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§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO in der Fassung vom 05.12.2012, § 64 S. 1 GmbHG in der Fassung vom 23.10.2008, § 249 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB, § 302 Abs. 1 AktG
Ein für eine Rückstellung in einer Handelsbilanz gem. § 249 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB maßgeblicher Verlust aus einem schwebenden Geschäft droht, wenn der Wert der eigenen Verpflichtungen aus dem Geschäft den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung (sog. Verpflichtungsüberschuss) übersteigt. Kann eine Mietsache im oder für den Betrieb nicht mehr genutzt werden, handelt es sich um eine Fehlmaßnahme, weil der Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Unternehmers für den Betrieb keinen Wert mehr hat.
Das schwebende Geschäft, aus dem die Verluste drohen, ist nicht zivilrechtlich abzugrenzen, sondern es gilt stattdessen das bilanzrechtliche Synallagma. Grundsätzlich ist auf einzelne Verträge abzustellen, nicht auf eine Summe gleichartiger Verträge. Wenn allerdings ein enger rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, kann die Zusammenfassung mehrerer Verträge zu einer Bewertungseinheit notwendig sein, um zu einer besseren Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu kommen.
Für das Entstehen eines Verlustausgleichsanspruchs gem. § 302 Abs. 1 AktG ist allein der zum Bilanzstichtag zutreffend ausgewiesene Fehlbetrag maßgebend, d.h. es kommt auf eine objektiv richtig aufgestellte Bilanz an.
Rückstellungen sind in der Überschuldungsbilanz als Verbindlichkeiten zu passivieren.
Ein Verlustausgleichsanspruch gem. § 302 Abs. 1 AktG ist in einer Überschuldungsbilanz zu aktivieren.
(…)
Der für den 31.10.2024 anberaumte Senatstermin wird aufgehoben.
Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass sein Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat; der Senat beabsichtigt daher, seine Berufung gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 16.01.2024, 6 O 335/21, ohne mündliche Verhandlung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.11.2024.
Gründe:
2I.
3Die nach § 520 Abs. 2 ZPO hinreichend begründete sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache offensichtlich keinen Erfolg. Sie ist daher im Beschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
4Das Landgericht hat die Klage zurecht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von bloßen Wiederholungen verwiesen wird, abgewiesen. Auch die Berufung verhilft der Klage nicht zum Erfolg.
51.
6Dem Kläger steht als Insolvenzverwalter der Schuldnerin gegen die Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der im Zeitraum vom 02.01.2018 bis zum 25.09.2019 für die Schuldnerin von den Beklagten veranlassten Zahlungen gem. §§ 80 Abs. 1 InsO, 64 S. 1 GmbHG in der Fassung vom 23.10.2008 (im Folgenden a.F.) zu.
7Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat zu keinem der von ihm genannten Zeitpunkte schlüssig vorgetragen, dass die Schuldnerin überschuldet war. Gem. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO in der Fassung vom 05.12.2012 (im Folgenden a.F.) liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
8Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 19.11.2019 – II ZR 53/18, Rn. 21; Urt. v. 24.09.2013 – II ZR 39/12, Rn. 28; Born, WM-Beilage II 2023, Rn. 160/164; ders., MünchHdBGesR VII, 6. Aufl., § 109 Rn. 60 m.w.N. zur Rspr.) ist die rechnerische Überschuldung grundsätzlich auf der Grundlage einer Überschuldungsbilanz festzustellen, in der die stillen Reserven aufzudecken und Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Liquidationswerten auszuweisen sind. Der Handelsbilanz kommt für die Frage der rechnerischen Überschuldung indizielle Bedeutung zu. Legt der Insolvenzverwalter für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind.
9a) Der Kläger hat erstinstanzlich zu dem von ihm geltend gemachten Überschuldungszeitpunkt 31.12.2017 die für die Schuldnerin erstellte Handelsbilanz vorgelegt, in der ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag nicht ausgewiesen worden ist, weil die A. KG den der Schuldnerin entstandenen Verlust von 111.053,56 € im Rahmen des Verlustausgleichsanspruchs der Schuldnerin übernommen hat. Er hat gemeint, ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag wäre dann entstanden, wenn man die aus seiner Sicht erforderliche Rückstellung für drohende Verluste aus den Mietgeschäften der Schuldnerin in den Jahresabschluss eingestellt hätte. Während auch zur Überzeugung des Senats handelsrechtlich eine solche Rückstellung zu bilden war, hat der Kläger jedoch übersehen, dass dann der Verlustausgleichsanspruch der Schuldnerin gegen die A. KG aus dem noch bis zum 31.12.2017 bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in dem der Rückstellung entsprechenden Umfang zu erhöhen war, so dass die Bilanz der Schuldnerin wieder ausgeglichen gewesen wäre. Dies haben die Beklagten und ihnen folgend das Landgericht zutreffend erkannt.
10aa) Gem. § 249 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB sind Rückstellungen zu bilden für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften. Zutreffend hat das Landgericht unter Heranziehung u.a. der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Beschl. v. 02.04.2008 – I B 197/07, Rn. 8 ff.) ausgeführt, dass ein Verlust droht, wenn der Wert der eigenen Verpflichtungen aus dem Geschäft den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung (sog. Verpflichtungsüberschuss) übersteigt. Bei Dauerschuldverhältnissen wie etwa der entgeltlichen Überlassung von Räumen zur Nutzung ist zur Ermittlung des Verpflichtungsüberschusses der Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung (Mietzins) mit dem Geldwert der Aufwendungen zu vergleichen, die zur Bewirkung der Leistungen erforderlich sind. Ist ein Mietvertrag auf der Beschaffungsseite abgeschlossen worden, ist der Wert des Sachleistungsanspruchs nach dem Beitrag zu bewerten, den die Mietsache zum Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens leistet. Im Regelfall ist eine Bewertung dieses Beitrags nicht möglich, weil die Auswirkungen der einzelnen Produktionsfaktoren auf das Betriebsergebnis nicht hinreichend objektivierbar sind. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn das Geschäft sich als Fehlmaßnahme erweist, weil der Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Unternehmers für den Betrieb keinen Wert mehr hat. Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine Mietsache im oder für den Betrieb nicht mehr genutzt werden kann, wenn sie also weder vom Unternehmen selbst genutzt noch untervermietet werden kann. Danach waren die Mietgeschäfte der Schuldnerin im Umfang der Differenz zwischen der an die O. GmbH zu zahlenden Miete und den voraussichtlichen Erträgen aus den Untermietverträgen eine Fehlmaßnahme, beruhte diese Differenz doch darauf, dass die Schuldnerin bereits mindestens seit 2015 Teile der angemieteten Hallen nicht vermieten konnte. Da der Verlustausgleichsanspruch ab 2018 aufgrund der Aufhebung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags entfallen würde, war schon Ende 2017 erkennbar, dass die unweigerlich entstehenden Verluste nicht aufgefangen werden würden.
11Soweit die Beklagte moniert, dass eine Rückstellung nicht bezogen auf die saldierten Verluste aus verschiedenen Verträgen gebildet werden könne, kann dem nicht gefolgt werden. Das schwebende Geschäft, aus dem die Verluste drohen, ist nicht zivilrechtlich abzugrenzen, sondern es gilt stattdessen das bilanzrechtliche Synallagma. Grundsätzlich ist zwar auf einzelne Verträge abzustellen, nicht auf eine Summe gleichartiger Verträge (MünchKommHGB/Ballwieser, 5. Aufl., § 249 Rn. 59/61). Damit gilt der Grundsatz der Einzelbewertung auch für schwebende Geschäfte. Wenn allerdings ein enger rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, kann die Zusammenfassung mehrerer Verträge zu einer Bewertungseinheit notwendig sein, um zu einer besseren Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu kommen (Ebenroth/Boujong/Böcking/Gros/Wirth, HGB, 5. Aufl., § 249 Rn. 57; Heidel/Schall/Schrimpf-Dörges, HGB, 4. Aufl., § 249 Rn. 52). Bei Mietverhältnissen wird man nur bei der Kombination von Beschaffungs- und Absatzgeschäft eine Drohverlustrückstellung in Erwägung ziehen können. Diese ist zu bilden, wenn der Preis im Beschaffungsgeschäft höher liegt als im Absatzgeschäft (Ebenroth/Boujong/Böcking/Gros/Wirth, a.a.O., Rn. 72). So liegt der Fall hier. Der Hauptmietvertrag mit der O. GmbH war mit den Untermietverträgen bilanzrechtlich eng verbunden, da die Anmietung der Hallen ausschließlich zur Untervermietung und nicht etwa zur eigenen Nutzung durch die Schuldnerin vorgenommen worden ist.
12Nicht nachvollziehbar ist, mit welcher Zielrichtung der Kläger, dessen Klage auf dem zentralen Gedanken der Erforderlichkeit einer Rückstellung für die drohenden Verluste und der daraus folgenden Überschuldung fußt, nunmehr seine Berufung damit begründet, die Höhe der Rückstellung sei aufgrund der Vielzahl der Faktoren, von der die zukünftigen Verluste abhingen, nicht quantifizierbar. Davon abgesehen wenden die Beklagten zu Recht gegen diese Annahme ein, dass jede Rückstellung für drohende Verluste bilanzrechtlich der Höhe nach bestimmt werden muss und dies auch möglich ist. Ohne dass es für den vorliegenden Rechtsstreit auf die exakte Höhe (siehe hierzu die Ausführungen nachfolgend unter bb)) ankommt, erscheinen die zu berücksichtigenden Faktoren im vorliegenden Fall mit einem festen Hauptmietverhältnis zu einem – wenn auch indexierten – Mietpreis, welches trotz der langen Befristung bis Ende 2034 mit einer Kündigungsfrist von drei Jahren gekündigt werden kann, sowie den Ende 2017 bestehenden Untermietverträgen durchaus überschaubar. Die voraussichtliche Entwicklung der Indexierung wie auch Unsicherheiten bei der weiteren Entwicklung der Untermietverträge können kaufmännisch bewertet und dadurch eine exakte Höhe der drohenden Verluste festgelegt werden.
13bb) Ebenfalls zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rückstellung auf der Passivseite der Bilanz durch den der Schuldnerin am 31.12.2017 noch gegen die A. KG zustehenden Verlustausgleichsanspruch nach § 3 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags i.V.m. § 302 Abs. 1 AktG, der in der Bilanz gem. § 277 Abs. 3 S. 2 HGB (Born, WM-Beilage II 2023, Rn. 232) zu aktivieren ist, ausgeglichen ist.
14Die Verlustübernahmepflicht des § 302 AktG ist entsprechend dem bezweckten Kapitalerhaltungsschutz ein gesetzliches Schuldverhältnis. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag regelt die Tatbestandsmerkmale der gesetzlichen Verpflichtung, ist aber nicht selbst der Verpflichtungsgrund (Koch, AktG, 18. Aufl., § 302 Rn. 4). Der Rechtsgedanke dieser für den Aktienrechtskonzern maßgebenden Vorschrift findet auch auf den GmbH-Konzern Anwendung (BGH, Urt. v. 18.01.2022 – II ZR 71/20, Rn. 25; Urt. v. 07.10.2014 – II ZR 361/13, Rn. 8; BeckOK GmbHG/Servatius, Stand 01.03.2023, Konzernrecht Rn. 192). Der Anspruch auf Ausgleich des Jahresfehlbetrags entsteht und wird fällig am Stichtag der Jahresbilanz der beherrschten Gesellschaft (vgl. § 3 Abs. 6 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags; BeckOGK/Veil/Walla, Stand 01.06.2024, AktG § 302 Rn. 23). Das war vorliegend der 31.12.2017. Bis zum Ablauf dieses Tages sollte der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag noch gelten wie sich aus § 2 Nr. 1 des Aufhebungsvertrags ergibt.
15Ob der Jahresabschluss für 2017 noch anfechtbar ist, ist – wie der Kläger selbst zwischenzeitlich erkannt hat – für das Entstehen des Verlustausgleichsanspruchs nicht entscheidend. Vielmehr ist allein der zum Bilanzstichtag zutreffend ausgewiesene Fehlbetrag maßgebend, d.h. es kommt auf eine objektiv richtig aufgestellte Bilanz für die Frage der Entstehung eines Verlustausgleichsanspruchs an. Bei verbindlicher Feststellung der Höhe des Jahresfehlbetrages durch die Bilanz könnte der Mehrheitsgesellschafter die Regelung des § 302 AktG ohne weiteres dadurch unterlaufen, dass er eine ihm günstige unzutreffende Bilanz feststellt und diese entweder nicht nach §§ 257, 243 AktG angefochten oder sie trotz Nichtigkeit im Sinne des § 256 AktG verbindlich wird, weil die Nichtigkeit nach Abs. 6 dieser Vorschrift nicht mehr geltend gemacht werden kann. Ein solches Vorgehen würde die Interessen der außenstehenden Aktionäre erhöhten Gefahren aussetzen und die Durchsetzbarkeit der Gläubigerforderungen zumindest teilweise in Frage stellen. Der Zweck des § 302 AktG, die Interessen der außenstehenden Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger zu schützen, kann nur dann erreicht werden, wenn der zutreffende Fehlbetrag ermittelt und ausgeglichen wird (BGH, Urt. v. 11.10.1999 – II ZR 120/98, Rn. 10 f.; Koch, a.a.O., Rn. 9; Henssler/Strohn/Paschos, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 302 Rn. 6; BeckOGK/Veil/Walla, a.a.O., Rn. 18/22). Aus dem Umstand, dass allein auf eine objektiv richtige Bilanz abzustellen ist, folgt, dass ein sich erst später aufgrund der Vornahme objektiv notwendiger Rückstellungen zeigender Jahresfehlbetrag ebenfalls noch vom herrschenden Unternehmen übernommen werden muss (Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl., § 302 Rn. 29 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 05.06.1989 – II ZR 172/88).
16Unerheblich für den Schutzgedanken des § 302 AktG ist die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die A. KG 2017/2018 überhaupt noch Gesellschafterin der Schuldnerin war oder nach dem Vortrag der Beklagten zunächst eine S.V. und ab 2018 die Beklagte zu 1) diese Position übernommen hatte. Denn jedenfalls bestand der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bis Ende 2017 und die A. KG konnte über die Beklagten, die auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der A. KG waren, Einfluss auf die Verhältnisse bei der Schuldnerin nehmen.
17cc) In einer für die Schuldnerin zu erstellenden Überschuldungsbilanz sähe die Situation im Ergebnis nicht anders aus als für die Handelsbilanz. Zwar sind Rückstellungen in der Überschuldungsbilanz als Verbindlichkeiten zu passivieren, da die Überschuldungsbilanz das Konzept der Rückstellungen nicht kennt. Eine Passivierungspflicht besteht auch unabhängig davon, ob in der entsprechenden Handelsbilanz tatsächlich Rückstellungen gebildet wurden (Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 19 Rn. 162). Jedoch ist der Verlustausgleichsanspruch entsprechend § 302 AktG wie in der Handelsbilanz zu aktivieren (Uhlenbruck/Mock, a.a.O., Rn. 108; Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Vor § 64 a.F. Rn. 47a; Gottwald/Haas/Gundlach, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl., Kap. II § 6 Rn. 54; Pape/Reichelt/Schultz/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 3. Aufl., § 17 Rn. 39), so dass auch die Überschuldungsbilanz zu einem ausgeglichenen Ergebnis führte.
18b) Nach den Ausführungen unter a) insbesondere zur Reichweite des Verlustausgleichsanspruchs kann eine Überschuldung der Schuldnerin auch zu den weiteren vom Kläger genannten Zeitpunkten insbesondere im Jahr 2018 nicht festgestellt werden, da etwaige Fehlbeträge, die auf die Rückstellung zum 31.12.2017 zurückgehen, noch von der A. KG auszugleichen gewesen wären. Im Übrigen hat die Beklagte zu 1) im Hinblick auf Verluste im Abschluss zum 30.11.2018 in Höhe von 22.195,43 €, die nicht durch das Stammkapital gedeckt gewesen wären, einen entsprechenden Nachschuss geleistet, so dass ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag vermieden worden ist. Jenseits des 30.11.2018 hat der Kläger für den folgenden Zeitraum keinen handelsrechtlichen Abschluss oder eine Überschuldungsbilanz vorgelegt.
192.
20Der gesamte Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung, die Beklagten hätten die Insolvenz der Schuldnerin absichtsvoll zum Nachteil der Gläubiger herbeigeführt, trägt einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der von den Beklagten in der Zeit vom 02.01.2018 bis zum 25.09.2019 veranlassten Zahlungen vom Konto der Schuldnerin nicht, ohne dass es darauf ankommt, ob er mit diesem Vortrag – wie die Beklagten meinen – in der Berufungsinstanz präkludiert ist. Der Kläger zielt mit seinem Vortrag offenbar auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs (Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04 – TRIHOTEL). Danach haften die Gesellschafter einer GmbH dieser gegenüber gem. § 826 BGB, wenn sie zu ihrem eigenen Vorteil planmäßig einer Gesellschaft ihr Vermögen entziehen im Sinne der Verringerung der Zugriffsmasse zu Lasten der Gläubiger, so dass die Insolvenz herbeigeführt oder vertieft wird. Dies widerspricht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und ist damit als sittenwidrig einzustufen. Rechtsfolge ist der Ersatz des eingriffsbedingten Schadens. Im vorliegenden Fall sind nicht nur die Beklagten – nach dem Vortrag des Klägers auch die Beklagte zu 1) – keine Gesellschafter der Schuldnerin gewesen und haben ausweislich der Empfänger der vom Kläger eingeklagten Zahlungen auch nicht zu ihrem Vorteil der Schuldnerin Vermögen entzogen. Vor allem hat der Kläger nichts zum kausalen Schaden der Schuldnerin vorgetragen, der mit den von den Beklagten veranlassten Zahlungen schon deshalb nicht identisch ist, weil die Zahlungen in der Regel die Erbringung von Leistungen abgegolten haben dürften. Vor dem Hintergrund, dass das vom Kläger geführte Insolvenzverfahren kein masseloses Verfahren ist (im Zeitpunkt des Insolvenzantrags betrug das Kontoguthaben der Schuldnerin 42.275,20 € und im Zeitpunkt des Insolvenzgutachtens des Klägers belief es sich auf 173.845,88 €), hätte der Kläger jedenfalls vortragen müssen, in welcher Höhe die Gläubiger der Schuldnerin mit ihren Forderungen ausfallen werden.
21Auch im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch aus Geschäftsführerhaftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG fehlt zumindest jeder substantiierte Vortrag zum Schaden der Schuldnerin.
22II.
23Der Kläger möge daher prüfen, ob die Berufung durchgeführt werden soll. Im Fall der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanzlichen Gerichtsgebühren um die Hälfte.
24Aufgrund dieses Beschlusses wurde die Berufung zurückgenommen.
25Zum besseren Verständnis wird hier noch der Sachverhalt angefügt:
26Sachverhalt
27Die Parteien streiten um die Erstattung von Zahlungen, die nach dem geltend gemachten Eintritt der Insolvenzreife der Schuldnerin von ihrem Konto vorgenommen worden sind.
28Die R. GmbH (im Folgenden Schuldnerin) beschäftigte sich zuletzt mit der Untervermietung von Hallen auf dem Gelände des Flughafen Düsseldorf. Sie hatte 1975 mit ihrer Gesellschafterin, der A. GmbH & Co. KG (im Folgenden A. KG), einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Dieser sah vor, dass die Schuldnerin ab dem 01.01.1975 ihre Ergebnisse an die A. KG abführt, für die Verlustübernahme durch die A. KG § 302 AktG entsprechend gelten sollte und die A. KG von Fall zu Fall die Bildung offener oder stiller Rücklagen in den Abschlüssen der Schuldnerin zulassen werde, soweit sie bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet sind sowie der steuerlichen Anerkennung des Vertrags nicht entgegenstehen. Die wechselseitigen Ansprüche aus der Übernahme von Gewinnen oder Verlusten sollten mit dem Stichtag des Jahresabschlusses der Schuldnerin fällig werden. Diesen Vertrag hoben die A. KG und die Schuldnerin mit Vertrag vom 16.11.2017 einvernehmlich zum Ablauf des 31.12.2017 auf.
29Die Schuldnerin hatte seit 1975 zwei Hallen im Sicherheitsbereich des Flughafens Düsseldorf angemietet. Dieses Mietverhältnis wurde 2005 nunmehr mit einer Befristung bis zum 31.12.2034 vertraglich neu gefasst. Vor Ablauf der Mietzeit durfte der Mietvertrag von beiden Seiten nur mit einer Kündigungsfrist von drei Jahren gekündigt werden (§ 4. 2 des Vertrags). Ein Sonderkündigungsrecht stand der Schuldnerin nicht zu. Der monatliche Bruttomietzins betrug nach Anpassung zum 01.01.2018 33.880,31 €.
30Die Hallen hatte die Schuldnerin aufgeteilt und Stand 01.01.2018 an sechs Untermieter zu einem monatlichen Bruttomietzins von insgesamt 28.118,16 € vermietet.
31Die Beklagten waren beide Geschäftsführer der Schuldnerin bis die Beklagte zu 1) in der Gesellschafterversammlung vom 15.10.2018 abberufen wurde. In derselben Versammlung wurde die Liquidation der Schuldnerin beschlossen.
32Der Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.2017 wies in seiner Gewinn- und Verlustrechnung ein negatives Ergebnis in Höhe von 109.811,20 € aus, das zzgl. sonstiger Steuern von 1.242,36 € durch die A. KG im Wege der Verlustübernahme ausgeglichen wurde. Stille Reserven waren nicht feststellbar. Im Abschluss zum 30.11.2018, der im Hinblick auf die Überführung der Schuldnerin in eine Liquidationsgesellschaft am 16.08.2019 aufgestellt wurde, wurde ein Fehlbetrag von 98.889,22 € ausgewiesen. Hierzu wurde ausgeführt, dass aus den laufenden Vermietungen dauerhaft Verluste erzielt würden, die aufgrund der Beendigung des Beherrschungs-und Gewinnabführungsvertrags zum 31.12.2017 nicht mehr aufgefangen würden. Der Liquidator [also der Beklagte zu 2), Anm. des Senats] vertrete die Auffassung, dass die Mietverträge in Kürze beendet werden könnten. Deshalb sei eine Rückstellung für drohende Verluste nicht gebildet worden. Die angesichts eines Stammkapitals von nur 76.693,79 € drohende bilanzielle Überschuldung der Schuldnerin wurde durch einen am 28.12.2018 beschlossenen Nachschuss der Beklagten zu 1) in Höhe von 22.195,43 € vermieden. Eine vorläufige betriebswirtschaftliche Auswertung für Januar bis Oktober 2019 ergab ein vorläufiges negatives Ergebnis von 73.377,47 €.
33Die Schuldnerin führte bei der U. Bank AG ihr nahezu ausschließlich kreditorisches Geschäftskonto (Konto-Nr. …). Im Zeitraum zwischen dem 02.01.2018 und dem 11.10.2018 wickelte die Schuldnerin über dieses Konto Zahlungen in Höhe von insgesamt 412.131,13 € ab. Im anschließenden Zeitraum vom 19.10.2018 bis zum 25.09.2019 veranlasste der Beklagte zu 2) weitere Zahlungen von insgesamt 460.794,13 €.
34Auf den Eigenantrag der Schuldnerin vom 26.09.2019 eröffnete das AG Duisburg mit Beschluss vom 20.02.2020 (Aktz.) wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
35Der Kläger hat von den Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin gesamtschuldnerische Zahlung von insgesamt 412.131,13 € nebst Zinsen sowie vom Beklagten zu 2) Zahlung weiterer 460.794,13 € nebst Zinsen verlangt. Er hat geltend gemacht, die Schuldnerin, deren alleinige Gesellschafterin bis zuletzt die A. KG gewesen sei, sei zum 31.12.2017 überschuldet gewesen. Mindestens seit 2015 habe der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin aufgrund der defizitären Vermietungssituation nicht mehr kostendeckend geführt werden können. Vor dem Hintergrund der Aufhebung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags hätten im Jahresabschluss zum 31.12.2017 Rückstellungen für drohende Verluste gebildet werden müssen. In Anbetracht einer Kündigungsfrist für den Mietvertrag mit der O. GmbH von drei Jahren hätte mit Verlusten von ca. 700.000 € gerechnet werden müssen. In einer Überschuldungsbilanz zum 31.12.2017 hätte dies als Verbindlichkeit passiviert werden müssen. Die Passivierung der Drohverluste hätte jedoch ausgereicht, um zu einer rechnerischen Überschuldung der Schuldnerin zu kommen. Nur aufgrund der Tatsache, dass die Drohverlustrückstellungen nicht in der Handelsbilanz des Jahresabschlusses zum 31.12.2017 ausgewiesen worden seien und diese nicht mehr anfechtbar sei, habe auch kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch gegen die A. KG aus dem zum 31.12.2017 beendeten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestanden, der die rechnerische Überschuldung hätte beseitigen können. Eine Überschuldung werde jedenfalls auch durch den Fehlbetrag in der Bilanz zum 30.11.2018, weitere Zwischenbilanzen zum 30.09.2018 mit einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 115,62 € und zum 31.10.2018 mit einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von nunmehr 8.005,99 € sowie schließlich der betriebswirtschaftlichen Auswertung für Januar bis Oktober 2019 mit einem vorläufigen negativen Ergebnis von 73.377,47 € ausgewiesen. Die positive Fortführungsprognose sei mit Abschluss des Aufhebungsvertrags zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag entfallen. Trotz des damit verbundenen Wegfalls des Verlustausgleichungsanspruchs hätten die Beklagten das Geschäftsmodell der Schuldnerin nicht modifiziert oder Sanierungsmaßnahmen ergriffen. Damit sei die Schuldnerin mit der Aufhebung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags erkennbar in Verluste hineingelaufen.
36Die Beklagten haben entgegnet, Gesellschafterin der Schuldnerin sei vor 2018 S.V. gewesen und danach die Beklagte zu 1). Die Schuldnerin sei weder zum 31.12.2017 noch danach überschuldet gewesen. Drohverlustrückstellungen seien in der Handelsbilanz für 2017 nicht zu bilden gewesen, da eine synallagmatische enge Verbindung zwischen dem Mietvertrag der Schuldnerin mit der O. GmbH und den Untermietverträgen nicht bestanden habe. Letztlich komme es darauf jedoch gar nicht an. Denn selbst wenn eine Rückstellung für drohende Verluste zu bilden gewesen wäre, hätte zum 31.12.2017 noch der Verlustausgleichsanspruch aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gegriffen, der dazu geführt hätte, dass für den gesamten folgenden Zeitraum kein Verlust entstanden wäre. Dabei sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf eine objektiv richtig aufgestellte Handelsbilanz abzustellen. Jedenfalls sei der Vortrag des Klägers zur Höhe der Rückstellung unschlüssig. Es habe eine positive Fortführungsprognose vorgelegen. Die Beklagten hätten positiv in die Zukunft geblickt, da sie immer wieder mit mehreren Mietinteressenten in Kontakt gestanden hätten. Die zukünftige vollständige Vermietung der Restflächen sei zum 31.12.2017 völlig unproblematisch erschienen. Es sei ihnen auch gelungen, zwei neue Mietverträge abzuschließen. Parallel hätten die Beklagten auch mit ihrer Vermieterin seit Ende 2017 immer wieder Gespräche zur Anpassung des Mietvertrags geführt. Der Kläger habe bei der Höhe der Klageforderungen außer Acht gelassen, dass den Zahlungen der Schuldnerin Eingänge aus den Untermietverträgen gegenübergestanden hätten, die verrechnet werden müssten.
37Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagten kein Anspruch aus § 64 S. 1 2. Alt. GmbHG a.F. zu. Der Kläger habe bereits nicht schlüssig dargelegt, dass die Schuldnerin zu den Zeitpunkten der streitgegenständlichen Zahlungen, d. h. im Zeitraum vom 02.01.2018 bis zum 25.09.2019, rechnerisch überschuldet gewesen sei. Zwar gehe der Kläger zutreffend davon aus, dass die Schuldnerin in der Handelsbilanz zum 31.12.2017 gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 2. Alt. HGB eine Drohverlustrückstellung in Höhe der Differenz der zwischen der gegenüber der O. GmbH bis zum nächsten Kündigungstermin geschuldeten Hauptmiete und den aus der Untervermietung jeweils bis zum nächsten Kündigungstermin zu erwartenden Einnahmen hätte bilden müssen. Dennoch sei die Schuldnerin zum 31.12.2017 nicht überschuldet, weil ihr gemäß § 3 des bis zum 31.12.2017 bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit der A. KG gegenüber dieser ein Anspruch auf Übernahme jeglicher Verluste nach Maßgabe des § 302 AktG zugestanden habe. Entgegen der Auffassung des Klägers beschränke sich der Verlustübernahmeanspruch der Schuldnerin gegen die A. KG nicht auf die in dem festgestellten Jahresabschluss zum 31.12.2017 ausgewiesenen Verluste. Unerheblich sei insbesondere, ob dieser Jahresabschluss nach Maßgabe des § 246 Abs. 1 AktG noch anfechtbar sei.
38Ebenso wenig könne anhand des Sachvortrags des Klägers festgestellt werden, dass die Schuldnerin zu irgendeinem bestimmten Zeitpunkt nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, namentlich zum 30.09.2018 oder zum 31.10.2018, rechnerisch überschuldet gewesen sei. Seiner Darlegungslast sei der Kläger mit der Vorlage der Zwischenbilanzen zum 30.09.2018 und 31.10.2018 nicht nachgekommen. Die darin ausgewiesenen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbeträge in Höhe von 115,62 € bzw. 8.005,99 € bildeten die tatsächliche Vermögenslage der Schuldnerin zweifelsfrei nicht zutreffend ab, weil der zum 31.12.2017 entstandene und in der Handelsbilanz zu aktivierende Verlustübernahmeanspruch gegen die A. KG in den Zwischenbilanzen nicht berücksichtigt worden sei. Die Kammer verkenne nicht, dass aufgrund der nach wie vor – allerdings infolge der erhöhten Hauptmiete einerseits und der verbesserten Untermietsituation andererseits in geändertem Umfang – bestehenden Unterdeckung der an die O. GmbH zu zahlenden Hauptmiete durch die Einnahmen aus der Untervermietung auch die gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 2. Alt. HGB zu bildende Drohverlustrückstellung in den Folgebilanzen fortzuschreiben gewesen sein dürfte. Mangels jeglicher Angaben des Klägers zur Höhe – sowohl des Verlustübernahmeanspruchs zum 31.12.2017 als auch der Drohverlustrückstellung zum 30.09.2018 und 31.10.2018 – habe die Kammer indessen nicht festzustellen vermocht, dass das Vermögen der Insolvenzschuldnerin (einschließlich der Forderungen gegen die A. KG) die bestehenden Verbindlichkeiten zu einem der genannten Stichtage nicht mehr deckte.
39Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Rechtsmittel und verfolgt sein erstinstanzliches Ziel weiter. Er beruft sich nunmehr darauf, zum Zeitpunkt der Erstellung der Bilanz zum 31.12.2017 und der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2017 am 28.10.2018 sei nicht bekannt gewesen, in welcher Höhe für die vertraglich vorgesehene Laufzeit des Mietvertrags mit der O. GmbH bis zum 31.12.2034 tatsächlich Verluste entstehen würden, für die eine Rückstellung zu bilden sei. Denn die Höhe der Verluste sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Außerdem habe das Landgericht in seiner rein schematischen Sichtweise nicht berücksichtigt, dass die Beklagten die Insolvenz der Schuldnerin absichtsvoll zum Nachteil der Gläubiger herbeigeführt hätten. Die Beklagten hätten aus eigenem wirtschaftlichem Interesse gehandelt. Sie hätten daher bereits im Jahr 2017 den Entschluss gefasst, zunächst den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aufzuheben. Bei objektiver und völlig unvoreingenommener Betrachtung habe von Beginn an festgestanden, dass durch die (einvernehmliche) Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags eine Insolvenz der Schuldnerin völlig unvermeidlich gewesen sei. Eine Aktivierung eines Anspruches aus einer Drohverlustrückstellung gegenüber der Gesellschafterin sei nicht möglich gewesen, da die Höhe des Anspruchs zum Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2017 aus vielfältigen Gründen nicht bekannt sei.
40Der Kläger beantragt,
41unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 16.01.2024,
421. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 412.131,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.11.2020 zu zahlen;
den Beklagten vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbeitrags an die Masse ihre Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen;
452. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an den Kläger über den Anspruch zu Ziffer 1. hinaus weitere 460.794,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.11.2020 zu zahlen;
dem Beklagten zu 2) vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbeitrags an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.
48Die Beklagten beantragen,
49die Berufung zurückzuweisen.
50Sie verteidigen die Entscheidung des Landgerichts und machen geltend, wenn eine Drohverlustrückstellung zu bilden gewesen wäre, hätte diese bilanzrechtlich auch beziffert werden müssen. Das Gleiche gelte für den Verlustausgleichsanspruch. Sinn und Zweck einer Drohverlustrückstellung sei auch nicht, den Verlust ganz sicher festzustellen. Der Vortrag zur absichtsvollen Herbeiführung der Insolvenz der Schuldnerin sei als neuer Vortrag im Berufungsverfahren präkludiert. Die Aufhebung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags sei – wie sie bereits erstinstanzlich geltend gemacht hätten – steuerlich motiviert gewesen, da ihre neuen steuerrechtlichen Berater erkannt gehabt hätten, dass es an der für die steuerrechtlichen Belange erforderlichen Verbindung der beteiligten Unternehmen gefehlt habe.