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Der Angeklagte wird wegen Verabredung einer schweren Brandstiftung und wegen versuchter Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren und neun Monaten
verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
2– abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO –
3Vorbemerkung:
4Der Angeklagte verabredete im November 2022 mit einem im Interesse staatlicher Stellen der Islamischen Republik Iran handelnden Auftraggeber einen Brandanschlag auf die Synagoge in Stadt 4. Für dieses Vorhaben versuchte er – letztlich vergeblich –, einen Freund als Mittäter zu gewinnen. Der Angeklagte verfolgte die Tat zunächst allein weiter, nahm jedoch vor Ort aus Angst vor Entdeckung von der weiteren Durchführung Abstand und warf den Brandsatz stattdessen auf die nahegelegene D.-Schule, um seinem Auftraggeber die Tatausführung oder wenigstens entsprechende Bemühungen vorzuspiegeln.
5Das Urteil beruht nicht auf einer Verständigung gemäß § 257c StPO.
6Inhaltsverzeichnis:
7A. Feststellungen
8I. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten
9II. Tatgeschehen
101. Tat 1: Verabredung eines Anschlags auf die Synagoge in Stadt 4
112. Tat 2: Wurf des Brandsatzes auf die D.-Schule
123. Nachtatgeschehen
134. Geschehen an der Synagoge in Stadt 5 am 17. November 2022
14B. Beweiswürdigung
15I. Einlassung
16II. Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten
17III. Zum Tatgeschehen
181. Zu Tat 1: Verabredung eines Anschlags auf die Synagoge in Stadt 4
192. Zu Tat 2: Wurf eines Brandsatzes auf die D.-Schule
203. Zum Nachtatgeschehen
214. Zum Geschehen an der Synagoge in Stadt 5 am 17. November 2022
225. Zum staatlichen Hintergrund der Anschlagsplanung und Kenntnis des Angeklagten
23C. Rechtliche Würdigung
24I. Tat 1: Verabredung eines Anschlags auf die Synagoge in Stadt 4
25II. Tat 2: Wurf eines Brandsatzes auf die D.-Schule
26III. Konkurrenzen
27D. Strafzumessung
28I. Strafrahmen
291. Tat 1: Verabredung eines Anschlags auf die Synagoge in Stadt 4
302. Tat 2: Wurf des Brandsatzes auf die D.-Schule
31II. Strafzumessung im engeren Sinne
32III. Gesamtstrafenbildung
33E. Kostenentscheidung
Der heute 36 Jahre alte Angeklagte wurde im Iran geboren. Seit seinem dritten Lebensjahr lebt er in Stadt 2.
35Nach Abschluss der Hauptschule erlangte er auf einem Weiterbildungskolleg den Realschulabschluss. Er arbeitete zunächst einige Jahre im Vertrieb verschiedener Mobilfunkanbieter und später im Servicebereich eines Finanzdienstleistungsunternehmens sowie im Vertrieb eines Telefonbuchverlags. Im Laufe des Jahres 2021 fasste er den Entschluss, sich im Bereich des Online-Marketings selbständig zu machen. Die mit seinem letzten Arbeitgeber ausgehandelte Freistellungszeit nutzte er im Sommer 2021 für einen siebenwöchigen Aufenthalt im Iran. Nach seiner Rückkehr besuchte er mit finanzieller Unterstützung des Jobcenters diverse Seminare zur Vorbereitung seiner Selbständigkeit. Im Sommer 2022 schloss sich ein weiterer siebenwöchiger Iranaufenthalt an. Nach seiner Rückkehr arbeitete er bei verschiedenen Unternehmen, zuletzt in Teilzeit.
36Der Angeklagte ist seit 2014 mit seiner ebenfalls aus dem Iran stammenden Frau verheiratet. Beide haben einen gemeinsamen Sohn.
37Der Angeklagte sympathisiert mit dem iranischen Regime und teilt dessen israelfeindliche und damit antisemitische Haltung.
38Vorbestraft ist er nicht. Er befindet sich in dieser Sache seit dem 19. November 2022 in Untersuchungshaft.
Der Angeklagte war seit Sommer 2021 mit dem Deutsch-Iraner E. eng befreundet. Dieser war ein prominentes Mitglied der X. und Leiter des Stadt 6er Charters „…..“. Gegen ihn wird unter anderem wegen zwei Mordtaten im Rockermilieu ermittelt. Seit August 2021 wird er in Deutschland und auch international mit Haftbefehlen gesucht. Er setzte sich daraufhin in den Iran ab und führt dort ein luxuriöses Leben, ohne einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dem Angeklagten war spätestens seit seinem ersten Iranaufenthalt im Sommer 2021 bekannt, dass E. in den Iran geflohen war und keine Auslieferung nach Deutschland zu befürchten hat.
40Während der mehrwöchigen Iranaufenthalte des Angeklagten im Sommer 2021 und 2022 trafen sie sich nahezu täglich und verbrachten viel Zeit miteinander. Der Angeklagte zeigte sich von dem luxuriösen Lebensstil des E. beeindruckt und ließ sich gerne von ihm einladen.
41Bei einem der letzten Treffen im Sommer 2022 kündigte E. an, vom Angeklagten nach dessen Rückkehr nach Deutschland einen Gefallen einzufordern.
Auf diese Ankündigung kam E. am Mittag des 16. November 2022 in einem über WhatsApp mit dem Angeklagten geführten Videotelefonat zurück. Darin forderte er den Angeklagten auf, einen Molotow-Cocktail auf die Stadt 4er Synagoge zu werfen, um – wie er sagte – ein „Zeichen“ zu setzen. Dabei ging es ihm offenkundig darum, eine die Allgemeinheit erreichende Verunsicherung zu bewirken. Den Auftrag hierzu hatte E. von staatlichen Stellen der Islamischen Republik Iran erhalten. Den staatlichen Hintergrund der Anschlagsplanung nahm der Angeklagte zumindest billigend in Kauf. Zur Ausführung der Tat erteilte E. dem Angeklagten genaue Anweisungen. So sollte der Angeklagte Handschuhe tragen, sein Gesicht verdecken und sein Handy nicht zum Tatort mitnehmen. Außerdem sollte der Angeklagte ihm noch am selben Tag bis 21 Uhr mitteilen, ob er den Auftrag annehme und den Brandanschlag am Folgetag um 23 Uhr ausführen.
43Da der Angeklagte sich nicht zutraute, eine solche Tat alleine zu begehen, fragte er E., ob ihm dessen Vertrauter F. helfen könne. F. erschien dem Angeklagten wegen seines kriminellen Hintergrunds bei den X. hierfür geeignet. E. erklärte, F. habe am Tattag und zur Tatzeit in Stadt 5 bereits eine andere wichtige Aufgabe für ihn zu erledigen und stehe deshalb nicht zur Verfügung. Er stellte dem Angeklagten jedoch frei, sich einen anderen Helfer zu suchen, ohne diesem jedoch den Anschlagsort zu offenbaren.
Der Angeklagte versuchte daraufhin den mit ihm befreundeten Zeugen G. für die Tatausführung zu gewinnen.
Bei einem ersten Treffen, das am gleichen Tag nach 18 Uhr an der Aral-Tankstelle im Stadt 2er Hafen stattfand, fragte er G., ob er ihm helfen würde, da er „etwas tun müsse“. Nachdem G. – ohne zu wissen, worum es ging –, seine Hilfe anbot, offenbarte ihm der Angeklagte, dass er den Auftrag habe, einen Brandanschlag auf eine Synagoge zu verüben. Da E. ihm aufgegeben hatte, den Anschlagsort nicht preiszugeben, G. dies jedoch wissen wollte, erklärte ihm der Angeklagte zunächst, es gehe um die Synagoge in Stadt 2. Außerdem sprachen sie darüber, dass einer von beiden Benzin um das Gebäude vergießen und der andere einen Molotow-Cocktail auf das Gebäude werfen werde. G. war von dem Ansinnen des Angeklagten geschockt und riet ihm von einem Anschlag auf die Synagoge in Stadt 2 schon wegen der dort herrschenden Polizeipräsenz dringend ab. Der Angeklagte signalisierte, dass er nicht auf die Stadt 2er Synagoge festgelegt sei und gab G. bis 21 Uhr Bedenkzeit.
Kurz nach diesem Treffen schrieb der Angeklagte dem E. in der Annahme, G. werde mitmachen, gegen 19 Uhr über WhatsApp die Nachricht: „Ist ok“. Als E. fragte, was das heiße, antwortete ihm der Angeklagte sogleich: „Du brauchst nicht bis 21:00 Uhr zu warten ist ok“.
Nachdem sich G. bis 21 Uhr nicht gemeldet hatte, verabredete sich der Angeklagte mit ihm am selben Abend erneut an der Aral-Tankstelle. Von dort aus fuhren sie an den Stadt 2er Wall. Während der Angeklagte bei dem Treffen ankündigte, die weitere Tatvorbereitung zu übernehmen, erklärte ihm G., er wolle sich an einer solchen Tat nicht beteiligen. Der Angeklagte versuchte, ihn umzustimmen und zu einer Mithilfe zu gewinnen. Das Treffen endete weit nach Mitternacht damit, dass G. den Angeklagten vertröstete, indem er oberflächlich seine Bereitschaft zur Mitwirkung signalisierte und erklärte, sie würden am nächsten Tag weiter darüber sprechen.
Am Vormittag des nächsten Tages erinnerte E. den Angeklagten in einem zweiten Videotelefonat an die Verabredung der Tat und seine Vorgaben zur Tatausführung.
49Gegen Mittag erwarb der Angeklagte zur weiteren Tatvorbereitung in einem O.-Markt in Stadt 5 eine leere Glasflasche und ein Geschirrtuch. Beides verwendete er später zur Herstellung des Molotow-Cocktails. Ferner erwarb er Haushaltshandschuhe, die er später bei der Tatausführung nutzte.
50Unterdessen wandte sich G., nachdem er den Angeklagten zwischenzeitlich mehrfach vertröstet hatte, gegen 13:30 Uhr an die Stadt 2er Polizei und offenbarte den Tatplan, soweit er ihm bekannt war. Er tat dies vor allem, weil er keine andere Möglichkeit sah, den Angeklagten von seiner Tat abzuhalten. Gegen 17 Uhr schrieb er dem Angeklagten per WhatsApp, er sei bei der Polizei und rate ihm, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen. Damit war dem Angeklagten klar, dass ihm der Zeuge G. nicht als Mittäter zur Verfügung stand. In dieser Situation sah er aufgrund der gegenüber E. eingegangenen Verpflichtung und der bis zur geplanten Tatausführung nur noch kurzen Zeitspanne von knapp sechs Stunden keine andere Möglichkeit, als den Brandanschlag alleine auszuführen.
51Gegen 18 Uhr fuhr er nach Hause, füllte aus seinen benzinbetriebenen Gartengeräten etwa einen halben Liter Benzin in die Glasflasche, verschloss diese und legte sie in den Kofferraum des von ihm genutzten Pkw. Sein Handy ließ er – wie von E. vorgegeben – zu Hause.
52Um 18:24 Uhr trat er die Fahrt nach Stadt 4 an. Dabei verhielt er sich äußerst vorsichtig, indem er an der zur Synagoge nächstgelegenen Anschlussstelle ….. vorbeifuhr und erst mehrere Ausfahrten später an der Anschlussstelle Stadt 4-….. abfuhr, um sich der Synagoge vom äußersten Stadt 4er Westen nach weiteren Umwegen im Stadt 4er Süden und Südosten zu nähern. Gegen 19:35 Uhr fuhr er erstmals über die H.-Straße an dem rückwärtigen Areal der Synagoge vorbei und entfernte sich dann in Richtung Stadt 4er Süden. Dort fuhr er weitere Umwege.
Das im Zentrum von Stadt 4 gelegene Areal der Synagoge kann mit dem Auto lediglich umfahren werden. Südlich der Synagoge verläuft die H.-Straße. Von hier aus gesehen befindet sich der rückwärtige Gebäudeteil der Synagoge auf einer kleinen Anhöhe. Dieser Teil der Synagoge ist – sowohl durch die Straßenbeleuchtung der H.-Straße als auch durch die Wegbeleuchtung des von der H.-Straße zur Synagoge hinauf verlaufenden Fußweges – so gut beleuchtet, dass man im Winter und ohne weitere Sichtbehinderung durch die Laubbäume den die Synagoge umgebenden Sicherungszaun deutlich erkennen kann. Auch aus der Ferne erkennbare rote Warnleuchten vermitteln zudem den Eindruck eines besonders gesicherten Gebäudes.
54Östlich kann die Synagoge nach Passieren des ebenfalls an der H.-Straße gelegenen Planetariums nach Abbiegen in die P.-Straße umfahren werden. Von der P.-Straße aus hat man keinen freien Blick auf die Synagoge, da Gebäudeteile der D.-Schule die Sicht versperren. Von der von der P.-Straße abzweigenden, im Norden parallel zur Synagoge verlaufenden Q.-Straße kann man das Gebäude aus dem gleichen Grund ebenfalls nicht sehen. Erst nach Abbiegen auf die von der Q.-Straße abzweigende R.-Straße kann sich ein Autofahrer dem nördlich gelegenen Haupteingang der Synagoge am S.-Straße nähern. Die Anfahrt mit dem Auto ist nur bis auf etwa 50 Meter möglich, da eine Weiterfahrt durch Poller versperrt ist. Das Vorhandensein der Poller wird durch rote Lichterreihen angezeigt, die auch bei Dunkelheit aus weiter Entfernung deutlich erkennbar sind.
55Von der R.-Straße aus befindet sich die Abbiegung zur T.-Straße etwa 150 Meter vom Haupteingang der Synagoge entfernt. Die T.-Straße führt über andere Straßen in westliche Richtung von der Synagoge weg. Von der Kreuzung R.-Straße/T.-Straße sieht man bei Dunkelheit deutlich den hell erleuchteten vorderen Bereich der Synagoge nebst Haupteingang. Der gesamte vordere Bereich wird durch eine Straßenlaterne und zwei Lichtmasten ausgeleuchtet sowie Lichtstrahler, die im Abstand von einigen Metern an der Steinmauer eingelassen sind, die links und rechts des Eingangs sowie Richtung Planetarium verläuft. Durch diese Beleuchtung ist auch bei Dunkelheit der etwa 2,5 Meter hohe Metallzaun im vorderen Bereich der Synagoge gut erkennbar. Der gesamte Gebäudekomplex ist – mit Ausnahme des Treppenaufgangs im Eingangsbereich – umzäunt und im Abstand von ca. 15 Metern von weiteren Lichtmasten umgeben, die bei Dunkelheit über Bewegungssensoren gesteuert werden und an denen sich Sicherheitskameras befinden.
56Fußläufig ist der rückwärtige Bereich der Synagoge über den bereits genannten von der H.-Straße abzweigenden Fußweg zu erreichen. Von der H.-Straße aus führt ein weiterer Fußweg rechts am rückwärtigen Teil des Planetariums vorbei hin zu dessen Vordereingang. Von hier aus offenbart sich dem Betrachter – bei Dunkelheit – ein guter Blick auf den hell beleuchteten vorderen Teil der Synagoge nebst Sicherungsanlagen.
Der Angeklagte nahm auch bei den weiteren – auf die erste Erkundungsfahrt – folgenden Fahrten zum Areal der Synagoge jeweils längere Umwege, um seine Routen zu verschleiern. Dabei ahnte er nicht, dass in dem von einem Bekannten geliehenen Pkw ein GPS-Sender verbaut war, so dass die Bewegungen des Fahrzeugs detailliert nachvollzogen werden konnten.
58Nach 20 Uhr fuhr er ein weiteres Mal zur H.-Straße und kreuzte im Zeitraum zwischen 20:03 Uhr und 20:13 Uhr mehrfach die P.- und Q.-Straße. Zumindest einmal fuhr er in die R.-Straße hinein und wendete das Fahrzeug kurz vor dem Haupteingang der Synagoge an der Kreuzung zur T.-Straße, bevor er sich in südliche Richtung entfernte und bis 21:15 Uhr durch den Stadt 4er Westen fuhr. Nach zwei kurzen Pausen und einigen Umwegen näherte er sich etwa 30 Minuten später aus Richtung T.-Straße kommend erneut der Synagoge und bog in die R.-Straße. Nach einem kurzen Zwischenhalt in der Nähe des Ruhrstadions fuhr er über die H.-Straße wieder an dem rückwärtigen Areal der Synagoge vorbei. Schließlich bog er in die U.-Straße und von dort in die wenige hundert Meter südlich des rückwärtigen Teils der Synagoge gelegene V.-Straße ab. Dort parkte er etwa 30 Minuten. Von hier aus erkundete er das Umfeld der Synagoge fußläufig, ohne sich dem Gebäude so zu nähern, dass ihn eine der umgebenden Kameras hätte erfassen können.
59Unter dem Eindruck des gut ausgeleuchteten und erkennbar besonders gesicherten Gebäudes gab er schließlich spätestens nach seinem Halt in der V.-Straße aus Angst vor Entdeckung den ursprünglichen Tatplan auf, seinen Brandsatz auf die Synagoge zu werfen.
Der Angeklagte wollte E. gleichwohl die weisungsgemäße Ausführung der Tat suggerieren oder zumindest sein ernsthaftes Bemühen demonstrieren. Bei seinen Erkundungsfahrten war ihm die D.-Schule aufgefallen, die bei laufendem Schulbetrieb saniert wird. Ein an der Kreuzung R.-Straße/Q.-Straße gelegener und zur Tatzeit offenkundig leerstehender Anbau war von einem Bauzaun umgeben, erkennbar unbewacht und lag im Dunkeln. Anhaltspunkte dafür, dass der Schulanbau, der von der Q.-Straße bei frontaler Ansicht auf den ersten Blick einen freistehenden Eindruck macht, zum Abriss vorgesehen war, boten sich nicht. Der Anbau erschien dem Angeklagten als geeignetes Alternativobjekt, den Wurf des Molotow-Cocktails auf ein der Synagoge wenigstens nahegelegenes Gebäude ohne die Gefahr seiner Entdeckung auszuführen. Hinzu kam, dass er hier nach der Tat gleich wieder in sein Auto einsteigen und vom Tatort flüchten konnte. Er entschloss sich daher, den Brandsatz an dieser Stelle auf das Schulgebäude zu werfen.
61Nach seinem Halt in der V.-Straße fuhr der Angeklagte direkt zur D.-Schule. Er parkte sein Auto um 22:49 Uhr an der Q.-Straße. Dann holte er die von ihm bereits zu Hause präparierte Flasche aus dem Kofferraum, schraubte den Deckel auf, versah sie mit einer aus dem gekauften Geschirrtuch hergestellten Lunte und steckte die Lunte in Brand. Mit diesem Brandsatz überquerte er die Q.-Straße und warf ihn über den Bauzaun auf die an der Q.-Straße gelegene Front. Der Anbau ist zur Q.-Straße hin großflächig mit Fenstern ausgestattet. Die Fenster sind in drei übereinanderliegenden Reihen angebracht. Jede Fensterreihe besteht aus sieben großflächigen Einzelfenstern. Der Angeklagte hielt es bei seinem Wurf für möglich, dass durch die Brennwirkung des Molotow-Cocktails wesentliche Gebäudeteile, etwa Fenster, in Brand gerieten und nahm dies zumindest billigend in Kauf.
62Die Glasflasche zerbarst am unteren Fensterrahmen des zweiten rechten Fensters der untersten Reihe und entzündete sich. Durch das herunterlaufende, in Brand geratende Benzin stand der darunterliegende Bereich der Außenfassade zumindest kniehoch in Flammen. Der Angeklagte sah dies und entfernte sich kurze Zeit später vom Tatort. Bereits sieben Minuten, nachdem er das Fahrzeug geparkt hatte, stieg er wieder in den Wagen und fuhr in Richtung Stadt 2 davon.
Das Feuer an der Schulfassade wurde von der Feuerwehr gelöscht, die wenige Minuten nach Wegfahren des Angeklagten eintraf. An der Außenfassade entstand ein Sachschaden in Form von Rußanhaftungen im Bereich der beiden rechtsseitigen Fenster bzw. Fensterrahmen im Erdgeschoss und auch im Bereich der Bodendämmung unterhalb der Fenster. Die Bodendämmung wies im Sockelbereich darüber hinaus kleinere Brandbeschädigungen auf.
64Während der Heimfahrt zog sich der Angeklagte seinen Handschuh aus und warf ihn aus dem Autofenster. Außerdem fuhr er nicht auf direktem Weg nach Hause, sondern hielt mehrfach an und legte längere Pausen ein. Bei einem Halt rief er seinen Vater von einem Münztelefon aus an. Gegen Mitternacht erfuhr er, dass die Polizei ihn zu Hause erwartete. Kurz vor 2 Uhr stellte er sich schließlich an seiner Wohnanschrift und wurde festgenommen. Zuvor hatte er sein Fahrzeug auf einem einige hundert Meter von seiner Wohnanschrift entfernten Parkplatz abgestellt und ein von ihm während der Tat mitgeführtes Prepaid-Handy weggeworfen.
Am Tatabend wurde nahezu zeitgleich ein Anschlag auf eine jüdische Einrichtung in Stadt 5 verübt. Gegen 23 Uhr schoss eine männliche Person mit einer Waffe mindestens drei Mal auf die Eingangstür des an die Alte Synagoge in Stadt 5 angrenzenden Rabbinerhauses. Durch die Einschusslöcher entstand an der Eingangstür bzw. deren Türrahmen ein Sachschaden.
Der Angeklagte hat sich zur Person im Sinne der getroffenen Feststellungen eingelassen, eine antiisraelische und antijüdische Gesinnung jedoch in Abrede gestellt.
67Zu den Tatvorwürfen hat er sich in wesentlichen Punkten abweichend von den getroffenen Feststellungen eingelassen. Am 3. Hauptverhandlungstag hat er sich zunächst eine schriftliche Erklärung seines Verteidigers zu eigen gemacht. Diese hat er im Laufe der Hauptverhandlung auf Fragen des Senats und der Verfahrensbeteiligten mehrfach korrigiert und an das jeweilige Beweisergebnis anzupassen versucht. Letztlich hat sich der Angeklagte dahin eingelassen, das mit E. verabredete Anschlagsziel sei nicht die Synagoge, sondern der von einem Bauzaun umgebene leerstehende Anbau der D.-Schule gewesen. Durch den – von ihm eingeräumten – Wurf des Molotow-Cocktails auf dieses Gebäude habe er ein „Zeichen“ setzen sollen. Es sei lediglich die Entstehung eines Rußflecks, nicht jedoch ein Inbrandsetzen des Gebäudes geplant und gewollt gewesen. Nach dem Wurf des Molotow-Cocktails habe er sich erst entfernt, als er sich sicher gewesen sei, das Gebäude könne nicht mehr in Brand geraten.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen (A.I.) beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten. Diese stehen in Einklang mit den Erkenntnissen aus dem Vermerk der KOK’in W. vom 18. November 2022. Die Angaben werden durch die Auskunft des Bundeszentralregisters vom 22. November 2023 ergänzt.
69Soweit der Angeklagte seine antiisraelische und antijüdische Gesinnung in Abrede gestellt hat, widerspricht dies bereits der von ihm eingeräumten regimetreuen Einstellung. Darüber hinaus fand sich auf seinem Laptop antisemitisches und antiisraelisches Bildmaterial.
Der Angeklagte hat sein freundschaftliches Verhältnis zu E. und die häufigen Treffen im Iran im Sommer 2021 und Sommer 2022 glaubhaft eingeräumt.
Den äußeren Hergang der Kommunikation zwischen dem Angeklagten und E. am 16. und 17. November 2022 hat der Angeklagte ebenfalls glaubhaft eingeräumt. Seine diesbezüglichen Angaben stehen in Einklang mit den Erkenntnissen aus der Auswertung seines Mobiltelefons, anhand derer sich der Ablauf der Kommunikation nachvollziehen ließ.
72Die Einlassung des Angeklagten, Ziel des mit E. verabredeten Brandanschlags sei von Anfang an ein von einem Bauzaun umgebenes leerstehendes Gebäude in Stadt 4 gewesen, ist widerlegt:
73Der Zeuge G. hat bekundet, der Angeklagte habe ihn am 16. November 2022 für eine Beteiligung an einem Brandanschlag auf eine Synagoge gewinnen wollen. Der Senat hält die Angaben des Zeugen für glaubhaft. Dafür spricht insbesondere, dass der Zeuge den Anschlagsplan am Folgetag der Polizei offenbarte und den eng mit ihm befreundeten Angeklagten danach noch per WhatsApp-Nachricht von der Tat abzuhalten versuchte.
74Die Angaben des Zeugen werden durch die Nutzungsdaten von Google Maps auf dem Mobiltelefon des Angeklagten gestützt. Danach hat der Angeklagte bereits in den frühen Morgenstunden des 17. November 2022 gegen 3 Uhr, mithin vor der vermeintlich erst im zweiten Videoanruf mitgeteilten Wegbeschreibung, bereits mit hohem Zoomfaktor die unmittelbare Umgebung der Synagoge in Stadt 4 betrachtet. Der von dem Angeklagten letztlich angegangene Gebäudeteil der D.-Schule ist darauf nicht zu sehen.
75In einem überwachten Telefonat vom 13. Januar 2023 berichtete der Vater des Angeklagten einem unbekannten Gesprächsteilnehmer, E. habe den Angeklagten damit beauftragt, einen Molotow-Cocktail auf eine Synagoge zu werfen.
76Darüber hinaus ist kein Grund ersichtlich, weshalb E. und der Angeklagte einen Brandanschlag auf eine Schule verabredet haben sollten. Demgegenüber ist ein durch staatliche iranische Stellen initiierter Brandanschlag auf eine jüdische Einrichtung in Deutschland plausibel und steht in Einklang mit der politischen Ausrichtung der Islamischen Republik Iran (dazu nachstehend unter 5.)
77Zeitgleich zu dem Wurf des Molotow-Cocktails gab es am 17. November 2022 gegen 23:00 Uhr außerdem in räumlicher Nähe einen weiteren Anschlag auf eine jüdische Einrichtung in Form von Schüssen auf das H.1 in Stadt 5. Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Einschätzung des in jenem Verfahren ermittelnden KHK M. davon aus, dass es sich bei der hiesigen Tat und dem Geschehen in Stadt 5 um koordinierte Aktionen zum Nachteil jüdischer Einrichtungen handelte. Auch dies lässt sich mit einem Anschlagsplan gegen ein Schulgebäude nicht vereinbaren.
78Die Auswahl eines sensiblen Anschlagsziels wie der Synagoge erklärt zudem, weshalb der Angeklagte sich die Durchführung des Auftrags nicht allein zutraute und deswegen E. fragte, ob ihm ein Vertrauter helfen könne. Dabei fiel die Wahl des Angeklagten, wie er eingeräumt hat, zunächst auf F., weil dieser „nicht gerade zimperlich“ sei, „nicht lange fackele“, „kein Musterknabe“ sei und sich „mit kriminellen Sachen auskenne“.
79Auch die von E. für die Planung und Durchführung vorgegebenen – und vom Angeklagten bei der Tatausführung umgesetzten – „Vorsichtsmaßnahmen“, wie die Nichtmitnahme seines Mobiltelefons, deuten eher auf ein sensibles Zielobjekt wie die Synagoge denn auf den baufälligen Teil eines Schulgebäudes.
80Die weitere Einlassung des Angeklagten, der Auftrag des E. habe lediglich eine leichte Beschädigung der Fassade als Taterfolg umfasst, ist ebenfalls widerlegt:
81Die mit dem Wurf eines Brandsatzes verbundene besondere Gefährlichkeit drängt sich bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auf. Wäre es E. und dem Angeklagten tatsächlich nur um eine Sachbeschädigung an dem Gebäude gegangen, hätten andere Tatmittel nähergelegen.
82Darüber hinaus spricht die vom Angeklagten eingeräumte Zielrichtung der geplanten Tat für das Vorhaben eines Inbrandsetzens. Der Angeklagte sollte ein „Zeichen“ setzen. Dafür wäre ein Rußfleck an einem abgelegenen und zur Sanierung anstehenden Gebäude denkbar ungeeignet.
83Der Zeuge G. hat zudem bekundet, Ziel des geplanten Brandanschlags sei das Inbrandsetzen des Gebäudes und nicht nur die Verursachung eines Rußflecks gewesen. Der Zeuge hat hierzu erklärt, der Angeklagte und er hätten den Einsatz eines Brandbeschleunigers in Form zusätzlichen, um das Gebäude anzubringenden Benzins diskutiert. Der Angeklagte hat die Angaben zu dem Brandbeschleuniger bestätigt und lediglich abweichend behauptet, die Idee zum Vergießen des Benzins stamme von G..
84Schließlich hat der Angeklagte nach dem Videotelefonat mit E. am 16. November 2022 im Internet den Suchbegriff „schwere Brandstiftung“ recherchiert.
Die Feststellungen zu der versuchten Einbindung des Zeugen G. bei den Treffen am 16. November 2022 und der Annahme des Auftrags gegenüber E. beruhen auf den Angaben des Angeklagten, den glaubhaften Angaben des Zeugen G. und der gesicherten WhatsApp-Kommunikation des Angeklagten mit E..
Der Angeklagte hat die weitere Tatvorbereitung am 17. November 2022 eingeräumt. Seine Angaben hierzu werden durch die Standortdaten aus der GPS-Überwachung und die Angaben des KHK N. im Vermerk vom 22. Dezember 2022 zu Ermittlungen in der O.-Filiale Stadt 5 bestätigt.
Die Feststellungen zu dem Gelände der Synagoge und deren äußerer Sicherung beruhen auf den hierzu erhobenen Vermerken von KOK Y. vom 19. Januar 2023 und KOK K. vom 7. September 2023, den über google maps erhobenen Straßenverläufen und den in Augenschein genommenen Lichtbildern sowie Luftbildaufnahmen. Außerdem hat sich der Senat bei einem Ortstermin mit Begehung des Geländes am 4. Dezember 2023 ab 17:30 Uhr einen eigenen Eindruck von den Sicherungsmaßnahmen und deren Sichtbarkeit bei Dunkelheit aus den unterschiedlichen Perspektiven verschafft.
Die Feststellungen zum Verlauf der Erkundung des räumlichen Umfelds der Synagoge durch den Angeklagten beruhen neben dessen insoweit teilgeständiger Einlassung vor allem auf der Auswertung der Standortdaten aus der GPS-Überwachung des von ihm genutzten Pkw.
89Die Überzeugung des Senats, dass der Angeklagte den ursprünglichen Tatplan in Ansehung der von ihm vor Ort wahrgenommenen Sicherungsmaßnahmen um die Synagoge aus Angst vor Entdeckung unfreiwillig aufgegeben hat, beruht auf folgenden Erwägungen:
90Der Angeklagte war schon vor seiner Fahrt nach Stadt 4 dafür sensibilisiert, dass die Stadt 4er Synagoge besonderes gesichert sein könnte, nachdem ihn der Zeuge G. mit Blick auf die Synagoge in Stadt 2 ausdrücklich vor Polizeipräsenz gewarnt hatte. Hinzu kommt, dass G. ihm gegen 17 Uhr mitgeteilt hatte, dass er das Anschlagsvorhaben – wenn er auch nicht den wahren Anschlagsort bekannt geben konnte – der Polizei offenbart und ihn als Täter benannt hatte.
91Die den Angeklagten begleitende Sorge vor Entdeckung zeigt sich auch an der von ihm gewählten „extra frühen“ Abfahrtzeit und den Umwegen, die er im Stadt 4er Stadtgebiet gefahren ist. Da ihm die Örtlichkeiten aus seiner Tätigkeit als Vertriebsmitarbeiter bei der Z. und aufgrund privater Besuche des Planetariums bekannt waren, lassen sich diese Umwege nicht mit mangelnder Ortskenntnis erklären. Sein Fahrverhalten lässt vielmehr darauf schließen, dass er seine Fahrtrouten verschleiern wollte.
92Zudem bewegte er sich mit dem Fahrzeug so, dass er nicht zu nah an die Synagoge heranfuhr.
93Ab 22:14 Uhr hatte er anlässlich einer knapp halbstündigen Fahrtunterbrechung in der V.-Straße ausreichend Zeit und Gelegenheit, das Gelände um die Synagoge fußläufig zu erkunden. Dass er von der Überwachungskamera der Synagoge Richtung Einmündung H.-Str./U.-Str. nicht erfasst wurde, stellt die vom Angeklagten bestrittene fußläufige Erkundung nicht in Frage. Ausweislich der erhobenen Luftbildaufnahmen und Kartenausschnitte sowie der Inaugenscheinnahme des Geländes rund um die Synagoge gibt es mehrere Wege, auf denen die Synagoge von der V.-Straße aus anderweitig fußläufig erreichbar ist. Außerdem hatte es der Angeklagte schon bei seinen Erkundungsfahrten bewusst vermieden, sich der Synagoge ganz zu nähern. Der Senat geht daher davon aus, dass er eine entsprechende Distanz auch bei der fußläufigen Erkundung des Geländes gewahrt hat.
94Bei seinen Erkundungen nahm der Angeklagte notwendig wahr, dass die Synagoge und das umgebende Areal gut beleuchtet und besonders gesichert waren und der rückwärtige Bereich von Seiten der H.-Straße aus aufgrund der Hügellage, spärlicher Belaubung der Bäume und Beleuchtung der Wege nur wenig Deckung bot.
95In dem bereits erwähnten Telefonat vom 13. Januar 2023, das der Vater des Angeklagten mit einem unbekannten Teilnehmer führte, berichtete der Vater davon, der Angeklagte habe „Angst bekommen“ und deshalb den Molotowcocktail auf ein anderes Gebäude geworfen, welches er im Gespräch als „Ruine“ bezeichnete.
Die geständigen Angaben zum äußeren Hergang der Tat stehen in Einklang mit der Auswertung der GPS-Daten des vom Angeklagten genutzten Fahrzeugs. Soweit sich der Angeklagte abweichend von den getroffenen Feststellungen eingelassen hat, ist seine Einlassung aus den nachfolgend dargestellten Gründen widerlegt.
Die Annahme, der Angeklagte habe dem E. durch den Wurf auf das Schulgebäude die auftragsgemäße Ausführung des Anschlags vorspiegeln wollen, wird durch das Telefonat seines Vaters vom 13. Januar 2023 bestätigt. Auf Frage des unbekannten Gesprächspartners, ob der Angeklagte den E. durch den Wurf auf das alte Haus „verarscht“ habe, bestätigte der Vater diese Annahme.
98Die D.-Schule bot sich als alternatives Tatobjekt an, weil sie in der Nähe der Synagoge liegt, aber hier wegen der erkennbar fehlenden Sicherungsmaßnahmen nur eine geringe Entdeckungsgefahr bestand.
Die Überzeugung des Senats, dass der Angeklagte bei dem Wurf des Molotow-Cocktails die Inbrandsetzung des Schulgebäudes wenigstens billigend in Kauf nahm, beruht auf folgenden Erwägungen:
100Dem Einsatz des Molotow-Cocktails wohnte aufgrund der allgemein und damit auch dem Angeklagten bekannten starken Brandwirkung des Benzins objektiv eine besondere Gefährlichkeit inne. Diese wurde durch die gewählte Art der Tatausführung noch verstärkt, weil sich die Wirkung des Brandsatzes bei dem Wurf über den mannshohen Bauzaun auf das einige Meter entfernt liegende Gebäude nicht sicher kontrollieren ließ.
101Die getroffene Fassade hatte außerdem drei Fensterreihen. Damit bestand die Gefahr, dass der Brandsatz einen Fensterrahmen entzünden oder gar durch ein Fenster in das Gebäude gelangte. Diese Gefahr hatte der Angeklagte nach seinen Angaben auch erkannt. Dass er sie durch den Kauf einer extra dünnwandigen Glasflasche wirksam zu vermeiden glaubte, die seiner Vorstellung nach die Fenster nicht hätte durchschlagen können, ist ebenso unglaubhaft wie die Einlassung, er habe die Gefahr dadurch zu minimieren geglaubt, dass er die Flasche nur zur Hälfte mit etwa einem halben Liter Benzin füllte.
102Hinzu kommt, dass er – wie er selbst einräumt und die GPS-Daten belegen – sich bereits kurz nach dem Auftreffen des brennenden Molotow-Cocktails an der Fassade vom Tatort entfernte. Dabei hatte er bemerkt, dass der Brandsatz das Gebäude im Bereich des Fensterrahmens erreicht hatte und dort mit der Folge zerbrochen war, dass sich das brennende Benzin an der Fassade verteilte.
103Er wartete nicht etwa, bis die Flammen erloschen waren, sondern überließ das weitere Brandgeschehen dem Zufall und entfernte sich noch während es brannte. Auch beim späteren Eintreffen der Feuerwehr brannte es an der Fassade noch etwa kniehoch.
104Der Angeklagte hatte überdies ein persönliches Interesse daran, dass der Brand über die Verursachung eines bloßen Rußflecks hinausging. Denn er wollte seinem Auftraggeber E. zumindest sein Bemühen um die Erfüllung der Vorgabe suggerieren, mit dem Brand ein Zeichen im Sinne einer die Allgemeinheit erreichenden Verunsicherung zu setzen.
Das Schadensbild an der Schulfassade ist durch die Aussagen der Einsatzkräfte vor Ort belegt. Ihre Angaben stehen in Einklang mit der Dokumentation in der Strafanzeige und dem Einsatzbericht des POK I.. Die Lichtverhältnisse, die räumliche Situation am Tatort und das beim Eintreffen der Polizeikräfte noch vorhandene Feuer sind zudem auf Lichtbildern und in dem Brandbericht des KK J. vom 18. November 2022 dokumentiert.
106Der Verlauf der Heimfahrt des Angeklagten ist durch dessen insoweit glaubhafte Einlassung und die Auswertung der GPS-Überwachung des genutzten Pkw bewiesen.
Die Feststellungen zum Geschehen in Stadt 5 beruhen auf den Erkenntnissen aus dem Vermerk von KOK K. vom 7. September 2023. Diese werden hinsichtlich der Tatzeit und des näheren Tatgeschehens durch die Angaben des Zeugen EKHK L. ergänzt, der über seine Auswertung des Videomaterials der Stadt 5er Synagoge berichtete.
a. Der Senat ist aufgrund einer Gesamtschau der gewonnenen Erkenntnisse davon überzeugt, dass E. den Auftrag zu dem Anschlag auf die Synagoge in Stadt 4 von einer staatlichen iranischen Stelle erhalten hatte.
109Dass E. ein von dritter Seite an ihn herangetragenes Interesse an dem Brandanschlag hatte, deuten seine Nachrichten an den Angeklagten am Tattag an. So versuchte er mehrfach, den Angeklagten zu erreichen und sandte ihm Textnachrichten des Inhalts „Bruder alles ok?“, „Bruder, bitte ruf mich an“ oder „Es ist wichtig“. Wenige Minuten vor der geplanten Tat schrieb er ihm: „Bruder, falls du es nicht willst, sag es mir Bescheid, damit ich hier nicht blamiert werde“.
110Für einen allgemeinkriminellen Hintergrund der Anschlagsplanung haben sich keine Anhaltspunkte ergeben.
111Ein nachvollziehbares persönliches Interesse des E. an Anschlägen auf jüdische Einrichtungen in Deutschland ist ebenfalls nicht ersichtlich und konnte vom Angeklagten auch nicht benannt werden. E. ist nicht wegen antisemitischer Straftaten in Erscheinung getreten.
112Die auszugsweise erhobenen Verfassungsschutzberichte der Jahre 2017, 2018, 2020 und 2022 sowie die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage einiger Abgeordneter (BT-Drs. 20/5595) vom 8. Februar 2023 belegen demgegenüber umfangreiche nachrichtendienstliche Aktivitäten der Islamischen Republik Iran in Deutschland zum Nachteil (pro)jüdischer bzw. (pro)israelischer Ziele. Die Planung eines Brandanschlags auf eine Synagoge stellt zwar im Vergleich zu den bisher auf Ausspähaktionen beschränkten Aktivitäten eine Eskalation dar. Sie liegt aber auf der antisemitischen und antiisraelischen Linie des iranischen Regimes.
113Auf einen staatlichen Hintergrund deuten auch Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz in den Behördenzeugnissen vom 5. Dezember 2022 und vom 6. März 2023, die sich in Teilen anhand der im hiesigen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse objektivieren ließen.
114Dass der wegen Mordes gesuchte E. mit staatlichen iranischen Stellen zusammenarbeitete, um seinen Aufenthalt im Iran zu sichern und seinen kostspieligen Lebenswandel in Stadt 1 zu finanzieren, drängt sich zudem auf.
115Hinzu kommt, dass E. den staatlichen Hintergrund der Tat in einem überwachten Telefonat mit dem Vater Angeklagten am 28. November 2022 nicht abgestritten hat, als dieser ihn explizit darauf ansprach.
116Der Zeuge G. hat schließlich bekundet, der Angeklagte habe ihm zugesagt, er werde als Gegenleistung für die Unterstützung bei dem Anschlag seinen Einfluss im Iran nutzen, damit G. „keine Probleme“ bei der Einreise in den Iran bekomme. Diese Zusage setzt die Möglichkeit der Einflussnahme bei staatlichen iranischen Stellen voraus und deutet daher ebenfalls auf den staatlichen Hintergrund der Anschlagsplanung.
117b. Der Angeklagte hat diese Umstände zumindest billigend in Kauf genommen.
118Ihm war aus Presseberichten seit 2021 bekannt, dass sich E. angesichts eines Haftbefehls wegen Mordes in den Iran abgesetzt und dort offenbar mit dem Regime arrangiert hatte, so dass er in Stadt 1 unbehelligt einen für jedermann wahrnehmbaren luxuriösen Lebenswandel führen konnte.
119Der Angeklagte wusste auch, dass ein eigenes Interesse des prominenten„Rockers“ an einem Anschlag auf eine Synagoge in Deutschland praktisch ausschied, während ein solcher Anschlag durchaus im Interesse staatlicher iranischer Stellen liegen konnte, in Deutschland ein Klima der Verunsicherung zu schüren.
Die Planung des Angeklagten und E. im Hinblick auf die Synagoge in Stadt 4 stellen eine Verabredung zu einer schweren Brandstiftung gemäß §§ 306a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 2 Variante 3 StGB dar.
121Dabei war E. trotz seiner räumlichen Distanz nicht lediglich Auftraggeber, sondern Mittäter der geplanten Brandstiftung. Maßgebend für diese Beurteilung seiner Rolle sind folgende Umstände:
122 Die Initiative zur Tat ging allein von E. aus.
123 Dieser hatte die Tat auch maßgeblich geplant, indem er dem Angeklagten die Tatzeit, den Tatort und die Modalitäten der Ausführung detailliert vorgab.
124 Er überwachte die weitere Tatplanung und -ausführung durch Kontrollanrufe beim Angeklagten und an ihn gerichtete Textnachrichten.
125 Er hatte auch ein erhebliches Eigeninteresse an der Tat, weil er sich ausweislich einer Nachricht an den Angeklagten gegenüber seinen Hinterleuten nicht blamieren wollte.
126Der Angeklagte ist nicht gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbefreiend von der Verabredung der schweren Brandstiftung zurückgetreten. Ein Rücktritt setzt eine freiwillige Aufgabe der Tat bzw. Verhinderung der Vollendung voraus. Das Merkmal der Freiwilligkeit ist als subjektives Element aus der Sicht des Täters zu beurteilen. Maßgeblich hierfür ist, ob der Täter noch „Herr seiner Entschlüsse“ blieb und die Ausführung seines Verbrechensplanes noch für möglich hielt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 1992 – 4 StR 209/92, BGHR StGB § 31 Abs. 2 Tatbegehung 1; Beschluss vom 23. April 10998 – 4 StR 150/98, NStZ 1998, 510; BGH, Urteile vom 16. Februar 1993 – 5 StR 463/92, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 19; vom 7. Oktober 1982 – 1 StR 615/83, NJW 1984, 2169 f.). Die Aufgabe der Tat kann unfreiwillig sein, wenn sich der Täter angesichts neu hervortretender Umstände mit einer ihm, verglichen mit der Tatplanung derart ungünstigen Risikoerhöhung konfrontiert sieht, dass er das mit der Tat verbundene Wagnis als unvertretbar hoch einschätzt und er aufgrund dieser neuen Risikoeinschätzung von der Tatbegehung absieht. Bei einer Bewertung der veränderten Risikolage ist bei der Vorfeldstrafbarkeit nach §§ 30, 31 StGB als maßgeblicher Zeitpunkt die jeweilige Vorbereitungshandlung heranzuziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2023 – StB 51/23, juris). Mithin kommt es darauf an, ob sich die Risikoeinschätzung des Täters nach der Verabredung verändert hat. Gemessen hieran gab der Angeklagte die geplante Tat unfreiwillig auf, denn der Angeklagte schätzte das Risiko seiner Entdeckung erst in Ansehung der beleuchteten Wege um die Synagoge, der Anzeichen auf Sicherheitsvorkehrungen und der exponierten Lage des Gebäudes am Tatabend als unvertretbar hoch ein, so dass er unfreiwillig von der Tat Abstand nahm und hierdurch die Tat verhinderte.
Durch den anschließenden Wurf des Molotow-Cocktails auf die benachbarte D.-Schule hat sich der Angeklagte nach §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 StGB wegen versuchter Brandstiftung strafbar gemacht.
128Der Angeklagte hielt es – wie bereits unter B.III.2.b. aufgeführt – zumindest für möglich und nahm billigend in Kauf, dass es durch seinen Brandsatz zu einem selbständigen Brennen eines funktionswesentlichen Gebäudeteils kommen konnte. Mit dem Wurf des Molotow-Cocktails an die Fassade hat der Angeklagte auch im Sinne des § 22 StGB unmittelbar zur Ausführung der Tat angesetzt.
129Der Angeklagte ist nicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt., Satz 2 StGB strafbefreiend vom Versuch der Brandstiftung zurückgetreten. Da er davon ausging, das zur Verwirklichung des Tatbestands Erforderliche getan zu haben, hätte er zur Erlangung von Straffreiheit die Vollendung der Tat verhindern müssen. Das bloße Weggehen vom Tatort reicht hierfür nicht aus.
Die beiden Gesetzesverletzungen stehen nach § 53 StGB in Tatmehrheit.
131In der Aufforderung des Angeklagten gegenüber dem Zeugen G., gemeinsammit ihm einen Brandanschlag auf die Synagoge zu verüben, liegt zudem ein Sichbereiterklären im Sinne von § 30 Abs. 2 Alt. 1 StGB. Dieses tritt jedoch tatbestandlich hinter der Verbrechensverabredung mit E. zurück.
Für die Verabredung einer schweren Brandstiftung hat der Senat einen nach § 306a Abs. 1, 30 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen angewandt, der von drei Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe reicht.
133Eine dem Angeklagten günstigere Strafrahmenverschiebung unter dem Gesichtspunkt des minder schweren Falls nach § 306a Abs. 3 StGB schied aus, weil das verabredete Inbrandsetzen einer Synagoge schwer wiegt und sich die Verabredung nicht in einem unausgereiften Stadium befand.
134Auch war dem Angeklagten keine Strafmilderung unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungshilfe nach § 46b Abs. 1 Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB zuzubilligen.
135Der Angeklagte hat durch die Angaben in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 18. Januar 2023 zur möglichen Beteiligung des F. schon nicht wesentlich dazu beigetragen, dass ein Verfahren gegen diesen oder E. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB mit Aussicht auf Erfolg geführt werden könnte. Der Zeuge KHK M. hat hierzu bekundet, die Ermittlungen hätten keine Verbindung des F. zu dem Anschlag auf das H.1 in Stadt 5 ergeben.
136Durch seine – über die eigene Beteiligung hinausgehenden – Angaben in den Beschuldigtenvernehmungen am 20. Dezember 2022 und 18. Januar 2023 sowie durch die Preisgabe der PIN des von ihm genutzten Handys hat der Angeklagte zwar einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag dazu geleistet, dass ein Verfahren gegen E. wegen Verabredung einer schweren Brandstiftung gemäß §§ 30 Abs. 1 Satz 2, 306a StGB mit Aussicht auf Erfolg geführt werden könnte. Der Senat hat aber in Ausübung des ihm gemäß § 46b Abs. 1 StGB eingeräumten Ermessens von einer Strafmilderung abgesehen. Maßgebend hierfür war, dass der Angeklagte die Angaben erst gemacht hat, nachdem über die Tat, die Tatbeteiligten und Hintergründe in dem ARD-Magazin „…..“ am 15. Dezember 2022 bereits ausführlich berichtet worden war. Außerdem hat er mit E. einen Tatverdächtigen belastet, der sich im Iran aufhält und als iranischer Staatsangehöriger keine Auslieferung zu befürchten hat.
Für die versuchte Brandstiftung an der D.-Schule hat der Senat einen nach §§ 306 Abs. 1, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen angewandt, der von 3 Monaten bis zu 7 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe reicht.
138Einen minder schweren Fall nach § 306 Abs. 2 StGB hat der Senat verneint. Auch wenn der tatsächlich eingetretene Schaden an dem Schulgebäude gering war, so wies die konkrete Tatausführung, nämlich der Wurf eines mit Benzin gefüllten Brandsatzes auf den Fensterbereich des Gebäudes eine erhebliche Gefährlichkeit auf und barg das Risiko einer unkontrollierbaren Ausbreitung eines Brandes.
Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat der Senat zugunsten des Angeklagten bei beiden Taten folgende Umstände berücksichtigt:
140 Er ist nicht vorbestraft.
141 Er hat Untersuchungshaft von mittlerweile über einem Jahr erlitten, die ihn als Erstverbüßer erkennbar beeindruckt hat.
142 Er hat den Ermittlungsbehörden die Zugangsdaten zu seinem Laptop und seinem Mobiltelefon mitgeteilt.
143 Er hat sich teilgeständig eingelassen.
144 Er wurde durch E. unter Druck gesetzt.
145 Durch die Identifizierung des F. hat er sich um Aufklärung der Tat in Stadt 5 bemüht.
146Zu Lasten des Angeklagten waren bezüglich der Verbrechensverabredung die antisemitische Gesinnung, die aus der Tat spricht, und die damit beabsichtigten Auswirkungen zu berücksichtigen. Der geplante Anschlag auf die Synagoge war dazu geeignet, Verunsicherung und Angst innerhalb der jüdischen Bevölkerung hervorzurufen. Außerdem zielte er darauf ab, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erschüttern, in Deutschland vor staatlichen Angriffen aus dem Ausland geschützt zu sein.
147Zu Lasten des Angeklagten wirkte sich außerdem aus, dass er den Zeugen G. in das Tatgeschehen verstricken wollte und hierdurch eine weitere Tatbestandsvariante des § 30 Abs. 2 StGB verwirklicht hat.
148Nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Erwägungen hat der Senat für die Verbrechensverabredung eine
149Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
150festgesetzt.
151Mit Blick auf die versuchte Brandstiftung an dem Schulgebäude hat der Senat über die schon genannten Erwägungen hinaus zu Gunsten des Angeklagten bedacht, dass nur ein geringer Sachschaden eingetreten ist.
152Zu Lasten des Angeklagten fiel ins Gewicht, dass der Brandlegung mittels Molotow-Cocktails eine besondere Gefährlichkeit innewohnte und die Tat aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zu der Synagoge geeignet war, Angst und Verunsicherung bei den in Deutschland lebenden Juden zu erzeugen.
153Nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Erwägungen hat der Senat für diese Tat auf eine
154Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten
155erkannt.
Aus den beiden Einzelstrafen hat der Senat gemäß § 54 StGB durch angemessene Erhöhung der höchsten Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten als Einsatzstrafe eine Gesamtstrafe gebildet. Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass die Taten einen sehr engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufweisen.
157Vor diesem Hintergrund hat der Senat auf eine
158Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten
159erkannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs.1 StPO.