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Sind Wechsellichtzeichen an einer zu regelnden Verkehrssituation aufgestellt, die für keinen der Beteiligten Zweifel an ihrem räumlichen Umfang offenließ, entfalten sie innerhalb dieser Situation Regelungswirkung. Dabei kommt es auf die räumliche Entfernung des Wechsellichtzeichens vom Ende der Verkehrssituation nicht an.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Düsseldorf vom 14.6.2022 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.10.2023; diese tragen die Beklagten.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e:
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
6Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin den Unfall allein verschuldet hat. Sie hat gegen den durch Grünlicht gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO begründeten Vorrang des Beklagten zu 1.) verstoßen. Ein Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1.) lässt sich hingegen nicht feststellen. Insbesondere kommt ein Vorfahrtverstoß des Beklagten zu 1.) nicht in Betracht, da die aufgestellten Lichtzeichenanlagen ungeachtet ihrer größeren Entfernung zum Kreuzungsbereich für jeden Verkehrsteilnehmer offenkundig erkennbar den Vorrang an der Kreuzung regelten. Sie gingen daher den aufgestellten Verkehrsschildern vor. Dies rechtfertigt die volle Haftung der Klägerin.
7Im Einzelnen:
81.)
9Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten gemäß §§ 7, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG vorliegen. Der Unfall stellt sich für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG dar, da beide Parteien nicht nachgewiesen haben, dass sie sich an die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h gehalten hätten. Sowohl hinsichtlich der Klägerin als auch hinsichtlich des Beklagten kommen nach den Ausführungen des Sachverständigen P. auch jeweils eine gefahrene Geschwindigkeit von 35 km/h in Betracht. Anders als bei der Beurteilung der Unfallursächlichkeit eines Pflichtverstoßes darf sich die Prüfung der Frage der Unvermeidbarkeit im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein Idealfahrer reagiert hat; sie ist vielmehr auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein Idealfahrer überhaupt in eine konkrete Gefahrenlage geraten wäre (Senat, Urteil vom 31. März 2020 – I-1 U 101/19 –, juris). Es ist nicht auszuschließen, dass bei jeweiligem Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Unfall für die Beteiligten vermeidbar gewesen wäre.
10Folglich bestimmt sich die Haftung gemäß §§ 17, 18 StVG nach den beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteilen.
11Bei der gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge beider Parteien kommt es insbesondere darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Ermittlung der Verursachungsbeiträge sind nur unstreitige bzw. zugestandene oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Lediglich vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deshalb außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2006, VI ZR 115/05, Rn. 15, juris; Urteil vom 13. Februar 1996, VI ZR 126/95, Rn. 11, juris; Urteil vom 10. Januar 1995, VI ZR 247/94, Rn. 9 ff., juris; Senat, Urteil vom 5. Juni 2018 – I-1 U 127/17 –, Rn. 32, juris; Senat, Urteil vom 23. Februar 2016, I-1 U 79/15, Rn. 35, juris; Urteil vom 11. Oktober 2011, I-1 U 17/11, Rn. 29, juris; OLG Hamm, Urteil vom 18. November 2003, 27 U 87/03, Rn. 7, juris).
122.)
13Einen Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1.) hat das Landgericht zu Recht nicht festgestellt.
14a)
15Ein Verstoß des Beklagten zu 1.) gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO durch Anfahren trotz Rotlicht zeigender Ampel lässt sich nach den zutreffenden, den Prozessstoff vollständig ausschöpfenden Erwägungen des Landgerichts, an die der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist, nicht feststellen. Hiernach ist der Beklagte zu 1.) bei Grünlicht angefahren.
16aa)
17Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 257/03 –, BGHZ 158, 269-282, Rn. 8 – 9 m.w.N.)
18Geht das Eingangsgericht auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung aus, so bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen. Hierbei genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird, weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann. Die Darstellung der bloßen Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisergebnisse reicht jedoch nicht aus, um die erstinstanzliche Beweiswürdigung zu erschüttern. Es genügt nicht, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle der landgerichtlichen zu setzen. Meint der Rechtsmittelführer lediglich, es sei z. B. den Äußerungen eines Zeugen eine andere Bedeutung beizumessen, kann dies die Beweiswürdigung nicht entkräften (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 18. Juni 2020 – 4 U 47/19 –, Rn. 37, juris m.w.N.).
19bb)
20An diesem Maßstab gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat den Zeugen X. vernommen und dessen Angabe, dass er zunächst einige Fahrzeuge hinter dem Beklagten zu 1.) bei Rotlicht an der Ampel gewartet und wahrgenommen habe, dass dieser erst bei Umspringen der Ampel auf Grünlicht losgefahren sei, Glauben geschenkt. Dies hat es nachvollziehbar damit begründet, dass sich hinreichende Anhaltspunkte für die Erlebnisfundiertheit der Aussage des Zeugen fänden. Dieser habe einerseits angegeben, dass ihm die Wartezeit an der Ampel sehr lang vorgekommen sei, was angesichts der vom Sachverständigen festgestellten Ampelschaltung plausibel sei. Diese gebe den Verkehr nämlich jeweils nur für eine Fahrtrichtung frei, während die drei anderen Fahrtrichtungen gesperrt blieben. Darin liegt nachvollziehbar ein Umstand, der für die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen spricht, da dieser sowohl seine Empfindungen zu den von ihm wahrgenommenen Tatsachen in Beziehung setzen konnte als auch ein ungewöhnliches Detail schilderte. Das Landgericht hat sich zudem mit Umständen, die der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen entgegenstehen könnten, auseinandergesetzt und diese ebenfalls nachvollziehbar nicht angenommen. Anders, als die Klägerin meint, ergibt sich aus der Aussage der Zeugin Y. nicht zwingend der Schluss darauf, dass der Beklagte zu 1.) bei Rotlicht eingefahren sein müsse. Diese hat vor dem Landgericht nicht geäußert, dass sie als Fußgängerin parallel zur Fahrtrichtung der Klägerin einen Fußgängerweg überquert habe, dessen Ampel grün gezeigt habe. Vielmehr hat sie ausgesagt, dass sie auf der F.-straße gefahren sei und vor einer roten Baustellenampel gestanden habe. Hieraus lässt sich angesichts der vom Sachverständigen festgestellten Ampelschaltung im Hinblick auf die von den übrigen Ampeln gegebenen Lichtzeichen nichts schließen. Auch ergibt sich aus dem Umstand, dass sich nach den Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung der von ihm in seinem schriftlichen Gutachten angenommene Unfallort möglicherweise in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1.) betrachtet um etwa 1 m nach links verschieben müsse, keine Fehlerhaftigkeit der Feststellungen des Sachverständigen im Übrigen. Wie das Landgericht zu Recht ausführt, ließe sich daraus allenfalls auf eine unwesentlich höhere Durchschnittsgeschwindigkeit der Klägerin schließen.
21b)
22Ein Verstoß des Beklagten zu 1.) gegen § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Zeichen 205 der Anl. 2 zu StVO dadurch, dass er der sich auf der W.-straße nähernden Klägerin keinen Vorrang gewährte, kommt nicht in Betracht. Das auf der Straße F.-straße aufgestellte Zeichen 205 entfaltete keine Wirkung zulasten des Beklagten zu 1.), da ihm gemäß § 37 Abs. 1 S. 1 StVO die Anordnungen der aufgestellten Wechsellichtzeichen vorgingen.
23Die vier in der Zufahrt auf die Kreuzung W.-straße/F.-straße aufgestellten Baustellenampeln regelten sämtlich den Vorrang im Bereich dieser Kreuzung. Dabei schadet es nicht, dass sie teilweise in erheblicher Entfernung – nach den Feststellungen des Sachverständigen in Fahrtrichtung der Klägerin 123 m vor dem Kreuzungsviereck – aufgestellt waren. Zwar wird in der Literatur vertreten, dass Lichtzeichenanlagen nur dort Wirkung entfalten, wo sie unmittelbar oder in geringer Entfernung stehen; eine Entfernung zwischen Ampel und Vorfahrtstelle von 20 bis 30 Meter sei in der Regel zu groß (MüKoStVR/Kettler, 1. Aufl. 2016, StVO § 37 Rn. 3). Dies trifft aber nur insoweit zu, als die Entfernung zwischen dem Lichtzeichen und dem Beginn der von ihr zu regelnden Verkehrssituation nicht übermäßig groß sein darf; deren Größe selbst spielt für die Wirkung des Lichtzeichens keine Rolle. Lichtzeichenanlagen gelten für alle Verkehrsteilnehmer in dem Bereich, für den sie angebracht sind. Dabei ist auf die objektive Sicht der betroffenen Verkehrsteilnehmer abzustellen (vgl. Wern in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 37 StVO (Stand: 01.12.2021), Rn. 23 m.w.N.). Bei diesem Bereich handelte es sich aus Sicht der Klägerin um die Weiterführung der W.-straße einschließlich der Kreuzung F.-straße. Aus der vom Sachverständigen gefertigten Übersicht über die Unfallörtlichkeit (Anl. B3 zum Gutachten des Sachverständigen P. vom 8.7.2021) ergibt sich, dass die Verengung der W.-straße auf eine Fahrspur für beide Fahrtrichtungen sich über den Mittelpunkt des Kreuzungsvierecks zur F.-straße hinaus – und damit auch am von der Klägerin bezeichneten Vorfahrtschild vorbei – erstreckte. Der objektive Verkehrsteilnehmer konnte daher nicht davon ausgehen, dass mit dem vor dem Beginn der Fahrbahnverengung aufgestellten Wechsellichtzeichen nur die Verkehrssituation bis zum nächsten Vorfahrtschild geregelt werden sollte, da diese am Ort des Vorfahrtsschilds ersichtlich noch nicht aufgelöst war. Davon ist die Klägerin zunächst auch nicht ausgegangen, was sich daraus ergibt, dass sie bereits gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten angegeben hatte, noch bei Grünlicht, welches zu Gelblicht geworden sei, über die Haltelinie gefahren zu sein und den Baustellenbereich mit langsamer Geschwindigkeit passiert zu haben (Unfallanzeige des Polizeipräsidiums V., Anl. K2). Hätte sie der Lichtzeichenanlage für die Kreuzung keine Bedeutung zugemessen, wäre diese Angabe nicht verständlich. Sie hat sich vielmehr unmittelbar nach dem Unfall und auch noch mit der Klageschrift nicht darauf berufen, gerade wegen des Vorfahrtsschilds unabhängig von der Lichtzeichenanlage vorfahrtberechtigt gewesen zu sein. Waren die Wechsellichtzeichen an einer zu regelnden Verkehrssituation aufgestellt, die für keinen der Beteiligten Zweifel an ihrem räumlichen Umfang offenließ, kommt es auf die Entfernung des Wechsellichtzeichen vom Ende dieser Verkehrssituation nicht an.
24c)
25Das Landgericht hat ebenfalls zu Recht einen Geschwindigkeitsverstoß des Beklagten zu 1.) nicht feststellen können. Der Sachverständige hat hierzu vom 8.7.2021 ausgeführt, dass eine Überschreitung der am Unfallort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h mit den Mitteln der technischen Analyse keinem der beiden Beteiligten sicher nachgewiesen werden könne (Seite 12 des Gutachtens). Ergänzend hat er bei der Erläuterung seines Gutachtens ausgeführt, dass auch die von ihm ermittelte Untergrenze der Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1.) von 30 km/h dazu ausreiche, das Fahrzeug der Klägerin um 180° zu drehen (Bl. 156 GA). Die daran von der Klägerin geäußerten Zweifel hat sie nicht weiter substantiiert. Tatsächliche Umstände, die einen Rückschluss auf einen Geschwindigkeitsverstoß des Beklagten zu 1.) sicher zuließen, liegen damit nicht vor.
26d)
27Schließlich kann offenbleiben, ob der Beklagte zu 1.) gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO verstoßen hat. Ein solcher Verstoß wäre ihm jedenfalls im Rahmen der Haftungsabwägung nicht entgegenzuhalten, da sich die Klägerin nicht im Schutzbereich des durch § 2 Abs. 2 StVO angeordneten Rechtsfahrgebots befand. Das Rechtsfahrgebot soll sicherstellen, dass Fahrzeuge sich gefahrlos begegnen und überholen können. Es dient also dem Schutz der Verkehrsteilnehmer, die sich in Längsrichtung auf derselben Straße bewegen. Hingegen sollen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs solche Verkehrsteilnehmer nicht geschützt werden, die diese Straße überqueren oder in sie einbiegen wollen (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – VI ZR 282/10 –, Rn. 11, juris).
283.)
29Die Klägerin muss sich hingegen, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, einen Vorfahrtverstoß entgegenhalten lassen. Durch das zum Unfallzeitpunkt grün leuchtende Wechsellichtzeichen in der Fahrtrichtung des Beklagten zu 1.) hatte sie diesem gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO den Vorrang einzuräumen.
30Dabei kann offenbleiben, ob die Klägerin bereits entgegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO bei für sie rot leuchtendem Wechsellichtzeichen die für sie gemäß § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Zeichen 67 der Anl. 2 zu StVO geltende Haltelinie überfuhr, oder ob sie in der Zufahrt auf das Kreuzungsviereck so langsam fuhr, dass sie es erst bei für den Beklagten zu 1.) leuchtendem Grünlicht erreichte. Gleichermaßen kann offenbleiben, ob sie es im letzteren Fall aufgrund einer zu geringen gleichmäßigen Geschwindigkeit oder durch notwendige Zwischenhalte oder Geschwindigkeitsveränderungen zu spät erreicht hätte.
31Wird ein Kraftfahrer vor Erreichen des Kreuzungskerns aufgehalten, so hat er dort die nächste Grünphase abzuwarten, wenn inzwischen erkennbar ein Phasenwechsel stattgefunden hat. Ein solcher Fahrer ist kein bevorrechtigter Nachzügler. Er ist gegenüber dem Querverkehr wartepflichtig, wenn damit zu rechnen ist, dass die Ampelanlage für den Querverkehr zwischenzeitlich auf Grünlicht geschaltet hat (Senat, Urteil vom 30. Juni 1997 – 1 U 185/96 –, juris). Die Klägerin hat in ihrer informellen Anhörung geschildert, dass sie an der Lichtzeichenanlage vorbeigefahren sei, als diese bereits Gelblicht gezeigt habe. Sie könne dies schlecht einschätzen, meine aber, dass sie sich fast unmittelbar vor der Ampel befunden als diese auf gelb umgesprungen sei (Bl. 58 GA). Damit war der Beklagten klar, dass sie zu einem Zeitpunkt in den Kreuzungsbereich eingefahren war, an dem ihr dies bereits nicht mehr erlaubt, jedenfalls aber höchste Eile geboten war, weil ein Wechsel der Signale der übrigen Lichtzeichenanlagen unmittelbar bevorstand. Sie hätte also weder kontinuierlich langsam fahren, noch, wenn sie in der Zufahrt auf das etwa 120 m entfernte Kreuzungsviereck auch nur im Geringsten aufgehalten worden war, davon ausgehen dürfen, dass ihr noch das Vorrecht zustand (vgl zu den Anforderungen an einen bei Gelblicht einfahrenden Verkehrsteilnehmer auch OLG Hamm, Urteil vom 30. Mai 2016 – I-6 U 13/16 –, Rn. 29, juris). Dennoch fuhr sie in das Kreuzungsviereck ein, ohne an dessen Eingang zu warten oder sich vorher über bevorrechtigten Querverkehr zu vergewissern.
324.)
33Die gebotene Abwägung der Verursachungsbeiträge führt zur vollständigen Haftung der Klägerin, da die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1.) gefahrenen Fahrzeugs hinter den Vorfahrtverstoß als gravierenden Verkehrsverstoß zurücktritt (vgl. auch KG, Urteil vom 13. Juni 2019 – 22 U 176/17 –, Rn. 31, juris). Bei wertender Betrachtung hat sich in dem Unfall nicht mehr wesentlich die einfache Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1.) gefahrenen Fahrzeugs, sondern maßgeblich die durch den Pflichtverstoß der Klägerin begründete Gefahrenlage verwirklicht.
34III.
35Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 95 ZPO.
36Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
37Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
38Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.672,26 € festgesetzt.
39I. N. G.