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Auf die sofortige Beschwerde der A.- GbR wird der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 22.11.2022 aufgehoben und das Landgericht Düsseldorf angewiesen, der A.-GbR eine zweite vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils vom 23.03.2018 nebst Rechtsnachfolgeklausel zu ihren Gunsten zu erteilen.
Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
2I.
3Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils des Landgerichts Düsseldorf vom 23.03.2018 nebst Rechtsnachfolgeklausel zu ihren Gunsten.
4Dem Schuldner wurde unter dem 27.11.2017 die Klage der Gläubigerin (B.- GmbH) zugestellt. Das Landgericht Düsseldorf erließ unter dem 23.03.2018 zugunsten der Gläubigerin gegen den Schuldner ein Versäumnisurteil (Bl. 42 der Akte) und unter dem 24.09.2018 ein zweites Versäumnisurteil (Bl. 112 der Akte).
5Die Gläubigerin erteilte der C.- PartmbB unter dem 10.04.2018 die Vollmacht, u.a. bezogen auf den Schuldner ihre Interessen in allen Instanzen bei Gerichten wahrzunehmen (Bl. 168 der Akte). Im Folgenden betrieb die Gläubigerin aus dem ersten Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner, indem sie zu ihren Gunsten eine Zwangssicherungshypothek auf dem Grundstück des Schuldners eintragen ließ. Die Forderung aus dem Vollstreckungstitel ist nur teilweise erfüllt. Auf die zur Akte gereichte Forderungsaufstellung wird Bezug genommen (Bl. 158 der Akte).
6Am 00.00.2020 wurde die Gläubigerin wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf gelöscht (Bl. 169 der Akte).
7Auf Antrag des hiesigen Schuldners wurde dessen späterer hiesiger Prozessbevollmächtigter durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 04.12.2020 als Nachtragsliquidator der Gläubigerin bestellt (Bl. 165 f. der Akte). Als Aufgabenkreis sind im Beschluss u.a. die Erteilung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der in Rede stehenden Zwangssicherungshypothek und der Einholung des der Eintragung der Hypothek zugrundeliegenden Titels sowie Aushändigung dieses an den Schuldner aufgeführt. Dementsprechend ließ der Nachtragsliquidator die Zwangssicherungshypothek auf dem Grundstück des Schuldners löschen, erhielt den Vollstreckungstitel vom Vollstreckungsgericht heraus und übergab ihn an den Schuldner, der die Titelherausgabe verweigert.
8Die A.-GbR (Beschwerdeführerin), bestehend aus den Gesellschaftern D., E., F.und G., hat unter dem 27.09.2022 beantragt,
9eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils des Landgerichts Düsseldorf vom 23.03.2018 für ihre Gesellschaft als weitere vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen.
10Sie hat hierzu vorgetragen, sie sei Rechtsnachfolgerin der ursprünglich von der Gläubigerin gegen den Schuldner geltend gemachten Forderung, die noch nicht vollständig erfüllt sei. Diese Forderung habe die Gläubigerin ihr mit Vereinbarung vom 22.12.2017 abgetreten (Anlage ASt 1, Bl. 191 ff. der Akte). Zur Glaubhaftmachung der Abtretung bezieht sie sich auf notariell beglaubigte Abtretungsbestätigungen der Zedentin (Gläubigerin) und der Mitglieder der Zessionarin (Anlage ASt 2 bis ASt 5, Bl. 196 ff. der Akte).
11Sie hat die Auffassung vertreten, die Vereinbarung vom 22.12.2017 sei hinreichend bestimmt. Herr H. habe als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der ursprünglichen Gläubigerin gehandelt. Einer textlich gesondert ausgewiesenen Annahme der Abtretung habe es nicht bedurft, weil diese bereits durch die Formuliereng „vereinbaren“ impliziert sei. Dem Schuldner drohe keine Mehrfachvollstreckung, da er den Vollstreckungstitel habe. Daher sei ihr eine weitere vollstreckbare Ausfertigung des Titels zu erteilen.
12Mit Beschluss vom 22.11.2022 hat das Landgericht den Antrag der A.- GbR vom 27.09.2022 auf Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel gem. § 727 ZPO zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht wie erforderlich dargelegt worden sei, dass die erste vollstreckbare Ausfertigung im Sinne des § 733 ZPO abhandengekommen sei. Ob die Herausgabe der Ausfertigung an den Nachtragsliquidator zu Recht erfolgt sei, wäre im dortigen Rechtsmittelverfahren zu klären gewesen, nicht im formalisierten Klauselverfahren.
13Diesen Beschluss übermittelte das Landgericht formlos an den Schuldner selbst unter Beifügen der Antragsschrift, eines gerichtlichen Hinweises an die Antragstellerin/spätere Beschwerdeführerin und deren Antwortschreibens vom 10.11.2022.
14Gegen den ihr am 23.11.2022 zugestellten vorstehenden Beschluss hat die A.- GbR unter dem 28.11.2022 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Begehren unter Wiederholung ihres Vortrags und ihrer Rechtsauffassung weiter verfolgt.
15Mit Beschluss vom 30.11.2022 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Eine Abschrift des Beschlusses nebst dem Beschwerdeschreiben übermittelte das Landgericht dem Schuldner selbst formlos.
16Im Beschwerdeverfahren ist dem Schuldner über seinen Prozessbevollmächtigten rechtliches Gehör unter Übersendung der maßgeblichen Schreiben/Entscheidungen gewährt worden.
17Der Schuldner beantragt nunmehr,
181. die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 28.11.2022 gegen den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf zu dem Aktenzeichen 3 O 260/17 vom 22.11.2022 als unzulässig zu verwerfen;
192. hilfsweise die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 28.11.2022 gegen den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf zu dem Aktenzeichen 3 O 260/17 vom 22.11.2022 zurückzuweisen.
20Der Schuldner verteidigt die landgerichtliche Entscheidung. Darüber hinaus ist er der Ansicht, der Antrag vom 27.09.2022 sei bereits unzulässig, weil die Antragstellerin die behauptete Rechtsnachfolge durch Abtretung nicht nachgewiesen habe. Die Abtretung ergebe sich nicht aus der Anlage ASt 1. Die Abtretungserklärung sei nicht ausreichend spezifiziert und damit unbestimmt. Sie erfasse nicht die vermeintliche Forderung aus dem Urteil. Dies ergebe sich auch daraus, dass Hintergrund des gegenständlichen Versäumnisurteils eine vermeintliche Bürgschaftsschuld des Schuldners gewesen sei, welche die Eheleute F. und G. mit Vereinbarung vom 17.03.2016 an die B. abgetreten haben sollen. Eine Rückabtretung dieser vermeintlichen Ansprüche sei dann ganz sicher nicht durch die Vereinbarung vom 22.12.2017 erfolgt. Im Übrigen fehle es an einem wirksamen Abtretungsvertrag, da es jedenfalls an der Annahmeerklärung der Beschwerdeführerin fehle. Es werde zudem bestritten, dass Herr H. die Unterschrift unter der Vereinbarung für die B. abgegeben habe. Im Zeitpunkt der Abfassung der Darlehensrückführungsvereinbarung am 22.12.2017 habe das Urteil des Landgerichts vom 23.02.208 – mithin die vermeintliche Forderung – zudem noch nicht existiert.
21II.
22Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist gem. § 11 Abs. 1 PRpflG i.V.m. § 567 ZPO statthaft (BGH Beschl. v. 26.8.2020 – VII ZB 39/19, BeckRS 2020, 23528 Rn. 12, beck-online) sowie form- und fristgerecht erhoben worden.
23Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
241. Die Beschwerdeführerin hat einen Anspruch, dass ihr eine weitere vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils vom 23.03.2018 als Rechtsnachfolgerin der Gläubigerin erteilt wird.
25Die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel nach § 727 Abs. 1 ZPO setzt das Vorliegen der allgemeinen Klauselvoraussetzungen sowie den Nachweis einer Rechtsnachfolge voraus. Sind diese Voraussetzungen gegeben, muss die Klausel trotz der Formulierung „kann“ erteilt werden (RGZ 57, 326, 329 f.; BeckOK ZPO/Ulrici, 46. Ed. 1.7.2022, ZPO § 727 Rn. 20).
26a) Die allgemeinen Klauselvoraussetzungen liegen vor. Das in Rede stehende Versäumnisurteil ist ein äußerlich wirksames Urteil, welches auch nachfolgend nicht aufgehoben worden ist. Das Versäumnisurteil hat einen vollstreckungsfähigen und klauselbedürftigen Inhalt. Der Titel ist vollstreckungsreif.
27b) Die Antragstellerin ist gem. § 727 Abs. 1 ZPO als Rechtsnachfolgerin klauselberechtigt. Sie hat den Nachweis der Rechtsnachfolge der Gläubigerin geführt.
28Vorliegend ist Rechtsnachfolge als Einzelrechtsnachfolge auf der Gläubigerseite mit Erwerb des titulierten Anspruchs seitens der Antragstellerin, hier der Abtretung, eingetreten.
29aa) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Nachweis der Rechtsnachfolge durch öffentlich beglaubigte Urkunden geführt, wenn aufgrund der Beweiskraft dieser Urkunden mit dem Eintritt der nachzuweisenden Tatsache dem gewöhnlichen Geschehensablauf nach gerechnet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2017 – VII ZB 23/14 –, Rn. 15, juris; BGH, Beschluss vom 13. Januar 2021 – VII ZB 30/18 –, Rn. 17, juris). Der urkundliche Nachweis einer Rechtsnachfolge aufgrund Abtretung erfordert danach bei der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für den Rechtsnachfolger gemäß § 727 Abs. 1 ZPO nicht notwendig die Vorlage einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde, die die Abtretung selbst enthält. Vielmehr kann es als Nachweis ausreichen, wenn eine öffentlich beglaubigte Abtretungsbestätigung seitens des Zedenten und des Zessionars vorgelegt wird, in der hinreichend konkret auf die zuvor erfolgte Abtretung Bezug genommen und diese bestätigt wird. Denn dem gewöhnlichen Geschehensablauf nach kann bei einer derartigen Bestätigung davon ausgegangen werden, dass die darin konkret in Bezug genommene und bestätigte Abtretung erfolgt ist (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2019 – VII ZB 87/17 –, Rn. 29, juris).
30Den Nachweis im vorstehendem Sinne hat die Antragstellerin durch Vorlage der Kopie der notariell beglaubigten Abtretungsbestätigung des zum Zeitpunkt der Abtretung als Geschäftsführer für die Gläubigerin, die Zedentin, handelnden H. (Bl. 196 f. der Akte) sowie der Kopien der notariell beglaubigten Abtretungsbestätigungen der Mitglieder der Antragstellerin (Zessionarin) (Bl. 198 ff. und 201 ff., 208 ff. der Akte) geführt. In den Abtretungsbestätigungen wird ausdrücklich Bezug auf die „anliegende Kopie der Darlehensrückführungsvereinbarung mit Abtretung zwischen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Bezeichnung „A.-GbR“ als Zessionarin und der B.- GmbH [Gläubigerin und Zedentin] […] vom 22.12.2017“ Bezug genommen.
31bb) Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretung.
32(1) Eine wirksame Abtretung setzt die Bestimmtheit der abgetretenen Forderung voraus. Nicht nur für die Vertragsparteien, sondern für jeden, der die Parteiabsprachen kennt (insbesondere den oder die Schuldner), muss ohne nennenswerte zusätzliche Informationen ersichtlich sein, ob und ggf. in welcher Höhe die Forderung übergehen soll. Dies ist vorliegend der Fall, denn nach Ziffer II. 1. der Vereinbarung vom 22.12.2017 haben die Zedenten (u.a. die B.-GmbH) ihre sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen, bedingt oder unbedingt bestehenden Forderungen gegenüber allen Dritten nebst aller dafür bestellter Sicherheiten an die Zessionarin (die Beschwerdeführerin) abgetreten, soweit sie nicht bereits abgetreten worden sind.
33Die B.-GmbH hat im vorliegenden Verfahren gegen den Schuldner eine Bürgschaftsschuld geltend gemacht, welche später durch rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil festgestellt worden ist. Dass sie diese Forderung ihrerseits von den Eheleuten F./G. (Mitglieder der Zessionarin) aufgrund der Vereinbarung vom 16.03.2016 erhalten hat, spricht nicht dagegen, dass die Forderung von der Vereinbarung vom 22.12.2017 erfasst ist. Denn zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 22.12.2017 war die Forderung eine der B.- GmbH. Sie ist von der Abtretung auch nicht durch den Passus in der Vereinbarung vom 22.12.2017 „soweit sie nicht bereits abgetreten worden sind“ ausgeschlossen, denn damit werden nur Forderungen ausgenommen, welche die Zedenten vor der Vereinbarung ihrerseits bereits an Dritte abgetreten hatten und deswegen nicht mehr wirksam abtreten konnten. Dass die Forderung nicht in der Tabelle der Anlage 1 zur Vereinbarung vom 22.12.2017 aufgelistet war, ist unschädlich. Die Tabelle diente nach Ziffer II. 2. ausdrücklich keiner abschließenden Aufzählung der von der Abtretungsvereinbarung erfassten Forderungen. Auch der Umstand, dass die Forderung erst nach der Abtretungsvereinbarung rechtskräftig festgestellt worden ist, spricht, anders als der Schuldner meint, ebenfalls nicht gegen eine wirksame Abtretung; es genügt, dass sie entstanden war und der B.- GmbH zustand.
34(2) Anders als der Schuldner meint, hat Herr H. seine Willenserklärungen ausweislich der Vereinbarung vom 22.12.2017 ausdrücklich nicht nur mit Wirkung für sich selbst, sondern auch in seiner Eigenschaft als Vertretungsberechtigter u.a. der B.-GmbH abgegeben. Auf Ziffer VI. der Vereinbarung wird insoweit Bezug genommen.
35(3) Die Wirksamkeit der Abtretung scheitert schließlich nicht an einer Annahme seitens der Zessionarin (Beschwerdeführerin). Aus der Vereinbarung geht hervor, dass die Mitglieder der Zessionarin die Abtretungsvereinbarung ihrerseits unterzeichneten und hiermit konkludent die Annahme erklärt haben. Zum Nachweis der Abtretung wird zudem auf die Abtretungsbestätigungen (Anlagen ASt 2-5) Bezug genommen.
36cc) Da der hier in Rede stehende Vollstreckungstitel im Klageverfahren erstritten worden ist, ist weitere Voraussetzung, dass der Wechsel der Anspruchsinhaberschaft nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Anspruchs erfolgt ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1992 – VIII ZR 218/91 –, BGHZ 120, 387-396, Rn. 19). Dies ist vorliegend der Fall, denn die Klage mit dem dem Titel zugrunde liegenden Anspruch ist dem Schuldner am 27.11.2017 zugestellt worden. Die Abtretung erfolgte zeitlich danach, am 22.12.2017.
37c) Die hier vorliegende Konstellation, dass ein Rechtsnachfolger eine Vollstreckungsklausel zu seinen Gunsten begehrt, nachdem bereits eine vollstreckbare Ausfertigung an den Rechtsvorgänger erteilt wurde, findet im Wortlaut des § 727 ZPO keine besondere Berücksichtigung. Faktisch entspricht dies jedoch dem Fall, dass der Titelgläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung beantragt (BeckOK ZPO/Ulrici, 46. Ed. 1.7.2022, ZPO § 727 Rn. 27; MüKoZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl. 2020, ZPO § 727 Rn. 65).
38Damit sind für eine Klauselerteilung auch die Voraussetzungen des § 733 ZPO für eine weitere vollstreckbare Ausfertigung zu erfüllen.
39aa) Der Schuldner hat Gelegenheit zur Äußerung zum Antrag der Rechtsnachfolgerin erhalten. Soweit das Landgericht zuvor dem Schuldner nur unmittelbar Gehör verschaffte, erhielt der Schuldner durch das Beschwerdegericht auch unter Einbindung seines Prozessbevollmächtigten rechtliches Gehör.
40bb) Aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung und dem Normzweck des § 733 ZPO folgt, dass – wenn nicht die erteilte Ausfertigung zurückgegeben wird (wie hier) – eine weitere vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden soll, wenn der Gläubiger – hier der Rechtsnachfolger – hierfür ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und nicht überwiegende Interessen des Schuldners entgegenstehen (Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2012 – I-7 W 56/12 –, Rn. 7, juris; BeckOK ZPO/Ulrici, 46. Ed. 1.7.2022, ZPO § 733 Rn. 5; MüKoZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl. 2020, ZPO § 733 Rn. 12).
41(1) Ein schützenswertes Interesse des Gläubigers – bzw. hier der Rechtsnachfolgerin – besteht grundsätzlich auch, wenn ihm die erste Ausfertigung nicht mehr zur Verfügung steht, und zwar nicht nur bei Verlust, sondern auch dann, wenn der Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung zurückerlangt hat. Unterschiedlich beurteilt wird allerdings, ob und in welchem Umfang bei Zurückerhalt des Titels seitens des Schuldners weitere Voraussetzungen zu prüfen sind.
42Soweit vertreten wird, dass es nicht darauf ankomme, ob die vollstreckbare Ausfertigung zu Recht oder zu Unrecht zurückgegeben worden sei (vgl. MüKoZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl. 2020, ZPO § 733 Rn. 13), spricht in dieser Allgemeinheit dagegen, dass dann in der Praxis die Klage auf Herausgabe des Titels seitens des Schuldners etwa bei vollständiger Erfüllung im Ergebnis bedeutungslos wäre (Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2012 – I-7 W 56/12 –, Rn. 9, juris).
43Einen vollständigen Nachweis zur Berechtigung zur weiteren Vollstreckung zu verlangen, würde wiederum die Möglichkeiten des Klauselerteilungsverfahrens sprengen und den Grundsatz verletzen, dass der Erfüllungseinwand im Wege der Klage gem. § 767 ZPO geltend zu machen ist (Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2012 – I-7 W 56/12 –, Rn. 10, juris – siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012 – VII ZB 62/12 –, Rn. 2, juris, nach dessen Auffassung unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss der Einwand der Erfüllung der titulierten Forderung im Wege der Vollstreckungsabwehrklagte geltend zu machen ist).
44Erforderlich – aber auch ausreichend – ist daher, dass der Gläubiger – hier die Rechtsnachfolgerin – die weitere Berechtigung zur Zwangsvollstreckung glaubhaft macht (Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2012 – I-7 W 56/12 –, Rn. 12, juris).
45Dies ist vorliegend erfolgt, denn zum einen hat die Antragstellerin dargestellt, dass der Schuldner ohne ihr oder ihrer Rechtsvorgängerin Zutun und Willen, in den Besitz des Titels gekommen ist. Zum Zeitpunkt der Herausgabe der ersten vollstreckbaren Ausfertigung an den Schuldner war die Abtretung an die Beschwerdeführerin bereits erfolgt, so dass in der Herausgabe keine der Beschwerdeführerin womöglich zuzurechnende Rechtshandlung zu erkennen ist. Zum anderen ist mit einer zur Akte gereichten Forderungsaufstellung dargetan, dass die Vollstreckung aus dem Titel noch nicht mangels Erfüllung abgeschlossen ist. Dem Schuldner bleibt die Möglichkeit, mit Hilfe einer Klage nach § 767 ZPO zu klären, ob entgegen dem Vortrag der Antragstellerin die titulierte Forderung erfüllt ist oder sonstige Einwendungen der Vollstreckung entgegenstehen.
46(2) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung überwiegende Interessen des Schuldners entgegenstehen, zumal der Schuldner im Besitz der ersten vollstreckbaren Ausfertigung ist und keine doppelte Vollstreckung droht.
472. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 788 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2012 – I-7 W 56/12 –, Rn. 17).
483. Die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO ist nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.
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