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Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 10. Januar 2024 verkündete Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf– Az. 2a O 269/17 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe:
2A.
3Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Markenrecht auf Unterlassung des Angebots von tiefgefrorenen Kartoffelprodukten in Anspruch. Sie gehört zur X.-Unternehmensgruppe (nachfolgend „X.“) und ist für die Belieferung des Einzelhandels und der Gastronomie (einschließlich Schnellrestaurants) in Deutschland mit Kartoffel-Tiefkühlprodukten zuständig. Zu den von X. hergestellten und vertriebenen Produkten gehört neben Pommes Frites auch das nachfolgend eingeblendete Tiefkühlprodukt aus Kartoffelteig in Form von Smileys, das unter dem Namen „L.“ seit 20 Jahren weltweit beworben und angeboten wird:
4
Die Antragstellerin ist – neben zweidimensionalen Bildmarken und der Wortmarke „L.“, die jedoch nicht streitgegenständlich sind – Inhaberin der unter der Registernummer …6 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) mit Priorität vom 9. August 2000 am 25. September 2001 eingetragenen dreidimensionalen Unionsmarke (nachfolgend: „Verfügungsmarke“), welche für „vorfrittierte Kartoffelkroketten und Kartoffelpüree-Produkte, tiefgefroren“ (Klasse 29) Schutz genießt (Registerauszug vorgelegt als Anlage A 2), wie nachfolgend wiedergegeben:
6
Mit Beschluss vom 1. Juni 2023 (Anlage AG 1) hat die Löschungsabteilung des EUIPO die Verfügungsmarke wegen fehlender Unterscheidungskraft gem. Art. 7 Abs. 1 lit. b) UMV für nichtig erklärt. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO mit Entscheidung vom 11. Juli 2024 (Bl. 260 ff. E-Akte 2. Instanz) den Beschluss der Löschungsabteilung aufgehoben und den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit in vollem Umfang zurückgewiesen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
8Die Antragsgegnerin stellt ebenfalls tiefgefrorene Kartoffelprodukte, u.a. Pommes Frites und Kroketten her. In dem Zeitraum vom 5. – 9. Oktober 2017 stellte sie auf der nur für das Fachpublikum zugänglichen Messe „A.“ in K. Kartoffelprodukte in Form von drei verschiedenen lächelnden „Gesichtern“ unter der Bezeichnung „F.“ wie nachfolgend wiedergegeben vor:
9
Die Antragstellerin sah in dem Angebot der „F.“ durch die Antragsgegnerin eine Verletzung ihrer Verfügungsmarke. Auf einen von der Antragstellerin nach erfolgloser Abmahnung gestellten Antrag ist der Antragsgegnerin mit einstweiliger Beschlussverfügung der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 10. November 2017 (Bl. 49 ff. GA 1. Instanz) unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden,
12in der Bundesrepublik Deutschland Kartoffelprodukte wie nachfolgend gezeigt:
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anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, zu exportieren oder für diese Zwecke zu besitzen, wobei Rückrufmaßnahmen nicht vom Unterlassungsausspruch umfasst sind.
16Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin vom 21. Juli 2023 hat das Landgericht Düsseldorf mit seinem am 10. Januar 2024 verkündeten Urteil (Bl. 221 ff. GA), auf das wegen der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), die einstweilige Verfügung bestätigt.
17Zur Begründung hat es – soweit für die Berufung noch von Bedeutung – ausgeführt, die Antragstellerin habe einen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 lit. b), Abs. 3, Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV hinreichend glaubhaft gemacht. Sie habe insbesondere hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin das angegriffene Zeichen – die F. – im geschäftlichen Verkehr markenmäßig benutzt habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Verkehr nach der Lebenserfahrung die Formgestaltung einer Ware zwar regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- oder Bildmarken als Herkunftshinweis auffasse, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst gehe. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst werde danach eher diesem Umstand zugeschrieben werden als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen. Deshalb sei es auch nicht ausreichend, dass nur eine Variante der üblichen Formen vorliege, vielmehr müsse der Durchschnittsverbraucher – ohne eine Prüfung vorzunehmen und ohne besonders aufmerksam zu sein – die Form von den Waren anderer Unternehmen unterscheiden können. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei indes davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr die angegriffenen Kartoffelgesichter als Hinweis auf ihre Herkunft verstehe. Denn dem angesprochenen Verkehr seien tiefgefrorene Kartoffelprodukte in der Regel in Form von Sticks, Kroketten, Kartoffelecken oder Röstis sowie aus formbarem Kartoffelteig als rund geformte Knödel oder Klöße bekannt. Dagegen sei es nicht üblich, Kartoffelteig zu komplexeren Formen wie einem Gesicht zu gestalten. Insoweit seien auf dem Markt lediglich die „Fröhlichen Kartoffelgesichter“ von der Firma Z. zu finden, die im Direktvertrieb an Privatkunden vertrieben würden. Damit stelle die angegriffene Verwendungsform nicht lediglich eine Variante der üblichen Gestaltungsformen dar, sondern hebe sich aufgrund ihrer besonderen Form eines lächelnden Gesichts deutlich von den auf dem Markt üblicherweise erhältlichen Kartoffelprodukten ab. Weiter sei die Form der tiefgekühlten Kartoffelprodukte weder durch den Herstellungsprozess bedingt noch der Form nach besonders praktisch für Kartoffelteigprodukte. Der vorliegende Fall sei auch nicht mit den „Halloween Kartoffelfiguren“ der Handelskette C. zu vergleichen, denn insoweit handele es sich um verschiedene Figuren, die einer bestimmten Thematik und einer bestimmten Jahreszeit (Saisonware) zuzuordnen seien.
18Die angegriffenen Lachgesichter seien entgegen der Ausführungen der Antragsgegnerin auch nicht mit der Wahrnehmung einfacher geometrischer Formen vergleichbar. Die Smiley-Form weise eine komplexere Gestaltung mit entsprechenden Aussparungen auf, was dazu führe, dass dadurch ein völlig anderer Gegenstand entstehe, nämlich ein lächelndes Gesicht, das mit dem Verbraucher kommuniziere und bei ihm gewisse Emotionen wecke.
19Schließlich führe auch der Umstand, dass zwei der angegriffenen Verletzungsformen (Bild 2 und 3 des Verfügungstenors zu Ziff. I) auch das „Y.-Logo“ sowie die Produktmarke „F.“ aufwiesen, nicht dazu, dass der angesprochene Verkehr in der speziellen Ausgestaltung des Kartoffelprodukts selbst keinen Herkunftshinweis sehe. Die Verwendung mehrerer Marken zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung stelle eine weit verbreitete, wirtschaftlich sinnvolle Praxis dar. Insbesondere sei es üblich, neben einem auf das Unternehmen hinweisenden Hauptzeichen weitere Marken zur Identifizierung der speziellen Artikel einzusetzen. In solchen Fällen könnten sowohl die Haupt- als auch die Zweitmarke auf die betriebliche Herkunft hinweisen. Hier habe die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Kartoffelgesichter mittig und prominent hervorgehoben auf der Broschüre bzw. dem Bild angebracht. Insbesondere seien diese auch als eigenständige Zeichen neben dem auf das Unternehmen hinweisenden Zeichen „y.“ zu erkennen. Der angesprochene Verkehr werde diese daher als Produktkennzeichen neben dem Hauptkennzeichen wahrnehmen und ihnen ebenfalls eine betriebliche Herkunftsfunktion zuschreiben. Dies gelte auch in Bezug auf die weitere Kennzeichnung „F“.
20Es bestehe auch Verwechslungsgefahr im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV. Es liege Warenidentität und zumindest hochgradige Zeichenähnlichkeit vor. Zwar seien geringfügige Abweichungen in der Ausgestaltung der Augen und des Mundes erkennbar. In diesem Zusammenhang sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Verkehr die Kollisionszeichen im Regelfall nicht gleichzeitig wahrnehme und deshalb seine Auffassung auf Grund eines unvollkommenen Erinnerungsbildes gewinne und somit die Unterschiede der Zeichen in der Erinnerung kaum ins Gewicht fielen.
21Die Verfügungsmarke weise eine normale bzw. durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Sie enthalte keine beschreibenden Anklänge im Hinblick auf die vertriebenen Kartoffelprodukte. Auch im Übrigen sei eine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche nicht ersichtlich. Zwar seien Smiley-Produkte, wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt habe, in der Lebensmittelindustrie ein beliebtes Gestaltungsmittel (z.B. Smiley-Nudeln, Smiley-Lakritz, Smiley-Fruchtgummi). Jedoch sei die Smiley-Form für Kartoffelteigprodukte eine eher untypische Erscheinung. Dies gelte insbesondere für den insoweit zugrunde legenden Zeitpunkt von vor über 20 Jahren. So möchten andere Formen wie Knödel, Klöße etc. bereits damals weit verbreitet gewesen sein, die Form des Smileys bedürfe darüber hinaus aber einer ganz bestimmten und weit aufwendigeren Formung, so dass diese aus den damals üblichen Formen von Kartoffelteig weit heraussteche.
22Unter Berücksichtigung der identischen Ware, der zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke und der hochgradigen Zeichenähnlichkeit der zu vergleichenden Zeichen bestehe eine unmittelbare Verwechslungsgefahr.
23Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung. Sie macht insbesondere geltend:
24Die Voraussetzungen für eine markenmäßig Benutzung seien weder hinsichtlich der Fachkreise noch hinsichtlich der Endverbraucher erfüllt. Die angegriffene Präsentation der F. auf der Messe A. 2017 sei auf dem „Y.“-Messestand erfolgt. In der Broschüre sein die „Kartoffelprodukte“ in unmittelbarem sachlichen und räumlichen Zusammenhang mit den Marken „Y. Foodservice“ und „F.“ gezeigt worden. Die streitgegenständlichen Angebote seien durch den Geschäftsbereich „Y. Foodservice“ der Antragsgegnerin erfolgt, die ausschließlich an die Gastronomie und Großkunden, wie beispielsweise Kantinen, verkaufe. Das Landgericht habe es versäumt, eine Prüfung vorzunehmen, ob die Kartoffelprodukte im Kontext der Marken „Y. Foodservice“ und „F.“ von den auf der Messe anwesenden Fachkreisen als markenmäßig oder nicht lediglich als dekoratives Produkt erkannt worden seien. Mit Blick auf die Fachkreise sei zu berücksichtigen, dass diese primär an der Verkäuflichkeit der Produkte im Gastronomiebereich, also in Restaurants, interessiert seien. Dort verkaufe sich eine hübsche Produktform besser als ein weniger dekoratives Produkt. Sie würden die streitgegenständlichen F. deshalb ausschließlich als appetitliche und dekorative Beilage wahrnehmen und unter den Gesichtspunkten Geschmack und dekorative Form beurteilen. Profi-Einkäufer seien anlässlich der Messe A. mit den Herstellern gut vertraut, zögen aus dem Geschmack und der dekorativen, appetitlichen Aufmachung der Produkte aber keine Schlussfolgerungen auf eine markenmäßige Benutzung.
25Auch vom Endverbraucher würden die streitgegenständlichen Produkte nicht als markenmäßige Benutzung erkannt. In einem Restaurant werde dem Gast erst nach der Bestellung, nämlich beim Servieren, das Produkt erstmals präsentiert. Da der Bestellvorgang zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen sei, sei die Präsentation der F. auf einem Teller für die Bestellentscheidung unerheblich und könne keine markenmäßige Benutzung begründen. Auch in einem Fastfood-Restaurant, in dem dem Endverbraucher nach seiner Bestellung die F. in der D.- oder K.-Pappschachtel überreicht würden, werde der Endverbraucher die F. neben der Marke „D.“ oder „K.“ nur als eine dekorative und leckere Beilage wahrnehmen und nicht auf die Benutzung einer Zweitmarke achten.
26Auch aus der vorgelegten Verkehrsbefragung (Anlage AS7) könne die Antragstellerin nichts für eine markenmäßig Benutzung herleiten, denn die Umfrage umfasse – ungeachtet davon, dass sie aufgrund inhaltlicher Fehler ohnehin nicht verwertbar sei – nur das eigene Produkt der Antragstellerin und treffe keine Aussage dazu, ob die angegriffenen Produkte von den Endverbrauchern im Restaurant und von den Fachkreisen auf der Messe A., wo sie deutlich mit dem „Y.“-Logo gekennzeichnet gewesen seien, als markenmäßige Benutzung oder (nur) als hübsche und dekorative Produktform gesehen werden.
27Auch eine Verwechslungsgefahr liege nicht vor. Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die Fachkreise und Endverbraucher die unterschiedlichen Smileys/Emojis leicht auseinanderhalten könnten, weil ihnen bekannt sei, dass es unterschiedliche Smileys und Emojis gebe. Eine Übereinstimmung lediglich in der Gattung „Emoji/Smiley“ reiche für die Verwechslungsgefahr nicht aus. Keines der drei „F.“ werde als „Lachgesicht“ interpretiert, sondern diese würden als „zwinkernder Emoji/Smiley“, „strahlendes Emoji/Smiley“ und „spöttisches Emoji/Smiley“ (mit zusammengekniffenen Augen) erkannt, weil die Verkehrskreise beim Einsatz von Emojis/Smileys besonders aufmerksam auf deren Bedeutung achteten.
28Die Antragsgegnerin beantragt,
29das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Januar 2024 (Az. 2a O 269/17) sowie die Beschlussverfügung vom 10. November 2017 aufzuheben und den Verfügungsantrag zurückzuweisen.
30Die Antragstellerin beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend. Sie führt an, auch bei den Fachkreisen auf einer Messe werde der Ersteindruck von einem Produkt durch die erste optische Wahrnehmung geprägt.
33Aufgrund der Präsentation der angegriffenen Kartoffelprodukte auf der Messe A. liege für den angesprochenen Verkehr eine Mehrfachkennzeichnung nahe. Die Antragsgegnerin selbst verwende bei einigen ihrer Produkte neben dem Unternehmensnamen (bzw. der Dachmarke) und dem Produktnamen auch die dreidimensionalen Marken, die das Produkt selbst darstellten. Der Verkehr sei also (auch und gerade bei der Antragsgegnerin) daran gewöhnt, dass diese ihre Produkte mit Mehrfachkennzeichnungen versehe. Da es sich bei der Form des Smileys um eine im Bereich der Kartoffelprodukte außergewöhnliche und erheblich vom Branchenüblichen abweichende Form handele, werde der Verkehr diese – trotz der unmittelbaren Nähe zu den anderen Kennzeichen – als selbständigen Herkunftshinweis wahrnehmen.
34Auch die notwendige Verwechslungsgefahr habe das Landgericht zu Recht angenommen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Verbraucher die Zeichen aufgrund eines nur undeutlichen Erinnerungsbildes – und eben nicht direkt – miteinander verglichen und deshalb vor allem die hochgradigen visuellen Übereinstimmungen im Gedächtnis haften blieben, bestehe die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es außer ihrem „L.“-Produkt in Deutschland quasi kein anderes, derartig gestaltetes Produkt gebe. Die Antragsgegnerin habe bei dem angegriffenen Produkt genau die Elemente übernommen, aus denen sich die Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke ergebe, nämlich die dreidimensionale Form eines runden Gesichtes mit zwei runden Augen und einem lächelnden Mund. Eventuelle Unterschiede des angegriffenen Zeichens zur Verfügungsmarke seien allenfalls minimal und fielen nicht ins Gewicht; auch falle dem Verkehr nicht auf, dass es sich bei dem F.-Produkt der Antragsgegnerin um angeblich drei unterschiedliche Produktformen handele.
35Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
36B.
37Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von§ 546 ZPO durch das Landgericht, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
38I.
39Zu Recht hat das Landgericht der Antragstellerin den beantragten Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV zugesprochen.
401.
41Nachdem die Beschwerdekammer den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Verfügungsmarke mit Entscheidung vom 11. Juli 2024 rechtskräftig zurückgewiesen hat, erübrigen sich Ausführungen zum Rechtsbestand der Verfügungsmarke. Dieser steht zwischen den Parteien nicht mehr im Streit.
422.
43Von der Berufung nicht angegriffen hat das Landgericht festgestellt, dass die Antragsgegnerin mit ihrem Messeauftritt auf der A. 2017 die F. im Inland den Messebesuchern – gewerblichen Einkäufern von Restaurantbetrieben –angeboten hat und damit die für den von der Antragstellerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr vorliegt.
443.
45Aufgrund zutreffender Erwägungen, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen wird, ist das Landgericht zudem davon ausgegangen, dass die Antragstellerin eine markenmäßige Verwendung des angegriffenen Zeichens durch die Antragsgegnerin auf der Messe A. im November 2017 glaubhaft gemacht hat. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind die folgenden Ausführungen veranlasst:
46a.
47Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, nur widersprechen, wenn diese Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Zu den Funktionen der Marke gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, auch ihre anderen Funktionen wie unter anderem die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (vgl. EuGH GRUR 2009, 756 Rz. 58 – L'Oréal/Bellure; GRUR 2010, 445 Rz. 76 f. – Google France und Google; GRUR 2010, 841 Rz. 29 f. – Portakabin/Primakabin). Kann die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen, kann der Markeninhaber ihr nicht widersprechen (EuGH GRUR 2010, 841 Rz. 29 – Portakabin/Primakabin; zitiert nach juris). Die Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken verwirklicht keinen der Verletzungstatbestände der Markenrichtlinie (EuGH GRUR 2003, 55 Rz. 54 – Arsenal FC, zitiert nach juris), genauso wenig wie eine Verwendung, bei der es ausgeschlossen ist, dass die benutzte Marke im Verkehr als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird (EuGH GRUR 2002, 692 Rn. 17 – Hölterhoff).
48Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH GRUR 2013, 1239 Rz. 20 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; BGH GRUR 2015, 1201 Rz. 68 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; BGH GRUR 2018, 924 Rn. 25 – ORTLIEB; BGH GRUR 2019, 522 Rz. 25 – SAM; zitiert nach juris).
49Nach der noch zum Warenzeichenrecht ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Frage der zeichenmäßigen Benutzung eines Zeichens nicht auf dessen Zweckbestimmung durch den Verwender, sondern allein darauf an, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb versteht (BGH GRUR 1961, 280, 281 – Tosca). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGH GRUR 1988, 307– Gaby). Diese Grundsätze gelten weiterhin. Dabei wird die Verkehrsauffassung auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (vgl. EuGH GRUR 2008, 698 Rn. 64 – O2/Hutchison; BGH, GRUR 2002, 809, 811 – FRÜHSTÜCKS-DRINK I; BGH GRUR 2010, 838 Rz. 20 – DDR-Logo; BGH GRUR 2012, 1040 Rz. 19– pjur/pure; BGH GRUR 2017, 520 Rz. 26 – MICRO COTTON). Abzustellen ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor (vgl. BGH GRUR 2004, 865 Rz. 36 f. – Mustang), insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden.
50b.
51Wie bei den Farbmarken ist auch bei der Prüfung der markenmäßigen Benutzung bei einer dreidimensionalen Gestaltung zu berücksichtigen, dass der Verkehr Formgestaltungen von Waren meist nicht als Herkunftshinweis auffasst, sondern grundsätzlich als funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst (BGH GRUR 2015, 197, Rz. 27 – Bounty; BGH GRUR 2015, 1214 Rz. 37 – Goldbären; BGH GRUR 2010, 1103 Rz. 30 – Pralinenform II; BGH GRUR 2010, 138 Rz. 26 – ROCHER-Kugel; BGH GRUR 2005, 414 Rz. 21 – Russisches Schaumgebäck). Bei einem Zeichenvergleich, der allein anhand der konkret eingetragenen Form zu erfolgen hat, ist – wie auch bei den anderen Zeichenformen – der Gesamteindruck maßgeblich. Dieser wird allerdings gerade bei einer Waren- oder Verpackungsform häufig von Merkmalen bestimmt, die funktionell/technisch bedingt sind und daher aus Rechtsgründen bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit außer Acht bleiben müssen (BGH GRUR 2011, 148 – Goldhase II). Relevant sind nur Übereinstimmungen bzw. Ähnlichkeiten in denjenigen Merkmalen, die jeweils herkunftshinweisende Bedeutung haben (BGH GRUR 2007, 780 Rz. 40 – Pralinenform I; BGH GRUR 2003, 332 – Abschlussstück), wobei der Bundesgerichtshof betont hat, dass sich auch der Schutz dreidimensionaler Marken vor allem gegen eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke richte, nicht gegen die Übernahme ästhetischer Gestaltungsgedanken (BGH GRUR 2011, 148 – Goldhase II; Boddien in: Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Auflage 2023, Az. 988). Ob die angesprochenen Verkehrskreise in der Warenform einen Herkunftshinweis erkennen, kann sich aus den Gestaltungsgewohnheiten auf dem einschlägigen Warengebiet ergeben und hängt auch von der Kennzeichnungskraft der Marke ab (BGH GRUR 2010, 1103 – Pralinenform II; BGH GRUR 2008, 793 - Rillenkoffer). Denn der Grad der Kennzeichnungskraft einer dreidimensionalen Marke hat Auswirkungen darauf, ob der Verkehr dieser Form einen Herkunftshinweis entnimmt, wenn er ihr als Form einer Ware begegnet (vgl. dazu auch BGH GRUR 2004, 151– Farbmarkenverletzung I; BGH GRUR 2005, 427 – Lila-Schokolade).
52c.
53In Anwendung dieser Grundsätze ist in der konkret angegriffenen Verwendung des von der Antragsgegnerin für ihre Kartoffelprodukte „F.“ benutzten Zeichens ein Herkunftshinweis zu sehen.
54Der von der angegriffenen Produktpräsentation der auf der Messe A. 2017 in K. angesprochene Verkehrskreis bestand ausschließlich aus gewerblichen Kunden, weil die Messe für das allgemeine Publikum nicht zugänglich ist. Diese gewerblichen Kunden – Einkäufer und Besitzer von Gastronomiebetrieben, wie z.B. Kantinen, Restaurants und „Imbissbuden“ –, auf deren Verkehrsverständnis abzustellen ist, werden die von der Antragsgegnerin für ihre „F.“ gewählte Form als Hinweis auf die Herkunft der Ware und nicht lediglich als rein dekoratives Element wahrnehmen. Auf das Verkehrsverständnis des Gasts im Restaurant, dem das Produkt fertig zubereitet serviert wird, kommt es nach dem Verfügungsantrag der Antragsgegnerin nicht an. Dementsprechend sind hierzu auch keine Ausführungen veranlasst.
55aa.
56Wie das Landgericht ausgeführt und anhand zahlreicher Beispiele dargelegt hat, ist die Verwendung der Form des „Smileys“ oder „Emojis“ im Lebensmittelsektor zwar weit verbreitet. So werden vor allem Snack- und Süßwaren häufig in der Form eines „Smileys“ angeboten, z.B. als Lakritz-Smileys oder Schokoladen-Taler mit Smiley-Prägung.
57Auf dem einschlägigen Markt der tiefgekühlten Kartoffel-Produkte finden sich neben dem Angebot der üblichen Formen von Kroketten, Pommes Frites, Röstis und Knödeln nur zwei Anbieter (neben der Antragstellerin), die Tiefkühlkartoffelprodukte in der Form von „Gesichtern“ anbieten:
58Zum einen bot die Firma Z. ein tiefgefrorenes Kartoffelprodukt an, das aus verschieden geformten, runden, ovalen und sternförmigen „Gesichtern“ besteht, wie dem nachstehend eingeblendeten, von der Antragstellerin vorgelegten (Anlage 5) Angebot aus dem Katalog der Firma Z. entnommen werden kann:
59Aktuell scheint die Firma Z. dieses Produkt jedoch nicht (mehr) anzubieten.
61Zum anderen werden über den Lebensmittel-Discounter C. die nachfolgend in ihrer Produktverpackung eingeblendeten „Kartoffelfiguren“ als Saisonartikel im Herbst beworben und vertrieben:
62Während die Firma Z. ihre Produkte ausschließlich privaten Haushalten im Direktvertrieb anbietet, richtet sich das C.-Angebot an den privaten Endkunden, der im Supermarkt einkauft. Dass die „Fröhlichen Kartoffelgesichter“ und die „Halloween-Kartoffelfiguren“ auch an gewerbliche Kunden, d.h. Gastronomiebetriebe vertrieben werden, hat auch die Antragsgegnerin nicht geltend gemacht, so dass sich die angegriffenen F. und die Produkte von Z. und C. an unterschiedliche Verkehrskreise richten. Auch über den Vertriebszeitraum und die mit diesen Produkten erzielten Umsätze der Unternehmen C. und Z. ist kein Vortrag erfolgt.
64Darüber hinaus sind die Kartoffelgesichter von der Firma Z. und C. – soweit sich das den vorgelegten Bildern entnehmen lässt – eher im Sinne einer „bunten Mischung“ von Gesichtern bzw. Figuren sortiert, weil sie unterschiedliche Formen aufweisen (Stern, Mond, Kürbis, Geist, etc.), und sich somit auch nicht nur die Ausgestaltung des “Gesichts“ bzw. des „Gesichtsausdrucks“ selbst von den F. unterscheidet, sondern auch die äußere Form abweichend gestaltet ist.
65Auf dem gewerblichen Markt für Gastronomiebetriebe gibt es nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Antragstellerin gar keine Gesichts- bzw. Smiley-Kartoffelprodukte von Drittanbietern.
66Ausgehend von diesem Warenumfeld, das im gewerblichen Bereich somit lediglich die „traditionell“ geformten tiefgefrorenen Kartoffelprodukte wie Pommes Frites, Röstis und Klöße beinhaltet und in Bezug auf den gesamten Lebensmittelmarkt noch die beiden dargestellten Produkte von C. und der Firma Z. umfasst, die sich jedoch wesentlich von den angegriffenen F. unterscheiden, liegt in der Ausgestaltung der Kartoffel-Masse in der Form eines „Smileys“ oder Emojis in derselben runden Form eine besondere ästhetische Ausgestaltung, die nicht nur rein dekorativ, sondern so ungewöhnlich und besonders ist, dass ihr die relevanten Verkehrskreise über den ästhetischen Gehalt hinaus eine Herkunftsfunktion zusprechen werden (vgl. EuGH GRUR Int 2006, 842 – Form eines Bonbons I; BGH GRUR 2010, 1103 Rz. 31 – Pralinenform II). Die Smiley-Form weicht auch nicht nur als „Variante“ von der Gestaltung anderer Kartoffel-Produkte ab (wie z.B. geriffelte Pommes Frites im Gegensatz zu „glatten“ Pommes Frites), sondern unterscheidet sich ganz erheblich von der branchenüblichen Gestaltung von tiefgefrorenen Kartoffel(teig)-Produkten. Die „Smiley“-Form ist aufgrund des Lebensmittels „Kartoffel“ und dessen Form auch nicht naheliegend oder herstellungsbedingt und damit rein funktionell zu bewerten, weil – worauf das Landgericht bereits hingewiesen hat – das Formen der Kartoffelmasse zu einem Smiley mit Aussparungen (und nicht bloß einem mittels eines Stempels aufgedrückten „Gesicht“) einen gewissen Produktionsaufwand erfordert. Schließlich liegt gerade in der Wahl einer expressiven Gestaltung in Form eines Gesichts, das den Verkehrsteilnehmer „anschaut“ und aufgrund seines Gesichtsausdruck Emotionen vermittelt und hervorruft, eine sich von branchenüblichen Gestaltungen von Kartoffelprodukten in besonderem Maße abhebende Gestaltungsentscheidung, die von dem angesprochenen Verkehr auch als – im Vergleich zu herkömmlichen Produkten – besonders innovativ und „lustig“ wahrgenommen werden wird.
67Zudem ist zu berücksichtigen, worauf die Antragsgegnerin selbst hingewiesen hat, dass gewerbliche Kunden, z.B. die Einkäufer großer Fastfoodketten oder Kantinenbetriebe, in der Regel einen guten Marktüberblick mit vertieften Kenntnissen der am Markt vertretenen Produkte und deren Anbieter haben. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der durchschnittliche Fachbesucher im Regelfall einen höheren Kenntnisstand über die im Markt angebotenen Produkte, ihre Form und Marktanteile sowie über die Hersteller und Vertriebsgesellschaften hat (vgl. BGH GRUR 2015, 603 Rz. 23 – Keksstangen; BGH GRUR 2003, 359 – Pflegebett, BGH WRP 2010, 1465 – Femur-Teil; BGH GRUR 1999, 1106 – Rollstuhlnachbau) und gerade auch deshalb der ungewöhnlich gestalteten Formgebung des angegriffenen Zeichens aufgrund des großen Abstands von den branchenüblichen Tiefkühlkartoffelprodukten einen Hinweis auf die Herkunft des Produkts entnehmen wird.
68Bei der Beurteilung des Warenumfelds nicht zu berücksichtigen sind die von der Antragsgegnerin dargestellten Möglichkeiten, Kartoffel-Smileys mittels eines Ausstechers oder einer Stempel-Form selbst zu formen. Denn die vorgelegten Rezepte für „selbstgemachte“ Kartoffel-Smileys dürften sich aufgrund des damit verbundenen Arbeitsaufwands lediglich an Privathaushalte und nicht an Gastronomiebetriebe richten, die große Mengen an Kartoffel-Beilagen benötigen und verwenden. Jedenfalls hat die Antragsgegnerin auch nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass eine solche Herstellung im relevanten Umfang in Gastronomiebetrieben üblich ist.
69cc.
70Die herkunftshinweisende Funktion der Kartoffel-Smileys entfällt in der konkreten, hier angegriffenen Verwendung auch nicht deshalb, weil die Produkte im Zusammenhang mit der Wort-/Bildmarke der Antragsgegnerin „Y.“ bzw. „Y. Foodservice“ und dem Kennzeichen „F.“ dargestellt und auf dem mit der Firma „Y.“ gekennzeichneten Messestand der Antragsgegnerin angeboten wurden.
71Bei der Verbindung einer Formmarke mit weiteren wörtlichen oder bildlichen Kennzeichnungen ist zwar zu prüfen, ob die Formmarke als eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis aufzufassen ist (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Auflage 2024, § 26 Rz. 253). Allerdings kann eine dreidimensionale Marke unter dem Gesichtspunkt der Mehrfachkennzeichnung auch in Verbindung mit einem Wortbestandteil benutzt werden, ohne dass dies zwangsläufig die Wahrnehmung der Form als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren durch den Verbraucher infrage stellt (BGH GRUR 2024, 1033, Rz 31 – VW Bulli; vgl. EuGH GRUR-RS 2019, 330 Rz. 47 – Klement/EUIPO).
72Dies berücksichtigend führt die am Rand vorhandene Kennzeichnung nicht dazu, dass der angesprochene Verkehr den betrieblichen Herkunftshinweis der groß dargestellten „F.“ infrage stellt. Denn die Darstellung des Produkts auf den Plakaten / Broschüren ist wesentlich prominenter als die Marke(n) „Y.“ bzw. „Y. Foodservice“ und „F.“ und springt dem Betrachter als wesentlicher Bestandteil ins Auge. Zudem ist – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – der angesprochene Verkehr eine Mehrfachkennzeichnung gewöhnt, was insbesondere auch für den Lebensmittelmarkt gelten dürfte (vgl. EuG GRUR-RS 2022, 28729 – Babyfläschchen). Denn bei Lebensmitteln und Süßigkeiten verhindern strenge Kennzeichnungs- und Etikettierungspflichten, dass Waren, deren Form als 3D-Marke geschützt ist, überhaupt ohne zusätzliche Wortelemente verkauft werden können (s. hierzu Fezer/Hackbarth in: Fezer, MarkenR, 5. Auflage 2023, § 26 Rz. 71a; zum Bekleidungsbereich s. auch Urteil des Senats vom 28. Mai 2024, WRP 2024, 981). Der mit den im Markt angebotenen Produkten sowie Herstellern besonders gut vertraute gewerbliche Fachbesucher wird zudem auch vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin üblicherweise Zweitmarken verwendet, annehmen, dass das bekannte Produkt der Antragstellerin nunmehr (auch) auf anderem Vertriebsweg und mit anderer Bezeichnung auf dem deutschen Markt von der deutschen Antragsgegnerin angeboten wird.
734.
74Zu Recht hat das Landgericht auch die erforderliche Verwechslungsgefahr bejaht.
75a.
76Ob Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; EuGH GRUR 2011, 915 Rn. 45 UNI; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; BGH GRUR 2012, 930 Rn. 22 – Bogner B/Barbie B). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke und – davon abhängig – der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (BGH GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 Il Ponte Finanziaria SpA/HABM). So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden oder umgekehrt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 – Sabèl/PUMA; EuGH GRUR 1998, 922, 923 – Canon; BGH GRUR 2018, 79 Rn. 9 – OXFORD/Oxford Club; Ingerl/Rohnke in Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 Rn. 370 f., 431 ff.). Abzustellen ist dabei auf den durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren- bzw. Dienstleistungsart (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 – Lloyd).
77b.
78Es besteht Warenidentität zwischen den Waren, für die die Verfügungsmarke Schutz genießt, und den durch das streitgegenständliche Zeichen gekennzeichneten Waren. Beides sind für den Verzehr bestimmte tiefgekühlte Kartoffelwaren.
79c.
80Die Verfügungsmarke verfügt jedenfalls aus den vom Landgericht dargelegten, nicht zu beanstandenden Gründen über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
81d.
82Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen besteht auch eine hohe Zeichenähnlichkeit.
83(1)
84Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck abzustellen, den die einander gegenüberstehenden Zeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorrufen. Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die jeweiligen Kennzeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht und die übereinstimmenden Merkmale in einem undeutlichen Erinnerungseindruck häufig stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl. nur BGH GRUR 2015, 1004 Rn. 23– IPS/ISP; BGH GRUR 2005, 264, 265 – Das Telefon-Sparbuch). Erfahrungsgemäß bleiben dem Verkehr unterscheidungskräftige, insbesondere berühmte Kennzeichnungen eher in Erinnerung; solche ihm bekannten Kennzeichnungen wird das angesprochene Publikum deshalb auch eher in einer anderen Kennzeichnung wiederzuerkennen glauben (vgl. BGH GRUR 2001, 158 – Drei-Streifen-Kennzeichnung).
85(2)
86Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig nicht von einer identischen Ausgestaltung der angegriffenen Zeichen mit der Verfügungsmarke auszugehen. Denn die Emojis der Antragsgegnerin sind zwar nicht in Bezug auf die äußere runde Form, jedoch in Bezug auf die ausgestanzten Augen und Münder abweichend gestaltet.
87Diese vorhandenen Unterschiede zwischen den Emojis der Antragstellerin und dem Smiley-Gesicht der Verfügungsmarke sind jedoch gering, weil sie nur bei genauerem Hinsehen wahrnehmbar sind. Zudem ist auch nicht fernliegend, dass im Rahmen des Produktions- und Zubereitungsprozesses (Frittieren) bei der Kartoffelmasse leichte Abweichungen bei dem Ausstanzen der Münder und Augen auftreten können und der angesprochene Verkehr kleine Unterschiede deshalb nicht in der Weise werten wird, dass ein anderes Produkt vorliegt, sondern nur eine produktionsbedingte Abweichung des „Gesichts“. Dieser Umstand und die mittlerweile sehr große Anzahl von „Smiley-Emojis“, die sich nur in Nuancen unterscheiden, führen dazu, dass die Verkehrskreise jedenfalls im Lebensmittelbereich (anders als vielleicht bei der Auswahl eines bestimmten Emojis beim Verfassen einer digitalen Nachricht) die einzelnen Smileys nicht, wie die Antragsgegnerin meint, als „zwinkernder Emoji/Smiley“, „strahlender Emoji/Smiley“ und „spöttischer Emoji/Smiley“ (mit zusammengekniffenen Augen) erkennen, sondern sie generalisierend als lachende bzw. fröhliche Emojis/Smileys interpretieren wird.
88(3)
89Die weiteren Zeichen „y.“, „y. foodservice“ und „F.“ sind nicht mit in den Zeichenvergleich aufzunehmen, da sie als selbständige Mehrfachkennzeichnung verstanden werden (vgl. Urteil des Senats vom 28. Mai 2024, WRP 2024, 981).
90d.
91Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist deshalb festzustellen, dass eine hohe Zeichenähnlichkeit zwischen den Vergleichszeichen besteht, so dass der zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und der Warenidentität zu fordernde deutliche Abstand zu der Verfügungsmarke durch die angegriffenen Zeichen nicht eingehalten wird, vielmehr die Gefahr besteht, dass der Verkehr davon ausgeht, dass er sich einer einem Kartoffel-Produkt der Antragstellerin gegenübersieht.
92II.
93Der Unterlassungsanspruch steht der Antragstellerin auch im beantragten Umfang zu. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin die angegriffenen Produkte durch Bewerbung auf der Messe A. nur dem Fachpublikum präsentiert hat und nur insofern eine Begehungsgefahr besteht, war bei der Beurteilung des Verkehrsverständnisses zu berücksichtigen. Auch wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr für das Anbieten des Produkts an Einkäufer von Einzelhandelsgeschäften oder an Privathaushalte mit dem Anbieten auf der A. Messe nicht begründet wurde und ohne konkrete Anhaltspunkte auch keine allgemeine Vermutung besteht, der auf einer reinen Fachmesse ausstellende Hersteller werde seine Produkte in jedem Fall in der gleichen Form oder Art und Weise auch gegenüber dem allgemeinen Verbraucher vertreiben (vgl. BGH GRUR 2015, 603 Rz. 23 – Keksstangen), führt dies nicht zu einer Einschränkung des Wortlauts des Unterlassungstenors, sondern ergibt sich dies bereits aus den Entscheidungsgründen.
94III.
95Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
96Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil das Urteil gem. § 542 Abs. 2 ZPO nicht revisibel ist.
97Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 140.000,00 € festgesetzt.