Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1.Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Rheinberg vom 04.04.2023 wird auf seine – des Antragstellers – Kosten zurückgewiesen
2.Der Beschluss ist sofort wirksam.
3.Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2I.
31.Der Antragsgegner ist der Sohn der am 00.00.1940 geborenen Frau A. Der Antragsgegner ist verheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder B., geboren am 00.00.2000, und C., geboren am 00.00.2002, hervorgegangen. Der Antragsgegner wohnt mit seiner Ehefrau, die nicht berufstätig ist, und seinen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt.
4Der Sohn B. befand sich im Jahr 2020 in der Ausbildung und verfügte in diesem Jahr über ein Jahresnettoeinkommen von 14.440,18 €. Die Tochter C. verfügte bis zum 20.09.2020 über kein eigenes Einkommen, sondern besuchte bis zu diesem Zeitpunkt noch die Schule, welche sie im Sommer 2020 mit dem Abitur abschloss. Ab dem 21.09.2020 ging C. einer Erwerbstätigkeit nach und verfügte über ein durchschnittliches Nettoeinkommen von monatlich 1.225,11 €.
5Frau A. wurde am 16.12.2016 vollstationär im Haus an der D. in E-Stadt aufgenommen. Die monatlichen Kosten für die Unterbringung in Höhe von 4.554,48 € wurden in Höhe von 3.041,14 € durch Pflegegeld (1.775,00 €) und Regelaltersrente (1.266,14 €) gedeckt.
6Mit rechtswahrender Mitteilung der Stadt F. vom 03.07.2017 wurde der Antragsgegner über die Hilfegewährung und die daraus resultierende Unterhaltspflicht informiert. Eine seinerzeitige Überprüfung durch das Sozialamt führte zu dem Ergebnis, dass ein Unterhaltsbetrag nicht gefordert werden konnte. Mit weiterem Schreiben vom 09.12.2019 wurde der Antragsgegner darüber informiert, dass die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Unterhaltsfällen ab dem 01.01.2020 auf den Kreis G. übergehen und sodann eine neue Überprüfung erfolgen werde. Mit Schreiben vom 29.06.2020 wurde der Antragsgegner über den Übergang eines ggf. bestehenden Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger gem. § 94 Abs. 1, Abs. 1a SGB XII informiert, wenn sein jährliches Gesamteinkommen mehr als 100.000 € beträgt.
7Nach Eingang des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2020 beim Antragsteller wurde festgestellt, dass das Einkommen des Antragsgegners 100.000 € überschritten hatte. Sein Jahresbruttoeinkommen belief sich im Jahr 2020 auf 133.618,36 €.
8Mit Schreiben vom 25.02.2022 forderte der Antragsteller den Antragsgegner nach Korrektur seines ursprünglichen Zahlungsverlangens zur Zahlung von 7.290,87 € auf.
9Diesen Betrag hat der Antragsteller zunächst im vorliegenden Verfahren gegen den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 13.06.2022 geltend gemacht. Nach einer Reduzierung im Schriftsatz vom 21.10.2022 hat der Antragsteller zuletzt beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an ihn rückständigen Unterhalt der unterhaltsberechtigten Mutter, Frau A., geb. 00.00.1940, für die Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 in Höhe von 7.126,03 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
10Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
11Unabhängig von Korrekturen an der vom Antragsteller vorgenommenen Einkommensberechnung beruft er sich insbesondere auf seine fehlende Leistungsfähigkeit, da aufgrund der Verabschiedung des Angehörigenentlastungsgesetzes von einem Familienselbstbehalt von jedenfalls 9.000 € auszugehen sei.
122.Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers insgesamt zurückgewiesen.
13Der Antragsgegner sei im streitgegenständlichen Unterhaltszeitraum nicht leistungsfähig. Ausgehend von einem Jahresbruttoeinkommen von 133.618,36 € betrage das Jahresnettoeinkommen 104.356,23 €, also monatlich 8.696,35 €. Hinzuzurechnen sei eine monatliche Steuererstattung von 154,13 € sowie ein unstreitiger Wohnvorteil von 179,10 €. Nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen von 150,00 € verblieben 8.879,58 €.
14Hiervon seien Altersvorsorgebeträge für eine Direktversicherung von 230,00 €, vermögenswirksame Leistungen von 39,88 € sowie eine sekundäre Altersvorsorge von 1.074,55 € abzuziehen, ebenso Kosten für eine Unfallversicherung von 43,29 €. Von den verbleibenden 7.473,86 € sei weiter der Kindesunterhalt für die Tochter in Abzug zu bringen, die der Antragsgegner anteilig in Höhe von 753,93 € zu tragen habe.
15Von den verbleibenden 6.719,93 € sei dem Antragsgegner ein angemessener Selbstbehalt zu belassen. Dieser sei nicht der Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2020 zu entnehmen, weil in dieser noch nicht das Angehörigenentlastungsgesetz vom 10.12.2019 berücksichtigt wurde. In der Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2021 sei der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen nicht mehr konkret beziffert worden. Das Gericht erachte es für angemessen, dem Antragsgegner den Betrag als Selbstbehalt zu belassen, der ihm bei einem fiktiven Bruttoeinkommen von 100.000 €, bei dem eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Mutter nicht bestünde, nach Abzug aller Verbindlichkeiten verbleiben würde. Es errechne sich zunächst ein Nettoeinkommen von monatlich 5.826,99 €, von dem insbesondere berufsbedingte Aufwendungen sowie Altersvorgebeträge und die Unfallversicherung in Abzug zu bringen seien. Darüber hinaus würde die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter 580,82 € betragen. Der angemessene Selbstbehalt des Antragsgegners betrage daher 4.331,55 €.
16Da der Antragsgegner jedoch verheiratet sei, sei ihm darüber hinaus der Familienselbstbehalt zu belassen. Der Unterhaltsanspruch seiner Ehefrau betrage 3.279,45 €, so dass von einem Familienselbstbehalt von 7.611,00 € auszugehen sei und mithin keine Leistungsfähigkeit bestehe.
17Auch in dem Zeitraum ab dem 21.09.2020 bestehe keine Leistungsfähigkeit. Unter Berücksichtigung des Wegfalls der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter und des daraus resultierenden geringeren Wohnvorteils betrage sein unterhaltsrelevantes Einkommen 7.375,46 €. Hieraus sei ein angemessener Selbstbehalt des Antragsgegners von 4.912,37 € zu beziffern sowie ein Unterhaltsanspruch seiner Ehefrau von 3.647,38 €, so dass der Familienselbstbehalt 8.559,75 € betrage.
183.Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er die Zahlung eines Betrages von 7.290,87 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit vom Antragsgegner verlangt.
19Zur Begründung führt er aus, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft den Selbstbehalt beim Elternunterhalt mit einem auf der Grundlage eines Jahresbruttoeinkommens von 100.000 € sich ergebenden Einkommens angesetzt habe, das dann nochmals um berufsbedingte Aufwendungen, sekundäre Altersvorsorge sowie weitere Absetzungspositionen bereinigt worden sei. Darüber hinaus sei auch die konkrete Einkommensermittlung in einzelnen Positionen unzutreffend.
20Eine Übertragung der Jahreseinkommensgrenze von 100.000 € auf den Selbstbehalt sei systemwidrig. Bei der Einführung des Angehörigenentlastungsgesetzes habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden, das Unterhaltsrecht selbst nicht zu ändern, sondern nur die Rückgriffsmöglichkeiten der Sozialleistungsträger ganz erheblich einzuschränken.
21Im Übrigen gingen die Ausführungen des Amtsgerichts bei der Feststellung des Selbstbehalts noch weit über das Angehörigenentlastungsgesetz hinaus. Das Amtsgericht habe verkannt, dass die Begrenzung des Anspruchsübergangs nach § 94 Abs. 1a SGB XII nach dem unbereinigten Einkommen erfolge.
22Darüber hinaus sei die konkrete Einkommensermittlung in zwei Positionen unzutreffend.
23Der Wohnwertvorteil sei falsch bestimmt worden. Da der volljährige Sohn über ausreichendes Einkommen verfüge, sei der tatsächliche Wohnvorteil in Ansatz zu bringen, der mindestens 1.000 € betrage. Wenn eine dritte Person im Haushalt lebe, bestehe kein Grund, lediglich den angemessenen Wohnwertvorteil anzusetzen.
24Die angesetzten Beiträge für die sekundäre Altersvorsorge seien nicht absetzungsfähig, da es sich lediglich um Überweisungen auf Sparkonten handele.
254. Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung.
26Die Einkommensermittlung sei tatsächlich unzutreffend, allerdings zu Ungunsten des Antragsgegners fehlerhaft. Das Amtsgericht habe ein zu hohes Nettoeinkommen berechnet. Tatsächlich seien die Steuerbelastung und die Abzüge für die Kranken- und Pflegeversicherung deutlich höher. Die Berechnung des Wohnvorteils sei nicht zu beanstanden. Daher ergebe sich ein Nettoeinkommen von zunächst 7.420,29 €.
27Sekundäre Altersvorsorge könne auch durch reine Sparbeträge betrieben werden. Es seien auch keine Abhebungen von den Sparbüchern vorgenommen worden, so dass diese der Vermögensbildung dienten. Der Höchstbetrag für die sekundäre Altersvorsorge betrage 1.344,43 € und werde vom Antragsgegner auch geleistet. Nach weiterem Abzug der Unfallversicherung i.H.v 43,29 € verbleibe ein Einkommen von 6.032,57 €. Nach Abzug des Unterhalts für die Tochter von 753,93 € und Hinzurechnung des Wohnvorteils von 172,90 € ergebe sich ein unterhaltsrelevantes Einkommen von 5.451,54 €.
28Nach der Düsseldorfer Tabelle für 2021 sei dem Unterhaltspflichtigen ein angemessener Eigenbedarf zu belassen, der dem Zweck und Rechtsgedanken des Angehörigenentlastungsgesetzes entspreche. Der frühere Familienselbstbehalt von 3.600 € sei daher nicht mehr angemessen. Für die Frage, auf welche Bezugsgröße für den „neuen“ Selbstbehalt abzustellen sei, seien mehrere Ansätze denkbar. Eine Möglichkeit sei die, die das Amtsgericht vorgenommen habe. Eine weitere Möglichkeit wäre es, angelehnt an die sozialrechtlichen Vorgaben ausgehend von einem Gesamtbruttoeinkommen von 100.000 € und einem verbleibenden Nettoeinkommen von ca. 58.000 € einen gerundeten Selbstbehalt von 5.000 € anzunehmen, wie es in der Literatur (Doering-Striening/Hauß/Schürmann, FamRZ 2020, 137, 139) vorgeschlagen werde. Bei einer Unterhaltspflicht gegenüber einem Ehegatten, wie hier, müsse der Selbstbehalt zumindest bei 9.000 € liegen. Im Ergebnis sei der Antragsgegner nach allen Lösungsansätzen nicht leistungsfähig.
29II.
30Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
31Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Amtsgericht eine Leistungsfähigkeit des Antragsgegners (§ 1603 Abs. 1 BGB) zur Zahlung von Elternunterhalt für seine Mutter aus übergegangenem Recht gemäß §§ 1601 BGB, 94 Abs. 1 SGB XII im Zeitraum 7/20-12/20 verneint.
321.Ohne dass es im Ergebnis, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, darauf ankommt, welches konkrete Einkommen man dem Antragsgegner zurechnet, ist dem Ansatz des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung, dass dem Antragsgegner ein höheres Einkommen zuzurechnen sei, nicht zu folgen. Vielmehr ist entsprechend dem Vortrag des Antragsgegners in seiner Beschwerdeerwiderung sogar von einem deutlich niedrigeren Einkommen auszugehen.
33Insbesondere hat das Amtsgericht auf Seiten des Antragsgegners ausgehend von der Gehaltsabrechnung für 12/20 ein deutlich zu hohes Nettoeinkommen berechnet. Allerdings ist dem Amtsgericht zuzugestehen, dass die Abrechnung für 12/20 insoweit missverständlich ist, als dort zwar der Gesamtbruttobetrag einschließlich der variablen Vergütungen aufgeführt ist, jedoch lediglich die Lohnsteuer aus den monatlichen Vergütungen. Die Lohnsteuer aus den variablen Vergütungen ist den jeweiligen Abrechnungen aus 3/20 und 6/20 zu entnehmen und muss der Gesamtsteuerbelastung aus der Abrechnung 12/20 hinzugerechnet werden. Darüber hinaus sind dem Antragsgegner keine freiwilligen Arbeitgeberanteile zur Krankenversicherung zuzurechnen. Diese werden dem Antragsgegner nicht ausgezahlt, sondern in den Gehaltsabrechnungen lediglich informatorisch mitgeteilt. Allein deshalb ergibt sich ein um 18.144,13 € niedrigeres Jahresnettoeinkommen, also monatlich 1.512,01 €.
34Dem Ansatz des Antragstellers, dass die Aufwendungen für die sekundäre Altersvorsorge des Antragsgegners nicht zu berücksichtigen seien, weil es sich lediglich um Einzahlungen auf Sparbücher handelt, kann vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2015, 1172, Rn. 26; ebenso Klinkhammer in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage, § 2 Rn. 941) nicht gefolgt werden. Danach kann auch die Anlage eines bloßen Sparvermögens als anzuerkennende Art der Altersvorsorge gewertet werden. Der Antragsgegner hat auch dargelegt und belegt, dass er die Einzahlungen auf den Konten belassen und keine Auszahlungen vorgenommen hat, so dass keine Zweifel daran bestehen, dass die eingezahlten Beträge der Altersvorsorge dienen. Darüber hinaus hat der Antragsgegner in seiner Berechnung der zu berücksichtigenden zusätzlichen Altersvorsorge im Schriftsatz vom 08.08.2023 (Seite 6) die Höchstgrenze von 5 % beachtet. Dieser ist der Antragsteller nicht konkret entgegengetreten, so dass sein pauschales Bestreiten im Schriftsatz vom 27.11.2023 unbeachtlich ist.
35Es besteht auch kein Anlass, dem Antragsgegner nunmehr im Beschwerdeverfahren einen deutlich höheren Wohnwert gegenüber der erstinstanzlichen Berechnung zuzurechnen. Es verbleibt dabei, dass dem Unterhaltspflichtigen beim Elternunterhalt nur ein angemessener Wohnwert auf Grundlage des unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Mietzinses zuzurechnen ist (BGH FamRZ 2003, 1179, Rn. 11 mit zust. Anm. Klinkhammer). Der Umstand, dass auch volljährige Kinder mit im Haus leben, ändert hieran nichts.
362.Ausgehend von einem unterhaltsrelevanten Einkommen von 5.451,54 € entsprechend dem Vortrag in der Beschwerdeerwiderung (bis zum 20.09.2020) kann eine Leistungsfähigkeit des Antragsgegners nicht festgestellt werden. Hieran ändert sich auch nichts durch den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter C. in Höhe von 753,93 € ab dem 21.09.2020. Dem Antragsgegner ist ein Selbstbehalt zuzubilligen, der deutlich über sein Einkommen hinausgeht.
37Zutreffend ist das Amtsgericht dem Grunde nach davon ausgegangen, dass im Jahr 2020 nicht mehr mit dem Selbstbehalt entsprechend Anmerkung D I. zur Düsseldorfer Tabelle Stand: 01.01.2020 zu rechnen ist, da in dieser noch nicht das Angehörigenentlastungsgesetz vom 10.12.2019 berücksichtigt wurde. In den Folgetabellen ab dem 01.01.2021 ist zum angemessenen Selbstbehalt gegenüber Eltern ohne Benennung eines Festbetrages nur noch geregelt, dass bei dessen Bemessung Zweck und Rechtsgedanken des Angehörigenentlastungsgesetzes zu beachten sind. Wie dies im Einzelnen zu geschehen hat, ist, soweit ersichtlich, ober- und höchstgerichtlich noch nicht entschieden worden. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen einer sozialrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Bewertung, die sich daraus ergeben können, dass ein Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger gemäß § 94 Abs. 1a SGB XII erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 € als angemessen erachtet wird, wird in der Literatur einhellig die Auffassung vertreten, dass eine Anpassung des Selbstbehalts geboten ist (vgl. Doering-Striening/Hauß/Schürmann, FamRZ 2020, 137, 139; Viefhues, ZAP 2020, 345, 348; BeckOK BGB/Reinken, 67. Edition 01.08.2023, BGB § 1601 Rn. 27; Wendtland in: beck-online, Großkommentar, Stand: 01.08.2023, BGB § 1610 Rn. 169.3; Pfuhlmann-Riggert in: Praxishandbuch Familienrecht, 43. EL März 2023, Teil L Sozialleistungen und Unterhalt, Rn. 158f).
38Zur Vermeidung dieser Widersprüche hat das Amtsgericht dem Grunde nach zutreffend darauf abgestellt, dass einem Unterhaltsschuldner, der über ein Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 € verfügt, jedenfalls ein solches Nettoeinkommen verbleiben muss, das ein nicht in Anspruch genommener Angehöriger mit einem Bruttoeinkommen bis 100.000 € erhält. Ob der Selbstbehalt im jeweiligen Einzelfall konkret zu berechnen ist, wie es das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss gemacht hat, oder ob eine pauschale Berechnung angezeigt ist (vgl. etwa den Vorschlag von Doering-Striening/Hauß/Schürmann, a.a.O., und Wendtland in: beck-online, Großkommentar, a.a.O., einen Selbstbehalt von 5.000 € bzw. 9.000 € bei Zusammenleben mit einem Ehegatten als Familienselbstbehalt anzusetzen), muss im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden. Entscheidend ist vorliegend, dass der Antragsgegner seiner Ehefrau gegenüber (vorrangig) unterhaltspflichtig ist und daher entsprechend der früheren Rechtslage ein Familienselbstbehalt anzusetzen ist. Auch hier kann offenbleiben, ob der Anspruch der Ehefrau entsprechend der Berechnung im angefochtenen Beschluss konkret zu berechnen oder mit einem Pauschalbetrag unter Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes unter Berücksichtigung der Vorteile des Zusammenlebens berücksichtigt wird. In diesem Fall wäre der Familienselbstbehalt mit jedenfalls 9.000 € in Ansatz zu bringen.
39Da bei dem zutreffend berechneten unterhaltsrelevanten Einkommen des Antragsgegners von 5.451,54 € (bis zum 20.09.2020) bzw. 6.205,47 € (ab dem 21.09.2020) nach allen vorgeschlagenen Lösungen eine Leistungsfähigkeit nicht festzustellen ist, kann die Berechnungsweise des Selbstbehalts dahinstehen. Der Senat neigt allerdings aus Vereinfachungsgründen zu einer pauschalierten Betrachtungsweise.
40III.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
42Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit ergibt sich aus § 116 Abs. 3 FamFG.
43Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, Weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig IST vorliegend die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Ermittlung bzw. Berechnung des Selbstbehalts beim Elternunterhalts nach dem Inkrafttreten des Angehörigenentlastungs- gesetzes, die - so weit ersichtlich – noch nicht ober- oder höchstrichterlich entschieden worden.
44… … …