Rn. 11; Beschluss vom 29.10.2008 – 2 B 22/08, juris Rn. 4; Urteil vom 29.08.1996 – 2 C 23/95, juris Rn. 24).
116b) Es kann offen bleiben, ob dem Einwand der Verwirkung bereits entgegensteht, dass das Bundeskartellamt bei der Wahrnehmung seiner Eingriffsbefugnisse nach § 32 GWB im öffentlichen Interesse an der Gewährleistung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs handelt. Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, scheidet eine Verwirkung im Streitfall aus.
117c) Es fehlt jedenfalls an einem früheren Verhalten des Bundeskartellamts, aufgrund dessen die Beschwerdeführerin berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass das Amt gegen das Wettbewerbsverbot nicht mehr vorgehen werde. Ein solches Verhalten liegt nicht darin, dass das Amt im Jahre 2009 auf die Beschwerde eines Marktteilnehmers hin ein Verwaltungsverfahren geführt hat, in dem es detaillierte Fragen an die Beschwerdeführerin gerichtet hat, und das Verwaltungsverfahren nach deren Antworten nicht weiter betrieben hat oder dass es auch später niemals Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Wettbewerbsverbots geäußert hat. Das von der Beschwerdeführerin angeführte Verhalten des Amts erschöpft sich in einem Unterlassen, welches kein berechtigtes Vertrauen darauf begründen konnte, das Amt werde auch in Zukunft nicht gegen das Wettbewerbsverbot vorgehen. Deshalb kann auch dem Schreiben des Bundeskartellamts vom 20. November 2020, mit dem dieses der Beschwerdeführerin mitteilte, diese dürfe „spätestens seit Zustellung des aktuellen Auskunftsbeschlusses in keiner Weise (mehr) von einer Duldung des Wettbewerbsverbots (…) durch die Beschlussabteilung“ ausgehen, nicht entnommen werden, ein Einschreiten sei vollständig oder aber jedenfalls für die Zeit bis Ende 2020 verwirkt.
1182. Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, es fehle unabhängig vom Vorliegen eines Kartellrechtsverstoßes auch von vornherein an einem Feststellungsinteresse im Sinne des § 32 Abs. 3 GWB, greift nicht durch.
119a) Nach dieser Vorschrift kann die Kartellbehörde auch eine Zuwiderhandlung feststellen, nachdem diese beendet ist, soweit ein berechtigtes Interesse besteht. Das vom Bundeskartellamt hier als kartellrechtswidrig festgestellte Verhalten der Beschwerdeführerin ist bei Erlass der angefochtenen Verfügung bereits beendet gewesen. Denn die Beschwerdeführerin hatte die Anwendung und Durchsetzung des Wettbewerbsverbots spätestens mit ihrem Schreiben vom 22. Juni 2021 an die T.-Dienste beendet.
120b) Eine kartellbehördliche Feststellung einer beendeten Kartellrechtswidrigkeit ist auch allein im Interesse Betroffener gerechtfertigt, denen aufgrund des Kartellrechtsverstoßes Ersatzansprüche zustehen können, weil die Geltendmachung der Ersatzansprüche durch die Bindungswirkung der bestandskräftigen kartellbehördlichen Verfügung nach § 33b GWB erleichtert wird (vgl. Senat, Beschluss vom 05.04.2017 – VI-Kart 13/15 (V), juris Rn. 120 f. – Preisvergleichsmaschinenverbot I; Beschluss vom 08.06.2007 – VI-Kart 15/06 (V), juris Rn. 86). Auf ein solches berechtigtes Interesse kann sich das Amt – das Vorliegen einer Zuwiderhandlung unterstellt - auch im Streitfall berufen. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 11. Juli 2024 mitgeteilt, dass sie konkret von der Eingeberin T.1 vor dem Landgericht Frankfurt auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird. Dies belegt, dass grundsätzlich Betroffene vorhanden sein können, denen im Fall eines Kartellrechtsverstoßes Ersatzansprüche zustehen können.
121c) Demgegenüber vermögen die übrigen vom Bundeskartellamt angeführten Interessen die nachträgliche Feststellung einer Zuwiderhandlung im Streitfall nicht zu rechtfertigen. Der Umstand, dass das Amt im vorliegenden Verfahren bereits umfangreiche Ermittlungen durchgeführt hatte, als die Beschwerdeführerin ab Ende November 2020 zunächst einseitig auf die Anwendung und Durchsetzung des Wettbewerbsverbots verzichtete und dies mit Schreiben vom 22. Juni 2021 den T.-Diensten mitteilte, begründet für sich genommen kein berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne des § 32 Abs. 3 GWB. Auch kommt es nicht darauf an, ob der Beschwerdeführerin bekannt gewesen sei, dass die Voraussetzungen einer Gruppenfreistellung nicht gegeben gewesen seien, die Beschwerdeführerin daraus aber keine Konsequenzen gezogen und die Rechtswidrigkeit nicht eingeräumt habe. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht bei einer fortbestehenden ernsthaften Besorgnis einer Wiederholung des Kartellverstoßes (vgl. Senat, Beschluss vom 08.06.2007 – VI-Kart 15/06 (V), juris Rn. 85). Eine solche Besorgnis wird vom Amt nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin das Wettbewerbsverbot und das Vertriebskonzept T.-Dienst insgesamt endgültig eingestellt. Eine darüber hinausgehende Unrechtseinsicht ist nicht erforderlich. Das Amt kann sich ferner nicht darauf berufen, dass die Frage der Marktabgrenzung der Klärung bedürfe. Das Feststellungsinteresse muss sich nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 3 GWB auf eine konkrete Zuwiderhandlung beziehen; ein bloßes Interesse an der Klärung von Vorfragen, die sich eventuell in einem künftigen Verfahren erneut stellen könnten, genügt nicht. Ohne Erfolg beruft sich das Amt ferner auf eine generalpäventive Signalwirkung. Das Amt hat schon nicht festgestellt, dass Wettbewerber der Beschwerdeführerin ein vergleichbares Wettbewerbsverbot praktizieren oder solches planen. Nach seinen Feststellungen hatte die T.-Dienst Zusatzvereinbarung vielmehr in der Branche weltweit einzigartigen Charakter und verwendet kein Wettbewerber der Beschwerdeführerin in Deutschland ein explizites Wettbewerbsverbot. Überdies besagt die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegenüber der Beschwerdeführerin nichts über die Zulässigkeit von möglichen Wettbewerbsverboten anderer Wettbewerber, weil diese von einer Vielzahl von – unten im einzelnen aufgeführten – Faktoren, wie Marktanteilen, Bindungsgrad, Dauer der Vereinbarung und weiteren Marktzutrittsschranken abhängt. Die Entscheidung hätte daher keine Bedeutung über den zur Beurteilung stehenden Einzelfall hinaus, weshalb für sie unter diesem Gesichtspunkt kein berechtigtes Interesse bestehen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 05.04.2017 – VI-Kart 13/15 (V), juris Rn. 118 – Preisvergleichsmaschinenverbot I).
1223. Die Feststellung, das Wettbewerbsverbot gemäß Ziffer 3 der T.-Dienst Zusatzvereinbarung in Verbindung mit deren Anlage 2 und die Anwendung der T.-Dienst Zusatzvereinbarung mit Wettbewerbsverbot sei jedenfalls im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zu dem mit Schreiben vom 22. Juni 2021 erfolgten Widerruf wegen Verstoßes gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV rechtswidrig gewesen, ist aber aus materiell-rechtlichen Gründen nicht gerechtfertigt und daher aufzuheben. Denn das Wettbewerbsverbot ist allenfalls auf zwei von ihm erfassten Produktmärkten, nämlich auf dem Markt für Motorsägen und Kettensägen und auf dem Markt für Erdbohrgeräte, überhaupt geeignet, die Möglichkeiten des Marktzugangs Dritter wesentlich zu beeinflussen. Insoweit sind aber keine erheblichen zusätzlichen Marktzutrittsschranken festgestellt, die im Gesamtbild eine Begrenzung auf eine zweijährige Dauer rechtfertigen würden.
123a) Es bestehen schon Zweifel daran, dass die angefochtene Verfügung auf die vom Bundeskartellamt zugrundegelegten Wettbewerbsverhältnisse der Jahre 2019 und 2020 gestützt werden kann. Im Ergebnis kommt es darauf nicht an, weil die Verfügung auch dann aufzuheben ist, wenn die Wettbewerbsverhältnisse der Jahre 2019 und 2020 maßgeblich wären oder unterstellt wird, dass sie denjenigen des Jahres 2016 entsprechen.
124aa) Im Streitfall könnte sich der Verstoß des Wettbewerbsverbots gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB allein aus seiner vereinbarten Dauer ergeben. Für die Frage, ob ein Wettbewerbsverbot mit einer unzulässig langen Dauer vereinbart worden ist, kommt es nach dem allgemeinen Grundsatz, wonach für die Wirksamkeit eines Vertrages grundsätzlich auf die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.2003 – KVR 24/01, juris Rn. 22 – Verbundnetz II), grundsätzlich auf die Wettbewerbsverhältnisse im Zeitpunkt seiner Vereinbarung an. Dem entspricht auch die Regelung in Art. 7 lit. b) der vorliegend zeitlich maßgeblichen Vertikal-GVO 2010, nach der für die Anwendung der Marktanteilsschwellen im Sinne des Art. 3 die Marktanteile anhand der Angaben für das vorangegangene Kalenderjahr ermittelt werden. Daher kommt es für die Frage, ob die hier in Rede stehende T.-Dienst Zusatzvereinbarung, die die Beschwerdeführerin im Jahr 2016 mit den T.-Diensten geschlossen hat und die eine Geltungsdauer vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2021 vorsah, wegen ihrer Dauer kartellrechtswidrig war, auf die Wettbewerbsverhältnisse im Jahr 2016 an und grundsätzlich nicht auf diejenigen der Jahre 2019 und 2020, auf die das Amt die angefochtene Verfügung stützt. Die Wettbewerbsverhältnisse des Jahres 2016 hat das Amt aber nicht ermittelt, jedenfalls weder in seiner Verfügung noch im Beschwerdeverfahren angegeben.
125bb) Ergibt die Prüfung der bei der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots herrschenden Wettbewerbsverhältnisse, dass das Wettbewerbsverbot für eine zu lange Dauer vereinbart worden ist, so ist das Wettbewerbsverbot grundsätzlich für den gesamten vereinbarten Zeitraum kartellrechtswidrig. Indem das Bundeskartellamt festgestellt hat, dass das in der seit 1. Januar 2017 geltenden T.-Dienst Zusatzvereinbarung vereinbarte Wettbewerbsverbot jedenfalls im Zeitraum seit dem 1. Januar 2019 rechtswidrig war, hat es das Wettbewerbsverbot der Sache nach auf eine nach seiner Auffassung maximal zulässige Dauer von zwei Jahren zurückgeführt und lediglich insoweit für rechtswidrig erklärt, als es zeitlich über zwei Jahre hinausging. Ob Vereinbarungen, die wegen ihrer Dauer gegen das Kartellverbot verstoßen, auf das zeitlich zulässige Maß zurückgeführt werden können oder insgesamt kartellnichtig gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV, § 134 BGB sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung zu Bezugsverträgen offen gelassen, ob für das Kartellverbot allgemein an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, dass zeitliche Beschränkungen, die unter das Kartellverbot fallen, auf das zulässige Maß zurückgeführt werden können, und dies jedenfalls für Altverträge bejaht, die nachträglich in den Anwendungsbereich des Kartellverbots geraten (vgl. BGH, 10.02.2004 – KZR 39/02, juris Rn. 12). Nach einer späteren Entscheidung kommt bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten weiterhin eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch zu billigende Maß in Betracht, wenn das Verbot das zeitlich zulässige Maß überschreitet, nicht aber dann, wenn eine Änderung der gegenständlichen Grenzen des Verbots erforderlich wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2008 – KZR 54/08, juris Rn. 25 – Subunternehmervertrag II). Ob ein Wettbewerbsverbot, das die zulässige Dauer überschreitet, insgesamt kartellrechtswidrig ist oder für die zulässige Dauer fortbestehen kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn jedenfalls kommt es für die Frage, welche Dauer zulässig ist, auf die Wettbewerbsverhältnisse im Zeitpunkt der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots an. Diese aber hat das Amt nicht ermittelt, jedenfalls nicht angegeben.
126cc) In Betracht kommt darüber hinaus der Fall, dass eine Vereinbarung, die im Zeitpunkt ihres Abschlusses für ihre gesamte Dauer wirksam vereinbart worden ist, aufgrund einer späteren Veränderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse mit Wirkung ex nunc unwirksam wird. Auch wenn sich die Wirksamkeit eines Vertrags grundsätzlich nach den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Verhältnissen richtet, können Verbotsgesetze bereits wirksam begründete Dauerschuldverhältnisse in der Weise erfassen, dass sie ex nunc unwirksam werden. Dies setzt voraus, dass das Verbotsgesetz die für die Zukunft eintretende Nichtigkeit nach seinem Sinn und Zweck erfordert, was für das Kartellverbot unzweifelhaft der Fall ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.2003 – KVR 24/01, juris Rn. 22 – Verbundnetz II; Senat, Urteil vom 29.01.2014 – VI-U (Kart) 19/13, juris Rn. 19 – Flughafenhotel; Urteil vom 17.12.2008 – VI-U (Kart) 15/08, juris Rn. 33 – Schilderprägestelle). Ob das Bundeskartellamt davon ausgeht, dass das Wettbewerbsverbot aufgrund einer späteren Veränderung der tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse seit 2019 gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB verstößt, lässt sich der angefochtenen Verfügung und dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht entnehmen. Auch für die Feststellung einer solchen Veränderung würde es neben den Wettbewerbsverhältnissen der Jahre 2019 und 2020 auch auf diejenigen des Jahres 2016 ankommen, die das Amt aber nicht ermittelt, jedenfalls nicht angegeben hat.
127dd) Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an, weil die angefochtene Verfügung auch dann aufzuheben ist, wenn die vom Amt zugrundegelegten Wettbewerbsverhältnisse der Jahre 2019 und 2020 maßgeblich wären oder unterstellt wird, dass sie denjenigen des Jahres 2016 entsprechen.
128b) Die Feststellung, das Wettbewerbsverbot gemäß Ziffer 3 der T.-Dienst Zusatzvereinbarung in Verbindung mit deren Anlage 2 und die Anwendung der T.-Dienst Zusatzvereinbarung mit Wettbewerbsverbot sei jedenfalls im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zu dem mit Schreiben vom 22. Juni 2021 erfolgten Widerruf wegen Verstoßes gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV rechtswidrig gewesen, ist aus materiell-rechtlichen Gründen nicht gerechtfertigt, weil das Wettbewerbsverbot allenfalls auf zwei von ihm erfassten Produktmärkten, nämlich auf dem Markt für Motorsägen und Kettensägen und auf dem Markt für Erdbohrgeräte, überhaupt geeignet ist, die Möglichkeiten des Marktzugangs Dritter wesentlich zu beeinflussen, insoweit aber keine erheblichen zusätzlichen Marktzutrittsschranken festgestellt sind, die im Gesamtbild eine Begrenzung auf eine zweijährige Dauer rechtfertigen würden.
129Nach Art. 101 Abs. 1 AEUV sind u.a. Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken und die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel in der Europäischen Union spürbar zu beeinträchtigen, verboten. Nach § 1 GWB sind u.a. Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken, verboten. Danach ist die Feststellung, das Wettbewerbsverbot habe maximal für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden dürfen und sei jedenfalls kartellrechtswidrig, soweit es über eine zweijährige Dauer hinausgeht, nicht gerechtfertigt.
130aa) Mit Recht hat das Amt allerdings angenommen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin als Herstellerin und Vertreiberin von Motorgeräten für die Land- und Forstwirtschaft, die Landschafts- und Gartenpflege sowie für die Bauwirtschaft und bei den T.-Diensten als Abnehmer und Händler dieser Geräte jeweils um Unternehmen handelt. Das Wettbewerbsverbot in der T.-Dienst Zusatzvereinbarung ist Teil der Vertikalverträge zwischen der Beschwerdeführerin und den T.-Diensten und damit Gegenstand einer Vereinbarung im Sinne des Kartellverbotstatbestands.
131bb) Das Wettbewerbsverbot bezweckt aber keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne der Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Wettbewerbsverbot eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bewirkt, weil und soweit es über eine Dauer von zwei Jahren hinausgeht.
132Ziffer 3 der T.-Dienst Zusatzvereinbarung enthält mehrere Wettbewerbsverbote. Ziffer 3.1 untersagt dem T.-Dienst sowohl die Herstellung als auch den Absatz von Wettbewerbsprodukten der in Anlage 2 aufgeführten Produkte, Ziffer 3.2 ferner den Betrieb eines anderen Unternehmens, das mit seinen Erzeugnissen im Wettbewerb zum T.-Sortiment steht, mithin Wettbewerbsprodukte herstellt oder absetzt.
133(1) Soweit die Regelung das Verbot der Herstellung betrifft, hat das Amt weder in der angefochtenen Verfügung noch im Beschwerdeverfahren dargelegt, dass das Verbot der Herstellung von Wettbewerbsprodukten durch den T.-Dienst oder durch ein von diesem betriebenes anderes Unternehmen eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt, und solches ist auch sonst nicht ersichtlich. Daher ist die Verfügung, mit der das gesamte Wettbewerbsverbot gemäß Ziffer 3 der T.-Dienst Zusatzvereinbarung für rechtswidrig erklärt wird, schon insoweit teilweise rechtswidrig. Das Verbot, Wettbewerbsprodukte selbst herzustellen oder ein anderes Unternehmen zu betreiben, das solche herstellt, kann allenfalls Abnehmer benachteiligen, denen die T.-Dienste als potentielle Hersteller entzogen werden; dass dies angesichts der Vielzahl der existierenden konkurrierenden Hersteller relevante wettbewerbsschädliche Auswirkungen hätte oder haben könnte, wird vom Amt nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
134(2) Das in Ziffer 3.1 enthaltene Verbot, Wettbewerbsprodukte der in Anlage 2 aufgeführten Produkte abzusetzen, und das in Ziffer 3.2 enthaltenen Verbot, ein anderes Unternehmen zu betreiben, das Wettbewerbsprodukte absetzt, bedeuten eine Verpflichtung der T.-Dienste, die entsprechenden Produkte während der Vertragslaufzeit nur von der Beschwerdeführerin zu beziehen. Dieses Wettbewerbsverbot bezweckt keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung, und es bewirkt eine solche auch nicht, weil und soweit es über einen Zeitraum von zwei Jahren hinausgeht.
135(a) Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen vertikale Alleinbezugsverträge bzw. entsprechende Wettbewerbsverbote gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB verstoßen, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
136(aa) Solche Verträge bieten regelmäßig beiden Vertragsparteien Vorteile. Der Lieferant erhält eine gewisse Absatzgarantie, weil der Abnehmer aufgrund des Wettbewerbsverbots seine Verkaufsbemühungen auf den Absatz der Vertragswaren konzentriert. Zudem ermöglicht die Zusammenarbeit mit dem Abnehmer es dem Lieferanten, den Verkauf seiner Waren während der Vertragsdauer zu planen sowie Produktion und Vertrieb effizient zu organisieren. Diese Verträge sind auch für den Abnehmer vorteilhaft, soweit sie ihm den Zugang zum Markt unter günstigen Bedingungen und mit einer Bezugsgarantie ermöglichen. Das gemeinsame Interesse des Abnehmers und des Lieferanten an der Förderung des Absatzes der Vertragswaren gibt dem Abnehmer darüber hinaus die Gewähr, dass der Lieferant ihn dabei unterstützt, die Qualität der Waren und den Kundendienst sicherzustellen. Verträge dieser Art ermöglichen beiden Vertragsparteien den Zugang zum Markt und bezwecken keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne der Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB (vgl. EuGH, Urteil vom 07.12.2000 - C-214/99, juris Tz. 25 - Neste; Urteil vom 28.02.1991 - C-234/89, juris Tz. 11 ff. - Delimitis).
137(bb) Alleinbezugsvereinbarungen bzw. entsprechende Wettbewerbsverbote in vertikalen Lieferverträgen können aber eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 AEUV, § 1 GWB bewirken.
138((1)) Hierfür ist zu prüfen, ob der Liefervertrag - gegebenenfalls in Verbindung mit anderen gleichartigen Verträgen desselben Lieferanten und mit den gleichartigen Verträgen anderer Lieferanten - geeignet ist, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zum Markt oder die Möglichkeit zur Steigerung ihres Marktanteils zu verschließen. Dies setzt zunächst eine Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Markts voraus. Zur Klärung der Frage, ob der Vertrag oder die gleichartigen Verträge den Marktzugang Dritter beeinträchtigen, kommt es namentlich auf die Zahl der auf diese Weise an die Lieferanten gebundenen Verkaufsstellen im Verhältnis zur Zahl der nicht gebundenen Verkaufsstellen, auf die Dauer der eingegangenen Verpflichtungen, auf die durch diese Verpflichtungen erfasste Menge sowie auf das Verhältnis zwischen dieser Menge und derjenigen, die über nichtgebundene Vertriebsstellen abgesetzt wird, an.
139Auch wenn der Vertrag oder das Bündel der gleichartigen Verträge die Möglichkeiten des Marktzugangs wesentlich beeinflusst, rechtfertigt dies allein noch nicht die Feststellung einer Abschottung des relevanten Markts, weil dieser Umstand im Hinblick auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände, in deren Zusammenhang ein Vertrag betrachtet werden muss, nur einen unter mehreren Faktoren darstellt. Zu prüfen sind daher weitere Faktoren, die ebenfalls die Möglichkeit des Marktzugangs beeinflussen. Dazu gehört zum einen, ob ein neuer Mitbewerber wirkliche und konkrete Möglichkeiten besitzt, etwa mit den auf dem Markt bereits tätigen Abnehmern ein eigenes Vertragsnetz aufzubauen oder stattdessen eigene Verkaufsstellen zu eröffnen, zum anderen, unter welchen Bedingungen der Wettbewerb auf dem relevanten Markt stattfindet, wofür es nicht nur auf die Zahl und Größe der auf dem Markt tätigen Lieferanten, sondern auch auf den Sättigungsgrad dieses Marktes und die Treue der Verbraucher zu bestehenden Marken ankommt.
140Ergibt die Prüfung der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Verträge sowie der übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände des fraglichen Vertrags, dass diese Verträge nicht die kumulative Wirkung haben, neuen inländischen und ausländischen Mitbewerbern den Zugang zu diesem Markt zu verschließen, dann können die einzelnen Verträge, aus denen das Vertragsbündel besteht, den Wettbewerb nicht im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB beschränken. Ergibt die Prüfung hingegen, dass der relevante Markt schwer zugänglich ist, so ist zu untersuchen, inwieweit die Verträge des betroffenen Lieferanten zu der kumulativen Wirkung beitragen, die alle auf diesem Markt festgestellten gleichartigen Verträge in dieser Hinsicht entfalten. Diese Marktabschließungswirkung ist denjenigen Lieferanten zuzurechnen, die dazu in erheblichem Maße beitragen. Verträge von Lieferanten, deren Beitrag zu der kumulativen Wirkung unerheblich ist, fallen deshalb nicht unter das Verbot von Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB.
141Zur Beurteilung der Bedeutung des Beitrags der Verträge eines Lieferanten zu der kumulativen Abschottungswirkung ist die Stellung der Vertragspartner auf dem Markt zu berücksichtigen. Diese Stellung hängt nicht nur vom Marktanteil des Lieferanten ab, sondern auch von der Zahl der an den Lieferanten gebundenen Verkaufsstellen im Verhältnis zur Gesamtzahl der auf dem relevanten Markt festgestellten Verkaufsstellen. Der Beitrag der einzelnen Verträge eines Lieferanten zur Abschottung dieses Marktes hängt außerdem von der Vertragsdauer ab. Ist diese Dauer, gemessen an der durchschnittlichen Dauer der auf dem relevanten Markt allgemein geschlossenen Lieferverträge, offensichtlich unverhältnismäßig lang, so fällt der einzelne Vertrag unter das Verbot der Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB. Ein Lieferant mit verhältnismäßig geringem Marktanteil, der seine Abnehmer für viele Jahre an sich bindet, kann nämlich zu einer ebenso erheblichen Marktabschließung beitragen wie ein Lieferant mit verhältnismäßig starker Marktstellung, der seine Abnehmer normalerweise in kürzeren Zeitabständen aus der Bindung entlässt (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 07.12.2000 – C-214/99, juris Tz. 25 ff. bei juris – Neste; Urteil vom 28.02.1991 – C-234/89, juris Tz. 13 ff. – Delimitis; EuG, Urteil vom 08.06.1995 – T-7/93, juris Tz. 99 ff. – Langnese-Iglo/Kommission; BGH, Beschluss vom 03.06.2020 – KVZ 44/19, juris Rn. 13 – Ticketvertrieb; Beschluss vom 10.02.2009 – KVR 67/07, juris Rn. 35 ff. – Gaslieferverträge; Senat, Beschluss vom 03.04.2019 – VI-Kart 2/18 (V), juris Rn. 84 ff. – Ticketvertrieb II).
142((2)) Ein Maßstab dafür, wann ein über mehrere Jahre laufender Liefervertrag unter Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB fallen kann, lässt sich der hier zeitlich maßgeblichen Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalverträge Nr. 330/2010 vom 20. April 2010 (nachfolgend: Vertikal-GVO 2010) entnehmen. Zwar sagt die Vertikal-GVO an sich nur etwas darüber aus, ob eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt ist oder nicht. Ihr Anwendungsbereich gibt aber auch einen Anhaltspunkt dafür, unter welchen Voraussetzungen über mehrere Jahre laufende Lieferverträge vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst sein können Sie geht beispielsweise - ohne dass es dabei auf ein Bündel gleichartiger Verträge ankommt - davon aus, dass einzelne Austauschverträge von Lieferanten, die lediglich über einen Marktanteil von bis zu 30% verfügen und daher erheblichem Wettbewerb ausgesetzt sind, in den Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen und nicht generell nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt sind, wenn durch sie mehr als 80% des Gesamtbedarfs des jeweiligen Abnehmers gedeckt werden und die Laufzeit fünf Jahre übersteigt (Art. 3 und 5 i.V. mit Art. 1 lit. b Vertikal-GVO 2010). Ob langfristige Bezugsverträge eine Wettbewerbsbeschränkung bewirken, kann danach nicht ohne Blick auf die Laufzeit der Verträge und den Grad der Bedarfsdeckung beurteilt werden. Zwischen diesen Faktoren besteht ein untrennbarer wirtschaftlicher Zusammenhang, der es verbietet, beide isoliert voneinander zu betrachten. Die mit dem Abschluss des Liefervertrags einhergehende Ausschlusswirkung ist umso größer, je länger der Vertrag läuft und je größer der Anteil des Bedarfs ist, der durch den Vertrag erfasst wird. Verträge über die Deckung des Gesamtbedarfs der Abnehmer sind kartellrechtlich unbedenklich, wenn sie wegen ihrer kurzen Laufzeit den Wettbewerb nicht zum Erliegen bringen; ebenso sind langfristige Verträge unbedenklich, die wegen des geringen Anteils an der Bedarfsdeckung ausreichende Liefermengen für Wettbewerber belassen (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 10.02.2009 – KVR 67/07, juris Rn. 36 f. – Gaslieferverträge; Senat, Beschluss vom 03.04.2019 – VI-Kart 2/18 (V), juris Rn. 87 – Ticketvertrieb II).
143Dementsprechend hat das Europäische Gericht erster Instanz das Vertragsbündel von Alleinbezugsverträgen mit Wettbewerbsverbot eines Lieferanten für kartellrechtswidrig gehalten, weil der Lieferant über einen Marktanteil von mehr als 45% verfügte, mehr als 15% der Verkaufsstätten an diesen Lieferanten gebunden waren, dieser Lieferant mit diesen Verkaufsstätten mehr als 15% des gesamten Absatzvolumens auf dem Markt erzielte, weil die gleichartigen Lieferverträge des nächstgroßen Lieferanten mehr als 10% der Verkaufsstätten banden und mehr als 10% des gesamten Absatzvolumens auf dem Markt erfassten, so dass der kumulative Bindungsgrad der Verträge beider Lieferanten bezogen sowohl auf Verkaufsstätten als auch auf Absatzvolumen mehr als 30% betrug, weil erhebliche zusätzliche Marktzutrittsschranken bestanden und weil die Vertragsdauer zweieinhalb Jahre betrug (vgl. EuG, Urteil vom 08.06.1995 – T-7/93, juris Tz. 103 ff. – Langnese-Iglo/Kommission). Der Bundesgerichtshof hat Gaslieferverträge eines Lieferanten mit einem Marktanteil von rund 75% unter Berücksichtigung der erheblichen Marktzutrittsschranken auf dem Gasmarkt für unbedenklich gehalten, wenn durch sie über 80% des Bedarfs des Abnehmers gedeckt werden und sie auf zwei Jahre begrenzt sind, wenn durch sie zwischen 50% und 80% des Bedarfs des Abnehmers gedeckt werden und sie auf vier Jahre begrenzt sind; bei einer Bedarfsdeckung bis einschließlich 50% bedarf es keiner zeitlichen Begrenzung (vgl. BGH, Beschluss vom 10.02.2009 – KVR 67/07, juris Rn. 30 ff. – Gaslieferverträge). Der Senat hat Ausschließlichkeitsvereinbarungen mit einer Dauer von zumeist drei Jahren mit zumeist automatischer Verlängerung um ein Jahr eines Anbieters, der über einen Marktanteil im oberen Bereich der Spanne von 50% bis 60% verfügt, und die 35% bis 45% des Marktvolumens erfassen, unter Berücksichtigung der zusätzlichen erheblichen Marktzutrittsschranken für kartellrechtswidrig gehalten (vgl. Senat, Beschluss vom 03.04.2019 – VI-Kart 2/18 (V), juris Rn. 92, 127 ff., 160 – Ticketvertrieb II).
144(b) Nach diesen Maßgaben bezweckt das Verbot des Absatzes der in Rede stehenden Wettbewerbsprodukte keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne der Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB.
145(aa) Das Amt hat in Rn. 296 der angefochtenen Verfügung (GA 110) offen gelassen, ob das Wettbewerbsverbot eine Wettbewerbsbeschränkung auch bezweckt. Auf S. 87 ff. seiner Beschwerdeerwiderung (GA 862 ff.) hat es den angenommenen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB auch damit begründet, dass das Wettbewerbsverbot eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecke, weil die Beschwerdeführerin nicht nur die Marktanteilsschwelle von 30% gemäß Art. 3 Vertikal-GVO 2010 auf allen relevanten Märkten überschreite, sondern die T.-Dienst Zusatzvereinbarung auch die in Art. 5 Abs. 1 lit. a) Vertikal-GVO normierte Höchstdauer von fünf Jahren übersteige und daher ein zweifacher Verstoß gegen die Vertikal-GVO 2010 vorliege. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin das Wettbewerbsverbot genau auf jene Produktgruppen zugeschnitten habe, bei denen sie über eine besonders starke und teilweise sogar marktbeherrschende Stellung verfüge, so dass es besonders starke wettbewerbsschädigende Wirkungen zu erzeugen vermochte.
146(bb) Diese Begründung rechtfertigt nicht die Annahme einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung im Sinne der Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB. Wie der Europäische Gerichtshof wiederholt entschieden hat, kann allerdings auch eine vertikale Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Zwar sind vertikale Vereinbarungen ihrer Natur nach oft weniger schädlich für den Wettbewerb als horizontale Vereinbarungen, sie können aber unter bestimmten Umständen auch ein besonders großes wettbewerbsbeschränkendes Potential haben (vgl. EuGH, Urteil vom 18.11.2021 – C-306/20, juris Rn. 61 – Visma Enterprise; Urteil vom 26.11.2015, - C-345/14, juris Rn. 21 - Maxima Latvija; Urteil vom 14.03.2013 - C-32/11, juris Tz. 43 – Allianz Hungaria; Urteil vom 13.10.2011 - C-439/09, juris Tz. 35 ff. - Pierre Fabre Dermo-Cosmétique). Für die hier vorliegende Fallgruppe der Alleinbezugsverträge bzw. entsprechenden Wettbewerbsverbote ist in der Rechtsprechung jedoch – wie oben ausgeführt – geklärt, dass diese keine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken, insbesondere keine Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 Vertikal-GVO 2010 darstellen, sondern eine Wettbewerbsbeschränkung nur bewirken können (vgl. auch BGH, Urteil vom 12.06.2018 – KZR 4/16, juris Rn. 37 f. – Busverkehr im Altmarkkreis). Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Verträge sowohl wegen der Marktanteile der Beschwerdeführerin auf den relevanten Märkten als auch wegen ihrer Dauer nicht die Freistellungsvoraussetzungen der hier zeitlich maßgeblichen Vertikal-GVO 2010 erfüllen. Es bedarf also hierfür nicht der Feststellung der Marktanteile, und es bedarf auch nicht der Klärung der Frage, ob ein auf fünf Jahre begrenzter Anschlussvertrag, der schon vor Ablauf des vorigen Vertrags geschlossen wird, um die Zeit gekürzt werden müsste, die der vorige Vertrag noch läuft, um die Fünf-Jahres-Grenze einzuhalten, wie das Amt meint. Ebenso wenig kann eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nach der oben zitierten Rechtsprechung daraus abgeleitet werden, dass die Beschwerdeführerin auf den vom Wettbewerbsverbot erfassten Produktmärkten über eine besonders starke und teilweise sogar marktbeherrschende Stellung verfügt.
147(c) Soweit das Amt in Rn. 276 ff. der angefochtenen Verfügung (GA 99) zu dem selektiven Vertriebssystem der Beschwerdeführerin ausführt, lässt sich ein Verstoß des auf den Absatz von Wettbewerbsprodukten bezogenen Wettbewerbsverbots gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB hiermit nicht begründen. Zu unterscheiden sind quantitative Selektivvertriebssysteme, mit denen die Lieferanten die Zahl der Händler beschränken, und qualitative Selektivvertriebssysteme, mit denen die Lieferanten die Händler nach qualitativen Kriterien auswählen. Insbesondere quantitative Selektivvertriebssysteme und in bestimmten Fällen u.U. auch qualitative Selektivvertriebssysteme können insofern eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellen, als durch sie der Zugang von Händlern zum relevanten Angebotsmarkt der Lieferanten beschränkt wird und damit der markeninterne Wettbewerb beeinträchtigt wird. Insoweit hat das Amt keinerlei Feststellungen getroffen. Um eine derartige Wettbewerbsbeschränkung geht es vorliegend auch nicht. Das hier in Rede stehende Wettbewerbsverbot betrifft vielmehr eine mögliche Wettbewerbsbeschränkung von Lieferanten, indem diesen der Zugang zu den Händlern versperrt wird.
148(d) Die Prüfung, ob das Verbot des Absatzes bestimmter Wettbewerbsprodukte - gegebenenfalls in Verbindung mit anderen gleichartigen Verträgen anderer Lieferanten – eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB bewirkt hat, d.h. geeignet war, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern der Beschwerdeführerin den Zugang zum Markt oder die Möglichkeit zur Steigerung ihres Marktanteils zu verschließen, setzt zunächst eine Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Markts voraus.
149(aa) In sachlicher Hinsicht hat das Amt die relevanten Märkte, auf denen Hersteller wie die Beschwerdeführerin ihre tragbaren bzw. handgeführten Motorgeräte für die Land- und Forstwirtschaft, die Landschafts- und Gartenpflege sowie für die Bauwirtschaft anbieten, mit Recht produktbezogen bzw. produktgruppenbezogen abgegrenzt, wobei nicht nach der Antriebsart (Benzin, Kabel, Akku) zu unterscheiden ist. Nicht zu beanstanden ist die Ablehnung eines Sortimentsmarkts. Das Amt hat auch zutreffend einen eigenständigen sachlichen Markt für Ersatz- und Verschleißteile angenommen. Die jeweils sachlich relevanten Märkte umfassen den Vertrieb an Motoristen und Baumärkte, Gartencenter und andere Einzelhändler als Marktgegenseite. Dabei gehören Hersteller- und Handelsmarken jeweils zum selben sachlichen Markt. Der Direktvertrieb der Hersteller gehört nicht zu den relevanten Märkten. Abzugrenzen sind demnach folgende sachlich relevante Einzelmärkte:
150- Motorsägen und Kettensägen,
151- Hoch-Entaster,
152- Motorsensen, Freischneider und Rasentrimmer,
153- Heckenscheren und Heckenschneider,
154- Trennschleifer und Gesteinsschneider,
155- Erdbohrgeräte,
156- Sprüh-, Spritz-, Saug- und Blasgeräte (wie insbes. Nass- und Trockensauger, Laubbläser, Saughäcksler oder Drucksprüher) (ohne Hochdruckreiniger),
157- Hochdruckreiniger,
158- Kehrmaschinen und –geräte,
159- Motorhacken,
160- Schneefräsen,
161- handgeführte Rasenmäher und Mulchrasenmäher,
162- Mähroboter,
163- Rasentraktoren und Aufsitzmäher,
164- Vertikutierer und Rasenlüfter,
165- Gartenhäcksler,
166- Ersatzteile der genannten Motorgeräte.
167In räumlicher Hinsicht hat das Amt die relevanten Märkte mit Recht deutschlandweit abgegrenzt.
168(bb) Ziel der – sachlichen – und räumlichen Marktabgrenzung ist es, diejenigen Wettbewerbskräfte zu ermitteln, denen das zur Beurteilung stehende Unternehmen ausgesetzt ist. Ausgangspunkt für die sachliche Marktabgrenzung ist das Bedarfsmarktkonzept. Danach gehören zu einem Markt alle Waren oder gewerblichen Leistungen, die sich aus Sicht der Marktgegenseite nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahestehen, dass sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs gleichermaßen geeignet betrachtet und funktional als gegeneinander austauschbar angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2020 – KVR 69/19, juris Rn. 23 – Facebook I; Urteil vom 08.10.2019 – KZR 73/17, juris Rn. 23 – Werbeblocker III). Beim Angebotsmarkt ist maßgebliche Marktgegenseite der jeweilige Nachfrager der betreffenden Ware oder Leistung, wobei die funktionale Austauschbarkeit nach objektivem Maßstab (vgl. BGH, Beschluss vom 05.10.2004 – KVR 14/03, juris Rn. 18 – Staubsaugerbeutelmarkt) und nach der Beurteilung des überwiegenden Teils der Abnehmer (vgl. BGH, Beschluss vom 16.01.2008 – KVR 26/07, juris Rn. 57 – Kreiskrankenhaus Bad Neustadt) zu bewerten ist. Abweichende Präferenzen Einzelner oder kleiner Nachfragegruppen bleiben als Randungenauigkeit ebenso außer Betracht wie Sortimentsüberschneidungen im Randbereich (vgl. Senat, Beschluss vom 05.12.2018 – VI-Kart 3/18 (V), juris Rn. 35 – Ticketvertrieb I; Beschluss vom 23.08.2017 – VI-Kart 5/16 (V), juris Rn. 58 – Fusionsuntersagung EDEKA/Tengelmann). Zu berücksichtigen ist auch eine etwaige Angebotsumstellungsflexibilität, wenn die Anbieter ähnlicher Produkte und Dienstleistungen bereit und in der Lage sind, ihr Leistungsangebot kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand umzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2020 – KVR 69/19, juris Rn. 26 – Facebook I).
169Nach dem Bedarfsmarktkonzept beantwortet sich die Frage nach der funktionalen Austauschbarkeit von Waren und gewerblichen Leistungen in erster Linie nach den Eigenschaften und dem Verwendungszweck. Dementsprechend kann ein Produkt unterschiedlichen Märkten angehören, wenn es zu unterschiedlichen Zwecken verwendet werden kann und diese unterschiedlichen Verwendungen auch unterschiedliche wirtschaftliche Bedürfnisse befriedigen, etwa weil sich die Abnehmergruppen entsprechend unterscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 24.06.1980 – KVR 5/79, juris Rn. 18 ff. – Mannesmann/Brueninghaus; Beschluss vom 21.02.1978 – KVR 4/77, juris Rn. 44 – Kfz-Kupplungen). Auf der anderen Seite existieren nicht nur Märkte für Einzelprodukte. Eine ganze Warengruppe kann zu einem einheitlichen Sortimentsmarkt gehören, wenn ein bestimmtes Waren- oder Leistungsbündel – wie etwa im Lebensmittelhandel, bei Unterhaltungselektronik oder Krankenhausleistungen – der typischen abstrakten Verbrauchererwartung entspricht. Maßgeblich sind die Vorstellungen, die der Verbraucher – unabhängig von einem konkreten Bedarf – mit dem Leistungsangebot verbindet (vgl. BGH, Beschluss vom 11.12.2018 – KVR 65/17, juris Rn. 24; Beschluss vom 16.01.2008 – KVR 26/07, juris Rn. 57 – Kreiskrankenhaus Bad Neustadt; Beschluss vom 28.04.1992 – KVR 9/91, juris Rn. 11 – Kaufhof/Saturn). Richtet sich die Nachfrage objektiv auf das Sortiment als solches, wie etwa im Lebensmittelhandel, ist das Angebot des entsprechenden Güterbündels eine besondere Marktleistung, die aus verständiger Nachfragesicht durch das Angebot des Spezial- und Fachhandels, der nur einen Teil dieses Warenbündels anbietet, nicht funktional austauschbar ist (vgl. Senat, Beschluss vom 23.08.2017 – VI-Kart 5/16 (V), juris Rn. 59 – Fusionsuntersagung EDEKA/Tengelmann). Anders liegt es, wenn von dem Angebot anderer Vertriebsschienen, bei denen Verbraucher einen Teil ihres Bedarfs an den Sortimentsartikeln decken können, ein so erheblicher Wettbewerbsdruck ausgeht, dass diese anderen Anbieterkategorien in den sachlich relevanten Markt einzubeziehen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 11.12.2018 – KVR 65/17, juris Rn. 24; Beschluss vom 02.02.2010 – KVZ 16/09, juris Rn. 41 – Kosmetikartikel). Das ist etwa dann der Fall, wenn die Kunden, wie etwa bei Baumärkten, kein im wesentlichen übereinstimmendes Warenbündel nachfragen, sondern in der Regel einen bestimmten Bedarf haben, den sie auch im Spezial- und Fachhandel decken können, so dass die Anbieter der Teilsortimente zum Markt gehören (vgl. Senat, Beschluss vom 30.09.2009 – VI-Kart 1/08 (V), juris Rn. 23 ff.).
170Das für die Marktabgrenzung somit maßgebliche Bedarfsmarktkonzept ist allerdings nur ein Hilfskriterium, um die im Einzelfall bestehenden Wettbewerbskräfte festzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – KZR 47/14, juris Rn. 25 – VBL-Gegenwert II; Beschluss vom 10.12.2008 – KVR 2/08, juris Rn. 10 – Stadtwerke Uelzen; Beschluss vom 11.11.2008 – KVR 60/07, juris Rn. 17 – E.ON/Stadtwerke Eschwege; Beschluss vom 16.01.2007 – KVR 12/06, juris Rn. 19 – National Geographic II). Es darf nicht mechanisch, sondern muss zweckbezogen angewendet werden, um die im konkreten Fall wirksamen Wettbewerbsverhältnisse möglichst vollständig und zutreffend zu ermitteln. Eine Korrektur ist insbesondere dann geboten, wenn ansonsten der Warenstrom nicht zutreffend dargestellt würde (vgl. BGH, 11.11.2008 – KVR 60/07, juris Rn. 17 – E.ON/Stadtwerke Eschwege).
171(cc) Nach diesen Maßgaben hat das Amt die relevanten sachlichen Märkte mit Recht produktbezogen bzw. produktgruppenbezogen abgegrenzt, wobei nicht nach der Antriebsart (Benzin, Kabel, Akku) zu unterscheiden ist. Die Ablehnung eines Sortimentsmarkts ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Amt auch einen eigenständigen sachlichen Markt für Ersatz- und Verschleißteile angenommen, so dass sich die oben genannten Einzelmärkte ergeben.
172((1)) Maßgebend für die produkt- bzw. produktgruppenbezogene Marktabgrenzung ist, dass sich die einzelnen Produkte bzw. Produktgruppen nach ihrem Verwendungszweck derart unterscheiden, dass sie aus Sicht der in der Landschafts- oder Gartenpflege oder in der Bauwirtschaft tätigen Endverbraucher, deren Bedarf die Händler decken müssen und die deshalb die Nachfrage der Händler bestimmen, als nicht miteinander austauschbar angesehen werden können. Zutreffend ist auch die Annahme des Amts, dass sich unter Berücksichtigung des Kriteriums der Angebotsumstellungsflexibilität nichts anderes ergibt, weil ein Hersteller etwa von Rasenmähern seine Produktion und seinen Vertrieb nicht kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand auf ganz andere Produkte wie etwa Motorsägen oder Hochdruckreiniger umstellen kann. Das Amt hat zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellt, dass innerhalb der einzelnen Produkte bzw. Produktkategorien nicht nach der Antriebsart (Benzin, Kabel, Akku) zu unterscheiden ist. Dem ist zu folgen, vor allem weil nach den Feststellungen des Amts nahezu alle befragten Händler Motorgeräte aller drei Antriebsformen führen (GA 665). Die Beschwerde wendet sich auch nicht gegen die Unterscheidung der einzelnen Produkte bzw. Produktgruppen im Hinblick auf ihre Nichtaustauschbarkeit aus Sicht der Marktgegenseite, ebenso wenig dagegen, dass im Hinblick auf die Antriebsart (Benzin, Kabel, Akku) keine weitere Unterscheidung geboten ist, sondern gegen die Ablehnung eines Sortimentsmarkts und gegen die Annahme eines eigenständigen Markts für Ersatz- und Verschleißteile.
173((2)) Es ist allerdings nicht zu beanstanden, dass das Amt einen Sortimentsmarkt, dem alle oben genannten Produkte bzw. Produktgruppen oder dem jedenfalls bestimmte dieser Produkte oder Produktgruppen angehören, abgelehnt hat. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die französische Autorité de la Concurrence habe jüngst dazu tendiert, den Markt als Sortimentsmarkt abzugrenzen, besagt dies nichts für den hier betroffenen deutschen Markt; nach Darstellung des Amts ging es dabei zudem um den hier nicht betroffenen Einzelhandelsmarkt. Auch die weiteren Einwände der Beschwerdeführerin greifen nicht durch.
174((a)) Aus dem Umstand, dass ein Einzelhandelsmarkt, auf dem sich die Endverbraucher als Nachfrager und die Händler als Anbieter gegenüberstehen, einen Sortimentsmarkt darstellen kann, ergibt sich noch nicht, dass auch der Beschaffungsmarkt, auf dem sich die Händler als Nachfrager und die Hersteller als Anbieter gegenüberstehen, einen Sortimentsmarkt bildet. Gegen die Annahme eines Sortimentsmarkts spricht vorliegend schon die Spezialisierung der Hersteller auf bestimmte Produkte oder Produktgruppen (vgl. Senat, Beschluss vom 13.11.2013 – VI-Kart 5/09 (V), juris Rn. 90 ff. – Laborchemikalien). So bietet nach dem Auswertungsvermerk der Herstellerfragebögen (GA 599) von den antwortenden Herstellern kein Hersteller alle 16 abgefragten Produktbereiche an. Nur die Beschwerdeführerin und zwei weitere Hersteller bieten 15 Produktbereiche an, zwei Hersteller bieten 14 Produktbereiche an, jeweils drei Hersteller bieten 13, 12, 10, 9, 5, 3 und 2 Produktbereiche an, jeweils vier Hersteller bieten 11, 8, 7 und 1 Produktbereiche an, ein Hersteller bietet 6 Produktbereiche an. Es kommt hinzu, dass die Marktanteile der Hersteller sich je nach den Produkten bzw. Produktgruppen, die sie anbieten, zum Teil erheblich unterscheiden. So hat nach den Marktanteilsübersichten im Auswertungsvermerk der Herstellerfragebögen (GA 635) die Beschwerdeführerin relativ hohe Marktanteile in den Bereichen Motorsägen und Kettensägen, Hoch-Entaster, Motorsensen, Freischneider und Rasentrimmer, Heckenscheren und Heckenschneider, Trennschleifer und Gesteinsschneider, Erdbohrgeräte, aber relativ niedrige Marktanteile in den Bereichen Sprüh-, Spritz-, Saug- und Blasgeräte, Hochdruckreiniger, Kehrmaschinen und –geräte, Motorhacken, handgeführte Rasenmäher und Mulchrasenmäher, Mähroboter, Rasentraktoren und Aufsitzmäher, Vertikutierer und Rasenlüfter, Gartenhäcksler. Demgegenüber hat etwa L. relativ hohe Marktanteile in den Bereichen Sprüh-, Spritz-, Saug- und Blasgeräte, Hochdruckreiniger, Kehrmaschinen und –geräte, aber relativ niedrige Marktanteile in anderen Bereichen. Auch bei anderen Herstellern wie beispielsweise C., I., J. und I.1 unterscheiden sich die Marktanteile über die einzelnen Produktbereiche hinweg zum Teil nicht unerheblich. Wäre von einem sortimentsbezogenen Beschaffungsmarkt auszugehen, so wäre aber zu erwarten, dass die Hersteller im wesentlichen dieselbe Zahl und Art an Produkten bzw. Produktgruppen anbieten würden und dass der einzelne Hersteller über alle von ihm angebotenen Produkte bzw. Produktgruppen hinweg über ähnliche Marktanteile verfügen würde. Die unterschiedlichen Marktanteile eines Herstellers bei seinen verschiedenen Produkten bzw. Produktgruppen lassen es auch unter dem Aspekt, dass das Bedarfsmarktkonzept gegebenenfalls der Korrektur bedarf, um die im konkreten Fall wirksamen Wettbewerbsverhältnisse möglichst vollständig und zutreffend zu ermitteln, geboten erscheinen, nicht von einem Sortimentsmarkt, sondern von Einzelmärkten auszugehen.
175((b)) Die Annahme eines Sortimentsmarkts ist auch nicht aufgrund des Nachfrageverhaltens der Händler geboten. Zwar sind die T.-Dienste aufgrund von Ziffer 1.1.4 der T.-Dienst Zusatzvereinbarung zum Bezug des „repräsentativen Grundsortiments“ verpflichtet. Es trifft aber schon nicht zu, dass die Händler, seien sie T.-Dienste, „normale“ T.-Händler oder Nicht-T.-Händler, typischerweise jeweils ein gleiches Sortiment der relevanten Produkte bzw. Produktgruppen beziehen. Nach den Feststellungen des Amts reicht die Sortimentsbreite der befragten Händler von nur zwei geführten Produktbereichen bis hin zu 19 Produktbereichen, wobei der Mittelwert bei T.-Diensten bei rund 17, bei „normalen“ T.-Händlern bei rund 15 und bei Nicht-T.-Händlern bei rund 13 Produktbereichen liegt (GA 680). Dementsprechend bestehen bei den befragten Händlern auch erhebliche Unterschiede bezüglich der Einschätzung, bei welchen Produkten bzw. Produktkategorien es sich um sogenannte „must-stock-Produkte“ handelt. So variiert die Anzahl der von den befragten Händlern angegebenen „must-stock-Produkte“ zwischen null und 19, wobei die Mittelwerte bei den T.-Diensten bei 11, bei den „normalen“ T.-Händlern bei 9 und bei den Nicht-T.-Händlern bei 5 liegen (GA 684 ff.). 43% der Nicht-T.-Händler, 24% der „normalen“ T.-Händler und immerhin 17% der T.-Dienste haben keinen Produktbereich als „must-Stock-Produkt“ angegeben (GA 684). Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Händler typischerweise alle Produkte bzw. Produktkategorien, die sie führen, im Sortiment von einem oder jedem ihrer Lieferanten beziehen. Denn es haben etwa 48% der Nicht-T.-Händler und etwa 46% der „normalen“ T.-Händler angegeben, über keinen Hauptlieferanten zu verfügen (GA 701). Zudem unterscheidet die von den Händlern jeweils angegebene Zahl an Lieferanten sich je nach Produktbereich. So haben „normale“ T.-Händler und Nicht-T.-Händler für den Bereich der tragbaren Motorgeräte zwischen 1 und 10 Lieferanten angegeben, für den Bereich der Sprüh-/Reinigungsgeräte zwischen null und 2 Lieferanten, für den Bereich der hand-/bodengeführten Motorgeräte zwischen 1 und 3 Lieferanten, für den Bereich Mähroboter zwischen null und einem Lieferanten und für den Bereich Aufsitzmäher/Rasentraktoren zwischen 1 und 3 Lieferanten (GA 700).
176((3)) Das Amt hat auch zutreffend einen vom Erstausrüstermarkt zu unterscheidenden Angebotsmarkt für Ersatz- und Verschleißteile angenommen, weil auf diesem andere Wettbewerbsverhältnisse herrschen als auf dem Angebotsmarkt für die Geräte selbst. So haben von den befragten Herstellern von Motor- bzw. Kettensägen und Hoch-Entastern rund 56% angegeben, dass sie hierfür keine eigenen Ersatzteile herstellen, und rund 61% haben angegeben, dass Dritte solche Ersatzteile herstellen und handeln, die mit ihren Motorgeräten kompatibel sind. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Amt den Markt für Ersatz- und Verschleißteile aufgrund des Umstands, dass diese in verschiedenen Produkten bzw. Produktkategorien zum Einsatz kommen können, und aufgrund einer gewissen Angebotsumstellungsflexibilität der jeweiligen Hersteller nicht weiter nach Produkten bzw. Produktkategorien unterschieden hat.
177(dd) Das Amt hat weiter zu Gunsten der Beschwerdeführerin unterstellt, dass die jeweils sachlich relevanten Märkte den Vertrieb an Motoristen und Baumärkte, Gartencenter und andere Einzelhändler als Marktgegenseite umfassen. Dem ist zu folgen, und dies greift die Beschwerde auch nicht an. Zwar entfielen nach den Feststellungen des Amts bei der Beschwerdeführerin im Jahr 2020 etwa 86% der Umsätze mit den relevanten Motorgeräten auf den indirekten Vertrieb über Fachhändler/Motoristen. Eine sachliche Marktabgrenzung, die sich auf den indirekten Vertrieb der Hersteller über Fachhändler/Motoristen beschränkte, würde aber die Wettbewerbsverhältnisse, unter denen die Beschwerdeführerin mit den anderen Herstellern konkurriert, nicht zutreffend abbilden und unberücksichtigt lassen, dass andere Hersteller größere Anteile am Gesamtumsatz mit dem indirekten Vertrieb über andere Einzelhändler, wie etwa Baumärkte und Gartencenter, erzielen. Denn wie die Herstellerbefragung nach dem Auswertungsvermerk des Amts weiter ergeben hat, lagen im Jahr 2020 die Umsätze von jeweils 13 der 41 antwortenden Hersteller mit Motoristen/Fachhändlern bei unter 5% bzw. über 95% und von 15 der 41 antwortenden Hersteller zwischen 5% und 95% (GA 597). Zudem nutzen große Teile der Hersteller den indirekten Vertrieb über verschiedene Vertriebsschienen, nämlich von 38 antwortenden Herstellern für Herstellermarken 82% den indirekten Vertrieb über Fachhändler, 76% den indirekten Vertrieb über Online-Händler, 66% den indirekten Vertrieb über Baumärkte/Gartencenter, 47% den indirekten Vertrieb über Online-Plattformen und 37% den indirekten Vertrieb über andere Einzelhändler (GA 607).
178Soweit das Amt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 24. Juli 2024 die Auffassung vertreten hat, die jeweils sachlich relevanten Märkte seien doch auf den Absatz an Motoristen zu beschränken, weil die Hersteller hochwertiger Geräte ein Beratungs- und Service-Angebot ihrer Händler benötigten, das von anderen indirekten Vertriebswegen nicht gewährleistet werde, trifft dies nach den obigen Feststellungen offensichtlich nicht zu. Dem steht auch entgegen, dass nach den Auswertungstabellen zu den Marktanteilen für 2019 und 2020 (Anlage 1 zur Beschwerdeerwiderung, GA 890 ff.) - soweit aufgrund der teilweise in Spannen angegebenen Marktvolumina Vergleiche möglich sind - die befragten Hersteller erhebliche Anteile ihrer Umsätze im indirekten Vertrieb mit dem Absatz an andere Händler als Motoristen erzielen. So betrug etwa für 2020 auf dem Markt für Hoch-Entaster das Gesamtmarktvolumen rund 15,5 Millionen Euro, dasjenige des Absatzes an Motoristen nur 0-10 Millionen Euro, auf dem Markt für Motorsensen, Freischneider und Rasentrimmer das Gesamtmarktvolumen knapp 105 Millionen Euro, dasjenige des Absatzes an Motoristen nur 50-60 Millionen Euro oder auf dem Markt für Heckenscheren und Heckenschneider das Gesamtmarktvolumen 91,5 Millionen Euro, dasjenige des Absatzes an Motoristen nur 30-40 Millionen Euro.
179(ee) Entgegen der Auffassung des Amts ist es nicht gerechtfertigt, innerhalb der produkt- bzw. produktgruppenbezogenen Märkte jeweils eigenständige Märkte für Hersteller- und Handelsmarken zu bilden. Vielmehr gehören die Handelsmarken der Hersteller jeweils zum selben Produktmarkt.
180((1)) Getrennte Märkte für Hersteller- und Handelsmarken lassen sich nicht damit begründen, dass nach den Feststellungen des Amts nur 6,6% der befragten Motoristen angegeben haben, Handelsmarken zu führen, und dass zwischen Herstellern von Herstellermarken und solchen von Handelsmarken daher kein Wettbewerb um die Belieferung des Motoristenhandels bestehe. Denn Marktgegenseite der Hersteller sind nicht nur Motoristen, sondern auch Baumärkte, Gartencenter und weitere Einzelhändler, die die Hersteller in größerem Umfang mit ihren Handelsmarken beliefern. Nach den Feststellungen des Amts stellen rund 43% der befragten Hersteller neben Hersteller- auch Handelsmarken her (GA 590), wobei 13 von 38 Herstellern angegeben haben, zwischen jeweils einer und 13 Handelsmarken zu vertreiben (GA 605); von den Herstellern, die auch Handelsmarken herstellen, vertreiben 67% ihre Handelsmarken über Baumärkte und Gartencenter, 60% über den sonstigen Einzelhandel, 27% über Fachhändler, 20% über Online-Händler und 7% über Online-Plattformen (GA 607).
181((2)) Eine Differenzierung zwischen Hersteller- und Handelsmarken ist vorliegend auch nicht aufgrund eventueller Preisunterschiede gerechtfertigt. Zwar sind unterschiedliche Preise zwischen benachbarten Produkten ein Gesichtspunkt, der einer Austauschbarkeit aus Nachfragesicht entgegenstehen kann. Jedoch lässt sich allein mit dem Hinweis auf Preisunterschiede das Vorliegen eines selbständigen Markts nicht ohne weiteres begründen. Sie können auch Ausdruck bestehenden Wettbewerbs sein. Eine allgemeine Regel, dass ein bestimmtes Maß an Preisunterschieden zur Annahme sachlich getrennter Märkte führt, besteht nicht. Maßgeblich sind stets die Marktverhältnisse im Einzelfall. Entscheidende Bedeutung hat dabei der Umstand, ob die in den einzelnen Preissegmenten tätigen Anbieter kurzfristig und ohne spürbare Zusatzkosten ihr jeweiliges Sortiment umstellen und zusätzliche Produkte in einem bestimmten Preissegment anbieten können (Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität). Diese Möglichkeit führt zu einer disziplinierenden Wirkung gegenüber Preiserhöhungen in allen Segmenten, weshalb diese Produkte bei gegebener Umstellungsflexibilität einem einheitlichen Markt zuzurechnen sind. Auch die unterschiedliche Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft bestimmter Verbrauchergruppen führt dann nicht zur Annahme getrennter Märkte. Die Annahme, das Preisgefüge sei so unterschiedlich, dass die Angebote aus der Sicht der maßgeblichen Abnehmer auch unter Berücksichtigung einer etwa gegebenen Umstellungsflexibilität nicht mehr als austauschbar angesehen werden können und deshalb die Annahme eines selbständigen Markts gerechtfertigt sei, muss durch Tatsachen erhärtet werden (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 20.04.2010 – KVR 1/09, juris Rn. 50 – Phonak/GN Store). Entsprechende Feststellungen, die vorliegend die Annahme getrennter Märkte für Herstellermarken und Handelsmarken rechtfertigen würden, hat das Amt nicht getroffen. Insbesondere hat das Amt keine Qualitätsunterschiede zwischen Hersteller- und Handelsmarkenprodukten festgestellt, die aus Sicht der Händler – und derjenigen ihrer gewerblichen und privaten Kunden - gegen eine funktionale Austauschbarkeit sprechen. Solche erscheinen auch deshalb ausgeschlossen, weil das Amt nach seinen Angaben ohnehin nur solche Hersteller berücksichtigt hat, die entweder nur Herstellermarken oder aber Hersteller- und Handelsmarken vertreiben, nicht aber solche, die nur Handelsmarken vertreiben. Das Amt geht selbst davon aus, dass es sich bei den Herstellern, die Hersteller- und Handelsmarken vertreiben, um Hersteller qualitativ hochwertiger Motorgeräte handelt (GA 804).
182Soweit das Amt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Juli 2024 ausgeführt hat, die Hersteller machten von einer möglichen Angebotsumstellungsflexibilität auf Handelsmarken tatsächlich keinen Gebrauch, ist dies durch seine eigenen, oben wiedergegebenen Feststellungen widerlegt, nach denen rund 43% der befragten Hersteller neben Hersteller- auch Handelsmarken herstellen. Dass größere Hersteller keine Handelsmarken herstellten, steht der Feststellung nicht entgegen, dass von den Handelsmarken anderer Hersteller ein solcher Wettbewerbsdruck auf die Hersteller, die ausschließlich Herstellermarken herstellen, ausgeht, dass Hersteller- und Handelsmarken als miteinander austauschbar anzusehen und damit zum selben Markt gehörig anzusehen sind. Unsubstantiiert und daher unerheblich ist der weitere Vortrag des Amts in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2024, Handelsmarkengeräte seien anders als Herstellermarkengeräte im Falle eines Defekts einer Reparatur nicht zugänglich und gehörten deshalb nicht zum selben Markt.
183(ff) Die sachlich relevanten Märkte beschränken sich vorliegend auf die Absatzmärkte, auf denen sich die Hersteller als Anbieter und die Händler als Nachfrager gegenüberstehen, mithin auf den indirekten Vertrieb. Sie umfassen nicht auch den direkten Vertrieb der Hersteller - stationär oder über eigene Online-Shops – an die Endverbraucher.
184((1)) Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass es bei der Prüfung, ob eine einzelne Vertikalvereinbarung zwischen einem Hersteller und einem Händler nach der Vertikal-GVO freigestellt ist, für die Ermittlung des Marktanteils regelmäßig allein auf die Verhältnisse auf dem Handelsmarkt ankommt, auf dem sich Hersteller als Anbieter und Händler als Nachfrager gegenüberstehen, und nicht auf die Verhältnisse auf dem Endkundenmarkt, auf dem sich direkt vertreibende Hersteller und Händler als Anbieter und Endkunden als Nachfrager gegenüberstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.01.2016 – KVR 11/15, juris Rn. 24 – Laborchemikalien). Denn vorliegend geht es nicht um die Prüfung, ob eine einzelne Vertikalvereinbarung zwischen einem Hersteller und einem Händler nach der Vertikal-GVO vom Kartellverbot freigestellt ist, sondern darum, ob das Vertragsbündel der Beschwerdeführerin mit den T.-Diensten – gegebenenfalls mit anderen gleichartigen Vereinbarungen anderer Lieferanten – gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB verstößt, weil es eine Abschottungswirkung gegenüber dritten Lieferanten hat. Hierfür kann es auf den Endkundenmarkt ankommen, auf dem sich direkt vertreibende Hersteller und Händler als Anbieter und Endkunden als Nachfrager gegenüberstehen, wenn es sich dabei um einen einheitlichen Markt handelt.
185((2)) Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Vielmehr sind unterschiedliche Märkte für den indirekten Vertrieb über Händler und den direkten Vertrieb an Endkunden anzunehmen. Unterschiedliche Märkte sind insoweit dann gegeben, wenn beide Vertriebswege für die Hersteller nicht substituierbar sind, weil die Hersteller auf die Händler und deren Leistungen beim Absatz ihrer Produkte nicht verzichten können, namentlich die Leistungen der Händler nicht selbst erbringen können. Dafür, dass es sich so verhält, spricht es, wenn 85% der verkauften Produkte über Vermittler vertrieben werden (vgl. EuG, Urteil vom 17.12.2003 - T-219/99, juris Tz. 99 – British Airways). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil nach den Feststellungen des Amts die befragten Hersteller im Jahr 2020 rund 90% ihres Umsatzes im indirekten Vertrieb erzielt haben (GA 597).
186(gg) In räumlicher Hinsicht hat das Amt die relevanten Märkte im Hinblick darauf deutschlandweit abgegrenzt, dass die Hersteller in Deutschland und anderen europäischen Ländern nationale Vertriebsniederlassungen unterhalten und für erforderlich halten, um die notwendige technische und sonstige Unterstützung und Beratung der Händler zu gewährleisten. Dem ist zu folgen; die Beschwerde tritt dem auch nicht entgegen.
187(e) Es bestehen keine Zweifel daran, dass das Bundeskartellamt auf der Grundlage der zutreffenden sachlichen und räumlichen Gesamtarktabgrenzung bei der Ermittlung der jeweiligen Marktvolumina und Marktanteile die relevanten Hersteller mit ihren Gesamtumsätzen im indirekten Vertrieb ihrer Hersteller- und Handelsmarken vollständig berücksichtigt hat. Unsubstantiiert und damit unerheblich ist der Einwand der Beschwerde, das Amt habe die relevanten Hersteller nicht vollständig ermittelt. Der Beschwerdeführerin ist aus den Auswertungstabellen zu den Marktanteilen für 2019 und 2020 (Anlage 1 zur Beschwerdeerwiderung, GA 890 ff.) bekannt, welche 47 Wettbewerber das Amt ermittelt und berücksichtigt hat. Sie hat keine weiteren Hersteller benannt, die in dieser Liste nicht enthalten sind, obwohl sie als Kennerin der Branche hierzu in der Lage sein müsste. Das Bundeskartellamt hat zudem klargestellt, dass es alle Hersteller, die entweder nur Herstellermarken oder aber Hersteller- und Handelsmarken vertreiben, unabhängig von der Belegenheit ihres Hauptsitzes zum jeweils sachlich relevanten Markt gerechnet hat. Unberücksichtigt blieben danach nur solche reinen Handelsmarkenhersteller, die überhaupt keine Präsenz in Deutschland haben und selbst keine Anstalten unternehmen, den Absatz ihrer Produkte in Deutschland zu etablieren (GA 1196 f.). Dies ist schon im Hinblick auf die räumlich deutschlandweit vorzunehmende Marktabgrenzung nicht zu beanstanden. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie habe bei einer Internetrecherche mehrere Marken aufgefunden, von denen nicht klar sei, ob das Bundeskartellamt sie berücksichtigt habe, hat das Amt schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Juli 2024 weiter klargestellt, dass es diese Marken berücksichtigt habe, soweit es sich dabei um Handelsmarken von Herstellern handelt, die auch Herstellermarken produzieren, nicht aber, soweit es sich um Marken reiner – zumeist chinesischer - Handelsmarkenhersteller handelt, die auf dem deutschen Markt nicht vertreten seien. Auch dies ist im Hinblick auf die räumlich deutschlandweite Marktabgrenzung nicht zu beanstanden. Keine Bedenken bestehen auch dagegen, dass wegen dreier Hersteller, die den Fragebogen nicht beantwortet haben, ein Sicherheitszuschlag von 5% zum jeweiligen Marktvolumen ausreichend ist. Auch hiergegen hat die Beschwerde keine substantiierten Einwände erhoben. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Juli 2024 geltend gemacht hat, es sei ein Zuschlag von mindestens 10% bis 20% erforderlich, hat sie dies nicht substantiiert begründet.
188(f) Mit der vom Bundeskartellamt in der angefochtenen Verfügung gegebenen Begründung lässt sich nicht feststellen, dass das auf den Absatz von Wettbewerbsprodukten bezogene Wettbewerbsverbot eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB bewirkt hat, weil und soweit es zwei Jahre überschritten hat. Das Amt hat die vom Wettbewerbsverbot umfassten Produkte schon teilweise nicht den von ihm abgegrenzten Produktmärkten zugeordnet. Zudem hat es allein die gesamten Marktanteile der Beschwerdeführerin auf diesen Produktmärkten berücksichtigt und festgestellt, dass die Voraussetzungen einer Freistellung nach der Vertikal-GVO 2010 und die Voraussetzungen der De-minimis-Bekanntmachung der Europäischen Kommission nicht vorlagen. Das Amt hat bei seiner weiteren Würdigung der marktabschottenden Wirkung des Wettbewerbsverbots auch die oben erwähnten und in der Rechtsprechung seit Langem geklärten Voraussetzungen für die Prüfung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung von Alleinbezugsvereinbarungen bzw. entsprechenden Wettbewerbsverboten in Vertikalverträgen nicht beachtet. Es hat namentlich nicht den Bindungsgrad im Hinblick auf Marktanteile einerseits und Verkaufsstellen andererseits festgestellt und in seine Prüfung einbezogen und ist auf die vom Wettbewerbsverbot umfassten Produktmärkte nicht im einzelnen eingegangen. Auch unter Berücksichtigung der vom Amt im Beschwerdeverfahren nachgeschobenen Begründung lässt sich nicht feststellen, dass das auf den Absatz von Wettbewerbsprodukten bezogene Verbot in der T.-Dienst Zusatzvereinbarung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB verstoßen hat, weil und soweit seine Dauer zwei Jahre überschritten hat.
189(aa) Nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung kommt es für die Frage, ob das Vertragsbündel an Alleinbezugsvereinbarungen bzw. entsprechenden Wettbewerbsverboten eines Lieferanten in Vertikalverträgen – gegebenenfalls kumulativ mit gleichartigen Verträgen anderer Lieferanten - Wettbewerber des Lieferanten am Marktzugang spürbar hindert, zuerst darauf an, ob das Bündel der gleichartigen Verträge die Möglichkeiten des Marktzugangs wesentlich beeinflusst. Zur Klärung dieser Frage kommt es namentlich auf die Zahl der auf diese Weise an die Lieferanten gebundenen Verkaufsstellen im Verhältnis zur Zahl der nicht gebundenen Verkaufsstellen, auf die Dauer der eingegangenen Verpflichtungen, auf die durch diese Verpflichtungen erfasste Menge sowie auf das Verhältnis zwischen dieser Menge und derjenigen, die über nichtgebundene Vertriebsstellen abgesetzt wird, an. Auch wenn das Vertragsbündel des Lieferanten – gegebenenfalls kumulativ mit gleichartigen Verträgen anderer Lieferanten - die Möglichkeiten des Marktzugangs wesentlich beeinflusst, rechtfertigt dies allein noch nicht die Feststellung einer Abschottung des relevanten Markts, weil dieser Umstand im Hinblick auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände, in deren Zusammenhang ein Vertrag betrachtet werden muss, nur einen unter mehreren Faktoren darstellt. Es müssen daher zusätzliche Marktzutrittsschranken festgestellt werden können.
190Eine wesentliche Beeinflussung des Marktzugangs im obengenannten Sinne ist nach der Rechtsprechung etwa dann gegeben, wenn der Marktanteil des Lieferanten 45%, der – kumulative - Bindungsgrad im Hinblick auf den Marktanteil und die Verkaufsstellen jeweils mehr als 30% und die Vertragsdauer zweieinhalb Jahre beträgt (vgl. EuG, Urteil vom 08.06.1995 – T-7/93, juris Tz. 103 ff. – Langnese-Iglo/Kommission), wenn der Marktanteil eines Lieferanten rund 75% und die Vertragsdauer mehr als zwei Jahre beträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 10.02.2009 – KVR 67/07, juris Rn. 30 ff. – Gaslieferverträge), oder wenn der Marktanteil des Lieferanten im oberen Bereich der Spanne von 50% bis 60% liegt, der Bindungsgrad im Hinblick auf den Marktanteil 35% bis 45% und die Vertragsdauer Dauer zumeist drei Jahre mit automatischer Verlängerung um ein Jahr beträgt (vgl. Senat, Beschluss vom 03.04.2019 – VI-Kart 2/18 (V), juris Rn. 92, 127 ff., 160 – Ticketvertrieb II). Damit ein Wettbewerbsverbot die Möglichkeiten des Marktzugangs wesentlich beeinflusst, weil und soweit seine Dauer zwei Jahre übersteigt, ist daher im Grundsatz erforderlich, dass der Lieferant über einen Marktanteil oberhalb der Vermutungsschwelle der Marktbeherrschung von 40% gemäß § 18 Abs. 4 GWB verfügt und dass der Bindungsgrad sowohl im Hinblick auf den Marktanteil als auch im Hinblick auf die Verkaufsstellen über 30% liegt. Liegen diese Voraussetzungen vor, so müssen nach der oben zitierten Rechtsprechung zusätzliche erhebliche Marktzutrittsschranken festgestellt werden können, um einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB zu bejahen.
191(bb) Nach diesen Maßgaben lässt sich allenfalls für den Markt für Motorsägen und Kettensägen und für den Markt für Erdbohrgeräte feststellen, dass das absatzbezogene Wettbewerbsverbot den Marktzugang Dritter wesentlich beeinflusst, weil und soweit es eine Dauer von zwei Jahren überschreitet. Nur auf diesen beiden Produktmärkten verfügte die Beschwerdeführerin über Marktanteile oberhalb der Marktbeherrschungsvermutung von 40% des § 18 Abs. 4 GWB. Nur auf diesen beiden Produktmärkten lag auch der Bindungsgrad des Marktvolumens bei über 30%, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass auch auf diesen beiden Produktmärkten der Bindungsgrad im Hinblick auf die gebundenen Verkaufsstellen nur bei 12% und Unternehmen nur bei höchstens 23% lag. Eine Begrenzung des Wettbewerbsverbots – bei Hinzutreten erheblicher Marktzutrittsschranken – auf zwei Jahre kommt somit allenfalls für diese beiden Produktmärkte in Betracht. Auf den anderen vom Wettbewerbsverbot erfassten Produktmärkten (Hoch-Entaster; Ketten, Führungsschienen, Kettenräder, Zubehör und Ersatzteile; Motorsensen und Freischneider; Heckenscheren und Heckenschneider; Sprüh- und Blasgeräte) lagen die Marktanteile der Beschwerdeführerin – zum Teil deutlich - unter 40% und die Bindungsgrade des Marktvolumens – zum Teil deutlich – unter 30%, wobei der Bindungsgrad im Hinblick auf die gebundenen Verkaufsstellen mit 12% und Unternehmen mit höchstens 23% noch darunter lag. Auf diesen Produktmärkten konnte das Wettbewerbsverbot die Möglichkeiten des Marktzugangs daher schon unabhängig vom Vorliegen zusätzlicher Marktzutrittsschranken nicht wesentlich beeinflussen, weil und soweit es über zwei Jahre hinausging. Für die weiteren vom Wettbewerbsverbot erfassten Produktbereiche Schneidewerkzeuge; Kombimotoren und Kombiwerkzeuge; Trennschleifgeräte lassen sich gar keine geeigneten Feststellungen treffen.
192Im einzelnen:
193((1)) Motorsägen
194Das absatzbezogene Wettbewerbsverbot in der T.-Dienst Zusatzvereinbarung erfasst als erstes Motorsägen. Diese gehören zum Markt für Motorsägen und Kettensägen, auf dem die Beschwerdeführerin nach der maßgeblichen Gesamtmarktalternative in den Jahren 2019 und 2020 einen Marktanteil von jeweils 50%-60% erzielt hat. Bei Motorsägen und Kettensägen handelt es sich nach Internet-Recherchen des Senats um zwei Begriffe für dasselbe Gerät; dem haben die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2024 zugestimmt. Dementsprechend ist bei dem angegebenen Marktanteil anzunehmen, dass dieser insgesamt auf die vom Wettbewerbsverbot erfassten Motorsägen entfällt. Da das Amt den Marktanteil in Spannen angibt, kann zugunsten der Beschwerdeführerin nur von einem Marktanteil am unteren Ende der Spanne, mithin von 50% ausgegangen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 09.03.2022 – VI-Kart 2/21 (V), juris Rn. 213). Dieser Marktanteil ist auf (50 : 105 =) 48% zu reduzieren. Denn das Amt hatte in seiner Verfügung angegeben, es habe das jeweilige Marktvolumen wegen ausbleibender Antworten von drei Herstellern um 5% erhöht, in der Beschwerdeerwiderung aber klargestellt, dass es dies nicht getan, sondern lediglich zu Kontrollzwecken die Marktanteilsschwelle von 30% gemäß Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO 2010 um 5% auf 31,5% angehoben hat, um festzustellen, ob diese überschritten ist. Daher ist vorliegend der Marktanteil an einem auf 105 % erhöhten Gesamtmarktvolumen zu errechnen.
195Für die Feststellung der wesentlichen Beeinflussung des Marktzugangs Dritter kommt es zudem auf den Bindungsgrad im Hinblick auf den Marktanteil einerseits und die Verkaufsstellen andererseits an. Welchen Marktanteil die Beschwerdeführerin auf dem Markt für Motorsägen und Kettensägen mit den an das Wettbewerbsverbot gebundenen T.-Diensten erzielt, hat das Bundeskartellamt nicht festgestellt. Legt man zugrunde, dass die Beschwerdeführerin nach Angaben des Amts mit den T.-Diensten insgesamt 75% ihres Umsatzes im indirekten Vertrieb in Deutschland erzielt, beträgt der gebundene Marktanteil (75% von 48% =) 36%. Bei Ermittlung des Bindungsgrads der Verkaufsstellen ergibt sich, dass im Jahr 2019 1.177 Verkaufsstellen von T.-Diensten an das Wettbewerbsverbot gebunden waren. Die Beschwerdeführerin geht marktweit von bis zu 4.500 Verkaufsstellen von Motoristen und 2.119 Baumärkten sowie 3.578 Gartencentern, insgesamt also von 10.197 Verkaufsstellen aus; dem ist das Amt nicht entgegengetreten. Insoweit beträgt der Bindungsgrad (1.177 : 10.197 =) 12%. Ein Vergleich von gebundenen Unternehmen mit nicht gebundenen Unternehmen lässt sich nicht ziehen, weil das Amt zwar die Zahl der gebundenen T.-Dienste im Jahr 2019 mit 906 und die Zahl der Motoristen mit 4.000 angegeben hat, die Zahl der Unternehmen, die etwa Bau- und Gartencenter betreiben, aber von den Verfahrensbeteiligten nicht mitgeteilt wurde. Stellt man die 906 gebundenen T.-Dienste lediglich den 4.000 Motoristen gegenüber, ergibt sich ein Bindungsgrad von (906 : 4.000 =) 23%. Die Bindungsgrade erhöhen sich nicht infolge gleichartiger Vertragsbündel anderer Hersteller, weil nach den Feststellungen des Amts das Wettbewerbsverbot der Beschwerdeführerin einzigartig war und kein Wettbewerber in Deutschland ein explizites Wettbewerbsverbot verwandte.
196Dementsprechend ergibt sich ein Marktanteil von 48%, ein gebundener Marktanteil von 36% und ein Bindungsgrad im Hinblick auf die Verkaufsstellen von 12%, im Hinblick auf die Unternehmen bei ausschließlicher Betrachtung der Motoristen von 23%.
197((2)) Hoch-Entaster
198Die vom Wettbewerbsverbot weiterhin erfassten Hoch-Entaster bilden einen eigenständigen Markt, auf dem die Beschwerdeführerin nach der maßgeblichen Gesamtmarktalternative im Jahr 2019 einen Marktanteil von 36,7% und im Jahr 2020 einen Marktanteil von 35% erzielt hat. Beide Marktanteile sind wegen des Sicherheitszuschlags von 5% zum Gesamtmarktvolumen auf (36,7 : 105 =) 35% und (35 : 105 =) 33% zu reduzieren. Welchen Marktanteil die Beschwerdeführerin auf dem Markt für Hoch-Entaster mit den an das Wettbewerbsverbot gebundenen T.-Diensten erzielt, hat das Bundeskartellamt ebenfalls nicht festgestellt. Legt man zugrunde, dass die Beschwerdeführerin nach Angaben des Amts mit den T.-Diensten insgesamt 75% ihres Umsatzes im indirekten Vertrieb in Deutschland erzielt, betragen die gebundenen Marktanteile (75% von 35% =) 26% und (75% von 33% =) 25%. Der Bindungsgrad der Verkaufsstellen bleibt bei 12%, der Bindungsgrad der Unternehmen bei ausschließlicher Betrachtung der Motoristen bei 23%.
199((3)) Ketten, Führungsschienen, Kettenräder, Zubehör und Ersatzteile
200Die vom Wettbewerbsverbot erfassten Ketten, Führungsschienen, Kettenräder, Zubehör und Ersatzteile zählen nach den Feststellungen des Bundeskartellamts zum Markt für Ersatz- und Verschleißteile, auf dem die Beschwerdeführerin nach der maßgeblichen Gesamtmarktalternative im Jahr 2019 einen Marktanteil von 35,3% und im Jahr 2020 einen Marktanteil von 38,8 % erzielt hat. Beide Marktanteile sind wegen des Sicherheitszuschlags von 5% zum Gesamtmarktvolumen auf (35,3 : 105 =) 34% und (38,8 : 105=) 37% zu reduzieren. Das Bundeskartellamt hat auch für den hier betroffenen Markt keine Feststellungen dazu getroffen, welchen Marktanteil die Beschwerdeführerin mit den gebundenen T.-Diensten erzielt. Die gebundenen Marktanteile betragen dann, wenn man berücksichtigt, dass insgesamt 75% des Umsatzes der Beschwerdeführerin auf die T.-Dienste entfallen, 26% und 28%. Allerdings erfasst das Wettbewerbsverbot nur Ersatzteile für die ebenfalls vom Wettbewerbsverbot umfassten Motorgeräte. Dies ergibt sich aus der Aufstellung der Beschwerdeführerin über die nicht vom Wettbewerbsverbot erfassten Produkte, zu denen auch Ersatzteile der dort genannten Produkte gehören, die das Amt selbst auf S. 27 der angefochtenen Verfügung unter Fußnote 108 zitiert. Welche Umsätze die Beschwerdeführerin mit Ersatzteilen für die vom Wettbewerbsverbot umfassten Produkte erzielt, hat das Amt nicht mitgeteilt, so dass sich der durch das Wettbewerbsverbot gebundene Marktanteil nicht exakt ermitteln lässt. Bezüglich der Verkaufsstellen bleibt es bei dem oben berechneten Bindungsgrad von 12%, bezüglich der Unternehmen bei ausschließlicher Betrachtung der Motoristen bei 23%.
201((4)) Motorsensen und Freischneider
202Die vom Wettbewerbsverbot zudem erfassten Motorsensen und Freischneider sind dem Markt für Motorsensen, Freischneider und Rasentrimmer zuzuordnen, auf dem die Beschwerdeführerin nach der maßgeblichen Gesamtmarktalternative in den Jahren 2019 und 2020 jeweils Marktanteile von 39,3% erzielte. Nach den Angaben auf der Homepage der Beschwerdeführerin sind auch hier alle drei Bezeichnungen Synonyme für dasselbe Gerät; dem haben die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Juli 2024 zugestimmt. Der Marktanteil der Beschwerdeführerin entfällt daher auf alle vom Wettbewerbsverbot umfassten Geräte. Er ist wegen des Sicherheitszuschlags zum Gesamtmarktvolumen von 5% auf (39,3 : 105 =) 37% zu reduzieren. Auch für diesen Markt hat das Amt nicht festgestellt, welcher Marktanteil der Beschwerdeführerin auf die gebundenen T.-Dienste entfällt. Legt man zugrunde, dass die Beschwerdeführerin mit den T.-Diensten insgesamt 75% ihres Marktanteils erzielt, beträgt der durch das Wettbewerbsverbot gebundene Markanteil (75% von 37% =) 28%. Bei den Verkaufsstellen beträgt der Bindungsgrad 12%, bei den Unternehmen bei ausschließlicher Betrachtung der Motoristen 23%.
203((5)) Schneidewerkzeuge
204Bei den vom Wettbewerbsverbot weiter erfassten Schneidewerkzeugen soll es sich nach Angaben des Amts in Fußnote 53 auf S. 63 f. des Schriftsatzes vom 2. Juni 2023 (GA 1237 f.) um Gesteinsschneider handeln, die dem Markt für Trennschleifer und Gesteinsschneider angehörten, weil Freischneider, Heckenschneider und andere Formen von Schneidewerkzeugen bereits anderen Märkten zugeordnet seien. Gesteinsschneider sind aber nach der Aufstellung der Beschwerdeführerin über die nicht vom Wettbewerbsverbot erfassten Produktgruppen, die das Amt selbst auf S. 27 der angefochtenen Verfügung unter Fußnote 108 zitiert, nicht vom Wettbewerbsverbot umfasst. Im Hinblick auf Schneidewerkzeuge kann eine Behinderungswirkung des Wettbewerbsverbots daher schon deshalb nicht festgestellt werden.
205((6)) Kombimotoren und Kombiwerkzeuge
206Bei den ferner vom Wettbewerbsverbot umfassten Kombimotoren und Kombiwerkzeugen handelt es sich offenbar um Geräte, die verschiedene Funktionen erfüllen können. Das Bundeskartellamt hat weder in der angefochtenen Verfügung noch im Beschwerdeverfahren festgestellt, ob Kombimotoren und Kombiwerkzeuge einen eigenen Markt bilden oder welchem anderen Markt diese zuzurechnen sind und welche Marktverhältnisse auf dem relevanten Markt vorliegen. Dementsprechend können der Gesamtmarktanteil und der durch T.-Dienste gebundene Marktanteil der Beschwerdeführerin im Hinblick auf Kombimotoren und Kombiwerkzeuge nicht festgestellt werden. Der Bindungsgrad im Hinblick auf die Verkaufsstellen würde auch hier 12% betragen, derjenige der Unternehmen bei ausschließlicher Betrachtung der Motoristen 23%.
207Das Amt hat in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt, Umsätze für Kombigeräte seien der jeweiligen dem Gerät entsprechenden Produktgruppe zugeordnet worden, wohingegen die gerade für verschiedene Geräte verwendbaren Kombimotoren der Kategorie „Sonstiges“ zugeordnet worden seien. Entsprechendes gelte für Kombiwerkzeuge (GA 814). Mit Kombigeräten erwähnt das Amt eine dritte Kategorie, von der unklar bleibt, ob sie vom Wettbewerbsverbot umfasst ist, welchen Produktmärkten sie zugeordnet worden ist und in welchem Verhältnis sie zu den vom Wettbewerbsverbot umfassten Kombimotoren und Kombiwerkzeugen steht. Ob die Kategorie „Sonstiges“, der das Amt die vom Wettbewerbsverbot erfassten Kombimotoren und Kombiwerkzeuge zugerechnet hat, einen eigenständigen Markt bildet oder einem anderen Markt zuzurechnen ist und welche Marktverhältnisse dort vorliegen, hat das Amt nicht mitgeteilt. In Fußnote 53 auf S. 63 f. des Schriftsatzes vom 2. Juni 2023 (GA 1237 f.) hat das Amt angegeben, für Kombimotoren bzw. Kombiwerkzeuge lasse sich eine eindeutige Zuordnung zu einzelnen Märkten gar nicht vornehmen. Insoweit seien gleichzeitig mehrere Märkte betroffen. Welche Märkte dies sein sollen, hat das Amt nicht ausgeführt. Es bleibt damit völlig unklar, ob und welchen Märkten das Amt Kombimotoren und Kombiwerkzeuge zugerechnet hat, so dass sich eine Behinderungswirkung des Wettbewerbsverbots insoweit schon deshalb nicht feststellen lässt.
208((7)) Trennschleifgeräte
209Die weiter vom Wettbewerbsverbot erfassten Trennschleifgeräte gehören dem Markt für Trennschleifer und Gesteinsschneider an, auf dem die Beschwerdeführerin nach der maßgeblichen Gesamtmarktalternative Marktanteile von 70%-80% im Jahr 2019 und 60%-70% im Jahr 2020 erzielt hat. Diese Marktanteile umfassen aber die Umsätze für Trennschleifer und Gesteinsschneider, und Gesteinsschneider sind nach der Aufstellung der Beschwerdeführerin über die nicht vom Wettbewerbsverbot erfassten Produktgruppen, die das Amt selbst auf S. 27 der angefochtenen Verfügung unter Fußnote 108 zitiert, nicht vom Wettbewerbsverbot umfasst. Das Amt hätte daher ermitteln müssen, welchen Anteil am Markt für Trennschleifer und Gesteinsschneider die Beschwerdeführerin allein mit Trennschleifgeräten erzielt. Daran fehlt es. Dementsprechend lässt sich der Gesamtmarktanteil der Beschwerdeführerin und der durch die T.-Dienste gebundene Marktanteil in Bezug auf Trennschleifgeräte nicht feststellen. Der Bindungsgrad im Hinblick auf die Verkaufsstellen würde auch hier 12% betragen, derjenige der Unternehmen bei ausschließlicher Betrachtung der Motoristen 23%. Eine Behinderungswirkung des Wettbewerbsverbots für Trennschleifgeräte lässt sich damit nicht feststellen.
210((8)) Heckenscheren und Heckenschneider
211Vom Wettbewerbsverbot weiter umfasst sind Heckenscheren und Heckenschneider, die dem gleichnamigen Markt angehören. Hier hat die Beschwerdeführerin nach der maßgeblichen Gesamtmarktalternative im Jahr 2019 einen Marktanteil von 30,1% und im Jahr 2020 einen Marktanteil von 31,8% erzielt. Diese Marktanteile sind wegen des Sicherheitszuschlags von 5% zum Gesamtmarktvolumen auf (30,1 : 105 =) 29% und (31,8 : 105 =) 30% zu reduzieren. Die gebundenen Marktanteile betragen bei Zugrundelegung eines Umsatzanteils von 75%, den die Beschwerdeführerin mit den T.-Diensten erzielt, (75% von 29% =) 22% und (75% von 30% =) 23%; genauere Feststellungen zum Umsatzanteil der Beschwerdeführerin mit den T.-Diensten auf dem Markt für Heckenscheren und Heckenschneider hat das Bundeskartellamt nicht getroffen. Im Hinblick auf die Verkaufsstellen bleibt es beim Bindungsgrad von 12%, im Hinblick auf die Unternehmen bei ausschließlicher Betrachtung der Motoristen bei 23%.
212((9)) Sprüh- und Blasgeräte
213Die vom Wettbewerbsverbot darüber hinaus erfassten Sprüh- und Blasgeräte gehören dem Markt für Sprüh-, Spritz, Saug- und Blasgeräte an, auf dem die Beschwerdeführerin nach der maßgeblichen Gesamtmarktalternative in den Jahren 2019 und 2020 jeweils Marktanteile von 10%-20% erzielt hat. Wegen der angegebenen Spanne kann nur ein Marktanteil von 10% sicher festgestellt werden, der wegen des Sicherheitszuschlags zum Gesamtmarktvolumen von 5% auf (10 : 105 =) auf 9,5% zu reduzieren ist. Der durch das Wettbewerbsverbot gebundene Marktanteil beträgt bei Zugrundelegung eines Umsatzanteils der Beschwerdeführerin mit den T.-Diensten von 75% - genaue Feststellungen für diesen Markt hat das Amt nicht getroffen - (75% von 9,5% =) 7%, der Anteil der gebundenen Verkaufsstellen 12%, derjenige der gebundenen Unternehmen bei ausschließlicher Betrachtung der Motoristen 23%.
214((10)) Erdbohrgeräte
215Schließlich umfasst das Wettbewerbsverbot Erdbohrgeräte, die dem gleichnamigen Markt angehören, auf dem T. nach der maßgeblichen Gesamtmarktalternative im Jahr 2019 Marktanteile zwischen 60%-70% und im Jahr 2020 zwischen 50%-60% erzielt hat. Da das Amt die Marktanteile in Spannen angegeben hat, können nur Marktanteile von 60% und 50% sicher festgestellt werden, die wegen des Sicherheitszuschlags von 5% zum Marktvolumen auf (60 : 105 =) 57% und (50 : 105) 48% zu reduzieren sind. Bei Zugrundelegung eines Umsatzanteils der Beschwerdeführerin mit den T.-Diensten von 75% betragen die gebundenen Marktanteile (75% von 57% =) 43% und (75% von 48% =) 36%; Feststellungen zum konkreten Umsatzanteil der Beschwerdeführerin mit den T.-Diensten auf dem Markt für Erdbohrgeräte hat das das Amt nicht getroffen. Der Bindungsgrad im Hinblick auf die Verkaufsstellen beträgt auch hier 12%, im Hinblick auf die gebundenen Unternehmen bei ausschließlicher Betrachtung der Motoristen 23%.
216(cc) Soweit das Wettbewerbsverbot Produktmärkte erfasst, auf denen es wegen zu geringer Marktanteile der Beschwerdeführerin oder wegen eines zu geringen Bindungsgrads im Hinblick auf den Marktanteil und die Verkaufsstellen den Marktzugang Dritter nicht wesentlich beeinflussen kann, indem es über zwei Jahre hinausgeht, kommt eine anderweitige Beurteilung entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts auch nicht deshalb in Betracht, weil es der Beschwerdeführerin gelungen sei, auch auf diesen Produktmärkten das Wettbewerbsverbot über viele Jahre hinweg in der Liste der dem Wettbewerbsverbot unterfallenden Produkte zu halten, und weil die Beschwerdeführerin ihre auf anderen Produktmärkten bestehende Marktmacht auf diese Produktmärkte zu übertragen vermöge oder dies jedenfalls – etwa mit ihrem Akku-System – versuche. Zwar kann es sich bei den den Wettbewerb einschränkenden Wirkungen sowohl um tatsächliche als auch um potentielle Wirkungen handeln, doch müssen diese jedenfalls hinreichend spürbar sein (vgl. EuGH, Urteil vom 18.11.2021 – C-306/20, juris Rn. 73 – Visma Enterprise; Urteil vom 30.01.2020 – C-307/18, Juris Rn. 117 – Generics). Letzteres ist zu verneinen. Denn nachdem die Wettbewerbsverbote über viele Jahre hinweg bestanden und die Beschwerdeführerin auch unter Berücksichtigung ihrer Marktstärke auf den Produktmärkten für Motorsägen und Kettensägen und für Erdbohrgeräte und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die von ihr hergestellten Akkus in verschiedenen Akku-betriebenen Geräten eingesetzt werden können, gleichwohl ihre Marktanteile auf den hier in Rede stehenden Produktmärkten nicht so ausdehnen konnte, dass dort die Möglichkeiten des Marktzugangs Dritter wesentlich beeinflusst wurden, hatte das Wettbewerbsverbot auf bestimmten Produktmärkten offensichtlich nicht das Potential, auf anderen Produktmärkten eine spürbare Behinderung von Wettbewerbern am Marktzutritt zu bewirken.
217(dd) Für die Produktmärkte für Motorsägen und Kettensägen und für Erdbohrgeräte, auf denen allein eine wesentliche Beeinflussung des Marktzugangs Dritter in Betracht kommt, hat das Bundeskartellamt keine zusätzlichen erheblichen Marktzutrittsschranken festgestellt, die im Gesamtbild eine Begrenzung des Wettbewerbsverbots auf zwei Jahre rechtfertigen.
218((1)) Zusätzliche erhebliche Marktzutrittsschranken sind vorliegend vor allem wegen des geringen Bindungsgrads an Verkaufsstellen bzw. Unternehmen nicht festzustellen. Dem entspricht es, dass laut dem Auswertungsvermerk zum Herstellerfragebogen 57% der antwortenden Hersteller angegeben haben, es bestünden in Deutschland keine Marktzutrittsschranken im indirekten Vertrieb von handgeführten bzw. tragbaren Motorgeräten. Wie bereits erwähnt, waren im Jahr 2019 1.177 Verkaufsstellen von T.-Diensten an das Wettbewerbsverbot gebunden. Diesen standen 3.323 weitere Verkaufsstellen von ungebundenen Motoristen gegenüber, wenn man von der von der Beschwerdeführerin mitgeteilten Zahl von bis zu 4.500 Verkaufsstellen des Motoristenhandels ausgeht, der das Amt nicht entgegengetreten ist. Hinzu kommen 2.119 Baumärkte und 3.578 Gartencenter; auch diese Angaben der Beschwerdeführerin hat das Amt nicht in Zweifel gezogen. Den 1.177 Verkaufsstellen der T.-Dienste standen mithin 9.020 ungebundene Verkaufsstellen gegenüber. Stellt man auf die Zahl der Unternehmen ab, so standen im Jahr 2019 906 T.-Diensten 3094 ungebundene Unternehmen des Motoristenhandels gegenüber, da das Amt die Zahl der Motoristen mit 4.000 angegeben hat. Hinzu kommen die Unternehmen, die Baumärkte und Gartencenter betreiben, deren Zahl von den Verfahrensbeteiligten nicht mitgeteilt worden ist.
219((2)) Das Bundeskartellamt legt in der angefochtenen Verfügung und im Beschwerdeverfahren keine Gründe dar, die Wettbewerber der Beschwerdeführerin trotz der großen Zahl an ungebundenen Verkaufsstellen bzw. Unternehmen erheblich daran hindern könnten, ein eigenes Vertriebssystem mit der für einen rentablen Betrieb notwenigen Mindestzahl an Verkaufsstellen aufzubauen.
220((a)) Aufgrund des um 3,5 Prozentpunkte erhöhten Grundrabatts auf den Listenpreis für T.-Dienste lässt sich keine erhebliche Sogwirkung von Händlern hin zu T.-Diensten oder von Endkunden hin zu T.-Diensten feststellen, weil der erhöhte Grundrabatt nach den unwidersprochenen Angaben der Beschwerdeführerin den mit dem T.-Dienst-Status verbundenen erhöhten Aufwand zur Erfüllung der erweiterten Qualitätskriterien kompensiert und daher weder den Unternehmensgewinn erheblich erhöhen noch in vollem Umfang an die Endkunden weitergegeben werden kann. Das Bundeskartellamt hat dementsprechend keine nennenswerte Zunahme der Zahl der T.-Dienste festgestellt. Deren Zahl betrug im Jahr 2016 890, reduzierte sich in 2017 auf 886, in 2018 auf 879 und stieg in 2019 auf 906. Selbst wenn der Rabatt in vollem Umfang an die Endkunden weitergegeben werden könnte, hat laut dem Auswertungsvermerk zum Händlerfragebogen nur eine geringe Mehrheit der befragten Motoristen angegeben, dass dies für die Kaufentscheidung des Endkunden Ausschlag geben würde.
221((b)) Auch aus der Sortimentsabnahmeverpflichtung der T.-Dienste und „normalen“ T.-Händler ergibt sich keine erhebliche Markzutrittsschranke für Wettbewerber. Das Amt stellt insoweit darauf ab, dass kleinere T.-Händler mit begrenzten Ausstellungsflächen Schwierigkeiten hätten, neben dem T.-Sortiment noch genügend Raum zur Präsentation von Wettbewerbsprodukten zu gewährleisten. Diese Einschränkung betrifft aber von vornherein nur die T.-Dienste und die „normalen“ T.-Händler, nicht hingegen die große Zahl der Motoristen, Baumärkte und Gartencenter, die keine T.-Händler sind. Die Beschwerdeführerin hat zudem eingewandt, die Sortimentsabnahmeverpflichtung betreffe nur ein Kernsortiment, für dessen Präsentation ca. 10 m² Ladenfläche erforderlich seien. Das Amt ist dem nicht entgegengetreten und hat nicht vorgetragen, wieviele T.-Händler unter diesen Umständen wegen zu geringer Ladenfläche daran gehindert wären, Wettbewerbsprodukte in ihr Sortiment aufzunehmen.
222((c)) Das Amt weist zwar zutreffend darauf hin, dass Wettbewerber viel Zeit und erhebliche Geldmittel in die Entwicklung konkurrenzfähiger Produkte, in Werbung und Marketing und in den Aufbau eines stationären Vertriebsnetzes investieren müssten und dass die Beschwerdeführerin in diesen Bereichen über einen erheblichen Vorsprung verfügt, der im übrigen in ihrem Marktanteil seinen Ausdruck findet. Hingegen legt das Amt nicht dar, dass und warum Wettbewerber trotz der hohen Zahl an Verkaufsstellen und Unternehmen, die nicht an das Wettbewerbsverbot der Beschwerdeführerin gebunden sind und die zum weit überwiegenden Teil gar keine T.-Händler sind, hierzu nur mit erheblichen Schwierigkeiten in der Lage wären. Solches lässt sich auch nicht damit begründen, dass es sich bei den betroffenen Märkten um weitgehend ausgereifte Märkte mit nur noch geringem Wachstumspotential bzw. geringen Wachstumsraten handelt. Dies mag für Benzin-getriebene Motorgeräte zutreffen. Erhebliches Wachstumspotential haben aber Akku-betriebene Geräte. Das Amt führt selbst aus, dass der Hersteller N. angekündigt habe, die Produktion von Benzin-Geräten einzustellen und stattdessen nur noch Akku-Geräte herzustellen. Keine erhebliche Marktzutrittsschranke kann dabei darin gesehen werden, dass die Akkus in verschiedenen Motorgeräten desselben Herstellers eingesetzt werden können. Ob die Kaufentscheidung für ein Akku-Gerät einen Lock-in-Effekt dergestalt auslöst, dass der Kunde auch weitere Geräte desselben Herstellers erwerben wird, die er mit dem vorhandenen Akku betreiben kann, wie das Amt meint, und ob insoweit eine Vergleichbarkeit mit dem Lock-in-Effekt einer Systementscheidung besteht, die dazu zwingt, dauerhaft das erforderliche Betriebsmittel für das System zu beziehen, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls hätten Wettbewerber die Möglichkeit, ein vergleichbares Akku-System anzubieten und etwa ausgehend von einer höheren Präsenz auf Produktmärkten, auf denen die Beschwerdeführerin über keine starke Stellung verfügt, Käufer auf solchen Produktmärkten zu gewinnen, auf denen die Beschwerdeführerin Marktführer ist.
223((d)) Es gibt auch keine überzeugenden Hinweise darauf, dass die nicht an das Wettbewerbsverbot gebundenen Verkaufsstellen bzw. Unternehmen aus in ihnen selbst liegenden Gründen für den Aufbau eines Vertriebsnetzes durch einen Wettbewerber der Beschwerdeführerin nicht geeignet sind. Soweit das Bundeskartellamt die „normalen“ T.-Händler als den „traurigen Rest“ bezeichnet, hat es offenbar schon keine eigenen Ermittlungen durchgeführt, die diese Bewertung rechtfertigen würden. Damit ist ohnehin keine Aussage zu der hohen Zahl an Motoristen, Baumärkten und Gartencentern getroffen, die gar keine T.-Händler sind. Die Feststellung, dass die Motoristen-Fachhändler den mit Abstand bedeutendsten Absatzweg im hier maßgeblichen indirekten Vertrieb darstellten, ist aufgrund der Ergebnisse der Marktbefragung nicht gerechtfertigt. Wie oben ausgeführt, lagen im Jahr 2020 die Umsätze von 13 der 41 antwortenden Hersteller mit dem Motoristen-Fachhandel bei unter 5%, von 15 Herstellern zwischen 5% und 95% und nur von 13 Herstellern bei über 95% (GA 597). Die in den Auswertungstabellen für die Marktanteile 2019 und 2020 (Anlage 1 zur Beschwerdeerwiderung, GA 890 ff.) angegebenen Marktvolumina der Gesamtmarktalternative und der Motoristenalternative zeigen, dass die Hersteller erhebliche Umsatzanteile mit dem Vertrieb an andere Händler als Motoristen erzielen. Dass solche anderen Händler gleichwohl zum Aufbau eines neuen Vertriebsnetzes schlechter geeignet seien, weil Hersteller erst über eine starke Position im Fachhandel verfügen müssten, bevor sie im Sortiment von Bau- und Heimwerkermärkten gelistet würden, hat das Amt nicht belegt und bleibt damit Spekulation. Zudem steht Wettbewerbern eine große Zahl an Motoristen als Vertriebspartner zur Verfügung, die entweder gar nicht mit T.-Produkten handeln oder jedenfalls nicht an das Wettbewerbsverbot gebunden sind. Soweit das Amt auf die zersplitterte Nachfragestruktur der Motoristen verweist, die grundsätzlich eine Marktzutrittsschranke darstellen kann, gilt dies jedenfalls nicht für die erhebliche Zahl an Baumärkten und Gartencentern, die oft als Ketten betrieben werden.
224C. Die angefochtene Verfügung des Bundeskartellamts war danach gemäß § 76 Abs. 2 S. 1 GWB insgesamt aufzuheben. Auf die Frage, ob die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung vorlagen, kommt es nicht mehr an. Die Verfügung wäre auch dann insgesamt aufzuheben, wenn das Vorliegen erheblicher Marktzutrittsschranken auf den Märkten für Motorsägen und Kettensägen und für Erdbohrgeräte zu bejahen und das auf den Absatz dieser Produkte bezogene Wettbewerbsverbot kartellrechtswidrig gewesen wäre, weil und soweit es eine Dauer von zwei Jahren überschritten hat. Für diesen Fall kommt weder die vollständige Bestätigung der angefochtenen Verfügung in Betracht noch wäre diese bezogen auf die genannten zwei Produktmärkte teilweise zu bestätigen.
225I. Eine vollständige Bestätigung der Verfügung – auch für das auf die Herstellung bezogene Wettbewerbsverbot und das absatzbezogene Wettbewerbsverbot für die anderen Produkte – scheidet aus.
2261. Zu Unrecht beruft das Amt sich insoweit auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bei der zivilrechtlichen AGB-Kontrolle. Im Streitfall ist weder eine zivilrechtliche AGB-Kontrolle vorzunehmen, noch geht es um eine Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders. Vielmehr sind nach ständiger Rechtsprechung im Kartellrecht nur die nach Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB verbotenen Teile einer Vereinbarung gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV bzw. § 134 BGB nichtig; die gesamte Vereinbarung ist nur dann nichtig, wenn sich diese Teile nicht von den übrigen Teilen der Vereinbarung trennen lassen (vgl. EuGH, Urteil vom 20.04.2023 – C-25/21, juris Rn. 73 – KN; Urteil vom 28.02.1991 – C-234/89, juris Tz. 40 – Delimitis). Letzteres ist nicht der Fall. Das Wettbewerbsverbot betrifft die Herstellung eigener Produkte und den Absatz von Dritten hergestellter Produkte und verschiedene einzelne Produktmärkte, weshalb eine Trennbarkeit sowohl zwischen Herstellung und Absatz als auch zwischen den verschiedenen Produktmärkten ohne weiteres gegeben ist. Eine solche Trennung ist im übrigen wegen der Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde gemäß § 33b GWB geboten.
2272. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts auch nicht aus der bereits oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach nachvertragliche Wettbewerbsverbote nur wirksam sind, wenn sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten und eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch zu billigende Maß nur in Betracht kommt, wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot das zeitlich zulässige Maß überschreitet, nicht aber dann, wenn eine Änderung der gegenständlichen Grenzen des Verbots erforderlich wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2008 – KZR 54/08, juris Rn. 25 – Subunternehmervertrag II). In einer früheren Entscheidung zu Bezugsverträgen hat der Bundesgerichtshof offen gelassen, ob für das Kartellverbot allgemein daran festzuhalten ist, dass zeitliche Beschränkungen, die unter das Kartellverbot fallen, auf das zulässige Maß zurückgeführt werden können, und dies jedenfalls für Altverträge bejaht, die nachträglich in den Anwendungsbereich des Kartellverbots geraten (vgl. BGH, 10.02.2004 – KZR 39/02, juris Rn. 12). Diese Rechtsprechung rechtfertigt es nicht, die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Wettbewerbsverbots für die Zeit ab 1. Januar 2019 auf alle vom absatzbezogenen Wettbewerbsverbot erfassten Produktmärkte zu übertragen. Denn vorliegend geht es ohnehin insgesamt nur um die Frage, ob das Wettbewerbsverbot aus zeitlichen Gründen, nämlich wegen einer zu langen Dauer, kartellrechtswidrig war. Dies war für die überwiegende Zahl der betroffenen Produktmärkte nicht festzustellen, weshalb die Feststellung der Kartellrechtswidrigkeit nicht auf diese Produktmärkte erstreckt werden kann. Ebenso wenig kommt in Betracht, die Feststellung der Rechtswidrigkeit auf das auf die Herstellung von Wettbewerbsverboten bezogene Verbot zu erstrecken.
228II. Auch eine teilweise Bestätigung der Verfügung scheidet vorliegend aus.
229Der Senat ist nach § 76 Abs. 2 S. 1 GWB auf die rein kassatorische Entscheidungsbefugnis beschränkt. Eine Teilaufhebung dergestalt, dass die Verfügung aufrechtzuerhalten ist, soweit das auf den Absatz von Wettbewerbsprodukten bezogene Verbot bestimmte Produktmärkte betrifft, kommt nicht in Betracht. Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um eine Feststellungsverfügung gemäß § 32 Abs. 3 GWB, die im Ermessen der Kartellbehörde steht und, da sie sich auf eine beendete Zuwiderhandlung bezieht, ein entsprechendes Feststellungsinteresse voraussetzt. Die Ermessensentscheidung, ob die Rechtswidrigkeit des Wettbewerbsverbots auch nur für zwei einzelne Produktmärkte festzustellen wäre und ob hierfür nach Beendigung der eventuellen Zuwiderhandlung ein Feststellungsinteresse bestünde, hat das Amt zu treffen. Der Senat kann nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des Amts setzen. Nichts anderes ist deshalb gerechtfertigt, weil das Amt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Juli 2024 vorgetragen hat, es hätte die Verfügung so, wie sie jetzt ist, auch dann erlassen, wenn eine Kartellrechtswidrigkeit des streitbefangenen Wettbewerbsverbots für einzelne Produktmärkte entfallen wäre. Denn vorliegend geht es vielmehr um die Frage, ob das Amt die Verfügung auch nur für einzelne Produktmärkte erlassen würde.
230III.
231A. Die Kostenentscheidung beruht auf § 71 S. 1 GWB.
232B. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 77 Abs. 2 GWB liegen nicht vor. Der Senat hat den Streitfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden. Darüber hinausgehend wirft der Entscheidungsfall keine rechtsgrundsätzlichen Fragen auf.
233C. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO. Maßgebend war das Interesse der Beschwerdeführerin, nicht aufgrund der Entscheidung des Bundeskartellamts von Wettbewerbern auf Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden. Der Beschwerdewert war mit einem Bruchteil möglicher Ersatzansprüche festzusetzen.
234Breiler Poling-Fleuß Vieregge
235Rechtsmittelbelehrung
236Die Entscheidung kann nur aus den in § 77 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Rechtsbeschwerden der Kartellbehörden. Es gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den elektronischen Rechtsverkehr.
237Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und –begründung müssen durch einen zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden. Es gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den elektronischen Rechtsverkehr.