Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.
2.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Duisburg zurückverwiesen.
G r ü n d e:
2I.
3Das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort hat den Angeklagten durch Urteil vom 21. November 2022 (2 Cs 177/22) vom Vorwurf der üblen Nachrede in sieben Fällen freigesprochen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat die 14. kleine Strafkammer des Landgerichts Duisburg das Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen Verleumdung wegen Verbreitens von Inhalten zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
4II.
5Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang (vorläufig) Erfolg. Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
61. Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte – formal ordnungsgemäß – beanstandet, weder vor noch während der Berufungshauptverhandlung sei ein rechtlicher Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO dahin erteilt worden, dass abweichend von der bisherigen Bewertung des Sachverhaltes als üble Nachrede auch eine Verurteilung wegen Verleumdung in Betracht komme, ist unbegründet.
7Der Angeklagte beruft sich zum Beweis des Verfahrensfehlers auf die negative Beweiskraft der Sitzungsniederschrift, in der die Erteilung des rechtlichen Hinweises – zunächst – nicht beurkundet war. Am 11. April 2024 ergänzten die Vorsitzende der 14. kleinen Strafkammer und die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle das Sitzungsprotokoll des letzten Hauptverhandlungstages vom 6. Dezember 2023 dahingehend, dass nach der Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs vom 20. November 2023 der rechtliche Hinweis ergangen sei, dass auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen Verleumdung nach § 187 Var. 2 StGB in sieben Fällen in Betracht komme.
8Das Revisionsgericht hat seiner Prüfung das berichtigte Protokoll zugrunde zu legen, wenn die Berichtigung – wie hier – in der Sache zutreffend und das Berichtigungsverfahren verfahrensordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Die erst nach der Revisionsbegründung vorgenommene Protokollberichtigung ist beachtlich, auch wenn der Verfahrensrüge dadurch zum Nachteil des Beschwerdeführers die tatsächliche Grundlage entzogen wird. Die Zulassung „rügeverkümmernder Protokollberichtigungen“ trägt dem Beschleunigungsgebot und dem Umstand Rechnung, dass auch die Revisionsgerichte der Wahrheit verpflichtet sind. Darüber hinaus werden den Erfolgsaussichten bewusst unwahrer Verfahrensrügen Grenzen gesetzt (BGH, Beschluss des Großen Senats vom 23. April 2007, GSSt 1/06; zitiert nach juris).
9Die Protokollberichtigung kam auch entsprechend den Vorgaben des Bundesgerichtshofs zustande. Dem Angeklagten wurde vor der beabsichtigten Berichtigung rechtliches Gehör gewährt. Die Absicht der Berichtigung wurde den Verteidigern des Angeklagten zusammen mit den dienstlichen Erklärungen der Staatsanwaltschaft und der Vorsitzenden sowie der während der Hauptverhandlung getätigten Aufzeichnungen, die den Protokollfehler belegen, übermittelt. Die dienstlichen Erklärungen enthielten die für die Berichtigung tragenden Erwägungen. Die Verteidiger des Angeklagten haben der beabsichtigten Protokollberichtigung nicht widersprochen. Zweifel an der Richtigkeit der Ergänzung des Protokolls bestehen daher nicht.
102. Die Revision hat jedoch mit der Sachrüge – zumindest vorläufig – in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg. Die Beweiswürdigung, aufgrund derer sich das Landgericht die Überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 187 StGB verschafft hat, hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Lückenhaft ist die Beweiswürdigung, wenn sich das Tatgericht nicht mit allen wesentlichen, den Angeklagten belastenden und entlastenden Indizien auseinandergesetzt hat. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Tatgericht die für den Schuldspruch bedeutsamen Beweise erschöpfend gewürdigt, die entscheidungserheblichen Umstände erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat; eine Beweiswürdigung, die Feststellungen nicht in Betracht zieht, welche geeignet sind, die Entscheidung zu beeinflussen, oder naheliegende Schlussfolgerungen nicht erörtert, ist rechtsfehlerhaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 30. Juli 2020, 4 StR 603/19; Beschluss vom 20. Februar 2024, 2 StR 283/23 m.w.N.).
12Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Beweiswürdigung im Hinblick auf die subjektive Tatbestandsvoraussetzung des Handelns „wider besseres Wissen“ als lückenhaft. Insoweit führt das Landgericht zunächst aus, der Angeklagte habe im Rahmen seiner Einlassung geschildert, wieso er die Emails verfasst habe und die unter III a der Urteilsgründe aufgeführte Vorgeschichte gemeinsam mit seinen Anwälten erläutert (Seite 11, Absatz 1 UA). Welche Gründe der Angeklagte geschildert hat, wird nicht dargelegt. Auch seine weitere Einlassung wird nicht wiedergegeben. An anderer Stelle (Seite 11, Absatz 3 UA) wird ausgeführt, dass der Angeklagte keine Angaben dazu habe machen können, was in der Ratssitzung am 17. Juni 2019 besprochen worden sei, weil er nicht anwesend gewesen sei. Er habe seine Informationen vom Inhalt der Ratssitzung durch Pressartikel sowie die Aussagen von Teilnehmern bezogen, die ihm von der Ratssitzung berichtet hätten. Schließlich wird ausgeführt, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zum einen auf der Art der Formulierung der verfassten Emails und zum anderen auf dem Umstand beruhten, dass der Angeklagte die Emails auch an die Arbeitgeber der Zeugen M und R gesandt habe, weil er für wichtig gehalten habe, dass die Schulbehörde über die vermeintliche Haltung des Zeugen R und M ausreichend informiert sei, um gegebenenfalls die Entfernung der Zeugen aus dem Schuldienst zu prüfen.
13Damit setzt sich die Beweiswürdigung nicht hinreichend mit der wiedergegebenen Einlassung zu den möglichen Erkenntnisquellen des in der Ratssitzung nicht anwesenden Angeklagten bezüglich deren Inhalts auseinander, was jedoch erforderlich wäre, um die Feststellung „wider besseres Wissen“ zu tragen. Darüber hinaus kann das Revisionsgericht nach den oben dargestellten Maßstäben nicht überprüfen, ob das Tatgericht die für den Fall bedeutsamen Beweise erschöpfend gewürdigt, die entscheidungserheblichen Umstände erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat, weil die Einlassung des Angeklagten zu seinen Beweggründen für das Verfassen und Versenden der Emails ihrem wesentlichen Inhalt nach nicht mitgeteilt wird, diese jedoch Einfluss auf die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite haben können. Es ist dem Senat im Revisionsverfahren verwehrt, die insoweit lückenhafte Beweiswürdigung durch eigene Erwägungen zu ergänzen. Das angefochtene Urteil ist daher mit den Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).
14Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen konnten indes aufrechterhalten werden.