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Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.05.2022 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das erstinstanzliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, eine Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e :
2A
3Die am 00.00.0000 geborene Klägerin macht mit ihrer am 30.12.2019 beim Landgericht Düsseldorf eingegangenen Klage Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz im Zusammenhang mit einer am 18.11.2009 in der Praxis der Beklagten erfolgten Impfung mit dem Impfstoff Pandemrix geltend.
4Im Jahr 2009 kam es zu einer Ausbreitung der sogenannten „Schweinegrippe“. Die Impfung gegen das Virus H1N1 wurde von der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts empfohlen. Die damals 16 Jahre alte Klägerin erschien am 18.11.2009 mit ihrer Mutter, der Zeugin A. F., in der Praxis der Beklagten. Die Zeugin F. unterschrieb ein Formular zur Einverständniserklärung einer Impfung gegen Influenza A (H1N1) mit dem Briefkopf des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Auf diesem Formular wurde unter „Impfdokumentation (von der Impfstelle auszufüllen)“ die Impfung der Klägerin durch die Praxis der Beklagten bestätigt (GA 13). Am Folgetag benachrichtigte die Mutter der Klägerin die Beklagte telefonisch darüber, dass die Klägerin Halsschmerzen und erhöhte Temperatur entwickelt habe. Im August 2010 stellte sich die Klägerin bei der Beklagten wegen einer chronischen Müdigkeit vor. Die Beklagte überwies die Klägerin im September 2010 zu einem Neurologen (BU = GA 81). Der Neurologe B. stellte Anfang Februar 2011 u.a. auf Grundlage einer Untersuchung im Schlaflabor der Klinik für Neurologie der Kliniken X. GmbH in Z. (GA 77) die Diagnose einer Narkolepsie und verschrieb der Klägerin das Medikament G. (GA 78). Anfang Februar 2011 meldete die Klägerin ihre Erkrankung dem Paul-Ehrlich-Institut als unerwünschte Nebenwirkung der Impfung mit Pandemrix H1N1 (GA 158). Mit Schreiben vom 03.05.2018 bat die Klägerin das Paul-Ehrlich-Institut um eine Kausalitätsbewertung zu ihrer Verdachtsmeldung (GA 14). Das Paul-Ehrlich-Institut bewertete in einem Schreiben vom 17.05.2018 wegen des plausiblen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Impfung und der Erstmanifestation der gesichert vorliegenden Narkolepsie diesen als „vereinbar mit einem kausalen Zusammenhang zur Impfung“ (GA 17).
5Die Klägerin hat behauptet, weder sie noch ihre Mutter seien über die Impfung aufgeklärt worden. Die von ihrer Mutter unterschriebene Einverständniserklärung sei bereits vorausgefüllt gewesen. Es habe auch kein Gespräch bzw. keine ärztliche Untersuchung durch die Beklagte stattgefunden; die Beklagte sei gar nicht in der Praxis gewesen. Es sei lediglich von der Arzthelferin mitgeteilt worden, dass eine Schwellung, Erwärmung, Schmerzhaftigkeit im Bereich der Einstichstelle kein Grund zur Besorgnis sei (GA 150). Wäre sie über das beschleunigte Testverfahren des Impfstoffes und die schon damals in Fachkreisen umstrittene Verwendung von Adjuvantien aufgeklärt worden, hätte sie nicht eingewilligt (GA 131, 242). Sie leide in Folge und aufgrund der Impfung an einer Narkolepsie, habe aus diesem Grund im Jahr 2010 ihre erfolgversprechende Tenniskarriere und im September 2018 auch ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin aufgeben müssen. Sie hat ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 200.000,00 €, Ersatz in Höhe des entgangenen Verdienstes als Profitennisspielerin von 1 Mio. €, Feststellung der weitergehenden Schadensersatzpflicht sowie die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten begehrt.
6Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und geltend gemacht, sie sei nicht passivlegitimiert. Sie sei gemäß § 20 Abs. 5 IfSG vom Gesundheitsamt Y. als Impfärztin beauftragt worden (GA 58). Die Klägerin bzw. ihre Mutter seien ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Jedem impfwilligen Patienten seien damals die vom Gesundheitsamt bezogenen Aufklärungs- und Einwilligungsunterlagen (GA 83 ff.) mitgegeben worden, die am Tag der Impfung vom Patienten ausgefüllt und unterschrieben zurückzugeben waren. Nach einem persönlichen Gespräch, in dem sie, die Beklagte, die Impffähigkeit des Patienten geprüft habe, sei die Impfung durch sie oder die Zeugin C., eine speziell ausgebildete Impfassistentin, durchgeführt worden (GA 59, 61). Die Mutter der Klägerin sei damals sehr bestimmt aufgetreten und habe die Impfung ihrer Tochter, der Klägerin, imperativ eingefordert. Das Einwilligungsformular sei nicht nur von der Zeugin F. unterschrieben, sondern auch ausgefüllt worden. Am 17.01.2011 habe die Klägerin ihr mitgeteilt, dass die Diagnose einer Narkolepsie gesichert sei (GA 62). Einen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Erkrankung sowie zwischen der Erkrankung und der Aufgabe ihrer Tenniskarriere hat die Beklagte ebenso wie die Höhe der geltend gemachten Ansprüche bestritten. Nach ihrem Vortrag habe die Klägerin mutmaßlich gegenüber anderen Ärzten bzw. Stellen Entschädigungsansprüche geltend gemacht (GA 65, 83). Insofern hat sich die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht vorbehalten. Die Beklagte hat darüber hinaus die Einrede der Verjährung erhoben (GA 66). Die Klägerin habe bereits im Jahr 2011 den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen der Impfung und dem Auftreten der Narkolepsie geäußert und die bei ihr gestellte Diagnose dem Paul-Ehrlich-Institut als Impfschaden gemeldet (GA 67).
7Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – Einzelrichterin - hat die Klage mit am 19.05.2022 verkündetem Urteil (GA 260 ff.) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe bereits die Passivlegitimation der Beklagten nicht substantiiert dargetan.
8Mit der gegen das Urteil gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft zu der Annahme gelangt, die Beklagte sei nicht passivlegitimiert.
9Die Klägerin beantragt,
10unter Abänderung des angefochtenen Urteils
111. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, wegen fehlerhafter Behandlung der Klägerin und Berufungsklägerin ab dem 18. November 2009 ein angemessenes Schmerzensgeld zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin und Berufungsklägerin zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 200.000 € liegen sollte;
122. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, 1.000.000,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin und Berufungsklägerin zu zahlen;
133. festzustellen, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte verpflichtet ist, der Klägerin und Berufungsklägerin sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Ansprüche, die ihr infolge der ärztlichen Behandlung ab dem 18. November 2009 entstanden sind oder noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden;
144. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, die außergerichtlichen entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 18.507,47 € an die Klägerin und Berufungsklägerin zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Sie verteidigt unter Verweis auf ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag das erstinstanzliche Urteil.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.
19B
20Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Soweit das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, die Klägerin habe die Passivlegitimation der Beklagten nicht hinreichend dargetan, leidet die Entscheidung zwar an einem wesentlichen Verfahrensfehler (I.). Sie erweist sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (IV), weshalb ein Vorgehen nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ausscheidet.
21I.
22Das Landgericht hat die Klage verfahrensfehlerhaft mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe die Passivlegitimation der Beklagten nicht hinreichend dargetan. Denn die Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 12.05.2022 weiter vorgetragen und Beweis durch Vernehmung des Zeugen D. angeboten. Dem hätte das Landgericht nachgehen müssen.
231.
24Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Klägerin die Passivlegitimation der in Anspruch genommenen Beklagten darzutun und zu beweisen hat. Üblicherweise kommt der privatrechtliche Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient stillschweigend dadurch zustande, dass sich der Patient in Behandlung begibt und der Arzt die Behandlung übernimmt (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., A I. Rn. 2). Bei schuldhafter Pflichtverletzung haftet er in diesem Fall daneben nach § 823 BGB. Anders ist dies, wenn der Arzt hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Eines staatsrechtlichen Beamtenstatus bedarf es hierzu nicht. Dies findet insbesondere auch Anwendung bei vertraglich beauftragten Ärzten der Gesundheits- und Versorgungsämter (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., A II. Rn. 87 f). Für sie gelten die Grund-sätze der Staatshaftung für hoheitliches Handeln; es haftet unmittelbar und ausschließlich der öffentlich-rechtliche Anstellungsträger bzw. der Träger der öffentlichen Gewalt, der die konkrete Aufgabe, bei deren Erfüllung die Pflichtverletzung begangen wurde, übertragen hat (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., A II. Rn. 85).
25Die Klägerin hat mit ihrer Klageschrift zwar äußere Umstände dargetan, die für den Abschluss eines privatrechtlichen Behandlungsvertrages mit der Beklagten sprechen. Dem ist die Beklagte aber substantiiert und unter Nennung der sie beauftragenden Behörde (GA 58) entgegengetreten und hat eine privatrechtliche Tätigkeit bestritten. Sie hat hierzu detailliert vorgetragen, dass der gesamte Impfvorgang (Herstellung der Aufklärungsbroschüren und Einverständniserklärungsformulare, Bestellung des Impfstoffes, Entschädigung der Impfärzte) von der Behörde vorgegeben gewesen sei. Als ein Indiz für die Richtigkeit des Vortrages der Beklagten spricht – auch nach Auffassung des Senats - das von der Klägerin selbst vorgelegte Einwilligungsformular, das mit „Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen“ überschrieben ist und mit dem die Impfung durch eine „Impfstelle“ dokumentiert wird.
262.
27Allerdings hätte das Landgericht die Klägerin rechtzeitig auf diesen Umstand hinweisen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Die Klägerin ist für das Landgericht erkennbar davon ausgegangen, dass die Beklagte den Beweis der fehlenden Passivlegitimation zu führen hatte. In der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2022 hat das Gericht die Klägerin erstmals auf diesen von ihr übersehenen Gesichtspunkt aufmerksam gemacht, so dass der Klägerin gemäß § 139 Abs. 2, 5 ZPO auf ihren Antrag hin eine Schriftsatzfrist zu gewähren gewesen wäre. Das Gericht darf nach § 139 Abs. 2 ZPO seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat oder den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien, nur stützen, wenn es zuvor darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Die Hinweispflicht besteht auch gegenüber der anwaltlich vertretenen Partei, wenn der Prozessbevollmächtigte der substantiierungspflichtigen Partei ersichtlich darauf vertraut, dass sein schriftlicher Vortrag ausreicht (BGH, Urteil vom 27.11.1996 – VIII ZR 311/95 – Rn. 11 juris). Den Hinweisen des Landgerichts in den Verfügungen vom 14.01.2021 (GA 142 ff.) bzw. 05.07.2021 (GA 235) war nicht zu entnehmen, dass die Klägerin nach Auffassung des Landgerichts zur Passivlegitimation weiter vorzutragen hatte. Soweit das Landgericht insofern auf den Vortrag der Beklagten verweist, war diesem lediglich zu entnehmen, dass die Beklagte ihre Passivlegitimation bestritt, nicht aber, wer darlegungs- und beweisbelastet war.
28II.
29Ob es – wie von der Klägerin behauptet – an einer ordnungsgemäßen Aufklärung vor der Impfung gefehlt hat und sie bei einer solchen nicht eingewilligt oder sich jedenfalls in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, erscheint dem Senat fraglich, kann aber letztlich dahinstehen.
301.
31Nach gefestigter Rechtsprechung reicht bei ambulanten Eingriffen grundsätzlich eine Aufklärung am Tage des Eingriffs aus (BGH, Urteil vom 15.02.2000 – VI ZR 48/99 –, Rn. 34 juris). Bei einer – wie hier - von der STIKO empfohlenen Schutzimpfung waren die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung 2009 im Übrigen gering. Bei derartigen Routinemaßnahmen genügte es, wenn dem Patienten nach schriftlicher Aufklärung Gelegenheit zu weiteren Informationen durch ein Gespräch mit dem Arzt gegeben wurde, was den Empfehlungen der STIKO von 1998 zur Aufklärungspflicht vor Schutzimpfungen entsprach. Ob die Impfung in öffentlichen Impfterminen oder wie hier als Einzelimpfung vorgenommen wurde, ist dabei nicht von maßgeblicher Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2000 – VI ZR 48/99 –, Rn. 38 – 40 juris). Die Beklagte hat diese Art des Vorgehens im Rahmen der Impfaktion 2009 detailliert beschrieben und für ihren Vortrag Beweis durch Vernehmung von Zeuginnen (GA 59, 61) angeboten.
322.
33Darüber hinaus hat sich die Beklagte auf eine hypothetische Einwilligung der Klägerin bzw. deren Mutter berufen. Ob die Klägerin – eine fehlerhafte Aufklärung unterstellt - einen Entscheidungskonflikt plausibel dargetan hat, könnte ohne Beweisaufnahme nicht entschieden werden. Denn für den Inhalt und den Umfang der Aufklärung können nur die im Zeitpunkt des Aufklärungsgesprächs bestehenden Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft maßgeblich sein (OLG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2008 – I-5 U 88/08 -, Rn. 28 juris). Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass über eine Narkolepsie als mögliche Nebenwirkung im Jahr 2009 nicht aufzuklären war. Geschuldet war nur die Grundaufklärung (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 09.10.2013 – 5 U 746/13 -, Rn. 17 f. juris). Dass es im Zusammenhang mit der Impfung zu einer Schwellung, Erwärmung, Schmerzhaftigkeit im Bereich der Einstichstelle kommen könnte, wusste die Klägerin nach eigenen Angaben (GA 150). Soweit sie behauptet, sie hätte, wäre sie über die Verwendung unerprobter Adjuvantien (GA 91, 111) und darüber, dass die Pandemrix - Impfung als neuartiges Verfahren zu werten war (GA 91, 132), aufgeklärt worden, nicht in die Impfung eingewilligt, ist fraglich, ob und in welchem Umfang diese Umstände im November 2009 überhaupt zu der geschuldeten Grundaufklärung gehörten. In der von der Beklagten in Kopie vorgelegten Broschüre des Bundesministeriums für Gesundheit zur Impfung gegen die sogenannte Schweinegrippe heißt es hierzu: „Die Zulassung und Anwendung von Impfstoffen gegen die Neue Grippe beruhen auf der jahrzehntelangen Erfahrung mit saisonalen Grippeimpfstoffen sowie auf klinischen Studien mit Modell-Pandemieimpfstoffen. Eine Besonderheit des Impfstoffes gegen die Neue Grippe ist die Verwendung von Wirkverstärkern (sogenannte Adjuvanzien) auf Öl-in-Wasser-Basis…. Die Impfung ist gut verträglich. Durch die Verwendung von Wirkverstärkern (Adjuvanzien) können im Vergleich zu saisonalen Grippeimpfstoffen nach der Impfung etwas häufiger Lokal- oder Allgemeinreaktionen auftreten…“ (GA 84.). Dass die Klägerin bei einer solchen Aufklärung in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht. Soweit sie zur Begründung ihres möglichen Entscheidungskonfliktes auf die Äußerung des damaligen Vizepräsidenten der Bundesärztekammer E. gegenüber F. im August 2009, „er wolle niemandem Angst machen, aber es beunruhigt, dass die Verstärkersubstanz nicht getestet ist“ abstellt, erscheint es dem Senat fraglich, ob eine solche oder ähnliche Aussage Teil einer ordnungsgemäßen Aufklärung 2009 hätte sein müssen.
34III.
35Letztlich kann auch dahinstehen, ob die Impfung für den Eintritt der Narkolepsie sowie den geltend gemachten finanziellen Schaden kausal geworden ist. Beides hätte die Klägerin zu beweisen. Die hier gerügte Verletzung der Pflicht zur Risikoaufklärung ist kein Behandlungsfehler und daher auch nicht der Beweiserleichterung gemäß § 630 h Abs. 5 BGB zugänglich. Zwar macht jede Verletzung der Pflicht zur Risikoaufklärung die Einwilligung des Patienten in den Eingriff unwirksam und der Eingriff bleibt mangels Rechtfertigung rechtswidrig; sie führt aber nur zu einer Haftung, wenn sie einen Gesundheitsschaden des Patienten zur Folge hat (Geiß/Geiner, aaO, C. IV. Rn. 149). Die Kausalität zwischen einer rechtswidrigen Impfung und einer behaupteten neurologischen Erkrankung muss zur Überzeugung des Gerichts vom Patienten nachgewiesen werden. Hier stellte – eine unterlassene Aufklärung als wahr unterstellt - die Injektion des Impfstoffes an sich den primären Schaden dar. Den Beweis, dass sich dadurch vermittelt sekundär die Narkolepsie entwickelt hat, hätte die Klägerin zu führen. Der Verweis auf eine Äußerung des Paul-Ehrlich-Instituts oder ein verwaltungsrechtliches Verfahren genügt hierzu nicht. Das im sozialgerichtlichen Verfahren erforderliche Beweismaß entspricht nicht dem der ZPO (Martis-Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., A 2204; OLG Köln, Beschluss vom 03.08.2011 – 5 U 81/11 -, Rn. 4 ff. juris). Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs hat das Landgericht bereits Ausführungen zur unzureichenden Substantiierung gemacht, die der Senat teilt.
36IV.
37Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich aber im Ergebnis als richtig. Denn eventuelle Ansprüche der Klägerin wären verjährt.
38Für Schadensersatzansprüche aus ärztlichen Aufklärungsmängeln beginnt die Verjährung zwar in der Regel nicht schon, sobald der nicht aufgeklärte Patient einen Schaden aufgrund der medizinischen Behandlung feststellt; hinzutreten muss vielmehr die Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht des Arztes ergibt - etwa, dass der Schaden nicht auf einem Behandlungsfehler beruht, sondern spezifische Folge der Behandlung ist, über die der Arzt den Patienten hätte aufklären müssen (BGH, Urteil vom 10.10.2006 – VI ZR 74/05 –, Rn. 23 juris). Istallerdings – wie hier von der Klägerin behauptet - überhaupt keine Aufklärung erfolgt, so ist dies dem Patienten von Anfang an bekannt. Steht für ihn fest, dass der Eingriff im Rahmen der ihm anhaftenden Risiken zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hat, beginnt der Lauf der Verjährungsfrist für Ansprüche aus Mängeln der Eingriffs- und Risikoaufklärung (OLG Frankfurt, Urteil vom 21.08.2018 – 8 U 88/15 -, Rn. 37; OLG Hamm, Urteil vom 7.12.2009 – I-3 U 75/09 –, Rn. 40; OLG München, Urteil vom 30.09.2004 – 1 U 3940/03 –, Rn. 107; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.06.1998 – 8 U 157/97 -, juris). Reichen die dem Kläger bekannten Tatsachen aus, um den Schluss auf ein Fehlverhalten des Schädigers und die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen, ist es zumutbar, auch unter Inkaufnahme eines verbleibenden Prozessrisikos Klage zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.1983 – VI ZR 35/82 –, Rn. 10 juris).
39Hier war die Klägerin 2009 nach ihrem Vortrag überhaupt nicht aufgeklärt worden. Dass sie damals minderjährig und ein Aufklärungsgespräch mit den Eltern zu führen gewesen wäre, ist für den Streitfall nicht relevant. Denn die Klägerin war damals bereits 16 Jahre alt und wollte – ohne ihre Eltern – in ein mehrwöchiges Tenniscamp nach Spanien reisen. Eine ausreichende Urteilsfähigkeit über die Frage, ob sie sich impfen lassen sollte, dürfte zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden haben. Im Übrigen war die Klägerin aber auch selbst bei der Anbahnung der Impfung dabei und hätte sich dieser jederzeit entziehen können (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2006 – VI ZR 74/05 -, Rn. 8 juris). Im Rahmen ihres stationären Aufenthaltes in der Klinik für Neurologie der Kliniken X. GmbH in Z. vom 28.12. bis 29.12.2010 wurde bei der Klägerin aufgrund einer seit Februar/März 2010 bestehenden Symptomatik eine Narkolepsie diagnostiziert (GA 153, 154). Anfang Februar 2011 brachte die damals bereits (bis auf 2 Tage) volljährige Klägerin ihre Erkrankung gegenüber dem Arzt B. selbst mit der Impfung mit Pandemrix H1N1 in Verbindung (GA 78) und meldete diese dem Paul-Ehrlich-Institut als unerwünschte Nebenwirkung der Impfung mit Pandemrix H1N1 (GA 158). Auch wenn diese Meldung formal seitens der Mutter erfolgte, hat die Klägerin, die bereits im Jahr 2011 und jedenfalls ab 2015 wegen der gesicherten Diagnose Narkolepsie ärztlich und medikamentös behandelt wurde, selbst es als naheliegend betrachtet, dass diese Erkrankung auf die Impfung zurückging. Auf Basis dieses Wissens hätte sie bereits 2011 Feststellungsklage erheben können. Dass die Klägerin erst im Jahr 2018 die Entscheidung des Paul- Ehrlich-Instituts abfragte bzw. Anträge beim Versorgungsamt stellte, ändert nichts daran, dass ihr die für eine Feststellungsklage aus ihrer Sicht notwendigen Umstände, die allesamt von der Beklagten bestritten werden, bereits 2011 bekannt waren. Welche Umstände ihr nicht bereits 2011, sondern erst 2018 bekannt geworden sein sollen, trägt sie nicht vor. Soweit sie auf das Schreiben aus 2018 des Paul-Ehrlich-Instituts verweist, ist zum einen bereits nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin bis zum Jahr 2018 abwartete, um dessen Einschätzung abzufragen. Im Übrigen enthält dieses Schreiben keine für einen Rechtsstreit notwendige neue Information; die Einschätzung des Paul-Ehrlich-Instituts folgt anderen Kriterien und ist für ein Zivilgericht nicht bindend.
40C
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
43Der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 1.480.000,0 € festgesetzt.