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§§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 2, 17 InsO
Zur Feststellung der erkannten Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist es ausreichend, dass der Anfechtungsgegner genügend Umstände kannte, die den zwingenden Schluss auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin zulassen, § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO.
Fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung des Schuldners, zahlungsunfähig zu sein, kommt es auch bei dem zu bewertenden Zahlungsverhalten gegenüber Sozialversicherungsträgern darauf an, ob die gesamten Umstände ein solches Gewicht erreichen, das einer Erklärung des Schuldners gleichsteht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können.
Bezieht sich ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners gegenüber einem Sozialversicherungsträger auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte, kann aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden.
Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO ist der Abschluss der Zahlungsvereinbarung oder die Gewährung der Zahlungserleichterung, Vermutungsfolge die Nichtkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der angefochtenen Handlung. Um die Vermutung zu widerlegen, kann sich der Insolvenzverwalter auf sämtliche Umstände berufen mit Ausnahme der den Vermutungstatbestand bildenden Umstände.
Die Berufung des Klägers gegen das am 07.06.2023 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (13 O 123/22) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
A.
2Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D-GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) anfechtungsrechtliche Rückgewähransprüche in Bezug auf Zahlungen in der Zeit vom 23.10.2013 bis zum 17.07.2017 in Höhe von insgesamt 165.823,59 € gegen die Beklagte als Krankenversicherung früherer Mitarbeiter der Schuldnerin geltend.
3Geschäftsgegenstand der Schuldnerin war die Erbringung von Transport- und Speditionsleistungen. Sie wurde am 14.02.2013 in das Handelsregister eingetragen. Auf die Anträge von anderen Krankenkassen vom 17.10., 11.12. und 21.12.2017 sowie vom
423.02.2018 eröffnete das Amtsgericht Köln mit Beschluss vom 09.04.2018 (72 IN 447/17) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung und ernannte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
5Die Schuldnerin führte seit Januar 2013 bei der Beklagten ein Beitragskonto für mehrere ihrer Mitarbeiter. Dieses wurde von Anbeginn an und ohne Unterbrechung bis zur Beendigung der Geschäftsbeziehung debitorisch geführt. Bereits die ersten drei Monatsbeiträge zahlte die Schuldnerin zunächst nicht. Ab April 2013 leistete die Schuldnerin in unregelmäßigen Abständen immer wieder Beitragszahlungen in unterschiedlicher Höhe, oftmals in Form von Teilzahlungen. Das führte dazu, dass in der Zeit von April 2013 bis September 2017 die am Ende eines jeweiligen Monats offenen Forderungen der Beklagten gegen die Schuldnerin zwischen 5.220,40 € (Ende Februar 2015, höchster offener Betrag) und 1.666,56 € (Ende August 2016, niedrigster offener Betrag) betrugen. Wegen der Einzelheiten der monatlich von der Schuldnerin geschuldeten, von ihr teilweise freiwillig und teilweise – mindestens in Höhe von 93.519,26 € – aufgrund von Pfändungs- und Überweisungsverfügungen der Beklagten geleisteten Beiträge sowie der gegen Ende eines jeweiligen Monats aus Sicht der Beklagten noch offenen Salden wird auf die Buchungsübersicht der Beklagten (Bl. 68 ff. GA-LG) verwiesen. Wegen der Entwicklung des Beitragskontos in der Zeit von Januar 2013 bis Februar 2014 wird ergänzend auf die Übersicht des Klägers in der Berufungsbegründung (Bl. 118 f. GA-OLG) verwiesen. Insgesamt erhielt die Beklagte von dem (einzigen) Geschäftskonto der Schuldnerin bei der T-Bank Überweisungen wegen fälliger Beitragsverbindlichkeiten in der Zeit vom 01.07.2013 bis zum 17.07.2017 in Höhe von 176.640,09 €, die ursprünglich Gegenstand der Klage waren. Wegen der im Einzelnen geleisteten Beträge und des jeweiligen Zahlungsdatums wird auf die Klageschrift, Bl. 51 ff. GA-LG, verwiesen.
6Die Beklagte leitete jedenfalls spätestens dann Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein, wenn die Schuldnerin mit zwei Beitragszeiträumen im Rückstand war. Zwischen dem 04.06.2013 und dem 21.04.2016 erließ die Beklagte gegenüber der T-Bank zehn Pfändungs- und Überweisungsverfügungen wegen Beitragsrückständen (Bl. 165 bis 174 GA-LG):
7Verfügungsdatum |
Zeitraum der nicht abgeführten Sozialabgaben |
Offener Betrag |
|
04.06.2013 |
01.02.2013 – 30.04.2013 |
8.946,58 € |
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21.08.2013 |
01.06.2013 – 31.07.2013 |
7.810,34 € |
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05.06.2014 |
01.03.2014 – 30.04.2014 |
5.354,29 € |
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17.07.2014 |
01.05.2014 – 30.06.2014 |
6.846,13 € |
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25.03.2015 |
01.01.2015 – 28.02.2015 |
8.766,33 € |
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26.05.2015 |
01.03.2015 – 30.04.2015 |
9.533,42 € |
|
24.08.2015 |
01.06.2015 – 31.07.2015 |
9.708,53 € |
|
21.10.2015 |
01.08.2015 – 30.09.2015 |
8.169,80 € |
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25.02.2016 |
01.12.2015 – 31.01.2016 |
7.116,53 € |
|
21.04.2016 |
01.02.2016 – 31.03.2016 |
7.185,74 €. |
Sieben weitere Kontopfändungen erfolgten in der Zeit vom 23.06.2016 bis zum 07.04.2017. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung der Beklagten in dem Schreiben vom 17.07.2020 (Bl. 255 ff. GA-LG) verwiesen. Sämtliche Kontopfändungen wurden von der Schuldnerin innerhalb einer Zeitspanne von maximal fünf Tagen in voller Höhe durch Zahlung erledigt.
9Zwischen dem 17.04.2013 und dem 20.05.2016 verfügte die Beklagte zudem intern zehn Vollstreckungsaufträge wegen Beitragsrückständen:
10Datum Betrag
1117.04.2013 9.408,04 €
1220.08.2014 3.636,06 €
1318.09.2014 3.988,97 €
1420.10.2014 4.195,56 €
1521.04.2015 4.840,37 €
1620.05.2015 9.507,42 €
1720.07.2015 8.315,20 €
1827.01.2016 3.372,65 € 23.03.2016 4.114,34 €
1920.05.2016 4.031,90 €.
20Die jeweiligen Gesamtbeträge setzten sich aus den jeweiligen Rückständen, dem vorhergehenden Saldo, Säumniszuschlägen sowie Mahn- und Vollstreckungskosten zusammen (Bl. 155 bis 164 GA-OLG).
21Ein am 26.04.2013 erfolgter Pfändungsversuch in den Betriebsstätten der Schuldnerin wegen rückständiger Beiträge aus der Zeit ab Januar 2013 in Höhe von 9.408,04 € blieb erfolglos. Die Schuldnerin gab in diesem Zusammenhang keine Auskunft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse. Erfolglose Vollstreckungsversuche durch die Beklagte in den Geschäftsräumen der Klägerin erfolgten ferner am 30.10.2014 wegen rückständiger Beiträge für August und September 2014 in Höhe von 4.195,56 €, am 12.02.2016 wegen rückständiger Beiträge für Dezember 2015 in Höhe von 3.372,69 €, am 11.04.2016 wegen rückständiger Beiträge für Februar 2016 in Höhe von 4.114,34 € und am 10.06.2016 wegen rückständiger Beiträge für April 2016 über 4.031,90 €.
22Mit Schreiben vom 27.08.2013 wandte sich der Geschäftsführer der Schuldnerin an die Beklagte und teilte u.a. mit: „[…] Ich würde gerne die Pfändung in Höhe von 7.810,34 € in 6 Raten bezahlen, vorab werde ich 3.500,00 € überweisen, so dass der Restbetrag noch 4.310,00 € ist. Ich würde gerne ab dem 20.09.2013 6 Raten à 720,00 € zahlen. […]“. Die in dem Schreiben genannten 3.500,00 € zahlte die Schuldnerin am 29.08.2013, die sechs Raten über je 720,00 € zahlte sie am 30.09., 23.10.,
2327.11.2013 sowie am 13.02. (2x 720,00 €) und am 06.03.2014.
24Die Beklagte mahnte mit Schreiben vom 22.10.2013 den Ausgleich einer Zahlungsvereinbarung betreffend die Beiträge für September 2013 in Höhe von 3.121,94 € an: „[…] Zur Vermeidung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen bitten wir Sie dringend, die vereinbarte Ratenzahlungsvereinbarung und die Zahlung der lfd. Beiträge einzuhalten. Bitte zahlen Sie den fehlenden Gesamtbetrag in Höhe von 3.121,94 € bis zum 31.10.2013. […]“. Die Zahlungen erfolgten in zwei Teilen am 05.11.2013 (2.121,94 €) und am 11.11.2013 (1.000 €).
25Mit Schreiben vom 25.04.2014 forderte die Beklagte die Schuldnerin zur Einhaltung einer weiteren bis dahin nicht eingehaltenen Ratenzahlungsvereinbarung auf und drohte die Zwangsvollstreckung an.
26Die Beklagte erteilte der Schuldnerin ferner Zahlungsaufforderungen mit Schreiben vom 26.03.2014 über 7.406,70 €, vom 24.09.2015 über 4.370,67 € und vom 10.03.2016 über 5.207,85 €.
27Auch andere Gläubiger wie das Finanzamt und andere Sozialversicherungsträger pfändeten seit August 2013 in das Geschäftskonto der Schuldnerin. Bis Mai 2017 gelang es der Schuldnerin, die jeweilige Forderung innerhalb von maximal fünf Tagen zu begleichen. Danach wurden die Geschäftsbeziehungen beendet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 7 (Bl. 87 ff. GA-LG) verwiesen. Die Beitragskonten der Schuldnerin bei der M-Krankenkasse, der E-Krankenkasse und der C-Krankenkasse wiesen seit Januar 2013 bzw. Januar 2014 bzw. April 2014 einen Debetsaldo aus.
28Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 15.07.2020 zur Zahlung von 176.640,09 € bis zum Ablauf des 14.08.2020 auf. Dem trat die Beklagte mit Schreiben vom 17.07.2020 entgegen und lehnte eine Zahlung ab.
29Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei seit dem 01.07.2013 bzw. seit dem 23.10.2013, jedenfalls seit dem 31.12.2013 zahlungsunfähig bzw. insolvenzreif gewesen. Das folge daraus, dass das Beitragskonto der Schuldnerin bei der Beklagten von Beginn an debitorisch geführt worden sei und die Beklagte am 26.04.2013 einen erfolglosen Pfändungsversuch in den Betriebsstätten der Schuldnerin durchgeführt habe. Auch weitere Indizien, wie die erfolglosen Vollstreckungsversuche vom 30.10.2014, 12.02.2016, 11.04.2016 und 10.06.2016, die zehn intern verfügten Vollstreckungsaufträge sowie die zehn Pfändungs- und Überweisungsverfügungen, die notwendig gewesen seien, um die Beitragsrückstände jeweils zu begleichen, sprächen für die Zahlungseinstellung. Zahlungen seien nur unter Mahn- und Vollstreckungsdruck erfolgt. Für die Zahlungseinstellung sprächen auch die dauernde schleppende Zahlungsweise der Schuldnerin, die nicht eingehaltene Ratenzahlungsvereinbarung und die Vielzahl an Mahnungen, die die Beklagte habe aussprechen müssen, sowie die zahlreichen Teilzahlungen. Schon im Gründungsjahr habe die Schuldnerin einen Verlust über 75.912,05 € erwirtschaftet. Das habe sich in den Folgejahren fortgesetzt. Sämtliche angefochtenen Zahlungen seien von der Schuldnerin selbst angewiesen und nicht von der Bank ohne vorherige Abstimmung mit der Schuldnerin selbständig vorgenommen worden. Zum Zeitpunkt der jeweiligen Zahlungen habe das Geschäftskonto der Schuldnerin keinen positiven Tagessaldo aufgewiesen; die Zahlungen seien zunächst aus einer geduldeten Kontoüberziehung, einer ab 2014 konkludent eingeräumten Kreditlinie und ab Mai/Juni 2015 aus einem Kontokorrentkredit erfolgt. Die Zahlungen würden die anderen Gläubiger benachteiligen. Die Schuldnerin habe diese mit dem Vorsatz vorgenommen, die anderen Gläubiger zu benachteiligen. Dies habe die Beklagte erkannt.
30Die Beklagte hat behauptet, bei den Leistungen auf die Kontopfändungen in Höhe von 93.519,26 € habe es sich nicht um Überweisungen im Kundenauftrag gehandelt. Sie hat daher die Ansicht vertreten, dass die für eine Anfechtung erforderlichen Rechtshandlungen der Schuldnerin nicht vorlägen, ihr ein Absonderungsrecht gemäß § 50 Abs. 1 InsO an dem gepfändeten Kontoguthaben zustünde und deshalb auch keine Gläubigerbenachteiligung gegeben sei.
31Der Kläger hat ursprünglich die Zahlung von 176.640,09 € begehrt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 22.06.2022 hat er die Klage in Höhe von
3210.816,50 € wegen der in der Zeit vom 01.07. bis zum 30.09.2013 vorgenommenen Zahlungen zurückgenommen.
33Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.
34Mit Urteil vom 07.06.2023 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und einen Rückzahlungsanspruch des Klägers aus Vorsatzanfechtung gegen die Beklagte mit der Begründung verneint, dass aus dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber der Beklagten nicht mit hinreichender Gewissheit auf eine Zahlungseinstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen werden könne. Daher könne auch nicht von einer Kenntnis der Beklagten von einem – unterstellten – Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin ausgegangen werden. Auch beim Zahlungsverhalten gegenüber Sozialversicherungsträgern komme es darauf an, ob die gesamten Umstände ein solches Gewicht erreichten, das einer Erklärung des Schuldners gleichstehe, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können. So könne ein Rückstand von mehr als vier vollen Monatsbeiträgen bei einem einzigen Sozialversicherungsträger die Zahlungseinstellung begründen. Bei der Würdigung des Zahlungsverhaltens seien jedoch auch Ausmaß und Entwicklung des Rückstandes im Verhältnis zum späteren Anfechtungsgegner mit in den Blick zu nehmen. Wenn sich das Zahlungsverhalten eines Schuldners in der Folge nicht wesentlich verändert habe, verliere es seine Bedeutung für die Annahme einer später zutage getretenen Zahlungseinstellung. Beziehe sich ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt habe, könne aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden.
35Dass ein Rückstand von mehr als vier vollen Monatsbeiträgen bei der Beklagten aufgelaufen wäre, habe der Kläger nicht vorgetragen. Es gehe vielmehr um eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise mit Rückständen von jeweils nicht mehr als vier vollen Monatsbeiträgen. Zwar träten in Form der Vollstreckungsversuche Umstände hinzu, die in Verbindung mit einer derartigen schleppenden Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen grundsätzlich geeignet seien, eine Zahlungseinstellung zu begründen. Jedoch seien derartige Umstände in Verbindung mit einer dauerhaft schleppenden Zahlungsweise bereits vor dem 01.07.2013 eingetreten, also zu einer Zeit, als die
36Schuldnerin unstreitig noch zahlungsfähig gewesen sei. In den Monaten Januar bis
37Juni 2013 seien bereits fortlaufend Zahlungsrückstände aufgelaufen, die mit den ab Juli 2013 weiterhin fortlaufend aufgelaufenen Zahlungsrückständen ohne weiteres vergleichbar seien. Zu einem sprunghaften Anstieg sei es nicht gekommen. Auch Vollstreckungsdruck habe es schon vor dem 01.07.2013 gegeben. Bereits am 26.04.2013 sei ein Pfändungsversuch in den Betriebsstätten der Schuldnerin wegen rückständiger Beiträge in Höhe von 9.408,04 € erfolgt. Am 04.06.2013 habe die Beklagte gegen die Schuldnerin wegen der Beiträge für den Zeitraum 01.02.2013 – 30.04.2013 eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung in Höhe von 8.946,58 € erlassen. Die weiteren Vollstreckungsversuche nach dem 01.07.2013 hätten vergleichbare Beträge zum Gegenstand gehabt. Es sei nicht ersichtlich, dass es am bzw. nach dem 01.07.2013 oder am bzw. nach dem 23.10.2013 zu nennenswerten Änderungen gekommen wäre. Mit der Ratenzahlungsbitte vom 27.08.2013 habe die Schuldnerin nicht die Erklärung verbunden, zur Zahlung nicht in der Lage zu sein. Auch die weitere Korrespondenz mit Zahlungserinnerungen der Beklagten und der Ankündigung von Teilzahlungen durch die Schuldnerin änderten nichts daran, dass es um eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise der Schuldnerin und als Reaktion hierauf um fortgesetzten Vollstreckungsdruck der Beklagten gehe, die bereits eingesetzt hätten, bevor die Schuldnerin nach der Behauptung des Klägers zahlungsunfähig geworden sei.
38Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt. Er macht geltend, das Landgericht habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Es liege eine Überraschungsentscheidung vor, weil das Landgericht noch in der Verhandlung am 30.11.2022 mitgeteilt habe, dass jedenfalls für die Zahlungen ab dem 23.10.2013 von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und von deren Erkennbarkeit für die Beklagte auszugehen sei. Auch habe es anderweitige Hinweise zu den einzelnen Kontopfändungen und der Frage der Gläubigerbenachteiligung erteilt. Tatsächlich sei die Zahlungseinstellung der Schuldnerin zum 23.10.2013 anhand diverser starker Indizien abzuleiten, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit für die Beklagte erkennbar keine andere Schlussfolgerung zugelassen hätten, als dass die Schuldnerin ihre Zahlungen zu diesem Zeitpunkt eingestellt habe. Anzuführen seien insoweit die von Anbeginn der Vertragsbeziehung bestehenden, dauerhaften Rückstände des Beitragskontos trotz Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die seit Anbeginn vorgenommenen erfolglosen Vollstreckungsversuche an der Betriebsstätte der Schuldnerin sowie die von der Beklagten erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusse noch vor dem 23.10.2013. Das Landgericht verkenne die Indizwirkung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen, der Beitragsrealisierung durch Vollstreckungsdruck, der erfolglosen Vollstreckungsversuche, der Ratenzahlungsbitte des Geschäftsführers der Schuldnerin mit Schreiben vom 27.08.2013 sowie der Nichteinhaltung der Ratenzahlungsvereinbarung. So seien die von dem Geschäftsführer versprochenen Raten über 720,00 € jeweils nur mit erheblichem Verzug und unter erneuter Androhung der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung geleistet worden.
39Er beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 07.06.2023 (13 O 123/22) die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 165.823,59 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.08.2020 zu zahlen.
40Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
41Sie verteidigt die Ausführungen des Landgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend. Das Landgericht habe die einschlägige neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere die Urteile vom 10.02.2022 (IX ZR 148/19) und vom 28.04.2022 (IX ZR 48/21), berücksichtigt und die Gesamtumstände zutreffend gewürdigt.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
43B.
44Die zulässige Berufung des Klägers hat aus den in der Senatssitzung am 18.01.2024 eingehend erörterten Gründen keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil enthält weder Rechtsverletzungen im Sinne von § 546 ZPO, die sich zu Lasten des Klägers ausgewirkt haben, noch rechtfertigen die vom Senat nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Sachentscheidung, § 513 ZPO.
45I.
46Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 und Abs. 2 InsO i.V.m. § 818 BGB auf Rückgewähr der von der Schuldnerin an die Beklagte in der Zeit vom 23.10.2013 bis zum 17.07.2017 geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 165.823,59 € verneint.
47Nach § 133 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 und Abs. 2 InsO in der hier gemäß Art. 103j Abs. 1 EGInsO anwendbaren Fassung vom 05.04.2017 ist eine Rechtshandlung, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar, wenn der Schuldner sie in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird bei kongruenten Deckungsgeschäften nach § 133 Abs. 3 S. 1 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingetreten war und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
48Das Landgericht ist – auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens und der Rechtsausführungen des Klägers in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.01.2024 – zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass aus dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber der Beklagten bei der nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebotenen Gesamtwürdigung schon nicht mit hinreichender Gewissheit auf eine Zahlungseinstellung und damit auf eine vermutete Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum 01.07.2013, zum 23.10.2013 oder zu sonst einem späteren Zeitpunkt der jeweils vorgenommenen Zahlungen geschlossen werden kann. Bereits aus diesem Grund lässt sich die Kenntnis der Beklagten hiervon nicht sicher feststellen. Darüber hinaus fehlt es auch an hinreichendem Vortrag des Klägers dazu, dass die Schuldnerin im jeweiligen Zahlungszeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, ihre (übrigen) Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können.
491. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für den in § 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bedingter Vorsatz. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sind allerdings innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung können daher in aller Regel nur mittelbar aus objektiven (Hilfs-) Tatsachen hergeleitet werden (BGH, Urt. v. 07.12.2023 – IX ZR 36/22, Rn. 40; Urt. v.
5028.04.2022 – IX ZR 48/21, Rn. 12; Urt. v. 10.02.2022 – IX ZR 148/19, Rn. 9 f.; Urt. v.
5106.05.2021 – IX ZR 72/20, Rn. 11; Urt. v. 14.07.2016 – IX ZR 188/15, Rn. 12). Es ist Aufgabe des Tatrichters, die ihm unterbreiteten Hilfstatsachen gemäß § 286 ZPO auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der mündlichen Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme umfassend und widerspruchsfrei zu würdigen. Dabei hat er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den für und gegen den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis von diesem sprechenden Beweisanzeichen zu berücksichtigen. Die einzelnen mehr oder weniger gewichtigen Beweisanzeichen dürfen dabei nicht schematisch im Sinne einer von dem anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden (BGH, Urt. v. 07.12.2023, a.a.O., Rn. 42; Urt. v. 13.10.2022 – IX ZR 130/21, Rn. 10; Urt. v. 06.05.2021, a.a.O., Rn. 11 f.; Urt. v.
5206.07.2017 – IX ZR 178/16, Rn. 12 jeweils m.w.N.).
53Bei der Anfechtung kongruenter Deckungen kann zudem der Benachteiligungsvorsatz nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr allein darauf gestützt werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig ist. In diesen Fällen ist für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz von entscheidender Bedeutung, dass der Schuldner weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, dass er seine (übrigen) Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen können wird. Dies kann aus der im Moment der Rechtshandlung gegebenen Liquiditätslage nicht in jedem Fall mit hinreichender Gewissheit abgeleitet werden. Die gegenwärtige Zahlungsunfähigkeit allein spricht für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn sie ein solches Ausmaß angenommen hat, das eine vollständige Befriedigung der übrigen Gläubiger auch in Zukunft nicht zu erwarten ist, etwa deshalb, weil ein Insolvenzverfahren unausweichlich erscheint. Ist die Krise noch nicht so weit fortgeschritten oder besteht aus anderen Gründen berechtigte Hoffnung auf Besserung, genügt der Blick auf die momentane Liquiditätslage nicht für eine iSd § 286 ZPO sichere Überzeugung (BGH, Urt. v.
5407.12.2023, a.a.O., Rn. 46; Urt. v. 28.04.2022, a.a.O., Rn. 14 f.; Urt. v. 06.05.2021,
55a.a.O., Rn. 36). Hatte die Deckungslücke ein Ausmaß erreicht, das selbst bei optimistischer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung in absehbarer Zeit keine vollständige Befriedigung der bereits vorhandenen und der absehbar hinzutretenden Gläubiger erwarten ließ, musste dem Schuldner klar sein, dass er nicht einzelne Gläubiger befriedigen konnte, ohne andere zu benachteiligen. Befriedigt er in dieser Lage einzelne Gläubiger, handelt er deshalb mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz (BGH, Urt.
56v. 03.03.2022 – IX ZR 78/20, Rn. 23, 75; Urt. v. 06.05.2021, a.a.O., Rn. 46). Besteht demgegenüber – abhängig vom Ausmaß der bestehenden Deckungslücke und der aus objektiver Sicht erwartbaren und vom Schuldner erkannten Entwicklung – Aussicht auf nachhaltige Beseitigung der gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit, darf der Schuldner grundsätzlich davon ausgehen, dass ihm der hierfür erforderliche Zeitraum verbleibt. Der Schuldner handelt in einem solchen Fall nur dann mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er einen Zeitraum in seine Überlegungen einbezieht, der ihm unter Berücksichtigung des Verhaltens seiner übrigen Gläubiger ersichtlich nicht zur Verfügung steht (BGH, Urt. v. 28.04.2022, a.a.O., Rn. 14 f.; Urt. v. 03.03.2022, a.a.O., Rn. 23).
57Darlegungs- und beweisbelastet für die tatsächlichen Umstände, die über die erkannte Zahlungsunfähigkeit hinaus für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erforderlich sind, ist der Insolvenzverwalter. Dies gilt auch, soweit es sich – wie etwa bei dem Umstand, dass keine begründete Aussicht auf Beseitigung der Illiquidität bestand – um negative Tatsachen handelt (BGH, Urt. v. 05.06.2021, a.a.O., Rn. 48).
582. Nach diesen Grundsätzen ist nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden Indizien nicht von einer Kenntnis der Beklagten von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin auszugehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Indizien rechtfertigen, soweit sie der Beklagten bekannt waren, schon nicht die sichere Annahme, dass die Beklagte die etwaige Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hinsichtlich der im Zeitraum vom 23.10.2013 bis zum 17.07.2017 an sie erbrachten Zahlungen erkannt hat.
59Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH, Urt. v. 06.05.2021, a.a.O., Rn. 14). Insoweit ist es ausreichend, dass der Anfechtungsgegner genügend Umstände kannte, die den zwingenden Schluss auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin zulassen (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO). Solche Umstände kannte die Beklagte zu den nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkten der jeweiligen Zahlungen der Schuldnerin indes nicht.
60a) Entscheidend ist die am Beweismaß des § 286 ZPO zu messende, in umfassender und widerspruchsfreier Würdigung des Prozessstoffs zu gewinnende Überzeugung, der Schuldner könne aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht zahlen. Eine besonders aussagekräftige Grundlage für diese Überzeugung ist die eigene Erklärung des Schuldners. Erklärt der Schuldner, eine fällige und nicht unbeträchtliche Verbindlichkeit binnen dreier Wochen nicht – und zwar auch nicht nur ratenweise – begleichen zu können, wird in aller Regel von einer Zahlungseinstellung des Schuldners im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung auszugehen sein. Dies gilt erst recht, wenn der Schuldner darüber hinaus ausdrücklich erklärt, zahlungsunfähig zu sein (BGH, Urt. v. 10.02.2022, a.a.O., Rn. 22; Urt. v. 06.05.2021, a.a.O., Rn. 41). Fehlt es an einer (ausdrücklichen) Erklärung des Schuldners, müssen die für eine Zahlungseinstellung sprechenden Umstände ein dieser Erklärung entsprechendes Gewicht erreichen.
61Zahlungsverzögerungen allein, auch wenn sie wiederholt auftreten, reichen für eine Zahlungseinstellung häufig nicht. Es müssen dann Umstände hinzutreten, die mit hinreichender Gewissheit dafürsprechen, dass die Zahlungsverzögerung auf fehlender Liquidität des Schuldners beruht. Solche Umstände können darin zu sehen sein, dass der Schuldner Forderungen solcher Gläubiger nicht begleicht, auf deren (weitere) Leistungserbringung er zur weiteren Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs angewiesen ist. Ferner können der Mahn- und / oder Vollstreckungsdruck des Gläubigers der Zahlungsverzögerung ein größeres Gewicht verleihen.
62Auch beim Zahlungsverhalten gegenüber Sozialversicherungsträgern kommt es darauf an, ob die gesamten Umstände ein solches Gewicht erreichen, das einer Erklärung des Schuldners gleichsteht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können. Die mehr als halbjährige Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen bildet nach ständiger Rechtsprechung ein erhebliches Beweisanzeichen für eine Zahlungseinstellung (BGH, Urt. v. 28.04.2022, a.a.O., Rn. 31; Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 143/12, Rn. 12, jeweils m.w.N.), das den Schluss allein tragen kann. Auch eine mehrmonatige – nicht notwendig sechsmonatige – Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann geeignet sein, eine Zahlungseinstellung nahezulegen, weshalb ein Rückstand von mehr als vier vollen Monatsbeiträgen bei einem einzigen Sozialversicherungsträger die Zahlungseinstellung begründen kann (BGH, Urt. v. 28.04.2022,
63a.a.O., Rn. 31 m.w.N.). Entrichtet der Schuldner die Sozialversicherungsbeiträge fortlaufend mit einer Verzögerung von zwei bis drei Monaten, kommt es regelmäßig darauf an, ob weitere für eine Zahlungseinstellung sprechende Umstände vorliegen (BGH, Urt. v. 28.04.2022, a.a.O., Rn. 32; Beschl. v. 05.02.2015 – IX ZR 79/13, Rn. 2). Jedenfalls haben durchgängig um einen Monat verspätete Zahlungen, auch wenn es sich um ein Indiz für eine Zahlungseinstellung handelt, allein keine ausreichende Aussagekraft, um den Schluss auf eine Zahlungseinstellung ziehen zu können (BGH, Urt. v. 07.11.2013 – IX ZR 49/13, Rn. 12 ff.). In diesen Fällen müssen zum Beitragsrückstand weitere auf eine Zahlungseinstellung deutende Indizien hinzutreten, so etwa wenn der Sozialversicherungsträger Beitragszahlungen des Schuldners nur unter Anwendung von Vollstreckungsdruck erwirken kann (BGH, Urt. v. 31.10.2019 – IX ZR 170/18, Rn. 13). Dabei hat die Würdigung jedoch auch das Ausmaß und die Entwicklung des Rückstandes im Verhältnis zum späteren Anfechtungsgegner mit in den Blick zu nehmen (BGH, Urt. v. 28.04.2022, a.a.O., Rn. 32; Urt. v. 17.06.2010 – IX ZR 134/09, Rn. 9). Bezieht sich insbesondere ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte, kann aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden (BGH, Urt. v. 28.04.2022, a.a.O., Rn. 32; Urt. v. 10.02.2022, a.a.O., Rn. 27).
64Ein schematisches Vorgehen verbietet sich auch hier. Maßgebend ist, dass die zusätzlichen Umstände im konkreten Einzelfall ein Gewicht erreichen, das der Erklärung des Schuldners entspricht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können (BGH, Urt. v. 28.04.2022, a.a.O., Rn. 29; Urt. v. 06.05.2021, a.a.O., Rn. 41).
65b) Gemessen daran kann in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht sicher festgestellt werden, dass die Beklagte zu einem der nach § 140 InsO maßgeblichen Zahlungszeitpunkte die mögliche Zahlungseinstellung der Schuldnerin erkannt hat.
66aa) Hinreichend aussagekräftige und für die Beklagte erkennbare Indizien für eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin zum 01.07.2013 – das Datum, zu dem der Kläger erstinstanzlich erstmals die Zahlungseinstellung behauptet hatte – liegen nicht vor.
67(1) Eine ausdrückliche Erklärung, nicht mehr zahlungsfähig zu sein, hat die Schuldnerin gegenüber der Beklagten bis zum 01.07.2013 nicht abgegeben. Insbesondere kann der Kläger hierfür nicht das Vollstreckungsprotokoll vom 26.04.2013 (Bl. 144 f. GA-LG) anführen. Dieses Protokoll enthält weder die ausdrückliche oder konkludente Erklärung der Schuldnerin, zahlungsunfähig zu sein, noch kommt seinem Inhalt im Übrigen eine besonders gewichtige Indizwirkung zu, die über diejenige hinausginge, die bereits von dem dem Protokoll zugrundeliegenden erfolglosen Vollstreckungsversuch am 26.04.2013 ausgeht. Die Schuldnerin hat entgegen der Darstellung des Klägers in dem Protokoll nicht angegeben, über keinerlei Vermögen zu verfügen. Der Gerichtsvollzieher hat lediglich bestätigt, in den zum Geschäftslokal gehörenden Räumen keine pfändbaren Sachen gefunden zu haben. Weitere Angaben hat die Schuldnerin ausdrücklich nicht getätigt, da auf Seite 2 des Protokolls ab dem dritten Abschnitt der Vordruck mit der Anmerkung „Keine Angaben“ durchgestrichen wurde. Zudem befinden sich an dieser Stelle – mit Ausnahme der Fragen, ob Miet- und Pachtansprüche sowie sonstige Forderungen gegen Dritte bestehen – keine auf juristische Personen zugeschnittenen Fragen. Ein zahlungsunwilliger Schuldner wird allerdings regelmäßig nicht geneigt sein, freiwillig Angaben zu etwaigen weiteren Vermögenswerten zu tätigen, da er sein etwaiges weiteres Vermögen vor dem Zugriff des Gläubigers schützen möchte. Dementsprechend besteht kein Anlass anzunehmen, die Beklagte habe die Angaben in dem Protokoll anders gewertet als dahingehend, dass die Schuldnerin die Auskunft über weitere Vermögenswerte verweigere.
68(2) Auch im Übrigen liegen zum 01.07.2013 keine für die Beklagte erkennbaren Umstände vor, die das Gewicht einer Erklärung, zahlungsunfähig zu sein, erreichen würden.
69(aa) In die Betrachtung ist zwar einzubeziehen, dass die Schuldnerin regelmäßig bis Juli 2013 – sowie sodann fortlaufend bis Juli 2017 – mit der Begleichung ihrer Mitgliedsbeiträge in Verzug geriet und schon in den Monaten Januar bis März 2013 zunächst keine Mitgliedsbeiträge an die Beklagte geleistet hatte. Ferner ist im Grundsatz nicht zu verkennen, dass ein Schuldner Sozialversicherungsbeiträge typischerweise nur dann nicht bei Fälligkeit ausgleicht, wenn die erforderlichen Geldmittel hierfür nicht vorhanden sind, weil deren Nichtzahlung nach § 266a StGB zum Teil strafbewehrt ist. Ihrer Nichtzahlung kommt daher regelmäßig ein besonderes Gewicht zu. Darüber hinaus hat die Beklagte am 26.04.2013 nach dem Auftrag vom 17.04.2013 einen ersten erfolglosen Pfändungsversuch über 9.408,04 € bei der Schuldnerin unternommen und am 04.06.2013 die erste Pfändungs- und Überweisungsverfügung über 8.946,58 € hinsichtlich der Beitragsrückstände für Februar bis April 2013 in das Geschäftskonto der Schuldnerin bei der T-Bank verfügt.
70(bb) Diese Indizien, die oftmals für eine Zahlungseinstellung sprechen können, werden indes vorliegend durch die weiteren Umstände derart relativiert, dass die Beklagte nicht mit hinreichender Gewissheit auf eine Zahlungseinstellung schließen musste.
71Ihnen steht namentlich gegenüber, dass die Schuldnerin zum 01.01.2013 ihr Beitragskonto überhaupt erst eröffnet hatte und selbst erst im Jahr 2013 gegründet worden war. Aus Sicht der Beklagten kamen deshalb insbesondere für die ersten drei zunächst nicht geleisteten Monatsbeiträge Anlaufschwierigkeiten der Schuldnerin und nicht eine unmittelbar mit der Geschäftsaufnahme eingetretene Zahlungsunfähigkeit als mögliche Gründe für die unterbliebenen Zahlungen in Betracht. Auch der Kläger behauptet eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin frühestens zum 01.07.2013.
72Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Schuldnerin zwar von Beginn der Geschäftsbeziehung an regelmäßig und fortlaufend mit den Mitgliedsbeiträgen in Verzug geriet, diese jedoch zu keinem Zeitpunkt vollständig schuldig blieb. Ausweislich des Beitragskontos der Beklagten schob sie von Mai 2013 bis Juli 2017 eine gegen Ende des jeweiligen Monats bestehende Zahllast zwischen 5.220,40 € und 1.666,56 € vor sich her, die sie regelmäßig durch Teilzahlungen in diesen Grenzen hielt. Es lag also – wie vom Landgericht zutreffend angenommen – eine im Wesentlichen von Beginn an gegebene schleppende, aber dauerhaft gleichbleibende Zahlungsweise vor. Auch auf die Vollstreckungsmaßnahmen der Beklagten erfolgten regelmäßig Zahlungen in kurzen Zeiträumen, die nicht länger als fünf Tage betrugen. Insoweit bestand zwar Vollstreckungsdruck, jedoch auch der berechtigte Eindruck auf Seiten der Beklagten, die Schuldnerin könne ihre Schulden dennoch immer wieder begleichen.
73Es häuften sich auch zu keinem Zeitpunkt größere Forderungen an, etwa Rückstände von vier Monaten im Sinne der oben genannten Rechtsprechung. Ab Mai 2013 betrugen die Rückstände ausweislich der von der Beklagten erlassenen Pfändungs- und Überweisungsverfügungen regelmäßig nicht mehr als zwei Monatsbeiträge, da die Beklagte nach diesem Zeitraum regelmäßig vollstreckte und die Schuldnerin spätestens binnen weiterer fünf Tage bezahlte.
74Entscheidend werden die für eine Zahlungseinstellung sprechenden Indizien schließlich dadurch entkräftet, dass sie sich sowohl vor als auch nach dem von dem Kläger behaupteten Zeitpunkt der Zahlungseinstellung am 01.07.2013 gleich darstellen. Das im Wesentlichen gleichbleibende Zahlungsverhalten der Schuldnerin lag bereits zu Beginn der Geschäftsbeziehung vor. Auch der Vollstreckungsdruck war bereits zu einem Zeitpunkt gegeben, zu dem die Schuldnerin ihre Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte. Bezieht sich aber ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte, kann aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden (BGH, Urt. v. 28.04.2022, a.a.O., Rn. 32; Urt. v. 10.02.2022, a.a.O., Rn. 27). Darauf hat das Landgericht zu Recht seine Entscheidung gestützt, ohne dass sich der Kläger in der Berufung mit diesem Umstand näher auseinandergesetzt hätte. Auch in der Berufung hat er einen konkreten Anlass, aus dem die Beklagte mit Gewissheit auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin gerade zum 01.07.2013 hätte schließen können, nicht vorgetragen, noch ist er sonst ersichtlich. Nach dem Berufungsvorbringen, das auf den 01.07.2013 gar nicht mehr abstellt, soll erst zum 23.10.2013 die Zahlungseinstellung vorgelegen haben. Erstinstanzlich war zudem davon die Rede, dass die Schuldnerin jedenfalls zum 31.12.2013 insolvenzreif gewesen sei. Damit vermag der Kläger letztlich keine Gründe anzugeben, warum eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin bei durchgängig nahezu gleichem schleppendem Zahlungsverhalten unter Vollstreckungsdruck der Beklagten vor und nach der mutmaßlichen Zahlungseinstellung für diese – zu welchem Zeitpunkt auch immer – erkennbar gewesen sein soll.
75(cc) Ohne Erfolg wendet der Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 23.01.2024 ein, eine besondere Indizwirkung komme dem Umstand zu, dass die streitgegenständlichen Zahlungen inkongruent gewesen seien; die Inkongruenz folge daraus, dass sämtliche Zahlungen unter dem permanenten Vollstreckungsdruck der Beklagten erfolgt seien.
76Allerdings kann für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners die Inkongruenz der Leistung bei gleichzeitig beengten finanziellen Verhältnissen sprechen. Hieran hat die Neuausrichtung der Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung nichts geändert (BGH, Urt. v. 23.06.2022 – IX ZR 75/21, Rn. 40; Urt. v. 06.05.2021, a.a.O., Rn. 32). Die Gewährung einer inkongruenten Deckung ist ein eigenständiges Beweisanzeichen, das schon dann zu berücksichtigen ist, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln (BGH, Urt. v.
7706.05.2021, a.a.O., Rn. 32). Die Inkongruenz der Leistung kann damit auch ein Beweisanzeichen für die Kenntnis auf Seiten des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sein (BGH, Urt. v. 09.06.2016 − IX ZR 153/15, Rn. 46; K. Schmidt InsO/Ganter/Weinland, 20. Aufl. 2023, § 133 Rn. 89 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für die Inkongruenz trägt der Insolvenzverwalter (BGH, Urt. v. 23.06.2022, a.a.O., Rn. 42)
78Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht gegeben, weil hinsichtlich der von dem Kläger im Zeitraum vom 23.10.2013 bis zum 17.07.2017 geltend gemachten Zahlungen eine inkongruente Deckung nicht gegeben ist. Eine im Wege der Zwangsvollstreckung oder unter Vollstreckungsdruck erlangte Befriedigung ist nur dann inkongruent, wenn die Zahlung innerhalb des Dreimonatszeitraums des § 131 InsO erbracht wurde. Außerhalb des Dreimonatszeitraums ist sie kongruent (BGH, Urt. v. 22.06.2017 – IX ZR 111/14 Rn. 20; BGH, Urt. v. 27.05.2003 – IX ZR 169/02, NZI 2003, 533, 534
79a.E.; Ganter/Weinland, a.a.O., § 133 Rn. 52, 49, § 131 Rn. 37; Borries/Hirte/Uhlenbruck, InsO, 15. Auf. 2019, § 133 Rn. 110, jeweils m.w.N.). Die streitgegenständlichen Zahlungen erfolgten alle außerhalb des Dreimonatszeitraums. Der erste Insolvenzantrag wurde am 17.10.2017 gestellt.
80Aus diesem Grund ist auch eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO aufgrund des Vorbringens des Klägers im Schriftsatz vom 23.01.2024 nicht veranlasst.
81bb) Aus den im Wesentlichen selben Gründen bestanden auch zum 23.10.2013 keine für die Beklagte hinreichend erkennbaren Indizien, die den sicheren Schluss auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt zuließen.
82(1) Es liegen hier ebenfalls keine ausdrücklichen Erklärungen der Schuldnerin vor, zahlungsunfähig zu sein. Insbesondere ist eine solche Erklärung nicht in der Ratenzahlungsbitte vom 27.08.2013 zu sehen. Dem Schreiben vom 27.08.2013 (Bl. 175 GALG) ist zu entnehmen, dass der Schuldnerin die von ihr vorgeschlagene Ratenzahlungsvereinbarung gelegen käme, weil sie sich davon die Aufhebung der Pfändung versprach. Nähere Angaben, insbesondere zu einer möglichen Zahlungsunfähigkeit, machte sie demgegenüber nicht.
83(2) Auch der Ratenzahlungsbitte und dem anschließenden Zahlungsverhalten der
84Schuldnerin kommt vor dem Hintergrund des der Beklagten bis dahin bekannten, gleichbleibend schleppenden Zahlungsverhaltens der Schuldnerin, die auch in der Vergangenheit zu Zeiten unstreitig noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit teilweise nur unter Vollstreckungsdruck gezahlt hatte, keine hinreichende Indizwirkung für die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu.
85Zugunsten der Beklagten streitet die Vermutung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO, die der insoweit darlegungs- und beweisbelastete (Ganter/Weinland, a.a.O., § 133 Rn. 128
86m.w.N.) Kläger nicht widerlegt hat. Die Norm enthält die widerlegliche gesetzliche Vermutung dahingehend, dass der andere Teil, der mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder eine Zahlungserleichterung gewährt hat, keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der Handlung hatte. Vermutungstatbestand ist der Abschluss der Zahlungsvereinbarung oder die Gewährung der Zahlungserleichterung, Vermutungsfolge die Nichtkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der angefochtenen Handlung. Um die Vermutung zu widerlegen, kann sich der Insolvenzverwalter auf sämtliche Umstände berufen mit Ausnahme der den Vermutungstatbestand bildenden Umstände (BGH, Urt. v. 07.05.2020 – IX ZR 18/19, Rn. 17). So kann die Vermutung insbesondere durch den Nachweis widerlegt werden, dass der Anfechtungsgegner Umstände kannte, die bereits vor Gewährung der Zahlungserleichterung bestanden und aus denen nach der gewährten Zahlungserleichterung wie schon zuvor zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu schließen war (BGH, Urt. v. 07.05.2020, a.a.O., Rn. 18; Ganter/Weinland, a.a.O., § 133 Rn. 117). Solche Umstände sind jedoch aus den oben ausgeführten Gründen nicht gegeben, weil sämtliche der Beklagten bekannten Indizien durch das im Wesentlichen seit Beginn der Geschäftsbeziehung gleichbleibende Zahlungsverhalten relativiert wurden. Auch der Vollstreckungsdruck war bereits zu einem Zeitpunkt gegeben, zu dem die Schuldnerin ihre Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte. Die weitere Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 21.08.2013 entsprach dem bereits bestehenden Gesamtbild. Überdies bestand am 21.08.2013 wie auch zum Zeitpunkt der Ratenzahlungsbitte nach dem Berufungsvorbringen, das sich ausdrücklich nur noch auf eine Zahlungsunfähigkeit ab dem 23.10.2013 stützt, noch keine Zahlungseinstellung.
87Dies fügt sich in die bis zur Einführung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO ergangene Rechtsprechung ein. So hatte der Bundesgerichtshof die Indizwirkung einer Ratenzahlungsbitte zuletzt an das damit verknüpfte Eingeständnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit geknüpft und ausgeführt, eine Ratenzahlungsbitte könne auch nur auf einen Liquiditätsengpass hinweisen, wenn eine vollständige ratenweise Tilgung der Forderung in Aussicht gestellt werde (BGH, Urt. v. 14.07.2016 – IX ZR 188/15, Rn. 18; Ganter/Weinland, a.a.O., § 133 Rn. 105; Graf-Schlicker/Huber, InsO, 6. Aufl., 1. Lief. 2022, § 133 Rn. 40). Auch muss der Gläubiger in dem Fall, dass sich der Schuldner einer geringfügigen Forderung gegenüber dem Gerichtsvollzieher zum Abschluss einer Zahlungsvereinbarung bereiterklärte, allein aus diesem Umstand nicht zwingend darauf schließen, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (BGH, Urt. v. 06.07.2017 – IX ZR 178/16, Rn. 20).
88Auch das anschließende Zahlungsverhalten der Schuldnerin musste der Beklagten keine andere Kenntnis vermitteln. Die Schuldnerin zahlte vereinbarungsgemäß am 29.08.2013 die erste Rate über 3.500,00 €. Die weiteren sechs – eher geringfügigen – Raten über je 720,00 € beglich sie ebenfalls vollständig, nämlich ausweislich der Zahlungsaufstellung des Klägers am 30.09., 23.10., 27.11.2013 sowie am 13.02.2014 (2 x 720,00 €) und am 06.03.2014. Nur ab Dezember 2013 kam es also zu Zahlungsverzögerungen, die sich allerdings aus Sicht der Beklagten in das seit Anbeginn des Vertrages bestehende Zahlungsverhalten einfügten.
89Ohne Erfolg verweist der Kläger in diesem Zusammenhang auf das Mahnschreiben der Beklagten vom 22.10.2013. Dieses Schreiben bezieht sich entgegen den Ausführungen des Klägers nicht auf die Ratenzahlungsvereinbarung vom 27.08.2013, die die offenen Beiträge in der Zeit vom 01.06.2013 – 31.07.2013 betraf, sondern auf eine andere Zahlungsvereinbarung über den Monatsbeitrag September 2013 in Höhe von
903.121,94 €. Diesen Betrag beglich die Schuldnerin ebenfalls noch relativ zeitnah am 05.11.2013 (2.121,94 €) und am 11.11.2013 (1.000 €). Auch insoweit setzte sich das
91– teilweise unter Vollstreckungsdruck – schleppende, bereits aus der Zeit vor einer Zahlungseinstellung bekannte Verhalten der Schuldnerin fort.
92cc) Für die Beklagte wurde auch in der Folgezeit eine mögliche Zahlungseinstellung der Schuldnerin nicht mit hinreichender Sicherheit offenbar, da sich das beschriebene Zahlungsverhalten gleichermaßen fortsetzte. Die Schuldnerin hat ihren Geschäftsbetrieb auf die gleiche Weise noch Jahre bis mindestens Juli 2017 entsprechend weitergeführt. Größere Entlassungen von Mitarbeitern etwa – ein weiterer Umstand, den die Beklagte hätte wahrnehmen können und der auf Liquiditätsschwierigkeiten hätte hindeuten können – lassen sich dem Beitragskonto (Bl. 68 ff. GA-LG) nicht entnehmen.
93Die obigen Ausführungen zur Ratenzahlungsvereinbarung gelten entsprechend, soweit aus einem Schreiben der Beklagten vom 25.04.2014 (Bl. 177 GA-LG) hervorgeht, dass es zwischenzeitlich eine weitere Ratenzahlungsvereinbarung gab.
94Ohne Erfolg verweist der Kläger schließlich auf eine Drittschuldnererklärung der TBank vom 21.07.2014, in der diese die Beklagte darüber informierte, dass es gegenüber der Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Beklagten vom 17.07.2014 noch vorrangige Kontopfändungen der J-Krankenkasse sowie der K-Krankenkasse gebe (Bl. 143 GA-LG). Das allein ist nicht ausreichend, das oben beschriebene Gesamtbild zu erschüttern, da die Beklagte am 23.07.2014, mithin nur sechs Tage nach der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 17.07.2014, die Drittschuldnerzahlung in Höhe von 6.846,13 € erhielt und sich das gesamte Verhalten der Schuldnerin noch über Jahre auf gleiche Weise fortsetzte.
95Auch unter Berücksichtigung der nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs gebotenen Gesamtwürdigung aller seitens des Klägers vorgebrachten Umstände ist im Ergebnis nicht von einer nachgewiesenen Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin im maßgeblichen Anfechtungszeitraum auszugehen.
963. Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger nach der Neuausrichtung der Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 28.04.2022, a.a.O., Rn. 14 f.; Urt. v. 03.03.2022 a.a.O., Rn. 23, 75; Urt. v. 06.05.2021, a.a.O., Rn. 46) zudem schlüssigen Vortrag dazu hätte halten müssen, dass die Schuldnerin im jeweiligen Zahlungszeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, ihre (übrigen) Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können und sie daher mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte. Dies hätte es erfordert, die im Moment der angefochtenen Rechtshandlung jeweils bestehende Deckungslücke zwischen dem liquiden Vermögen der Schuldnerin und ihren Verbindlichkeiten näher zu erläutern. Hatte die Deckungslücke ein Ausmaß erreicht, das selbst bei optimistischer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung in absehbarer Zeit keine vollständige Befriedigung der bereits vorhandenen und der absehbar hinzutretenden Gläubiger zu erwarten war, musste der Schuldnerin klar sein, dass sie nicht einzelne Gläubiger befriedigen konnte, ohne andere zu benachteiligen. Bestand demgegenüber – abhängig vom Ausmaß der bestehenden Deckungslücke und der aus objektiver Sicht erwartbaren und von der Schuldnerin erkannten Entwicklung – Aussicht auf nachhaltige Beseitigung der gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit, durfte die Schuldnerin grundsätzlich davon ausgehen, dass ihr der hierfür erforderliche Zeitraum verblieb.
97Zu alldem hat der Kläger keinen schlüssigen Vortrag gehalten. Der Hinweis auf negative Bilanzen ist dafür ersichtlich unzureichend, da es auf die Deckungslücke zum jeweiligen Zahlungszeitpunkt ankommt.
984. Nach dem Vorstehenden kommt es schließlich nicht auf die zwischen den Parteien streitige tatsächliche und rechtliche Einordnung der auf die Pfändungs- und Überweisungsverfügungen der Beklagten geleisteten Zahlungen an.
99II.
100Da die Hauptforderung nicht gegeben ist, scheidet auch ein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen aus.
101III.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 S. 2, 711 S. 1 und S. 2, 709 S. 2 ZPO.
103Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Diese hat der Kläger insbesondere nicht mit dem Schriftsatz vom 23.01.2024 dargelegt. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zur Klärung der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, wie und nach welchen Vorgaben im Lichte der Neuausrichtung der Rechtsprechung im Rahmen von § 133 Abs. 3 S. 1 InsO zwischen kongruenten und inkongruenten Deckungshandlungen zu unterscheiden sei. Die streitgegenständlichen Zahlungen waren nicht inkongruent.
104Streitwert für das Berufungsverfahren: 165.823,59 €.