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Der Verfügungskläger ist der eingelegten Berufung verlustig und hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, nachdem er sein Rechtsmittel gegen das am 13.07.2023 verkündete Urteil der 9a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückgenommen hat.
Die Streitwertbeschwerde des Verfügungsklägers wird als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des Beschlusses vom 28.08.2023 auf 2.160.000 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Verfügungskläger hat seine zulässige Berufung gegen das im Tenor bezeichnete erstinstanzliche Urteil mit Schriftsatz vom 15.09.2023 zurückgenommen, nachdem der Senat mit Beschluss vom 28.08.2023 darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern, die auch sonst nicht geboten ist. Der Senat hat auf diese Weise dem Verfügungskläger umfangreicher und eingehender rechtliches Gehör gegeben, als dies bei einer mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre, da der Verfügungskläger so gut zwei Wochen Zeit hatte, sich mit den Überlegungen des Senates auseinanderzusetzen. Diese Möglichkeit hat der Verfügungskläger mit seiner Stellungnahme von 13.09.2023 auch eingehend wahrgenommen, bevor er die Berufung dann mit Schriftsatz vom 15.09.2023 zurückgenommen hat. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Verfahrens für den Verfügungskläger sieht der Senat davon ab, lediglich einen ohne Entscheidungsgründe versehenen Kosten- und Verlustigkeitsbeschluss zu fassen.
Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Gewährung von Versicherungsschutz in Anspruch, und zwar auf die einstweilige Freistellung von Rechtsverteidigungskosten in einer Vielzahl zivilgerichtlicher Verfahren.
4Der Verfügungskläger war seit 2002 Vorstand der A. AG und als solcher versicherte Person der von dieser durch den von ihr beauftragten Makler abgeschlossenen Y.-Versicherung. Diese war 2019 in einem sogenannten Gesamtturm über 150 Millionen Euro organisiert. Grundversicherer war die Streithelferin des Verfügungsklägers, die 2019 eine Grunddeckung von mindestens 25 Millionen Euro abdeckte. Der Grundversicherer wollte seine Grunddeckung zum 01.01.2020 auf 15 Millionen Euro (zzgl. Zusatzlimits in Höhe von zwei Millionen Euro) reduzieren. Der Makler der A. AG bat deshalb die Verfügungsbeklagte mit E-Mail vom 11.09.2019 um ein Angebot, als erster Exzedentenversicherer diese zehn Millionen Euro abzudecken (Anlage B6[1], Bl. 18 Anlagenband). Der Makler schrieb unter anderem:
5„Gemeldet wurden aktuell 2 Schäden. Schaden 1 habe ich Ihnen zur Kenntnis beigefügt.“
6Der E-Mail war unter anderem ein englischsprachiges Schreiben der A. AG an den Grundversicherer vom 04.04.2019 beigefügt, das mit „Circumstance reporting under Directors and Officers lnsurance Policy DEDRIA27006 - i.a. D v. A. AG et al.“ überschrieben war (Anlage K13, Bl. 108 ff. Anlagenband; beglaubigte deutsche Übersetzung: Anlage K13, Bl. 132 ff. Anlagenband), sowie dessen mit „Sachverhaltsberichterstattung […]“ überschriebene deutsche Übersetzung (Anlage B7, Bl. 455 ff. Anlagenband). In diesem Schreiben steht unter der Überschrift „1. Artikel der Z. 1“ folgendes:
7„Im April 2018 äußerte ein Mitglied des A.-Teams in Singapur Bedenken gegenüber unserer lokalen Rechts- und Compliance-Abteilung bezüglich verdächtiger Transaktionen und angeblicher Handlungen eines Mitglieds des A.-Finanzteams in Singapur. Die Vorwürfe betrafen mögliche Compliance-Verletzungen im Bereich der Rechnungslegung für den Zeitraum 2015-2018 in Höhe von insgesamt 6,9 Mio. EUR Umsatz und Kosten von 4,1 Mio. EUR sowie eine interne Übertragung von geistigem Eigentum an Software im Wert von 2,6 Mio. EUR. […]
8Die vorläufige Zusammenfassung der Behauptungen wurde in mehreren Artikeln der Z. 1 unter Verwendung streng vertraulicher Dokumente aus der oben genannten Compliance-Prüfung für eine möglicherweise diffamierende Medienberichterstattung verwendet, die zu einer Verschlechterung des Aktienkurses der A. AG führte.“
9Die Z. 1 berichtete in mehreren Artikeln ab dem 07.02.2019 über Vorwürfe, dass Geschäfte der A. AG mit sogenannten Drittpartnern (sogenannte TPA), insbesondere mit B. in Singapur, C. auf den Philippinen und D. in Dubai, nicht existiert hätten und die Umsätze, die ungefähr die Hälfte des Konzernumsatzes auswiesen, nur fingiert seien (vgl. Artikel vom 07.02.2019, Anlage B1, Bl. 31 ff. Anlagenband; Artikel vom 29.03.2019, Anlage SS4, Bl. 266 ff. Anlagenband; Artikel vom 24.04.2019, Anlage SS5, Bl. 276 ff. Anlagenband; Artikel vom 15.10.2019, Anlage SS6, Bl. 91 ff. Anlagenband). Über die in der Z. 1 erhobenen Vorwürfe wurde auch in der deutschen Presse berichtet (vgl. den Artikel im Z. 2 vom 14.03.2019, Anlage B2, Bl. 207 ff. Anlagenband).
10In dem Schreiben vom 04.04.2019 wurde darüber hinaus neben Untersuchungen der Behörden in Singapur auch über eine Sammelklage in den USA aus 2019 berichtet.
11Mit E-Mail vom 24.09.2019 bot die Verfügungsbeklagte ihre Beteiligung an der Y.-Versicherung an, allerdings unter anderem nur mit der Besonderen Bedingung:
12„Ausschluss Punkt 1 "Artikel der Z. 1" gemäß Sachverhaltsberichterstattung in Ihrer Mail vom 11.09.2019“
13und unter dem Vorbehalt der finalen Formulierung dieses Ausschlusses (Anlage B9, Bl. 230 Anlagenband).
14Der Makler erteilte mit E-Mail vom 26.09.2019 den Deckungsauftrag (Anlage B10, Bl. 40 Anlagenband), worauf die Verfügungsbeklagte mit E-Mail vom 27.09.2019 (Anlage B11, Bl. 19 Anlagenband) die vorläufige Deckungsbestätigung vom 26.09.2019 (Anlage B12, Bl. 210 ff. Anlagenband) übersandte, in der als „Ausgeschlossene Ereignisse“ rot hervorgehoben stand:
15„Nicht versichert sind Ansprüche gegen Versicherte wegen oder aufgrund von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Z. 1 gemäß Sachverhaltsdarstellung Ziffer 1 im beigefügten Anhang.“
16Der Makler bat mit E-Mail vom 19.11.2019 um die finale Deckungsbestätigung, die die Verfügungsbeklagte mit E-Mail vom 20.11.2019 erteilte (Anlage B13, Bl. 77 Anlagenband).
17Die Versicherung bei der Verfügungsbeklagten wurde mit zwei Versicherungsscheinen vom 19.12.2019 (Anlage K3, Bl. 75 ff. Anlagenband) und 27.01.2020 (Anlage K3, Bl. 80 ff. Anlagenband = Anlage SS2, Bl. 431 ff. Anlagenband) policiert. Nur der Versicherungsschein vom 27.01.2020 enthält unter anderem die folgende Besondere Bedingung Nr. 1:
18„Mit Wirkung vom 01.01.2020, mittags 12 Uhr Ortszeit am eingetragenen Hauptsitz der Versicherungsnehmerin wird folgendes vereinbart:
19Nicht versichert sind Ansprüche gegen Versicherte wegen oder aufgrund von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Z. 1 gemäß Sachverhaltsdarstellung Ziffer 1, gemäß Mail vom 11.09.2019.“
20Der Versicherung liegen neben den in den Versicherungsscheinen enthaltenen Exzedenten-Versicherungsbedingungen der Verfügungsbeklagten die Versicherungsbedingungen der Grundversicherung (E. … 2015, im Folgenden zwecks Vereinfachung schlicht AVB) zugrunde. Wegen der Einzelheiten der Grundversicherung bei der Streithelferin des Verfügungsklägers wird auf den Versicherungsschein vom 28.02.2020 nebst Versicherungsbedingungen (Anlage SS1, Bl. 366 ff. Anlagenband) bzw. vom 11.03.2020 nebst Versicherungsbedingungen (Anlage K2, Bl. 47 ff. Anlagenband) verwiesen.
21Der Verfügungskläger trat am 19.06.2020 infolge der Zuspitzung der gegen die A. AG erhobenen Vorwürfe zurück. Am 25.06.2020 meldete die A. AG Insolvenz an. Am 22.07.2020 wurde der Verfügungskläger wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs und Fälschung der Geschäftsbilanzen der A. AG seit 2015 festgenommen und ist seitdem in Untersuchungshaft. Der Strafprozess gegen ihn begann am 08.12.2022 und dauert an.
22Darüber hinaus wird der Verfügungskläger wegen angeblicher – von ihm bestrittener – Pflichtverletzungen in Ausübung seiner Tätigkeit als Vorstand der A. AG in einer Vielzahl von Verfahren gerichtlich in Anspruch genommen, insbesondere in einem Kapitalanlegermusterverfahren, durch den Insolvenzverwalter der A. AG und durch Anleger der A. AG. Zur Konkretisierung bezieht sich der Verfügungskläger auf eine Tabelle mit 754 Verfahren (Anlage K1, Bl. 1 ff. Anlagenband) sowie einen USB-Stick, auf dem sich sämtliche Klageschriften der Zivilverfahren befinden sollen. Die Summe der Streitwerte dieser Verfahren beträgt nach der vom Verfügungskläger vorgelegten Tabelle rund 95 Millionen Euro; hinzu kommt der Streitwert des Kapitalanlegermusterverfahrens. Der Verfügungskläger traf mit seinen ihn in den Zivilverfahren vertretenden Verfahrensbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung, wonach die Stundensätze für einen namentlich benannten Rechtsanwalt 500 Euro, für weitere Partner 400 Euro, für Associates 250 Euro und für wissenschaftliche Mitarbeiter 150 Euro betragen.
23Unter dem 24.06.2020 übersandte die A. AG dem Grundversicherer eine sogenannte Schaden- und Umstandsmeldung zur Y.-Versicherung (Anlage K10, Bl. 102 f. GA). Der Grundversicherer erteilte keine Deckung, woraufhin der Verfügungskläger mit Klageschrift vom 25.09.2020 Deckungsklage erhob; ferner beantragte er eine Leistungsverfügung gegen den Grundversicherer. Den den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 06.11.2020 hob das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 11.12.2020 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück (7 W 29/20). Die Berufung des Grundversicherers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.01.2021, mit dem dieses ihn zur bedingungsgemäßen Gewährung von Versicherungsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache verurteilt hatte, wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 07.07.2021 zurück (7 U 19/21).
24Der Verfügungskläger nahm auch die Verfügungsbeklagte in Anspruch, und zwar mit Anwaltsschreiben vom 09.07.2020, in dem auf das Schreiben der A. AG vom 24.06.2020 Bezug genommen wurde (Anlage K10, Bl. 100 f. Anlagenband). Die Verfügungsbeklagte verweigerte mit Anwaltsschreiben vom 13.08.2020 die Deckung und teilte dem Verfügungskläger mit (Anlage K11, Bl. 104 f. Anlagenband):
25„Unsere Mandantin hat mit Schreiben vom 20.07.2020 vertragsgemäß gegenüber der Versicherungsnehmerin erklärt, dass die Absicherung des Insolvenzantrages der Versicherungsnehmerin vom 25.06.2020 ausgeschlossen wird. Danach besteht für alle Sachverhalte, die - wie hier - im Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag stehen, kein Versicherungsschutz.
26Unsere Mandantin behält sich neben dem o.g. Ausschluss sämtliche weiteren und/oder weitergehenden Einwendungen ausdrücklich vor.“
27Mit Anwaltsschreiben vom 04.11.2020 (Anlage K17, Bl. 145 ff. Anlagenband), 18.06.2021 (Anlage K18, Bl. 154 ff. Anlagenband) und 14.01.2022 (Anlagen K19, Bl. 191 ff. Anlagenband) unterrichtete der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte über gegen ihn anhängige Verfahren und den Rechtsstreit mit dem Grundversicherer.
28Mit Anwalts-E-Mail vom 04.11.2022 lehnte die Verfügungsbeklagte erneut die Deckung ab, nachdem sie ein sogenanntes „Schnittstellengespräch“ mit dem Grundversicherer geführt habe. In diesem habe sie dem Grundversicherer mitgeteilt, dass aufgrund der Umstandsmeldung von 2019 allein die Versicherungsperiode 2019 einschlägig sei (Anlage K12, Bl. 106 f. Anlagenband).
29Mit Anwalts-E-Mail vom 03.03.2023 teilte der Grundversicherer dem Verfügungskläger mit, dass aktuell rund 13,5 Millionen der Grundversicherungssumme ohne Zusatzlimits ausgeschöpft seien (Anlage K5, Bl. 89 Anlagenband); mit Anwalts-E-Mail vom 05.06.2023 teilte der Grundversicherer mit, dass diese Grundversicherungssumme mittlerweile vollständig ausgeschöpft sei (Anlage K6, Bl. 90 f. Anlagenband). Nach der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsklägers vom 07.06.2023 ist sein gesamtes Vermögen arrestiert, und er hat keinerlei Einkommen (Anlage K4, Bl. 88 Anlagenband).
30Der Verfügungskläger hat behauptet, es seien weitere ihn betreffende Anwaltshonorare in Höhe von bis zu rund einer Million Euro noch gar nicht gegenüber dem Grundversicherer abgerechnet; ferner seien betreffend der Inanspruchnahme von anderen versicherten Personen noch Honorare in Höhe von derzeit rund 1,2 Millionen Euro offen. Ohne die von ihm beantragte Leistungsverfügung gegen die Verfügungsbeklagte könne er sich nicht wirksam verteidigen, da die maßgebliche Grundversicherungssumme von 15 Millionen Euro zuzüglich Zusatzlimits erschöpft sei bzw. dies zumindest unmittelbar bevorstehe. Er befinde sich daher in einer existentiellen Notlage.
31Die Verfügungsbeklagte hat eingewandt, dass ihre Leistungspflicht bereits deshalb ausgeschlossen sei, weil die Mitteilung der A. AG vom 04.04.2019 an den Grundversicherer eine Umstandsmeldung im Sinne von 2.8 AVB darstelle. Da das Strafverfahren, die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter und die gegen den Verfügungskläger gerichteten Zivilverfahren im untrennbaren und unmittelbaren Zusammenhang mit den in dieser Umstandsmeldung mitgeteilten Sachverhalten stünden, seien sie daher der Versicherungsperiode 2019 zuzuordnen. Jedenfalls greife der Ausschluss in den Besonderen Bedingungen. Ohnehin würden die hier streitgegenständlichen Inanspruchnahmen wegen der Serienschadenklausel gemäß 8.7.2 lit. a) AVB aufgrund der 2019 in den USA erhobenen Sammelklage als ein mit der Inanspruchnahme durch die Sammelklage eingetretener Versicherungsfall gelten.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Vortrags und der von den Parteien vor dem Landgericht gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 13.07.2023 (Bl. 254 ff. GA) und die in den Entscheidungsgründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
33Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nach mündlicher Verhandlung am 07.07.2023 (Bl. 237 ff. GA) mit dem angefochtenen Urteil zurückgewiesen. Es fehle ein Verfügungsanspruch. Zwar sei der Versicherungsfall nicht aufgrund des Schreibens vom 04.04.2019 der Versicherungsperiode 2019 zuzuordnen, da dieses Schreiben den Anforderungen an eine bedingungsgemäße Umstandsmeldung nicht genüge. Auch sei der Versicherungsschutz nicht durch die Besonderen Bedingungen ausgeschlossen, da nicht davon auszugehen sei, dass diese Ausschlüsse die hier geltend gemachten Haftungsfälle erfassen würden. Jedoch sei Versicherungsschutz durch die Serienschadenklausel ausgeschlossen. Ob die Bedenken hinsichtlich des Bestehens eines Verfügungsgrundes durchgriffen, insbesondere wegen des langen Zuwartens des Verfügungsklägers mit der Beantragung einer einstweiligen Verfügung, könne daher offen bleiben.
34Mit seiner gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten form- und fristgerechten Berufung wiederholt und vertieft der Verfügungskläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten der Rechtsmittelbegründung wird auf die Berufungsbegründung vom 02.08.2023 (Bl. 38 ff. OLG-GA) sowie die Stellungnahme vom 13.09.2023 (Bl. 320 ff. OLG-GA) zum Hinweisbeschluss des Senates vom 28.08.2023 (Bl. 250 ff. OLG-GA) Bezug genommen.
35Der Verfügungskläger hat beantragt,
36das angefochtene Urteil des Landgerichts Düsseldorf abzuändern und der Antragsgegnerin zu gebieten, den Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in den gegen den Antragsteller anhängigen zivilgerichtlichen Verfahren (gem. Anlage S&P EV 1) vertragsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren, d.h. insbesondere, den Antragsteller von den Rechtsverteidigungskosten freizustellen, wobei für die Leistungen der von dem Antragsteller zu seiner zivilrechtlichen Verteidigung beauftragten Rechtsanwälte F. ein Stundensatz i.H.v. € 400,00 für Partner, i.H.v. € 250,00 für angestellte Anwälte und i.H.v. € 150,00 für wissenschaftliche Mitarbeiter, jeweils netto, als angemessen gelten,
37bevor er die Berufung zurückgenommen hat.
38Die Verfügungsbeklagte beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen,
40und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Vortrag; wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 11.09.2023 (Bl. 284 ff. OLG-GA) verwiesen.
Die zulässige Berufung war nicht begründet. Der Verfügungskläger hat weder Umstände vorgetragen, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt, noch konkrete Anhaltspunkte bezeichnet, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger hat nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ein Verfügungsgrund für die hier angestrebte Leistungsverfügung gemäß § 940 ZPO besteht. Es ist nicht ersichtlich, dass die beantragte Verfügung zur Abwehr einer existentiellen Notlage notwendig ist.
Der Verfügungskläger begehrt mit der einstweiligen Verfügung die Gewährung von Versicherungsschutz bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung einer – noch gar nicht rechtshängigen und wohl noch nicht mal anhängigen, jedenfalls hat der Verfügungskläger solches auch auf den Hinweisbeschluss des Senates nicht vorgetragen – Hauptsache. Damit erstrebt er der Sache nach nicht nur eine vorläufige Regelung; vielmehr ist sein Rechtsschutzziel auf eine endgültige Versicherungsleistung der Verfügungsbeklagten bis zur Hauptsacheentscheidung und damit auf eine Vorwegnahme der Hauptsache bis zu diesem Zeitpunkt gerichtet.
44Ein solches Begehren, das auf eine vollständige Befriedigung der geltend gemachten Ansprüche abzielt, kann grundsätzlich nicht im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. Der vorläufige Rechtsschutz nach §§ 935, 940 ZPO dient der Sicherung eines Individualanspruchs und der einstweiligen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses, nicht aber einer endgültigen Befriedigung des behaupteten Anspruchs, die der Verfügungskläger aber mit seinen Anträgen erstrebt. Die Befriedigung des Hauptsacheanspruchs kann nur ausnahmsweise und nur insoweit beansprucht werden, als der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung zur Abwendung einer existenziellen Notlage dringend angewiesen ist und die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren wegen der unvermeidlichen zeitlichen Verzögerung nicht zumutbar ist. Die dem Gläubiger aus der Nichtleistung drohenden Nachteile müssen schwer wiegen und außer Verhältnis stehen zu dem Schaden, den der Schuldner erleiden kann. Bei einer Geldleistungsverfügung ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 921 Abs. 2 ZPO bei Erlass der Maßnahme zwangsläufig ausscheidet; erweist sich die Leistungsverfügung später als unrechtmäßig, so wird außerdem der Antragsteller wegen seiner Notlage zur Erstattung erbrachter Zahlungen oder sonst zum Schadensersatz (§ 945 ZPO) kaum in der Lage sein. Deshalb bedarf es hier einer besonders sorgfältigen Prüfung sowie einer zeitlichen oder betragsmäßigen Begrenzung (so bereits Senat, Urteil vom 15. Mai 2012 – I-4 U 246/11 –, Rn. 2 ff., juris, m.w.N.).
Dass diese strengen Anforderungen an den Verfügungsgrund hier erfüllt sind, kann aufgrund des Vorbringens des Verfügungsklägers und der von ihm zur Akte gereichten Glaubhaftmachungsmittel nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Wegen des Ausnahmecharakters einer Leistungsverfügung wird ein dringendes Bedürfnis zur Behebung einer Notlage im Sinne des § 940 ZPO verneint, wenn es der Antragsteller schuldhaft versäumt hat, seinen behaupteten Anspruch rechtzeitig im Klageverfahren geltend zu machen, und wenn davon ausgegangen werden kann, dass bei rechtzeitiger Betreibung des ordentlichen Verfahrens im Zeitpunkt der Antragstellung auf vorläufigen Rechtsschutz ein vorläufig vollstreckbarer Titel erwirkt worden wäre (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. Oktober 2006 – 19 W 51/06 –, Rn. 2, juris für den Erwerbsschaden eines Verkehrsunfallverletzten). Es ist ganz allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – 5 W 81/19 –, Rn. 7, juris; KG Berlin, Urteil vom 9. Februar 2001 – 5 U 9667/00 –, Rn. 14, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 20. März 2008 – 7 W 19/08 –, Rn. 9, juris). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert hat, ist eine Gesamtbetrachtung ihres prozessualen und vorprozessualen Verhaltens geboten (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 21. März 2019 – 3 U 105/18 –, Rn. 43, juris).
47Danach liegt ein dringendes Bedürfnis hier nicht vor. Die Verfügungsbeklagte hat bereits mit Schreiben vom 13.08.2020 auf die Schadensmeldung des Verfügungsklägers vom 09.07.2020 unmissverständlich erklärt, für alle Sachverhalte, die im Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag stehen, Deckung abzulehnen (Anlage K11, Bl. 104 f. Anlagenband). Dabei stand zwischen den Parteien jedenfalls in der ersten Instanz nicht im Streit, dass von dieser Deckungsablehnung sämtliche hier streitgegenständlichen Verfahren erfasst sind, die aufgrund der in den Verfahren jedenfalls auch erhobenen Vorwürfe – namentlich des Erfindens des TPA-Geschäftes der A. AG mit der Fiktion der angeblichen Umsätze in Höhe von rund 1,9 Milliarden Euro – jedenfalls auch im Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag der A. AG stehen.
48Soweit der Verfügungskläger in seiner Stellungnahme vom 13.09.2023 nunmehr ausführt, dass es hier doch gar nicht um die Insolvenz der A. AG gehe, und die relevante Deckungsablehnung erst in der E-Mail vom 04.11.2022 zu sehen sei, verkennt er, dass die Verfügungsbeklagte bereits mit ihrem Schreiben vom 13.08.2020 – wenn auch möglicherweise unzutreffend und anders als nunmehr begründet, dazu muss der Senat keine Stellung nehmen – ihre Leistungspflicht für sämtliche von ihm mit Schreiben vom 09.07.2020 (Anlage K10, Bl. 100 f. Anlagenband) angezeigten Inanspruchnahmen abgelehnt hat. Denn der Wortlaut der Leistungsablehnung ist unmissverständlich, da sich die Verfügungsbeklagte nicht lediglich allgemein auf die „im Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag“ stehenden Sachverhalte bezogen, sondern zugleich klargestellt hat, dass dies auch die mit Schreiben vom 09.07.2020 mitgeteilten Sachverhalte („ - wie hier -“) betrifft. Für den Verfügungskläger war damit klar, dass die Verfügungsbeklagte die mit Schreiben vom 09.07.2020 erbetene Deckungszusage mit ihrem Schreiben 13.08.2020 ernsthaft und endgültig abgelehnt hat – wie er es in der Antragsschrift vom 14.06.2023 im Übrigen auch selber schreibt (Bl. 9 GA).
49Der Verfügungskläger hat diese Deckungsablehnung indes nicht zum Anlass genommen, gerichtlich in einem Hauptsacheverfahren die Verfügungsbeklagte auf Deckungsschutz in Anspruch zu nehmen – und zwar bis heute nicht. Dafür bestand jedoch aus seiner Sicht begründeter Anlass, um die Leistungsverpflichtung der Verfügungsbeklagten alsbald zu klären. Dabei kann es der Senat insoweit dahinstehen lassen, ob die Leistung der Verfügungsbeklagten mangels Ausschöpfung der Grundversicherungssumme bereits fällig war bzw. dass der Verfügungskläger aufgrund des ernsthaften Bestreitens des Anspruchs durch die Verfügungsbeklagte eine Klage auf künftige Leistung hätte erheben können (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2005 – II ZR 366/03 –, juris; um das Wahlrecht des Haftpflichtversicherers, wie er seiner Freistellungsverpflichtung nachkommt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1980 – IVa ZR 32/80 –, BGHZ 79, 76-89) geht es hier nicht mehr, da der Grundversicherer dieses Wahlrecht bereits ausgeübt hat), da ihm jedenfalls offenstand, die (künftige) Leistungspflicht der Verfügungsbeklagten im Wege der Feststellungsklage feststellen zu lassen. Von der Verfügungsbeklagten als einem großen Versicherungsunternehmen kann auch erwartet werden, das sie auf ein entsprechendes Feststellungsurteil hin ihren Vertragsverpflichtungen nachkommt, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1999 – VI ZR 195/98 –, Rn. 19, juris). Ins Leere geht das Argument des Verfügungsklägers, dass er vor der Ausschöpfung der Grundversicherungssumme kein Feststellungsinteresse für eine Hauptsacheklage gehabt habe. Es lag auch für den Verfügungskläger auf der Hand, dass angesichts der hohen Schadenssummen, die gegen ihn geltend gemacht wurden, die Grundversicherungssumme im Falle von Verurteilungen bei weitem nicht ausreichend sein würde, um den Schaden abzudecken. Darüber hinaus war es für den Verfügungskläger auch bereits bei der Deckungsablehnung der Verfügungsbeklagten offensichtlich, dass schon alleine die Verteidigungskosten aufgrund der Vielzahl der Verfahren und ihrer Komplexität die Grundversicherungssumme ausschöpfen würden. Jedenfalls lag auf der Hand, dass eine solche Möglichkeit ernsthaft bestand, auch wenn die streitgegenständlichen Verfahren, die in der Liste Anlage K1, Bl. 1 ff. Anlagenband aufgeführt sind, erst im Laufe der Jahre 2020 bis 2022 anhängig wurden. Denn für den äußerst geschäftserfahrenen Verfügungskläger drängte es sich auf, dass es aufgrund der Vielzahl möglicher Geschädigter auch zu einer Vielzahl von Verfahren mit hohen Streitwerten kommen würde – alles andere wäre lebensfremd. Bei dieser Sachlage drängte es sich auch für den Verfügungskläger auf, dass es erforderlich ist, möglichst bald Sicherheit über die Einstandspflicht zumindest des zweiten Layers der Y.-Versicherung zu erhalten. Dass der Verfügungskläger auch selber davon ausgegangen ist, dass die Verfügungsbeklagte in Anspruch zu nehmen sein wird, zeigt die mehrfache Information der Verfügungsbeklagten durch den Verfügungskläger mit den Anwaltsschreiben vom 04.11.2020 (Anlage K17, Bl. 145 ff. Anlagenband), 18.06.2021 (Anlage K18, Bl. 154 ff. Anlagenband) und 14.01.2022 (Anlagen K19, Bl. 191 ff. Anlagenband). Dabei kann der Senat zugunsten des Verfügungsklägers unterstellen, dass er nicht wusste, wann die Grundversicherungssumme ausgeschöpft sein würde. Dass er demgegenüber auch nicht gewusst haben will, dass die Grundversicherungssumme nicht ausreichen würde, kann ihm der Senat demgegenüber nicht abnehmen. Dies zeigt auch bereits ein einfaches Rechenbeispiel: Ausgehend von einer Versicherungssumme von 15 Millionen Euro und lediglich 500 zu bearbeitenden Verfahren stünden pro Verfahren lediglich 75 Stunden eines mit einem Stundensatz von 400 Euro abrechnenden Partners zur Verfügung. Auch wenn der Senat berücksichtigt, dass oft Associates und wissenschaftliche Mitarbeiter tätig sein und sich in einer Vielzahl von Verfahren parallele Fragestellungen stellen werden, ist auf der anderen Seite zu sehen, dass eine Vielzahl von Verfahren – insbesondere das Strafverfahren, das Kapitalanlegermusterverfahren und das Verfahren des Insolvenzverwalters – einen deutlich größeren zeitlichen Umfang haben werden. Falls der Verfügungskläger solche Überlegungen zur Ausschöpfung der Grundversicherungssumme nicht angestellt haben sollte, hätte er dies jedenfalls schuldhaft unterlassen.
50Der Verfügungskläger hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 14.06.2023 gestellt. Seit der Deckungsablehnung der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 13.08.2020 sind damit knapp drei Jahre vergangen. Es ist zumindest naheliegend, dass in dieser Zeit eine vorläufig vollstreckbare erstinstanzliche Entscheidung ergangen wäre, wenn der Kläger eine Klage auf künftige Leistung erhoben hätte, beziehungsweise ein erstinstanzliches Feststellungsurteil, da eine langwierige Beweisaufnahme nicht zu erwarten war. Auch spricht die Belastungssituation der zuständigen Kammer des Landgerichts nicht gegen eine Entscheidung in einem absehbaren Zeitraum. So ist im Juli 2023 beim Senat die Berufung gegen ein Urteil der 9a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 30.06.2023 ebenfalls in einer Y.-Sache mit einem Streitwert in Höhe von rund vier Millionen Euro eingegangen, die im Dezember 2021 in erster Instanz anhängig und damit nach rund anderthalb Jahren erstinstanzlich entschieden wurde.
51Den Verfügungskläger entlastet nicht, dass es Gespräche zwischen dem Grundversicherer und der Verfügungsbeklagten („Schnittstellengespräch“) gegeben hat. Dass der Verfügungskläger an diesen Gesprächen beteiligt war und einen wie auch immer gearteten Einfluss hatte, hat er schon nicht dargetan. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Verfügungsbeklagte seinerzeit bereit war, in Gesprächen mit einem Dritten von ihrer gegenüber dem Verfügungskläger eindeutig erklärten Deckungsablehnung wieder abzurücken. Der Verfügungskläger hat auch nicht dargetan, dass, wann und warum er darauf vertraut haben will, aufgrund dieser Gespräche die Verfügungsbeklagte ohne gerichtliche Hilfe zu einer Deckungszusage zu bewegen. Ohnehin hat der Verfügungskläger lediglich ein „Schnittstellengespräch“ dargetan, nämlich das in der E-Mail vom 04.11.2022 (Anlage K12, Bl. 106 f. Anlagenband) erwähnte Gespräch, das kaum im unmittelbaren Nachgang zur Deckungsablehnung vom 13.08.2020 oder im Jahr 2011 stattgefunden haben dürfte. Dieses Gespräch war daher von vorneherein nicht geeignet, den Verfügungskläger von einer zeitnahen Hauptsacheklage nach der Deckungsablehnung vom 13.08.2020 abzuhalten.
52Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Vortrag des Verfügungsklägers in seiner Stellungnahme vom 13.09.2023. „Schnittstellengespräche“ vor dem 04.11.2022 sind weiterhin nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich; insbesondere sind keine Umstände dargetan, die beim Verfügungskläger im zeitlichen Zusammenhang mit der Deckungsablehnung vom 13.08.2020 den Eindruck erzeugen konnten, die Verfügungsbeklagte würde an ihrer Deckungsablehnung nicht festhalten wollen. Solches gilt – auch wenn dies aufgrund des rund zweijährigen Abstands zur Deckungsablehnung ohnehin unerheblich ist – auch hinsichtlich des „Schnittstellengesprächs“ vom 04.11.2022: Dem Verfügungskläger ist von der Verfügungsbeklagten lediglich erklärt worden, dass man vor dem Gespräch keine Erklärungen abgeben werde. Das Bemühen des Grundversicherers, sich bei der Verfügungsbeklagten für den Verfügungskläger einzusetzen, mag eine gewisse Hoffnung bei ihm erzeugt haben – aber keine begründete Erwartung.
53Der Einwand des Verfügungsklägers, dass er eine Sicherheitsleistung gemäß § 709 ZPO nicht hätte erbringen können, greift nicht durch. Es handelt sich bei der nur in besonderen Ausnahmefällen zulässigen Leistungsverfügung und den Schutzvorschriften im Rahmen der vorläufigen Vollstreckbarkeit um getrennte Regelungsbereiche. Ob eine Sicherheitsleistung vor der vorläufigen Vollstreckung zu erbringen ist, ist nur durch Anwendung von § 710 ZPO zu entscheiden, an dessen Stelle nicht das Instrument der Leistungsverfügung tritt, das gerade nur für den Fall anerkannt ist, dass keine rechtzeitige vorläufig vollstreckbare Entscheidung im ordentlichen Verfahren erwirkt werden kann. Dass nach Ansicht des Senates darüber hinaus auch kein Verfügungsanspruch besteht, ist für die Beurteilung des Verfügungsgrundes ohne Bedeutung.
54In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Verfügungskläger bis zum heutigen Tag kein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht hat und damit die Wirkungsdauer der beantragten einstweiligen Verfügung – bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache – zeitlich weit nach hinten geschoben hätte.
55Dass sich der Verfügungskläger aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten auf die notwendigsten Verfahren beschränken musste, steht einer rechtzeitigen Erhebung des Hauptsacheverfahrens nicht entgegen. Abgesehen davon, dass der Verfügungskläger offenbar Geld für das Verfügungsverfahren hat, hätte er ansonsten einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen können. Ohnehin müsste er ein Hauptsacheverfahren jedenfalls im Fall des § 926 ZPO einleiten.
Darüber hinaus hat der Verfügungskläger nicht dargetan, dass die für ihn tätigen Rechtsanwälte ohne laufende Vorschusszahlungen aus der Y.-Versicherung nicht mehr weiter für ihn tätig würden. Seine Behauptung, eine angemessene Verteidigung könne nicht mehr dargestellt werden, ist zu pauschal. Vortrag dazu, was ohne die Erbringung der Versicherungsleistungen geschehen würde, fehlt.
57Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Verfügungskläger in den gegen ihn gerichteten Verfahren Prozesskostenhilfe beantragen könnte. Nach seinem eigenen Vortrag hat seine Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg; ferner wären danach auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben. Soweit der Verfügungskläger in seiner Stellungnahme vom 13.09.2023 demgegenüber ausführt, dass seine Einschätzung der hinreichenden Erfolgsaussicht nicht gleichbedeutend mit einer gerichtlichen Bewertung sei, ist dies zwar an sich zutreffend; auch trifft der Senat keine Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Indes hat eine beabsichtigte Rechtsverfolgung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt (BGH, Beschluss vom 7. März 2007 – IV ZB 37/06 –, Rn. 7, juris, m.w.N.). Dass solches hier fraglich sein könnte, ist vom Verfügungskläger nicht dargetan worden, und auch sonst trägt der Verfügungskläger nichts vor, warum daran gezweifelt werden könnte, ob die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in den streitgegenständlichen Verfahren vorliegen.
58Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe stünde der hier geltend gemachte Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte nicht entgegen: Lehnt eine Rechtsschutzversicherung die Erteilung einer Deckungszusage ab, kann die versicherte Partei grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, den Deckungsprozess gegenüber der Versicherung zu führen. Vielmehr ist zunächst Prozesskostenhilfe zu gewähren und bei Obsiegen im Deckungsprozess gemäß § 120 Abs. 4 ZPO wieder aufzuheben. Etwas anderes gilt nur, soweit nach den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung die Möglichkeit des Stichentscheids des Rechtsanwalts besteht (Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 20. Februar 2006 – 3 Ta 403/05 –, juris; vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 1987 – IVa ZR 318/86 –, juris). Diese Überlegung ist auf die Y.-Versicherung zu übertragen, soweit sie – wie hier – eine solche Rechtsschutzfunktion hat. Abgesehen davon, dass in den AVB ein Stichentscheid oder ähnliches schon nicht vorgesehen ist, hat die Verfügungsbeklagte hier Versicherungsschutz aus anderen Gründen abgelehnt. Es wäre damit eine unzulässige Rechtsschutzverkürzung, wenn in den gegen den Verfügungskläger gerichteten Zivilverfahren Prozesskostenhilfe allein mit dem Hinweis auf einen in einem Deckungsprozess durchzusetzenden Anspruch gegen den Y.-Versicherer abgelehnt würde.
59Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinen Entscheidungen vom 11.12.2020 (7 W 29/20) und 07.07.2021 (7 U 19/21) der Auffassung ist, dass der Verfügungskläger nicht auf die Beantragung von Prozesskostenhilfe verwiesen werden könne, ist dem hier nicht zu folgen. Zum einen weicht die hier zu beurteilende Sachlage bereits von der vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu entscheidenden Sachlage ab. So war dort unstreitig, dass die Voraussetzungen für das Bestehen des Versicherungsschutzes grundsätzlich gegeben waren, dieser sei, nach dortiger Auffassung des Grundversicherers, allerdings wegen des Verschweigens gefahrerhöhender Umstände und arglistiger Täuschung durch den Verfügungskläger ausgeschlossen. Davon ist die hier zu entscheidende Frage, ob von vorneherein überhaupt in Betracht kommt, ob die streitgegenständlichen Inanspruchnahmen des Verfügungsklägers unter den von der Verfügungsbeklagten zu gewährenden Versicherungsschutz fallen, zu unterscheiden.
60Zum anderen – und dies ist für den Senat entscheidend – ist die Argumentation des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zirkelschlüssig, da sie das Bestehen eines Anspruchs gegen den Versicherer voraussetzt. Nur für diesen Fall ist es zutreffend, dass der Verweis auf die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe den Anspruch auf eine schnelle und wirksame Abwehrdeckung verkürzen würde (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. Dezember 2020 – 7 W 29/20 –, Rn. 49, juris). Dies gilt für den Fall, dass ein Anspruch gegen den Versicherer nicht gegeben ist, demgegenüber gerade nicht.
61Darüber hinaus scheidet beispielsweise bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus einer privaten Krankentagegeldversicherung der Erlass einer auf Zahlung gerichteten Leistungsverfügung grundsätzlich aus, wenn die Notlage durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen abgewendet werden kann (Senat, Urteil vom 15. Mai 2012 – I-4 U 246/11 –, Rn. 25, juris, m.w.N.). Auch in einem solchen Fall besteht ein offensichtlicher Unterschied zwischen dem durch Prämienzahlungen erworbenen Versicherungsschutz und dem lediglich einen Mindestlebensstandard absichernden Schutz durch staatliche Sozialleistungen, ohne dass dies in solchen Fällen den Erlass von Leistungsverfügungen begründen würde. Es ist nicht einsichtig, dass dies im Bereich der Y.-Versicherung anders sein soll. Dabei ist davon auszugehen, dass durch das staatliche System der Prozesskostenhilfe ausreichender effektiver Rechtsschutz gewährleistet wird – anderenfalls wäre die Regelung verfassungswidrig, was der Verfügungskläger weder dargetan hat noch sonst ersichtlich ist.
62Während der Verfügungskläger damit auch bei Zurückweisung seines Antrags auf Erlass einer Leistungsverfügung weiterhin rechtlich dadurch geschützt ist, dass er Prozesskostenhilfe beantragen kann und nach seinem eigenen Vortrag auch erhalten würde, würde die Verfügungsbeklagte das Risiko tragen, ihre geleisteten Gelder endgültig zu verlieren. Dabei ist darüber hinaus noch folgendes zu beachten: Der Verfügungskläger hat schon nicht dargetan, das seine Rechtsanwälte dann nicht weiterhin für ihn tätig sein würden. Solches ist jedenfalls denkbar, da sie – einen Anspruch des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagte wie vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main vorausgesetzt – ihr Honorar dann lediglich später erhalten würden; ein ernsthaftes Insolvenzrisiko besteht bei der Verfügungsbeklagten nicht. Dafür spricht auch die Durchführung dieses Verfahrens, in dem der Verfügungskläger keine Prozesskostenhilfe beantragt hat. Für die erste Instanz belaufen sich die eigenen (gesetzlichen) Anwaltskosten auf rund 104.000 Euro und die Gerichtskosten auf rund 124.000 Euro. Für die zweite Instanz betragen die Gebühren rund 116.000 Euro (bei Annahme einer 1,2-fachen Terminsgebühr) und rund 166.000 Euro, zu deren Finanzierung der Verfügungskläger nichts vorgetragen hat. Es ist damit naheliegend, dass die Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers auf einen Vorschuss in diesem Verfahren verzichtet haben, auch wenn dies nicht erklärt, wie die Gerichtskosten gezahlt werden sollen. Anderenfalls würde der Verfügungskläger über hier nicht offenbarte finanzielle Mittel verfügen, so dass ein Verfügungsgrund bereits deshalb nicht glaubhaft gemacht wäre.
63Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Stellungnahme des Verfügungsklägers vom 13.09.2023. Der Senat hat dem Verfügungskläger mit den vorstehenden Ausführungen gerade nicht unterstellt, sich nicht in einer finanziellen Notlage zu befinden, sondern es ausdrücklich als naheliegend bezeichnet, dass die Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers auf einen Vorschuss in diesem Verfahren verzichtet haben. Im Übrigen war bislang nicht die Rede davon, dass die Ehefrau des Verfügungsklägers möglicherweise Verfahrenskosten übernehmen würde. Dass die Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr für ihn tätig würden, legt der Verfügungskläger auch jetzt nicht dar.
64Soweit der Verfügungskläger meint, er könne nicht auf Prozesskostenhilfe verwiesen werden, weil er doch einen Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte habe, und die Gewährleistung der Rechtsverteidigung der primäre Vertragszweck sei, erliegt er dem gleichen Zirkelschluss, wie bereits das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Ob der Verfügungskläger einen solchen Anspruch hat, ist im Hauptsacheverfahren zu klären. Die Möglichkeit, dass der Verfügungskläger in den gegen ihn gerichteten Rechtsstreiten Prozesskostenhilfe beantragen und dadurch effektiven Rechtsschutz erhalten kann, steht einer für eine Leistungsverfügung erforderlichen existentiellen Notlage entgegen. Der Senat entzieht sich daher keiner Entscheidung. Vielmehr liegen dann schlicht nicht die engen Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache vor. Keineswegs würde der Vertragszweck der Versicherung „sinnentleert“, wenn die – zu Gunsten des Verfügungsklägers unterstellt vertragswidrige – Leistungsablehnung der Verfügungsbeklagten dazu führen würde, dass dieser zunächst Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen müsste, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür vorliegen. Dies würde bedeuten, dass die Versicherung keinerlei Funktion zugunsten des Verfügungsklägers hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall: Denn zum einen ist es jedenfalls denkbar, dass die Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers für diesen in der Erwartung einer im Hauptsacheverfahren festzustellenden Einstandspflicht des Versicherers tätig werden – jedenfalls hat dies der Verfügungskläger auf den entsprechenden oben stehenden Hinweis des Senates gerade nicht in Abrede gestellt, insbesondere nicht im Absatz 52 seiner Stellungnahme vom 13.09.2023 (Bl. 332 OLG-GA). Dort führt er lediglich aus, dass die qualifizierte fachkundige Beratung und Vertretung nach RVG-Gebührensätzen nicht zu erhalten sei. Dass seine bereits tätigen Prozessbevollmächtigten die weitere Vertretung trotz der bisher erhaltenen Vergütungen und der Aussicht auf weitere (nachträgliche) Vergütung auf Stundenbasis im Falle des Obsiegens in der Hauptsache gegen die Verfügungsbeklagte unterlassen würden, trägt der Verfügungskläger demgegenüber gerade nicht vor.
65Zum anderen hätte sich der Versicherer durch eine unberechtigte Leistungsverweigerung gegebenenfalls schadensersatzpflichtig gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2006 – IV ZR 4/05 –, juris). Dass die Realisierung eines solchen - gegebenenfalls sehr hohen – Schadensersatzanspruchs an der Bonität der Verfügungsbeklagten scheitern würde, ist nicht ersichtlich. Anders würde dies aussehen, wenn der Verfügungskläger keinen Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte hätte und die Verfahren verlieren würde, für die er Rechtsschutzdeckung begehrt. Die auf eine Leistungsverfügung erbrachten Leistungen der Verfügungsbeklagten wären dann mit größter Wahrscheinlichkeit verloren. Dabei führt der Hinweis des Verfügungsklägers, dass die Rechtsschutzdeckung Bestandteil der Kalkulation der Verfügungsbeklagten sei, nicht weiter, da dies nur für berechtigte Ansprüche gilt.
66Auch der Einwand des Verfügungsklägers, dass möglicherweise der Steuerzahler auf Rechtsverteidigungskosten „sitzenbleiben“ könne, entkräftet die Argumentation des Senates nicht. Zum einen rechtfertigt ein solches fiskalisches Interesse des Staates nicht, die Anforderungen an eine Leistungsverfügung zu reduzieren und so von der Verfügungsbeklagten gleichsam ein „Sonderopfer“ zu verlangen. Die Argumentation des Verfügungsklägers setzt eine Leistungspflicht der Verfügungsbeklagten voraus – eine solche steht jedoch gerade nicht fest. Zum anderen bietet § 120a ZPO die Möglichkeit, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzuändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn die Leistungspflicht der Verfügungsbeklagten im Hauptsacheverfahren festgestellt würde. Hätte der Verfügungskläger direkt nach der ersten Leistungsablehnung der Verfügungsbeklagten den von ihm geltend gemachten Anspruch in einem Hauptsacheverfahren verfolgt, wäre es durchaus wahrscheinlich gewesen, dass über diesen Anspruch rechtskräftig vor rechtskräftigen Entscheidungen in den hier streitgegenständlichen Verfahren gegen den Verfügungskläger entschieden worden wäre; der Verfügungskläger zeigt selber zutreffend auf, dass das Kapitalanlegermusterverfahren und das Organhaftungsverfahren die begründete Perspektive haben, länger als zehn Jahre anzudauern. Auch die anderen Verfahren dürften angesichts der streitigen Tatsachenbehauptungen erst nach mehreren Jahren rechtskräftig entschieden sein, zumal der Verfügungskläger mitgeteilt hat, dass die Einzelrechtsstreite bedingt durch das Kapitalanlegermusterverfahren zunehmend ausgesetzt werden.
Der Verfügungskläger hat darüber hinaus auch das Bestehen eines Verfügungsanspruchs nicht dargetan. Nach der gebotenen summarischen Prüfung kann der Senat nicht feststellen, dass der Verfügungskläger im Hauptsacheverfahren mit hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit obsiegen würde.
Der gegen die Verfügungsbeklagte gerichtete geltend gemachte Deckungsanspruch scheidet nach summarischer Prüfung aufgrund der bei Vertragsabschluss zwischen der A. AG und der Verfügungsbeklagten getroffenen Besonderen Bedingungen aus.
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die sogenannten Besonderen Bedingungen, wie sie sowohl in der vorläufigen Deckungsbestätigung vom 26.09.2019 (Anlage B12, Bl. 210 ff. Anlagenband) als auch im Versicherungsschein vom 27.01.2020 (Anlage SS2, Bl. 431 ff. Anlagenband = Anlage K3, Bl. 80 ff. Anlagenband) festgehalten sind, Vertragsbestandteil geworden sind. Diese Bedingungen sind zwar nicht im ersten Versicherungsschein vom 19.12.2019 aufgeführt (Anlage K3, Bl. 75 ff. Anlagenband), dies kann aber auch schlicht versehentlich so geschehen sein. Abgesehen davon, dass weder ersichtlich noch vorgetragen ist, dass sich die A. AG gegen die Ergänzung im zweiten Versicherungsschein gewandt hat, ergibt sich aus der unstreitigen Entstehungsgeschichte der Versicherung, dass die Verfügungsbeklagte auf diese Besonderen Bedingungen keinesfalls verzichten wollte.
Die Besondere Bedingung Nr. 1 ist dahingehend auszulegen, dass für die hier streitgegenständlichen Inanspruchnahmen des Verfügungsklägers kein Versicherungsschutz besteht.
71Dabei handelt es sich nicht um eine Allgemeine Versicherungsbedingung. Solche wären nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss, wobei es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen ankommt; Risikoausschlussklauseln sind dabei nach ständiger Rechtsprechung eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2008 – IV ZR 9/08 –, Rn. 16 f., juris, m.w.N.). Die Besondere Bedingung Nr. 1 ist demgegenüber individuell zwischen den Parteien des Versicherungsvertrages ausgehandelt worden, was sowohl die – unstreitige – Entstehungsgeschichte der Versicherung zeigt, als auch der Inhalt der Bedingung, die allein für den hier streitgegenständlichen Versicherungsvertrag Bedeutung hat. Für solche individualvertraglichen Vereinbarungen gilt die Auslegungsregel, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung anzunehmen ist, eine vertragliche Bestimmung solle nach dem Willen der Parteien einen bestimmten rechtserheblichen Inhalt haben (BGH, a.a.O.).
72Nach dem Wortlaut der Besonderen Bedingung Nr. 1 sind „Ansprüche gegen Versicherte wegen oder aufgrund von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Z. 1 gemäß Sachverhaltsdarstellung Ziffer 1, gemäß Mail vom 11.09.2019“ nicht versichert. Da die Klausel keine Einschränkung enthält, sind alle Ansprüche von ihr erfasst. Die Klausel ist in zweifacher Hinsicht weit gefasst: Zum einen ergibt sich der Bezugspunkt des Ausschlusses, wenn auch grammatikalisch kaum korrekt, aus der Bezugnahme auf die „Z. 1 gemäß Sachverhaltsdarstellung Ziffer 1“, wobei durch den Hinweis auf die E-Mail vom 11.09.2019, der das Schreiben der A. AG an den Grundversicherer vom 04.04.2019 nebst der mit „Sachverhaltsberichterstattung“ überschriebenen Übersetzung beigefügt war, hinreichend deutlich ist, auf welche textliche Passage sich diese Bezugnahme bezieht. Zum anderen soll ausreichend sein, dass die anspruchsbegründenden (behaupteten) Pflichtverletzungen einen bloßen Zusammenhang mit den Umständen aufweisen, die in dieser Textpassage beschrieben und enthalten sind.
73Diese weite Fassung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Klausel, der bei der Auslegung der Individualvereinbarung maßgeblich zu berücksichtigen ist. Denn die Verfügungsbeklagte wurde in einer Situation um ein Angebot auf Gewährung von Versicherungsschutz gebeten, in der – von der A. AG in Abrede gestellte – Vorwürfe gegen die Versicherungsnehmerin im Raume standen, deren Substanz und weitere Entwicklung noch völlig im Dunklen war. Dass der Versicherer für den gesamten davon erfassten Bereich keinen künftigen Versicherungsschutz versprechen will, ist – auch und gerade für die Versicherungsnehmerin als großem Wirtschaftsunternehmen – selbstverständlich und liegt auf der Hand.
74Dabei ist für die Auslegung der Klausel auch von Bedeutung, dass die Z. 1 nach dem Schreiben vom 04.04.2019 und vor der Angebotsabgabe der Verfügungsbeklagten in einem weiteren den Parteien bekannten Artikel vom 24.04.2019 (Anlage SS5, Bl. 276 ff. Anlagenband) über Vorwürfe gegen die A. AG berichtete. Für die Vertragsparteien war – auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der Besonderen Bedingung Nr. 1 – offensichtlich, dass auch diese weitere Berichterstattung der Z. 1 als bloße Fortsetzung den ausgeschlossenen Haftungskomplex mit konkretisieren sollte, da in der Klausel schlicht auf die „Z. 1“ Bezug genommen wurde. Darüber hinaus spricht viel dafür, auch den Artikel in der Z. 1 vom 15.10.2019 (Anlage SS6, Bl. 91 ff. Anlagenband) mit heranzuziehen, der zwar nach der vorläufigen Deckungsbestätigung am 26.09.2019, aber vor der endgültigen Deckungsbestätigung am 20.11.2019 und der Policierung des Versicherungsscheins erschienen ist. Sowohl für einen objektiven Dritten als auch für die Vertragsparteien war offensichtlich, dass die Verfügungsbeklagte als neuer Versicherer nicht für diese bereits vor Vertragsabschluss auf dem Tisch liegenden Vorwürfe einstehen wollte und sollte.
75Aufgrund dessen würde es zu kurz greifen, lediglich die im ersten Absatz unter der Nummer 1 im Schreiben vom 04.04.2019 konkretisierten Vorwürfe („mögliche Compliance-Verletzungen im Bereich der Rechnungslegung für den Zeitraum 2015-2018 in Höhe von insgesamt 6,9 Mio. EUR Umsatz und Kosten von 4,1 Mio. EUR sowie eine interne Übertragung von geistigem Eigentum an Software im Wert von 2,6 Mio. EUR“) als von der Ausschlussklausel erfasst zu sehen. Denn die Klausel nimmt ausdrücklich Bezug auf die Artikel in der Z. 1 als maßgeblichen Ansatzpunkt, die über diese Vorwürfe weit hinausgehen. Zu kurz greift der Einwand des Verfügungsklägers, dass die Artikel in der Z. 1 lediglich die Veranlassung gegeben hätten, den Grundversicherer über die konkretisierten Vorwürfe zu informieren. Dies berücksichtigt den Wortlaut der Besonderen Bedingung Nr. 1 nicht ausreichend, der gerade nicht auf diese konkretisierten Vorwürfe Bezug nimmt, sondern auf die „Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Z. 1“.
76Unerheblich ist, dass der E-Mail des Maklers der A. AG vom 11.09.2019 keine Artikel der Z. 1 beigefügt waren. Diese Artikel waren senatsbekannt auch bereits in Deutschland Gegenstand der Berichterstattung. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass sie den Vertragsparteien nicht bekannt und kein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Risikobewertung beider Vertragsparteien waren. Daher ist der Vorwurf des Verfügungsklägers in seiner Stellungnahme vom 13.09.2023, dass dies eine Sichtweise aus der Gegenwartsperspektive sei, die den seinerzeitigen Ausschluss weiter auslege, als tatsächlich vereinbart worden sei, nicht zutreffend. Die denkbar weite Formulierung des vor diesem Hintergrund der kritischen Berichterstattung individuell vereinbarten Ausschlusses indiziert, dass beide Parteien übereinstimmend von einem umfassenden Regelungsbereich ausgegangen sind.
77Unerheblich ist es, dass andere Versicherer des Versicherungsturms keine Ausschlüsse verlangt haben, was vielfältige Gründe haben kann. Über einen Neuabschluss wie hier dürfte jedenfalls nicht verhandelt worden sein. Dass die Reduzierung der Versicherungssumme des Grundversicherers um zehn Millionen Euro nicht mit der Berichterstattung in der Z. 1 in Zusammenhang steht, nimmt der Senat zugunsten des Verfügungsklägers an.
78Zwar wäre es sicherlich im Interesse der A. AG gewesen, einen solchen umfassenden Ausschluss nicht zu vereinbaren, wobei sie ein erhebliches Interesse daran hatte, die durch den Teilrückzug des Grundversicherers entstandene Deckungslücke aufzufüllen. Nach Auslegung der Klausel hat sie einem solchen Ausschluss – auch unter Berücksichtigung dieses Interesses – aus den vorstehenden Gründen indes zugestimmt. Soweit der Verfügungskläger einen entsprechenden Willen der A. AG bestreitet, käme höchstens eine – nicht erklärte – Anfechtung in Betracht, die der Versicherung indes ohnehin die Grundlage entziehen würde.
79Entgegen der Ansicht des Landgerichts führt eine solch weite Auslegung der Ausschlussklausel nicht dazu, dass der Umfang des Versicherungsschutzes kaum absehbar und die Abgrenzung von versicherten und nicht versicherten Entwicklungen schwierig ist; vielmehr misst dieser Einwand dem Sinn und Zweck der Regelung zu wenig Bedeutung bei: Ohne einen umfassenden Ausschluss der bereits in der Z. 1 diskutierten Pflichtverletzungen wäre die Verfügungsbeklagte entsprechend ihrer E-Mail vom 24.09.2019 zur Vereinbarung des Versicherungsschutzes verständlicherweise nicht bereit gewesen. Gerade weil diese Entwicklung nicht vorhersehbar war, die Verfügungsbeklagte aber aus auch für die A. AG verständlichen Gründen für die Versicherungsfälle, die aus diesem den Parteien bereits bekannten Kern hervorgehen, nicht eintreten wollte, war eine derart weitreichende Ausschlussklausel erforderlich.
80Die hier streitgegenständlichen Inanspruchnahmen sind mit Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Vorwürfen der Z. 1 begründet. Nach summarischer Durchsicht der vom Verfügungskläger vorgelegten Klageschriften wird in sämtlichen Verfahren jedenfalls auch der Vorwurf des Erfindens des TPA-Geschäftes der A. AG mit der Fiktion der angeblichen Umsätze in Höhe von rund 1,9 Milliarden Euro erhoben – Vorwürfe, die unstreitig von der Z. 1 ab Januar 2019 veröffentlicht wurden. Dass dies in einzelnen Verfahren nicht der Fall sein soll, hat der Verfügungskläger nach dem Hinweis des Senates im Hinweisbeschluss vom 28.08.2023 nicht dargetan. Unerheblich ist, dass diese Verfahren in der Besonderen Bedingung nicht konkret aufgeführt sind, da es sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Ausreichend ist nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Klausel ein bloßer Zusammenhang mit den in der Z. 1 erhobenen Vorwürfen.
Mit der Frage, ob das Schreiben vom 04.04.2019 eine Umstandsmeldung ist (vgl. dazu den Beschluss des Senates vom 12.07.2017 – I-4 U 61/17 –, juris) und ob die Serienschadenklausel einschlägig wäre, muss sich der Senat daher nicht befassen.
Die Streitwertbeschwerde des Verfügungsklägers im Schriftsatz vom 13.09.2023 ist unzulässig. Gegen die Streitwertfestsetzung im Senatsbeschluss vom 28.08.2023 ist ein Rechtsmittel gemäß § 66 Abs. 3 GKG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG nicht statthaft (BDPZ/Zimmermann, 5. Aufl. 2021, GKG § 68 Rn. 21). Allerdings setzt der Senat den Streitwert von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 1 GKG in Abänderung des Beschlusses vom 28.08.2023 entsprechend §§ 3, 9 ZPO auf 2.160.000 Euro fest.
83Erstmals mit seiner Stellungnahme vom 13.09.2023 hat der Verfügungskläger – entgegen § 61 GKG und § 253 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, auch wenn die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts offensichtlich war – Angaben zum Streitwert gemacht; auch die – vom Senat übernommene – Streitwertfestsetzung im landgerichtlichen Urteil hat der Verfügungskläger mit seiner Berufungsbegründung nicht beanstandet. Nach den nunmehrigen Ausführungen des Verfügungsklägers geht der Senat davon aus, dass Rechtsanwaltskosten in Höhe von rund 60.000 Euro im Monat streitgegenständlich sind. Entsprechend § 9 ZPO hat der Senat daher den dreieinhalbfachen Jahresbetrag zugrunde gelegt. Ein Abschlag war nicht vorzunehmen, da sich das Interesse des Verfügungsklägers auf die Leistung richtet und es damit um das Befriedigungs- und nicht nur um das Sicherungsinteresse geht (vgl. OLG München, Urteil vom 20. Juni 2018 – 7 U 1079/18 –, Rn. 63, juris).
Es besteht kein Anlass, über eine Befangenheit einzelner oder aller Senatsmitglieder förmlich zu entscheiden. Soweit der Verfügungskläger in Absatz 70 seiner Stellungnahme vom 13.09.2023 ausführt, dass bei objektiver Betrachtung Zweifel an der Unvoreingenommenheit „des Senats“ bestehen würden, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob ein etwaiger Befangenheitsantrag zulässig wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2006 – 3 B 182/05 –, juris), da der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers gegenüber dem Berichterstatter telefonisch ausdrücklich klargestellt hat, dass er einen Befangenheitsantrag nicht stellen wolle, aber den Senat darum bitte zu prüfen, ob eine Selbstablehnung im Sinne von § 48 ZPO in Betracht komme. Die Mitglieder des Senates haben dies geprüft. Verhältnisse, die eine Ablehnung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Auch bestehen nicht aus anderer Veranlassung Zweifel darüber, ob die Senatsmitglieder kraft Gesetzes ausgeschlossen sind.
85Der Senat hatte dem Verfügungskläger auf dessen Bitte in Absatz 71 seiner Stellungnahme vom 13.09.2023 auch keinen weiteren Hinweis zu erteilen. Der Senat stützt die Zurückweisung der Berufung des Verfügungsklägers lediglich auf die Punkte, die bereits Gegenstand seines Hinweisbeschlusses vom 28.08.2023 waren und zu denen der Verfügungskläger bereits Stellung genommen hat. Einen weiteren Hinweis darauf, dass der Senat durch eine solche Stellungnahme nicht überzeugt ist, sieht die Zivilprozessordnung nicht vor, worauf der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers in dem vorerwähnten Telefonat auch hingewiesen wurde.
86Soweit der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers im Schriftsatz vom 15.09.2023 vorträgt, der Berichterstatter habe in dem Telefonat deutlich zu verstehen gegeben, dass die Darlegung in Absatz 70 nicht interessiere, ist dies unzutreffend. Zutreffend ist, dass der Berichterstatter darauf hingewiesen hat, dass eine Berufungsrücknahme kostenprivilegiert und ein ordentliches Rechtsmittel gegen eine Berufungszurückweisung nicht statthaft ist. Dies geschah aus Gründen der gerichtlichen Fürsorgepflicht, gerade im Hinblick auf die finanzielle Situation des Verfügungsklägers. Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers eine unstatthafte Streitwertbeschwerde eingelegt hat, ließ es nicht ausgeschlossen erscheinen, dass ihm auch § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO außer Blick geraten war. Dass der Verfügungskläger keine „konstruktiven Erwartungen“ an die erneute Beratung des Senates nach seiner Stellungnahme vom 13.07.2023 hatte, nimmt der Senat hin.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 516 Abs. 3 ZPO, 68 Abs. 3 GKG.
[1] Die Anlagen des Verfügungsklägers sind als Anlagen „K“ bezeichnet. Die von der Verfügungsbeklagten mit Schutzschrift vom 16.06.2023 vorgelegten Anlagen sind als Anlagen „SS“ und die übrigen Anlagen als Anlagen „B“ bezeichnet. Die Blattzahlen beziehen sich auf den Anlagenband Verfügungskläger bzw. den der elektronischen OLG-Gerichtsakte zugeordneten Anlagenband Verfügungsbeklagte.