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I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Neuss vom 24.05.2022 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 467 Bahar Azadi Goldmünzen nach Maßgabe der Heiratsurkunde des Notariats Nr. 000 in Teheran vom 16.05.1996 (lfd. Nr. 000000) herauszugeben.
2. Dem Antragsgegner wird zur Erfüllung der Herausgabeverpflichtung gemäß Nr. 1 eine Frist von drei Wochen ab Rechtskraft dieser Entscheidung gesetzt.
3. Für den Fall, dass die Herausgabeverpflichtung gemäß Nr. 1 nicht fristgemäß erfüllt wird, wird der Antragsgegner verpflichtet, stattdessen 244.389,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem auf den Ablauf der Frist folgenden Tag an die Antragstellerin zu zahlen.
4. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Antragstellerin zu 1/3 und der Antragsgegner zu 2/3.
III. Beschwerdewert: bis 320.000 €.
G r ü n d e :
2I.
3Die Beteiligten streiten um Ansprüche aus einer Brautgabevereinbarung.
4Sie heirateten am 18.08.1995 vor dem Standesamt A.-Stadt und am 16.05.1996 in Teheran. Seinerzeit waren sie ausschließlich iranische Staatsangehörige. In der Heiratsurkunde lfd. Nr. 000000 des Heiratsnotariats Nr. 000 in Teheran ist folgende Vereinbarung der Beteiligten niedergelegt:
5„Morgengabe (Brautgeld)…
6Ein Band „Worte des Allmächtigen Gottes“ (Koran), Spiegel und Kerzenständer im Gesamtwert von 1.440.000 Rial, die die Ehefrau bereits erhalten hat, sowie 700 volle Bahar Azadi Goldmünzen, welche der Ehemann nach Einverständnis und Zustimmung der Ehefrau ihr schuldet und aushändigen muss, sobald er von ihr dazu aufgefordert wird.“
7Wegen des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlagen K2 und K3 zur Antragsschrift vom 29.09.2021 Bezug genommen.
8Die Beteiligten wohnen in Deutschland. Beide besitzen inzwischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit, und zwar die Antragstellerin seit August 2000, der Antragsgegner seit März 2001. Jedenfalls seit dem 09.06.2020 leben sie dauerhaft voneinander getrennt. Das auf Antrag des Antragstellers eingeleitete Scheidungsverfahren ist bei dem Amtsgericht seit dem 11.01.2022 rechtshängig (Az. 46 F 127/21).
9Mit vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 16.09.2020 und vom 03.09.2021 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner unter Fristsetzung erfolglos zur Zahlung von 700 Bahar Azadi Goldmünzen auf.
10Die Antragstellerin hat beantragt,
111. den Antragsgegner zu verpflichten, an sie nach Maßgabe der Heiratsurkunde der Beteiligten, lfd. Nr.: 000000 des Notariats Nr. 000 in Teheran vom 16.05.1996, 700 Bahar Azadi Goldmünzen herauszugeben;
122. dem Antragsgegner zur Herausgabe der 700 Bahar Azadi Goldmünzen eine Frist von 3 Wochen nach Rechtskraft des Beschlusses zu setzen;
133. dem Antragsgegner für den Fall, dass die vorgenannte Frist zu Ziffer 2. fruchtlos abläuft, aufzugeben, an sie einen Zahlbetrag des Wertes 700 Bahar Azadi Goldmünzen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, mindestens aber 289.303,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2020 zu zahlen;
144. dem Antragsgegner aufzugeben, an sie nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.046,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.09.2021 zu zahlen.
15Der Antragsgegner hat beantragt,
16den Antrag zurückzuweisen.
17Er hat geltend gemacht, bei der Brautgabe handele es sich um ein ausländisches Brautgeldkonstrukt, welches, sofern es angesichts der im Text der Heiratsurkunde gestatteten Doppelehe innerdeutsch überhaupt anwendbar sei, lediglich zu Ehezeiten, nicht jedoch wie die Abendgabe nach Trennung der Beteiligten gefordert werden könne. Vielmehr sei eine Vermögensaufteilung für den Fall der Scheidung ausweislich der in der Heiratsurkunde getroffenen Vereinbarung nach dem Ermessen des Gerichts vorzunehmen. Unter Berücksichtigung des mittlerweile anhängigen Scheidungsverfahrens sei folglich der übliche güterrechtliche Ansatz zu wählen. Die Antragstellerin habe ihren Anspruch auf Zahlung der Brautgabe zudem verloren, da sie eine außereheliche intime Beziehung führe. Schließlich sei die Forderung vor der Regulierung des Zugewinnausgleichs sittenwidrig, da dies seine, des Antragsgegners, wirtschaftliche Existenz gefährde.
18Mit Beschluss vom 24.05.2022 hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Herausgabe von 700 Bahar Azadi Goldmünzen an die Antragstellerin verpflichtet, ihm zur Herausgabe eine Frist von 3 Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses gesetzt und ihm für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs aufgegeben, an die Antragstellerin 295.121,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem auf den Fristablauf folgenden Tag zu zahlen. Im Übrigen hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Das formwirksam vereinbarte Versprechen zur Leistung der Brautgabe unterfalle mit Blick auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten in Deutschland und ihre deutsche Staatsangehörigkeit als allgemeine Ehewirkung nach Art. 14 EGBGB deutschem Sachrecht. Die Vereinbarung sei nicht sittenwidrig. Der Antragsgegner könne die Forderung aus seinem Immobilienvermögen nach Abzug der Schulden bedienen, auch wenn hierzu gegebenenfalls eine Immobilie zu veräußern wäre. Eine Sittenwidrigkeit folge auch nicht daraus, dass es nach iranischem Recht möglich sei, dass ein Ehemann mit mehreren Ehefrauen gleichzeitig verheiratet sei. Die Brautgabe könne nach ihrem Sinn und Zweck auch dann geltend gemacht werden, wenn die Eheleute in Trennung lebten, da sie die Ehefrau zusätzlich finanziell absichern solle, und zwar auch, soweit daneben ein Zugewinnausgleichsanspruch bestehe. Im Hinblick auf die in der Heiratsurkunde getroffene Abrede zur Aufteilung des Vermögens für den Fall einer nicht auf den Antrag der Antragstellerin ausgesprochenen Scheidung sei die Brautgabe erkennbar unabhängig von dem zusätzlichen Anspruch auf Übertragung der Hälfte des während der Ehe erworbenen Vermögens des Antragsgegners. Die Geltendmachung des Anspruchs scheitere schließlich auch nicht an einem intimen Verhältnis der Antragstellerin. Ein Anspruch auf Ersatz nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten gegen den Antragsgegner bestehe nicht, da die Antragstellerin gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe, indem sie nach erstmaliger Inverzugsetzung mit anwaltlicher Hilfe einen weiteren Rechtsanwalt beauftragt habe.
19Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner weiterhin insgesamt gegen das Begehren. Er macht im Wesentlichen geltend, die Brautgabe sei nicht wirksam vereinbart worden. Da die Beteiligten bei der Eheschließung im Iran noch ausschließlich iranische Staatsangehörige gewesen seien, sei für die Beurteilung von Fehlern und Hindernissen bei der Eheschließung nach dem deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen iranisches Sachrecht anwendbar. Nach diesem stelle die in Teheran geschlossene Ehe eine unwirksame Doppelehe dar. Da die Beteiligten bei ihrer Eheschließung vor dem Heiratsnotariat in Teheran nicht nur ihre zuvor in A.-Stadt geschlossene Ehe, sondern auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verschwiegen und unzutreffend die Anschriften ihrer jeweiligen Familien im Iran als eigene Anschriften angegeben hätten, sei davon auszugehen, dass das Eheschließungsnotariat bei Kenntnis der wahren Sachlage eine erneute Eheschließung und Registrierung und somit auch die Beurkundung der Brautgabe abgelehnt hätte. Eine Unwirksamkeit der Eheschließung in Teheran erfasse auch die in der Heiratsurkunde beurkundete Brautgabevereinbarung. Die Tatsache, dass die iranischen Goldmünzen Bahar Azadi als Gegenstand der Brautgabe vereinbart worden seien, spreche dafür, dass es sich um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Jedenfalls die den Gegenstand der Brautgabevereinbarung bildende Menge an Goldmünzen sei in Deutschland nicht handelbar, die Ausfuhr der Goldmünzen aus dem Iran verboten. In Kenntnis der Tatsache, dass die iranischen Goldmünzen nicht außerhalb Irans erhältlich seien und auch nicht außer Landes gebracht werden könnten, hätten die Beteiligten, die die Absicht gehabt und umgesetzt hätten, ihre Ehe in Deutschland zu gründen und zu leben, einen anderen, in Deutschland erhältlichen Vermögenswert als Brautgabe vereinbart, wenn eine solche Vereinbarung tatsächlich gewollt gewesen wäre. Ein Scheingeschäft liege auch deshalb vor, weil die Beteiligten, hätten sie tatsächlich eine Brautgabe vereinbaren wollen, ohne Weiteres eine gesonderte Brautgabevereinbarung oder einen Ehevertrag mit Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung einer Brautgabe hätten beurkunden lassen können. Hierfür wäre eine erneute Eheschließung in Teheran nicht erforderlich gewesen. Auch hätten sie ihre in Deutschland geschlossene Ehe im Iran registrieren lassen können. Mit der erneuten Eheschließung in Teheran habe lediglich dem kulturellen Brauch sowie der kulturellen Vorstellung der Beteiligten und ihrer Familienangehörigen im Iran Rechnung getragen werden sollen. Die Beteiligten hätten bei der Eheschließung die in der iranischen Heiratsurkunde standardmäßig vorformulierten Klauseln unterschrieben, ohne dabei jedenfalls hinsichtlich der Brautgabe rechtliche Folgen auslösen zu wollen. Dass es sich um eine rein symbolische Vereinbarung gehandelt habe, ergebe sich auch daraus, dass er, der Antragsgegner, der Antragstellerin nicht das Miteigentum an seinen Immobilien übertragen hätte, wenn er von einer Brautgabeverpflichtung ausgegangen wäre. Die Brautgabevereinbarung sei weiter nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, da sie eine einseitige Lastenverteilung beinhalte. Jedenfalls stehe dem Begehren die gebotene Ausübungskontrolle entgegen. Schließlich sei die Leistung der Goldmünzen gemäß § 275 Abs. 1 BGB dauerhaft unmöglich.
20Der Antragsgegner beantragt,
21die Anträge der Antragstellerin unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.
22Die Antragstellerin beantragt,
23die Beschwerde zurückzuweisen.
24Unter Verweis auf den gestiegenen Goldpreis begehrt die Antragstellerin nunmehr für den Fall, dass die Verpflichtung zur Leistung der Brautgabe nicht innerhalb der gerichtlich gesetzten Frist erfüllt wird, Schadensersatz in Höhe von 414.556 € nebst Zinsen.
25Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Nach iranischem Recht sei der Vertrag über die Brautgabe von der Wirksamkeit der Eheschließung unabhängig. Die Brautgabe sei im Einzelnen ausgehandelt worden. Die Familie des Antragsgegners im Iran sei sehr wohlhabend. Bereits bei der Eheschließung sei abzusehen gewesen, dass sie, die Antragstellerin, die Anglistik und Germanistik studiert habe, sich in der Ehe der Kinderbetreuung und Haushaltsführung widmen und nicht in gleicher Weise beruflich Karriere machen werde wie der Antragsgegner. Die Brautgabe habe sie finanziell absichern sollen.
26Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Rechtslage nach dem iranischen Recht. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen B. vom 07.12.2023 (Bl. 480 ff. GA) Bezug genommen.
27II.
28Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist teilweise begründet. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner aus der im Zuge der Eheschließung im Iran am 16.05.1996 getroffenen und in die Heiratsurkunde des Notariats Nr. 000 in Teheran (lfd. Nr. 000000) aufgenommenen Vereinbarung der Beteiligten einen Anspruch auf Herausgabe von 467 Bahar Azadi Goldmünzen und für den Fall, dass diese Verpflichtung nicht innerhalb der mit diesem Beschluss gesetzten Frist erfüllt wird, aus §§ 280, 281, 286 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 244.389,21 € nebst Zinsen.
291.
30Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts der Beteiligten in Deutschland aus §§ 105, 267 FamFG, 12, 13 ZPO (vgl. Prütting/Helms/Hau, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 105 Rn. 20).
312.
32Kollisionsrechtlich ist gemäß Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.02.1929 (im Folgenden: deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen) iranisches Recht anwendbar, soweit es um den abgeschlossenen Sachverhalt der Vereinbarung der Brautgabe und die Frage der ursprünglichen Wirksamkeit dieser Abrede geht. Demgegenüber beurteilen sich die rechtlichen Wirkungen der Brautgabevereinbarung im Übrigen und damit insbesondere auch die Frage einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB in der ab dem 29.01.2019 geltenden Fassung nach deutschem Recht.
33a)
34Ausgangspunkt dieser kollisionsrechtlichen Einordnung ist, dass der Anspruch auf die Brautgabe als allgemeine Ehewirkung zu qualifizieren und deshalb dem Art. 14 EGBGB zu unterstellen ist (BGH, FamRZ 2010, 533, Rn. 14). Hierbei handelt es sich um ein wandelbares Statut (BGH, FamRZ 2010, 533, Rn. 22). Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung am 08.08.2024 ist mithin aufgrund des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Beteiligten in Deutschland gemäß Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB in der ab dem 29.01.2019 geltenden Fassung grundsätzlich deutsches Recht anwendbar. Der Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/1103 (EUGüVO) ist in zeitlicher Hinsicht wegen der vor dem 29.01.2019 erfolgten Eheschließung der Beteiligten nicht eröffnet.
35b)
36Für abgeschlossene Tatbestände ist demgegenüber nach den allgemeinen Regeln über den Statutenwechsel weiterhin die bei der Verwirklichung des betreffenden Tatbestands maßgebliche Rechtsordnung anwendbar (BGHZ 63, 107; Staudinger/Mankowski, BGB, 2010, Art. 14 EGBGB Rn. 109; MüKoBGB/Looschelders, 9. Aufl. 2024, Art. 14 EGBGB Rn. 135). So bleibt eine auf der Grundlage eines islamischen Ehewirkungsstatuts wirksam getroffene Brautgabevereinbarung nach einem Statutenwechsel zum deutschen Recht weiterhin wirksam (OLG Celle, FamRZ 2023, 679, 680; OLG Zweibrücken, FamRZ 2007, 1555, 1557; MüKoBGB/Looschelders, 9. Aufl. 2024, Art. 14 EGBGB Rn. 135).
37Diesbezüglich folgt aus Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens die Anwendung iranischen Rechts. Zwar gilt das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen nur, wenn die Beteiligten ausschließlich die iranische oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. BGH, FamRZ 1986, 345, juris Rn. 7). Das war zum Zeitpunkt der Eheschließung im Iran der Fall, ist aber nicht mehr gegeben, nachdem beide Beteiligte inzwischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben. Wenn durch die nachträgliche Änderung der Staatsbürgerschaft die gemeinsame ausschließliche iranische oder deutsche Staatsangehörigkeit auch nur eines Ehegatten entfällt, führt dies mit Wirkung ex nunc zur Unanwendbarkeit des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens. Ab diesem Zeitpunkt ist das deutsche Kollisionsrecht einschlägig (vgl. Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, 3. Aufl. 2024, B Rn. 487).
383.
39Nach dem somit gemäß Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens für die Beurteilung des abgeschlossenen Sachverhalts der Vereinbarung der Brautgabe und der ursprünglichen Wirksamkeit dieser Abrede maßgeblichen iranischen Recht handelt es sich um eine wirksame Brautgabevereinbarung.
40a)
41Ohne Erfolg macht der Antragsgegner geltend, die Vereinbarung sei nach iranischem Recht wegen Unwirksamkeit der im Iran geschlossene Ehe der Beteiligten unwirksam. Nach dem überzeugenden und nicht angegriffenen Gutachten der Sachverständigen B. gilt nach Maßgabe des insoweit gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB einschlägigen iranischen Rechts Folgendes:
42Das iranische Recht schreibt für die Eheschließung keine Form vor. Es genügt der Konsens der Ehegatten. Nach Art. 1062 des iranischen Zivilgesetzbuches vom 17.02. und 12.03.1928 sowie vom 17., 19. und 20.04.1935 in der geltenden Fassung (im Folgenden: ZGB) kommt die Ehe durch Antrag und Annahme zustande. Die Ehe bedarf keiner Eheschließungszeugen und keiner Mitwirkung eines Geistlichen. Gleichwohl müssen die Ehegatten ihre Eheschließung bei den örtlich zuständigen amtlichen Eheschließungs- und Ehescheidungsstellen eintragen lassen. Die Eintragungspflicht wird jedoch nicht als konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ehe erachtet. Vielmehr wirkt die Eintragung nur deklaratorisch und dient dem Beweis über die Eheschließung. Wo der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten bei ihrer Eheschließung liegt, spielt weder für die formelle noch für die materielle Wirksamkeit der Eheschließung eine Rolle. Wenn diesbezüglich falsche Angaben gemacht werden, beeinflusst dies weder die formelle noch die materielle Wirksamkeit der Ehe.
43Die erneute Eheschließung war auch materiell wirksam. Das iranische Recht enthält kein ausdrückliches Verbot der Doppelehe. Nach Art. 1057 ZGB darf eine Frau, die dreimal hintereinander denselben Mann geheiratet hat und von diesem geschieden wurde, diesen Mann nicht mehr heiraten, es sei denn, sie schließt eine Dauerehe mit einem anderen Mann und diese Ehe wird nach ihrem Vollzug geschieden oder durch Tod oder Aufhebung aufgelöst. Art. 1058 ZGB regelt, dass einer neunmal von demselben Mann geschiedenen Frau, wenn sechs der Scheidungen widerruflich waren, die Ehe mit diesem Mann für immer verboten ist. Beide Vorschriften sind vorliegend nicht einschlägig. Art. 1050 ZGB, der die Ehe mit einer bereits verheirateten Frau bei Kenntnis dieser Tatsache für nichtig erklärt, bezieht sich auf eine mit einem anderen Mann verheiratete Frau, nicht auf die eigene Ehefrau.
44b)
45Der Einwand des Antragsgegners, das Brautgabeversprechen sei nur zum Schein abgegeben worden, führt ebenfalls nicht zum Erfolg seines Rechtsmittels.
46Ist die Brautgabe – wie hier – in einer amtlichen Urkunde verbrieft, ist ihr Bestreiten unzulässig. Denn nach Art. 1292 ZGB haben amtliche Urkunden, so die Sachverständige B., die volle Beweiskraft, es sei denn, die Fälschung der Urkunde wird behauptet. Dies ist hier aber nicht der Fall. Vielmehr entspricht es auch dem Vortrag des Antragsgegners, dass die Brautgabe in die Heiratsurkunde aufgenommen worden ist (S. 3 des Schriftsatzes vom 27.02.2023, Bl. 316 GA).
47Darüber hinaus steht der Annahme einer Nichtigkeit des Brautgabeversprechens als Scheingeschäft entgegen, dass von einem Bestreben der Beteiligten auszugehen ist, eine auch im Iran wirksame Ehe zu schließen und alle in diesem Rahmen für erforderlich gehaltenen Erklärungen abzugeben. Dies hat die Antragstellerin im Einzelnen schlüssig und überzeugend dargelegt. Der Vortrag des Antragsgegners, die Eheschließung im Iran sei nur erfolgt, um eine umfängliche Feier abhalten zu können und dem kulturellen Brauch Rechnung zu tragen, ist demgegenüber insofern in sich unschlüssig und nicht nachvollziehbar, als für die Austragung einer rein zeremoniellen Hochzeitsfeier eine erneute förmliche Eheschließung ebenso wenig notwendig gewesen wäre wie die – auch nach dem Vorbringen des Antragsgegners erfolgte – Aufnahme von Verpflichtungen in eine Heiratsurkunde. Unter Zugrundelegung einer Willensrichtung der Beteiligten, die auf eine im Iran wirksame Eheschließung zielte, ist davon auszugehen, dass die Beteiligten insgesamt rechtlich wirksame Erklärungen abgeben wollten. Die Annahme eines bloßen Scheingeschäfts ist damit nicht zu vereinbaren (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 11.03.2010 – 1 UF 146/08, BeckRS 2011, 4199).
48Zudem lässt sich der nach dem Gutachten der Sachverständigen B. erforderliche Konsens der Beteiligten über ein bloßes Scheingeschäft nicht feststellen, weil keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine entsprechende (konkludente) Erklärung der Antragstellerin bestehen und vom Antragsgegner insbesondere auch nicht im Schriftsatz vom 27.02.2023 dargetan worden sind, weshalb der vom Antragsgegner angebotene Zeugenbeweis nicht zu erheben war. Konkrete Erklärungen oder Verhaltensweisen der Antragstellerin, aus denen sich ergäbe, dass sie den in die Heiratsurkunde aufgenommenen Verpflichtungen des Antragsgegners keine verpflichtende Wirkung beimessen wollte, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. In Anbetracht der Tragweite des Brautgabeversprechens sind hierfür klare und unmissverständliche Willensbekundungen zu fordern. Solche zeigt der Antragsgegner nicht konkret auf. Bei der Würdigung des Erklärungsgehalts der Äußerungen und Verhaltensweisen der Beteiligten ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Eheschließung unabhängig vom Wohnort der Beteiligten anwendbaren iranischen Rechts über keine weitere rechtliche Absicherung seitens des Antragsgegners verfügte. Damit hatte das Brautgabeversprechen für die Antragstellerin existenzsichernde Bedeutung. Ohne dieses Versprechen hätte die Antragstellerin im Fall der Trennung keinerlei Ansprüche gegen den Antragsgegner gehabt. Bei dieser objektiven Interessenlage kann den Erklärungen der Antragstellerin im Zuge der Eheschließung im Iran und der urkundlichen Verbriefung eines Brautgabeversprechens auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragsgegners ein Rechtsbindungswille nicht abgesprochen werden.
49c)
50Auch im Übrigen ist nach iranischem Recht eine Unwirksamkeit der Brautgabevereinbarung nicht festzustellen. Eine der Regelung des § 138 BGB vergleichbare Vorschrift, nach der eine Brautgabevereinbarung sittenwidrig sein kann, enthält das iranische Recht nicht. Nach den überzeugenden und nicht angegriffenen Ausführungen der Sachverständigen B. begrenzt es auch nicht die zulässige Höhe eines solchen Versprechens. Art. 22 des Familienschutzgesetzes 2013 bestimmt lediglich eine Kappungsgrenze für die Vollstreckung des Brautgabenanspruchs. Der Anspruch wird davon weder dem Grunde noch der Höhe nach tangiert. Geregelt ist ein Vollstreckungsschutz des Schuldners. Für die Frage, ob die Brautgabe dem Grunde nach geschuldet ist, sind diese Bestimmungen nicht von Relevanz. Dessen ungeachtet hat der Senat angesichts des erkennbar gewordenen Vermögensstatus des Antragsgegners insbesondere unter Berücksichtigung des schon vom Amtsgericht zutreffend herangezogenen Immobilienvermögens keine durchgreifenden Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners.
51d)
52Eine Korrektur des Ergebnisses nach iranischem Recht über den deutschen ordre public nach Art. 6 EGBGB ist nicht geboten. Die Norm führt nur dort zur Anwendung deutschen Rechts, wo die Anwendung des berufenen Rechts im konkreten Fall zu Ergebnissen führt, die mit wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung unvereinbar sind. Dies ist vorliegend nicht ersichtlich.
53aa)
54Die Brautgabe entspricht geläufigen iranischen Wertvorstellungen, wobei die Funktion solcher Brautgaben heute vorrangig im Aufbau eines Vermögens für die Ehefrau für den Fall der Scheidung gesehen wird (BGH, FamRZ 2010, 533, Rn. 12; OLG Köln, FamRZ 2016, 720, 721). Soweit sie daneben auch weiteren Zwecken dienen, begründet dies nicht das Verdikt der Sittenwidrigkeit: Weder wird die Frau zur bloßen Ware herabgewürdigt noch ist es mit deutschen rechtsethischen Prinzipien schlechthin unvereinbar, dass mit der Brautgabe auch die verminderte Wiederverheiratungschance der verstoßenen Frau abgegolten und ihre sexuelle Hingabe in der Ehe gewürdigt wird (OLG Köln, FamRZ 2016, 720, 721; OLG Hamm, NJOZ 2013, 1006; OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 1580).
55bb)
56Auch eine für die Antragstellerin bei Eheschließung erkennbare krasse Überforderung des Antragsgegners durch die Brautgabe, die als Indiz für eine sittlich anstößige Ausnutzung einer emotionalen oder sozialen Zwangslage anzusehen sein oder zusammen mit weiteren Umständen für eine Erschwerung der Scheidung als einzigen Zweck dieses Geschäfts sprechen könnte, ist zu verneinen.
57Die bloße Höhe der versprochenen Summe ist noch kein Grund, das Versprechen für unwirksam zu halten. Brautgaben von 150 Bahar Azadi Goldmünzen waren bei iranischen Eheschließungen im Jahr 1985 üblich. Die nachfolgenden Erhöhungen auf 260 bis 350 Goldmünzen im Jahre 2004 und auf 300 bis 450 Goldmünzen im Jahr 2009 reflektierten den gestiegenen Bildungsstand der Iranerinnen. Ruinösen Brautgabeversprechen begegnet das bereits in Bezug genommene Gesetz zum Schutz der Familie aus dem Jahr 2013.
58Danach stellt sich das vom Antragsgegner im Mai 1996 abgegebene Brautgabeversprechen in Höhe von 700 Bahar Azadi Goldmünzen keineswegs als eine die Grenzen privatautonomer Vertragsgestaltung grob missachtende Vereinbarung dar, und zwar auch nicht in Anbetracht der damals vorhandenen und – bei Anforderung der Brautgabe im Fall der Trennung – zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsgegners. Der Antragsgegner entstammt einer im Iran vermögenden Familie. Er war bei Eheschließung Student der Medizin. Ausgebildete Mediziner erzielen in Deutschland in der Regel hohe Einkommen und sind vielfach in der Lage, Vermögen zu bilden. Das Brautgabeversprechen stand nicht erkennbar außer Verhältnis zu einer solchen erwartbaren Einkommens- und Vermögensposition des Antragsgegners.
59Eine krasse finanzielle Überforderung folgt schließlich nicht daraus, dass der Antragsgegner sich in der notariellen Eheurkunde nicht nur zur Zahlung der Brautgabe, sondern auch dazu verpflichtet hat, der Antragstellerin bis zur Hälfte des Wertes seines während der Ehe erwirtschafteten Vermögens zu übertragen, sollte er die Scheidung der Ehe beantragen. Diese Regelung hat im Unterschied zur Brautgabe eine güterrechtliche Funktion und ist im Iran jedenfalls nicht unüblich (vgl. OLG Köln, FamRZ 2006, 1380, 1382). Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass das iranische Recht nur den Güterstand der Gütertrennung kennt. Auch unter diesem Blickwinkel ist daher keine Korrektur des Ergebnisses nach iranischem Recht über den deutschen ordre public geboten.
60Abgesehen davon ist ein Vertrag, der zu finanziell überfordernden Ergebnissen einer Vertragspartei führt, nach deutschem Recht schon vor dem Hintergrund der Privatautonomie nicht stets nichtig. Insbesondere gewährleisten der im deutschen Recht bestehende Schutz des Schuldners in der Zwangsvollstreckung und die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung nach der Insolvenz, dass auch bei überfordernden Verträgen nicht übermäßig in die Freiheitsrechte des Schuldners eingegriffen wird. Vor diesem Hintergrund würde selbst die Durchsetzung eines überfordernden Brautgabeversprechens in Deutschland jedenfalls nicht zu Ergebnissen führen, die es geböten, die Wirksamkeit nicht nach dem an sich berufenen iranischen Recht zu beurteilen, sondern dieses durch dem deutschen Recht entnommene Grundsätze zu ersetzen.
614.
62Nach dem für die rechtlichen Wirkungen der Brautgabevereinbarung im Übrigen gemäß Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB in der ab dem 29.01.2019 geltenden Fassung maßgeblichen deutschen Recht steht dem Anspruch auf Leistung einer Brautgabe dem Grunde nach kein Einwand entgegen, ist die Verpflichtung aber unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsgrundlagenstörung gemäß § 313 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die der Antragstellerin aus dem Versorgungsausgleich zufließenden Anrechte herabzusetzen.
63a)
64Der Einwand der Unmöglichkeit steht der Verpflichtung zur Herausgabe der Goldmünzen auch mit Blick auf den Vortrag des Antragsgegners zum Verbot der Ausfuhr aus dem Iran nicht entgegen. Es ist nicht zweifelsfrei festzustellen, dass die geschuldeten Münzen nicht auch außerhalb des Irans zu beschaffen sind, erforderlichenfalls im Wege des Erwerbs von mehreren – privaten oder gewerblichen – Veräußerern im In- und Ausland. Dass die Beschaffung am Markt ausgeschlossen, also die gesamte Gattung nicht mehr verfügbar ist, vermag der Senat nicht zu erkennen.
65b)
66Im Fall der nicht fristgemäßen Erfüllung der Verpflichtung zur Herausgabe der Brautgabe besteht gemäß §§ 280, 281 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung.
67Die Höhe der Schadensersatzleistung bemisst sich wie folgt:
68Gemäß der Brautgabevereinbarung schuldet der Antragsgegner der Antragstellerin die Herausgabe von 700 Bahar Azadi Goldmünzen. Bei einem Goldgehalt einer Goldmünze Bahar Azadi von 7,322 g errechnet sich angesichts eines Gesamtgoldgehalts von 700 Münzen von (700 x 7,322 g =) 5.125,40 g und einem Goldpreis von 71,472 € am 08.08.2024 ein Gesamtwert der vereinbarten Brautgabe von (5.125,40 g x 71,472 € =) 366.322,58 €.
69Maßgeblich für die Bewertung ist der Tag der abschließenden mündlichen Verhandlung vor dem Senat (08.08.2024). Der Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB bezweckt nämlich, den Gläubiger im Ergebnis so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Leistung des Schuldners stünde. Im Rechtsstreit ist dabei auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen (MüKoBGB/Emmerich, 9. Aufl. 2022, Vor § 281 Rn. 3).
70c)
71Der Anspruch ist gemäß § 313 Abs. 1 BGB wegen teilweisen Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf die Herausgabe von 467 Goldmünzen bzw. auf Schadensersatz in Höhe von 244.389,21 € herabzusetzen.
72aa)
73Der Wechsel des allgemeinen Ehewirkungsstatuts kann eine schwerwiegende Veränderung der für den Vertragsschluss maßgeblichen Umstände i.S.d. § 313 Abs. 1 BGB darstellen, die eine Vertragsanpassung gebietet (OLG Celle, FamRZ 2023, 679, 680; Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 8. Aufl. 2023, Rn. 876). Hieraus ergibt sich im Hinblick auf die Funktion der Brautgabe eine Störung der Geschäftsgrundlage. Die wichtigste Funktion der Brautgabe besteht nämlich darin, der Ehefrau eine finanzielle Absicherung für den Zeitraum nach Beendigung der Ehe zu verschaffen. Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung der Brautgabe ist daher das Fehlen einer ausreichenden anderweitigen Absicherung der Ehefrau (vgl. Looschelders, FamRZ 2023, 682). Wenn der Ehefrau nach einem Wechsel des Scheidungs- und Folgesachenstatuts Ansprüche aus dem deutschen Scheidungsfolgenrecht zustehen, ist die vertragliche Prämisse einer fehlenden finanziellen Absicherung der Ehefrau insoweit hinfällig geworden. Eine ungeschmälerte Verpflichtung des Ehemannes sowohl aus der Brautgabevereinbarung als auch aus den Normen des deutschen Scheidungsfolgenrechts kann zu einer unbilligen Kumulation der Haftung des Ehemannes und der Ansprüche der Ehefrau führen. Typischerweise haben die Eheleute nicht die Absicht, die Ehefrau mit allen diesen Vorteilen auszustatten, so dass eine Kürzung der Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage geboten sein kann (Finger, FuR 2024, 387, 390). Eine unbillige doppelte Partizipation der Ehefrau am Vermögen des Ehemannes kann sich insbesondere ergeben, wenn der Ehemann im Versorgungsausgleich die Hälfte seiner in der Ehezeit erworbenen Anrechte abgeben muss und daneben auch noch die volle vereinbarte Brautgabe zu zahlen hat (Koch, FF 2018, 351, 355).
74bb)
75Auf dieser Grundlage ist die Brautgabevereinbarung gemäß § 313 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung der Verpflichtung des Antragsgegners aus der Folgesache Versorgungsausgleich wegen Störung der Geschäftsgrundlage dergestalt anzupassen, dass die Brautgabeverpflichtung um den der Antragstellerin zustehenden Saldo aus dem Wertausgleich nach §§ 10 ff. VersAusglG gekürzt wird. Diese Vertragsanpassung ist wegen des nachträglichen Statutenwechsels geboten.
76(1)
77Es ist zu einem vertragswesentlichen Statutenwechsel gekommen.
78Bei Heirat galt für die Ehe gemäß Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens iranisches Recht, das die nacheheliche Versorgung der Frau außerhalb der Brautgabe nicht gewährleistet und im Grundsatz weder Unterhaltsansprüche noch die Teilhabe am Vermögen des Mannes vorsieht. Der Aufenthalt der Beteiligten in Deutschland war insoweit aufgrund der Staatsangehörigkeitsanknüpfung dieser Norm unerheblich.
79Ein Statutenwechsel trat nach Abschluss der Brautgabevereinbarung mit dem Erwerb auch der deutschen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin im August 2000 und des Antragsgegners im März 2001 ein. Nachdem die Beteiligten im März 2001 beide auch die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatten, unterlagen die Ehewirkungen nunmehr nach Maßgabe der gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB entscheidenden deutschen Staatsangehörigkeit gemäß Art 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB in der bis zum 28.01.2019 geltenden Fassung deutschem Recht, was gemäß Art 17 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 EGBGB in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung auch die Folgesache Versorgungsausgleich betraf. Dies ist auch bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidung der Fall. Die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit des deutschen Rechts ergibt sich für die Scheidung aus Art. 8 lit. a der Verordnung (EU) 1259/2020 (Rom III-VO), für die wechselseitigen Unterhaltsansprüche aus Art. 15 VO (EG) 4/2009 i.V.m. Art. 3 HUP 2007 und für den Versorgungsausgleich aus Art. 17 Abs. 4 S. 1 EGBGB in der seit dem 29.01.2019 geltenden Fassung.
80Lediglich die übrigen vermögensrechtlichen Ansprüche der Beteiligten richten sich weiterhin nach iranischem Recht. Denn das auf den Güterstand anzuwendende Recht ist bei vor dem 29.01.2019 geschlossenen Ehen weiterhin Art. 15 Abs. 1 EGBGB in der bis zum 28.01.2019 geltenden Fassung zu entnehmen (Art. 229 § 47 Abs. 2 EGBGB). Danach bestimmen sich die güterrechtlichen Folgen der Ehe nach der Rechtsordnung, die bei Heirat für die allgemeinen Ehewirkungen galt, hier mithin nach iranischem Recht. Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft führt auch mit Blick auf die effektive Staatsangehörigkeit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu keiner abweichenden Einordnung. Denn der für die Bestimmung der Effektivität oder das Vorliegen einer deutschen Staatsangehörigkeit maßgebliche Zeitpunkt richtet sich nach der zugrundeliegenden Kollisionsnorm. Daher ist bei einem unwandelbaren Statut die erst nach der Eheschließung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit unmaßgeblich (MüKoBGB/v. Hein, 9. Aufl. 2024, Art. 5 EGBG Rn. 63). Das iranische Güterrecht besteht bei früherer beiderseitiger iranischer Staatsangehörigkeit der Ehegatten unwandelbar fort (OLG Frankfurt, FamRZ 2017, 357, 359). Soweit das nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB in der bis zum 28.01.2019 geltenden Fassung unwandelbare Güterrechtsstatut betroffen ist, verbleibt es damit auch in Ansehung der effektiven Staatsangehörigkeit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBG bei der Geltung iranischen Rechts.
81(2)
82Die mit der Brautgabevereinbarung bezweckte finanzielle Absicherung der Antragstellerin für den Zeitraum nach Beendigung der Ehe ist im Umfang der der Antragstellerin zustehenden Ansprüche auf Wertausgleich in der Folgesache Versorgungsausgleich nach §§ 10 ff. VersAusglG zum Teil erreicht.
83(a)
84Der Antragstellerin steht im Versorgungsausgleich nach Saldierung der Ausgleichswerte der wechselseitigen Versorgungsanrechte der Beteiligten ein Gesamtausgleich in Höhe eines Kapitalwerts von 122.506,52 € zu. Wie die Ermittlungen des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich ergeben haben, ist das Anrecht des Antragsgegners bei der Ärzteversorgung C.-Stadt mit 28,1173 Steigerungszahlen auszugleichen, was einem korrespondierenden Kapitalwert von 215.603,46 € entspricht. Auf Seiten der Antragstellerin ist die Versorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder mit einem Ehezeitanteil von 44,97 Versorgungspunkten (korrespondierender Kapitalwert: 9.397,49 €) auszugleichen sowie das gesetzliche Rentenanrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 83.699,45 € (Schriftsatz der Antragstellerin vom 12.10.2022, S. 6 = Bl. 296 GA). Die weiteren Anrechte des Antragsgegners bei der D. Lebensversicherung AG (Ausgleichskapitalwert: 3.322,55 €) und der Antragstellerin bei der E. Lebensversicherung a.G. (Ausgleichskapitalwert: 2.907,46 €) sowie bei der Lebensversicherung F. a.G. (Ausgleichskapitalwert: 2.998,34 €) sind nach § 18 Abs. 2 VersAusglG wegen Geringfügigkeit des Ausgleichswerts nicht auszugleichen. Daraus resultiert ein Saldo der wechselseitigen Ausgleichswerte zugunsten der Antragstellerin in Höhe von (215.603,46 € - 9.397,49 € - 83.699,45 € =) 122.506,52 €.
85(b)
86In diesem Umfang käme es bei Zuerkennung der ungekürzten Brautgabe zu einer unzumutbaren kumulierten Verpflichtung des Antragsgegners aus der Brautgabevereinbarung und aus dem Versorgungsausgleich. Zwar ist die Absicherung der Ehefrau für den Fall des Alters und der Erwerbsunfähigkeit nicht der einzige und nicht der im Vordergrund stehende Zweck der Brautgabe (Koch, FF 2018, 351, 355). Im Rahmen der Zumutbarkeitsabwägung ist hier aber maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Altersvorsorgesituation der Antragstellerin nicht nur durch die Brautgabe, sondern auch durch die Übertragung des Miteigentums an zuvor im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden Immobilien (Einfamilienhaus in G.-Stadt sowie Eigentumswohnung in Spanien) auf die Antragstellerin in ganz erheblichem Ausmaß gestärkt worden ist. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Verpflichtung des Antragsgegners sowohl zur Herausgabe der Brautgabe als auch zum Ausgleich des Saldos aus dem Versorgungsausgleich unzumutbar und eine Herabsetzung der Brautgabe um den vollen Ausgleichssaldo geboten.
87(3)
88Mit Blick auf einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist demgegenüber keine Anpassung der Brautgabevereinbarung geboten. Insoweit besteht kein tragfähiger Anhalt für eine unbillige Kumulation von Verpflichtungen des Antragsgegners und eine doppelte Partizipation der Antragstellerin am Vermögen des Antragsgegners. Denn die Brautgabe zielt jedenfalls vorrangig darauf, dass die Ehefrau Vermögen aufbaut (BGH, FamRZ 2010, 533, Rn. 12). Dies wird nicht über den Unterhalt gewährleistet (vgl. OLG Celle, FamRZ 2023, 679, 681). Vor diesem Hintergrund ist allein aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme auf nachehelichen Unterhalt keine schwerwiegende Veränderung der für die Brautgabevereinbarung maßgeblichen Umstände i.S.d. § 313 Abs. 1 BGB herzuleiten. Hinzu kommt, dass die geleistete Brautgabe bei der Bemessung eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt gemäß § 1577 BGB bedarfsmindernd angerechnet wird, und zwar sowohl hinsichtlich der Vermögenserträge als auch grundsätzlich hinsichtlich des Vermögensstamms, weshalb insoweit keine unzumutbare Inpflichtnahme des Ehemannes droht (Koch, FF 2018, 351, 355).
89cc)
90Damit ist der Brautgabeanspruch der Antragstellerin wie folgt herabzusetzen:
91Der ungekürzte Anspruch aus der Brautgabevereinbarung beläuft sich auf 700 Bahar Azadi Goldmünzen, was zum maßgeblichen Stichtag am 08.08.2024 – wie dargelegt – einem Betrag von 366.322,58 € entspricht. In Relation zu diesem Wert lassen die Ansprüche der Antragstellerin aus dem Versorgungsausgleich (Kapitalwert des Ausgleichsaldos zu ihren Gunsten: 122.506,52 €) eine Kürzung der Brautgabe um 1/3 angezeigt erscheinen. Damit reduziert sich der Brautgabeanspruch auf rund 467 Goldmünzen. Hieraus folgt bei einem Goldgehalt einer Goldmünze Bahar Azadi von 7,322 g ein Gesamtgoldgehalt von (467 x 7,322 g =) 3.419,37 g, was auf Basis eines Goldpreises von 71,472 € am 08.08.2024 zu einem Wert der herabgesetzten Brautgabe von (3.419,37 g x 71,472 € =) 244.389,21 € führt.
925.
93Die Fristsetzung zur Leistung und die Titulierung der Verpflichtung zum Schadensersatz in Geld rechtfertigen sich aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 255 Abs. 1, 259 ZPO i.V.m. §§ 280, 281 BGB.
94Wie unter Punkt 4.b) ausgeführt, hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner aus dem durch die Brautgabevereinbarung begründeten Schuldverhältnis im Fall der nicht fristgemäßen Erfüllung gemäß §§ 280, 281 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung. Im Hinblick auf diese materiell-rechtliche Befugnis war dem Antragsgegner auf den Antrag der Antragstellerin gemäß § 255 Abs. 1 ZPO eine angemessene Frist zur Erfüllung zu setzen. Der Antrag auf die künftige Schadensersatzleistung ist gemäß § 259 ZPO zulässig. Da der Antragsgegner den Anspruch ernstlich bestritten hat, ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass sich der Antragsgegner der rechtzeitigen Leistung entziehen wird.
956.
96Der nach Maßgabe der Ausführungen zu Punkt 4.b) begründete Schadensersatzanspruch ist, wie vom Amtsgericht zutreffend erkannt, gemäß §§ 286, 288 BGB ab dem auf den Ablauf der mit diesem Beschluss gesetzten Frist zu verzinsen.
97III.
98Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 113 Abs. 1 FamFG 92 Abs. 1 ZPO.
99Die Wertfestsetzung hat ihre Grundlage in §§ 40 Abs. 1, 42 Abs. 1, 34 FamGKG.
100IV.
101Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Im Hinblick auf die zitierte höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, der der Senat unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Einzelfalls folgt, hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das von der Antragstellerin angeführte Verfahren vor dem Kammergericht (Az. 3 UF 39/21) betrifft eine andere kollisionsrechtliche Konstellation, da dort in Abweichung vom vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs aufgrund beiderseitiger ausschließlicher Staatsangehörigkeit der Beteiligten unproblematisch insgesamt Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens einschlägig ist. Es ergibt sich auch keine Abweichung zu der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung des OLG Frankfurt vom 13.10.2023 (Az. 6 WF 138/23), weil auch in der hiesigen Entscheidung die beim Statutenwechsel bereits eingetretenen und abgeschlossenen Wirkungen nach iranischem Recht beurteilt werden. Schließlich enthält die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 27.02.2018 (Az. 20 UF 142/16) keine konkreten Ausführungen zu dem für die Bewertung der Brautgabe maßgeblichen Stichtag, so dass auch insoweit eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst ist.
102… … …..