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I. Die Berufung gegen das am 3. Juni 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Az. 41 O 70/13) wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund der Urteile erster und zweiter Instanz vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.440.000 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien streiten um einen Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung einer lizenzvertraglich vereinbarten Ausübungspflicht.
4Bei der Klägerin handelt es sich um ein 2005 gegründetes Handelsunternehmen, das sich unter anderem mit dem Vertrieb von kosmetischen Wirkstoffen und kosmetischen Fertigprodukten beschäftigt. Geschäftsführender Gesellschafter ist Herr B, ein ehemaliger Angestellter der C GmbH & Co. KG, einer Tochtergesellschaft der Beklagten. Die Beklagte ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das weltweit operiert und Mitglied der D -Gruppe ist, deren operatives Geschäft durch die D B.V. geführt wird.
5Im September 2006 nahmen die Parteien Gespräche über die Produktion und Vermarktung eines von Herrn B entwickelten Verfahrens und einer Zusammensetzung zur Entfernung von Tätowierungen (nachfolgend: „Erfindung“) auf. Ziel der Erfindung ist die narbenfreie Beseitigung von Tätowierungen. Das erfindungsgemäße Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass anstelle der Tätowierungsfarbe ein Fluid in die Haut injiziert wird, das unter anderem Milchsäure und Wasserstoffperoxid enthält und einen starken Reiz auf die behandelte Hautfläche ausübt, wodurch ein Ausschwemmen der Farbpigmente bewirkt wird.
6Nachdem Herr B das Fluid im Jahr 2006 dem seinerzeitigen Geschäftsführer der C GmbH & Co. KG vorgestellt und dieser ein grundsätzliches Interesse an dem Vertrieb des Fluids bekundet hatte, meldete Herr B seine Erfindung am 19.04.2007 (Az.: DE 10 2007 018 886.4) sowie am 12.07.2007 (Az.: DE 10 2007 032 844.5) in Deutschland zum Patent an. Zudem unterzeichneten Herr B und die C GmbH & Co. KG am 04.06.2007 eine Geheimhaltungsvereinbarung in Bezug auf die Erfindung und das zugehörige Know-how. Mit Vertrag vom 15.09.2007 übertrug Herr B das ausschließliche Nutzungsrecht an der Erfindung, wie sie sich in den vorgenannten Patentanmeldungen widerspiegelt, sowie an dem zugehörigen Know-how auf die Klägerin.
7Am 6.11.2007 schlossen die Parteien einen Lizenzvertrag über die Vermarktung der Erfindung (Anlage K 4); zu diesem Lizenzvertrag gehörte auch ein sog. „Side-Letter“. In dem Vertrag heißt es unter anderem, dass die Beklagte als Lizenznehmerin sich um etwaige behördliche Zulassungen („government approvals“) und Gesundheitskontrollen („health registrations“) zu kümmern habe. Der Side Letter knüpfte die Fälligkeit von Lizenzzahlungen unter anderem an die Beibringung eines humantoxikologischen Gutachtens. Mit Datum vom 14.11.2007 legte die Klägerin eine humantoxikologische Bewertung des Universitätsklinikums Schleswig Holstein – Prof. E – zu einem „Fluid Spot Serum 0133.2“ (Anlage BB 3, nachfolgend: Privatgutachten Prof. E) mit folgenden Wirkstoffkonzentrationen vor:
82-Hydroxypropionsäure 7,8 %
9Ethyl-(S)-2-hydroxypropionat 11,8 %
10Butyl-(S)-2-hydroxypropionat 2,7 %
11Wasserstoffperoxid 4,6 %
12Nachdem die Beklagte die nach dem Lizenzvertrag zu zahlenden Lizenzgebühren trotz mehrmaliger Mahnungen nicht zahlte, kündigte die Klägerin den Lizenzvertrag mit Schreiben vom 04.01.2008 (Anlage K 5). Gleichwohl blieben die Parteien in der Folgezeit in Kontakt und unternahmen Versuche zur Weiterentwicklung des Fluids. So konnte insbesondere eine Steigerung der Haltbarkeit durch Separierung der Inhaltsstoffe in drei Komponenten erreicht werden. Im April 2008 reichte Herr B eine deutsche Patentanmeldung unter dem Az. DE 10 2008 019 XXA.6 und die Beklagte – im Einverständnis mit Herrn B – die PCT-Anmeldung mit dem Az.: PCT/2008/000XXB ein. Beide Anmeldungen beanspruchen die Priorität der ursprünglichen Patentanmeldungen aus dem Jahr 2007.
13In einer E-Mail vom 04.04.2009 übersandte Herr B die folgende Rezeptur an die Beklagte (vgl. Anlage K 34; die farbliche Hervorhebung stammt nicht vom Senat):
14Am 13.05.2009 vereinbarten die Parteien, dass der gekündigte Lizenzvertrag wiederaufgenommen werden solle (Anlage BB 22). Am 08.06.2009 übersandte die Beklagte an den für die Patentanmeldung hinzugezogenen Patentanwalt Dr. F die folgenden 3-Komponenten Rezepturen „G“ und „H“ (Anlage K 36) eines „Tattoo Removal Fluid“ mit der Bitte um patentrechtliche Prüfung (auch hier stammt die farbliche Hervorhebung nicht vom Senat):
15Mit E-Mail vom 19.06.2009 (Anlage B 11) antwortete Herr Patentanwalt Dr. F, dass er davon ausgehe, dass nach dem Zusammenmischen der drei Komponenten Patentanspruch 9 der DE 10 2008 019 XXA.6 erfüllt sei.
16Unter dem 03.09.2009 schlossen die Parteien sodann einen neuen Lizenzvertrag, dessen vollständiger Inhalt aus der Anlage K 8 ersichtlich ist. Auszugsweise heißt es dort wie folgt:
17„Präambel
18[…]
19Durch den vorliegenden Patentlizenz- und Know-How-Vertrag wird unter Aufhebung des Lizenzvertrages zwischen I und C vom 6.11.2007 sowie unter Aufhebung des Side letters vom 6.11.2007 und unter Aufhebung des undatierten und von C einseitig unterzeichneten Angebotes einer Vereinbarung zum Wiederinkraftsetzen des Lizenzvertrages vom 6.11.2007 C die Möglichkeit eröffnet, die in der deutschen Patentanmeldung DE 10 2008 019 XXA.6 und der PCT-Anmeldung PCT/DE2008/000XXB, beide jeweils mit dem Anmeldetag 15.4.2008, einschließlich des hierzu gehörigen Know-Hows, ausschließlich weltweit zu vermarkten. […]
20§ 1
21Vertragsgegenstand
22(1) Vertragsgegenstand ist die am 15.4.2008 eingereichte deutsche Patentanmeldung DE 10 2008 019 XXA.6, über die I uneingeschränkt verfügungsberechtigt ist und die ein Verfahren sowie eine hierfür verwendete Zusammensetzung zur Entfernung von Tätowierungen betrifft.
23(2) Vertragsgegenstand ist desweiteren das gesamte Know-How, wie dies von Herrn B sowie I seit Beginn der ersten Gespräche mit C mitgeteilt worden ist und wie dieses verkürzt in der Anlage 1 zu diesem Vertrag zusammengefasst wiedergegeben ist.
24(3) Vertragsgegenstand sind ferner alle auf die PCT-Anmeldung PCT/DE2008/000XXB vom 15.4.2008 zurückgehenden Schutzrechtsanmeldungen/Schutzrechte. Diesbezüglich haben die Vertragsparteien gemeinsam festgelegt, dass die PCT-Anmeldung in den Staaten Europa (unter Benennung von allen Vertragsstaaten, nicht jedoch den Erstreckungsstaaten), USA, Kanada, Mexiko, Brasilien, Australien und Neuseeland) nationalisiert wird. C verpflichtet sich, die in ihrem Namen angemeldete PCT-Anmeldung unverzüglich auf I zu übertragen und alle für die Übertragung erforderlichen Handlungen vorzunehmen. Sollte diese Übertragung von C auf I aus zeitlichen Gründen nicht vor der Nationalisierung der PCT-Anmeldung möglich sein, so verpflichtet sich C, die aus der PCT-Anmeldung PCT/DE2008/000XXB hervorgegangenen nationalen Schutzrechtsanmeldungen unverzüglich auf I zu übertragen und alle für die Übertragung erforderlichen Handlungen vorzunehmen. […]
25§ 2
26Lizenz
27(1) I erteilt C vorbehaltlich des § 5 Absätze (2) und (3) eine weltweite ausschließliche Lizenz an dem Vertragsgegenstand gemäß der Absätze (1) bis (3). […]
28§ 5
29Ausübungspflicht von C
30(1) C ist verpflichtet, die eingeräumte Lizenz am Vertragsgegenstand gemäß § 1, Absätze (1) bis (3) auszuüben.
31(2) Sollte C im Jahre 2010 eine Mindestlizenz von weniger als 100.000,- Euro (in Worten: einhunderttausend Euro) oder erstmals ab dem Jahr 2011 Mindestlizenzen von weniger als 200.000,- Euro/Jahr (in Worten: zweihunderttausend Euro pro Jahr) in aufeinander folgenden 2 (zwei) Jahren an I nicht zahlen, so ist I berechtigt, die gemäß dem vorliegenden Vertrag eingeräumte ausschließliche Lizenz durch schriftliche Erklärung gegenüber C in eine nicht ausschließliche Lizenz umzuwandeln. […]
32Nach Abschluss des Lizenzvertrages ließ die Beklagte in den Jahren 2010 bis 2012 durch das dermatologische Institut J zwei Studien erstellen, deren Ergebnisse in zwei „Study Reports“ wiedergegeben sind, die auf den 16.03.2011 bzw. 25.04.2012 datieren und als Anlagen K 1 bzw. B 21 und K 2 („draft“) bzw. B 23 („final“) zur Akte gereicht worden sind (nachfolgend: erste bzw. zweite J-Studie). Darüber hinaus erstellte J für die Beklagte die aus der Anlage K 3 / B 27 ersichtliche und auf den 08.08.2012 datierte beratende Stellungnahme („Consultancy Statement“, nachfolgend: J-Stellungnahme), in der das streitgegenständliche Fluid mit anderen Methoden der Tattooentfernung verglichen wird.
33Nachdem bis Oktober 2012 keine Lizenzzahlungen der Beklagten erfolgt waren, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 24.10.2012 (Anlage K 10) unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 2 des Lizenzvertrages die Umwandlung der ausschließlichen Lizenz in eine einfache Lizenz. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.05.2013 forderte die Klägerin zur Ablieferung von Quartalsberichten über die Ausübung der Lizenz auf. Nach abermaliger Mahnung der Klägerin zur Ausübung der Lizenz durch Schreiben vom 09.07.2013 (Anlage K 17) erklärte die Klägerin schließlich mit anwaltlichem Schreiben vom 15.08.2013 (Anlage K 17b) die Kündigung des Lizenzvertrages aus wichtigem Grund.
34Die Klägerin hat sich erstinstanzlich darauf berufen, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des zweiten Lizenzvertrages im Jahr 2009 ein marktreifes Produkt vorgelegen habe. Weitere Studien seien nicht erforderlich gewesen und von der Beklagten nur zu Marketingzwecken durchgeführt worden. Infolge der Verletzung ihrer vertraglichen Lizenzausübungspflicht sei die Beklagte ihr daher zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet.
35Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, dass das Fluid trotz ihrer Anstrengungen zur Weiterentwicklung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Lizenzvertrages im Jahr 2009 nicht marktreif gewesen sei. Die von ihr durchgeführten Studien hätten vielmehr gezeigt, dass das streitgegenständliche Fluid gewisse Gesundheitsgefahren berge. Vor diesem Hintergrund sei es ihr unzumutbar gewesen, die Lizenz auszuüben.
36Mit Urteil vom 03.06.2015 hat das Landgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
37Der Klägerin stehe der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht zu, da die Beklagte die ihr nach dem Lizenzvertrag obliegende Ausübungspflicht erfüllt habe. Der Beklagten sei die Entscheidung, wann sie den Vertrieb des streitgegenständlichen Fluids aufnehme, nicht nur aufgrund des wirtschaftlichen, sondern im vorliegenden Fall insbesondere auch wegen ihres haftungsrechtlichen Risikos zuzugestehen. Nach dem streitgegenständlichen Lizenzvertrag hafte die Beklagte allein für alle mit dem Fluid verbundenen Schäden. Damit müsse ihr zur Kontrolle dieses Haftungsrisikos eine großzügige Zeit zur Risikobewertung für die von dem Fluid ausgehenden Gefahren eingeräumt werden. Im vorliegenden Fall eines ggf. genehmigungs- und zulassungsbedürftigen Produktes liege ein marktreifes, vertriebsfertiges Produkt erst vor, soweit ein Vertrieb nach den gesetzlichen Regeln möglich sei. Im Falle des Fluids könne es auch nicht im Interesse des Lizenzgebers liegen, dass sein Patent rechtswidrig auf den Markt gelange. Dies gelte umso mehr, wenn hiermit gegebenenfalls Gesundheitsgefahren verbunden sein könnten. Dass das Fluid insoweit risikobelastet sei, gehe mittlerweile aus einer Warnung des Bundesinstituts für Risikobewertung hervor. Gleiches belege die Einholung der Genehmigung der Ethikkommission für die J-Studien. Die Ausübungspflicht der Beklagten habe nicht nur den Vertrieb des Fluids, sondern auch die hierfür erforderlichen vorherigen Tätigkeiten erfasst. Dass solche Tätigkeiten bei einem Fluid zur Tattooentfernung, das unter die Haut injiziert werde, erforderlich gewesen seien, habe sich die Klägerin gerade unter Berücksichtigung des Inhalts des ersten Lizenzvertrages denken können. Auch mit pflichtwidrigen Verzögerungen im Rahmen der Ausübungspflicht lasse sich vorliegend ein Anspruch der Klägerin nicht begründen. Da der Beklagten eine Anlauffrist zuzugestehen sei, müsse die Klägerin pflichtwidrige Verzögerungen in diesem Rahmen aufzeigen. Dafür reiche das klägerische Vorbringen jedoch nicht. Schließlich sei die Ausübung der Lizenz für die Beklagte jedenfalls unzumutbar gewesen. Dabei seien nicht nur technische oder wirtschaftliche Aspekte ausschlaggebend. Die Unzumutbarkeit resultiere vielmehr aus der gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten körperlichen Unversehrtheit des Menschen, da ein Lizenznehmer nicht gehalten sein könne, gesundheitsschädigende Substanzen ohne Kenntnis über etwaige Risiken auf den Markt zu bringen.
38Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.06.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und ergänzt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere Folgendes geltend:
39Die vom Landgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen seien fehlerhaft, da wesentliche Fragen, insbesondere ob das Fluid von der Beklagten (qualitativ) weiterentwickelt worden oder ob dieses marktreif gewesen sei, zwischen den Parteien streitig geblieben seien. Gleichwohl habe das Landgericht keinen Beweis erhoben, wie auch zu den streitigen Fragen, ob für die Marktreife behördliche Genehmigungen / Zulassungen notwendig und ob die von der Beklagten beauftragten Studien geeignet und erforderlich gewesen seien. Für diese Einschätzung könne nicht allein die subjektive Sicht der Beklagten maßgeblich sein und tatsächliche Feststellungen habe das Landgericht mangels eigener Sachkunde nicht treffen können.
40Das Fluid sei in den Jahren 2006 und 2007 an Probanden getestet worden, wenn auch nicht mit der Rezeptur des Lizenzgegenstandes. Dass jedenfalls im Jahr 2009 beide Parteien eine Marktreife angenommen hätten, zeige unter anderen ein Vergleich mit dem ersten Lizenzvertrag, der noch Regelungen zu ggf. erforderlichen Genehmigungen und behördlichen Zulassungen enthalten habe, die 2009 im zweiten Lizenzvertrag als nicht mehr erforderlich erachtet worden seien. Die Beklagte hätte sich andernfalls auch nicht auf das klägerische Umwandlungsrecht gemäß § 5 Abs. 2 des Lizenzvertrags eingelassen. Die durch die Anlage K 34 übermittelte Rezeptur sei durch die Beklagte in den Jahren 2008 und 2009 ausgiebig getestet worden. Dieser Zeitraum vor Abschluss des zweiten Lizenzvertrags im Jahr 2009 dürfe bei der Beurteilung der Marktreife nicht ausgeklammert werden, da es letztendlich allein im Januar 2008 einmal eine kurze Unsicherheit gegeben habe, ob die Zusammenarbeit zwischen den Parteien fortgesetzt werde. Die Durchführung weiterer klinischer Studien sei zwischen den Parteien weder vereinbart noch notwendig gewesen, denn es habe sich nicht um ein Medizin- oder Pharmaprodukt gehandelt, wofür auch die seitens der Beklagten gegenüber der J abgegebene Unbedenklichkeitsbescheinigung (S. 18 der Anlage B 20) streite. Von der Notwendigkeit weiterer Studien sei im zweiten Lizenzvertrag daher auch nicht die Rede.
41Einer Marktreife stehe nicht entgegen, dass mit der Behandlung eine Körperverletzung einhergehe. Diese sei nicht anders zu bewerten als bei der vorherigen Tätowierung und durch eine entsprechende Einwilligungserklärung des Probanden abgedeckt.
42Soweit die Beklagte behaupte, in der ersten J-Studie sei die Rezeptur „H“ und in der zweiten Studie die Rezeptur „G“ gemäß der Anlage K 38 eingesetzt worden, so sei es unmöglich, dass eine stärkere Rezeptur eine schlechtere Wirkung haben könne. Vielmehr sei die erste J-Studie mit der – infolge eines der Beklagten zuzurechnenden Rechenfehlers – völlig unbrauchbaren Rezeptur „G“ durchgeführt worden. Die Durchführung der zweiten J-Studie sei daher allein darauf zurückzuführen, dass die Beklagte der ersten Studie nicht den Lizenzgegenstand, sondern eine falsch berechnete Alternativrezeptur zugrunde gelegt und auch keine erforderliche Nachsorge in Gestalt einer Hautcreme eingesetzt habe. Auch in der zweiten Studie sei die richtige Nachsorge erst auf Betreiben der Klägerin im letzten Abschnitt der Studie durchgeführt worden. Die Verlängerung der Behandlungsintervalle sei ebenfalls ausschließlich auf die fehlende Nachsorge in der ersten Studie und die falsche Nachsorge in der zweiten Studie zurückzuführen. Zudem sei die Probandenzahl in beiden Studien zu gering gewesen, um verwertbare Ergebnisse zu erzielen. Schließlich sei die J-Stellungnahme vom 08.08.2012 weder geeignet noch erforderlich gewesen. Bei dieser Studie sei es letztlich nur darum gegangen, die Vermarktungschancen des Fluids zu beleuchten, was nichts mit dessen Marktreife zu tun habe.
43Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stelle, dass die Erfindung noch nicht marktreif gewesen sei, so seien die landgerichtlichen Erwägungen zur Erfüllung der Lizenzausübungspflicht und einer etwaigen Unzumutbarkeit ersichtlich fehlerhaft. Die Beklagte habe als Lizenznehmerin und internationales Pharmaunternehmen mit entsprechendem Fachwissen die Pflicht gehabt, unverzüglich die ihr zumutbaren Schritte zur Verwertung zu unternehmen. Die Lizenzausübung sei für die Beklagte auch nicht unzumutbar gewesen, da sie sich bewusst hierzu verpflichtet habe und weder ein Fall technischer oder wirtschaftlicher Unzumutbarkeit vorgelegen habe noch diese – wie vom Landgericht angenommen – aus Art. 2 GG hergeleitet werden könne. Die Ausübungspflicht sei auch nicht durch die Umwandlung in eine einfache Lizenz entfallen.
44Die Klägerin hat sich zuletzt auf den Standpunkt gestellt, dass die Beklagte die erste und mindestens auch den überwiegenden Teil der zweiten J-Studie mit einer extrem hautreizenden und ätzenden Rezeptur durchgeführt und den Probanden damit absichtlich Schaden zugefügt habe. Dies folge u.a. aus der in einer E-Mail der Beklagten an den Patentanwalt Dr. F enthaltenen Rezeptur (Anlage K 41), die eine Wasserstoffperoxid-Konzentration von 17 % aufweise, wobei das Privatgutachten Prof. E bereits Konzentrationen über 10 % als stark hautreizend und ätzend beschreibe. Es sei nicht vorstellbar, dass dies versehentlich erfolgt sei, vielmehr liege die Vermutung nahe, dass die Beklagte damit einen „perfiden Plan“ umgesetzt habe.
45Die Klägerin beantragt,
46unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 03.06.2015 - Az. 41 O 70/13 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Jahre 2010, 2011 und die Folgejahre bis zur Beendigung des Lizenzvertrages vom 04.09./10.09.2009 Schadenersatz zu zahlen, dessen Höhe vom angerufenen Gericht nach billigem Ermessen festzusetzen ist, der jedoch mindestens 720.000,- € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit betragen soll.
47Die Beklagte beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht insbesondere geltend:
50Im Hinblick auf die Vorstellungen der Parteien bei Abschluss des Lizenzvertrages, die Zusammensetzung des streitgegenständlichen Fluids und die Erforderlichkeit der beiden J-Studien habe es keiner Beweisaufnahme durch das Landgericht bedurft. Die Rezeptur des Fluids sei – stets im Rahmen des Lizenzgegenstandes – mehrfach von ihr angepasst und optimiert worden, und zwar bereits seit dem Abschluss des ersten Lizenzvertrages im Jahr 2007, nach Abschluss des zweiten Lizenzvertrages 2009 und nach der ersten J-Studie. Bei Abschluss des zweiten Lizenzvertrages habe kein marktreifes Produkt vorgelegen, denn ein ungetestetes Produkt, das toxische Bestandteile enthalte, könne nicht marktreif sein. Hiervon sei sie auch nicht ausgegangen, schon gar nicht auf der Grundlage des bereits nach zwei Monaten wieder gekündigten ersten Lizenzvertrages und des sich anschließenden „vertragsfreien“ Zeitraums, wenngleich die Hoffnung bestanden habe, das Produkt zügig vertreiben zu können, womit sich auch die Einräumung eines Umwandlungsrechts in § 5 Abs. 2 des Lizenzvertrages erkläre. Aus dem Darlehensvertrag aus dem Jahr 2007 ließen sich keine Rückschlüsse ziehen, da dieser – insoweit unstreitig – nicht zwischen den Parteien abgeschlossen worden sei. Die fehlende Marktreife betreffe alle Rezepturen der Anlagen K 34 und K 36. Die in der Anlage K 34 enthaltene Rezeptur („Formel 1“) sei schon nicht ohne Risiko lagerfähig gewesen, weshalb es im Jahr 2008 sogar zu einer Explosion gekommen sei. Hinsichtlich der in der Anlage K 36 wiedergegebenen 3-Komponenten-Rezepturen „H“ („Formel 2“) und „G“ („Formel 3“) seien weder die Stabilität noch die Wirkung und Sicherheit bekannt gewesen, wobei sich beide Rezepturen in dem durch den Lizenzvertrag vorgegebenen Rahmen bewegten und die Rezeptur „G“ entgegen der klägerischen Behauptung keinen Berechnungsfehler enthalte.
51Vor diesem Hintergrund sei sie vor Abschluss von klinischen Studien weder zur Ausübung der Lizenz verpflichtet gewesen noch habe eine Veranlassung bestanden, sich bereits um behördliche Genehmigungen für den Vertrieb des Fluids als Medizinprodukt zu kümmern. Gleichermaßen sei ihr – wie das Landgericht zu Recht festgestellt habe – die Vermarktung unter Berücksichtigung des Art. 2 GG nicht zuzumuten gewesen, zumal auch aus wirtschaftlicher Sicht die Absatzchancen ohne den Verweis auf eingeholte Studien bei null gelegen hätten. Die von Herrn B behaupteten umfangreichen Tests seien weder ausreichend dargelegt noch ein Ersatz für die Durchführung von Studien, wie sie auch im Jahr 2007 zwischen den Parteien vereinbart worden seien.
52Soweit die Klägerin einen angeblich verfehlten Studienaufbau der beiden J-Studien rüge, sei dem zu widersprechen. So sei die Klägerin – wie sie selbst vortrage – über die Studien informiert und zu diesen eingeladen worden. In diesem Zusammenhang sei es bezeichnend, dass die Klägerin erst beide J-Studien und die J-Stellungnahme vom 08.08.2012 abgewartet habe, bevor sie die Umwandlung in eine einfache Lizenz erklärt habe. Mitnichten sei bei der ersten Studie eine unbrauchbare Variante der Rezeptur „G“ angewandt worden und es habe auch eine Wundversorgung stattgefunden. Gleichwohl seien keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt und Unverträglichkeiten, Geschwürbildungen sowie bei einer Testperson eine starke allergische Reaktion beobachtet worden. Die in der zweiten Studie angewandte Rezeptur „G“ habe zu besseren Ergebnissen geführt und sich als verträglicher erwiesen, wobei es nicht stimme, dass eine richtige Nachsorge erst auf Betreiben der Klägerin durchgeführt worden sei. Die J-Stellungnahme sei schließlich in Auftrag gegeben worden, um die Ergebnisse im Hinblick auf die am Markt angebotenen Methoden zur Tätowierungsentfernung besser einordnen zu können. Im Rahmen dieser Vergleichsstudie habe sich letztendlich allerdings herausgestellt, dass das Lizenzprodukt nicht den erhofften wirtschaftlichen Erfolg verspreche, weshalb ihr eine Vermarktung nicht mehr zuzumuten gewesen sei. Mit der Umwandlung in eine einfache Lizenz im Oktober 2012 sei die Ausübungspflicht dann auch entfallen.
53Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere auch im Hinblick auf die zwischen den Parteien streitigen Anknüpfungspunkte für eine etwaige Schadensschätzung, wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
54Der Senat hat Beweis erhoben und schriftliche Sachverständigengutachten durch die Sachverständigen Dr. K (vgl. Gutachten vom 21.08.2018, Bl. 701 ff. GA), Dr. L (vgl. Gutachten vom 30.07.2019, Bl. 831 ff. GA), Dr. M (vgl. Gutachten vom 01.05.2022, Bl. 1208 ff. GA) und Dr. N (vgl. Gutachten vom 02.05.2022, Bl. 1224 ff. GA) eingeholt und die Sachverständigen Dr. M und Dr. N in der Sitzung vom 14.12.2023 mündlich angehört (vgl. Sitzungsprotokoll vom 14.12.2023).
55II.
56Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Schadenersatz zu, insbesondere nicht aus den hier allein in Rede stehenden §§ 280 Abs. 1 u. 3, 283 BGB. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte ihre Pflichten aus dem Lizenzvertrag schuldhaft verletzt hat.
571.
58Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, der Beklagten falle eine schuldhafte Verletzung der in § 5 Abs. 1 des Lizenzvertrages vom 03.09.2009 (nachfolgend: Lizenzvertrag bzw. LV) enthaltenen Ausübungspflicht zur Last. Diese Regelung entspricht dem anerkannten Grundsatz, dass bei einer ausschließlichen Stücklizenz (vgl. § 2 Abs. 1 LV) den Lizenznehmer nach Treu und Glauben eine Ausübungspflicht trifft, deren Inhalt, Umfang und Fortbestand unter dem Vorbehalt des Zumutbaren steht (vgl. BGH, GRUR 2003, 173, 175 – Filmauswertung; BGH, GRUR 2000, 138, 139 – Knopflochnähmaschine). Nichts anderes hat zu gelten, wenn die Ausübungspflicht – wie vorliegend – vertraglich ausdrücklich festgelegt ist. Regelmäßig muss der Lizenznehmer im Rahmen der von ihm übernommenen Ausübungspflicht unverzüglich alle Schritte unternehmen, die zur Auswertung der Lizenz erforderlich sind, das heißt, er darf bei der Aufnahme der Produktion nicht schuldhaft zögern, was insbesondere davon abhängt, ob die Erfindung bereits produktionsreif ist (Groß, Der Lizenzvertrag, 12. Aufl. 2020, Kap C.II., Rn. 154).
59Inhalt, Umfang und Fortbestand einer Ausübungspflicht können allerdings nicht allein anhand einer allgemeinen Regel, sondern nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls bestimmt werden (vgl. auch: BGH, GRUR 2000,138,139 – Knopflochnähmaschinen; BeckOK PatR/Loth/Hauck, 29. Ed. 15.7.2023, PatG § 15 Rn. 66; Lüdecke, GRUR 1952, 211, 217 ff.). Diese festzustellen und auf ihrer Grundlage auszuwerten, welchen Inhalt und Umfang die Ausübungspflicht im Einzelfall hat, ist Aufgabe des Tatrichters (BGH, GRUR 2000, 138, 139 – Knopflochnähmaschine).
60Bei der hierzu notwendigen Vertragsauslegung ist nach allgemeinen Grundsätzen gemäß §§ 133, 157 BGB zunächst von dem von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarung und dem diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen auszugehen (vgl. z. B. BGH, NJW 1993, 721, 722; BGH, NJW 1994, 188, 189). In einem zweiten Auslegungsschritt sind dann die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Vereinbarung zulassen. Hierzu gehören beispielsweise die Interessenlage der Beteiligten, vorausgegangene Verhandlungen (BGH, NJW 1999, 3191) oder das spätere Verhalten der Vertragspartner (BGH, BeckRS 2017, 104301 Rn. 9).
61a)
62Die in § 5 Abs. 1 LV vorgesehene Ausübungspflicht enthält weder zeitliche Beschränkungen noch steht sie unter einem irgendwie gearteten Vorbehalt. Ihrem Wortlaut nach gilt sie vielmehr sofort und bedingungslos. Insbesondere ist keine „Bedenkzeit“ vorgesehen, während derer der Beklagten die Möglichkeit offenstehen sollte, weitere Überlegungen/Studien anzustellen und eine Entscheidung für oder gegen die Markteinführung des Vertragsgegenstandes zu treffen. Das entsprechende Vorbringen der Beklagten findet im Lizenzvertrag keine Grundlage. Vielmehr liegt der in § 5 Abs. 1 LV vorgesehenen Ausübungspflicht erkennbar die Vorstellung der Vertragsparteien zugrunde, dass mit dem von dem Lizenzvertrag umfassten Vertragsgegenstand – die in § 1 LV genannten Patentanmeldungen und das dazugehörige Know-How – ein produktionsreifes, marktfähiges Produkt zur Verfügung stand, das seitens der Beklagten unmittelbar vermarktet werden konnte. Nichts anderes trägt auch die Klägerin unter Hinweis auf den übrigen Inhalt des Lizenzvertrages vor.
63Insbesondere die Regelung des § 5 Abs. 2 LV, wonach der Klägerin als Lizenzgeberin das Recht zustand, die ausschließliche in eine einfache Lizenz umzuwandeln, wenn die Beklagte im Jahr 2010 keine Mindestlizenz von 100.000 Euro und ab dem Jahr 2011 keine Mindestlizenz von 200.000 Euro zahlen würde, streitet dafür, dass beide Parteien davon ausgingen, dass die Beklagte das Fluid zeitnah würde vermarkten können. Zwar sieht die Regelung im ersten Jahr nach Vertragsschluss eine etwas geringere Mindestlizenz von 100.000 Euro vor und berücksichtigt dementsprechend eine gewisse „Anlaufphase“ für die Markteinführung, nichtsdestotrotz wird aber bereits im Jahr 2010 mit nicht unerheblichen Umsätzen gerechnet. Vor dem Hintergrund, dass der streitgegenständliche Lizenzvertrag erst am 03.09.2009 geschlossen wurde, kann dies nicht anders verstanden werden, als dass die Parteien von einer bestehenden oder zumindest unmittelbar bevorstehenden Marktreife des Vertragsgegenstandes ausgingen.
64Dem steht nicht entgegen, dass der Lizenzvertrag den Vertragsgegenstand in § 1 Abs. 1 LV nicht ausdrücklich in seiner konkreten Rezeptur festlegt, sondern diesbezüglich auf den Inhalt der im Einzelnen genannten Patentanmeldungen verweist. Denn § 1 Abs. 2 LV enthält einen Verweis auf das „gesamte Know-how, wie dies von Herrn B sowie I seit Beginn der ersten Gespräche mit C mitgeteilt worden ist …“. Zu dem vertragsgegenständlichen Know-how gehört damit insbesondere auch die E-Mail des Herrn B vom 04.04.2009, in der dieser der Beklagten eine konkrete Rezeptur übermittelte (vgl. Anlage K 34). Zwar sah die Rezeptur gemäß Anlage K 34 noch keine Trennung in drei Komponenten vor, diese findet sich dann aber in den Rezepturen „H“ und „G“ gemäß Anlage K 36 wieder. Auf diese drei Komponenten wiederum nimmt § 6 Abs. 3 LV ausdrücklich Bezug, wo es heißt, dass „eine Behandlungseinheit aus drei verschiedenen flüssigen Zusammensetzungen mit einem Gesamtvolumen von 10 ml besteht“. Dies spiegelt auch objektiv eine Entwicklung in Richtung Marktreife wieder (vgl. Gutachten Dr. N, S. 36, Bl. 1259 GA). In den beiden Rezepturen gemäß Anlage K 36, die ein Gesamtgewicht von 10 g ausweisen, finden sich hierzu passend nicht nur Gedanken zu den Behältnissen für das Fluid („A definitive container will be proposed by Spruyt-Hillen. A presentation of one solution in a 10 ml PET eye drop container and one solution in an ordinary 10 ml PET bottle is also possible“), sondern eingangs auch eine konkrete Anweisung zur Mischung der Komponenten und Entsorgung der Fluid-Reste („For 10 g removal fluid: mix solution A and B+C just before use. After application, handle the remains as chemical waste”), die offensichtlich bereits mit Blick auf den Anwender formuliert sind. Die Parteien hatten demnach bei Abschluss des Lizenzvertrages ein ganz bestimmtes Produkt vor Augen.
65Dieser Auslegung von § 5 Abs. 1 LV entsprechend findet sich bereits in der Einleitung des Lizenzvertrages die Klarstellung, dass durch diesen die Möglichkeit eröffnet werden soll, die streitgegenständliche Erfindung „ausschließlich weltweit zu vermarkten“ (Unterstreichung durch den Senat). An keiner Stelle des Vertrages wird demgegenüber die Notwendigkeit oder gar die Verpflichtung der Beklagten erwähnt, den Vertragsgegenstand zur Marktreife zu entwickeln. Soweit in § 3 Abs. 1 LV Verbesserungen und Weiterentwicklungen des Vertragsgegenstandes angesprochen sind, betrifft dies erkennbar nicht die erstmalige Entwicklung eines marktreifen Produktes, sondern – wie der Wortlaut eindeutig zu erkennen gibt – die fortlaufende Weiterentwicklung und Verbesserung eines bereits marktreifen Produktes, wobei die vertragliche Regelung gerade nicht die Verpflichtung zu einer entsprechenden Entwicklungstätigkeit beinhaltet, sondern vielmehr die Verpflichtung, die Gegenseite zu informieren, falls eine solche Entwicklungstätigkeit erfolgreich stattfindet.
66Dass die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend allein die Vermarktung, nicht aber die Entwicklung des Vertragsgegenstandes vor Augen hatten, wird schließlich bestätigt durch die in § 7 LV getroffene Regelung, wonach die Beklagte im Zusammenhang mit Patentanmeldungen angefallene Kosten mit fälligen Lizenzgebühren verrechnen durfte. Nicht erwähnt werden an dieser Stelle Kosten für etwaige Gutachten, Studien oder Zulassungsverfahren. Von der Annahme, dass solche Kosten nach Abschluss des Lizenzvertrages noch anfallen würden, sind die Parteien nämlich gerade nicht ausgegangen.
67Bestätigt wird dieses Verständnis der vertraglichen Regelungen auch durch die Entwicklung der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien. So befand sich Herr B als geschäftsführender Gesellschafter der Klägerin bereits seit 2006 in einem Austausch mit der Beklagten über die Erfindung. In einem Darlehensvertrag vom 12.07.2007 (vorgelegt als Anlage BB2) gingen Herr B und die deutsche Tochtergesellschaft der Beklagten noch übereinstimmend davon aus, dass zur Herbeiführung der Vertriebsreife weitere Schritte notwendig seien, wie etwa die Vorlage toxikologischer Daten, die Vorlage einer vollständig dokumentierten Anwenderstudie, die Einholung etwaiger behördlicher Genehmigungen sowie Stabilitätstests unter verschiedenen Bedingungen. Dieser Darlehensvertrag wurde zwar – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – nicht zwischen den Parteien geschlossen, sondern zwischen Herrn B als Darlehensnehmer und der C GmbH & Co. KG als Darlehensgeberin und entfaltet daher keine unmittelbare rechtliche Bindung für die Parteien dieses Prozesses. Gleichwohl lassen sich aus ihm Rückschlüsse auf das Verständnis der Parteien ziehen, da es sich bei den Vertragsparteien zum einen mit Herrn B um den geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin handelte und zum anderen die C GmbH & Co. KG durch ihren Geschäftsführer O vertreten wurde, der zugleich als Mitarbeiter der Beklagten das Projekt an maßgeblicher Stelle begleitete. So wird er beispielsweise in den beiden J-Studien als Kontaktperson bei der Beklagten („contact sponsor“) aufgeführt und er befand sich in einem engen Austausch mit Herrn B (vgl. z. B. die E-Mail Anlage K 34). Beide für das Projekt maßgeblichen Personen haben in dem Darlehensvertrag gemäß Ziffer 3. lit. a) für eine „Vertriebsreife“ u.a. eine „angefangene Anwenderstudie mit bis zu 20 Probanten mit einem positiven Anwendungsergebnis“ als notwendig angesehen, deren Details von der Darlehensgeberin bestimmt werden sollte. Die gerichtliche Sachverständige Dr. N hat dies als „fahrlässiges Mittel zur beschleunigten Herbeiführung der gewünschten Marktreife“ bewertet (Gutachten Dr. N, S. 25, Bl. 1248 GA). Dies passt allerdings ins Bild, wenn man annimmt, dass die maßgeblich an der Entwicklung des Produkts beteiligten Personen bereits 2007 davon ausgingen, dass durch die Einholung einer entsprechenden Studie keine grundlegende Entwicklungsarbeit geleistet werden sollte, sondern das Fluid marktreif war und sich daher bestenfalls bereits während der laufenden Studie ein positives Ergebnis abzeichnen würde.
68Die Klägerin führte noch im Jahr 2007 Anwendertests durch (vgl. Anlage BB 1). Am 06.11.2007 schlossen die Parteien einen ersten Lizenzvertrag nebst „Side-Letter“ über das streitgegenständliche Fluid (vorgelegt als Anlage K4). In diesem ersten Lizenzvertrag war unter Ziffer 4. unter anderem vorgesehen, dass die Beklagte als Lizenznehmerin sich um etwaige behördliche Zulassungen („government approvals“) und Gesundheitskontrollen („health registrations“) zu kümmern habe. Der Side Letter sah außerdem die Beibringung eines humantoxikologischen Gutachtens als Bedingung für die Fälligkeit der ersten Lizenzzahlungen vor. Eine entsprechende humantoxikologische Bewertung des Fluids lag am 14.11.2007 vor (vgl. Anlage BB 3). Obwohl der erste Lizenzvertrag in der Folgezeit seitens der Klägerin gekündigt wurde, blieben die Parteien weiterhin in Kontakt und entwickelten im Austausch miteinander das Fluid weiter. Im Jahr 2008 erfolgten zwei – aufeinander abgestimmte – Patentanmeldungen. Am 16.01.2009 wurde das Fluid in einem Tattoostudio in Flensburg erfolgreich an einem Anwender getestet. Mit Vereinbarung vom 13.01.2009 wurde sodann die „Wiederaufnahme“ der lizenzvertraglichen Beziehung in die Wege geleitet. Der zweite – hier maßgebliche – Lizenzvertrag sieht – anders als noch der erste Lizenzvertrag – weder weitere Studien und/oder Gutachten noch das Erfordernis behördlicher Zulassungen vor. Mit ihm sollte die zwischenzeitlich von beiden Parteien gemeinschaftlich geleistete Entwicklungsarbeit abgeschlossen und die letzte Phase des Entwicklungsprozesses eingeleitet werden, nämlich die Erfindung „zu Geld zu machen“.
69Auch das Verhalten der Parteien nach Abschluss des zweiten Lizenzvertrags gebietet keine andere Beurteilung. Die Beklagte hat zwar nach Abschluss des Vertrages zunächst die zwei bereits angesprochenen J-Studien eingeholt, hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass sie sich zur Erbringung grundlegender Entwicklungsarbeit zur Herbeiführung einer Marktreife verpflichtet sah. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der ersten J-Studie – wie von der Klägerin behauptet – um eine bloße Marketingstudie handelte. Jedenfalls erscheint es nachvollziehbar, dass die Beklagte ein Interesse an einer solchen Studie hatte, sei es, um sie zu Marketingzwecken verwenden zu können und/oder um – im Hinblick auf Haftungsrisiken – die Sicherheit des Fluids von dritter Stelle bestätigt zu bekommen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. N werden nicht selten für kosmetische Mittel, für die von gesetzlicher Seite keine Tests vorgeschrieben sind, auch dermatologische Tests durchgeführt, um mit der Aussage „dermatologisch getestet“ werben zu können oder um eine ausreichende Verträglichkeit bei etwas unsicherer Datenlage zu bestätigen (vgl. Gutachten Dr. N, S. 33, Bl. 1256 GA). Hierfür spricht auch, dass in der ersten J-Studie ein Nichtansprechen der Therapie oder Entzündungen nicht erwartet wurden (vgl. Anlage K 1, Ziffer 6.3, S. 12). Dies erscheint aus Sicht des dermatologischen Sachverständigen Dr. M zwar als nicht nachvollziehbar (Gutachten Dr. M, S. 5, Bl. 1212 GA), lässt sich aber mit der Grundannahme der Parteien zur Marktreife erklären, mit der an die Studie herangegangen wurde. Auch der zeitliche Ablauf spricht dafür, dass die Beklagte durch die dem Abschluss des Lizenzvertrags nachgelagerte Studie keine Entwicklung in Richtung einer Marktreife betreiben wollte, sondern eine zügige Bestätigung der von beiden Parteien angenommenen Marktreife suchte.
70Dass sich diese Vorstellung der Parteien nicht bestätigt hat, sondern während der ersten J-Studie solche Nebenwirkungen zutage getreten sind, dass eine weitere Studie notwendig wurde, darf nicht dazu verleiten, diese in einer Rückschau als notwendige – von den Parteien des Lizenzvertrags geradezu mitgedachte – Entwicklungsschritte zur Erreichung eine Marktreife einzustufen. Für ein solches Verständnis gibt es in einer Gesamtschau des Vertragsverhältnisses der Parteien keine belastbaren Anhaltspunkte.
71b)
72Vor diesem Hintergrund lässt sich § 5 Abs. 1 LV keine (vorgelagerte) Verpflichtung der Beklagten entnehmen, die Marktreife des Vertragsgegenstandes auf ihr Risiko und ihre Kosten herbeizuführen.
73In eine lizenzvertragliche Ausübungspflicht kann nur dann im Wege der Auslegung eine Entwicklungs- und Förderungspflicht hineingelesen werden, wenn den Parteien bewusst war, dass der Lizenzgegenstand zunächst noch bis zur Markt- bzw. Serienreife fortentwickelt werden musste (so z. B. im Fall des LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 14503). Entsprechendes lässt sich den Regelungen des streitgegenständlichen Lizenzvertrages gerade nicht entnehmen (s.o.).
74Eine Entwicklungs- und Förderungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung herleiten. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke, mithin eine planwidrige Unvollständigkeit, aufweist. Das ist dann der Fall, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt (BGH, NJW 2018, 2469 Rn. 23). Erst anschließend ist zu entscheiden, was die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH, NJW 2020, 337 Rn. 28).
75Ausgehend von diesen Maßstäben kann man zwar eine planwidrige Regelunglücke annehmen, da die Parteien den Fall einer fehlenden Marktreife nicht bedacht und vertraglich geregelt haben. Angesichts der im Lizenzvertrag zum Ausdruck kommenden gemeinsamen Vorstellung der Parteien von einer bestehenden Marktreife des Fluids erscheint es aber ausgeschlossen, der Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine umfangreiche Entwicklungs- und Förderungspflicht aufzuerlegen. Denn eine ergänzende Vertragsauslegung kann nicht dazu dienen, einem Vertrag einen (zusätzlichen) Regelungsinhalt zu verschaffen, den die Parteien (objektiv) nicht vereinbaren wollten (BeckOK BGB/Wendtland, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 157 Rn. 37). Die ergänzende Vertragsauslegung findet ihre Grenze vielmehr an dem tatsächlichen Parteiwillen und darf nicht zu einer Abänderung oder Erweiterung des Vertragsgegenstands führen; es darf lediglich der Vertragsinhalt, nicht hingegen der Vertragswille ergänzt werden (BGH, NJW 2009, 1482, 1484 m.w.N.).
76Der sich objektiv im Vertragstext manifestierte Wille der Parteien ging vorliegend aber dahin, durch den Lizenzvertrag die Vermarktung eines marktreifen Produkts durch die Beklagte gegen Zahlung eines Lizenzentgelts zu regeln. Dass die Klägerin dabei in § 4 Abs. 2 LV ihre Gewährleistung insbesondere auch im Hinblick auf etwaige Gesundheitsgefährdungen durch das lizensierte Produkt ausgeschlossen hat, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass die Beklagte das Haftungsrisiko für die Unbedenklichkeit und Produktionsreife des Vertragsgegenstandes übernehmen wollte und vertraglich übernommen hat. Für eine solche Annahme finden sich weder entsprechende Hinweise im Lizenzvertrag, noch erscheint eine solche Haftungsverteilung interessengerecht. Die Beklagte hat bereits im Vorfeld des Abschlusses des Lizenzvertrages im Jahr 2009 erhebliche Investitionen in den Vertragsgegenstand getätigt, ohne in irgendeiner Weise Gewinne zu generieren. Dass sie sich mit dem Lizenzvertrag zu weiteren kostenträchtigen Entwicklungs- und Förderleistungen verpflichten wollte, ohne die Gewähr für eine erfolgversprechende Vermarktung des Vertragsgegenstandes zu haben, erscheint unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien ausgeschlossen.
772.
78Diese Auslegung des Lizenzvertrages zugrunde gelegt, fällt der Beklagten eine schuldhafte Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten nicht zur Last.
79a)
80Die Beklagte hat zwar die ihr nach § 5 Abs. 1 LV obliegende Pflicht zur Ausübung der Lizenz nicht erfüllt, nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht aber zur Überzeugung des Senats fest, dass ihr die Erfüllung ihrer Ausübungspflicht unzumutbar war, weil keine der Rezepturen gemäß Anlagen K 34 und K 36 marktreif war.
81Für die Tatsachen, aus denen sich eine Unzumutbarkeit und damit ein Wegfall der Ausübungspflicht ergeben kann, trägt der Lizenznehmer die Beweislast (Benkard PatG/Deichfuß/Tochtermann, 12. Aufl. 2023, PatG § 15 Rn. 138). Auch im Übrigen obliegt dem Lizenznehmer wegen § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die nachträgliche Unmöglichkeit und damit eine Verletzung der Ausübungspflicht nicht zu vertreten hat. Denn im Rahmen des § 283 BGB stellt bereits der Eintritt der nachträglichen Unmöglichkeit die Pflichtverletzung dar. Umstände, die hierzu geführt haben, sind lediglich für die Frage des Vertretenmüssens im Rahmen von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB relevant (MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, BGB § 283 Rn. 5; BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 283 Rn. 2).
82aa)
83Die beiden Sachverständigen Dr. K und Dr. L konnten nicht abschließend klären, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Fluid um ein Arzneimittel, ein Medizinprodukt, ein Kosmetikprodukt oder anderes handelt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L in seinem Gutachten vom 30.07.2019 erfüllte das Fluid zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im September 2009 weder die Voraussetzungen zur Kategorisierung als Medizinprodukt im Sinne des § 3 Nr. 1 MPG a.F. noch als kosmetisches Mittel im Sinne des § 2 Abs. 5 S. 1 LFBG a.F. (vgl. Gutachten Dr. L, S. 23, Bl. 853 GA). Als mögliche weitere Produktkategorien nennt der Sachverständige ein Arzneimittel i.S.d. § 2 Abs. 1 AMG a.F. oder als „Auffangtatbestand” ein Produkt i.S.d. § 2 Abs. 1 GPSG a.F. Dies vermochte der Sachverständige allerdings mangels ausreichender medizinscher Kenntnisse nicht abschließend zu klären.
84Hierauf kommt es im Ergebnis aber auch nicht an. Auch wenn die in Frage kommenden Produktkategorien unterschiedliche Anforderungen dahingehend aufstellen, ob und in welchem Umfang ein behördliches Zulassungsverfahren notwendig ist, so kann eine Marktreife bei einem potentiell gesundheitsgefährdenden Produkt – worum es sich bei dem streitgegenständlichen Fluid handelt – jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn mit der Anwendung keine Gesundheitsgefahren verbunden sind (vgl. schon den Hinweis- und Beweisbeschluss des Senats vom 03.06.2020, dort unter Ziffer III.). Nur dann wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, das Produkt im Rahmen ihrer Ausübungspflicht zu vermarkten. Denn es verstieße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), von einem Lizenznehmer den Vertrieb potentiell gefährdender Produkte zu verlangen. Bei potentiell gesundheitsgefährdenden Produkten steht die Ausübungspflicht vielmehr stets unter dem Vorbehalt, dass sichergestellt ist, dass mit der Anwendung keine Gesundheitsgefahren für den Anwender einhergehen (vgl. hierzu auch: BGH, Urt. v. 27.03.1962 – I ZR 148/60, abrufbar über Wolters Kluwer Online, dort Rn. 16, wobei die Benutzung in dem dort entschiedenen Fall behördlich untersagt war).
85bb)
86Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass keine der streitgegenständlichen Rezepturen des Fluids marktreif war. Die Sachverständigen Dr. N und Dr. M haben in ihren Gutachten übereinstimmend festgestellt, dass keine der vorgeschlagenen und getesteten Rezepturen, die sich im Rahmen des Vertragsgegenstands bewegten, ausreichend getestet war, um Gesundheitsgefahren für die Anwender sicher ausschließen zu können. Auf die streitige Frage, ob das Fluid zudem ausreichend stabil war und ob es gar – wie von der Beklagten behauptet – zu der Explosion einer Probe mit der Rezeptur aus Anlage K 34 gekommen ist, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.
87(1)
88Im Hinblick auf die von Herrn B übersandte Rezeptur Anlage K 34 hat die Sachverständige Dr. N in ihrem Gutachten vom 02.05.2022 festgestellt, dass keine endgültigen Aussagen zu (Neben-) Wirkungen getroffen werden könnten, weshalb es dringend angeraten gewesen sei, im Rahmen von Wirksamkeits- und Verträglichkeitsstudien zu prüfen, mit welcher Rezeptur eine ausreichende Wirkung bei möglichst geringem Risiko von Unverträglichkeiten zu erreichen sei (Gutachten Dr. N, S. 33, Bl. 1256 GA).
89In der Offenlegungsschrift DE 10 2008 019 XXA A1 vom 23.10.2008 (Anlage K 35) finden sich zwar unter anderem Hinweise zur Stabilisierung des Fluids (Abs. [0024]-[0028]), zum vorzugsweisen ph-Wert (Abs. [0032]), zur Sicherstellung einer gelartigen Konsistenz (Abs. [0033]) sowie Ausführungen zur Anwendung (Abs. [0034]–[0042]), ausreichende Aussagen zu möglichen Unverträglichkeiten bzw. Nebenwirkungen können der Schrift hingegen nicht entnommen werden (vgl. auch: Gutachten Dr. N, S. 15, Bl. 1238 GA).
90Bei den in der Anlage BB 1 dargelegten Behandlungsbeispielen wurden unterschiedliche Rezepturen und unterschiedliche Verfahren (Fräser mit anschließender Applikation mittels Pipette oder Einbringen mittels Pigmentiergerät bzw. Tätowiermaschine) eingesetzt. Nur im Beispiel „Tab. 4“ – Proband P – kam nach den Darlegungen der Klägerin (vgl. Schriftsatz v. 10.02.2016, S. 3, Bl. 364 GA) überhaupt die lizenzierte Rezeptur zum Einsatz. Die Anwendungsbeispiele zeigen nach der Bewertung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. N zwar unterschiedliche Anwendungsszenarien auf und legen einen Entwicklungsprozess dar (Gutachten Dr. N, S. 17, Bl. 1240 GA). Aus diesen Einzelfällen kann jedoch nicht die für eine Marktfähigkeit erforderliche Sicherheit des Produktes hergeleitet werden.
91Der humantoxikologischen Bewertung von Prof. E (Anlage BB 3, nachfolgend: Privatgutachten Prof. E) lag ebenfalls eine andere Rezeptur zugrunde, nämlich mit weitaus geringeren Wirkstoffanteilen als in der Rezeptur Anlage K 34, selbst wenn man die in der Anlage K 34 ebenfalls angegebene Alternativrezeptur („Pos. 3 und 4 je ca. 50%ig“) betrachtet. Ausweislich der Angaben auf Seite 1 des Privatgutachtens Prof. E lag der Wirkstoffgehalt des bewerteten „Fluid Spot Serum 0133.2“ bei insgesamt 26,9 %. Die (Haupt-) Rezeptur gemäß Anlage K 34 beinhaltet hingegen weitaus höhere Milchsäure bzw. Butyllaktat-Konzentrationen und insgesamt einen Wirkstoffanteil von 60,19 % (Gutachten Dr. N, S. 18, Bl. 1241 GA), wie aus der nachfolgenden – dem Gutachten von Frau Dr. N entnommenen – Tabelle ersichtlich ist:
92Die Alternativrezeptur („Pos. 3 und 4 je ca. 50%ig“) gemäß Anlage K 34, aus der nach den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. N – wegen der uneindeutigen Prozentangaben – zwei unterschiedliche Rezepturen folgen können, weist in beiden Fällen ebenfalls eine höhere Milchsäurekonzentration und insgesamt – je nach Berechnungsmethode – einen Wirkstoffanteil von 40,36 % bzw. 38,28 % auf (Gutachten Dr. N, S. 19 ff., Bl. 1242 ff. GA), wie aus den beiden nachfolgenden – dem Gutachten von Frau Dr. N entnommenen – Tabellen ersichtlich ist:
93Schon aufgrund der unterschiedlichen Wirkstoffanteile kann das Privatgutachten Prof. E keine ausreichenden Daten für die Annahme einer sicheren Anwendung der Rezeptur gemäß Anlage K 34 liefern. Verschärfend kommt hinzu, dass das Privatgutachten – trotz eines geringeren Wirkstoffanteils des bewerteten Fluids – bereits mögliche Risiken für den Patienten in Gestalt von Hautreizungen anmahnt. So seien „Hauteffekte wie Rötung, Schwellung, Schuppung, Blutungen und Entfärbungen nicht unwahrscheinlich“ (Privatgutachten Prof. E, S. 8).
94Die Schlussfolgerung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. N, dass die Bewertung daher keine Grundlage darstellen könne, eine Anwendung von Rezepturen mit weitaus höheren Wirkstoffanteilen als sicher einzuschätzen (Gutachten Dr. N, S. 23, Bl. 1246 GA), überzeugt vor diesem Hintergrund uneingeschränkt. Steht aufgrund eines Privatgutachtens bereits fest, dass schon bei geringeren Wirkstoffkonzentrationen mit Hautreaktionen unterschiedlichen Ausmaßes zu rechnen ist, so müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, um dieses Risiko zu minimieren (Gutachten Dr. N, S. 33, Bl. 1256 GA).
95(2)
96Hinsichtlich der beiden als „H“ und „G“ bezeichneten Rezepturen, die jeweils aus drei Komponenten (Lösungen A, B und C) bestehen und deren (Wirkstoff‑) Zusammensetzung sich aus der Anlage K 36 ergibt, lassen sich Gesundheitsgefahren für den Anwender nach den überzeugenden Ausführungen der beiden gerichtlichen Sachverständigen Dr. N und Dr. M ebenfalls nicht sicher ausschließen.
97(a)
98Für die Rezeptur „H“ folgt dies schon daraus, dass diese eine zur Rezeptur Anlage K 34 identische Formulierung enthält mit Ausnahme einer kleinen Abweichung bei der Wasserstoffperoxid-Konzentration (4,50 % statt 4,60 % absolute Konzentration, vgl. Gutachten Dr. N, S. 28 ff., Bl. 1251 ff. GA), wie auch aus der folgenden – dem Gutachten Dr. N entnommenen – Tabelle ersichtlich:
99Aufgrund der weitestgehend identischen Rezeptur gelten für die Rezeptur „H“ die vorstehenden Ausführungen zur Rezeptur Anlage K 34 entsprechend, auf die insoweit Bezug genommen wird.
100(b)
101Für die Rezeptur „G“, die bereits ihrem Namen nach („G“) eine geringere, nämlich hälftige Wirkstoffkonzentration vermuten lässt, stand zwischen den Parteien (zunächst) nicht in Streit, dass diese nicht marktfähig war. Denn während die Beklagte sich ohnehin damit verteidigt, dass kein marktfähiges Produkt vorgelegen habe, war nach Auffassung der Klägerin die Rezeptur wegen einer falschen Berechnung – die Rezeptur ergibt bei Summierung der drei Einzellösungen nur eine Gesamtmenge von 9,024 g statt der angegebenen 10 g – „unbrauchbar“ (vgl. Schriftsatz vom 04.11.2014, S. 19, Bl. 176 GA).
102Ungeachtet der Frage, ob die Rezeptur „G“ tatsächlich unbrauchbar oder aber – wie die Sachverständige Dr. N meint – grundsätzlich brauchbar war (Gutachten Dr. N, S. 34, Bl. 1257 GA), kann die Gefahr von Gesundheitsschäden aufgrund der vorliegenden Unterlagen jedenfalls nicht sicher ausgeschlossen werden, was der Bejahung einer Marktreife entgegensteht. Zwar sind aufgrund des geringeren Wirkstoffanteils geringere Nebenwirkungen zu erwarten, der Wirkstoffanteil ist mit 25,65 % aber immer noch deutlich höher als in derjenigen Rezeptur, die den humantoxikologischen Untersuchungen von Prof. E zugrunde lag (Wirkstoffanteil: 18,5 %). Nach den überzeugenden Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen ist daher auch hinsichtlich der Rezeptur „G“ ein höheres Risiko von Unverträglichkeiten, Reizungen und Narbenbildung gegeben (Gutachten Dr. N, S. 33, Bl. 1256 GA).
103(c)
104Das Risiko von Gesundheitsschäden bei Anwendung des streitgegenständlichen Fluids hat sich durch den Inhalt der beiden J-Studien bestätigt.
105So hat die erste J-Studie aufgezeigt, dass als häufige Nebenwirkung des streitgegenständlichen Fluids eine starke Narbenbildung zu erwarten sei. Bei drei der zehn behandelten Testpersonen (33,3 %) trat eine starke Narbenbildung („strong scarring“) und/oder Keloidbildung („keloid formation“) auf. Nach der Begrifflichkeit des „Medical Dictionary for Regulatory Activities“ müssten diese Nebenwirkungen, so die Verfasser der Studie, als „sehr häufig“ („very often“) klassifiziert werden (vgl. Anlage K 1, Ziff. 10, S. 29 bzw. die ihr anl. Übersetzung).
106Bei der zweiten J-Studie traten im Studienverlauf bei einzelnen Testpersonen ebenfalls Narben auf. Diese wurden bei fünf Testpersonen (41,7 %) acht Wochen nach der ersten Behandlung diagnostiziert und werden im Schweregrade von „sehr leicht“ bis „stark“ („very slight to strong scarring“) beschrieben (vgl. Anlage K 2, Ziff. 10, S. 21 bzw. die ihr anl. Übersetzung). Im Übrigen wird – in der finalen Version des Studienberichts (vgl. Anlage B 23, Ziff. 10, S. 22 bzw. die der Anlage K 2 anl. Übersetzung) – davon berichtet, dass an den Tagen 113 und 169 eine „sehr schwache bis mittlere“ („very slight to moderate“) Narbenbildung bei jeweils 50 % bzw. 67 % der Testpersonen und am Ende der Studie – nach erfolgter Wundbehandlung – bei 56 % der Testpersonen eine „sehr schwache bis schwache“ („very slight to slight“) Narbenbildung festzustellen gewesen sei (vgl. Anlage B 23, Ziff. 10, S. 22 bzw. die der Anlage K 2 anl. Übersetzung).
107Im Ergebnis ist damit bei beiden Studien zu Tage getreten, dass mit der Behandlung das Risiko einer Narbenbildung einhergeht, mag sie ggf. auch schwach sein. Dies stellt die Sicherheit der Anwendung des Fluids in Frage. Soweit die Klägerin anführt, dass etwaige (Haftungs-) Risiken – wie bei der vorherigen Tätowierung – mit einer entsprechenden Einverständniserklärung der zu behandelnden Personen ausgeschlossen werden könnten, so vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Eine solche Vorgehensweise wäre der Beklagten nicht zuzumuten, die sich darauf berufen kann, nur ein „sicheres“ Produkt vermarkten zu müssen. Zu den Gesundheitsgefahren, die hiermit ausgeschlossen werden müssen, gehört auch die Gefahr von Narbenbildung.
108Dieses Verständnis liegt im Übrigen auch dem Lizenzvertrag zugrunde, der in § 1 Abs. 1 LV als Vertragsgegenstand die deutsche Patentanmeldung Anlage K 35 bestimmt. Diese führt in Abs. [0008] ihrer Beschreibung aber ausdrücklich das Ziel einer narbenfreien Entfernung an:
109„Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Zusammensetzung zur Verfügung zu stellen, mit der es möglich ist, eine narbenfreie Entfernung einer Tätowierung zur Verfügung zu stellen.“
110(Unterstreichung hinzugefügt)
111Auch der gerichtliche Sachverständige Dr. M – u.a. Facharzt für Dermatologie – hat in seinem Gutachten vom 01.05.2022 (nachfolgend: Gutachten Dr. M) ausgeführt, dass – da es sich um eine medizinisch-ästhetische Anwendung handele – die Sicherheit der Anwendung eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Marktreife spiele und – da prinzipiell mit einer Narbenbildung bei diesem Verfahren gerechnet werden müsse – diese ausreichend sicher ausgeschlossen werden müsse (vgl. Gutachten Dr. M, S. 4, Bl. 1211 GA). Vor diesem Hintergrund ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anwendung auf Basis der beiden J-Studien nicht als „sicheres Verfahren“ angesehen werden könne (vgl. Gutachten Dr. M, S. 5, Bl. 1212 GA u. S. 8, Bl. 1215 GA).
112An dieser Feststellung ändert auch die Hinzuziehung der J-Stellungnahme vom 08.08.2012 (Anlage K 3 nebst anl. Übersetzung) nichts. Diese stellt verschiedene Methoden der Tätowierentfernung – C-Methode, Rejuvi-Methode und Laserbehandlung – gegenüber. Die gerichtliche Sachverständige Dr. N hat dieser Stellungnahme allein die Qualität eines „Marktüberblicks“ beigemessen (Gutachten Dr. N, S. 46 a.E., Bl. 1269 GA). Rückschlüsse auf die Sicherheit des streitgegenständlichen Verfahrens lassen sich aus der Stellungnahme nicht ziehen.
113Da somit nach sämtlichen der vorgelegten Unterlagen eine Gesundheitsgefährdung der Anwender nicht ausgeschlossen werden kann, war es der Beklagten nicht zumutbar, auf dieser Basis die Lizenz auszuüben und das Fluid auf den Markt zu bringen.
114b)
115Darüber hinausgehende Pflichten, deren schuldhafte Nichterfüllung einen Anspruch auf Schadenersatz begründen könnten, treffen die Beklagte nach dem Lizenzvertrag nicht. Insbesondere haftet die Beklagte nicht für die Herbeiführung der Marktreife (s.o. zu Ziffer 1.). Es kommt daher nicht darauf an, ob die J-Studien ordnungsgemäß durchgeführt wurden oder ob die Beklagte mit der Beauftragung der Studien alles Erforderliche getan hat, um eine Marktreife des Fluids herbeizuführen.
116Selbst wenn man aber annehmen wollte, die Beklagte sei aufgrund des Lizenzvertrages verpflichtet gewesen, die bestehende Marktreife des Fluids durch ergänzende Studien bestätigen zu lassen – ggf. auch nur, um die Absatzmöglichkeiten des Fluids zu verbessern –, so hätte sie dieser Verpflichtung jedenfalls durch die durchgeführten Studien genügt.
117aa)
118Die eingeholten J-Studien waren ihrem Aufbau nach nicht grundlegend fehlerhaft (vgl. Gutachten Dr. M, S. 5, Bl. 1212 GA). Wären die getesteten Fluids marktreif gewesen, so wäre eine wirksame Entfernung der Tätowierungen bei ausbleibender Narbenbildung durch die Studien zu Tage getreten.
119Zwar hat der dermatologische Sachverständige Dr. M eine zu geringe Fallzahl sowie die fehlende Einheitlichkeit der Nachbehandlung bemängelt (vgl. Gutachten Dr. M, S. 6, Bl. 1213 ff. GA). Auch die gerichtliche Sachverständige Dr. N hat darauf hingewiesen, dass eine größere Anzahl von Probanden empfehlenswert gewesen wäre (vgl. Gutachten Dr. N, S. 44, Bl. 1267 GA).
120Allerdings war die erste J-Studie grundsätzlich geeignet, eine bloße Bestätigung dafür zu erbringen, dass das Fluid die Tätowierungen ohne Narbenbildung beseitigt, wovon offenbar sämtliche Beteiligte zum damaligen Zeitpunkt ausgegangen sind. Hierauf weist etwa auch der Inhalt der Ziff. 6.3 der Studie hin, wonach ein Nichtansprechen der Therapie, Entzündungen oder Irritationen nicht erwartet wurden. Dass sich diese Vorstellung der Parteien nicht bestätigt hat, liegt nicht an einem fehlerhaften Studiendesign, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass das getestete Fluid – entgegen der Erwartungen der Parteien – eben noch nicht marktfähig war, sondern sich ein Gesundheitsrisiko in Gestalt von Narbenbildungen offenbarte.
121Vor diesem Hintergrund geht der Angriff der Klägerin fehl, die der Beklagten zum einen vorwirft, die Studien überflüssigerweise eingeholt zu haben, zum anderen aber deren Geeignetheit abstreitet. Vielmehr entsprachen die Studien der Vorstellung der Parteien bei Vertragsschluss, nämlich mit einem „niedrigschwelligen“ Studiendesign die angenommene Marktreife eines Produkts zu belegen, hinsichtlich dessen beide Parteien zudem übereinstimmend davon ausgingen, dass es sich zumindest um kein Arzneimittel handelte. Hierzu passt, dass nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin das Studiendesign gegenüber der Beklagten während der laufenden Studien grundlegend – und nicht nur auf die Wundnachbehandlung in der ersten J-Studie bezogen – als unzureichend angezweifelt hätte.
122bb)
123Dass die Beklagte in den Studien ggf. nicht allein die von der Klägerin übermittelte Rezeptur gemäß Anlage K 34 getestet hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Alle im Verfahren diskutierten Rezepturen gemäß den Anlagen K 34 und 36 fallen unstreitig in den Schutzbereich des lizenzierten Schutzrechts.
124Es stand im Ermessen der Beklagten, auch eine andere als die von der Klägerin vorgeschlagene Formulierung zu untersuchen bzw. untersuchen zu lassen und ggf. auf den Markt zu bringen. Insbesondere fallen auch die Formulierungen „H“ und „G“ der Anlage K 38 unter den Gegenstand des Lizenzvertrages. Die gerichtliche Sachverständige Dr. N hat bestätigt, dass keine der Formulierungen für den Fachmann von Vornherein als ungeeignet erscheinen musste (Gutachten Dr. N, S. 34 f., Bl. 1257 f. GA). Belastbare Indizien dafür, dass in einer der Studien eine Fluid-Zusammensetzung verwendet wurde, die nicht mehr in den lizenzvertraglichen Bereich fiel oder sich aus fachlicher Sicht als gänzlich ungeeignet erweisen musste, sind weder dargelegt noch im Rahmen der Beweisaufnahme zu Tage getreten.
125III.
126Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
127Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
128Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).
129Im Hinblick auf die Streitwertfestsetzung hat der Senat keinen Anlass gesehen, von seiner Beschwerdeentscheidung vom 16.10.2017 – Az. I-2 W 41/17 – abzuweichen und hat die dortigen Erwägungen auch bei der Festsetzung des hiesigen Berufungsstreitwerts zur Anwendung gebracht.
130Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 22.12.2023 gab keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Soweit der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2023 darauf hingewiesen hat, dass die aus dem Lizenzvertrag folgenden Pflichten der Vertragsparteien durch Auslegung zu ermitteln seien, handelt es sich um eine rechtliche Selbstverständlichkeit. Die Parteien hatten im Verlauf des Rechtsstreits und nochmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit, zu den einzelnen Regelungen des Lizenzvertrages Stellung zu nehmen. Im Übrigen gebieten die Ausführungen der Klägerin zu dem Inhalt des Lizenzvertrages in ihrem Schriftsatz vom 22.12.2023 keine von der Auffassung des Senats abweichende Auslegung des Lizenzvertrages. Zu den Wasserstoffperoxidkonzentrationen der untersuchten Rezepturen ist die Sachverständige Dr. N in der mündlichen Verhandlung befragt worden. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass keine Marktreife des streitgegenständlichen Fluids vorlag. Der Schriftsatz der Klägerin vom 22.12.2023 gebietet auch insofern keine andere Beurteilung.
131X Y Z