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1. Die Einreichung der ersten Ausfertigung der Ausschlagungserklärung genügt den formellen Anforderungen des § 1945 Abs. 1 2. Halbsatz BGB. Denn gemäß § 47 BeurkG vertritt die Ausfertigung der Niederschrift die Urschrift im Rechtsverkehr.
2. § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach die Ausschlagungsfrist bei gewillkürter Erbfolge nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht beginnt, ist zwingend. Dies gilt auch, wenn feststeht, dass der Bedachte von der letztwilligen Verfügung früher Kenntnis erlangt hat.
3. Enthält ein gemeinschaftliches Ehegattentestament („Berliner Testament“) keine Ersatzerbenregelung und schlägt der testamentarische Alleinerbe die Erbschaft aus, führt die ergänzende Auslegung regelmäßig dazu, dass mit der bindenden Schlusserbeneinsetzung der Kinder zugleich die Einsetzung der Kinder als Ersatzerben für den ersten Erbfall gewollt ist.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Mülheim a.d. Ruhr - Rechtspflegerin - vom 12.05.2023 aufgehoben.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1 und zu 2 vom 10.02.2023 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst.
Gründe:
2I.
3Der Beteiligte zu 3 war vom 04.06.1992 bis zu deren Tod in zweiter Ehe mit der Erblasserin verheiratet. Die Beteiligte zu 1 ist die einzige Tochter der Erblasserin, die Beteiligte zu 2 ist die einzige Tochter des Beteiligten zu 3. Aus der Ehe gingen keine gemeinsamen Kinder hervor.
4Die Eheleute errichteten unter dem 03.12.2007 ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament. Darin setzten sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Nach dem Tod des Letztversterbenden sollten ihre Töchter, die Beteiligten zu 1 und zu 2, Erben sein. Der Überlebende sollte zu Lebzeiten nach dem Tod des Erstversterbenden über den Nachlass als Erbe frei verfügen dürfen, nicht jedoch letztwillig.
5Unter dem 01.02.2023 reichte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 und zu 2 bei dem Nachlassgericht die erste Ausfertigung des von ihm beurkundeten Erbscheinantrags der Beteiligten zu 1 und zu 2 vom 23.01.2023 ein, der die Erbausschlagungserklärung des Beteiligten zu 3 enthält. Des Weiteren reichte er die Testamentsurkunde vom 03.12.2007 im Original ein und beantragte die Eröffnung dieses Testaments (AG Mülheim a.d. Ruhr, 4 VI 204/23).
6Am 10.02.2023 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 und zu 2 über das Elektronische Gerichtspostfach (EGVP) beim Nachlassgericht den Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1 und zu 2 eingereicht, mit dem sie aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 03.12.2007 einen gemeinschaftlichen Erbschein zu je ½ Anteil beantragen. Darin nehmen sie die „als Ersatzerbenregelung auszulegende Schlusserbeneinsetzung“ an. Dem Antrag beigefügt ist ein Beglaubigungsvermerk der Verfahrensbevollmächtigten, wonach die Übereinstimmung der in der Datei enthaltenen Bilddaten (Abschrift) mit dem ihm vorliegenden Papierdokument beglaubigt wird.
7Das Testament wurde am 02.03.2023 eröffnet (AG Mülheim a.d. Ruhr, 4 IV 93/23).
8Mit Verfügung vom 02.03.2023 hat das Nachlassgericht - Rechtspflegerin – mitgeteilt, dass der Erteilung des Erbscheins entgegenstehe, dass die Ausschlagungsfrist des Testamentserben abgelaufen und die Ausschlagung infolgedessen unwirksam sei.
9Die Beteiligten zu 1 und zu 2 haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass der Beteiligte zu 3 als Ausschlagender mangels Kenntnis des Testaments keine Kenntnis von seiner gewillkürten Erbeinsetzung hätte haben können.
10Mit Verfügung vom 11.04.2023 hat das Nachlassgericht seinen Standpunkt aufrechterhalten und ferner beanstandet, dass die eingereichte Ausschlagungserklärung nicht der Form des § 1945 BGB entspreche. Diese sei im Original bei Gericht einzureichen.
11Dem sind die Beteiligten zu 1 und zu 2 entgegengetreten.
12Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.05.2023 hat das Nachlassgericht - Rechtspflegerin - den Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1 und zu 2 kostenpflichtig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beteiligte zu 3 habe keine wirksame Ausschlagungserklärung abgegeben und sei Erbe geworden. Die elektronische Übermittlung der Ausschlagungserklärung genüge nicht der Form des § 129 BGB und damit auch nicht den Anforderungen des § 1945 BGB. Dem Nachlassgericht liege kein Original der Ausschlagungserklärung vor. Im Übrigen sei die Ausschlagungsfrist des § 1945 BGB abgelaufen. Diese beginne bei testamentarischer Erbfolge zwar regelmäßig nach Bekanntmachung dieser Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Vorliegend sei das Testament ohne Angabe von Gründen jedoch erst fast zwei Jahre nach dem Tod der Erblasserin eingereicht worden. Da es durch beide Ehegatten errichtet worden sei, sei von der Kenntnis des Beteiligten zu 3 auszugehen. Auch ohne Kenntnis des gemeinschaftlichen Testaments gingen juristische Laien in der Regel davon aus, gesetzlicher Allein- oder zumindest Miterbe nach einem verstorbenen Ehegatten zu sein. Hier werde davon ausgegangen, dass die Kenntnis der Erbenstellung, sei es aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge, mit dem Tod der Erblasserin festgestanden habe.
13Hiergegen richtet sich die am 05.06.2023 durch den Verfahrensbevollmächtigten eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 und zu 2. Sie meinen, dass ein Notar nicht verpflichtet sei, eine Urkunde mit Ausnahme einer letztwilligen Verfügung im Original dem Gericht vorzulegen. Die Ausfertigung ersetze das Original im Rechtsverkehr. Ferner habe die Ausschlagungsfrist erst zu laufen begonnen, als der Beteiligte zu 3 die eröffnete Verfügung vom Nachlassgericht erhalten habe. Das Amtsgericht sei nicht befugt, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob ein Ehegatte wisse, welche Testamente es gebe und gegeben habe. Erst als klar gewesen sei, dass es nur die eine eröffnete Verfügung gab, habe er sinnvollerweise die Erbschaft ausschlagen können.
14Mit Beschluss vom 15.06.2023 hat das Nachlassgericht - Rechtspflegerin - der Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der Testamentsakte (AG Mülheim a.d. Ruhr, 4 IV 93/23) und der Akte über die Erbausschlagung (AG Mülheim a.d. Ruhr, 4 VI 204/23) Bezug genommen.
16II.
17Die nach Maßgabe der § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 und zu 2 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
18Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht zu erteilen, § 2353 BGB. Der Erbschein bezeugt demnach das Erbrecht zur Zeit des Erbfalles (Grünewald/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2353 Rn. 2). Der Erbschein ist nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, § 352e Abs. 1 Satz 1 FamFG.
19Vorliegend hat das Nachlassgericht zu Unrecht angenommen, die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen lägen nicht vor:
20Die Beteiligten zu 1 und zu 2 sind Erbinnen zu je ½ nach der Erblasserin geworden, nachdem der Beteiligte zu 3 die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat.
21Die Erbfolge nach der Erblasserin richtet sich allein nach dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute vom 03.12.2007.
22An dessen Formwirksamkeit bestehen keine Bedenken (§§ 2247, 2265, 2267 BGB).
231. Der darin als Alleinerbe eingesetzte Beteiligte zu 3 hat die Erbschaft wirksam ausgeschlagen mit der Folge, dass der Anfall der Erbschaft an ihn als nicht erfolgt gilt (§ 1953 Abs. 1 BGB).
241.1. Der Beteiligte zu 3 hat die Ausschlagung formwirksam erklärt.
25Gemäß § 1945 Abs. 1 BGB erfolgt die Ausschlagung durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Dabei ist die Erklärung zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
26Gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB i.d. seit dem 01.08.2022 geltenden Fassung setzt dies im Falle der Errichtung in Schriftform voraus, dass die Erklärung schriftlich abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt ist. Gemäß § 129 Abs. 3 BGB n.F. wird die öffentliche Beglaubigung durch die notarielle Beurkundung ersetzt.
27Vorliegend ist die Ausschlagungserklärung innerhalb des Erbscheinantrags der Beteiligten zu 1 und zu 2 am 23.01.2023 notariell beurkundet worden (Ur-Nr. …../2023 HF). Unter Ziff. 7 der Urkunde heißt es: „Der Erschienene ………. schlägt hiermit die Erbschaft aus.“ Dies genügt den Anforderungen an die Beurkundung einer Willenserklärung gemäß §§ 8 ff. BeurkG.
28Die im Verfahren AG Mülheim a.d. Ruhr 4 VI 203/23 am 01.02.2023 erfolgte Einreichung der ersten Ausfertigung des Erbscheinantrags, der die Ausschlagungserklärung enthält, mit Ausfertigungsvermerk vom 30.01.2023 beim zuständigen Nachlassgericht (§ 23a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 GVG i.V.m. § 342 Abs. 1 Nr. 5, 343 Abs. 1 FamFG) genügt den Anforderungen des § 1945 Abs. 1 BGB. Denn gemäß § 47 BeurkG vertritt die Ausfertigung der Niederschrift die Urschrift im Rechtsverkehr. Dies gilt auch hinsichtlich der Abgabe der Ausschlagungserklärung (BeckOGK/Heinemann, Stand: 15.12.2022, BGB § 1945 Rn. 50; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17.02.2011 - 5 W 245/10, BeckRS 2011, 18369).
291.2. Der Beteiligte zu 3 hat die Ausschlagung auch innerhalb der sechswöchigen Ausschlagungsfrist erklärt (§ 1944 Abs. 1 BGB).
30Gemäß § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt. § 1944 Abs. 2 Satz 2 sieht vor, dass die Frist bei gewillkürter Erbfolge nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht beginnt.
31Diese gesetzliche Regelung ist eindeutig und – entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin – nicht nur regelmäßig, sondern immer anwendbar. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit kann sie nicht aus Billigkeitsgründen, wie hier aufgrund einer als sicher angenommenen früheren Kenntnis des Erben von dem Testament, ausgehebelt werden. Neben dem Anfall der Erbschaft und dem Grund der Berufung – hier: der Verfügung von Todes wegen vom 03.12.2007 - ist als dritte Voraussetzung deren amtliche Verlautbarung erforderlich, was die Kenntniserlangung des Erben von der Eröffnung der Verfügung voraussetzt (BGH, Urteil vom 26.09.1990 – IV ZR 131/89, Rn. 25, juris zu § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F., der statt der Bekanntgabe die Verkündung der Verfügung vorsah; zu der seit dem 01.09.2009 geltenden Fassung: MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 1944 Rn. 18; OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.02.2023 – 3 W 60/22, Rn. 12, juris).
32Mithin konnte die Ausschlagungsfrist nicht vor dem Zugang des Schreibens des Nachlassgerichts über die Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments vom 02.03.2023 an den Beteiligten zu 3 (§ 348 Abs. 3 FamFG) zu laufen beginnen.
33Etwas anderes gilt entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Annahme eines gesetzlichen Erbrechts. Die Erbfolge richtet sich vorliegend allein nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 03.12.2007. Selbst wenn der Beteiligte zu 3 angenommen hätte, er sei (auch) gesetzlicher Erbe, wäre die Frist nicht gelaufen (BeckOGK/Heinemann, 15.12.2022, BGB § 1944 Rn. 33).
34Die am 01.02.2023 beim Nachlassgericht eingegangene Ausschlagungserklärung erfolgte demnach bereits vor Beginn der Frist, was gemäß § 1946 2. Fall BGB möglich war, da sie nach Eintritt des Erbfalls am 05.03.2021 und zugleich mit der Ablieferung des Testaments erfolgte.
351.3. Die Ausschlagungserklärung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam: Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beteiligte zu 3 die Erbschaft bereits angenommen hatte (§ 1943 1. Fall BGB). Dies gilt, obwohl seit dem Erbfall am 05.03.2021 bis zur Beurkundung der Ausschlagung am 23.01.2023 bereits nahezu zwei Jahre vergangen sind. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 3 einen Erbschein als Alleinerbe beantragt hat, um über den Nachlass verfügen zu können.
36Ebensowenig liegt eine Unwirksamkeit nach § 1950 BGB vor, wonach die Ausschlagung der Erbschaft nicht auf einen Teil der Erbschaft beschränkt werden kann. Denn die Vorschrift findet keine Anwendung für den Fall, dass der Erbe aus unterschiedlichen Berufungsgründen zum Erbe berufen ist und Gegenstand der Ausschlagung die testamentarische Erbeinsetzung ist (OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.02.2023 – 3 W 60/22, Rn. 14, juris).
372. Der Wegfall des Beteiligten zu 3 als Alleinerbe hat zur Folge, dass die in dem gemeinschaftlichen Testament als Schlusserben eingesetzten Beteiligten zu 1 und zu 2 Erbinnen zu je ½ Miterben nach der Erblasserin geworden sind.
38Gemäß § 1953 Abs. 2 BGB fällt die Erbschaft demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt.
39Die Ausschlagung eines gewillkürten Erben führt in erster Linie zu einem Erbschaftsanfall an den eingesetzten Ersatzerben (§ 2096 BGB). Schlägt der eingesetzte Alleinerbe, für den kein Ersatzerbe berufen ist, die Erbschaft im Ganzen aus, tritt der gesetzliche Erbe an seine Stelle (NK-BGB/Malte Ivo, 6. Aufl. 2022, BGB § 1953 Rn. 7).
40Vorliegend haben die Eheleute bei der Errichtung des Testaments den Wegfall des länger lebenden Ehegatten durch Ausschlagung nicht bedacht. Eine ausdrückliche Ersatzerbeinsetzung enthält das Testament nicht.
41Welche Rechtsfolge die Ausschlagung des testamentarischen Alleinerben bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament bei fehlender Ersatzerbenregelgung hat, ist streitig:
42Teilweise wird wegen der Zielrichtung des Berliner Testaments, den überlebenden Ehegatten zu begünstigen, die Ausschlagung der testamentarischen Erbfolge und die Annahme des gesetzlichen Erbes als wirksam angesehen (vgl. MüKoBGB/Leipold, a.a.O., § 1948 Rn. 8, § 1953 Rn. 12; BeckOGK/Heinemann, a.a.O., § 1953 Rn. 25.2). Nach anderer Ansicht wird eine stillschweigende Ersatzerbeneinsetzung der Schlusserben angenommen. Bei einer bindenden Schlusserbeneinsetzung führe im Regelfall die ergänzende Auslegung der letztwilligen Verfügung dazu, dass mit der Schlusserbeneinsetzung zugleich die Einsetzung der Kinder als Ersatzerben für den ersten Erbfall gewollt ist (Keim, ZEV 2020, 393-402, zit. nach juris; OLG Stuttgart Beschluss vom 16.03.1978 – 8 W 342/77, BeckRS 2013, 14911; Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 14.02.2023 – 3 W 60/22, Rn. 15 ff., juris).
43Dem ist zuzustimmen. Setzen Eltern in einem gemeinschaftlichen Testament ihre Kinder zu Schlusserben ein, so sollen die Kinder nach dem Willen der Eltern nach dem Tode des Längstlebenden das dann noch vorhandene Vermögen - auch, soweit es ursprünglich Vermögen des Erstversterbenden war - bekommen. Dem mutmaßlichen Willen der Ehegatten bei Testamentserrichtung entspricht es deshalb in der Regel, dass nach der von ihnen gewollten und im gemeinschaftlichen Testament zugrunde gelegten Nachlassplanung das Vermögen des Erstversterbenden auf jeden Fall an die Schlusserben fällt, auch bei einer Ausschlagung des länger Lebenden. Das wäre nicht gewährleistet, wenn der länger lebende Ehegatte sich über die Ausschlagung gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments löst und gemeinsam mit den Kindern gesetzlicher Erbe würde. Für eine stillschweigende Ersatzerbeneinsetzung der Schlusserben spricht auch die Aus-legungsregel des § 2097 BGB. Danach ist derjenige, der für den Fall, dass der zunächst berufene Erbe nicht Erbe sein kann, zum Ersatzerben eingesetzt ist, im Zweifel auch für den Fall eingesetzt, dass jener nicht Erbe sein will. Die Bestimmung der Schlusserben in einem Berliner Testament kann man als Ersatzerbenbestimmung beider Ehegatten charakterisieren, von denen sich nur diejenige des länger Lebenden verwirklicht, da der primär zum Erben eingesetzte andere Ehegatte durch sein Vorversterben weggefallen ist (OLG Brandenburg, a.a.O. m.w.N.).
44Vorliegend sind Anhaltspunkte für einen anderslautenden Willen der Eheleute bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass die Eheleute dem Letztversterbenden nicht gestattet haben, eine abweichende letztwillige Verfügung über den Nachlass zu treffen, dafür, dass die Schlusserbeneinsetzung unumstößlich sein und auch hinter der Testierfreiheit des länger Lebenden zurückbleiben sollte. Ferner lässt auch die Erbausschlagungs-erklärung des Beteiligten zu 3 innerhalb des Erbscheinantrags der Beteiligten zu 1 und zu 2 darauf schließen, dass dieser diese Rechtsfolge - die Erbenstellung beider Kinder - als selbstverständlich annahm, was auf einen entsprechenden Willen bei Testamentserrichtung schließen lässt. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die gesetzliche Erbfolge dazu führen würde, dass er zusammen mit der leiblichen Tochter der Erblasserin, der Beteiligten zu 1, Erbe würde (§§ 1924 Abs. 1, 1931 Abs. 1, Abs. 3, 1371 BGB), seine eigene leibliche Tochter, die Beteiligte zu 2, in diesem Fall nicht erben würde. Entsprechendes würde gelten, wenn der Beteiligte zu 3 vorverstorben wäre und die Erblasserin als länger Lebende die Erbschaft ausgeschlagen hätte. Dies würde bei Eingreifen der gesetzlichen Erbfolge zum Entfall der Erbenstellung ihres leiblichen Kindes, der Beteiligten zu 1, führen. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Eheleute bei der Errichtung des Testaments eine solche Situation vorgestellt und gewollt haben, die zu einer Ungleichbehandlung der beiden Kinder führte, bestehen nicht.
45Demnach sind die Beteilige zu 1 und zu 2 nach der Erbausschlagung des Beteiligten zu 3 Erbinnen nach der Erblasserin zu je ½ geworden. Sie haben in der notariellen Urkunde vom 23.01.2023 die Annahme der Erbschaft erklärt (§ 1946 1. Fall BGB). Der von ihnen beantragte gemeinschaftliche Erbschein ist zu erteilen.
46III.
47Eine Kostenentscheidung ist wegen des Erfolgs des Rechtsmittels entbehrlich (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Aus demselben Grund erübrigt sich eine Geschäftswertfestsetzung ebenso wie eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde.