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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.10.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Wuppertal (1 O 64/14) teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.07.2011 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aufgrund des Bisses der Katze der Beklagten vom 24.08.2010 in der Praxis der Klägerin, Kleintierpraxis A., B.-Straße 0, 00000 C.-Stadt, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 837,52 EUR außergerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.05.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 48% und die Beklagte zu 52%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Ersatz materieller und nicht vorhersehbarer immaterieller Schäden sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
3Die Klägerin war selbstständige Tierärztin in C.-Stadt. Die Beklagte war Halterin der damals 13-jährigen und zwischenzeitlich verstorbenen Hauskatze „D.“. Diese brachte sie nach vorheriger Terminvereinbarung am 24.08.2010 gegen 12.00 Uhr zur Durchführung einer Zahnbehandlung in die Tierarztpraxis der Klägerin. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass ihre Katze zunächst noch betäubt werden müsse und die Operation danach durchgeführt werden könne. Erst nach Ablauf einer Aufwachphase sei es dann möglich, die Katze wieder abzuholen. Die Beklagte begab sich daraufhin wieder nach Hause. Zwischen 14:45 und 15:00 Uhr desselben Tages erhielt sie einen Telefonanruf aus der Praxis der Klägerin. Ihr wurde mitgeteilt, dass die Behandlung ihrer Katze nicht durchgeführt werden könne, da die Katze die Klägerin gebissen habe, als diese versucht habe, das Tier zu wiegen. Letztlich sei es wohl besser, die Behandlung auf einen anderen Termin zu verschieben. Die Beklagte holte ihre Katze daraufhin zwischen 15:00 und 15:30 Uhr in der Praxis der Klägerin ab.
4Am 25.08.2010 stellte sich die Klägerin in der Allgemeinchirurgischen Ambulanz des E., Klinik für Handchirurgie, vor. Zu diesem Zeitpunkt bestanden eine Anschwellung und leichte Rötung am betroffenen linken Handrücken sowie eine schlechte Beweglichkeit der Langfinger. Am 26.08.2010 wurde bei der Klägerin eine Katzenbissverletzung operativ revidiert. In der Folgezeit bildete sich eine schwere Entzündung an der linken Hand der Klägerin aus, weshalb die Klägerin vom 26.08. bis 03.09.2010 mit der Diagnose „Phlegmone Handrücken nach Katzenbissverletzung“ stationär im E. behandelt wurde.
5Die Klägerin war infolge der erlittenen Verletzung für die Dauer von drei Wochen nicht in der Lage, ihren Beruf auszuüben. Wegen der Einzelheiten wird auf den handchirurgischen Bericht des E. vom 11.06.2011 (Anlage JR 1, Bl. 36 ff. GA) verwiesen.
6Bereits im Jahr 2008 hatte die Klägerin einen Katzenbiss in die rechte Hand erlitten. Infolge dieses Bisses war sie gehalten, auf den Gebrauch der linken Hand „umzuschulen". Wegen teilweiser Berufsunfähigkeit bezog sie in der Folge eine Berufsunfähigkeitsrente. Eine weitere Verletzung durch einen Katzenbiss – ebenfalls in die rechte Hand – hatte sich die Klägerin Anfang 2011 zugezogen.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.07.2011 forderte die Klägerin den Haftpflichtversicherer der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 20.07.2011 ohne Erfolg u.a. zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes auf. Auf ein weiteres Aufforderungsschreiben vom 28.11.2013 wies der Haftpflichtversicherer der Beklagten die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 28.01.2014 zurück.
8Den Beruf als Tierärztin übt die Klägerin nicht mehr aus.
9Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht:
10Sie habe die Katze der Beklagten mit beiden Händen aufgenommen, um sie zur Vorbereitung der Narkose zu wiegen. Durch das Bellen eines Hundes in dem neben dem Behandlungsraum gelegenen Physiotherapieraum habe sich das Tier erschrocken und sie in die linke Hand gebissen. Bis zum heutigen Zeitpunkt habe sie immer noch eine Vielzahl von Beschwerden, die auf diesen Katzenbiss zurückzuführen seien. So seien durch den Biss und die medizinisch notwendige Operation Beeinträchtigungen sensorischer und motorischer Natur zurückgeblieben. Sie habe in der Hand ständige Schmerzen. Bei Druck auf den entsprechenden Bereich der Hand komme es zu Schmerzen und Missempfindungen auf der Handoberfläche. Die Langfinger hätten Kraft und Feinmotorik eingebüßt, so dass sie nicht mehr in der Lage sei, Ligaturen bei Operationen zu knüpfen oder Getränkeflaschen zu öffnen. Sie sei deshalb in ihrer beruflichen Tätigkeit erheblich eingeschränkt und müsse massive Geldeinbußen in der Praxis in Kauf nehmen. Die Hand habe eine reduzierte Beweglichkeit durch Kontrakturen der Sehnen. Weiterhin leide sie unter einem Gefühl der Steifigkeit in der kompletten Hand, wodurch es ihr schwerfalle, Dinge mit der Hand festzuhalten. Darüber hinaus seien Narbenkontrakturen zurückgeblieben. Sie müsse, um die Hand zu schützen, im Sommer und Winter oft Handschuhe tragen, weil die Hand stark auf äußerliche Kälte oder im Sommer sehr empfindlich auf Sonneneinstrahlung reagiere. Auch habe sie Schulterschmerzen durch die Fehlbelastung der Hand. Bestimmte Sportarten könne sie nicht mehr ausüben. Aufgrund dessen stehe ihr ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 EUR nebst Verzugszinsen, die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden sowie der Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten von 1.084,04 EUR nebst Prozesszinsen zu.
11Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, hat die Verursachung der Verletzung der Klägerin durch ihre Katze und die von der Klägerin behaupteten gegenwärtigen Beschwerden mit Nichtwissen bestritten. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass eine etwaige Tierhalterhaftung ausgeschlossen sei, weil der Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden zur Last falle. Die in Rede stehende Bissverletzung hätte nämlich verhindert werden können, wenn die Klägerin geeignete Schutzhandschuhe getragen hätte. Außerdem hätte das Schadensausmaß in Form der Infektion jedenfalls verringert werden können, wenn die Klägerin unmittelbar nach dem Biss einen Arzt aufgesucht und die Wunde professionell antibiotisch hätte behandeln lassen.
12Durch Urteil vom 26.10.2018 hat das Landgericht die Klage nach Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
13Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitere an einem mangelnden Verschulden der Beklagten. Ebenso wenig sei ein Anspruch aus § 833 S. 1 BGB gegeben: Zwar stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Katze der Beklagten die Klägerin anlässlich der zahnärztlichen Tierbehandlung gebissen habe. Ein Anspruch aus § 833 S. 1 BGB sei jedoch aufgrund eines überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin nach § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Dass die Katze anlässlich der Vorbereitung der Narkose beißen könnte, sei für eine erfahrene Tierärztin vorhersehbar gewesen, zumal die Klägerin im Jahre 2008 bereits einmal einen Katzenbiss im Rahmen der Berufsausübung erlitten hatte. Der konkrete Biss und die dadurch erlittene Verletzung seien zudem vermeidbar gewesen. Insoweit könne dahinstehen, ob die Klägerin ein Organisationsverschulden dahingehend treffe, dass sie nicht sichergestellt habe, dass sich in den Nachbarräumen während des Wiegevorgangs keine Hunde aufhalten. Jedenfalls habe die Klägerin die ihr obliegende Sorgfalt in ganz erheblichem Maße dadurch verletzt, dass sie bei der Behandlung keine Schutzhandschuhe trug. Die Kammer sei aufgrund der Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen F. und G. davon überzeugt, dass das Tragen von Schutzhandschuhen den Biss und die Verletzung verhindert hätten. Dass sie keine Schutzhandschuhe trug, sei der Klägerin auch subjektiv vorwerfbar. Dem Beweisantritt der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass das Tragen von Schutzhandschuhen bei der Behandlung von Tieren wegen des Geruches anderer Tiere an den Handschuhen zu einer erhöhten Aggressivität des Tieres führe, sei nicht nachzugehen gewesen. Denn Handschuhe könnten ebenso desinfiziert werden wie Hände. Zudem hätte die Klägerin eine Hilfsperson hinzuziehen können. Auch der Einwand, dass das Tragen von Schutzhandschuhen unpraktikabel sei, könne nicht durchgreifen. Denn der Wiegevorgang habe keine feinmotorischen Fähigkeiten erfordert.
14Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sowie mit einer Begründung versehenen Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt: Entgegen der angefochtenen Entscheidung sei kein anspruchsausschließendes Mitverschulden anzunehmen. Die Vorhersehbarkeit des Katzenbisses anlässlich der Narkosevorbereitung sei eine unbewiesene Mutmaßung. Unstreitig seien keine Anzeichen dafür erkennbar gewesen, dass die Katze der Beklagten aggressiv oder bissfreudig gewesen sei. Dass allgemein bekannt sei, dass Katzen bei der Herausnahme aus der Box zubeißen, sei von der Beklagten nicht einmal behauptet worden. Die von der Klägerin im Jahre 2008 erlittene Verletzung durch einen Katzenbiss sei belanglos für den konkreten Fall mit einer anderen Katze. Eine Bissverletzung lasse sich nicht jederzeit mit Schutzhandschuhen vermeiden; hierzu nimmt die Klägerin auf den aus Anlage B 1 ersichtlichen Aufsatz Bezug. Auch habe der gerichtliche Sachverständige nicht mit absoluter Gewissheit feststellen können, dass ein Handschuh den Biss verhindert hätte. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht davon abgesehen, dem Beweisantritt zur Tatsache, dass das Tragen von Schutzhandschuhen wegen des Geruches anderer Tiere zu erhöhter Aggressivität führe, nachzugehen; es hätte dazu ein gesondertes Sachverständigengutachten einholen müssen. Abgesehen davon habe sie schon erstinstanzlich unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Gruppe der Tierärzte regelmäßig keine Handschuhe trage und es kein allgemeines Verkehrsbewusstsein gebe, Handschuhe bei der Behandlung von Tieren zu tragen.
15Die Klägerin beantragt sinngemäß,
16unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
171. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.07.2011 zu zahlen,
182. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aufgrund des Bisses der Katze der Beklagten vom 24.08.2010 in der Praxis der Klägerin, Kleintierpraxis A., B.-Straße 0, 00000 C.-Stadt, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind,
193. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 1.084,04 an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (07.05.2014) zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation: Der von der Klägerin selbst als Anlage B 1 vorgelegte Aufsatz belege die Gefährlichkeit von Tierbissen inklusive der daraus resultierenden Infektionsgefahr. Der Klägerin habe dies also nicht nur aufgrund des - unstreitig – bereits in 2008 erlittenen Bisses bekannt sein müssen. Folglich hätte die Klägerin „doppelt“ sensibilisiert sein müssen. Die Klägerin habe in der konkreten Situation die Obhut und Aufsicht über das Tier gehabt; daher sei sie beweisbelastet dafür, dass sie die ihr obliegende Aufsichtspflicht ordnungsgemäß erfüllt habe.
23Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens einer tiermedizinischen Sachverständigen (Schwerpunkt Arbeitssicherheit) nebst Ergänzungsgutachten. Wegen des Ergebnisses wird auf das von H. erstattete schriftliche Gutachten vom 31.08.2020 (Bl. 636-644 GA) und ihr schriftliches Ergänzungsgutachten vom 15.01.2021 (Bl. 700-702 GA) verwiesen. Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen handchirurgischen Sachverständigengutachtens nebst Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen J. (Bl. 866 ff. GA) und das Sitzungsprotokoll vom 25.07.2024 (Bl. 948 ff. GA) Bezug genommen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das wechselseitige Vorbringen der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Berufung der Klägerin ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
27I.
28Der Klageantrag zu 1. ist dem Grunde nach begründet, der Höhe nach nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
291. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes aus § 833 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB.
30Wird durch ein Tier der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt, so ist nach § 833 Satz 1 BGB derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
31a)
32Das Landgericht hat nach Zeugenvernehmung rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Katze der Beklagten die Klägerin am 24.08.2010 in die linke Hand gebissen hat. Hiergegen erinnert die Beklagte zweitinstanzlich auch nichts mehr. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Beweiswürdigung hervorrufen könnten, so dass der Senat die insoweit durch das Landgericht festgestellten Tatsachen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde legt.
33b)
34Die Beklagte war im Verletzungszeitpunkt unstreitig die Halterin der — inzwischen verstorbenen — Katze „D.“. Dadurch, dass sie die Katze kurzzeitig zwecks Durchführung einer tierärztlichen Zahnbehandlung übernommen hat, ist die Klägerin selbst nicht zur (vorübergehenden) Tierhalterin geworden (vgl. BeckOK BGB/Spindler/Förster, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 833 Rn. 19; MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 833 Rn. 40, jeweils m.w.N.).
35c)
36In der Bissverletzung hat sich die von der behandelten Katze ausgehende spezifische Tiergefahr verwirklicht, für die die Beklagte als Halterin der Katze nach § 833 Satz 1 BGB grundsätzlich einstehen muss.
37Die Gefährdungshaftung nach § 833 Satz 1 BGB setzt voraus, dass sich in der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen eine „spezifische“ oder „typische“ Tiergefahr desjenigen Tieres verwirklicht hat, dessen Halter in Anspruch genommen werden soll (BGH, Urteil vom 24.04.2018 – VI ZR 25/17, Rn. 9, m.w.N.). Eine typische Tiergefahr äußert sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbstständigen Verhalten des Tiers (BGH, Urteil vom 20.12.2005 – VI ZR 225/04, Rn. 7, m.w.N.). An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist (BGH, Urteil vom 25.03.2014 – VI ZR 372/13, Rn. 5) oder wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt (BGH, Urteil vom 20.12.2005 – VI ZR 225/04, Rn. 7, m.w.N.).
38Solches war hier nicht der Fall. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts hat die Katze der Beklagten beim Wiegen zur Gewichtsermittlung für die Narkose zur Durchführung einer Zahnbehandlung plötzlich gebissen. Insoweit hat sich im Rahmen der Behandlung der Katze durch die Klägerin eine typische Tiergefahr realisiert. Gleiches gilt, wenn sich die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen nach dem Wiegen schon wieder zum Zwecke der Behandlung der Katze im Behandlungsraum befunden haben sollte. Für die Realisierung der speziellen Tiergefahr in der Bissverletzung der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob die Katze zu dem Biss durch den Behandlungsvorgang (nach dem Vorbringen der Klägerin: Wiegen) und/oder durch das Bellen eines Hundes im Nachbarraum veranlasst wurde. Der Begriff der Tiergefahr bezieht sich nicht auf eine in der jeweiligen Situation unvorhersehbare Reaktion des Tieres, sondern nur auf dessen generelles Verhalten (BGH, Urteil vom 14.02.2017 – VI ZR 434/15, Rn. 9). Maßgeblich ist allein, ob die Verletzung durch ein selbstständiges Verhalten des Tieres hervorgerufen wurde (BeckOK BGB/Spindler/Förster, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 833 Rn. 6 m.w.N.). Es ist namentlich unerheblich, ob das Tier zu seinem Verhalten durch äußere Einflüsse veranlasst wurde (BeckOK BGB/Spindler/Förster, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 833 Rn. 7 m.w.N.).
39d)
40Ein Haftungsausschluss unter dem Aspekt der freiwilligen Übernahme der Tiergefahr bzw. der freiwilligen Risikoübernahme durch die Klägerin im Wege der Behandlung der Katze scheidet, wovon auch das Landgericht mit Recht ausgegangen ist, aus. Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt (BGH, Urt. v. 14.03.1961 – VI ZR 189/59). Ein grundsätzlicher Ausschluss der Tierhalterhaftung gegenüber Personen, die sich der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, ist daher abzulehnen; das unsachgemäße Verhalten solcher Personen bei der Berufsausübung ist im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 17.03.2009 – VI ZR 166/08, Rn. 11). Ein genereller Ausschluss der Tierhalterhaftung bei dem beruflichen Umgang mit Tieren lässt sich auch nicht mit Schutzzweckerwägungen begründen (BGH, Urt. v. 17.03.2009 – VI ZR 166/08, Rn. 8).
41Im Streitfall gilt nichts Anderes. Dabei kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen die Tierhalterhaftung ausnahmsweise aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen sein kann. Denn ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Keinesfalls ist die Tierhalterhaftung ausgeschlossen, wenn ein Tierarzt das Tier des Tierhalters nur vorübergehend tierärztlich behandelt. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - die temporäre Behandlung in der Praxis des Tierarztes erfolgt und der Tierhalter während der Behandlung nicht am Behandlungsort anwesend ist (vgl. etwa für eine Hundepension BGH, Urt. v. 25.03.2014 – VI ZR 372/13, Rn. 11 m.w.N.).
422.
43Der somit dem Grunde nach bestehende Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist nicht auf Grund eines Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 1 BGB anteilig oder gar – wie vom Landgericht angenommen – vollständig zu kürzen. Zu Unrecht hat das Landgericht ein Mitverschulden der Klägerin angenommen, weil diese im Zeitpunkt des Bisses keine Schutzhandschuhe getragen hat.
44a)
45Ob das Verhalten desjenigen, der sich der Tiergefahr vertragsgemäß aussetzt, ohne Tierhüter zu sein (§ 834 BGB), bei der Schadenverursachung mitgewirkt hat, ist nach den vorstehend wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen ausschließlich nach § 254 BGB zu beurteilen, welche Vorschrift auch auf Ansprüche gemäß § 833 BGB anwendbar ist. Ein fehlerhaftes Handeln des Geschädigten kann demgemäß im Rahmen einer Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB berücksichtigt werden. Bei einem groben Eigenverschulden des Geschädigten kann danach die Haftung des Tierhalters auch ganz ausgeschlossen sein (BGH, Urteil vom 17.03.2009 – VI ZR 166/08, Rn. 11, 15). Die Beweislast liegt beim Tierhalter, hier also bei der Beklagten.
46b)
47Ein etwaiger Mitverursachungsbeitrag ist vorliegend nicht aus dem Gesichtspunkt einer Tierhüterhaftung gemäß § 834 BGB zuungunsten der Klägerin zu berücksichtigen. Zwar muss derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen hat, im Rahmen des § 254 BGB auch die Vermutung des § 834 BGB gegen sich gelten lassen und hat entsprechend den Entlastungsbeweis zu erbringen, so dass sich die Beweislast umkehren kann (BGH, Urt. v. 09.06.1992 – VI ZR 49/91, Rn. 21). Dieser Ansatz greift jedoch vorliegend nicht durch. Die Klägerin ist am Unfalltag nicht Tierhüterin der Katze gewesen.
48Tierhüter im Sinne des § 834 BGB ist, wer durch Vertrag jedenfalls als Nebenpflicht die Führung der Aufsicht über das Tier für den Tierhalter und damit die Sorge übernommen hat, dass durch das Tier kein Dritter geschädigt wird (vgl. für Pferde BGH, Urt. v. 30.09.1986 – VI ZR 161/85 –, Rn. 15). Die Übernahme der Aufsichtsführung durch Vertrag bedeutet die Übertragung der selbständigen allgemeinen Gewalt und Aufsicht über das Tier (OLG Hamm, Urt. v. 22.04.2015 – 14 U 19/14, Rn. 60 m.w.N.). Ob dieser Umstand von den Vertragsparteien des Behandlungsvertrags vereinbart wurde, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Bei der nur kurzzeitigen Übertragung des Gewahrsams zur Durchführung einer konkreten Maßnahme ist nicht anzunehmen, dass der Behandler auch Verantwortung für das Wohl und Wehe des Tieres oder gar für das Verhalten des Tieres gegenüber Dritten übernehmen will (OLG Hamm, a.a.O. – für den Fall des Hufbeschlags durch einen Schmied). Bei der Zahnbehandlung durch eine Tierärztin wie vorliegend lässt sich ein Wille zur Verantwortungsübernahme ebenso wenig annehmen.
49Der Begriff des Tierhüters bedarf der Abgrenzung in zweierlei Richtung, nämlich einmal gegenüber demjenigen des Tierhalters, zum anderen gegenüber Personen, die zwar mit dem Tier in Berührung kommen, deren Beziehung zu ihm jedoch nicht intensiv genug ist, um sie als Tierhüter zu qualifizieren. Tierhüter i.S.d. § 834 BGB können somit sämtliche Personen sein, die außerhalb des Lagers des Halters stehen, insofern selbstständig sind und die Sorge über das Tier übernehmen, ohne dadurch selbst Halter zu werden, weil sie es nicht im eigenen Interesse und nicht auf eigene Rechnung versorgen. Klassische Beispiele sind Schäfer, Hirten oder diejenigen, die Tiere während der Abwesenheit des Halters in Pflege nehmen, bei Pferden regelmäßig der Reiter im Falle des selbstständigen Ausritts mit einem gemieteten Pferd (OLG Hamm, a.a.O., Rn. 61). Im Vergleich mit und in Abgrenzung zu diesen Personenkreisen zählen z.B. das Füttern, die generelle Pflege oder die Ausbildung nicht zu den Aufgaben eines Tierarztes. Gleiches gilt für die allgemeine (generelle) Verwahrung und Obhut. Soweit das zu behandelnde Tier allein zum Zweck einer tierärztlichen Behandlung in der Praxis des Tierarztes verbleibt, handelt es sich um einen sehr kurzzeitigen Gewahrsam des Tierarztes, der sich nur auf eine bestimmte Maßnahme bezieht.
50Eine Wechselwirkung zwischen dem zugrundeliegenden schuldrechtlichen Behandlungsvertrag und der Beweislastverteilung hat schließlich auch der Bundesgerichtshof (Urt. v. 17.03.2009 – VI ZR 166/08, Rn. 21) ausdrücklich abgelehnt. Für eine Beweislastverteilung, nach der sich der Tierarzt entlasten und beweisen müsste, dass er im Einzelfall alle zumutbare Sorgfalt hat walten lassen, besteht keine Grundlage. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus der im Bereich der vertraglichen Haftung geltenden Beweislastregel des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sofern der Tierhalter grundsätzlich nach § 833 BGB haftet, geht es nicht um die vertraglichen Pflichten des Tierarztes, sondern darum, ob und inwieweit dessen tatsächliches Verhalten Anlass gibt, die Haftung des Tierhalters zu mindern (BGH, a.a.O).
51c)
52Ein Mitverschulden der Klägerin an der Bissverletzung hat die Beklagte nicht nachzuweisen vermocht.
53Der Vorschrift des § 254 BGB liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass der Geschädigte für jeden Schaden mitverantwortlich ist, bei dessen Entstehung er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat. § 254 BGB ist eine Ausprägung des in § 242 BGB festgelegten Grundsatzes von Treu und Glauben. Da die Rechtsordnung eine Selbstgefährdung und Selbstbeschädigung nicht verbietet, geht es im Rahmen von § 254 BGB nicht um eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht, sondern nur um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, also um die Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden Obliegenheit. Die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Anspruchsminderung des Geschädigten beruht auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss, weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, dass jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert. Eine Anspruchskürzung gemäß § 254 Abs. 1 BGB hängt nicht davon ab, dass der Geschädigte eine Rechtspflicht verletzt hat. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass er gegen eine gesetzliche Vorschrift oder eine andere Verhaltensanweisung wie etwa eine Unfallverhütungsvorschrift verstoßen hat. Ein Mitverschulden des Verletzten im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB ist bereits dann anzunehmen, wenn dieser diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (vgl. BGH, Urt. v. 17.06.2014 – VI ZR 281/13, Rn. 8, 9).
54Zu Unrecht hat das Landgericht hiervon ausgehend angenommen, die Klägerin treffe im Streitfall ein Mitverschulden, weil sie die konkrete Gefahr eines Bisses hätte erkennen und dadurch vermeiden können, dass sie Schutzhandschuhe trägt, was sie unstreitig nicht tat. Nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, dass sie in der konkreten Behandlungssituation diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Tierarzt in einer solchen Situation zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.
55Richtig ist, dass ein Tierarzt bei der Behandlung einer Katze generell damit rechnen muss, dass es zu Abwehrreaktionen einschließlich Bissattacken kommen kann. Wie die vom Senat bestellte Sachverständige H. ausgeführt hat, sind Katzen sehr stressempfindlich. Sie können u.a. auf Lärm, Unruhe, Transport oder Wartezeiten panisch und aggressiv reagieren. Insbesondere können Angst, Schmerz, Stress, ungewohnte Annäherungsversuche, Bewegungen, ungewohnte Geräusche oder Gerüche zu Abwehrreaktionen führen und auch eine Bissattacke auslösen. Bei der tierärztlichen Behandlung von Katzen werden jedoch nicht generell Handschuhe zum Schutz vor Bissverletzungen getragen. Ein entsprechender Standard besteht nicht. Es trifft nach den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen H. insbesondere nicht zu, dass angehenden Tierärzten in ihrer Ausbildung empfohlen wird, Handschuhe zum Schutz vor Bissverletzungen zu tragen. Ein grundsätzliches Tragen von Schutzhandschuhen zum Schutz vor Katzenbissen wird nach der Erläuterung der Sachverständigen nicht gefordert. Wie die Klägerin in der ersten Instanz geltend gemacht hat, gibt es in der Berufsgruppe der Tierärzte kein allgemeines Verkehrsbewusstsein, bei der Behandlung von Katzen Schutzhandschuhe zur Vermeidung von Bissverletzungen zu tragen. Auf das allgemeine Verkehrsbewusstsein kommt es jedoch an (vgl. OLG München, Urt. v. 19.05.2017 – 10 U 4256/16, Rn. 25). Hierbei geht es nach einem objektiven Maßstab um ein Unterlassen derjenigen Maßnahmen, die ein durchschnittlich ordentlicher und verständiger Mensch an der Stelle des Geschädigten zur Schadensabwehr oder -minderung ergreifen würde (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2017 – VI ZR 182/16, Rn. 9).
56Nach den Ausführungen der Sachverständigen H. hängt es vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Benutzung von Schutzhandschuhen bei der Behandlung zum Schutz vor Katzenbissen erforderlich ist: Ein verständiger Tierarzt wird danach im Ausgangspunkt als oberstes Ziel versuchen, Stress für das Tier zu vermeiden. Da Hauskatzen es gewöhnt sind, dass Menschen mit den (bloßen) Händen Kontakt zu ihnen aufnehmen, wird ein verständiger Tierarzt bestrebt sein, die Katze nur mit den Händen zu berühren. Nach den plausiblen und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen führen Schutzhandschuhe und andere Hilfsmittel wie Katzennetze zu vermehrtem Stress und dadurch zu Abwehrreaktionen, wodurch die Katze sich schlechter behandeln lässt. Gerade bei längeren Untersuchungen und Behandlungen ließen sich die Katzen mit Handschuhen auch nur schlecht fixieren, was erneut das Risiko von Abwehrreaktionen erhöhe. Schutzhandschuhe würden daher regelmäßig nur getragen, wenn dies erforderlich ist. Das könne bei offensichtlich aggressiven Katzen der Fall sein, weiter bei nicht im engen Menschenkontakt lebenden Katzen sowie Freigängern oder Wildkatzen, die Kontakt zu menschlichen Händen nicht gewohnt sind. Nach den weiteren Ausführungen der Sachverständigen kommt es bei der Behandlung von Katzen auch nur in Ausnahmefällen zu Bissverletzungen, von denen die wenigsten schwere Folgen haben. Ein verständiger Tierarzt werde daher in jedem Einzelfall eine Abwägung treffen und situationsbedingt über die Erforderlichkeit von Handschuhen entscheiden.
57Im Streitfall ist der Einsatz von Schutzhandschuhen bei der Behandlung und Handhabung der Katze der Beklagten nicht geboten gewesen. Jedenfalls sind keine Umstände feststellbar, aufgrund derer das Tragen von Schutzhandschuhen aus Sicht eines erfahrenen und verständigen Tierarztes angezeigt gewesen wäre. Bei der Katze der Beklagten handelte es sich mit 13 Jahren um eine ältere und friedliche Hauskatze, die den menschlichen Umgang gewohnt und bereits mehrfach komplikationslos in der Tierarztpraxis untersucht und behandelt worden war. Nach den Ausführungen der Sachverständigen lassen sich gerade ältere Katzen, die lange mit einem Menschen zusammenleben, gut in der Praxis handhaben. Anhaltspunkte für ein aggressives Verhalten am Behandlungstag sind weder dargetan noch feststellbar. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es beim Wiegen der Katze der Beklagten zu der Bissverletzung. Ein körpernahes Tragen zur Waage bietet nach den Erläuterungen der Sachverständigen meist ein Schutzgefühl. Außerdem ist das Wiegen weder schmerzhaft noch langwierig für das Tier, weshalb das Tragen von Schutzhandschuhen bei diesem Vorgang hier aus Sicht eines verständigen Tierarztes nicht geboten gewesen ist.
58Dass die Klägerin schon einmal eine massive Bissverletzung erlitten hatte, gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Denn die Klägerin hatte sich diese Verletzung bei der Behandlung einer anderen Katze zugezogen. Ein erhöhter individueller Sorgfaltsmaßstab galt insoweit für sie nicht, weil die von der Sachverständigen geschilderten Nachteile der Benutzung von Handschuhen gleichbleiben. Auch die Sachverständige hätte nach ihren Ausführungen bei der konkreten Behandlung keine Schutzhandschuhe getragen, obwohl sie selbst in der Vergangenheit bereits eine schwere Katzenbissverletzung erlitten hatte. Die Sachverständige hat in diesem Zusammenhang anschaulich geschildert, dass sie trotz einer im Jahr 1989/1990 erlittenen schweren Katzenbissverletzung bis zur Aufgabe ihrer Praxis im Sommer 2020 den Handschuheinsatz nicht erhöht habe.
59Dass sich die Klägerin beim Wiegen der Katze keiner Hilfsperson bedient hat, begründet ebenfalls kein Mitverschulden. Denn dies hätte, wie die Sachverständige ausgeführt hat, nicht das Risiko eines Bisses reduziert, da der Vorgang dadurch insgesamt komplizierter geworden wäre und zu viele Hände überdies den Stress bei der Katze erhöht hätten.
60Auch ein Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB beim Ausmaß der Beeinträchtigung durch eine verspätete Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung hat die Beklagte nicht nachgewiesen. Der handchirurgische Sachverständige J. hat dazu in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, zu einer Behandlung von Katzenbissverletzungen gebe es bei Erwachsenen keine allgemeingültigen Leitlinien. Ob sich eine unmittelbare ärztliche Vorstellung schadensmindernd ausgewirkt hätte, lasse sich rückblickend nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Bei seiner Anhörung hat er dies dahingehend präzisiert, dass das Verhalten der Klägerin nach dem Biss aus medizinischer Sicht nicht zu beanstanden sei. Nicht jeder Biss führe zu einer Infektion, so dass es richtig gewesen sei, die Wunde zunächst nur auszuspülen und zu desinfizieren und einen Arzt erst bei einer Infektion aufzusuchen. Das deckt sich mit den Ausführungen der tiermedizinischen Sachverständigen H. aus Perspektive der Arbeitssicherheit.
61d)
62Aufgrund der erlittenen Verletzungen und ihrer Folgen steht der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 EUR zu, § 253 Abs. 2 BGB.
63Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers (BGH, Urt. v. 12.05.1998 – VI ZR 182/97 –, Rn. 13). Das Schmerzensgeld hat rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (BGH, Beschl. v. 06. 07.1955 – GSZ 1/55 –, Rn. 14).
64aa)
65Der Senat geht dabei aufgrund der Beweisaufnahme von dem folgenden Ausmaß der verletzungsbedingten Einbußen bzw. Beeinträchtigungen der Klägerin aus:
66Am 24.08.2010 erlitt die damals 35-jährige Klägerin einen Biss in die linke Hand, die bis zu einer ambulanten Vorstellung im E.-Krankenhaus (K.-Stadt) am Folgetag, 25.08.20210, anschwoll und errötete. Sie wurde gegen die diagnostizierte Phlegmone (eitrige Entzündung des Gewebes unter der Haut) zunächst intravenös antibiotisch behandelt, am 26.08.2010 operiert und bis zum 03.09.2010 stationär aufgenommen. Anschließend wurde sie bis März 2011 ambulant weiterbehandelt; physiotherapeutische und ergotherapeutische Übungen wurden durchgeführt.
67Als Folge verbleibt der Klägerin zunächst an der linken Hand eine vier Zentimeter lange, längsverlaufende und leicht eingezogene Narbe. Die aktive Beugung des Daumens ist im Endgelenk leicht eingeschränkt, die aktive Beugung von Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinem Finger ist jeweils im Grund-, Mittel- und Endgelenk eingeschränkt. Der aktive Faustschluss der linken Hand ist leicht eingeschränkt. Die Griffkraft ist stark eingeschränkt (2 kg gegenüber dem Normwert von 32,8 kg). Der linke Zeigefinger weist eine herabgesetzte Sensibilität auf.
68Das stellt der Senat unter Berücksichtigung der folgenden Erwägungen fest:
69Ist fraglich, ob aus einer Verletzung ursächlich ein Schaden entstanden ist, ob also haftungsausfüllende Kausalität besteht, oder wie hoch der entstandene Schaden ist, so darf das Gericht dort, wo strenger und vollständiger Beweis nicht erbracht werden kann oder unverhältnismäßige Aufwendungen erfordern würde, aus der Gesamtheit aller Umstände das Vorhandensein und die Höhe des Schadens nach freiem Ermessen feststellen und notfalls auch schätzen (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.1991, XII ZR 144/90 = NJW 1992, 202; Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, Kap. 36, Rn. 59). § 287 Abs. 1 ZPO stellt an das Maß der Überzeugungsbildung des Tatrichters geringere Anforderungen als die Vorschrift des § 286 ZPO. Im Rahmen des § 286 ZPO hat der Richter seiner Überzeugungsbildung zugrunde zu legen, dass es dafür keiner absoluten oder unumstößlichen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit bedarf, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Nach § 287 ZPO ist der Richter – im Interesse des von einer rechtswidrigen Handlung Betroffenen – ermächtigt, sich mit einer mehr oder minder hohen (mindestens aber überwiegenden) Wahrscheinlichkeit zu begnügen (BGH, Urteil vom 17.09.2019 – VI ZR 396/18, Rn. 13 m.w.N.). In keinem Fall aber erlaubt es die Vorschrift des § 287 ZPO, zugunsten des Beweispflichtigen einen bestimmten Schadensverlauf zu bejahen, wenn nach den feststehenden Einzeltatsachen „alles offen“ bleibt oder sich gar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil ergibt (BGH, Urt. v. 07.07.1970 – VI ZR 233/69 –, Rn. 47).
70Die Feststellungen zum Behandlungsverlauf 2010/2011 folgen dabei aus dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen J. vom 14.12.2023 (Bl. 866 ff.) und den von ihm ausgewerteten Behandlungsunterlagen, insbesondere den fachärztlichen handchirurgischen Berichten des L., E.- Krankenhaus, vom 11.06.2011, Bl. 36 ff. GA, und vom 29.07.2011, Bl. 43 ff. Der Sachverständige hat den oben dargelegten Verlauf nachvollziehbar herausgearbeitet.
71Die Feststellungen zu den verbleibenden Folgen an der Hand der Klägerin bezüglich der sichtbaren Narbe, der Griffkraft und des Faustschlusses beruhen auf dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen J. und seiner Anhörung im Termin am 25.07.2024. Der Sachverständige besitzt als Handchirurg und Schmerztherapeut die zur Begutachtung notwendige Sachkunde. Er hat die festgestellten Beeinträchtigungen an der Hand nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei ausgeführt und die Klägerin dazu körperlich untersucht. Nachfragen des Senats und der Prozessbeteiligten hat er überzeugend beantwortet und seine schriftlichen Ausführungen, etwa zu den Untersuchungsmethoden bei der Feststellung der Griffstärke und beim aktiven und passiven Faustschluss, vertieft. Er ist dabei auch auf Einwände zu einer möglichen Manipulation der Untersuchung durch die Klägerin eingegangen und hat sie entkräftet. Aus dem vom Sachverständigen geschilderten Gesamtbild seiner körperlichen Untersuchung der Klägerin deutet nichts darauf hin, dass sie die Untersuchung der Griffstärke durch ein Dynamometer beeinflusst hätte, zumal sie an anderer Stelle der Untersuchung auf Aufforderung etwa den sogenannten „Pinzettengriff“ (Berühren von Daumen- mit Zeigefingerfingerspitzen) sowie das Überkreuzen von Zeige- und Mittelfinger ausgeführt hat.
72bb)
73Die weiteren von der Klägerin behaupteten Folgen sind indessen auch nach dem oben erläuterten erleichterten Maßstab nicht nachgewiesen, namentlich Einbußen beim Feingefühl bzw. allgemein gestörte Feinmotorik bei den Langfingern, Probleme beim längeren Halten von Gegenständen, plötzlich auftretende Schmerzen sowie Schwellungen und Rötungen der Hand, Kribbeln und andere Missempfindungen in der Hand, Gefühl der Steifigkeit der Hand, Narbenkontrakturen und Narbenkrater, Schulterschmerzen durch Fehlbelastungen der Hand, Reaktionen der Hand auf äußerliche Kälte und Wärme, verletzungsbedingte Einschränkungen in der privaten Lebensführung (Skifahren/Reiten) und die vollständige Unmöglichkeit der Berufsausübung als Tierärztin.
74Zum einen konnte die Klägerin nicht nachweisen, dass sie an ihrer linken Hand Einbußen beim Feingefühl, eine gestörte Feinmotorik der Langfinger und ein Problem beim längeren Halten von Gegenständen hat. Zwar hat die Klägerin diese Einschränkungen bei ihrer Anhörung näher geschildert. Gegen eine hinreichende (mindestens überwiegende) Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) dieser Folgen sprechen aber die Ausführungen des Sachverständigen J. in seinem schriftlichen Gutachten und bei seiner Anhörung. Nach seinem schriftlichen Gutachten ist die Motorik abgesehen von der starken Einschränkung der Griffstärke normal. Zu dieser Bewertung kommt der Sachverständige im Gutachten aufgrund eigener Prüfungen im Rahmen seiner Untersuchung der Klägerin. Bei seiner im Senatstermin hat der Sachverständige weiter ausgeführt, die Klägerin habe den Pinzettengriff uneingeschränkt durchführen und auch Zeige- und Mittelfinger uneingeschränkt überkreuzen können. Die Klägerin habe zwar keinen aktiven vollständigen Faustschluss durchzuführen vermocht, also aus eigener Kraft die Faust nur soweit schließen können, dass eine Lücke von ca. einem bis anderthalb Zentimeter verblieben sei. Ein passiver Faustschluss sei aber bei einem sanften Zudrücken durch ihn vollständig möglich gewesen. Es gebe daher keinen Anhaltspunkt, dass sich die Muskulatur zurückgebildet habe. Er könne daher auch nicht feststellen, dass es der Klägerin schwerfalle, Gegenstände wie Handys über längere Zeit festzuhalten, und ob dies – wenn es zutreffe – Folge der Verletzung oder einer Schonhaltung der Klägerin sei. Insoweit bestehe eine Diskrepanz zwischen den Angaben der Klägerin und den Ergebnissen der Untersuchung. Gegen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dieser motorischen Einschränkungen spricht auch, dass der Sachverständige schilderte, im Mittelpunkt der Behandlung nach einer solchen Verletzung stünden Ergotherapie und Physiotherapie, um die Beweglichkeit der Hand zu erhalten und eine Schonhaltung zu vermeiden. Dies wäre gerade im Falle der Klägerin zu erwarten gewesen, da sie aufgrund der früheren Verletzung ihrer rechten Hand zur Berufsausübung ohnehin nur noch die linke Hand zur Verfügung habe. Gleichwohl hat auch die Klägerin nicht bekundet, sich einer weiteren physiotherapeutischen oder ergotherapeutischen Behandlung nach März 2011 unterzogen zu haben. Dies ist aber vor allem mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen der – aus damaliger Sicht – drohenden Berufsunfähigkeit ungewöhnlich. Nach den eindrücklichen Ausführungen des Sachverständigen wäre vielmehr zu erwarten gewesen, dass die Klägerin „alle Hebel in Bewegung“ setzte, um diese Folge noch abzuwenden, wenn das von ihr behauptete Verletzungsbild zugetroffen hätte.
75Dass es an ihrer linken Hand zu Schmerzen, Schwellungen, Rötungen und Kribbeln, Temperaturempfindlichkeit, einem Gefühl der Steifigkeit und weiteren Missempfindungen komme, zudem Narbenkontrakturen und Narbenkrater vorhanden seien, konnte die Klägerin ebenfalls nicht nachweisen. Zwar hat sie bei ihrer Anhörung diese Beschwerden berichtet und sie ausweislich des Gutachtens auch gegenüber dem Sachverständigen J. so geschildert. Gegen eine mindestens überwiegende Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) dieser Angaben spricht jedoch, dass der Sachverständige im schriftlichen Gutachten die Hand als im Seitenvergleich nicht geschwollen und als weder ödematös noch gerötet beschrieben hat. Dass dies spontan auftrete, könne nicht nachvollzogen werden. Auf Befragen bei der Anhörung am 25.07.2024 hat der Sachverständige diesen Befund noch vertieft: Die damalige OP-Wunde sei vergleichsweise klein. Die Narbe sei vergleichsweise gut verheilt, ein Narbeneinzug allenfalls in milder Form, ein Narbenkrater nicht vorhanden. Für ein chronisches Schmerzsyndrom habe er keine hinreichenden Indizien gefunden. Die für ein solches Syndrom typischen Indizien wie verstärktes Schwitzen und übermäßiger Haarwuchs lägen nicht vor. Dass daher nach 14 Jahren noch die eher für die Akutphase typischen Schwellungen auftreten, könne nicht diagnostiziert werden. Gewisse Schwellungen der Hände könnten auch ohne Vorschädigung auftreten, wenn die Hände längere Zeit am Körper herabhingen, das sei normal, vor allem im Sommer. Dass nach diesem Zeitraum noch die beschriebenen Schmerzen auftreten, sei aufgrund der Komplexität der Nervenbahnen nicht auszuschließen. Es sei aber nicht die Regel, womit er meine, es sei unwahrscheinlich. Gegen ein Fortdauern der Schmerzen nach Ende der ambulanten Therapie spreche auch, dass die eigentlich zentralen Punkte wie eine Wiedereingliederung, die gezielte Gabe von (anderen) Schmerzmitteln und eine Schmerztherapie nicht durchgeführt worden seien. Auch die Klägerin hat nicht angegeben, sich nach März 2011 noch einer Schmerztherapie unterzogen zu haben. Für eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Kälte oder Hitze bestehen nach den Ausführungen des Sachverständigen ebenfalls keine objektivierbaren Anhaltspunkte.
76Schließlich konnte die Klägerin im oben dargelegten Maß (§ 287 ZPO) nicht nachweisen, dass die von ihr geschilderten Einschränkungen ihrer Berufsausübung und privater Aktivitäten (Reiten, Skifahren, Schwimmen, Saunagänge) vorliegen. Zwar hat sie auch diese Einschränkungen bei der Anhörung genannt. Auch hat der Sachverständige J. in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Klägerin diese Einschränkungen auch ihm gegenüber anlässlich der körperlichen Untersuchung geschildert habe und sie „denkbar“ seien. Dies hält der Senat jedoch zum einen aufgrund der obigen Ausführungen zu den körperlichen Beschwerden der Klägerin nicht für überwiegend wahrscheinlich, zumal auch der Sachverständige bei seiner Anhörung ausgeführt hat, diese Einschränkungen seien nicht die Regel, also nach seinem Dafürhalten unwahrscheinlich. Zum anderen berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin, anders als es nach ihrem schriftlichen Vortrag den Anschein erweckt hat, auf Befragen bei der Anhörung angegeben hat, vor dem Vorfall weder Reitsport betrieben noch in größerem Umfang Ski gefahren zu sein. Dass eine etwaige Einschränkung bei der Berufsausübung auf die Verletzung zurückgeht, hält der Senat schließlich auch angesichts der vom Sachverständigen J. festgehaltenen „enormen Diskrepanz“ zu dem Verletzungsbild, das die Klägerin nach Abschluss der Behandlung aufgewiesen habe, der Vorverletzung an der rechten Hand und der bezüglich der linken Hand eigentlich noch nötigen, aber nicht ergriffenen Behandlungsmaßnahmen in Form von Ergo-, Physio- und Schmerztherapie für unwahrscheinlich.
77cc)
78Bei der Bemessung des Schmerzensgelds sind nach alldem der unmittelbar durch den Biss verursachte Schmerz, die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs sowie einer anderthalbwöchigen stationären und anschließenden mehrmonatigen ambulanten Behandlung und die verbliebenen Folgen durch die sichtbare Narbe auf dem linken Handrücken sowie bei der Griffstärke der Hand nebst eingeschränktem Faustschluss der Langfinger zu berücksichtigen, wobei die Klägerin im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Schädigung erst 35 Jahre alt war. Dagegen tritt die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds wegen des verschuldensunabhängigen Charakters der Tierhalterhaftung in den Hintergrund.
793.
80Der Zinsanspruch folgt, soweit zuerkannt, aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
81II.
82Der Feststellungsantrag – Klageantrag zu 2. – ist begründet.
831.
84Einen im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bereits entstandenen materiellen Schaden hat die Beklagte der Klägerin gemäß § 833 Satz 1 BGB zu ersetzen. Die Ersatzpflicht folgt aus den Ausführungen unter oben I.
852.
86Entsprechendes gilt in Bezug auf die Ersatzpflicht für künftige materielle und nicht vorhersehbare immaterielle Schäden.
87Begründet ist ein solcher Feststellungsantrag, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann. Dabei kann die Möglichkeit ersatzpflichtiger künftiger Schäden ohne weiteres zu bejahen sein, wenn ein deliktsrechtlich geschütztes absolutes Rechtsgut verletzt wurde und bereits ein Schaden eingetreten ist (BGH, Urteile v. 30.07.2020 – VI ZR 397/19 –, juris Rn. 29, und v. 17.10.2017 – VI ZR 423/16 –, juris Rn. 49). Diese Voraussetzungen sind hier, wie sich aus den Ausführungen unter oben I. ergibt, erfüllt. Ausschließen lässt sich die Möglichkeit von künftigen (mit den Leistungsanträgen nicht geltend gemachten) Schäden nicht.
88III.
89Darüber hinaus steht der Klägerin gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung (§ 249 Abs. 1 BGB) dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten nebst Prozesszinsen zu.
90Der Höhe nach ist der Ersatzanspruch auf diejenigen Anwaltsgebühren begrenzt, die aus der Höhe des gegen den Schädiger bestehenden Anspruchs resultieren. Sie berechnen sich hier dementsprechend nach einem Gegenstandswert von 13.000 EUR (8.000 EUR für den Schmerzensgeld- und 5.000 EUR für den Feststellungsantrag). Abweichend von der Berechnung der Klägerin in der Klageschrift ergibt sich daraus nach dem RVG in der von 2004 bis 2013 geltenden Fassung eine 1,3 Gebühr von 683,80 EUR zuzüglich 20 % Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikation und der Umsatzsteuer von 19 %, also ein Gesamtbetrag von 837,52 EUR.
91Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB.
924.
93Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
94Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt, davon 5.000,00 EUR für den Antrag zu 2.
95… |
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