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Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung seiner Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht kommt.
Er erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis bis zum
01.03.2024
Stellung zu nehmen.
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger wurde von dem Beklagten aufgrund einer Auftragsbestätigung vom 13./14.03.2018 (Anlagenband Beklagter) mit verschiedenen Arbeiten beauftragt („Badsanierung Komplett“, „Verputzarbeiten sowie Trockenbauarbeiten“, „Heizkörpernischen zu Mauern“, „Einbau von Fensterbänken“, „Dachgeschoßausbau“). Die Arbeiten sollten am 19.03.2018 beginnen und am 19.05.2018 (die Angabe „19.03.2018“ in der Auftragsbestätigung ist ein offenbarer Schreibfehler) fertiggestellt sein. Der Werklohn sollte 29.550,00 EUR netto = 35.164,50 EUR brutto betragen. Der Beklagte leistete vor Beginn der Arbeiten eine Vorauszahlung in Höhe von 21.300,00 EUR. Die Parteien gerieten über die Fertigstellung in Streit, nachdem der Kläger eine weitere Vorauszahlung anforderte. Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 02.07.2018 nachdem er den Kläger zuvor mit Schreiben vom 06.06.2018 zur Fertigstellung aufgefordert hatte. Der Beklagte ließ die Arbeiten begutachten. Das Gutachten vom 14.08.2018 ist erstmals in der Berufungsinstanz zur Akte gereicht worden (OLG-GA 99 ff).
4Mit Schreiben vom 26.10.2018 hat der Beklagte einen Schaden in Höhe von 47.226,74 EUR reklamiert und außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 1.822,96 EUR geltend gemacht. Er, der Beklagte, müsse nach dem Gutachten 29.800,00 EUR brutto aufwenden, um die Mängel der bis zur Kündigung ausgeführten Leistungen zu beseitigen. Von den ausgeführten Leistungen seien nur Glättarbeiten und das Zumauern der Heizkörpernischen mit 2.925,00 EUR brutto zu vergüten. Deshalb sei der Kläger in Höhe von 18.735,00 EUR überbezahlt. Für die fachgerechte Ausführung der Arbeiten an den Bädern habe er, der Beklagte, 12.019,00 EUR brutto bezahlt und für weitere Arbeiten zur Herstellung eines vertragsgemäßen Zustands seien 16.832,64 EUR netto erforderlich.
5Der Kläger hat am 06.05.2019 Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt. Das Insolvenzverfahren ist durch Beschluss vom 01.07.2019 eröffnet worden. Durch weiteren Beschluss vom 01.07.2019 ist die Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung festgestellt worden.
6Mit Schreiben vom 25.08.2020 hat der Beklagte Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet und geltend gemacht, diese resultierten aus unerlaubter Handlung. Er hat auf das Gutachten vom 14.08.2018 Bezug genommen und den Schaden – wie bereits im Schreiben vom 26.10.2018 – mit 47.226,64 EUR beziffert. Zudem müsse der Kläger die Kosten des Gutachtens in Höhe von 1.702,06 EUR tragen und einen Mietausfall in Höhe von 1.500,00 EUR (zusammen: 3.202,06 EUR). Diese Forderungen sind nebst Zinsen und Kosten in die Insolvenztabelle aufgenommen worden (Anlage K 6). Der Kläger hat dem Merkmal der unerlaubten Handlung widersprochen.
7Mit seiner Klage hat der Kläger Feststellung dahin begehrt, dass die Forderungen des Beklagten nicht aus einer unerlaubten Handlung herrühren. Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Er hat geltend gemacht, dass der Kläger schon im Zeitpunkt der Beauftragung zahlungsunfähig gewesen sei und den Vertrag nicht habe erfüllen wollen.
8Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der tatbestandlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht festgestellt, dass die in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers (100 IN 59/19, Amtsgericht Hagen) von dem Beklagten zur Insolvenztabelle im Rang 0, 19 und 0,20 angemeldeten Forderungen in Höhe von 52.136,30 EUR und 3.256,28 EUR nicht auf einer vom Kläger begangenen vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhen. Es hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Kläger bei Abschluss des Werkvertrags mit dem Beklagten die Absicht gehabt habe, diesen Werkvertrag nicht zu erfüllen. Die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 263 StGB lägen daher nicht vor. Zudem fehle der Vorsatz in Bezug auf die Schadenfolge. In Bezug auf die mangelhafte Ausführung der Werkleistungen habe der Beklagte den Tatbestand einer Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 303 StGB nicht schlüssig vorgetragen. Schließlich teilten die zur Tabelle angemeldeten Rechtsanwaltskosten nicht das Schicksal der Hauptforderung und würden von der Restschuldbefreiung erfasst, selbst wenn der Hauptanspruch auf unerlaubter Handlung beruhen sollte.
9Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft.
10Der Beklagte beantragt,
111.das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen;
122.hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Landgericht zurückzuverweisen.
13Der Kläger beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
16II.
17Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
18Die Ausführungen des Beklagten dazu, dass der Kläger bereits bei Abschluss des Werkvertrages zahlungsunfähig gewesen sei, er beabsichtigt habe, den Vertrag nicht zu erfüllen und deshalb der Tatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB verwirklicht sei, überzeugen nicht.
191.Für den objektiven Tatbestand des Betrugs sind drei Täuschungsarten zu unterscheiden. Die Täuschung kann durch aktives Tun erfolgen, indem der Täter ausdrücklich falsche Tatsachen vorspiegelt. Daneben steht die konkludente Täuschung. Konkludent täuscht, wer die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Gesamtverhalten miterklärt. Schließlich kann die Täuschung durch Unterlassen begangen werden, wenn eine Garantenpflicht zur Offenlegung von Tatsachen verletzt wird.
202.Der Beklagte reklamiert, dass ihn der Kläger über seine Zahlungsunfähigkeit hätte aufklären müssen.
21Damit steht nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165) eine Täuschung durch Unterlassen in Rede, nicht eine konkludente Täuschung. Denn es kann nicht angenommen werden, dass der Unternehmer bei Abschluss eines Werkvertrags konkludent miterklärt, nicht zahlungsunfähig zu sein. Eine solche konkludente Erklärung zu der Zahlungsunfähigkeit liegt schon deshalb fern, weil der Unternehmer einen Werkvertrag erfüllen und keine Zahlungen leisten soll; die Erfüllung des Werkvertrags kann auch dann gelingen, wenn der Unternehmer nicht alle seine Schulden bedienen kann. Zudem entspricht es der Risikoverteilung beim Abschluss von Verträgen, dass jede Vertragspartei die sie nach dem Vertrag treffenden Risiken selbst bewerten muss. Wenn der Besteller einen Werkvertrag mit Vorauszahlungen vereinbart, hat er selbst Anlass, die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken einzuschätzen. Thematisiert er diese bei Vertragsschluss nicht und stellt er auch keine Erkundigungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seines Vertragspartners an, so kann er nicht erwarten, dass dieser eine konkludente Erklärung zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen abgibt. Dementsprechend wird bei Abschluss eines Vertrags allein die Erfüllungsbereitschaft nach dem Maßstab des unerlässlichen Minimums an Redlichkeit im Geschäftsverkehr konkludent miterklärt, nicht aber die Zahlungsfähigkeit. So kann etwa aus dem Umstand, dass ein Käufer im Zeitpunkt der Bestellung von Ware nicht in der Lage ist, seine bestehenden Verbindlichkeiten in vollem Umfang zu begleichen, sondern liquide Mittel immer nur Tilgung der ältesten und aus seiner Sicht dringlichsten Forderung verwendet, nicht auf Zahlungsunwilligkeit bezüglich des konkreten Bestellvorgangs geschlossen werden, womit die Annahme einer konkludenten Täuschung allein wegen Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausscheidet (BGH, Beschl. v. 09.04.1991 – 5 StR 85/91, StV 1991, 419; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/ Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 263 Rn. 39).
22Eine Täuschung durch Unterlassen setzt eine Garantenpflicht zur Aufklärung voraus. Eine solche Garantenpflicht setzt in allgemeinen Vertragsverhältnissen besondere Umstände, etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgrund langjähriger Geschäftsbeziehung, voraus (BGH, Urt. v. 10.04.1984 – 4 StR 180/84, StV 1984, 511; BayObLG, Urt. v. 30.07.1998 – 3 St RR 54-98, NJW 1999, 663; Saliger in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 263 StGB, Rn. 75 ff.) Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich. Allein der Abschluss eines Vertrags begründet kein besonderes Vertrauensverhältnis, auch wenn eine Vorauszahlung vereinbart wird.
233.Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Vertrag nicht hätte erfüllen wollen oder damit hätte rechnen müssen, zur Erfüllung nicht in der Lage zu sein und deshalb über seine Erfüllungsbereitschaft getäuscht hat, liegen nicht vor. Derartiges liegt schon mit Blick auf den zeitlichen Ablauf fern. Die Auftragsbestätigung datiert auf den 13.03.2018, der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist am 06.05.2019 gestellt worden, mithin mehr als ein Jahr später. Zudem hat der Kläger die Arbeiten begonnen, hat Arbeiten ausgeführt und wollte diese auch weiterführen, wenn auch nur bei Zahlung eines weiteren Abschlags bzw. einer weiteren Vorauszahlung. Als weiteres Indiz hat das Landgericht zutreffend herangezogen, dass der Kläger vor der Insolvenzeröffnung noch andere Aufträge angenommen und beendet hat (LGU Seite 7). Für die erstmals in der Berufung vorgetragenen These des Beklagten, nur in Bezug auf den von ihm erteilten Auftrag habe es Betrugsabsicht gegeben, gibt es wiederum keine Anhaltspunkte. Der Beklagte versucht mit allgemein gehaltenem Vortrag zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers darzulegen, dass dieser den Vertrag nicht habe erfüllen wollen. Dann muss er sich aber auch entgegen halten lassen, dass der Kläger andere Aufträge erfüllt hat und trotz seiner (angeblichen) Zahlungsunfähigkeit zur Vertragserfüllung in der Lage war.
244.Wenn der Beklagte geltend macht, der Kläger habe nur Arbeiten im Wert von 2.925,00 EUR erbracht, verkennt er die Grundsätze der Abrechnung von gekündigten Werkverträgen und gelangt daher zu unzutreffenden Schlussfolgerungen, weil er zwei verschiedene Aspekte vermischt.
25Nach einer Kündigung steht dem Unternehmer jedenfalls wegen der bis dahin ausgeführten Werkleistungen ein Werklohnanspruch zu. Denn auch wenn der Besteller berechtigt gemäß § 648a BGB aus wichtigem Grund gekündigt hat, steht dem Unternehmer ein Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Werkleistungen zu. Mängel der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen sind für den Vergütungsanspruch nicht relevant. Wegen Mängeln kann der Besteller Erfüllungs- oder (nach Abnahme) Nacherfüllungsansprüche geltend machen. Auf für eine mangelhafte Teilleistung entsteht der (anteilige) Werklohnanspruch in voller Höhe; er erlischt erst, wenn der Besteller mindert oder mit einem auf Geld gerichteten Mängelanspruch aufrechnet (Kniffka/Jurgeleit/Schmitz BauvertragsR § 648 Rn. 143; BeckOGK BGB/Kessen BGB § 648 Rn. 74).
26Dementsprechend hat der von dem Beklagten reklamierte Schaden zwei Aspekte: Es geht zum einen um die Frage, welche Leistungen der Kläger ausgeführt hat und zum anderen um die Frage, ob diese Leistungen mangelhaft waren.
27Dem Gutachten vom 15.08.2018 lässt sich nicht entnehmen, in welcher Höhe dem Kläger Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zusteht. In dem Gutachten vom 15.08.2018 werden die Bruttokosten bewertet, die zur Beseitigung der Mängel der von dem Kläger bis zur Kündigung ausgeführten Leistungen erforderlich sind. Diese beziffert die Gutachterin mit 29.800,00 EUR brutto. Zum Anteil der vertraglich vereinbarten Vergütung, die auf die ausgeführten Leistungen entfällt, hat sich die Gutachterin nicht geäußert. Für Glättarbeiten und die Heizkörpernischen nennt sie einen Wert (2.925,00 EUR brutto), der aber mit der vertraglichen Vergütung nicht in Zusammenhang steht.
28Das Argument des Beklagten, der Kläger habe lediglich Leistungen im Wert von 2.925,00 EUR erbracht, führt danach in die Irre. Der Betrag in Höhe von 2.925,00 EUR erklärt sich durch (behauptete) Mängelbeseitigungskosten und andere Positionen, die sich auf mangelhafte Ausführung der Arbeiten bzw. angeblich von dem Kläger verursachte Schäden gründen. Der im Gutachten benannte Wert lässt daher keinen Schluss darauf zu, dass der Kläger betrügerisch handelte, weil er für die Vorauszahlung von vornherein keine Gegenleistung erbringen wollte. Den weiteren Ausführungen des Gutachtens lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Kläger umfangreiche Leistungen erbracht hat.
29Der Beklagte legt auch nicht ansatzweise dar, dass es der Kläger von vornherein darauf abgesehen haben könnte, Mängel zu verursachen und deshalb über seine Erfüllungsbereitschaft zur mangelfreien Leistung getäuscht hat.
305.Auf die Frage, ob der Kläger bei Abschluss des Vertrags bereits zahlungsunfähig war, kommt es – wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt – nicht entscheidend an. Der Kläger hat sich zur Erfüllung eines Werkvertrags verpflichtet, nicht zur Zahlung von Geld. Allerdings ist dem Landgericht darin zu folgen, dass auch der Vortrag des Beklagten zur Zahlungsunfähigkeit unzureichend ist.
31Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner seine fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllen kann (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Abzugrenzen ist die Zahlungsunfähigkeit von der Zahlungsstockung. Eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, gilt lediglich als Zahlungsstockung und stellt keinen Insolvenzeröffnungsgrund dar. Ebenso liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen kann, für die ein Schwellenwert von 10 % angesetzt wird (vgl. BGH, Urt. v. 24.05.2005 – XI ZR 123/04, NJW 2005, 3062).
32Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit erfordert damit eine rechtliche Wertung. Es bedarf zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Gegenüberstellung der an einem bestimmten Stichtag aktuell und kurzfristig verfügbaren Mittel und der an diesem Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten, wenn nicht schon auf der Grundlage von aussagekräftigen Indizien festgestellt werden kann, dass der Schuldner zahlungsunfähig war (BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, NZI 2007, 36).
33Der Verweis auf die Forderungen aus der Insolvenztabelle (Klageerwiderung Seite 2) ist nicht aussagekräftig. Denn es wird nicht dargelegt, über welche liquiden Mittel der Kläger bei Abschluss des Werkvertrags verfügte und wie hoch die Raten der Darlehensverträge waren, die er angeblich nicht bediente. Danach ist nicht ausgeschlossen, dass – den Vortrag des Beklagten unterstellt, die Darlehensraten seien nicht bedient worden – nur eine Zahlungsstockung vorlag. Immerhin haben sich die Darlehensgeber nicht veranlasst gesehen, einen Insolvenzantrag zu stellen – das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Klägers eröffnet worden. Zu den Steuerschulden hat das Landgericht festgestellt, dass die Bescheide unstreitig erst nach dem Vertragsschluss ergangen sind (LGU Seite 6, LG-GA 118). An diese Feststellung ist der Senat gebunden, § 314 ZPO. Wegen (noch) nicht fälliger Forderungen kann aber keine Zahlungsunfähigkeit bestanden haben; auf die Frage, ob die Forderungen absehbar waren, kommt es für die Zahlungsunfähigkeit nicht an. Der Verweis der Berufung auf BGH, Urt. v. 28.06.2022 – II ZR 112/21 (NZI 2022, 787) geht fehl. In dieser Entscheidung ist die Zahlungsunfähigkeit nicht allein aus den Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren hergeleitet worden, sondern aus dem Bericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, in dem bezogen auf den Stichtag fällige Verbindlichkeiten und verfügbare Mittel gegenübergestellt worden sind (Rn. 15) und findet sich dort unter Rn. 14 ausgeführt:
34Es ist unerheblich, dass sich der Kl. zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit nicht auf eine Liquiditätsbilanz bezieht und deshalb Liquiditätslücke und Liquiditätsdeckungsgrad nicht unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Summe von Aktiva I und Aktiva II zur Summe von Passiva I und Passiva II errechnet (vgl. BGHZ 217, 129 = NZI 2018, 204 Rn. 62). In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass die Zahlungsunfähigkeit auch auf andere Weise dargelegt werden kann als durch eine solche Zeitraumbetrachtung. So wird es für zulässig erachtet, die Zahlungsunfähigkeit durch einen Liquiditätsstatus auf den Stichtag in Verbindung mit einem Finanzplan für die auf den Stichtag folgenden drei Wochen, in dem tagesgenau Einzahlungen und Auszahlungen gegenübergestellt werden, darzutun (vgl. BGH WM 2022, 1287 = BeckRS 2022, 14313 Rn. 18). Es spricht auch nichts dagegen, zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit mehrere tagesgenaue Liquiditätsstatus in aussagekräftiger Anzahl aufzustellen, in denen ausgehend von dem am Stichtag eine erhebliche Unterdeckung ausweisenden Status an keinem der im Prognosezeitraum liegenden bilanzierten Tag die Liquiditätslücke in relevanter Weise geschlossen werden kann (vgl. HmbKommInsO/Schröder, 9. Aufl., § 17 Rn. 51).
35Diese Ausführungen belegen die Ansicht der Berufung, die Zahlungsunfähigkeit könne durch „retrograde Betrachtung“ der Anmeldungen im Insolvenzverfahren erfolgen, ersichtlich nicht.
36Die Ansicht der Berufung, der Beklagte habe ausreichend vorgetragen, indem er Zahlungsunfähigkeit in den Raum gestellt und hierzu die Vernehmung des Insolvenzverwalters beantragt habe, geht danach fehl. Im Hinblick auf die Unschärfe des Tatbestands der Zahlungsunfähigkeit müssen konkrete Tatsachen vorgetragen werden, die die Prüfung ermöglichen, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Allein der Vortrag des rechtlich komplexen Begriffs „Zahlungsunfähigkeit“ genügt nicht.
37Entgegen der Ansicht der Berufung hat der Kläger schon in erster Instanz bestritten, dass er die Darlehen nicht bedient habe, weil diese erst lange nach März 2018 zur Rückzahlung fällig gewesen seien (LG-GA 36 und LG-GA 71). Zutreffend hat das Landgericht diese Behauptung daher als streitigen Vortrag des Beklagten wiedergegeben.
38Zudem sind im Insolvenzverfahren die Darlehensforderung in voller Höhe, soweit nicht gezahlt, angemeldet worden. Es ist nicht vorgetragen, dass die Darlehen schon im Zeitpunkt der Auftragserteilung gekündigt und in voller Höhe fällig waren. In erster Instanz hat der Beklagte lediglich geltend gemacht, die Darlehen seien „nicht regelmäßig bedient“ worden (LG-GA 26) bzw. „nicht mehr bedient worden“ (LG-GA 56). Auch legt der Beklagte trotz des Hinweises des Landgerichts, dass er ins Blaue hinein vortrage, nicht dar, woher er Kenntnis von der angeblichen Nichtbegleichung der Darlehensraten vor Abschluss des Vertrages haben will.
396.Nach den vorstehenden Ausführungen liegt schon der objektive und subjektive Tatbestand gemäß § 263 StGB nicht vor, weil der Kläger den Beklagten nicht getäuscht hat und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass er den Vertrag nicht erfüllen wollte oder davon ausging, dass er zur Erfüllung des Vertrags nicht in der Lage sein würde.
40Das Landgericht hat zudem auf die besonderen subjektiven Voraussetzungen der Forderungsprivilegierung gemäß § 302 Nr.1 InsO hingewiesen, wonach auch die Schadensfolge vom Vorsatz umfasst sein muss (BGH, Urt. v. 21.06.2007 – IX ZR 29/06, NZI 2007, 532). Die Handlungsweise des Klägers müsse von der Vorstellung getragen sein, den Wert des Vermögens des Beklagten zu vermindern. Die Kenntnis von einer nur potentiellen Gefährdungslage sei nicht ausreichend.
41Diese Ausführungen des Landgerichts begegnen Bedenken, weil der subjektive Tatbestand des § 263 StGB und die subjektiven Anforderungen der Forderungsprivilegierung vermischt werden. Der Tatbestand des § 263 StGB kann auch durch eine Vermögensgefährdung verwirklicht werden, etwa wenn der Getäuschte zu einer riskanten Geldanlage veranlasst wird, bei der sich das Verlustrisiko nicht verwirklicht. Vorsatz kann in solchen Fällen auch dann vorliegen, wenn der Täuschende hofft, das Risiko werde sich nicht verwirklichen (BGH, Beschl. v. 04.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264). Auf die Billigung eines „Endschadens“ kommt es insoweit nicht an, der Vorsatz muss sich auf die tatsächlichen Umstände der Vermögensgefährdung beziehen, wobei allerdings nicht allein aus dem Grad der Gefährdung ohne weiteres auf Vorsatz geschlossen werden darf (BeckOK StGB/Beukelmann § 263 Rn. 75).
42Im Rahmen von § 302 Nr. 1 InsO stellt sich die weitere Frage, ob und inwieweit sich der Vorsatz auf die Schadensfolge der unerlaubten Handlung beziehen muss. Der BGH (Urt. v. 21.06.2007 – IX ZR 29/06, NZI 2007, 532) hat für den Fall der vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt entschieden, dass nicht jeder Anspruch, der aus der Trunkenheitsfahrt resultiert, gemäß § 302 Nr. 1 InsO privilegiert ist. Wenn der Schaden nur fahrlässig verursacht sei, sei die Privilegierung nicht gerechtfertigt. Maßgeblich ist, ob der Vorsatz eine Schädigungstendenz zu Lasten des später zu Schaden Gekommenen hat (BGH, a. a. O., Rn. 22). Diese Schädigungstendenz liegt beim Betrug vor und es ist auch nicht erforderlich, dass jede einzelne Schadensposition vom Vorsatz des Schuldners umfasst ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.03.2011 – I-24 U 118/10, ZInsO 2011, 1706). Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der sich auf die Schadenfolge beziehende Vorsatz nicht ohne weiteres verneint werden, wenn ein Betrug zu Lasten des Beklagten unterstellt wird. Der Kläger hätte darauf abgezielt, sich einen Betrag in Höhe von 21.300,00 EUR als Vorauszahlung zu verschaffen, trotz der Gefahr (oder gar Absicht), den Vertrag nicht erfüllen zu wollen. Zumindest in Bezug auf die Vorauszahlung würde es daher nicht am Vorsatz in Bezug auf die Schadenfolge fehlen. Erwogen werden könnte allenfalls, ob der diesen Betrag übersteigende Schaden (etwa beruhend auf Kosten der Beseitigung von Mängeln nicht fertig gestellter Leistungen und den Mehrkosten der Fertigstellung) vom Vorsatz erfasst ist. Denn auch bei Vorliegen eines Betrugs mit der ihm innewohnenden Schädigungstendenz kann ein innerer Zusammenhang zwischen Vorsatz und Schaden fehlen. So liegt es etwa, wenn der Unternehmer angelegentlich der Ausführung eines durch Betrugs erlangten Auftrags fahrlässig eine Vase des Bestellers zu Bruch gehen lässt. Ein innerer Zusammenhang zwischen Vorsatztat und Schaden besteht in diesem Fall nicht, auch wenn das Zerbrechen der Vase kausal durch den Betrug verursacht ist. Diese Frage kann hier aber dahinstehen.
437.Nicht zu folgen vermag der Senat der Schadensberechnung des Beklagten.
44Unterstellt man eine wirksame Kündigung des Beklagten aus von dem Kläger verschuldeten wichtigem Grund, so kann der Beklagte die Mehrkosten der Fertigstellung des Werks beanspruchen. Zur Darlegung der Mehrkosten muss er gegenüberstellen, in welcher Höhe dem Kläger für die infolge der Kündigung weggefallene Teilleistung ein Vergütungsanspruch zugestanden hätte und welche Vergütung er den Drittunternehmern gezahlt hat, die anstelle des Klägers beauftragt worden sind. Eine solche Darlegung fehlt. Wie bereits aufgezeigt, beziffert der Beklagte nicht ansatzweise schlüssig, welche Vergütung dem Kläger für die bis zur Kündigung ausgeführten Leistungen zusteht, weil sich das Gutachten nur auf Mängelbeseitigungskosten bezieht.
45Unterstellt man weiter, dass die Werkleistung des Klägers mangelhaft war und die Voraussetzungen für die Geltendmachung auf Geld gerichteter Mängelansprüche vorgelegen haben, kann der Beklagte zudem die Kosten für die Beseitigung von Mängeln oder Vorschuss zur Mängelbeseitigung verlangen. Auch insoweit fehlt eine ausdrückliche Darlegung. Denn der Beklagte legt nicht dar, in welcher Höhe er Mängelbeseitigungskosten geltend machen will. Er fordert vielmehr teilweise die Vorauszahlung zurück. Immerhin lässt sich aber dem Gutachten entnehmen, dass die Kosten der Beseitigung der bis zur Kündigung ausgeführten Leistung 29.691,71 EUR kosten soll. Ob diese Kosten angefallen sind, ist allerdings nicht vorgetragen. Auch ist nicht vorgetragen, ob in den für den Einsatz von Drittunternehmern angegebenen Beträgen auch Kosten der Mängelbeseitigung enthalten sind.
46Hinzu kommt, dass der (unterstellte) Schadensersatzanspruch wegen Betrugs allein auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet sein kann. Der Beklagte macht geltend, dass er den Kläger nicht beauftragt hätte, hätte dieser ihn über seine Zahlungsunfähigkeit aufgeklärt. Danach sind aber etwaige Mehrkosten, die dem Beklagten durch die Beauftragung von Drittunternehmern entstanden sind oder entstehen werden, nicht erfasst. Ausgehend vom negativen Interesse kann der Beklagte nur verlangen so gestellt zu werden, als hätte er den Vertrag nicht mit dem Kläger abgeschlossen.
47Doch selbst wenn man annehmen wollte, dass dem Beklagten ein nach dem Erfüllungsinteresse zu berechnender Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zustünde, ist seine Berechnung nicht nachvollziehbar. Wenn der Kläger die Arbeiten mangelfrei und vollständig erbracht hätte, hätte der Beklagte hierfür Werklohn in Höhe von 29.550,00 EUR netto = 35.164,50 EUR brutto zahlen müssen. Diese Kosten, die der Beklagte bei vollständiger Erfüllung des Vertrags hätte tragen müssen, fallen in seiner Schadenberechnung unter den Tisch. Der Beklagte gibt an, für die Fertigstellung der Arbeiten habe er bereits 12.019,00 EUR brutto bezahlt (Bäder) und für die weiteren Arbeiten zur Herstellung eines vertragsgemäßen Zustands seien 16.832,64 EUR netto erforderlich. Dass ihm weitere Kosten zur Mängelbeseitigung (wie im Gutachten ausgewiesen) entstanden sind oder noch entstehen, ist nicht vorgetragen. Danach ist davon auszugehen, dass für die Fertigstellung der Leistung 12.019,00 EUR brutto und 16.832,64 EUR netto erforderlich sind. Neben diesen Beträgen fordert der Beklagte zugleich die Vorauszahlung (abzüglich eines Betrags in Höhe von 2.925,00 EUR) zurück. Der Beklagte kann indessen nicht gleichzeitig die Kosten für die mangelfreie Fertigstellung geltend machen und als weiteren Anspruch die Rückzahlung der Vorauszahlung fordern. Erhielte er den von ihm berechneten Schadensersatz, wäre er im Ergebnis so gestellt, als hätte er die dem Kläger beauftragte Werkleistung für 2.925,00 EUR erhalten.
488.Der Senat erwägt, den Streitwert höher festzusetzen. Der Kläger hat schon in der Klageschrift geltend gemacht, dass die Vollstreckungsaussichten hoch sind, was für den Streitwert zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 01.10.2020 – IX ZR 199/19, NZI 2021, 99 Rn. 5).
49Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben.
50… … …