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1. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG können neben dem Maß des Obsiegens oder Unterliegens auch die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bestehende familiäre und persönliche Nähe zwischen dem Erblasser und den Verfahrensbeteiligten oder zwischen den Verfahrensbeteiligten untereinander sowie das Interesse am Ausgang des Verfahrens und das Maß der Verfahrensförderung von Bedeutung sein.
2. Im Allgemeinen ist es nur bei einem engen verwandtschaftlichen Verhältnis, wie es zwischen Verwandten gerader Linie besteht, sowie bei einem engen persönlichen Verhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten angezeigt, maßgeblich wegen dieser Nähebeziehung eine ansonsten in Betracht kommende Kostenerstattungspflicht des unterlegenen Beteiligten abzulehnen.
3. Ein zerrüttetes Verwandtschaftsverhältnis rechtfertigt es nicht, dem obsiegenden Verfahrensbeteiligten eine Kostenerstattung zu versagen.
I. Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1. bis zu 3. wird der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 25. November 2021 im Kostenausspruch teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beteiligte zu 4. hat die gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen und den Beteiligten zu 1. bis zu 3. die ihnen im amtsgerichtlichen Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
II. Dem Beteiligten zu 4. fallen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 1. bis zu 3. zur Last.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren entspricht der Summe der notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 1. bis zu 3. im amtsgerichtlichen Verfahren. Auf die einzelnen Rechtsbehelfe entfällt jeweils ein Teilbetrag in Höhe der dem betreffenden Rechtsbehelfsführer entstandenen notwendigen Auslagen.
G r ü n d e
2I.
3Das Amtsgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 4. auf Überprüfung der Ernennung des Beteiligten zu 1. zum Testamentsvollstrecker und auf Entlassung des Beteiligten zu 1. aus diesem Amt mangels Antragsberechtigung verworfen und dem Beteiligten zu 4. lediglich die gerichtlichen Kosten jenes Verfahrens und aus Billigkeitsgesichtspunkten nicht auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1. bis zu 3. auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das bestehende enge verwandtschaftliche Verhältnis zwischen den Beteiligten – die Beteiligten zu 1. bis zu 3. sind die als Miterben zu gleichen Teilen berufenen Kinder des Erblassers, der Beteiligte zu 4. ist der Bruder des Erblassers – nicht durch eine Kostenerstattungspflicht belastet werden solle.
4Dagegen wenden sich die Beteiligten zu 1. bis zu 3. mit ihren Beschwerden. Sie machen insbesondere geltend, dass ihr Verhältnis zum Beteiligten zu 4. durch zahlreiche Streitigkeiten ohnehin zerrüttet sei.
5Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, weil die verwandtschaftliche Nähe auch bei einem zerrütteten Verhältnis ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Ermessensentscheidung über die Verfahrenskosten bleibe. Es hat die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Nachlassakte verwiesen.
7II.
8Die zulässigen Beschwerden haben Erfolg und führen zur Abänderung der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung dahin, dass der Beteiligte zu 4. neben den Gerichtskosten auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1. bis zu 3. zu tragen hat.
9A. Das Amtsgericht hat seiner Kostenentscheidung zutreffend § 81 Abs. 1 FamFG zugrunde gelegt. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen.
101. § 81 FamFG normiert kein Regel-Ausnahme-Verhältnis dahin, dass die Nichter-stattung die Regel, die Kostenerstattung die Ausnahme darstellt. Die Norm knüpft die Anordnung der Kostenerstattung vielmehr allgemein an das Ergebnis einer stets erforderlichen Billigkeitsabwägung im Einzelfall. Um einem Beteiligten die Kosten auferlegen zu können, ist es nicht erforderlich, dass Umstände vorliegen, die nach Art und Bedeutung den Regelbeispielen des § 81 Abs. 2 FamFG gleichkommen. Ebenso wenig lässt sich dem Gesetz entnehmen, dass die Kostenverteilung regelmäßig nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens zu erfolgen hätte. Das Maß des Obsiegens oder Unterliegens stellt im Rahmen der Kostenentscheidung allerdings einen von mehreren Gesichtspunkten dar, der in die Ermessensentscheidung gem. § 81 Abs. 1 FamFG eingestellt werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2016, 200-202). Daneben können die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bestehende familiäre und persönliche Nähe zwischen dem Erblasser und den Verfahrensbeteiligten oder zwischen den Verfahrensbeteiligten untereinander bedeutsam sein. Überdies wird im Allgemeinen von Belang sein, ob der Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten begehrende Verfahrensbeteiligte ein erhebliches Interesse am Ausgang des Verfahrens besitzt und ob er durch seinen Sachvortrag die gerichtliche Entscheidung maßgeblich gefördert hat.
11Die vom Amtsgericht nach § 81 Abs. 1 FamFG getroffene Kostenentscheidung ist nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Beschwerdegericht zugänglich. Diese beschränkt sich grundsätzlich auf die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm eingeräumten Ermessen („kann …. auferlegen“) fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Der Sinn des Ermessens würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein erstinstanzlich fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Die erstinstanzliche Entscheidung wird daher vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler in Form eines Ermessensnichtgebrauchs, eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer Ermessensüberschreitung überprüft. Nur dann, wenn das Amtsgericht sein Entscheidungsermessen fehlerhaft ausgeübt hat, ist das Beschwerdegericht berechtigt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts zu setzen.
12B. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die vom Amtsgericht getroffene Kostenentscheidung als ermessensfehlerhaft. Richtigerweise entspricht es der Billigkeit, den Beteiligten zu 1. bis zu 3. eine Erstattung ihrer notwendigen Auslagen zuzubilligen.
131. Die angegriffene Kostenentscheidung weist einen Ermessensfehler auf, weil die ihr zugrunde liegende tragende Erwägung des Nachlassgerichts einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält. Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 1. bis zu 3. eine Erstattung ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten mit dem Argument verweigert, dass das bestehende verwandtschaftliche Verhältnis nicht belastet werden solle, und es hat in diesem Zusammenhang für unbeachtlich gehalten, dass das Verhältnis der Beteiligten zu 1. bis zu 3. zum Beteiligten zu 4. aufgrund zahlreicher Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zerrüttet ist.
14Das ist rechtlich nicht zutreffend.
15a) Es kann auf sich beruhen, ob das in Rede stehende bloß entferntere Verwandtschaftsverhältnis es im Rahmen der Billigkeit rechtfertigen kann, den im Verfahren obsiegenden Verfahrensbeteiligten zu 1. bis zu 3. eine Erstattung ihrer anwaltlichen Kosten zu versagen. Im Allgemeinen dürfte es in Fallgestaltung der vorliegenden Art nur bei einem engen verwandtschaftlichen Verhältnis, wie es zwischen Verwandten gerader Linie (Eltern, Kinder, Enkel) besteht, sowie bei einem engen persönlichen Verhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten angezeigt sein, maßgeblich wegen dieser Nähebeziehung eine ansonsten in Betracht kommende Kostenerstattungspflicht des unterlegenen Beteiligten abzulehnen. Dahinter steht die Erwägung, die verwandtschaftliche oder persönliche Beziehung der am Verfahren Beteiligten zu schonen und nicht durch eine an dem Ausgang des Verfahrens, dem Verfahrensinteresse und der Beteiligung an der Rechtsfindung orientierten gerichtlichen Kostenentscheidung zu belasten. Es liegt auf der Hand, dass dieser Aspekt an Bedeutung verliert, je entfernter die verwandtschaftliche oder persönliche Nähe der Verfahrensbeteiligten untereinander ist. Ob ihr im Verwandtschaftsverhältnis zwischen Onkel und Nichte/Neffe, in dem keine darüber hinausgehende enge persönliche Beziehung besteht, eine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden darf, ist zweifelhaft. Die Frage kann vorliegend aber offen bleiben.
16b) Keinesfalls rechtfertigt ein zerrüttetes Verwandtschaftsverhältnis, dem obsiegenden Verfahrensbeteiligten eine Kostenerstattung zu versagen. Denn sind die Verfahrensbeteiligten – wie hier die Beteiligten zu 1. bis zu 3. auf der einen Seite und der Beteiligte zu 4. auf der anderen Seite – nachhaltig zerstritten, besteht mangels eines zu schonenden Näheverhältnisses im Allgemeinen keine Veranlassung, von der an sich gebotenen Kostentragungspflicht des Beteiligten zu 4. abzusehen. Umstände, die im Streitfall ausnahmsweise eine andere rechtliche Beurteilung erfordern, zeigt das Amtsgericht nicht auf; solche Gesichtspunkte sind auch nicht ersichtlich.
172. Hält die angefochtene Kostenentscheidung nach alledem einer Ermessenskontrolle nicht stand, obliegt dem Senat selbst die Entscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG. Sie führt zu dem mit den Beschwerden verfolgten Kostenerstattungsausspruch. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beteiligte zu 4. den Beteiligten zu 1. bis zu 3. die ihnen im amtsgerichtlichen Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten hat.
18a) Für eine dahingehende Kostentragungspflicht des Beteiligten zu 4. spricht zunächst, dass er die Beteiligten zu 1. bis zu 3. durch seine Antragstellung in das Verfahren verwickelt hat. Ob der Beteiligte zu 1. als vom Erblasser berufener Testamentsvollstrecker aus seinem Amt entlassen und durch den Beteiligten zu 4. als Ersatz-Testamentsvollstrecker ersetzt wird, berührt die Beteiligten zu 1. bis zu 3. unmittelbar und erheblich in ihren wirtschaftlichen und finanziellen Interessen. Denn sie sind Miterben zu gleichen Teilen und mit der bisherigen Testamentsvollstreckertätigkeit des Beteiligten zu 1. uneingeschränkt zufrieden, während sie mit dem Beteiligten zu 4. rechtliche Auseinandersetzung führen. Für die Beteiligten zu 1. bis zu 3. drängte es sich bei vernünftiger Betrachtung geradezu auf, dem Antragsbegehren des Beteiligten zu 4. entgegen zu treten und dazu im Laufe des Verfahrens schon aus dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ ebenfalls anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
19b) Im Rahmen der Billigkeit ist ferner zu berücksichtigen, dass die Beteiligten zu 1. bis zu 3. im Verfahren vor dem Nachlassgericht zur Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen umfangreich vorgetragen, an der Aufklärung des streitbefangenen Sachverhalts mitgewirkt und im Ergebnis obsiegt haben.
20c) Unter diesen Umständen kann eine Kostenerstattung zugunsten der Beteiligten zu 1. bis zu 3. nur ausnahmsweise verneint werden. Gründe dafür liegen nicht vor.
21Das zerrüttete verwandtschaftliche Verhältnis der Beteiligten zu 1. bis zu 3. zum Beteiligten zu 4. rechtfertigt es – wie dargelegt – nicht, dem Beteiligten zu 4. eine Pflicht zur Erstattung der von ihm veranlassten notwendigen Auslagen der obsiegenden Gegenseite zu ersparen.
22Sonstige relevante Aspekte sind nicht ersichtlich. Das Argument des Beteiligten zu 4., Auslöser des „gesamten Verfahrens (sei) die irrige Antragstellung bzw. Amtsniederlegung des Beteiligten zu 1. mit Unterstützung der Beteiligten zu 2. bis 3.“ Gewesen, entspricht schon nicht den Tatsachen. Ebenso wenig ist der Vorwurf des Beteiligten zu 4. berechtigt, der Beteiligte zu 1. habe durch die Niederlegung seines Amtes den Verfahrensablauf maßgeblich beeinflusst, und sei aus diesem Grund an den Verfahrenskosten zu beteiligen. Die Sachverhaltsdarstellung in dem Beschluss des Amtsgerichts vom 3. Februar 2020 belegt, dass der Beteiligte zu 1. zu keinem Zeitpunkt dem Nachlassgericht gegenüber sein Amt als Testamentsvollstrecker niedergelegt hat. Bereits deswegen geht die rechtliche Argumentation des Beteiligten zu 4. fehl. Der weitergehende Vorwurf, der Beteiligte zu 1. habe im Sinne von § 81 Abs. 2 Nr. 3 FamFG zu einer wesentlichen Tatsache – nämlich der Amtsniederlegung – schuldhaft unwahre Tatsachen gemacht, ist haltlos und durch nichts gerechtfertigt; der diesbezügliche Sachvortrag überschreitet die Grenzen eines erlaubten Prozessvortrags bei Weitem.
23III.
24Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht §§ 84, 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Es entspricht aus den oben dargelegten Erwägungen der Billigkeit, den Beteiligten zu 4. auch mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der in der Beschwerdeinstanz angefallenen notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 1. bis zu 3. zu belasten.
25Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG) liegen nicht vor.
26Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren orientiert sich an dem von den Beschwerdeführern verfolgten wirtschaftlichen Interesse und entspricht vorliegend der Summe der streitbefangenen notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 1. bis zu 3. im amtsgerichtlichen Verfahren.