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§§ 935, 938 Abs. 2 ZPO, §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1, 140 InsO
Der anfechtungsrechtliche Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein weggegebenes Grundstück ist im einstweiligen Rechtsschutz durch richterliches Verfügungsverbot gemäß § 938 Abs. 2 ZPO sicherbar. Das gilt auch für den Fall, dass nur ein Miteigentumsanteil übertragen wurde.
Der Unentgeltlichkeit der Übertragung des Miteigentumsanteils steht nicht entgegen, dass der Anfechtungsgegner die auf dem Miteigentumsanteil des Schuldners lastenden Grundschulden mit dinglicher Wirkung übernahm. Diese schmälerten die wirtschaftliche Substanz. Gegenstand der Zuwendung war aber von vornherein nur der belastete Miteigentumsanteil.
Eine Rechtshandlung gilt nach § 140 Abs. 1 InsO als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Wer aus einem früheren Zeitpunkt nach Maßgabe des § 140 Abs. 2 InsO etwas für sich herleiten will, muss die Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich das Eingreifen des Absatzes 2 Satz 1 bzw. Satz 2 ergibt.
§ 140 Abs. 2 InsO setzt voraus, dass der andere Teil eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat, die ihm ohne sein Mitwirken nicht mehr entzogen werden kann. Das erfordert auf Seiten des Anfechtungsgegners, dass er den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung selbst gestellt hat.
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 14.02.2024 (7 O 16/24) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, über das bei dem Amtsgericht Krefeld, … , groß 741 m², eingetragene Grundstück zu verfügen.
2. Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, über die bei dem Amtsgericht Krefeld, … , in Abteilung III unter den laufenden Nr. 6, 7, 8, 9, 10 und 11 eingetragenen Briefgrundschulden über jeweils 100.000,00 € mit 18 % Jahreszinsen und 5 % Nebenleistung zu verfügen.
3. Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, über die bei dem Amtsgericht Krefeld, … , in Abteilung III unter der laufenden Nr. 1 eingetragene Buchgrundschuld über 215.000,00 € nebst 15 % Jahreszinsen und 5 % Nebenleistung sowie über die unter der laufenden Nr. 2 eingetragene Buchgrundschuld über 84.000,00 € nebst 15 % Jahreszinsen und 5 % Nebenleistung oder über den Anspruch auf Rückgewähr dieser Buchgrundschulden zu verfügen.
4. Zur Sicherung des Anfechtungsanspruchs des Verfügungsklägers wird die Eintragung des unter Ziffer 1. bezeichneten Verfügungsverbotes in Abt. II. sowie die Eintragung der unter Ziffer 2. und Ziffer 3. bezeichneten Verfügungsverbote in Abt. III des Grundbuchs angeordnet.
5. Zur Sicherung des Anfechtungsanspruchs des Verfügungsklägers wird die Herausgabe der Grundschuldbriefe zu den in Ziffer 2. bezeichneten Briefgrundschulden durch die Verfügungsbeklagte an einen Gerichtsvollzieher angeordnet.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens erster und zweiter Instanz trägt die Verfügungsbeklagte.
I.
2Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers hat aus den mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2024 eingehend erörterten Gründen Erfolg.
3Der Verfügungsbeklagten ist aufgrund von § 143 Abs. 1 InsO iVm § 938 Abs. 2 ZPO vorläufig zu untersagen, über das in Ziffer 1. des Tenors näher bezeichnete Grundstück, über die auf diesem lastenden Briefgrundschulden sowie über die auf diesem lastenden Buchgrundschulden zugunsten der E-AG zu verfügen. Zur Sicherung des Anfechtungsanspruchs des Verfügungsklägers ist die Eintragung des unter Ziffer 1. des Tenors ausgesprochenen Verfügungsverbots in Abt. II. sowie die Eintragung der unter Ziffer 2. und Ziffer 3. des Tenors bezeichneten Verfügungsverbote in Abt. III des Grundbuchs anzuordnen. Ferner sind zur Sicherung des Anfechtungsanspruchs des Verfügungsklägers gemäß Ziffer 2. des Tenors die Grundschuldbriefe zu den Briefgrundschulden an einen Gerichtsvollzieher herauszugeben.
4Der anfechtungsrechtliche Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein weggegebenes Grundstück ist im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich durch richterliches Verfügungsverbot gemäß § 938 Abs. 2 ZPO sicherbar (BGH, Urt. v. 14.06.2007 – IX ZR 219/05, Rn. 10; Graf-Schlicker InsO/Huber, 6. Aufl. 2022, § 143 Rn. 18). Das gilt auch für den Fall, dass – wie hier – nur ein Miteigentumsanteil übertragen wurde.
5Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 935 ZPO die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) des Verfügungsanspruchs aus §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1 InsO iVm einem Anfechtungstatbestand und eines Verfügungsgrundes.
61. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Verfügungskläger einen Anfechtungsanspruch gemäß §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO iVm § 818 BGB auf Rückgewähr des mit Vertrag vom 10.02.2023 von dem Schuldner an die Verfügungsbeklagte übertragenen Miteigentumsanteils an dem Grundstück T-Straße in Krefeld hinreichend glaubhaft gemacht.
7a) Die Übertragung des Miteigentumsanteils an dem vorgenannten Hausgrundstück vom Schuldner auf die Verfügungsbeklagte stellt eine nach § 129 Abs. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung dar. Darunter ist jedes von einem Willen getragene Handeln vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verstehen, das eine rechtliche Wirkung auslöst (BGH, Urt. v. 20.02.2014 – IX ZR 164/12, Rn. 9). Hinsichtlich der Übertragung eines Miteigentumsanteils auf einen anderen Miteigentümer, der hierdurch Alleineigentum erwirbt, ist anerkannt, dass der Insolvenzverwalter / Gläubiger vom nunmehrigen Alleineigentümer als Anfechtungsgegner auch ohne vorherige Pfändung und Überweisung der Ansprüche auf Aufhebung der Gemeinschaft sowie auf Teilung und Auskehrung des Erlöses die Duldung der Zwangsversteigerung des ganzen Grundstücks verlangen kann, allerdings nur zwecks Befriedigung aus dem Teil des Versteigerungserlöses, der dem Schuldner ohne die anfechtbare Rechtshandlung zugestanden hätte (BGH, Urt. v. 19.03.1992 – IX ZR 14/91, NJW-RR 1992, 733, 734; Huber, AnfG, 12. Aufl. 2021, § 11 Rn. 23; HK/Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl. 2023, § 143 Rn. 10; K/P/B InsO/Jacoby, 98. Lief. 12.2023, § 143 Rn. 34).
8b) Die Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO sind gegeben.
9Danach ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.
10Die Übertragung des Miteigentumsanteils stellt eine solche unentgeltliche Leistung dar.
11Unentgeltlich ist im Zwei-Personen-Verhältnis eine Leistung, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (BGH, Urt. v. 06.12.2018 – IX ZR 143/17, Rn. 10; Beschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, Rn. 10; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, § 134 Rn. 17 f.; HK/Kayser/Thole, a.a.O., § 134 Rn. 7, jeweils mwN). Ob die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt sind, richtet sich grundsätzlich nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung (§ 140 InsO). Damit ist die Unentgeltlichkeit nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die jeweilige Leistung vorgenommen wurde (BGH, Urt. v. 06.12.2018, a.a.O., Rn. 12; K. Schmidt InsO/Ganter/Weinland, 20. Aufl. 2023, § 134 Rn. 67; K/P/B InsO/Bork, a.a.O., § 134, Rn. 47; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, a.a.O., § 134 Rn. 20). Darlegungs- und beweispflichtig für eine unentgeltliche Leistung des Schuldners ist der Insolvenzverwalter (MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, a.a.O., § 134 Rn. 49).
12Danach war die Übertragung des Miteigentumsanteils unentgeltlich, weil sie ohne Rechtspflicht und ohne Gegenleistung erfolgte. Der darlegungs- und beweisbelaste Verfügungskläger hat durch Vorlage des notariellen Vertrages vom 10.02.2023 glaubhaft gemacht, dass die Übertragung ohne Gegenleistung erfolgte. In dem Vertrag ist von einer Gegenleistung an keiner Stelle die Rede. Nach dem Inhalt der Regelung gelangte kein Wertgegenstand in das Vermögen des Schuldners, der den Abgang des Grundstücksanteils hätte ausgleichen können oder auch nur sollen. Das gilt auch insoweit, als die Verfügungsbeklagte die auf dem Miteigentumsanteil des Schuldners lastenden Grundschulden der E-AG mit – laut Vertrag – (allein) dinglicher Wirkung „übernimmt“. Die Grundschulden der E-AG über nominell 215.000,00 € bzw. 84.000,00 € jeweils nebst Zinsen ruhten bereits auf dem gemeinsamen Grundbesitz und schmälerten lediglich dessen wirtschaftliche Substanz; Gegenstand der Zuwendung war von vornherein nur der belastete Miteigentumsanteil und letztlich also nur die dem Schuldner per Saldo gebührenden Zuordnungswerte (BGH, Urt. v. 07.04.1989 – V ZR 252/87, NJW 1989, 2122; OLG Hamm, Urt. v. 29.09.1992 – 27 U 235/91, Rn. 8; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, a.a.O., § 134 Rn. 24; K/P/B InsO/Bork, a.a.O., § 134 Rn. 58). Der Vertrag selbst enthält keinen Hinweis darauf, dass die Vertragsparteien dies hier ausnahmsweise anders regeln wollten, zumal die Verfügungsbeklagte für einen Teil der zugrundeliegenden Verbindlichkeiten ohnehin persönlich haftete.
13Zwar kommt in dem Fall, dass der mit einem belasteten Gegenstand Bedachte auch die persönliche Schuld des Veräußerers übernimmt, ein entgeltliches Geschäft in Betracht (K/P/B InsO/Bork, a.a.O., § 134 Rn. 58). Entsprechendes gilt, wenn sich die Verfügungsbeklagte etwa persönlich verpflichtet hätte, die bestehenden Kredite bei der D-AG abzulösen. Für beides ist indessen nichts ersichtlich.
14Für den Verfügungskläger spricht eine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde (Senat, Beschl. v. 15.09.2022 – 12 W 12/22, Rn. 10; OLG Hamm, Urt. v. 29.09.1992, a.a.O., Rn. 9; K/P/B InsO/Bork, a.a.O., § 134 Rn. 95; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, a.a.O., § 134 Rn. 49), die von der Verfügungsbeklagten nicht widerlegt worden ist. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – sei es zum Nachweis eines vom Urkundentext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) – beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (BGH, Urt. v. 05.07.2002 – V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165; Urt. v. 05.02.1999 – V ZR 353/97, NJW 1999, 1702, 1703). Die Verfügungsbeklagte hat jedoch schon keinen Tatsachenvortrag gehalten, aus dem sich entnehmen ließe, dass sie sich auf derartige, außerhalb der Urkunde liegende – konkrete – Umstände berufen möchte. Ihr Vorbringen in der Berufungserwiderung ist dafür unzureichend. Dort trägt sie unspezifisch vor, die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils sei nicht unentgeltlich erfolgt, weil der Schuldner im Rahmen der Übertragung von den grundbuchlich abgesicherten Verbindlichkeiten befreit worden sei, die D-AG sei mit 220.000,00 € „abgelöst worden“, die Verbindlichkeit der E-AG in Höhe von 190.000,00 €, für die der Schuldner persönlich gehaftet habe, sei auf dem Grundstück bestehen geblieben und „die Schuld sei von der Antragsgegnerin übernommen worden“. Bei diesem Vorbringen bleibt offen, wer wann aufgrund welcher Vereinbarung persönlich – und nicht nur dinglich – welche Schuld übernommen haben soll. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Verfügungsbeklagten in dem Schriftsatz vom 09.04.2024, wonach sie sich ihrem Mann gegenüber verpflichtet habe, die weiteren Raten der E-AG zu zahlen, und zum Nachweis auf ihren Namen lautende Kontoauszüge vorlegt, wonach sie seit Ende August 2023 monatlich zwei Raten an die E-AG zahlt. Genaueres hat der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten auch in der mündlichen Verhandlung am 11.04.2024 nicht vortragen können.
15Auf eine etwaige nachträglich getroffene Vereinbarung käme es jedenfalls nicht an, denn die Entgeltlichkeit lässt sich nicht nachträglich dadurch begründen, dass bisher nicht miteinander in Beziehung stehende Leistungen nach Leistungsaustausch durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft werden (Senat, Beschl. v. 15.09.2022, a.a.O., Rn. 10; K/P/B InsO/Bork, a.a.O. Rn. 47; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, a.a.O. Rn. 20).
16c) Die Übertragung des Miteigentumsanteils des Schuldners hat zu einer (unmittelbaren) Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO geführt, wobei für die Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO auch eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreichend ist (K. Schmidt InsO/K. Schmidt, a.a.O., § 129 Rn. 56).
17Eine solche ist gegeben, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – IX ZR 185/13, Rn. 23 mwN). Um eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung handelt es sich, wenn sich die Benachteiligung ohne Hinzutreten weiterer Umstände aus der Rechtshandlung selbst ergibt (K. Schmidt InsO/K. Schmidt, a.a.O., § 129 Rn. 57). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der unmittelbaren Benachteiligung ist derjenige der Vollendung der Rechtshandlung iSv § 140 InsO (MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, a.a.O., § 129 Rn. 113; K. Schmidt InsO/K. Schmidt, a.a.O., § 129 Rn. 59). Bei mittelbarer Benachteiligung entscheidet der Zeitpunkt der Prüfung der Anfechtbarkeit, im Zivilprozess also die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz (K. Schmidt InsO/K. Schmidt, a.a.O., § 129 Rn. 59).
18Allerdings kann die Übertragung eines belasteten Grundstücks nur dann eine Benachteiligung des Gläubigers zur Folge haben, wenn der in der Zwangsvollstreckung erzielbare Wert des Grundstücks die vorrangigen Belastungen und die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens übersteigt (BFH, Urt. v. 18.04.2023 – VII R 20/20, Rn. 32; BGH, Urt. v. 20.10.2005 – IX ZR 276/02, Rn. 7). Darlegungs- und beweisbelastet für die tatsächlichen Voraussetzungen der Gläubigerbenachteiligung ist, da diese Voraussetzung jedes Anfechtungsanspruchs ist und daher zu den klagebegründenden Umständen gehört, der Anspruchsteller (BGH, Urt. v. 20.10.2005, a.a.O., Rn. 9), mithin der Verfügungskläger.
19Gemessen daran ist eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch die unentgeltliche Weggabe des Miteigentumsanteils zu bejahen.
20aa) Da es für die Beurteilung dieser Frage auf den Zeitpunkt iSv § 140 InsO ankommt, ist eine wertausschöpfende Belastung des Miteigentumsanteils nicht gegeben.
21Der danach maßgebliche Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Eintragung der Verfügungsbeklagten als Alleineigentümerin im Grundbuch am 29.06.2023.
22Eine Rechtshandlung gilt nach § 140 Abs. 1 InsO als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Einheitliche Rechtshandlungen, die – wie hier – aus mehreren Teilakten bestehen, sind erst mit dem letzten zur Erfüllung ihres Tatbestandes erforderlichen Teilakt abgeschlossen (BT-Drs. 12/2443, S. 166; MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, a.a.O., § 140 Rn. 7). Bei Grundstücksübertragungen ist dies der Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch (BGH, Urt. v. 19.05.2009 – IX ZR 129/06, Rn. 21; Urt. v. 26.04.2001 - IX ZR 53/00, NJW 2001, 2477, 2479, jeweils mwN). Gemäß § 140 Abs. 2 InsO gilt die Handlung jedoch bereits als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem die übrigen für das Wirksamwerden der Rechtshandlung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, die vom Schuldner abgegebene Willenserklärung für ihn bindend geworden ist und der andere Teil die Eintragung beantragt hat (BGH, Urt. v. 19.05.2009, a.a.O., Rn. 22; Urt. v. 26.04.2001, a.a.O.).
23Grundsätzlich liegt die Darlegungs- und Beweislast für den Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung beim Insolvenzverwalter. Wer indessen aus einem früheren Zeitpunkt nach Maßgabe des § 140 Abs. 2 InsO etwas für sich herleiten will, muss die Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich das Eingreifen des Absatzes 2 Satz 1 bzw. Satz 2 ergibt (BGH, Urt. v. 19.05.2009, a.a.O., Rn. 22; v. 05.02.1998 – IX ZR 43/97; MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, a.a.O., § 140 Rn. 69 f. mwN).
24Hierzu ist von Seiten der Verfügungsbeklagten nichts vorgetragen. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass sie – wie es aber nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich wäre (BGH, Urt. v. 19.05.2009 – IX ZR 129/06, Rn. 21; Urt. v. 26.04.2001 - IX ZR 53/00, NJW 2001, 2477, 2479) – den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung / Vormerkung selbst gestellt hat. Nach dem notariellen Vertrag war vielmehr der Notar antragsberechtigt, aber auch von den Parteien bevollmächtigt, den Antrag wieder zurückzunehmen. Das ist unzureichend. Denn § 140 Abs. 2 InsO erfordert, dass der andere Teil – die Verfügungsbeklagte – eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat, die ihm ohne sein Mitwirken nicht mehr entzogen werden kann (BGH, Urt. v. 19.05.2009, a.a.O., Rn. 22; K/P/B InsO/Bartels, a.a.O., § 140 Rn. 160; Reul/Heckschen/Wienberg, InsR, 3. Aufl. 2022, § 3 Rn. 168). Dem dürften zudem die Regelungen in § 4 Nr. 1 Satz 2 des Vertrages entgegenstehen. Nach § 2 Nr. 3 Satz 2 des Vertrages sollten die Rechte in Abt. II lfd. Nr. 1 und Abt. III lfd. Nrn. 3 – 5 vor der Eigentumsübertragung gelöscht werden. Ob und wann der Notar über die hierfür gemäß § 4 Nr. 1 Satz 2 des Vertrages notwendigen Unterlagen verfügte, hing jedoch vom Willen und der Möglichkeit des Schuldners ab. Nach dem letzten Vortrag der Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 09.04.2024 war die insolvente i-KG, deren persönlich haftender Komplementär der Schuldner war, die alleinige Schuldnerin jedenfalls eines der Kredite bei der D-AG, so dass nur der Schuldner die entsprechenden Unterlagen beibringen konnte.
25Ungeachtet dessen unterläge auch die Vormerkung selbst der Anfechtung nach § 134 InsO.
26Darüber hinaus ließe sich jedoch auch für die früheren, nach § 140 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 InsO in Betracht kommenden Zeitpunkte eine wertausschöpfende Belastung nicht feststellen.
27bb) Zum Zeitpunkt der Eintragung der Verfügungsbeklagten in das Grundbuch als Alleineigentümerin bestand bereits nach ihrem eigenen Vorbringen keine wertausschöpfende Belastung des übertragenen Miteigentumsanteils.
28Nach dem von der Verfügungsbeklagten in Bezug genommenen Wertgutachten der U-GmbH vom 06.12.2012 betrug der Grundstückswert zum Bewertungsstichtag des 07.11.2012 580.000,00 €. Dies soll nach ihrem erstinstanzlichen Vortrag auch dem heutigen Wert entsprechen. Nach ihrem zwischenzeitlichen Vorbringen in der Berufungserwiderung beträgt der Wert sogar nur 571.000,00 €. Bringt man von dem zuletzt genannten Betrag im Hinblick auf das bestehende Versteigerungsrisiko einen Abschlag in Höhe von geschätzten 20 % – ein höherer Abschlag ist aus Sicht des Senats aufgrund der guten Wohnlage des Grundstücks und des guten Zustandes des darauf errichteten Hauses nicht gerechtfertigt – in Abzug, verbleibt ein durch die Versteigerung zu erzielender, geschätzter Betrag von 456.800,00 €. Hiervon in Abzug zu bringen sind die in Höhe von rund 190.000,00 € valutierenden Grundschulden der E-AG, die beide auf dem gesamten Grundstück liegen. Auch unter Berücksichtigung weiterer Zwangsversteigerungskosten verbleibt damit ein über 250.000,00 € liegender Betrag, von dem die Hälfte auf den Miteigentumsanteil des Schuldners entfällt.
29Zum Zeitpunkt der Eintragung der Verfügungsbeklagten valutierten weitere Grundpfandrechte nicht mehr. Die Sicherungshypotheken zugunsten der M-AG und der N-Gesellschaft mit beschränkter Haftung valutierten ausweislich des notariellen Vertrages vom 10.02.2023 bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Auch die ursprünglich noch mit 219.000,00 € valutierende Grundschuld zugunsten der D-AG war bis dahin getilgt; davon ist auszugehen, weil das Amtsgericht Krefeld das von der D-AG eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren mit Beschluss vom 30.05.2023 aufgehoben hatte, nachdem der Zwangsversteigerungsantrag zurückgenommen worden war. Außerdem hätten dem Notar ansonsten nicht die für die Löschung dieses Grundpfandrechts und des Versteigerungsvermerks sowie für die Eintragung der Verfügungsbeklagten als Alleineigentümerin notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestanden, wie es aber notwendige Voraussetzung für die Übertragung des Miteigentumsanteils war.
30Selbst wenn man allerdings – entsprechend der die Regelungen des § 140 InsO zu Unrecht außer Acht lassenden Argumentation der Verfügungsbeklagten – die bei Vertragsschluss im Februar 2023 noch mit 219.000,00 € valutierende Grundschuld der D-AG in Ansatz bringen wollte, würde es immer noch an einer wertausschöpfenden Belastung fehlen. Die Grundschuld der D-AG ist auf das ganze Grundstück und nicht allein auf den Miteigentumsanteil des Schuldners eingetragen gewesen, weshalb die 219.000,00 € von dem Wert des ganzen Grundstücks in Abzug zu bringen sind. Auch bei der Verteilung des Erlösüberschusses aus der Teilungsversteigerung eines Grundstücks ist der jeweiligen Belastung der Miteigentumsanteile Rechnung zu tragen (BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 124/06, Rn. 13). Dementsprechend kommt entgegen der Annahme der Verfügungsbeklagten eine alleinige Zurechnung der Grundschuld auf den Miteigentumsanteil des Schuldners jedenfalls bei der Frage der wertausschöpfenden Belastung nicht in Betracht. Deshalb verbliebe in diesem Fall immer noch ein überschießender Betrag in Höhe von mindestens 31.000,00 €, von dem die Hälfte auf den Miteigentumsanteil des Schuldners entfiele.
312. Darüber hinaus ergibt sich der Verfügungsanspruch auch aus §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 130 Abs. 1 Nr. 2, 130 Abs. 3 InsO iVm § 818 BGB.
32Die Übertragung des Miteigentumsanteils auf die Verfügungsbeklagte hat ihr eine Befriedigung iSv § 130 Abs. 1 InsO gewährt, die zu einer (unmittelbaren) Gläubigerbenachteiligung geführt hat. Die Rechtshandlung wurde zu einem Zeitpunkt vorgenommen, der nach dem am 29.03.2023 vom Schuldner gestellten Eigenantrag liegt. Denn auch hier kommt es nach Maßgabe des § 140 Abs. 1 InsO auf den letzten, das Rechtsgeschäft vollendenden Akt (MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, a.a.O., InsO § 130 Rn. 26), mithin die Eintragung der Verfügungsbeklagten als Alleineigentümerin im Grundbuch, an. Die Verfügungsbeklagte wusste, dass der Schuldner, ihr Ehemann, zahlungsunfähig war und den Eröffnungsantrag gestellt hatte. Dies wird nach § 130 Abs. 3 InsO vermutet. Da § 130 Abs. 3 InsO insoweit eine gesetzliche Beweislastumkehr und nicht nur eine tatsächliche Vermutung bewirkt (MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, a.a.O. § 130 Rn. 67), hätte es der Verfügungsbeklagten als nahestehender Person oblegen, ihre Unkenntnis voll zu beweisen. Allerdings fehlt es vorliegend bereits an jedem Vortrag.
33Schließlich sind auch die Voraussetzungen einer Anfechtbarkeit nach § 132 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 InsO erfüllt, weil die Übertragung des Miteigentumsanteils zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung geführt hat, die Handlung nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde und die Verfügungsbeklagte wusste, dass ihr Ehemann zahlungsunfähig war und einen Eröffnungsantrag gestellt hat.
343. Der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrunds bedarf es im vorliegenden Fall nicht. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 885 Abs. 1 Satz 2, 899 Abs. 2 Satz 2 BGB. Das den Rückgewähranspruch sichernde Verfügungsverbot entfaltet – vom Fall der Insolvenz abgesehen – dieselben Wirkungen wie eine Vormerkung. Es ist daher anerkannt, das durch einstweilige Verfügung anzuordnende Verfügungsverbot nach § 938 Abs. 2 ZPO wie die Eintragung einer Vormerkung zu behandeln (OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.11.2009 – 3 W 63/09, NZI 2010, 277, 278; OLG Hamm, Beschl. v. 30.06.2009 – I-27 W 21/09, BeckRS 2011, 3882; OLG Koblenz, Urt. v. 12.11.1992 – 6 U 1310/92, NJW-RR 1993, 1343, 1344; MüKoAnfG/Weinland, a.a.O., § 13 Rn. 70 mwN).
35Nicht entschieden werden muss die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob es sich bei den in diesen Normen enthaltenen Erleichterungen um eine widerlegbare Vermutung handelt (so: OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 19.08.2019 – 21 U 11/19, Rn. 39; OLG Celle, Urt. v. 05.03.2015 – 13 U 12/15, Rn. 4; a.A.: MüKoBGB/Lettmaier, 9. Aufl. 2023, § 885 Rn. 7; BeckOGK BGB/Assmann, 01.02.2024, § 885 Rn. 58, jeweils mwN). Selbst wenn man dies annehmen wollte, wäre vorliegend die Dringlichkeitsvermutung nicht durch zu langes Zuwarten des Verfügungsklägers im Sinne einer Selbstwiderlegung ausgeräumt worden. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wurde in jedem Fall in hinreichend vernünftiger zeitlicher Nähe gestellt. Hierbei war zu berücksichtigen, dass das Insolvenzverfahren erst am 19.09.2023 eröffnet worden war und deshalb zu diesem Zeitpunkt der Anfechtungsanspruch erst entstehen konnte. Auch war eine rechtliche und tatsächliche Prüfung des Anspruchs erforderlich. Insbesondere war in diesem Zusammenhang der Frage des Wertes des Grundstücks nachzugehen. Die hierbei entstandenen Verzögerungen sind dem Verfügungskläger nicht anzulasten, da sie im Wesentlichen aus der Sphäre der Verfügungsbeklagten stammen. Nach dem unstreitig gebliebenen Vorbringen des Verfügungsklägers in der Berufungsbegründung konnte die am 11.10.2023 beauftragte Begutachtung des Grundstücks, bei der nachvollziehbarer Weise eine Besichtigung des Grundstücks vorgesehen war, zunächst wegen des Schuldners nicht erfolgen, weil dieser angab, aufgrund eines REHA-Aufenthaltes in den nächsten Wochen verhindert zu sein. Der sodann für die Besichtigung des Grundstücks am 07.11.2023 vereinbarte Termin konnte nicht stattfinden, weil die Verfügungsbeklagte dem Gutachter den Zutritt zur Immobilie verweigerte. Nachdem das Gutachten schließlich am 16.01.2024 vorlag, hat der Verfügungskläger unverzüglich am 19.01.2024 den Erlass der einstweiligen Verfügung beantragt.
36II.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
38Eine Vollstreckbarerklärung ist nicht erforderlich. Keiner Vollstreckbarkeitserklärung bedürfen Urteile, die mit ihrer Verkündung rechtskräftig werden, und Urteile, durch die ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung erlassen oder bestätigt wird (MüKoZPO/Götz, 6. Aufl. 2020, § 708 Rn. 3). Beides ist hier gegeben. Nach § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO findet die Revision nicht statt.
39Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 150.000,00 € festgesetzt.