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Die von der Schuldnerin nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens iRd Eigenverwaltung begründeten rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten stellen Masseverbindlichkeiten iSd § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO dar. Diese werden wirksam begründet, wenn der Geschäftsführer der Schuldnerin iRd Betriebsfortführung deren Mitarbeiter weiter für das Tagesgeschäft und damit verbundene Geschäftsabschlüsse einsetzt und diese iRd ihnen erteilten Vertretungsmacht handeln. Es handelt sich dann um eigene Rechtshandlungen des Geschäftsleiters iRd Eigenverwaltung iSd §§ 61, 55 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. InsO.
§ 61 InsO schützt nur bestimmte Massegläubiger, nämlich im Wesentlichen denjenigen, dessen Masseverbindlichkeit durch Vertragsschluss herbeigeführt wurde; Sekundäransprüche wegen Vertragsverletzungen sind nicht von § 61 InsO erfasst.
Nach § 61 InsO analog ist der Geschäftsleiter verpflichtet, bei Begründung der Verbindlichkeit zu prüfen, ob die Masse zu ihrer Erfüllung voraussichtlich ausreichen wird. Haftungsgrund ist damit nicht die Nichterfüllung des Vertrages, sondern die fehlende Vergewisserung über die Erfüllungsfähigkeit der Masse, bevor der Geschäftsleiter die Verbindlichkeit eingeht. Da an ihn keine geringeren Anforderungen zu stellen sind als an einen Insolvenzverwalter, hat er zu beweisen, dass die Masse objektiv voraussichtlich zur Erfüllung der Verbindlichkeit ausreichte oder er die Unzulänglichkeit nicht erkennen konnte.
Da der Geschäftsleiter nicht den Nichterfüllungs-, sondern den Vertrauensschaden zu ersetzen hat, besteht nur ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses, der nach Sinn und Zweck des § 61 InsO der Höhe nach auf das positive Interesse begrenzt ist und nicht die Umsatzsteuer umfasst.
Der Geschädigte kann den Schaden entweder konkret berechnen, indem er darlegt, welchen Gewinn er bei pflichtgemäßem Verhalten des Schädigers erzielt hätte, oder er kann entsprechend § 252 Satz 2 BGB darauf abstellen, welcher Gewinn in der gegebenen Situation üblicherweise zu erwarten gewesen wäre.
Da die von Amts wegen zu beachtenden Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten, hat der Geschädigte den aus der Quote resultierenden Vorteil entsprechend § 255 BGB auszugleichen, so dass der Geschäftsleiter von dem Geschädigten die Abtretung seiner Ansprüche gegen die unzulängliche Masse beanspruchen kann mit der Folge, dass dieser Leistung nur Zug-um-Zug gegen die Abtretung verlangen kann.
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Berufung des Beklagten nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen teilweise Erfolg haben dürfte.
Die zulässige Berufung des Beklagten dürfte nach dem Ergebnis der Vorberatung durch den Senat teilweise Erfolg haben.
2Der Beklagte ist der Klägerin gegenüber zur Zahlung von 11.100,08 € Zug um Zug gegen Abtretung der der Klägerin gegen die unzulängliche Masse zustehenden Zahlungsansprüche aus ihren drei Aufträgen vom 07.04., 04.05. und 13.05.2022 entsprechend ihren Rechnungen vom 09.08.2022 über jeweils 799,68 €, 7.187,75 € und 5.221,66 € brutto verpflichtet. Soweit das Landgericht der Klägerin einen darüberhinausgehenden Betrag sowie Zinsen und Rechtsverfolgungskosten zugesprochen hat, hat die Berufung Erfolg. Insoweit ist die Klage abzuweisen.
31. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 11.100,08 € gemäß §§ 61 analog, 270 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 249, 252 BGB Zug um Zug gegen Abtretung der der Klägerin gegen die Masse zustehenden Ansprüche aus den drei Transportaufträgen vom 07.04., 04.05. und 13.05.2022.
4Gemäß § 61 Satz 1 lnsO schuldet der Insolvenzverwalter einem Massegläubiger Schadensersatz, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht erfüllt werden kann.
5Allerdings ist der Beklagte nicht Insolvenzverwalter. Im Rahmen des über das Vermögen der Schuldnerin eröffneten Insolvenzverfahrens ist vielmehr ohne Einsetzung eines Insolvenzverwalters die Eigenverwaltung nach § 270 lnsO angeordnet worden. Danach war die Schuldnerin auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 lnsO berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Die in der Rechtsform einer GmbH geführte Schuldnerin wurde durch den Beklagten als ihren Geschäftsführer gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vertreten. Mangels seiner Einsetzung zum Insolvenzverwalter ist damit für eine unmittelbare Anwendung des § 61 lnsO kein Raum. Auch findet die mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts(SanInsFoG) vom 22.12.2020 mit Wirkung zum 01.01.2021 eingeführte Regelung des § 276a Abs. 2 Satz 1 InsO, die für die Mitglieder des Vertretungsorgans der Schuldnerin eine Haftung nach Maßgabe der §§ 60 bis 62 InsO anordnet, gemäß Art. 103m Satz 1 EGInsO noch keine Anwendung. Danach sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 01.01.2021 beantragt worden sind, die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Hier wurde das Insolvenzverfahren vor dem 01.01.2021 beantragt, was daraus folgt, dass bereits mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 30.11.2020 die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet worden war.
6Jedoch sind – wie das Landgericht richtig gesehen hat – bereits vor der Geltung des § 276a Abs. 2 Satz 1 InsO nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 26.04.2018 – IX ZR 238/17) die Haftungsregelungen der §§ 60, 61 InsO in analoger Weise auf den Geschäftsleiter des eigenverwalteten Schuldners anzuwenden. Denn der Geschäftsleiter übernimmt bei der Eigenverwaltung in weitem Umfang die Rechte und Pflichten eines Insolvenzverwalters. Dies rechtfertigt es, ihn auch nach §§ 60, 61 InsO persönlich haften zu lassen (MüKoInsO/Schoppmeyer, 4. Aufl. 2019, § 61 Rn. 38a; BeckOK InsR/Ellers, 36. Ed. 15.07.2024, § 270 Rn. 31).
7a) In den durch die Schuldnerin an die Klägerin am 07.04., 04.05. und 13.05.2022 erteilten Transportaufträgen und den dadurch begründeten Zahlungspflichten der Schuldnerin iHv jeweils 799,68 €, 7.187,75 € und 5.221,66 € brutto aus den Rechnungen vom 09.08.2022 liegen „durch eine Rechtshandlung des Beklagten begründete Masseverbindlichkeiten“ iSv § 61 Satz 1 InsO analog. Demgegenüber lässt sich nicht feststellen, dass auch die mit der Rechnung vom 10.11.2022 geltend gemachte Forderung über 7.824,25 € eine Masseverbindlichkeit iSv § 61 InsO darstellt.
8aa) Die von der Schuldnerin nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.04.2021 durch die Transportaufträge begründeten Zahlungspflichten iHv jeweils 799,68 €, 7.187,75 € und 5.221,66 € brutto stellen Masseverbindlichkeiten iSv § 61 InsO analog dar.
9(1) Für § 61 InsO, der nur bestimmte Massegläubiger schützt, ist nicht jede Form von Masseverbindlichkeit relevant. Entsprechend dem Zweck des § 61 InsO, eine Kredit-gewährung an die Masse zu schützen, kommen als Rechtshandlung zur Begründung der Masseschuld neben dem Vertragsschluss, die Erfüllungswahl (§ 103 InsO) sowie bei Dauerschuldverhältnissen – sofern sie mit Wirkung gegen die Masse fortbestehen – die unterlassene Kündigung in Betracht (BGH, Urt. v. 02.12.2004 - IX ZR 142/03, NJW 2005, 901, 902; MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, § 61 Rn. 8; K. Schmidt InsO/Thole, 20. Aufl. 2023, § 61 Rn. 6; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl. 2019, § 61 Rn. 5), wobei insoweit die Voraussetzungen von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO vorliegen müssen. Der Tatbestand des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO wird vor allem durch Rechtsgeschäfte, die typischerweise im Rahmen der Betriebsfortführung abgeschlossen werden, erfüllt. Entscheidend ist, dass es sich – wie hier – um sog. Neugeschäfte handelt (BeckOK InsR/Erdmann, aaO, § 55 Rn. 6; Braun/Bäuerle/Miglietti, InsO, 10. Aufl. 2024, § 55 Rn. 1; Uhlenbruck/Sinz, aaO, § 55 Rn. 7 f.).
10Dies gilt entsprechend für einen Schuldner in Eigenverwaltung. Ist Eigenverwaltung angeordnet worden, bleibt der Schuldner gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO verwaltungs- und verfügungsbefugt. Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit nichts anderes bestimmt ist, § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO. Auch die Vorschrift des § 55 InsO ist im Eigenverwaltungsverfahren anwendbar. Die vom Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten stellen nach Maßgabe von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO Masseverbindlichkeiten dar (BGH, Urt. v. 05.05.2022 – IX ZR 140/21, Rn. 16; BeckOK InsR/Ellers, aaO, § 270 Rn. 37; MüKoInsO/Kern, 4. Aufl. 2020, § 270 Rn. 160).
11So verhält es sich auch hier. Die Schuldnerin hat die drei Transportaufträge wirksam erteilt. Der jeweiligen Auftragserteilung ging jeweils ein schriftliches Angebot der Klägerin voraus, das die Handlungsbevollmächtigten der Schuldnerin – der Teamleiter Vertrieb X und der Gebietsverkaufsleiter T – jeweils durch darauf bezogene E-Mail angenommen haben. Beide Mitarbeiter haben die Schuldnerin gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam vertreten. Sie haben ausweislich der vorliegenden Annahmeerklärungen im Namen der Schuldnerin eigene Willenserklärungen abgegeben. Es ist insbesondere auch davon auszugehen, dass sie mit Vertretungsmacht handelten. Dafür spricht bereits ihre Funktion innerhalb des Betriebs der Schuldnerin als Teamleiter Vertrieb bzw. Gebietsverkaufsleiter, die sie auch im Rahmen der Geschäftsführung durch den Beklagten beibehalten hatten. Der Beklagte selbst vertrat die Schuldnerin als Geschäftsführer nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wirksam und setzte in der von ihm im Rahmen der Eigenverwaltung veranlassten Betriebsfortführung der Schuldnerin die beiden Mitarbeiter weiter für das Tagesgeschäft und damit verbundene Geschäftsabschlüsse ein. Zu etwaigen internen Beschränkungen ihrer Vertretungsmacht hinsichtlich der Auftragsvergabe hat der Beklagte nichts vorgetragen. Es ist insbesondere weder vorgetragen noch ersichtlich, dass er den beiden Mitarbeitern vorgegeben hätte, sich bei dem Abschluss von Rechtsgeschäften, die der Betriebsfortführung dienten, bei ihm oder dem Mitarbeiter C zu versichern, ob sie diese – etwa im Hinblick auf eine in Frage stehende Liquidität der Schuldnerin – noch abschließen dürften.
12Soweit der Beklagte erstinstanzlich in der Klageerwiderung bestritten hatte, dass die geltend gemachten Forderungen „durch entsprechende Aufträge seinerseits“ veranlasst worden seien, weil weder der Mitarbeiter C, noch er, der Beklagte, etwas von diesen Aufträgen wüssten, liegt in diesem allgemein gehaltenen Vorbringen vor dem Hintergrund der von der Klägerin vorgelegten schriftlichen Vertragsunterlagen weder ein wirksames Bestreiten, dass die Aufträge in der belegten Form erteilt wurden, noch ein hinreichendes Bestreiten, das sich konkret gegen das Vorliegen der Vertretungsmacht der beiden Mitarbeiter der Schuldnerin richten würde.
13Auch in der Berufung behauptet der Beklagte nicht, dass die beiden Mitarbeiter außerhalb der ihnen erteilten Vertretungsmacht gehandelt hätten. Dort ist zwar allgemein die Rede davon, dass die Haftung eines Eigenverwalters uferlos und weiter als diejenige des Insolvenzverwalters wäre, wenn er sich „eigenmächtige Handlungen seiner Mitarbeiter“ zurechnen lassen müsste. Diese abstrakten Ausführungen haben indessen keinen Bezug zu den betreffenden Mitarbeitern. Wieso im konkreten Fall das Handeln der Mitarbeiter X und T eigenmächtig gewesen sein sollte und worin entsprechende einschränkende Vorgaben den Mitarbeitern gegenüber seinerseits gelegen haben sollten, erläutert der Beklagte nicht. Im Übrigen würde es sich um neues Vorbringen iSv § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO handeln, von dem nicht vorgetragen ist, aus welchen Gründen es zuzulassen wäre.
14(2) Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, dass er die Rechtsgeschäfte nicht persönlich abgeschlossen habe, so dass keine Rechtshandlung in seiner Person iSv § 61 InsO vorliege.
15§ 61 InsO wie auch § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO erfordern nicht, dass der Insolvenzverwalter bzw. der Geschäftsleiter im Rahmen der Eigenverwaltung jedes Rechtsgeschäft in eigener Person abschließt. Dies gilt jedenfalls nicht für die im Rahmen der – von dem Beklagten selbst zu entscheidenden und entschiedenen – Betriebsfortführung üblichen Rechtsgeschäfte, um die es vorliegend geht. Soweit er insoweit Gehilfen eingesetzt hat und diese im Rahmen der ihnen von ihm erteilten Vertretungsmacht die Schuldnerin wirksam vertreten haben, liegt eine eigene Rechtshandlung des Beklagten iSv §§ 61, 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO vor.
16(aa) Der Insolvenzverwalter und entsprechend auch der Geschäftsleiter im Rahmen der Eigenverwaltung dürfen grundsätzlich Hilfspersonen einschalten (BGH, Urt. v. 13.02.2014 – IX ZR 313/12, Rn. 10, 14; BeckOK InsR/Erdmann, aaO, § 55 Rn. 14; Braun/Bäuerle/Miglietti, InsO, aaO, § 55 Rn. 3; MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, § 60 Rn. 9). Lediglich im Kernbereich der Insolvenzverwaltung bestehen Aufgaben, die der Verwalter bzw. Geschäftsführer höchstpersönlich zu erfüllen haben (K. Schmidt InsO/Thole, aaO, § 55 Rn. 10). Im Übrigen ist der Einsatz von Mitarbeitern für eine effektive Insolvenzverwaltung unentbehrlich und zulässig (Hofmann, ZIP 2006, 1080, 1083). Dass dies zulässig ist, erweist auch die Regelung des § 60 Abs. 2 InsO.
17Zu den von dem Insolvenzverwalter bzw. Geschäftsleiter persönlich zu erfüllenden Handlungen zählen vor allem die dem Verwalter zugewiesenen Verfahrenshandlungen, wie die Wahrnehmung der insolvenzgerichtlichen Termine, die Erfüllung seiner Berichtspflichten gegenüber dem Insolvenzgericht, ferner Maßnahmen und Erklärungen, die rechtlich nur möglich sind, weil gerade ein Insolvenzverwalter sie vornimmt. Dies gilt etwa für die Erfüllungswahl bei nicht erfüllten Verträgen (§§ 103 ff. InsO), die Geltendmachung von Insolvenzanfechtungsansprüchen (§§ 129 ff. InsO) sowie die Aufnahme unterbrochener Prozesse (§§ 85, 86 InsO). Nicht insolvenztypisch und damit auch nicht persönlich vom Verwalter wahrzunehmen sind sämtliche Aufgaben, die auch ein Schuldner außerhalb eines Insolvenzverfahrens an einen Vertreter delegieren könnte. Hierunter fällt insbesondere auch der Abschluss von Verträgen. In diesen Bereichen darf der Insolvenzverwalter und damit auch der Geschäftsleiter – wie jede andere Person auch – Vertreter im Sinne von §§ 164 ff. BGB einschalten (Hofmann, ZIP 2006, 1080, 1083 mwN). Genau das ist hier im Rahmen der von dem Beklagten entschiedenen und angeordneten Betriebsfortführung geschehen. Die Mitarbeiter X und T waren von ihm – ohne dargelegte Einschränkung – mit den Abschlüssen von Verträgen im Rahmen der Betriebsfortführung bevollmächtigt und haben damit eine Masseverbindlichkeit geschaffen, die damit als durch eine Rechtshandlung des Beklagten für die Schuldnerin begründet gilt (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 13.02.2014 – IX ZR 313/12, Rn. 10, 14).
18Die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang getätigten Ausführungen zu § 278 BGB gehen fehl, weil es an dieser Stelle um die Zurechnung von Willenserklärungen gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB an die Schuldnerin geht.
19(bb) Im Übrigen wäre es treuwidrig, wenn der Beklagte sich einer ihm – entsprechend seiner Auffassung unterstellt – höchstpersönlich obliegenden Aufgabe durch Übertragung auf Hilfskräfte entledigen und auf diese Weise seine Einstandspflicht umgehen wollte.
20(3) Dass eine wirksame Masseverbindlichkeit begründet wurde, vertritt im Übrigen zwischenzeitlich auch der Beklagte selbst, wie sich etwa aus den Ausführungen im Schriftsatz vom 30.05.2023 (Bl. 127 GA-LG, 2. Absatz) ergibt.
21(4) Die Forderungen aus den drei Transportaufträgen vom 07.04., 04.05. und 13.05.2022 iHv 799,68 €, 7.187,75 € und 5.221,66 € brutto gemäß den Rechnungen vom 09.08.2022 waren fällig und einredefrei. Die Klägerin hatte ihre Leistungen ordnungsgemäß erbracht und entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen abgerechnet. Letzteres lässt sich anhand der vorgelegten Vertragsunterlagen nachvollziehen. Hiergegen hatte der Beklagte erstinstanzlich nichts eingewendet. Soweit er die Ordnungsgemäßheit der Leistungserbringung in der Berufung mit Nichtwissen bestreitet und im Hinblick auf die vierte Rechnung der Klägerin vom 10.11.2022 in Frage stellt, dass diese das Standbaumaterial aus dem Auftrag vom 13.05.2022 auftragsgemäß von Hannover zu der Schuldnerin zurücktransportiert habe, ist dieses Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO zum einen als verspätet zurückzuweisen. Dazu, dass die Voraussetzungen von § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen, hat der Beklagte nichts vorgetreten. Zum anderen hat die Klägerin mit Vorlage der Rechnung ihrer Subunternehmerin vom 24.06.2022 (Bl. 176 GA-OLG) nachgewiesen, dass der Rücktransport wie beauftragt (1 x 13,6 m Europlanensattel / Standbaumaterial – 10.000 kg (50cbm), Rücktransport am 27.06.2022 um 14.00 Uhr, Bl. 51 GA-LG) von der Messe in Hannover zur Schuldnerin durchgeführt wurde.
22bb) Demgegenüber lässt sich indessen nicht feststellen, dass es sich bei der mit der Rechnung vom 10.11.2022 geltend gemachten Forderung über 7.824,25 € brutto um eine Masseverbindlichkeit iSd § 61 InsO handelt, die der Beklagte begründet hätte.
23Wie ausgeführt, schützt § 61 InsO nur bestimmte Massegläubiger, nämlich im Wesentlichen denjenigen, dessen Masseverbindlichkeit durch Vertragsschluss herbeigeführt wurde (BGH, Urt. v. 02.12.2004 – IX ZR 142/03, NJW 2005, 901, 902; MüKoInsO/ Schoppmeyer, aaO, § 61 Rn. 8; K. Schmidt InsO/Thole, aaO, § 61 Rn. 6; Uhlenbruck/Sinz, InsO, aaO, § 61 Rn. 5). Sekundäransprüche wegen Vertragsverletzungen sind nicht von § 61 InsO erfasst (BGH, Beschl. v. 25.09.2008 – IX ZR 235/07, Leitsatz; K. Schmidt InsO/Thole, aaO, § 61 Rn. 7; jeweils mwN).
24Dass die Klägerin und die Schuldnerin – vertreten durch einen Mitarbeiter oder den Beklagten – über die in der Rechnung aufgeführten Leistungen einen Vertrag geschlossen hätten, ist nicht schlüssig vorgetragen. Nach dem Vorbringen der Klägerin soll die Rechnung den Transport von Material der Schuldnerin betreffen, das nach Abwicklung des Auftrags vom 13.05.2022 Monate später noch in der Messe Hannover vorgefunden worden sei, das sie deshalb aufgrund rechtlich nicht näher umrissener Verpflichtungen gegenüber der R AG habe abholen, mangels Weisung des Insolvenzverwalters aber auf ihrem Betriebsgelände einlagern und letztlich habe vernichten müssen. Allerdings ergibt sich nicht zuletzt aufgrund der Rechnung ihrer Subunternehmerin vom 24.06.2022 über den Rücktransport am 27.06.2022 (Bl. 176 GA-OLG) und des Vergleichs der dort aufgeführten Mengen und Ausführungszeiten, dass der Auftrag vom 13.05.2022 vollständig abgewickelt worden war. Wie es daher dazu kommen konnte, dass weiteres Material der Schuldnerin hat transportiert werden müssen, erschließt sich nicht. Dass ein weiterer Auftrag erteilt worden wäre, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich. Gegebenenfalls liegt eine – von § 61 InsO nicht umfasste – Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Einlagerung und der Vernichtung. Soweit beides zudem mit unterbliebenen Weisungen des Insolvenzverwalters zusammenhängen soll, hat jedenfalls der Beklagte damit nichts zu tun; erst recht liegt darin kein Vertragsschluss. Hinsichtlich der mit 3.000,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer abgerechneten Vernichtung des Materials ist der Vortrag der Klägerin überdies widersprüchlich. Erstinstanzlich (Bl. 7 GA-LG) hatte sie vorgebracht, dass das Material weiterhin bei ihr lagere und sie keinesfalls beabsichtige, dieses auch noch auf eigene Kosten zu vernichten. Demgegenüber hat sie im Berufungsverfahren vorgebracht, das Material sei wegen der unterbliebenen Reaktion des Insolvenzverwalters vernichtet worden.
25Ob durch die unterbliebenen Reaktionen des Insolvenzverwalters der Klägerin gegebenenfalls Schadensersatzansprüche gegen diesen entstanden sind, lässt sich weder beurteilen noch muss dies hier entschieden werden.
26b) Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der Beklagte schuldhaft die ihm gegenüber der Klägerin obliegenden Pflichten verletzt hat, weil er als Geschäftsführer eine Masseverbindlichkeit begründete, obwohl zum Zeitpunkt der jeweiligen Vertragsschlüsse die Masse voraussichtlich nicht ausgereicht hatte, die sich daraus ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen, und er dies hätte erkennen können. Hierfür spricht die gesetzliche Vermutung des § 61 Satz 2 InsO analog.
27Die in § 61 InsO analog normierte Pflicht des Geschäftsleiters besteht darin, bei Begründung der Verbindlichkeit zu prüfen, ob die Masse zu ihrer Erfüllung voraussichtlich ausreichen wird. Haftungsgrund ist damit nicht die Nichterfüllung des Vertrages, sondern die fehlende Vergewisserung über die Erfüllungsfähigkeit der Masse, bevor der Geschäftsleiter die Verbindlichkeit eingeht (K. Schmidt InsO/Thole, aaO, § 61 Rn. 9; HK-Kayser/Thole/Lohmann, InsO, 11. Aufl. 2023, § 61 Rn. 6). Der Geschäftsleiter hat zu beweisen, dass entweder objektiv auf der Grundlage eines Liquiditätsplans von einer zur Erfüllung der Verbindlichkeit ausreichenden Masse auszugehen war oder er die Unzulänglichkeit nicht erkennen konnte (BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222 ff.; MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, Rn. 44; K. Schmidt InsO/Thole, aaO, § 61 Rn. 9).
28aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten sind an einen Geschäftsleiter im Rahmen der Eigenverwaltung keine geringeren Anforderungen zu stellen als an einen Insolvenzverwalter. Die Eigenverwaltung darf nur angeordnet werden, wenn sie nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, zu denen auch die Massegläubiger zählen. Nachteile ließen sich indessen nicht ausschließen, wenn die Verfahrensbeteiligten haftungsrechtlich einen geringeren Schutz als in einem Regelverfahren genießen würden. Die Gleichstellung des Eigenverwaltungsverfahrens mit dem Regelverfahren erfordert als Äquivalent zu der Haftung des Insolvenzverwalters eine gleichermaßen ausgestattete Haftung des Geschäftsleiters. Das in einer existenziellen Krise der Gesellschaft angeordnete Eigenverwaltungsverfahren kann nicht als haftungsrechtlicher Freibrief zugunsten der Geschäftsleiter verstanden werden. Einem etwaigen Missbrauch des Verfahrens kann nur zuverlässig vorgebeugt werden, indem den Geschäftsleitern die Haftung eines Insolvenzverwalters aus §§ 60, 61 InsO ebenfalls aufgebürdet wird. Für eine haftungsrechtliche Besserstellung der Vertretungsorgane im Eigenverwaltungsverfahren einer Gesellschaft im Vergleich zur Haftung des Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren sind daher keine tragfähigen Gründe gegeben (BGH, Urt. v. 26.04.2018 – IX ZR 238/17, Rn. 63 mwN).
29bb) Dementsprechend kann sich der Geschäftsleiter – wie der Insolvenzverwalter – auf zwei Arten entlasten: Er kann einmal nachweisen, dass objektiv die Masse voraussichtlich zur Erfüllung ausreichte. Dies gilt auch dann, wenn er keinen Liquiditätsplan aufgestellt hat oder sein Liquiditätsplan zu einem anderen Ergebnis kam. Erforderlich ist der volle Gegenbeweis. Zum anderen kann er nachweisen, dass er die Nichterfüllbarkeit nicht erkennen konnte. Voraussichtliche Nichterfüllbarkeit ist anzunehmen, wenn eine (zukünftige) Masseunzulänglichkeit wahrscheinlicher ist als die vollständige Erfüllung der Masseverbindlichkeit. Es genügt die einfache Wahrscheinlichkeit; gefordert ist eine Prognoseentscheidung, die die zukünftige Entwicklung bewerten und einschätzen muss. Sie ist daher daran zu messen, mit welcher Sicherheit die angenommene zukünftige Entwicklung eintreten wird; für sie müssen aus der Perspektive ex ante die besseren Gründe sprechen. Ob die Masse voraussichtlich zur Erfüllung ausreicht, kann der Geschäftsleiter im Allgemeinen nur anhand eines der Liquiditätssteuerung dienenden Finanzplans beurteilen, in dem der Mittelbedarf und die zu seiner Deckung vorhandenen und erwarteten Mittel einander gegenübergestellt werden und der bis zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit ständig überprüft und aktualisiert wird. Eine taggenaue Prognose ist zwar nicht erforderlich; es genügt, wenn angemessene Zeiträume zugrunde gelegt werden. Nur mit einem solchen Finanzplan kann der Geschäftsleiter darlegen und beweisen, dass seine Fehleinschätzung unvorhersehbar und damit nicht pflichtwidrig war (MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, § 61 Rn. 24, 25).
30cc) Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Beklagte den Entlastungsbeweis nicht geführt. Seine in beiden Instanzen – in erheblichem Maß wechselnden – Darlegungen sind für eine Entlastung ungeeignet, so dass auch die von ihm angebotenen Beweise nicht zu erheben sind.
31(1) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, war das erstinstanzliche Vorbringen des Beklagten nicht ausreichend, um davon ausgehen zu können, dass der Beklagte diese Maßstäbe erfüllt hat. Sein Vorbringen beschränkte sich im Wesentlichen auf die allgemein gehaltene Darlegung, dass der Geschäftsbetrieb bis zur Ablehnung des Insolvenzplans geordnet gewesen sei, es stets genug Liquidität zur Regulierung aller Masseverbindlichkeiten gegeben und der Insolvenzplan – den er näher erläutert – eine nachhaltige Sanierungsperspektive geboten habe.
32Diesem Vorbringen lässt sich jedoch nicht konkret entnehmen, dass objektiv die Masse voraussichtlich zur Erfüllung ausgereicht hatte. Dazu wäre ein entsprechendes Zahlenwerk vorzutragen gewesen.
33Der Beklagte hat auch keine konkreten und plausiblen Liquiditätsrechnungen vorgelegt und diese erläutert. Seinem Vorbringen lässt sich schon nicht entnehmen, dass er diese Berechnungen jeweils bis zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeiten bei der Klägerin am 07.04., 04.05. und 13.05.2022 ständig überprüft und aktualisiert hat. Diesbezüglich trägt er lediglich vor, dass auf seine Veranlassung monatliche Liquiditätsübersichten gefertigt worden seien (Bl. 126 GA-LG). Hierbei handelt es sich um zeitlich viel zu lang bemessene Abstände, zumal innerhalb eines Monats – wie die vorliegenden Aufträge zeigen – eine Vielzahl von Masseverbindlichkeiten begründet werden können.
34Soweit der Beklagte in zweiter Instanz erstmals beispielhaft eine einzelne Liquiditätsübersicht vom 11.04.2022 (Bl. 144 GA-OLG) vorlegt, ist diese ungeeignet, eine präzise, gewissenhafte und plausible Berechnung des gegenwärtigen und des prognostizierten Liquiditätsstatus zu belegen. Die den jeweiligen Zahlen zugrundeliegenden einzelnen Positionen lassen sich der Übersicht nicht entnehmen; einzelne Forderungen und einzelne Verbindlichkeiten sowie ihre Fälligkeiten sind nicht aufgeführt. Nur drei konkrete Forderungen werden überhaupt genannt, nämlich die für die Kanzlei des Beklagten für den Monat Juli 2022 geplante Auszahlung von 60.000,00 € sowie die für den Sachwalter geplanten Auszahlungen in Höhe von zweimal 60.000,00 €. Da die Übersicht sich ansonsten zu keinerlei Einzelheiten verhält, ist auch nicht nachvollziehbar, ob der jeweilige Bestand an Forderungen und Verbindlichkeiten zutreffend erfasst wurde. Die Forderungen der Klägerin sind jedenfalls unstreitig in sämtlichen Plänen des Beklagten nicht enthalten gewesen, so dass bereits deshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen beruhten, wie es aber erforderlich wäre (MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, § 61 Rn. 25; KPB/Lüke, InsO, 101. Lief. 09.2024, § 61 Rn. 4i). Dass und wie der Beklagte durch entsprechende Anweisungen und Maßnahmen sichergestellt hatte, dass sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten zutreffend erfasst wurden, und ob er insoweit eine Überprüfung vorgenommen hat, hat er ebenfalls nicht vorgetragen.
35Allein darauf, dass nach dem Insolvenzplan aus Dezember 2021 der Schuldnerin im Sommer 2022 – nach Zustimmung der Gläubiger Ende Mai 2022 zu diesem Plan – weitere Liquidität hätte zugeführt werden sollen, durfte sich der Beklagte im Vorfeld nicht verlassen. Im Rahmen der Prognose dürfen noch völlig in der Schwebe liegende potentielle Einzahlungen und solche Forderungen, an deren Realisierbarkeit ernsthafte Zweifel bestehen, nicht berücksichtigt werden (K. Schmidt InsO/Thole, aaO, § 61 Rn. 10; MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, § 61 Rn. 26). Auch wenn der Insolvenzplan vom Amtsgericht genehmigt worden war, konnte der Beklagte vor der Zustimmung der Gläubiger nicht davon ausgehen, dass er realisiert werden würde und sich die Gläubiger genau so verhalten würden, wie er es in dem Plan vorgesehen hatte. Wie der Beklagte selbst ausführt, hing die Durchführung des Insolvenzplans und damit der Fortbestand der Schuldnerin nahezu ausschließlich von der Zustimmung der Hauptgläubigerin, der Y eG, die über ungesicherte Forderungen von rund 800.000,00 € verfügte, ab. Erforderlich für eine ordnungsgemäße Liquiditätsplanung wäre es deshalb gewesen, sich bereits im Vorfeld darüber zu vergewissern, wie sich die Hauptgläubigerin das weitere Vorgehen vorgestellt hatte und ob für sie der Plan des Beklagten überhaupt in Frage kam. Dass es hier zu Kontakten gekommen wäre und sie ihr Einverständnis signalisiert hätte, hat der Beklagte nicht behauptet. Worauf er deshalb die Prognose stützte, dass die Hausbank voraussichtlich ihre Zustimmung erteilen würde, erschließt sich nicht. Vielmehr musste der Beklagte vor diesem Hintergrund eine Ablehnung des Insolvenzplans durch die Hausbank gleichermaßen einkalkulieren, zumal der Beklagte zu den Gründen, warum die Hauptgläubigerin den Insolvenzplan schließlich abgelehnt hat, nichts vorgetragen hat. Allein der Umstand, dass der Beklagte den Insolvenzplan als für die Hauptgläubigerin für günstig ansah, ersetzt jedenfalls keinen konkreten Vortrag.
36Der Umstand, dass „das anschließend in das Regelinsolvenzverfahren übergeleitete Verfahren durch den Insolvenzverwalter mit sofortiger Wirkung stillgelegt und liquidiert worden ist“ – so der Vortrag des Beklagten (Bl. 136 GA-LG) – zeigt, dass bereits Ende Mai 2022 keinerlei Liquiditätsreserven aus dem laufenden Betrieb mehr vorhanden gewesen sein können, um noch Masseverbindlichkeiten zu decken. Dies hätte jedoch bereits in den regelmäßigen Liquiditätsvorschauen zum Ausdruck kommen müssen, aus denen sich hätte ergeben müssen, welche Liquidität zu welchem Zeitpunkt aus dem laufenden Geschäft und welche aus der Umsetzung des Insolvenzplans zu erwarten war.
37(2) Ohne Erfolg verweist der Beklagte im Berufungsverfahren auf die Vorschrift des § 60 Abs. 2 InsO analog, wonach der Geschäftsleiter das Verschulden der von ihm eingesetzten Hilfspersonen nicht gemäß § 278 BGB zu vertreten hat, sondern nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich ist. § 60 Abs. 2 InsO ist auch im Rahmen des § 61 InsO heranzuziehen. Deshalb darf sich der (vorläufige) Verwalter – und damit auch der Sachwalter – zunächst auf Unterlagen des Schuldners und dessen Mitarbeiter verlassen, wenn er einen ersten Liquiditätsplan erstellt. Allerdings muss der Verwalter überprüfen, ob die Prämissen plausibel sind und die Liquiditätsplanung lege artis erstellt ist. Setzt der Verwalter sonstige Dritte im Rahmen der Liquiditätsplanung ein, haftet er für deren Verhalten nach § 278 BGB; gleiches gilt beim Einsatz externer Fachleute (MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, § 61 Rn. 43).
38Diesbezüglich trägt der Beklagte im Berufungsverfahren indessen unter Vorlage der Übersicht vom 11.04.2022 (Bl. 144 GA-OLG) neu lediglich vor, er habe seine beiden Kanzleimitarbeiter C und U mit der Liquiditätsplanung beauftragt, diese hätten eine durchgängige und ordnungsgemäße Überwachung vorgenommen und trotz regelmäßiger Überwachung durch ihn, den Beklagten, zu keinem Zeitpunkt eine Unterdeckung festgestellt. Beide Mitarbeiter hätten ihm zu keinem Zeitpunkt einen Hinweis auf eine Masseunzulänglichkeit erteilt. Seine eigenen Plausibilitätsprüfungen seien zu keinem anderen Ergebnis gekommen.
39Dieser Vortrag entlastet den Beklagten in keiner Weise.
40Zum einen darf sich der Geschäftsleiter bei der Liquiditätsplanung zwar Hilfspersonen – wie etwa Wirtschaftsprüfern – bedienen, er hat dabei aber bestimmte Grundsätze zu beachten. So muss er den Plan auf Sachgerechtigkeit und insbesondere darauf überprüfen, ob er von zutreffenden tatsächlichen Annahmen ausgeht. Nur wenn seine Prüfung zu einem positiven Ergebnis führt, kann er sich auf den Liquiditätsplan stützen (KPB/Lüke, InsO, aaO, § 61 Rn. 4i; K. Schmidt InsO/Thole, aaO, § 61 Rn. 10). Dass er eine solche Prüfung vorgenommen hätte, trägt der Beklagte nicht vor. Insbesondere ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, wie er – auch angesichts der hohen Ungenauigkeit der Übersicht vom 11.04.2022, die letztlich keine Prüfung zulässt – geprüft haben will, ob diese Planung von zutreffenden Annahmen ausging. Tatsächlich war dies nicht der Fall, weil die Forderungen der Klägerin nicht eingeplant waren. Überdies hätte er auf mehr als monatliche Übersichten drängen müssen.
41Zum anderen hätte der Beklagte auch im Rahmen der ihm nach § 60 Abs. 2 InsO obliegenden Überwachungspflicht feststellen müssen, dass Liquiditätsplanungen auf Grundlage von (nur) monatlichen Übersichten, die der Übersicht vom 11.04.2022 entsprechen, inhaltlich und zeitlich unzureichend sind.
42c) Der Anspruch der Klägerin gegen die Masse konnte nicht erfüllt werden. Ein Ausfallschaden iSv § 61 InsO ist bereits dann entstanden, wenn der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat und keine ohne Weiteres durchsetzbaren Ansprüche bestehen, aus denen die Massegläubiger befriedigt werden können (BGH, Urt. v. 13.02.2014, aaO, Rn. 16; K. Schmidt InsO/Thole, aaO, § 61 Rn. 12). Das ist hier der Fall. Keine der von der Klägerin nach ordnungsgemäßer Ausführung der Transportaufträge vom 07.04., 04.05. und 13.05.2022 nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 01.08.2022 gestellten Rechnungen wurde noch beglichen. Diese Nichterfüllung beruhte auf der Masseinsuffizienz, die der Insolvenzverwalter zum 01.08.2022 angezeigt hatte. Dabei musste die Masseunzulänglichkeit entgegen der Annahme des Beklagten nicht schon zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe vorliegen. Entscheidend war, dass sie zum Zeitpunkt der Fälligkeit und Geltendmachung der Forderungen vorlag.
43Soweit der Beklagte mit der Berufung das Vorliegen der Masseunzulänglichkeit bestreitet, handelt es sich um neues Vorbringen im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO, zu dem der Beklagte nicht vorgetragen hat, warum es zulässig sein soll. Es steht im Gegensatz zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen. Dort hatte er – wie schon ausgeführt (siehe oben unter Ziffer 1) a) cc) (1) aE) – vorgetragen, dass mit der Genehmigungsverweigerung des Insolvenzplans durch die Hausbank Ende Mai 2022 der Sanierungsprozess für die Schuldnerin gescheitert sei. Das anschließend in das Regelinsolvenzverfahren übergeleitete Verfahren sei deshalb durch den Insolvenzverwalter mit sofortiger Wirkung stillgelegt und liquidiert worden (Bl. 136 GA-LG). Damit hatte der Beklagte mit Geständniswirkung (§ 288 Abs. 1 ZPO) vorgetragen, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt keine hinreichende Masse zur Fortführung des Betriebs mehr vorlag.
44d) Hierdurch ist der Klägerin ein Schaden in Höhe der Nettobeträge der drei Rechnungen vom 09.08.2022 aus den Aufträgen vom 07.04., 04.05. und 13.05.2022, nämlich iHv 11.100,08 € entstanden.
45aa) Ein Schaden der Klägerin ist nicht bereits von vornherein ausgeschlossen, weil sie die Forderungen an einen Factor abgetreten hätte.
46Das Landgericht hat den auf die drei Rechnungen vom 09.08.2022 aus den Aufträgen vom 07.04., 04.05. und 13.05.2022 bezogenen Vortrag des Beklagten zu Recht als verspätet gemäß § 296 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen. Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür in der Norm genannten Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Diese Voraussetzungen hat das Landgericht zutreffend verneint.
47Die Vorsitzende hatte mit prozessleitender Verfügung vom 09.03.2023 das schriftliche Vorverfahren angeordnet und dem Beklagten gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO eine Klageerwiderungsfrist von zwei Wochen gesetzt sowie auf die Folgen der Nichteinhaltung der Frist hingewiesen. Innerhalb dieser Frist hat der Beklagte die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin bezüglich der Forderungen aus den Rechnungen vom 09.08.2022 nicht bestritten. Erstmals in der mündlichen Verhandlung am 28.02.2024 hat er auf den Abtretungsvermerk in der Rechnung vom 10.11.2022 hingewiesen. Da sich der Abtretungsvermerk indessen nur auf dieser Rechnung befand und sich aus ihm nicht mit der notwendigen Klarheit ergibt, welche weiteren Forderungen von der Abtretung umfasst sein sollen, war bis dahin unstreitig, dass die Forderungen aus den Rechnungen vom 09.08.2022 nicht abgetreten waren. Mit der Vorlage dieser Rechnungen, die selbst keinen Abtretungsvermerk enthalten, bereits in der Klageschrift hatte die Klägerin konkludent und auch schlüssig vorgetragen, dass sie Inhaberin der daraus folgenden Forderungen sei.
48Eine Entschuldigung dafür, warum dieser Vortrag erst am 28.02.2024 erfolgte, lieferte der Beklagte nicht. Vielmehr wäre nach zutreffender Einschätzung des Landgerichts durch die Zulassung des neuen Vorbringens die Erledigung des entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögert worden. Denn die hierzu im Termin eingeholte Stellungnahme der Klägerin ergab, dass nach ihrer Darstellung nur die Forderung aus der Rechnung vom 10.11.2022 abgetreten, aber wieder zurückgekauft war. In der Folge hätte das Landgericht die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass sie für die Richtigkeit ihrer Darstellung, dass die anderen Forderungen nicht Gegenstand einer Abtretung waren, Beweis antreten müsse; es ist davon auszugehen, dass der Klägerin dies gelungen wäre und der entsprechende Beweis hätte erhoben werden müssen. Dies war in dem Termin am 28.02.2024 keinesfalls möglich.
49Der Beklagte bleibt mit seinem verspäteten Vorbringen aus erster Instanz auch im Berufungsverfahren ausgeschlossen (§ 531 Abs. 1 ZPO).
50bb) Der Klägerin ist ein Schaden iHv 11.100,08 € entstanden.
51Art, Inhalt und Umfang der Schadensersatzleistung bestimmen die §§ 249 ff. BGB. Zu ersetzen hat der Geschäftsleiter den Vertrauens-, nicht den Nichterfüllungsschaden. Es besteht damit nur ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses (BGH, Urt. v. 03.11.2005 – IX ZR 140/04, Rn. 12; Urt. v. 06.05.2004 – IX ZR 48/03, NJW 2004, 3334, 3338). Der Höhe nach ist der Anspruch nach Sinn und Zweck des § 61 InsO auf das positive Interesse begrenzt (MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, § 61 Rn. 46). Das negative Interesse ist der Schaden, der dadurch entsteht, dass der Vertragspartner auf die Gültigkeit einer Erklärung oder eines Rechtsgeschäfts vertraut. Die tatsächliche Lage des Geschädigten bei Unwirksamkeit der Erklärung ist mit der hypothetischen Lage zu vergleichen, die darin besteht, dass der Vertrag nicht zustande gekommen wäre und der Geschädigte nie etwas von dem ungültigen Rechtsgeschäft gehört hätte. Zu ersetzen sind regelmäßig Aufwendungen, die im Vertrauen darauf gemacht worden sind, dass ein Vertrag wirksam zustande gekommen ist, sowie die Nachteile, die darin bestehen, dass der Geschädigte im Vertrauen auf die Wirksamkeit eines Vertrages ein anderes Geschäft nicht abgeschlossen hat. Dazu kann auch entgangener Gewinn zählen, wenn der Geschädigte diesen auch dann erzielt hätte, wenn er von der Unwirksamkeit des Vertrages gewusst hätte (BGH, Urt. v. 17.04.1984 – VI ZR 191/82, NJW 1984, 1950; BeckOGK/Brand, BGB, 01.03.2022, § 249 Rn. 32; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 129; MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, § 61 Rn. 46). Der Anspruch des Massegläubigers gegen den Geschäftsleiter auf Schadensersatz umfasst nicht die Umsatzsteuer (MüKoInsO/Schoppmeyer, aaO, § 61 Rn. 49 mwN).
52Gemessen daran kann die Klägerin die Nettobeträge ihrer Forderungen (672,00 € + 6.040,13 € + 4.387,95 € = 11.100,08 €) verlangen. In diesen sind ihre Aufwendungen und der Betrag enthalten, den sie hätte erzielen können, wenn sie stattdessen anderweitig ihre Leistung erbracht hätte.
53Von Letzterem kann entgegen der Rüge des Beklagten, der meint, die Klägerin habe zu ihrem entgangenen Gewinn nicht hinreichend vorgetragen, ausgegangen werden. Richtig ist zwar, dass der Geschädigte grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein Gewinn entgangen ist. Allerdings enthält § 252 Satz 2 BGB für den Geschädigten eine die Regelung des § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung (BGH, Urt. v. 13.01.2004 – XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868, 1870). Dadurch, dass nach § 252 Satz 2 BGB der Gewinn zu ersetzen ist, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwartet werden konnte, bildet die Vorschrift die Grundlage für eine abstrakte Schadensberechnung. Der Geschädigte kann danach den Schaden entweder konkret berechnen, indem er darlegt, welchen Gewinn er bei pflichtgemäßem Verhalten des Schädigers erzielt hätte, oder er kann darauf abstellen, welcher Gewinn in der gegebenen Situation üblicherweise zu erwarten gewesen wäre. Damit wird die Gewinnerzielung mit dem gewöhnlichen Lauf der Dinge gleichgesetzt. Im Handelsverkehr entspricht es dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass ein Kaufmann marktgängige Waren zum Marktpreis hätte verkaufen können (BGH, Urt. v. 02.03.1988 – VIII ZR 380/86, NJW 1988, 2234, 2238; BeckOGK/Brand, BGB, aaO, § 252 Rn. 73; MüKoBGB/Oetker, aaO, § 252 Rn. 44, 45). Entsprechendes gilt für die Klägerin als Speditionsunternehmen.
54cc) Demgegenüber sind die der Klägerin entstandenen Rechtsverfolgungskosten nicht von dem nach § 61 InsO zu leistenden materiellen Schadensersatz gedeckt. Bei diesen Kosten soll es sich ausweislich der Klagebegründung offenbar um die Kosten handeln, die der Klägerin im Rahmen der Rechtsverfolgung gegen den Beklagten – und nicht gegen die Masse – entstanden sein sollen. Insoweit handelt es sich um einen Sekundäranspruch. Die besondere Pflicht des Verwalters, sich zu vergewissern, ob er bei normalem Geschäftsablauf zur Erfüllung der von ihm begründeten Forderungen mit Mitteln der Masse in der Lage sein wird, bezieht sich – wie ausgeführt – nur auf die primären Erfüllungsansprüche und nicht auf Sekundäransprüche (BGH, Urt. v. 25.09.08, aaO). Soweit sich Risiken verwirklichen, die auch bei einem Vertragsschluss mit einem wirtschaftlich gesunden Partner bestehen, haftet der Verwalter nicht (Uhlenbruck/Sinz, aaO, § 61 Rn. 15). So verhält es sich mit den Rechtsverfolgungskosten.
55e) Zu Recht weist der Beklagte auch darauf hin, dass die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten. Die aus der Masse zu erwartende Quote braucht sich die Klägerin zwar nicht anrechnen zu lassen; sie hat jedoch den aus der Quote resultierenden Vorteil auszugleichen (vgl. BGH, Urt. v. 06.05.2004 – IX ZR 48/03, NJW 2004, 3334, 3338; BeckOK InsR/Desch/Hochdorfer, aaO, § 61 Rn. 24). Dies hat in der Weise zu erfolgen, dass sie entsprechend § 255 BGB ihren Zahlungsanspruch gegen die Masse an den Beklagten abtritt (Adam, DzWiR 2008, 14, 18; Zeuner, juris PR-InsR 1/2007, Anm. 2).
56Der Anspruch des Geschäftsleiters auf Vorteilsausgleichung ist von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschl. v. 06.10.2011 – IX ZR 105/09, Rn. 5), weshalb sich die Klägerin insoweit nicht auf § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO berufen kann.
572. Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zinsen gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Da der Beklagte nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung einen Anspruch auf Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen die unzulängliche Masse hat, kann die Klägerin ihre Leistung nur Zug-um-Zug gegen die Abtretung verlangen. Dies erlaubt es dem Beklagten, die Leistung bis zur Abtretung vorübergehend zu verweigern. Nach überwiegender Auffassung führt bereits das objektive Bestehen einer Einredelage dazu, dass eine Leistungsverzögerung ausgeschlossen ist, sofern der Schuldner – wie hier der Beklagte – sich auf die Einrede spätestens im Prozess noch beruft (BeckOGK/Dornis, BGB, 01.06.2024, § 286 Rn. 121 mwN).
583. Die Rechtsverfolgungskosten sind schließlich auch nicht nach §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ersatzfähig. Die Klägerin hat in der Klageschrift vorgetragen, sie habe ihre Prozessbevollmächtigte am 30.08.2018 beauftragt. Dass sich der Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits in Verzug befunden hätte, lässt sich nicht nachvollziehen. Das erste an den Beklagten gerichtete Zahlungsaufforderungsschreiben (Mahnung) datiert vom 08.11.2022 (Bl. 56 GA-LG). Erst danach konnte mithin Verzug eintreten mit der Folge, dass die bereits am 30.08.2018 entstandenen Rechtsanwaltskosten nicht verzugsbedingt entstanden sind.
59Düsseldorf, 11.11.2024
60Oberlandesgericht, 12. Zivilsenat
61Aufgrund dieses Hinweisbeschlusses haben sich die Parteien verglichen.
62Zum besseren Verständnis wird hier noch der Sachverhalt angefügt:
63Sachverhalt
64Die Klägerin nimmt den Beklagten als Geschäftsführer der M GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) wegen Forderungsausfalls auf Schadensersatz in Anspruch.
65Der Beklagte, Fachanwalt für Insolvenzrecht in der Q & D Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, war seit dem 11.11.2020 alleiniger (Sanierungs-) Geschäftsführer der Schuldnerin. Nachdem das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Osnabrück auf Antrag der Schuldnerin mit Beschluss vom 30.11.2020 die vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO über deren Vermögen angeordnet und Rechtsanwalt L aus Münster zum vorläufigen Sachwalter bestellt hatte, eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 01.04.2021 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, ordnete die Eigenverwaltung an und bestellte Rechtsanwalt L zum Sachwalter. Dieser hatte mit Gutachten vom 24.03.2021 die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin festgestellt. Ende des Jahres 2021 reichte der Beklagte einen Insolvenzplan in der letzten Fassung vom 09.12.2021 (Bl. 138 ff. GA-LG) beim Insolvenzgericht ein. Dieser sah u.a. für alle ungesicherten Insolvenzforderungen einfacher Insolvenzgläubiger die Ausschüttung einer Quote von 20 % unter Verzicht auf die darüberhinausgehenden Forderungen, eine vollständige Befriedigung aller fälligen Masseverbindlichkeiten sowie die Hingabe eines Gesellschafterdarlehens über 200.000,00 € zur freien Verfügung der Schuldnerin vor. Das Insolvenzgericht bestimmte für Ende Mai 2022 einen Abstimmungs- und Erörterungstermin mit den Gläubigern für den Insolvenzplan. Die Hausbank der Schuldnerin, die für ihr Kreditengagement über rund 800.000,00 € über keine Sicherheiten verfügte, verweigerte in dem Termin ihre Zustimmung. Mit Beschluss vom 07.06.2022 wurde die Eigenverwaltung aufgehoben, das Verfahren in das Regelinsolvenzverfahren übergeleitet und Rechtsanwalt L zum Insolvenzverwalter bestellt. Als solcher stellte er das operative Geschäft der Schuldnerin zum 30.06.2022 ein. Unter dem 01.08.2022 zeigte er die Unzulänglichkeit der Masse an.
66Die Klägerin betreibt eine Spedition, die auf Dienstleistungen in Bezug auf Messeveranstaltungen spezialisiert ist. Gegenstand der Schuldnerin waren u.a. die Planung und bauliche Realisierung von Kauf- und Mietmesseständen. Beide Unternehmen standen seit 2019 in Geschäftskontakt. Am 07.04.2022 beauftragte die Schuldnerin die Klägerin mit einem in der Zeit vom 22.04.2022 bis zum 30.04.2022 durchzuführenden Transport von Standbaumaterial. Dieses sollte vom Werk der Schuldnerin zu einer Messe in Berlin und wieder zurücktransportiert werden. Der von der Klägerin nach Ausführung der Transporte in Rechnung gestellte Betrag iHv 799,68 € blieb unbeglichen. Des Weiteren beauftragte die Schuldnerin die Klägerin am 04.05.2022 mit einem in der Zeit vom 24.05.2024 bis zum 05.06.2022 durchzuführenden Transport von Standbaumaterial zu einer Messe in München. Auch hier sollte das Material vom Werk der Schuldnerin zur Messe hin- und zurücktransportiert werden. Der von der Klägerin nach Ausführung dieses Auftrags in Rechnung gestellte Betrag iHv 7.187,75 € blieb ebenfalls unbeglichen. Schließlich beauftragte die Schuldnerin die Klägerin am 13.05.2022 mit einem Transport von Standbaumaterial zu einer Messe in Hannover. Das Material sollte am 13.06.2022 vom Werk der Schuldnerin zu der Messe transportiert und am 27.06.2022 zur Schuldnerin zurücktransportiert werden. Der von der Klägerin nach Ausführung dieses Auftrags in Rechnung gestellte Betrag iHv 5.221,66 € wurde auch nicht beglichen. Mit weiterer Rechnung vom 10.11.2022 verlangte die Klägerin von der Schuldnerin bezogen auf diesen Auftrag die Zahlung weiterer 7.824,25 € u.a. für die „Überlagerung“ von vier Monaten, einen Rücktransport von Material, dessen Einlagerung an ihrem Geschäftssitz und dessen Entsorgung. Die Rechnung enthält einen Abtretungsvermerk, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
67Der Beklagte und der von ihm in der kaufmännischen Verwaltung eingesetzte Mitarbeiter C hatten von den Auftragserteilungen keine Kenntnis. Ein schriftlicher Hinweis an die Klägerin auf das Bestehen der Insolvenz der Schuldnerin erfolgte bei Auftragserteilung nicht. Über das Scheitern des Insolvenzplans Ende Mai 2022 informierte der Beklagte die Klägerin nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.10.2024 wandte sich die Klägerin an den Insolvenzverwalter und forderte ihn u.a. zur Stellungnahme dazu auf, ob ihm ihre Gläubigerstellung bekannt gewesen sei. Eine Reaktion hierauf blieb zunächst aus. Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 04.11.2022 bat die Klägerin den Insolvenzverwalter um Weisung hinsichtlich weiteren Standbaumaterials der Schuldnerin auf dem Messegelände Hannover im Lager R AG. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.11.2022 verlangte sie unter Fristsetzung bis zum 21.11.2022 von dem Beklagten u.a. erfolglos die Zahlung von 13.209,09 €. Mit Schreiben vom 18.11.2022 teilte der Insolvenzverwalter der Klägerin mit, dass die Rechnungsstellung bis zum 11.10.2022 nicht bekannt gewesen sei. Eine Aufforderung zur Forderungsanmeldung sei seinerzeit nicht an sie ergangen, da zu diesem Zeitpunkt offenbar keine Verbindlichkeiten ihrerseits bestanden hätten. Ferner bestünde seinerseits keinerlei Kenntnis zu den von der Beklagten eingelagerten Gegenständen. Eine Beauftragung sei diesbezüglich nicht erfolgt.
68Gegenstand der auf Schadensersatz gerichteten Klage sind die Bruttobeträge der oben aufgeführten vier Rechnungen nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten. Die Klägerin hat behauptet, die Rechnung vom 10.11.2022 über 7.824,25 € bezöge sich auf Rückführungskosten der auf dem Messeplatz Hannover gelagerten Ware der Beklagten, diese sei von ihr, der Klägerin, an ihren eigenen Standort zurückzuführen gewesen, nachdem diesbezüglich keine Informationen durch den Beklagten erteilt worden seien, was mit der Ware zu passieren habe. Die Ware stünde nach wie vor in ihrem Lager, eine Entsorgung auf ihre Kosten werde jedenfalls nicht stattfinden. Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe sie keinerlei Kenntnis erhalten. Die Klägerin rügt das Vorbringen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Abtretung ihrer Forderungen als verspätet. Richtig sei, dass allein die Forderung aus der Rechnung vom 10.11.2022 an ein Factoring-Unternehmen abgetreten worden sei. Weil die Forderung nicht werthaltig gewesen sei, habe sie zurückgekauft werden müssen.
69Der Beklagte hat behauptet, ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten seinerseits sei nicht gegeben. Er habe eine umfassende Sanierung der Schuldnerin angestrebt, deren Geschäftsbetrieb aufgrund der staatlichen Corona-Sicherungsmaßnahmen sofort zum Erliegen gekommen sei. Das Land NRW und die KfW hätten der Schuldnerin Anfang des Jahres 2021 jedoch Corona-Finanzierungshilfen in Höhe von rund 350.000,00 € gewährt, was sodann eine geordnete Fortführung der Schuldnerin ermöglicht hätte. Auf Grundlage des vom Insolvenzgericht genehmigten und in sich schlüssigen Insolvenzplans habe eine realistische und nachhaltige Sanierungsperspektive bestanden. Die Verweigerung der Hausbank der Schuldnerin, dem Insolvenzplan zuzustimmen, sei völlig überraschend und in keiner Weise nachvollziehbar gewesen. Damit sei zu diesem Zeitpunkt überhaupt erstmals absehbar eine Sanierung der Schuldnerin nicht mehr möglich gewesen. Das operative Geschäft der Schuldnerin sei bis zu diesem Zeitpunkt reibungslos verlaufen. Bis dahin habe insbesondere aufgrund der Fördermittel stets eine ausreichende Liquidität bestanden, um alle Verbindlichkeiten des laufenden Geschäfts zu bedienen. Dies sei aufgrund von monatlichen Liquiditätsübersichten sichergestellt gewesen. Die Finanzlage sei mit dem Sachwalter L eng abgestimmt worden. Dieser habe keinerlei Veranlassung gesehen, die Fortführung des Geschäftsbetriebs zu unterbinden. Die streitgegenständlichen Auftragserteilungen, von denen – was unstreitig ist – er und der Mitarbeiter C keine Kenntnis gehabt hätten, ließen sich auch aus den Unterlagen nicht nachvollziehen, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Aufträge erteilt worden seien. Die Mitarbeiter X und T der Schuldnerin hätten die Klägerin mehrfach und ausdrücklich mündlich auf die eingetretene Insolvenz der Schuldnerin hingewiesen. In der mündlichen Verhandlung am 28.02.2024 hat der Beklagte unter Hinweis auf den Abtretungsvermerk auf der Rechnung vom 10.11.2022 geltend gemacht, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin sämtliche Forderungen an ein Factoring-Unternehmen abgetreten habe und ihr kein Schaden entstanden sei.
70Das Landgericht, das durch seine Vorsitzende mit prozessleitender Verfügung vom 09.03.2023 das schriftliche Vorverfahren angeordnet und dem Beklagten eine Klageerwiderungsfrist von zwei Wochen gesetzt hatte, hat der Klage in Höhe eines Betrages von 17.675,08 € nebst Zinsen und anteiliger außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus §§ 61 (analog), 270 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 249, 252 BGB in Höhe der in den Rechnungen gemäß Anlagen K 5 und K 10 ausgewiesenen Nettobeträge iHv 17.675,08 €. Die streitgegenständlichen Forderungen seien Masseverbindlichkeiten iSd § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, weil die ihnen zugrundeliegenden Aufträge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vergeben worden seien. Es komme nicht darauf an, ob der Beklagte als Geschäftsführer der Schuldnerin selbst oder einer der Mitarbeiter der Schuldnerin die Aufträge erteilt habe. Sie gälten gleichwohl als durch eine Rechtshandlung des Verwalters begründet. Die Forderungen der Klägerin seien allein wegen Masseinsuffizienz unerfüllt geblieben. Substantiierte Einwendungen gegen die Berechtigung der abgerechneten Leistungen habe der Beklagte nicht vorgetragen.
71Der Beklagte könne sich nicht auf ein fehlendes Verschulden berufen. Der Verwalter habe vorzutragen und zu beweisen, dass entweder objektiv auf der Grundlage eines Liquiditätsplans von einer zur Erfüllung der Verbindlichkeit ausreichenden Masse auszugehen gewesen sei oder er die Unzulänglichkeit nicht habe erkennen können. Der Verwalter müsse eine Liquiditätsprognose anstellen, in die alle offenen Forderungen und künftige Entwicklungen einzustellen seien. Der Beklagte habe nicht dargelegt, die vorgenannten Pflichten erfüllt zu haben. Zum einen ergebe sich aus der vom Beklagten selbst vorgetragenen Unkenntnis von den Forderungen ein Indiz dafür, dass diese nicht Gegenstand einer Liquiditätsprognose gewesen seien. Diese wären bereits ab dem Zeitpunkt der Auftragserteilung in erwarteter Höhe zu berücksichtigen gewesen. Zum anderen habe der Beklagte nicht vorgetragen, aufgrund welcher Liquiditätsprognose er hätte davon ausgehen dürfen, Vergütungsansprüche aus den Aufträgen wahrscheinlich aus einer vorhandenen Masse erfüllen zu können. Soweit der Beklagte darauf abstelle, er habe mit einer Zustimmung der Gläubiger zum entwickelten Insolvenzplan und mit einem Fortbestehen des Geschäftsbetriebs rechnen dürfen, greife dies nicht. Das Vertrauen auf die Zustimmung der Gläubiger zum Insolvenzplan vermöge eine Liquiditätsprognose nicht zu ersetzen. Bis zum Zeitpunkt der Zustimmung der Gläubiger zu einem Insolvenzplan sei die Wahrscheinlichkeit, durch Umsetzung eines Insolvenzplans neue Finanzmittel zu generieren, nicht größer als die Gefahr einer Nichterfüllung bei drohendem Scheitern des Insolvenzplans gewesen. Der Beklagte schulde Schadensersatz in Höhe der Nettobeträge der Rechnungen. Soweit er die Berechtigung der Rechnungen mit der Begründung bestreite, deren Begründung sei ohne Mitwirkung und Zustimmung des gerichtlichen Sachwalters erfolgt, greife dieser Einwand nicht, da bei angeordneter Eigenverwaltung eine Mitwirkung und Zustimmung des gerichtlichen Sachwalters keine Voraussetzung zur wirksamen Begründung von Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber Dritten sei. Der Feststellung eines Schadens stehe auch nicht entgegen, dass die Aktivlegitimation der Klägerin die Rechnungen betreffend streitig sei. Der Beklagte habe die Aktivlegitimation der Klägerin erstmals im Termin vom 28.02.2024 bestritten und dazu unter Verweis auf den in der Rechnung Anlage K 10 abgedruckten Vermerk vorgetragen, die Forderungen seien im Rahmen eines Factorings abgetreten. Damit sei die Aktivlegitimation im Termin zwischen den Parteien streitig geworden. Das Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin durch den Beklagten sei gemäß §§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen, da es erst nach Ablauf der zur Stellungnahme gesetzten vierwöchigen Frist mit prozessleitender Verfügung vom 09.03.2023 erfolgt sei. Das verspätete Vorbringen sei nur zuzulassen gewesen, wenn dies nach der freien Überzeugung der Kammer die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt hätte. Beide Zulassungsgründe lägen nicht vor.
72Ersatzfähig sei das negative Interesse. Dies bedeute nicht, wie der Beklagte einwende, dass die Klägerin auf den Ersatz der ihr bei der Ausführung der streitgegenständlichen Dienstleistungen tatsächlich entstandenen Kosten beschränkt wäre und die von ihr kalkulierte Gewinnmarge, welche in den Nettobeträgen enthalten sei, herauszurechnen wäre. Entgangener Gewinn sei gemäß § 252 BGB grundsätzlich vom zu ersetzenden Schaden erfasst. Bei der Klägerin handele es sich unstreitig und gerichtsbekannt um ein im hiesigen Bezirk tätiges, auf Dienstleistungen für Messeveranstaltungen spezialisiertes Speditionsunternehmen, bei welchem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwartet werden könne, dass es seine Dienstleistungen einem Drittunternehmen gegenüber erfolgreich hätte anbieten und seine Marge so hätte verdienen können, wäre es nicht zum Vertragsschluss mit dem Beklagten und zur auftragsgemäßen Vertragsdurchführung gekommen, §§ 252 Satz 2 BGB, 287 Abs. 1 ZPO. Weil ein Schadensersatzanspruch keine Umsatzsteuer umfasse, habe die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der Nettobeträge.
73Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung macht der Beklagte geltend, die Abtretung der streitgegenständlichen Forderung habe sich bereits aus der Klageschrift, nämlich dem Hinweis auf der Rechnung der Klägerin vom 10.11.2022, ergeben, so dass sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nicht habe verspätet sein können. Zudem sei dort unstreitig geworden, dass jedenfalls Teile der Forderung an eine Factoring-Gesellschaft abgetreten gewesen sei. Die Rückabtretung hätte die Klägerin darlegen und beweisen müssen. Zu Unrecht habe das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen von § 61 InsO bejaht. Voraussetzung sei u.a., dass die Masseverbindlichkeit durch eine Rechtshandlung des Beklagten begründet worden sei. Dass der Beklagte die Aufträge veranlasst habe, behaupte die Klägerin selbst nicht; tatsächlich habe er von der Auftragserteilung keine Kenntnis gehabt. Zu bedenken sei, dass § 276a InsO vollständig auf die §§ 60-62 InsO verweise, womit auch der Verweis auf § 60 Abs. 2 InsO umfasst sei. Danach sei er als Geschäftsführer nur für die Überwachung der Mitarbeiter und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich. Dies habe auch im Rahmen von § 61 InsO zu gelten. Der Insolvenzverwalter sei dadurch geschützt, dass er nur selbst Masseverbindlichkeiten begründen könne. Das gelte jedoch nicht für den Geschäftsführer bei der Eigenverwaltung. Würde man bei der Eigenverwaltung im Rahmen von § 61 InsO jegliche Rechtshandlungen der Mitarbeiter ausreichen lassen, wäre dessen Haftung uferlos und deutlich weiter als diejenige des Insolvenzverwalters, der eigenmächtige Handlungen von Mitarbeitern der Schuldnerin nicht gegen sich gelten lassen müsse. Selbst wenn ein Geschäftsführer im Rahmen der Eigenverwaltung eine tägliche ordnungsgemäße Liquiditätsplanung durchführe, nach der sich keine Schwierigkeiten ergäben, dann aber ein Mitarbeiter der Schuldnerin im Rahmen der ihm zustehenden Handlungsvollmacht einen aus der vorhandenen Liquidität nicht zu bedienenden und mit dem Geschäftsführer nicht abgestimmten Auftrag erteile, würde dies dazu führen, dass Masseunzulänglichkeit eintrete und der Geschäftsführer haften müsse. So würde § 61 InsO zu einer reinen Gefährdungshaftung ausgeweitet, was erkennbar nicht gewollt sei. Zu berücksichtigen sei, dass der Insolvenzplan seitens des Insolvenzgerichts bereits Anfang des Jahres 2022 bestätigt worden und die Zustimmung der Hauptgläubigerin in der Gläubigerversammlung völlig überraschend versagt worden sei. Hierauf habe nichts hingedeutet. Es könne nicht sein, dass ein Geschäftsführer in einer Situation wie der Vorliegenden gezwungen wäre, den Insolvenzplan schon vor der Entscheidung durch die Gläubiger faktisch dadurch scheitern zu lassen, dass er den weiteren Geschäftsbetrieb vorsorglich vollständig einstelle. Jedenfalls seien an die Erkennbarkeit iSv § 61 Satz 2 InsO deutlich geringere Maßstäbe bei der Eigenverwaltung anzusetzen als bei einem Insolvenzverwalter. Wie er zudem bereits erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, habe er die ständige Liquiditätsplanung an die Herren C und U delegiert. Bei diesen handele es sich um zertifizierte ESUG-Berater. Beide hätten die Liquiditätsplanung durchgängig überwacht und den Auftrag gehabt, ihm, dem Beklagten, einen Hinweis zu geben, sollte die vorhandene Liquidität nicht mehr ausreichen, um sämtliche zu begründenden Forderungen zu begleichen. Beide Berater hätten die entsprechende Prüfung ordnungsgemäß durchgeführt. Sie seien zu keinem Zeitpunkt zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Liquiditätsunterdeckung bestanden habe, dies trotz regelmäßiger Überprüfung durch ihn, den Beklagten. Auch seine eigenen Plausibilitätsprüfungen hätten zu keinem anderen Ergebnis geführt. Dies ergebe sich auch aus der beispielhaft überreichten Liquiditätsvorschau auf Wochenbasis vom 11.04.2022, der einen Liquiditätsüberschuss von mindestens 156.000,00 € ausweise. Übergangen habe das Landgericht seinen erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisantritt, dass während der gesamten Dauer der gerichtlichen Sanierungsprozesse in der Insolvenzmasse ausreichend Liquidität zur Regulierung der Masseverbindlichkeiten vorhanden gewesen sei. Außerdem stehe nicht fest, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Auftragserteilungen Masseunzulänglichkeit bestanden habe. Gegenteiliges habe er unter Beweis gestellt. Dem sei nachzugehen gewesen. Der Eintritt einer Masseunzulänglichkeit unter der Ägide des Insolvenzverwalters sei ihm nicht anzulasten. Das Landgericht habe zudem gegen seine Hinweispflichten verstoßen, soweit es der Auffassung gewesen sei, dass sein Vortrag zur Exkulpation nicht ausreichend gewesen sei. Außerdem bleibe die Kausalität seiner angeblichen Pflichtverletzung für den behaupteten Schaden der Klägerin bestritten. Die Nichterfüllung der Forderung liege in dem Umstand der von dem Insolvenzverwalter angezeigten Masseunzulänglichkeit begründet. Welche Umstände diesen dazu veranlasst hätten, sei von der Klägerin nicht dargelegt worden. Zu bemängeln sei weiter, dass die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin im Rahmen der Schadenshöhe nichts zu ihrer Gewinnmarge vorgetragen habe. Darüber hinaus sei der Teil der Klageforderung, der auf der Rechnung vom 10.11.2022 beruhe, nicht schlüssig. Die dort genannten Rücktransport- und Einlagerungskosten seien nicht von der Schuldnerin beauftragt worden. Diese Kosten seien auch von § 61 InsO, bei dem es nur um die Haftung für vertragliche Primäransprüche gehe, nicht umfasst. Er bestreite mit Nichtwissen, dass die Klägerin ihre Leistungen ordnungsgemäß erbracht habe. Rechtsanwaltskosten seien nicht zu erstatten, weil er, der Beklagte, sich bei deren Begründung nicht in Verzug befunden habe. Hilfsweise beruft sich der Beklagte auf ein Zurückbehaltungsrecht. Er habe Anspruch darauf, dass die Klägerin ihm entsprechend § 255 BGB den aus der Quote resultierenden Vorteil abtrete.
74Der Beklagte beantragt,
75auf seine Berufung unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
76Die Klägerin beantragt,
77die Berufung zurückzuweisen.
78Sie tritt dem Berufungsvorbringen entgegen und ist der Auffassung, das Bestreiten des Beklagten ihrer Aktivlegitimation sei verspätet gewesen. Hinsichtlich der Rechnung vom 10.11.2022 habe sie nun recherchiert, dass eine der vertraglichen Abreden mit dem Factor darin bestanden habe, dass nur Forderungen aufgekauft würden, die im Vorfeld bereits über den Kreditversicherer versichert gewesen seien. Da die Schuldnerin nicht versicherungsfähig gewesen sei, habe dies zur Folge gehabt, dass die Forderung nicht abtretungsfähig gewesen sei. Der Abtretungsvermerk sei automatisch auf die Rechnung gesetzt und fälschlicherweise nicht herausgenommen worden. Hinsichtlich der Rechnung vom 10.11.2022 und den dort geltend gemachten Rücktransportkosten behauptet sie, es habe sich nachträglich Anfang Oktober 2022 herausgestellt, dass sich noch weiteres Standbaumaterial, das über das bereits zurücktransportierte und in der Rechnung vom 09.08.2022 über 5.221,66 € brutto abgerechnete Standbaumaterial hinausgegangen sei, auf dem Messegelände befunden habe. Die R AG habe sie zur Wegschaffung der Ware aufgefordert. Nach Kenntnis dieses Sachverhalts habe sie den Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 04.11.2022 angesprochen und um Weisung gebeten. Aufgrund dessen Reaktionslosigkeit sei sie im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht gehalten gewesen, die Ware zu ihrem Geschäftssitz zu verbringen. Die Ware habe sie schließlich vernichtet.
79Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das angefochtene Urteil sowie die zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.