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Erwirbt ein Mitglied der Erbengemeinschaft in der Teilungsversteigerung ein zum Nachlass gehörendes Grundstück, das mit forderungslosen Grundschulden belastet ist, die nach den Versteigerungsbedingungen nicht durch das Bargebot zu decken waren, und die der Ersteher nach dem Zuschlag aufgrund vorliegender Löschungsbewilligungen löschen lässt, können die anderen Miterben nicht aus § 816 Abs. 2 BGB die Zahlung des Nennbetrages der gelöschten Grundpfandrechte an die Erbengemeinschaft verlangen.
Eine Zahlung des Nennbetrages der gelöschten forderungslosen Grundschulden kann ebenso wenig aus § 816 Abs. 1 BGB beansprucht werden, wenn die anderen Miterben vor Zuschlagserteilung der Löschung zugestimmt haben und ihr Einverständnis nicht vor der Löschung widerrufen haben.
Einreden aus dem Sicherungsvertrag stehen dem Ersteher des Grundstücks nicht zu.
Dieser kann aber in seiner Eigenschaft als Mitglied der Erbengemeinschaft gegen die anderen Miterben, die aus den Grundschulden die Zwangsvollstreckung betrieben wollen, die Einrede erheben, dass die Vollstreckung aus den nicht mehr valutierten Grundschulden unstatthaft ist.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Oktober 2022 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Kleve abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streithelfer trägt seine Aufwendungen selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 65.000 € festgesetzt.
G r ü n d e
2I.
3Die Klägerin, die Beklagte und der Streithelfer sind in ungeteilter Erbengemeinschaft die Miterben ihres im Jahr 2010 verstorbenen Vaters.
4Zum Nachlass gehörte ein Hausgrundstück in A.-Stadt nebst Garage. Das Grundstück war mit zwei Grundpfandrechten belastet, die ursprünglich Verbindlichkeiten des Erblassers absicherten, nämlich mit einer Buchhypothek zugunsten der Stadt B. über einen Betrag von 15.000 DM und mit einer Sicherungsgrundschuld zugunsten des C. über 104.000 DM. Noch zu Lebzeiten des Erblassers waren die grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen getilgt und war jedenfalls vom C. eine Löschungsbewilligung an den Erblasser erteilt worden. Die Löschung der Grundpfandrechte war nicht veranlasst worden.
5Im Frühjahr 2019 wurde das Hausgrundstück des Erblassers zum Zwecke der Aufhebung der zwischen den Erben bestehenden Gemeinschaft zwangsversteigert. Das dazu eingeholte Wertgutachten beziffert den Grundstückswert einschließlich Garage auf 190.500 Euro. Im Versteigerungstermin blieb die Beklagte Meistbietende und erwarb den Grundbesitz durch Zuschlag am 18. April 2019 zu einem Preis von 190.005 Euro. Die beiden Grundpfandrechte waren nach den Versteigerungsbedingungen nicht durch Zahlung zu decken und blieben daher bestehen.
6Nach der Zuschlagserteilung ließ die Beklagte die Hypothek und die Grundschuld löschen und veräußerte das Hausgrundstück nebst Garage an einen Dritten.
7Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin – vom Streithelfer vollumfänglich unterstützt – die Verurteilung der Beklagten, den Nennbetrag der beiden Grundpfandrechte in Höhe von 60.843,74 Euro nebst Zinsen an die Erbengemeinschaft zu zahlen.
8Das Landgericht hat der Klage aus § 816 Abs. 2, 818 Abs. 2 BGB stattgegeben.
9Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Zur Begründung macht sie im u.a. geltend, dass der eingeklagten Forderung der Einwand des missbräuchlichen Verhaltens entgegenstehe. Dazu führt sie näher aus.
10Die Beklagte beantragt,
11das angegriffene Urteil des Landgerichts Kleve abzuändern und die Klage abzuweisen.
12Die Klägerin und der Streithelfer beantragen,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil und treten den Berufungsangriffen im Einzelnen entgegen.
15Der Senat hat den Sach- und Streitstand sowie die Rechtslage mit den Parteien im Einzelnen erörtert. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 18. April 2024 Bezug genommen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu denAkten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den nachfolgenden Gründen unter Abschnitt II. verwiesen.
17II.
18Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Beklagte ist der Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Zahlung der Nennbeträge der in der Zwangsversteigerung bestehen gebliebenen Grundpfandrechte der Stadt B. und des C. verpflichtet.
19A. Die Klage ist zulässig.
20Die Klägerin ist nach § 2039 Satz 1 2. Alt. BGB in gesetzlicher Prozessstandschaft befugt, zum Nachlass gehörende Ansprüche im eigenen Namen für die Erbengemeinschaft einzuklagen. Zutreffend begehrt sie Zahlung der beiden Nennbeträge der Grundpfandrechte in der Gesamthöhe von 60.843,74 Euro nebst Zinsen an die Erbengemeinschaft und nicht eine anteilige Zahlung an sich selbst.
21B. Die Klage ist aber unbegründet.
22Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Nennbetrag der nach der Zwangsversteigerung als forderungslose Fremdgrundschulden bestehen gebliebenen Grundpfandrechte der Stadt B. und des C. durch Zahlung an die Erbengemeinschaft abzulösen. Das folgt bereits aus der bestehenden schuld- und sachenrechtlichen Lage, so dass es auf den von der Berufung erhobenen Missbrauchseinwand nicht mehr ankommt.
231. Ein Zahlungsanspruch aus §§ 816 Abs. 2, 818 Abs. 2 BGB besteht – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht. Nach der zuerst genannten Vorschrift ist dann, wenn eine Leistung an einen Nichtberechtigten bewirkt wird, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet. Kann das Geleistete nicht herausgegeben werden, ist nach der zweitgenannten Vorschrift Wertersatz zu leisten.
24Im Streitfall liegen die Anspruchsvoraussetzungen des § 816 Abs. 2 BGB nicht vor. Es fehlt an einer Leistung, die an die Beklagte als Nichtberechtigte erbracht worden ist und die der Klägerin und ihrem Streithelfer als Berechtigte gegenüber wirksam ist und zum Erlöschen der beiden Grundpfandrechte geführt hat.
25a) Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung maßgeblich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 1989 (Az.: IX ZR 145/87) abgestellt. In jener Entscheidung hat der Bundesgerichtshof einen Zahlungsanspruch der früheren Grundstückseigentümer gegen den Ersteher ihres Grundstücks in Höhe des Nennbetrags des in der Zwangsversteigerung bestehen gebliebenen Grundpfandrechts nach § 816 Abs. 2 BGB bejaht und angenommen, der Grundschuldgläubiger habe dadurch an den Nichtberechtigten geleistet, dass er die Löschungsbewilligung für das forderungslos gewordene Grundpfandrecht nicht den früheren Miteigentümern des Grundstücks als aus dem Sicherungsvertrag Anspruchsberechtigte erteilt hatte, sondern dem Ersteher des Grundstücks als Nichtberechtigten.
26b) Der Entscheidungsfall liegt grundlegend anders. Die beiden Bewilligungen zur Löschung der Grundschuld für das C. und der Hypothek für die Stadt B. sind nicht an die Beklagte als Nichtberechtigte geleistet worden.
27aa) Das C. hat seine Löschungsbewilligung bereits im Jahr 1992 an den Erblasser, mithin an den seinerzeit aus der Sicherungsabrede Berechtigten, erteilt.
28bb) Die Stadt B. hat ihre Löschungsbewilligung im Februar oder März 2019 ebenfalls nicht an die Beklagte, sondern an den Streithelfer der Klägerin übersandt. Dieser war ausweislich des Schreibens seines Prozessbevollmächtigten vom 8. März 2019 (Anlage BK 1, GA 45) von der Erbengemeinschaft beauftragt und bevollmächtigt, sich um die Beschaffung der Löschungsbewilligung zu kümmern („… für alle in Vorlage tretend“). Wie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 4. April 2019 (Anlagen BK 2 und BK 2 a, GA II 47, 129) ergibt, sind die Löschungsbewilligungen des C. und der Stadt B. an das Amtsgericht Geldern übersandt worden und lagen dort vor, als die Beklagte nach der Zuschlagserteilung am 18. April 2019 die Löschung der beiden Grundpfandrechte beantragte.
29Bei dieser Ausgangslage hat die Stadt B. ihre Löschungsbewilligung an die Erbengemeinschaft als Berechtigte geleistet. Unter einer Leistung im Sinne von § 816 Abs. 2 BGB ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen. Dabei ist Leistung im Rechtssinne gemeint; nicht entscheidend ist, wer an wen in tatsächlicher Hinsicht "geleistet" hat. Für die Beurteilung, wer Leistender und wer Empfänger einer Leistung ist, kommt es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung an. Maßgeblich ist grundsätzlich der Zweck, den die Beteiligten im Zeitpunkt der Zuwendung mit dieser nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Nur dann, wenn die Vorstellungen der Beteiligten nicht übereinstimmen, ist eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers (Empfängerhorizont) geboten. Entscheidend ist dann, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Zuwendung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste und durfte (zuletzt: BGH, Urteil vom 20.3.2019, VIII ZR 88/18 m.w.N.). Im Streitfall hat der Streithelfer der Klägerin die Löschungsbewilligung für die Erbengemeinschaft erbeten und die Stadt B. ist diesem Wunsch nachgekommen. Dementsprechend ist die Bewilligung nach dem übereinstimmenden Willen der an dem Vorgang Beteiligten im Verhältnis zwischen der Stadt B. und der Erbengemeinschaft – und nicht an die Beklagte als Nichtberechtigte – geleistet worden. Das muss umso mehr geltend, als im Februar oder März 2019 eine Zuschlagserteilung an die Beklagte – und infolge dessen auch ein Interesse der Beklagten am Erhalt der Löschungsbewilligung für sich alleine – nicht einmal in Sicht war.
30c) Dass an die Beklagte als Nichtberechtigte nach der Erteilung des Zuschlags am 18. April 2019 eine andere Leistung im Sinne von § 816 Abs. 2 BGB erbracht worden ist, die der Erbengemeinschaft gegenüber wirksam ist und zum Erlöschen der beiden Grundpfandrechte geführt hat, ist nicht zu erkennen. Dazu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen und insoweit trägt auch die Klägerin nichts vor. Dass die Beklagte beim zuständigen Grundbuchamt unter Hinweis auf die dort vorliegenden Löschungsbewilligungen die Löschung der Grundpfandrechte beantragt hat, stellt keine „Leistung“ an sie dar.
312. Die Klageforderung rechtfertigt sich ebenso wenig aus § 816 Abs. 1 BGB. Danach ist ein Nichtberechtigter, der über einen Gegenstand eine Verfügung trifft, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet.
32a) Die Beklagte könnte dadurch, dass sie beim Grundbuchamt die Löschung der Grundpfandrechte für das C. und die Stadt B. beantragt hat, eine Verfügung im Sinne von § 816 Abs. 1 BGB getroffen haben, die der Erbengemeinschaft gegenüber wirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.3.2001, II ZR 277/00).
33b) Die Beklagte hat diese Verfügung aber nicht als Nichtberechtigte vorgenommen.
34aa) Berechtigt an den beiden Löschungsbewilligungen – und somit auch zur Löschung der Grundpfandrechte – war im Ausgangspunkt die Erbengemeinschaft als Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht die Beklagte persönlich. Das gilt auch für die Zeit nach der Zuschlagserteilung am 18. April 2019. Die gemeinsame Berechtigung der Erbengemeinschaft an den Löschungsbewilligungen ist weder durch die Versteigerung des Grundstücks noch durch den erteilten Zuschlag untergegangen (vgl. BGH, Urteil vom 19.3.2001, II ZR 277/00).
35bb) Gleichwohl hat die Beklagte die in Rede stehende Verfügung nicht als Nichtberechtigte veranlasst, weil die Klägerin und ihr Streithelfer mit der Löschung der beiden Grundpfandrechte einverstanden waren (§ 183 Satz 1 BGB).
36(1) Die Klägerin hatte unter dem 4. April 2019 (Anlage BK 2 a) in einem von der Beklagten vorbereiteten Schreiben an das zuständige Amtsgericht Geldern die Löschung der beiden Grundpfandrechte unter Hinweis auf die dort bereits vorliegenden Löschungsbewilligungen selbst beantragt. Dass sie diese Einwilligung zur Löschung der Beklagten gegenüber bis zum Löschungsantrag zurückgenommen hat, ist vom Landgericht nicht festgestellt worden. Das vorgerichtliche Schreiben der Klägerin mit der Aufforderung zur Zahlung der Nennbeträge der Grundpfandrechte vom 8. September 2020 ist erst nach der Löschung der Grundpfandrechte erfolgt und deshalb rechtlich unerheblich.
37(2) Der Streithelfer der Klägerin hat zwar das Schreiben vom 4. April 2019 nicht unterzeichnet, weil er es – wie er behauptet und unwiderlegt geblieben ist – nicht erhalten hat. Er hat sich aber um die Löschung der Grundpfandrechte bemüht und für die Erbengemeinschaft die Löschungsbewilligung der Stadt B. beigebracht (Anlage BK 1, GA II 45). Das bringt sein Einverständnis mit der Löschung der Grundpfandrechte zum Ausdruck. Dass der Streithelfer sein Einverständnis rechtzeitig vor der Löschung widerrufen hat, ist nicht festzustellen. Sein vorgerichtliches Schreiben zur Zahlung der Nennbeträge der Grundpfandrechte vom 16. Juli 2020 liegt nach der Löschung und ist rechtlich unerheblich.
38(3) Das Einverständnis der Klägerin und ihres Streithelfers mit einer Löschung der forderungslosen Grundpfandrechte ist nicht dadurch hinfällig geworden, dass die Beklagte das Hausgrundstück in der Teilungsversteigerung zu Alleineigentum erworben hat und sich infolge dessen die der Erbengemeinschaft zustehenden Eigentümergrundschulden in Fremdgrundschulden verwandelt haben. Bei einer vernünftigen und redlichen Betrachtung bestand für die Klägerin und den Streithelfer nämlich kein rechtliches Interesse, wegen des Zuschlags von einer Löschung der Grundpfandrechte Abstand zu nehmen.
39(3.1) Allerdings sind die beiden Grundpfandrechte, die nach den Versteigerungsbedingungen nicht durch Zahlung zu decken waren, infolge des Zuschlags an die Beklagte nicht erloschen, sondern gemäß §§ 91 Abs. 1, 52 Abs. 1 ZVG bestehen geblieben. Zugleich haben sich die beiden Grundpfandrechte, die ursprünglich Eigentümergrundschulden der Erbengemeinschaft waren, in Fremdgrundschulden verwandelt (vgl. BGH, Urteil vom 31.10.1985, IX ZR 95/85). Denn die Klägerin und der Streithelfer sind durch den Zuschlag aus ihrer bis dahin bestehenden Miteigentümerstellung ausgeschieden. Als Gläubiger der neu entstandenen Fremdgrundschulden waren die Klägerin und der Streithelfer im Ausgangspunkt gemäß §§ 1191, 1147 BGB berechtigt, die Zwangsvollstreckung in das von der Beklagten ersteigerte Grundstück zu betreiben.
40(3.2) Als Ersteherin des Grundstücks standen der Beklagten aus dem Sicherungsvertrag mit dem C. und der Stadt B.g keine Einreden zur Abwendung dieser Zwangsvollstreckung zu.
41(a) Der Eigentümer, der eine Sicherungsgrundschuld bestellt, besitzt gegen den Sicherungsnehmer einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Abtretung, Verzicht oder Aufhebung der nicht mehr valutierten Grundschuld. Mit diesem Anspruch erlangt der Besteller der Sicherungsgrundschuld zugleich die Einreden nach den §§ 1169, 1192 BGB, durch die die Geltendmachung der Grundschuld dauernd ausgeschlossen wird. Grundlage für den Anspruch gegen den Grundschuldgläubiger auf Übertragung, Abtretung oder Verzicht (§§ 1168, 1192 BGB) oder Aufhebung (§§ 875, 1183, 1192 BGB) der nicht mehr valutierten Grundschuld ist der Sicherungsvertrag (zuletzt: BGH, Urteil vom 20.10.2023, V ZR 9/22 m.w.N.).
42(b) Auf die Einreden aus dem Sicherungsvertrag kann sich die Beklagte in ihrer Position als Ersteherin indes nicht berufen.
43Sollen – wie hier – nach den Versteigerungsbedingungen vorhandene Grundpfandrechte bestehen bleiben, werden die Rechte des Grundschuldgläubigers bei der Teilungsversteigerung dadurch gewahrt, dass die Grundschuld bei der Feststellung des geringsten Gebots (§ 44 Abs. 1 ZVG) berücksichtigt und von dem Ersteher als neuen Eigentümer übernommen werden (§§ 182, 52 Abs. 1 ZVG). Der Ersteher erwirbt ein belastetes Grundstück, hat dafür aber ein entsprechend geringeres Bargebot nach § 49 Abs. 1 ZVG zu entrichten; ein Teil des nach den Versteigerungsbedingungen zu erbringenden Kaufpreises wird durch den nominalen Grundschuldbetrag ersetzt. Da die Grundschuld bestehen bleibt, hat der Ersteher aus dem zugeschlagenen Grundstück bei Fälligkeit die Grundschuld zu befriedigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die durch das Grundpfandrecht gesicherte persönliche Schuld nach § 53 Abs. 2 ZVG im Versteigerungsverfahren angemeldet wird. Geschieht dies, geht auf den Ersteher auch die gesicherte Darlehensschuld über; wegen der Abstraktheit der Grundschuld tritt die Schuldübernahme – anders als bei der forderungsabhängigen Hypothek gemäß § 53 Abs. 1 ZVG – nicht kraft Gesetzes ein. Bei der nicht akzessorischen Grundschuld müssen die Bieter rechtzeitig auf die vorhandenen Verbindlichkeiten hingewiesen werden; nur wenn dies geschieht, vermag sich der persönliche Schuldner, der sein Grundstückseigentum verliert, gegen eine weitere Inanspruchnahme zu schützen (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 21.5.2003, IV ZR 452/02 m.w.N.).
44Wird die Anmeldung einer gesicherten persönlichen Schuld – wie im Streitfall – unterlassen, kommt es zu einer Trennung zwischen dinglicher und persönlicher Schuld. Dann aber stehen auch die Rechte aus dem Sicherungsvertrag weiterhin dem Sicherungsgeber zu und der Ersteher kann keine Einreden gegen die Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden geltend machen, die sich aus dem Sicherungsvertrag ableiten (BGH, Urteil vom 21.5.2003, IV ZR 452/02). Dass im vorliegenden Fall eine persönliche Schuld, die nach § 53 Abs. 2 ZVG hätte angemeldet werden können, nicht existierte, dürfte an der durch den Zuschlag eingetretenen Trennung von dinglicher und persönlicher Schuld nichts ändern.
45(c) Das Fehlen einer persönlichen Schuld hat aber eine andere Konsequenz.
46Vollstreckt ein Gläubiger aus einer Grundschuld, die nicht mehr in vollem Umfang (oder überhaupt nicht mehr) valutiert, ist er aus der Sicherungsabrede verpflichtet, den nach Deckung der gesicherten restlichen Forderung verbleibenden Übererlös, den er aus der Ablösung des Grundpfandrechts oder der zwangsweisen Verwertung des Grundstücks erzielt hat, an den Sicherungsgeber auszukehren (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1995, XII ZR 62/94). Überdies – und schon zuvor – ist er gehalten, auf Verlangen des Sicherungsgebers die Grundschuld als Sicherheit zurückzugeben, soweit sie den noch valutierenden Teil übersteigt (BGH, Urteil vom 21.5.2003, IV ZR 452/02 m.w.N.) Auch dieser Rückgewähranspruch steht allerdings nicht dem Ersteher zu. Dieser hat vielmehr für den Zuschlag des Grundstücks neben der Entrichtung des Bargebots einen Gegenwert zu erbringen, der dem Nominalbetrag der Grundschuld entspricht, ohne seiner dinglichen Inanspruchnahme eine Einwendung gemäß §§ 1169, 1192 Abs. 1 BGB entgegensetzen zu können.
47(3.3) Die aus einem Übererlös resultierende Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung kann die Beklagte zwar nicht als Ersteherin, aber als Mitglied der Erbengemeinschaft geltend machen.
48(a) Hätten die Klägerin und ihr Streithelfer gegen die Beklagte aus den Grundschulden vollstreckt, wäre in voller Höhe des Nennbetrags der Grundpfandrechte ein Übererlös angefallen. Denn beide Grundpfandechte waren forderungslos. Auf Verlangen wären die Klägerin und der Streithelfer daher verpflichtet gewesen, die Grundschulden als Sicherheit zurückgeben.
49(b) Anspruchsberechtigt wäre der Sicherungsgeber der beiden Grundschulden gewesen. Das war ursprünglich der Erblasser und sind mit dem Eintritt des Erbfalls die Klägerin, die Beklagte und der Streithelfer in ungeteilter Erbengemeinschaft geworden (§§ 1922, 2032 BGB). Die Beklagte ist folglich nicht nur Ersteherin des Hausgrundstücks, sondern zusammen mit der Klägerin und dem Streithelfer auch Sicherungsgeberin. Als solche hätte sie zusammen mit der Klägerin und dem Streithelfer von jedem dritten Grundschuldgläubiger die Rückgabe einer forderungslos gewordenen Grundschuld verlangen können. Hätten die Klägerin und ihr Streithelfer die Zwangsvollstreckung aus den beiden Grundschulden gegen die Beklagte beabsichtigt, wäre letztere berechtigt gewesen, den Rückgabeanspruch alleine geltend machen können. Denn die Rückgabe der nicht valutierten Grundschuld wäre im Verhältnis der Mitglieder der Erbengemeinschaft untereinander die einzig sachgerechte und rechtlich gebotene Maßnahme gewesen. So wie die Beklagte vor dem Zuschlag von der Klägerin und dem Streithelfer verlangen konnte, dass die zwischen ihnen bestehende Gemeinschaft an den Löschungsbewilligungen aufgelöst und die Grundpfandrechte zu diesem Zweck gelöscht werden, kann sie nach Zuschlagserteilung von der Klägerin und dem Streithelfer verlangen, dass diese die beiden Grundpfandrechte zurückgeben und eine Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden in ihr Grundstück unterlassen.
50(3.4) Im Ergebnis wären die Klägerin und ihr Streithelfer somit weder berechtigt noch in der Lage gewesen, aus den ihnen zustehenden forderungslosen Grundschulden die Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte zu betreiben. Dann gab es für die Klägerin und den Streithelfer nach der Zuschlagserteilung aber keinen vernünftigen Grund, ihr früheres Einverständnis mit der Löschung der Grundpfandrechte zu widerrufen. Das bedeutet zugleich, dass dem vor Zuschlagserteilung erklärten Einverständnis zur Löschung der Grundschulden mit dem Zuschlag an die Beklagte nicht die Grundlage entzogen worden ist.
51cc) Vor dem dargestellten Hintergrund kann es dahinstehen, ob sich das gefundene Ergebnis auch aus § 1192 Abs. 1 a) BGB ergibt. Nach dieser Vorschrift können bei einer Sicherungsgrundschuld Einreden, die dem Eigentümer aufgrund des Sicherungsvertrages mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden.
52c) Die Verneinung des Klagebegehrens ist bei einer wirtschaftlichen Betrachtung ohne weiteres plausibel. Die Beklagte, der im Versteigerungstermin bekannt war, dass die zu übernehmenden Grundschulden nicht valutieren, hat bei ihrem Bargebot in Höhe von 190.005 Euro den Nennbetrag der Grundschulden nicht in Abzug gebracht, sondern ein Gebot in Höhe des gutachtlich bestimmten Verkehrswerts der Grundstücke abgegeben. Aus diesem Grund stellt das von der Beklagten abgegebene Bargebot ein vollwertiges Surrogat für das zwangsversteigerte Hausgrundstück dar und wird die Beklagte nicht entgegen § 49 Abs. 1 ZVG begünstigt, wenn die Zwangsversteigerung aus den Grundschulden versagt wird. Im Gegenteil würden die Klägerin und ihr Streithelfer durch eine Zuerkennung der Klageforderung grundlos begünstigt. Denn sie erhielten nicht nur ihren Anteil an dem vollen Grundstückswert, sondern darüber hinaus grundlos einen Anteil an dem Nennbetrag von zwei forderungslosen und infolge dessen einredebehafteten Grundschulden.
533. Die Klageforderung findet ihre Grundlage gleichermaßen nicht in § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB. Nach dieser Bestimmung ist derjenige, der nicht durch Leistung, sondern in sonstiger Weise auf Kosten eines anderen etwas erlangt, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Im Entscheidungsfall liegen die Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.
54Zwar mag die von der Beklagten bewirkte Grundschuldlöschung ein Eingriff in die Rechtsphäre der Klägerin und ihres Streithelfers im Sinne der Nichtleistungskondiktion gewesen sein. Es fehlt aber an einer Bereicherung der Beklagten auf Kosten der Klägerin und des Streithelfers. Denn beide waren – wie dargelegt – im Verhältnis zur Beklagten nicht berechtigt, wegen der ihnen zustehenden Grundpfandrechte die Zwangsvollstreckung in das ersteigerte Grundstück zu betreiben oder ihre Grundpfandrechte in anderer Weise zu Lasten der Beklagten auszuüben. Durch die Löschung der Grundpfandrechte hat die Beklagte mithin nichts auf Kosten der Klägerin und des Streithelfers erlangt, was herauszugeben wäre.
554. Aus derselben Erwägung scheidet ein deliktischer Anspruch der Klägerin (§ 823 Abs. 1 BGB) aus. Die Löschung der Grundschulden durch die Beklagte dürfte die Verletzung eines sonstigen Rechts der Klägerin und des Streithelfers gewesen sein, weil beide in Erbengemeinschaft Inhaber der Grundpfandrechte waren. Der Klägerin und dem Streithelfer sind durch die Löschung indes kein Schaden entstanden. Denn sie waren der Beklagten gegenüber nicht berechtigt, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu betreiben oder ihre Grundpfandrechte in anderer Weise auszuüben.
56III.
57Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
58Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO liegt nicht vor; der Senat hat auf der Grundlage der höchstrichterlichen Judikatur in allen Teilen seiner entscheidungstragenden Erwägungen allein über den gegebenen Einzelfall befunden.
59Der Gebührenstreitwert folgt dem streitbefangenen Forderungsbetrag.
60… … …