Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für Alt- und Neuanlagen für Betreiber von Gasversorgungsnetzen für die vierte Regulierungsperiode ist materiell rechtswidrig, weil die Bundesnetzagentur es versäumt hat, die von ihr rechtsfehlerfrei anhand langfristiger historischer Datenreihen ermittelte Marktrisikoprämie – jedenfalls durch eine ergänzende Plausibilisierung – weiter abzusichern. Dies wäre geboten gewesen, weil konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die anhand einer einzigen Methode ermittelte Marktrisikoprämie und der sich hieraus ergebende Wagniszuschlag die Renditeerwartungen der Investoren nicht angemessen widerspiegeln und die hieraus resultierenden Eigenkapitalzinssätze nicht angemessen, wettbewerbsfähig und risikoangepasst sind.
Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 12.10.2021 (BK4-21-056) wird aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, die Eigenkapitalzinssätze für Alt- und Neuanlagen für Betreiber von Gasversorgungsnetzen für die vierte Regulierungsperiode in der Anreizregulierung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu festzulegen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Verfahrensbeteiligten tragen die Beschwerdeführerin und die Bundesnetzagentur jeweils zur Hälfte.
Der Beschwerdewert wird auf … Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2A.
3Die Beschwerdeführerin, die ein Gasversorgungsnetz betreibt, wendet sich gegen die durch Beschluss vom 12.10.2021 (BK4-21-056) erfolgte Festlegung der Eigenkapitalzinssätze gemäß § 7 Abs. 6 GasNEV für die vierte Regulierungsperiode auf 5,07 % für Neu- und auf 3,51 % für Altanlagen, jeweils vor Steuern.
4Zur Ermittlung angemessener Eigenkapitalzinssätze hat sich die Bundesnetzagentur – entsprechend ihrer Vorgehensweise bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die vergangenen Regulierungsperioden – sachverständiger Hilfe bedient und ein „Wissenschaftliches Gutachten zur Ermittlung der Zuschläge für unternehmerische Wagnisse von Strom- und Gasnetzbetreibern“ von Prof. Dr. Josef Zechner, Prof. Dr. Otto Randl und Frontier Economics Ltd., erstellt im Juli 2021 (Bl. 47 ff. VV, im Folgenden: Frontier-Gutachten), und ein „Wissenschaftliches Gutachten zur Analyse der Zentralbanken-Ansätze zur Determinierung von Marktrisikoprämien“ von Prof. Richard Stehle und Prof. Dr. André Betzer (Bl. 151 ff. VV, im Folgenden: Stehle/Betzer-Gutachten) eingeholt.
5Durch Mitteilung auf ihrer Internetseite und in ihrem Amtsblatt hat die Beschlusskammer am 14.07.2021 die Einleitung des Verfahrens nach § 29 Abs. 1 EnWG in Verbindung mit § 7 Abs. 6 GasNEV und zugleich den Entwurf eines Festlegungstextes auf ihrer Internetseite veröffentlicht und den betroffenen Marktteilnehmern im Rahmen der Konsultation die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen bis zum 25.08.2021 gegeben. Insgesamt sind mehrere hundert Stellungnahmen von Netzbetreibern, Verbänden, Investoren und Netznutzern bei der Beschlusskammer eingegangen. Unter anderem hat der BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) am 25.08.2021 eine Stellungnahme abgegeben und dabei auf mehrere von ihm eingeholte Gutachten Bezug genommen, unter anderem auf das Gutachten der NERA Economic Consulting zum „Vergleich internationaler Eigenkapitalzinssätze“ vom 10.06.2021 (Bl. 49 ff. VV Gutachtensammlung, im Folgenden: NERA-Gutachten). Von Netzbetreibern sind unter anderem die gutachterlichen Stellungnahmen „Bestimmung der Marktrisikoprämie auf Basis internationaler Daten“ vom 16.03.2021 (Bl. 361 ff. VV Gutachtensammlung, im Folgenden: Oxera-Gutachten 2021a) und „Bestimmung des Wagniszuschlags“ vom 19.08.2021 (Bl. 306 ff. VV Gutachtensammlung, im Folgenden: Oxera-Gutachten 2021b) jeweils von Oxera Consulting LLP sowie ein „Assessment of BNetzA´s/Frontier´s position on a DMS-based MRP“ von Dimson, Marsh und Staunton vom 24.08.2021 (Bl. 465 ff. VV Gutachtensammlung, im Folgenden: DMS-Gutachten) eingereicht worden. Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben sich hiermit unter anderem in ihren „Erläuterungen zu ausgewählten Fragen der Stellungnahmen von BDEW und Oxera“ vom 20.09.2021 (Bl. 7042 ff. VV, im Folgenden: Frontier-Erläuterungen zu BDEW/Oxera) bzw. „Erläuterungen zu ausgewählten Fragen der Bundesnetzagentur und DMS vom 22.09.2021 (Bl. 7062 ff. VV, im Folgenden: Frontier-Erläuterungen zu DMS) auseinandergesetzt.
6Unter dem 24.09.2021 ist der Beschlussentwurf dem Bundeskartellamt und den Landesregulierungsbehörden zur Stellungnahme übersandt worden, wobei dem Bundeskartellamt eine Stellungnahmefrist bis zum 28.09.2021 gesetzt worden ist (Bl. 7095 f. VV).
7Die hier angefochtene Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für Gasversorgungsnetzbetreiber ist sodann am 12.10.2021 (BK4-21-056) – gleichzeitig mit der im Wesentlichen inhaltsgleichen Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für Elektrizitätsversorgungsnetzbetreiber (BK4-21-055) – erfolgt. Die Festlegung ist am 27.10.2021 im Amtsblatt der Bundesnetzagentur veröffentlicht worden.
8Den festgelegten Eigenkapitalzinssatz vor Steuern für Neuanlagen in Höhe von 5,07 % hat die Bundesnetzagentur aus dem von ihr ermittelten Eigenkapitalzinssatz nach Steuern von 3,51 % multipliziert mit einem Steuerfaktor von 1,22 errechnet. Den Eigenkapitalzinssatz nach Steuern hat sie der Vorgabe in § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV folgend aus der Summe eines risikolosen Basiszinssatzes, der sich nach dem auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten ermittelt, und eines Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse bestimmt. Den risikolosen Zinssatz hat die Bundesnetzagentur auf 0,74 % festgelegt, den Zuschlag zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse auf 3,39 %. Letzteren Wert hat sie aus dem Produkt der Marktrisikoprämie in Höhe von 3,70 % und des anhand einer Vergleichsgruppe aus ausländischen, börsennotierten reinen Netzbetreibern ermittelten Risikofaktors, des sog. Beta-Faktors, in Höhe von 0,81 errechnet und den sich ergebenden Wagniszuschlag sodann um 0,395 Prozentpunkte angehoben.
9Wie in den vorangehenden Festlegungen der Eigenkapitalzinssätze für die erste bis dritte Regulierungsperiode hat die Bundesnetzagentur mit dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) einen kapitalmarktorientierten Ansatz gewählt und unter Bezugnahme auf das Ergebnis der von ihr eingeholten wissenschaftlichen Gutachten die Marktrisikoprämie auf Basis langfristiger historischer Kapitalmarktdaten ermittelt. Der Empfehlung im Frontier-Gutachten folgend hat sie für die Berechnung der Marktrisikoprämie – ebenso wie in vorangegangenen Festlegungen – Daten aus einer von Dimson, Marsh und Staunton (im Folgenden: DMS) veröffentlichten, regelmäßig erweiterten Studie verwendet, für die streitgegenständliche Festlegung konkret das „Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook 2021“ (im Folgenden: Yearbook 2021), das eine Datenbasis von mittlerweile bis zu 90 Ländern über einen Zeitraum von 1900 bis 2020 umfasst (im Folgenden auch: DMS-Datenreihen). Bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie hat die Bundesnetzagentur wie bisher auf die Differenz zwischen den Renditen des Welt-Aktienportfolios und den Renditen langfristiger Staatsanleihen, sog. Bonds, als Schätzer für den risikolosen Zinssatz abgestellt und sowohl das arithmetische (4,30 %) als auch das geometrische Mittel (3,10 %) über die jährlichen Vergangenheitswerte gebildet, um daraus den Mittelwert (3,70 %) anzusetzen.
10Mit der Anpassung des Wagniszuschlags durch einen Aufschlag von 0,395 Prozentpunkten hat die Bundesnetzagentur den von ihren Gutachtern befürchteten methodischen Inkonsistenzen Rechnung getragen, die dadurch entstehen könnten, dass zwischen dem risikolosen Basiszinssatz nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV und dem in den DMS-Datenreihen angesetzten Anleihen als Schätzer für risikolose Anlagen Zinsunterschiede vorliegen könnten, die in Summe den Wagniszuschlag unterschätzen würden.
11Für Altanlagen hat die Bundesnetzagentur den Eigenkapitalzinssatz unter Abzug des auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitts der Preisänderungsrate gemäß dem vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Verbraucherpreisgesamtindex (1,46 %) mit 5,12 % vor Steuern ermittelt.
12Die Bundesnetzagentur hat am 07.06.2023 Eckpunkte für die Festlegung von Regelungen für die Bestimmung des kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes für Neuanlagen im Kapitalkostenaufschlag nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 a) EnWG-E i.V.m. § 29 Abs. 1 EnWG auf ihrer Internetseite veröffentlicht, in denen sie auf ein hierzu von Amts wegen eingeleitetes Verfahren (BK4-23-002) verweist. Hierin hat sie ihre Absicht angekündigt, in der geplanten Festlegung abweichend von dem durch die hier streitgegenständliche Festlegung festgesetzten Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen von 5,07 % vor Steuern den Eigenkapitalzinssatz für Neuinvestitionen nach dem 31.12.2023 im Kapitalkostenaufschlag künftig aus einem jährlich variablen Basiszins zuzüglich eines konstanten angemessenen Wagniszuschlags zu ermitteln, dies befristet auf die vierte Regulierungsperiode. Wegen der Einzelheiten der geplanten Festlegung und deren Begründung wird auf das Eckpunktepapier vom 07.06.2023 sowie die begleitende Pressemitteilung vom selben Tag Bezug genommen, die jeweils auf der Internetseite der Bundesnetzagentur veröffentlicht sind.
13Mit ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die vierte Regulierungsperiode rechtsfehlerhaft erfolgt sei und zu einer unangemessen niedrigen Eigenkapitalverzinsung führe.
14Unabhängig von der Fragestellung, inwieweit die Kapitalmarktverhältnisse seit der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze durch die Bundesnetzagentur im Oktober 2021 für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens zu berücksichtigen seien, sei vorab darauf hinzuweisen, dass diese mittlerweile in einem eklatanten Widerspruch zu den derzeitigen Kapitalmarktverhältnissen stünden. Bedingt durch die seit dem Jahr 2022 anhaltende Hochinflationsphase habe die Europäische Zentralbank den Leitzins mehrfach angehoben und liege im Zeitpunkt der Replik bei 3,5 % gegenüber einem für die vierte Regulierungsperiode herangezogenen Basiszinssatz von 0,74 %. Der Eigenkapitalzinssatz vor Steuern liege mit 4,13 % mittlerweile unterhalb der Zinssätze, die derweil für Eigenkapital gefordert würden (zwischen 4 und 5 %).
15Die von der Bundesnetzagentur festgelegten Eigenkapitalzinssätze seien aber auch im Entscheidungszeitpunkt nicht angemessen und genügten deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG. Die maßgeblichen aktuellen Kapitalmarktverhältnisse, insbesondere deren Entwicklung seit der letzten Festlegung im Jahr 2016, sowie die Renditeerwartungen der Investoren seien von der Bundesnetzagentur nicht hinreichend berücksichtigt worden, ebenso wenig die ökonomischen Auswirkungen für alle von der Festlegung betroffenen Marktteilnehmer, die sich aus einer Unter- oder Überschätzung der Eigenkapitalzinssätze ergäben. Es bleibe nach den Ausführungen der Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss – und auch nach der Beschwerdeerwiderung – letztlich offen, ob seit der letztmaligen Festlegung der Eigenkapitalzinssätze im Jahr 2016 eine Änderung der Kapitalmarktverhältnisse eingetreten sei, die eine Absenkung der Zinssätze um mehr als 25 % rechtfertige, insbesondere äußere sie sich nicht zur Entwicklung der Marktrisikoprämie sowie den Gesamtrenditen von Unternehmen. Der im Beschluss angestellte Vergleich zwischen den Umlaufsrenditen von 0,46 % im Jahr 2015 und von -0,19 % im Jahr 2020 verfange nicht, da der Zinssatz bereits seit Juni 2016 um die Nulllinie (zwischen -0,4 % und 0,6 %) schwanke. Die wenig aussagekräftige Betrachtung könne zudem allenfalls eine Reduzierung der Eigenkapitalzinssätze von 0,65 Prozentpunkten erklären. Auch dem Frontier-Gutachten seien weder qualitative noch quantitative Aussagen zu den aktuellen Kapitalmarktverhältnissen zu entnehmen, dieses ersetze vielmehr die gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung notwendige „Gesamtbetrachtung“ durch eine rein abstrakte Methodendiskussion. Die von der Bundesnetzagentur in deren Schriftsatz vom 30.06.2023 zitierten Ergebnisse der Survey of Professional Forecasters (SPF) belegten gerade, dass die Entwicklung der Kapitalmarktverhältnisse keine massive Absenkung der Renditeerwartungen rechtfertige. Denn hieraus folge, dass sich die Renditeerwartungen im Zeitraum von 2016 bis 2021 nicht um 25 %, sondern lediglich um 0,25 Prozentpunkte reduziert hätten. Tatsächlich würden weder die Entwicklung der Kapitalmarktverhältnisse noch der regulatorischen Risiken eine massive Absenkung der Eigenkapitalzinssätze rechtfertigen. Dies folge sowohl aus den Ergebnissen der Untersuchungen von NERA als auch aus dem als Anlage Bf 2 vorgelegten Gutachten von Kaserer, in dem die Zinsentwicklungen in Deutschland und im internationalen Vergleich, die Entwicklung der Marktrisikoprämien auf den internationalen Kapitalmärkten und die Veränderung des Bewertungsniveaus von Aktien analysiert worden seien. Aus dem als Anlage Bf 3 vorgelegten Gutachten von Bogner/Rabel folge ebenfalls, dass die Renditeerwartung der relevanten Investoren nicht gesunken, sondern tendenziell gestiegen sei. Das veränderte regulatorische Risiko sei im Einzelnen im ValueTrust- und im NERA-Gutachten aufgezeigt. Die erhebliche Reduzierung der erzielbaren Rendite sei mit den zur Umsetzung der Energiewende von den Netzbetreibern zu erfüllenden Aufgaben unvereinbar. Die Renditeerwartungen seien schon deshalb nicht gefallen, weil sich das regulatorische Risiko angesichts des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 02.09.2021 (C-718/18) und der hierdurch erforderlichen weitgehenden Umgestaltung des Regulierungsrahmens sogar vergrößert habe. Sie bestreite mit Nichtwissen, dass die Bundesnetzagentur – wie in der Beschwerdeerwiderung vorgetragen – insoweit eine „Risikoanalyse“ durchgeführt habe, da sich eine solche weder im Beschluss noch im Verwaltungsvorgang finde. Die drastische Absenkung der Eigenkapitalzinssätze beruhe vorrangig auf der Entwicklung des als risikofreien Basiszinssatz gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV anzusetzenden 10-jährigen Durchschnittswerts von 2,49 % (2016) auf 0,74 % (2021), obwohl der jahresaktuelle risikofreie Basiszins seit dem Jahr 2016 nur in deutlich geringerem Umfang gesunken sei.
16Die Bundesnetzagentur habe des Weiteren für die Ermittlung der Marktrisikoprämie auf ein methodisches Vorgehen und Datensätze zurückgegriffen, die in der Kombination von vornherein ungeeignet seien, um hiermit einen den Anforderungen des § 7 Abs. 5 GasNEV genügenden Wagniszuschlag zu ermitteln.
17Die fehlende Eignung der herangezogenen langfristigen Anleiherenditen aus dem DMS-Datensatz folge schon daraus, dass sie nicht risikofrei seien und damit nicht den Anforderungen des CAPM genügten, denn sie würden von ganz erheblichen Kursschwankungen geprägt und stellten deshalb keine Endfälligkeitsrenditen dar. Hinzu käme, dass sie in erheblichem Umfang kreditrisikobehaftete Anleihen berücksichtigten. Entgegen der Annahme der Gutachter der Bundesnetzagentur könne nicht einfach davon ausgegangen werden, dass die erwarteten Ausfälle zumindest zum großen Teil in den realisierten Anleiherenditen abgebildet würden. Insbesondere habe die Bundesnetzagentur weder vorgetragen noch seien Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es zwecks Vermeidung von Verzerrungen durch die Eliminierung der beiden größten Ausfälle von Staaten in der Wirtschaftsgeschichte – namentlich der Zeitraum der Hyperinflation in Österreich (1921-1922) und Deutschland (1922-1923) – zu weiteren Datenanpassungen in der DMS-Studie gekommen sei, weshalb die Behauptung der Bundesnetzagentur, die Korrektur des DMS-Datensatzes sei verzerrungsfrei vorgenommen worden, eine bloße, zu bestreitende Vermutung darstelle. Die Bundesnetzagentur habe weiter die Existenz von Risikoaufschlägen für sog. „unerwartete Ausfälle“ in den herangezogenen langfristigen Anleiherenditen anerkannt. Ihr Verweis auf eine „parallele Entwicklung“ am Aktienmarkt stelle eine unbelegte Vermutung dar und verkenne, dass ein etwaiger Anstieg der am Aktienmarkt geforderten Länderprämie schlicht eine Risikoabgeltung in der Aktienrendite darstelle. Sie erkenne damit an, dass auch in den langfristigen Anleiherenditen Risikoprämien enthalten seien. Dass der sich aus den DMS-Datenreihen ergebende Wert einer weltweiten Marktrisikoprämie erheblich unterhalb des Werts der lokalen Marktrisikoprämie mit einer hohen BIP-Gewichtung und Marktkapitalisierung sowie hoher Bonität liege, spreche gegen die Annahme, dass die Prämie für sog. „unerwartete Verluste“ im Datensatz eher „gering“ ausfallen dürfte. Zudem seien die Schwankungen der Jahresrenditen hoch, was einen empirischen Beleg für deren Risikobehaftung darstelle. Der nach alledem überhöht angesetzte – vermeintlich risikolose – Zinssatz führe zu einer deutlichen Reduzierung der Marktrisikoprämie und zu einer Unterschätzung des Eigenkapitalzinssatzes. Darüber hinaus unterschieden sich die langfristigen Anleiherenditen grundlegend von den ebenfalls als risikolosen Zinssatz in das CAPM einzubeziehenden Umlaufsrenditen im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV, obwohl der an zwei Stellen in das CAPM einbezogene risikolose Zinssatz nur in systematisch konsistenter Weise in die Formel eingehen dürfe. Zwar bedinge die Verwendung des historischen Ansatzes, wie im Bogner/Rabel-Gutachten ausgeführt, dass die beiden Terme für den risikolosen Basiszinssatz innerhalb der CAPM-Formel nicht nominal identisch ausfielen, so dass nicht jedwede Abweichung eine Inkonsistenz begründe. Die Abweichungen in den Charakteristika der den risikolosen Zinssätzen zugrundeliegenden Anleiherenditen seien aber sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht so gravierend, dass ihre Gutachter sogar von einer Ungeeignetheit der Methode ausgingen. Die beiden herangezogenen Zinssätze divergierten in maßgeblichen Eigenschaften, was zu einer erheblichen nominellen Abweichung zwischen den beiden Werten von 4,46 Prozentpunkten führe. Die methodische Inkonsistenz führe zu dem paradoxen, gegen die mathematische Logik des CAPM verstoßenden Ergebnis, dass eine sinkende Risikoprämie trotz steigender Aktienrendite nach den DMS-Daten und sinkendem Basiszinssatz ermittelt werde. Die Bundesnetzagentur habe es versäumt, diese Aspekte, insbesondere den hohen Risikogehalt der Anleiherendite des DMS-Datensatzes und die sich ergebenden quantitativen Abweichungen, zutreffend und hinreichend zu würdigen und hieraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Durch die Erhöhung des Wagniszuschlags habe sie bereits eingeräumt, dass die unveränderte Heranziehung der Welt-Marktrisikoprämie aus der DMS-Studie über Bonds nicht mehr im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehe. Die Anpassung sei allerdings von vornherein ungeeignet, die sich aufgrund der Diskrepanzen ergebenden Verzerrungen auszugleichen. Es sei bereits zu bezweifeln, ob es sich um einen „methodischen Ansatz“ handele, jedenfalls sei sich die Bundesnetzagentur offensichtlich nicht über die Funktion im Klaren gewesen, die die Anpassung zu erfüllen habe, weil sie sich in Analyse und Ergebnis nur auf einen Teil der Diskrepanzen zwischen den risikolosen Zinssätzen beschränkt habe. Sollte man die Frage der Risikolosigkeit der herangezogenen DMS-Anleiherenditen als streitig ansehen, bedürfte diese einer sachverständigen Klärung.
18Selbst wenn man das methodische Vorgehen der Bundesnetzagentur unbeanstandet ließe, so habe diese jedenfalls gegen die ihr obliegende Pflicht zur Plausibilisierung des gefundenen Ergebnisses verstoßen. Die Feststellung, ob konkrete Anhaltspunkte vorlägen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Anlass für eine Plausibilisierung gäben, stelle eine Tatsachenermittlung dar, die dem erkennenden Senat obliege und nicht in den Beurteilungsspielraum der Bundesnetzagentur falle. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei die Bundesnetzagentur zur Berücksichtigung der sich anhand alternativer Methoden ergebenden Werte jedenfalls dann verpflichtet, wenn die Angemessenheit des jeweils gefundenen Werts in Zweifel gezogen werden müsse. Dies sei schon wegen der erheblichen Absenkung der Eigenkapitalzinssätze gegenüber dem Niveau der dritten Regulierungsperiode um mehr als 25 % der Fall, die zudem nicht mit der insoweit maßgeblichen Entwicklung an den Kapitalmärkten vereinbar sei, aber auch mit Blick auf die Einbeziehung der Anleiherenditen des DMS-Datensatzes als risikolosem Zinssatz. Die hierdurch entstehenden Risiken einer Unterschätzung der Marktrisikoprämie habe die Bundesnetzagentur selbst adressiert. Darüber hinaus folge das Plausibilisierungserfordernis daraus, dass die von der Bundesnetzagentur zur Kompensation der aufgrund der Zinsunterschiede entstehenden Unterschätzung der Marktrisikoprämie vorgenommene pauschale Anpassung des Wagniszuschlags bereits nach ihren eigenen Feststellungen in höchstem Maße mit Unsicherheiten behaftet und dessen ungeachtet objektiv unzureichend sei. Ein Plausibilisierungserfordernis sei auch aus rein wissenschaftlicher Sicht erforderlich. Das einzig von der Bundesnetzagentur verwendete Modell basiere auf der Annahme einer konstanten, von einem schwankenden Zinsniveau unabhängigen Marktrisikoprämie, gegen deren Rechtfertigung sowohl aus methodischer als auch empirischer Sicht erhebliche Bedenken bestünden. Das gewählte historische Modell sei keineswegs vollständig belastbar, sondern mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Die Anwendung der Methode der historischen Marktrisikoprämie sei gerade in Zeiten einer außergewöhnlichen Zinsentwicklung unsicher. Hinzu komme der Widerspruch zwischen der tatsächlichen Entwicklung der Kapitalmarktdaten (höhere Aktienrendite und gesunkener risikoloser Zinssatz) einerseits und der von der Bundesnetzagentur ermittelten sinkenden Marktrisikoprämie andererseits sowie die Inkonsistenz zwischen den als risikolos angesetzten Zinssätzen. Die Annahme der Bundesnetzagentur, andere Methoden seien – auch im Rahmen einer Plausibilisierung – ungeeignet, werde von ihren Gutachtern nicht geteilt, die nur deren Überlegenheit untersucht und bewertet hätten. Eine lediglich abstrakte, da qualitative Erörterung der Methoden habe keinen Aussagewert für deren Eignung zur Plausibilisierung.
19Die von der Bundesnetzagentur ermittelte Marktrisikoprämie erweise sich als nicht plausibel, wie sich aus einer Vielzahl von – empirisch prüf- und damit belegbaren – Kennzahlen und Daten ergebe. Hierzu zähle die von den Gutachtern der Bundesnetzagentur selbst ermittelte Vergleichsbetrachtung internationaler Regulierungsentscheidungen. Die dortige Bandbreite der Marktrisikoprämie von 4,5 % bis 8,1 % werde deutlich unterschritten. Die von der Bundesnetzagentur ermittelte Marktrisikoprämie für den Telekommunikationsbereich liege mit 5,31 % deutlich höher; die im dortigen Verfahren diskutierten, vom dortigen Gutachter in Betracht gezogenen bzw. sich aus den Mitteilungen der Europäischen Kommission ergebenden Marktrisikoprämien lägen mindestens bei 4,18 %. Die Ermittlung einer historischen Marktrisikoprämie ausgehend von einem Betrachtungszeitraum von 45 bis 50 Jahren, dem konstanten Ansatz der nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV anzusetzenden Umlaufsrenditen als risikolosem Zinssatz ergebe nach dem Bogner/Rabel-Gutachten eine Marktrisikoprämie von 5,60 % bis 6,98 %. Aus der dortigen Untersuchung impliziter Marktrisikoprämien auf Grundlage unterschiedlicher Datenquellen und verschiedener Studien folge zudem eine engere Bandbreite des Europa- und Weltportfolios zwischen 6,26 % und 7,26 %. Mit Hilfe des TMR-Ansatzes auf Basis der DMS-Datenreihen für das Weltportfolio ergebe sich eine Bandbreite für die erwartete Marktrisikoprämie von 6,56 % bis 7,97% (arithmetisches Mittel). Es finde in Deutschland auch keine Kompensation einer zu niedrigen Marktrisikoprämie durch eine vergleichsweise hohe risikolose Verzinsung statt, da letztere mit 0,74 % deutlich unter dem Mittelwert der Verzinsung in anderen Euroländern von 1,43 % liege. In der Unternehmensbewertung würden durch den Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW (FAUB), wie auch von den Gutachtern der Bundesnetzagentur thematisiert, deutlich höhere Marktrisikoprämien vor persönlicher und nach Unternehmenssteuer von 6,0 % bis 8,0 % ausgewiesen, was ebenfalls einen konkreten Anhaltspunkt für eine Unterschätzung der Marktrisikoprämie darstelle.
20Auch die ermittelten Eigenkapitalzinssätze seien nicht plausibel. Dies folge bereits aus der von den Gutachtern der Bundesnetzagentur angestellten Vergleichsbetrachtung anderer internationaler Regulierungsentscheidung sowie der Begutachtung durch NERA. Im NERA-Gutachten sei eine Vergleichbarkeit der Entscheidungen in den Punkten Steuern, Verschuldensgrad und Inflationsbereinigung hergestellt worden, wonach sich über 17 Vergleichsländer ein Durchschnitt der Eigenkapitalzinssätze nach Steuern von 6,05 % und eine Bandbreite von 4,30 % bis 7,50 % ergebe. Zudem hätte der Umstand, dass keine der betrachteten Regulierungsbehörden die Marktrisikoprämie allein auf Basis der DMS-Datenreihe ermittelt habe, Anlass gegeben, das Ergebnis des restriktiven und singulär vertretenen Ansatzes der Bundesnetzagentur auf seine Belastbarkeit zu überprüfen. Die mangelnde Plausibilität der festgelegten Eigenkapitalzinssätze folge zudem aus einer Auswertung der impliziten Eigenkapitalkosten von mit Netzbetreibern vergleichbaren, auch von der Bundesnetzagentur als Vergleichsunternehmen zur Ermittlung des Risikofaktors herangezogenen Unternehmen im Bogner/Rabel-Gutachten, in dem realisierte Renditen (abhängig von der Wachstumsrate) von 6,82 % bis 7,04 % errechnet worden seien. Die deutliche Diskrepanz zu den festgelegten Eigenkapitalzinssätzen zeige sich auch an den Ergebnissen der Untersuchungen im NERA-Gutachten. Soweit die Bundesnetzagentur die Aussagekraft der empirischen Untersuchungen ihrer Gutachter anzweifele, weil ein Vergleich zwischen einer regulatorisch zugestandenen Eigenkapitalverzinsung und realisierten Renditen nur bedingt zulässig sei, stehe dies in Widerspruch zu ihrer eigenen Vorgehensweise, eine regulatorische Eigenkapitalverzinsung aus dem CAPM mit realisierten Aktien- und Anleiherenditen herzuleiten. Konkrete Kaufpreiserwägungen bei den von der Bundesnetzagentur in der Beschwerdeerwiderung benannten Transaktionen seien nicht bekannt und es sei zudem zweifelhaft, ob der von der Bundesnetzagentur behauptete Aufschlag auf das regulierte Anlagevermögen tatsächlich auf im laufenden Netzbetrieb erzielbare höhere Renditen zurückzuführen sei. Als weiterer empirischer Beleg für die aktuellen tatsächlichen Marktverhältnisse könne auf die in der als Anlage Bf 11 vorgelegten Studie von I ADVICE zur Bewertungspraxis bei gesellschaftsrechtlichen Anlässen ausgewiesene Höhe und Entwicklung von tatsächlich angesetzten durchschnittlichen Marktrisikoprämien im gerichtlichen Verfahren zum sog. „squeeze out“ – nach persönlichen Steuern im Jahresmedian 2016 5,50 % und im Jahr 2020 und 2021 jeweils 5,75 % – verwiesen werden.
21Die angefochtene Entscheidung sei auch deshalb rechtswidrig, weil der Wagniszuschlag die aus der anstehenden Dekarbonisierung der Energieversorgung für Gasnetzbetreiber resultierenden besonderen unternehmerischen Risiken unberücksichtigt lasse und deshalb unangemessen sei. Es sei als unstreitig einzustufen und werde von der Bundesnetzagentur in der KANU-Festlegung und letztlich auch in der Beschwerdebegründung anerkannt, dass aufgrund des zu erwartenden künftigen Wegfalls der Betriebsnotwendigkeit von Gasversorgungsanlagen das besondere Risiko einer nicht vollständigen Refinanzierung bestehe. Die von der Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss angeführten Gründe rechtfertigten die Außerachtlassung dieser besonderen Wagnisse nicht. Insbesondere erfasse die KANU-Festlegung, die ohnehin erst über ein Jahr nach der angefochtenen Festlegung erlassen worden sei und nicht in die Abwägung zur Bestimmung des Wagniszuschlags habe einfließen können, den erheblichen Anteil bereits errichteter Gasnetzinfrastrukturen, die (spätestens) ab dem Jahr 2045 funktionslos würden, nicht. Die Annahme einer regulatorischen Berücksichtigungsfähigkeit der vor Ablauf ihrer kalkulatorischen Nutzungsdauer nicht mehr nutzbaren Anlagegüter sei nicht belastbar, wie sich schon an dem in der KANU-Festlegung vorgesehenen Ansatz kürzerer Nutzungsdauern von Anlagegütern zeige. Sie entspreche auch nicht der regulatorischen Praxis, da die Bundesnetzagentur in den Verfahren zur Ermittlung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen für die vierte Regulierungsperiode regelmäßig die für Buchverluste angesetzten Kosten nicht anerkenne, was von der Bundesnetzagentur in der Beschwerdeerwiderung nicht in Abrede gestellt worden sei. Auswirkungen der Dekarbonisierung auf die Gasinfrastruktur seien auch in der vierten Regulierungsperiode zu erwarten, da der Fokus bei Investitionen in Gasversorgungsnetze langfristig zu bestimmen sei und aktuelle Investitionsentscheidungen bereits vor dem Hintergrund der zu erwartenden Entwicklung evaluiert und getroffen würden. Die von den Gutachtern der Bundesnetzagentur durchgeführten Untersuchungen zur Ermittlung des Risikofaktors seien für die Berücksichtigung der für deutsche Gasnetzbetreiber entstehenden Risiken schon wegen des in der Vergangenheit liegenden Betrachtungszeitraums und der Beschränkung auf lediglich drei reine Gasnetzbetreiber vollständig wertlos. Es fänden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine „qualitative Risikoanalyse“ zur Untersuchung etwaiger Unterschiede zwischen den für Betreiber von Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzen zu berücksichtigenden Risiken, auf die die Bundesnetzagentur pauschal verweise, durchgeführt worden sei. Aus der Verwaltungsakte ergebe sich an keiner Stelle, anhand welcher Kriterien die Bundesnetzagentur die sich aus der Energiewende für Gasnetzbetreiber ergebenden unternehmerischen Risiken identifiziert, geschweige denn qualifiziert habe, so dass die Durchführung einer „qualitativen Risikoanalyse“, zu der auch in der Beschwerdeerwiderung kein substantiierter Sachvortrag erfolgt sei, mit Nichtwissen bestritten werde.
22Im Übrigen habe die Bundesnetzagentur bei der Ausgestaltung des ihr zustehenden Entscheidungsspielraums wesentliche Aspekte vollständig unberücksichtigt gelassen bzw. fehlerhaft gewürdigt. Ein Abwägungsdefizit im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung liege bereits deshalb vor, weil sich die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss – ebenso wenig wie zuvor ihre Gutachter – nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob die von ihr vorgenommene Reduzierung der Eigenkapitalzinssätze gegenüber der dritten Regulierungsperiode um mehr als 25 % mit einer entsprechenden Entwicklung an den Kapitalmärkten ab 2016 begründet werden könne und welche Folgen aus der hiermit verbundenen Verschlechterung der Investitionsbedingungen resultierten. Dies müsse zur Ausfüllung des von § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG vorgegebenen Angemessenheitskriteriums zwingend in den Blick genommen werden. Im Telekommunikationsbereich habe die Bundesnetzagentur bei der Bestimmung der Eigenkapitalzinssätze ausdrücklich als Folgen eines „Zinssturzes“ die hinreichende Gewährleistung der regulatorischen Stabilität, Vorhersehbarkeit und Planbarkeit der Investition adressiert. Zudem habe die Bundesnetzagentur die Bedeutung der höheren Risiken in Folge der Neugestaltung des regulatorischen Rahmens verkannt. Des Weiteren liege ein Abwägungsdefizit darin, dass die Bundesnetzagentur nicht auf die erheblichen quantitativen Unterschiede zwischen Umlaufsrenditen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV und langfristigen Anleiherenditen des DMS-Datensatzes eingegangen sei, und dass die Bundesnetzagentur bei der zur Ermittlung des Wagniszuschlags zu treffenden Abwägungsentscheidung die Praxis der Unternehmensbewertung unberücksichtigt gelassen habe. Insbesondere habe sie nicht geprüft, inwieweit die vom FAUB empfohlene Marktrisikoprämie auf die regulatorische Festlegung übertragbar sei, obgleich sie nach § 7 Abs. 5 Nr. 1 GasNEV gehalten sei, bei der Ermittlung des Wagniszuschlags insbesondere „die Bewertung von Betreibern von Gasversorgungsnetzen auf diesen Märkten“ zu berücksichtigen.
23Schließlich seien die besonderen Risiken der Gasversorgungsnetzbetreiber infolge der Dekarbonisierung der Energieversorgung unberücksichtigt geblieben, insbesondere sei keine Auseinandersetzung mit der im Konsultationsverfahren vorgetragenen Vorgehensweise der französischen Regulierungsbehörde, die ein solch höheres Risiko berücksichtigt habe, erfolgt.
24Die Beschwerdeführerin beantragt,
25den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 12.10.2021 (BK4-21-056) aufzuheben und die Bundesnetzagentur zu verpflichten, die Eigenkapitalzinssätze für Alt- und Neuanlagen für Betreiber von Gasversorgungsnetzen für die vierte Regulierungsperiode in der Anreizregulierung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzulegen.
26Die Bundesnetzagentur beantragt,
27die Beschwerde zurückzuweisen.
28Die Bundesnetzagentur verteidigt die angefochtene Festlegung unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Gründe als rechtmäßig. Sie habe den Wagniszuschlag gemäß § 7 Abs. 4 und 5 GasNEV unter Berücksichtigung des ihr vom Verordnungsgeber hinsichtlich der Auswahl und der Ausgestaltung der anzuwendenden Methoden eingeräumten Beurteilungsspielraums rechtsfehlerfrei bestimmt. Wie vom Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, sei § 7 GasNEV auch unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 02.09.2021 (C-718/18) anwendbar.
29Die streitgegenständliche Festlegung sei formell rechtmäßig. Sie habe nicht gegen die Vorgaben aus § 67 EnWG verstoßen. Es sei der Beschwerdeführerin möglich gewesen, im Rahmen der vom 14.07.2021 bis 25.08.2021 durchgeführten Konsultation zu den entscheidungserheblichen Gesichtspunkten Stellung zu nehmen. Zwar sei eine Veröffentlichung der vollständigen DMS-Studie sowie der ihr zugrundeliegenden Daten in diesem Rahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen. Die Marktteilnehmer hätten jedoch auch ohne diese Daten von der Anhörung sinnvoll Gebrauch machen können, da die von ihr, der Bundesnetzagentur, hinzugezogenen Gutachter die DMS-Studie und die zugrundeliegenden Daten in ihrem Gutachten analysiert und ausgeführt hätten, welche Daten aus den DMS-Datenreihen sie als Grundlage für die quantitative Bestimmung der Marktrisikoprämie verwendet hätten. Welche über diese veröffentlichten Informationen hinausgehenden Informationen und Daten hätten vorliegen müssen, um vom Anhörungsrecht Gebrauch zu machen, sei nicht weiter konkretisiert worden. Darüber hinaus habe sie die im Konsultationsverfahren vorgebrachten Stellungnahmen und Gutachten im Zeitraum von 33 Werktagen zwischen Konsultationsende und Erlass des Beschlusses umfassend gewürdigt, wie sich bereits an den von ihr eingeholten Stellungnahmen ihrer Gutachter zu einzelnen Fragen und der Auseinandersetzung mit Einwendungen aus dem Konsultationsverfahren im angefochtenen Beschluss zeige. Hinsichtlich des Stellungnahmerechts des Bundeskartellamts aus § 58 Abs. 1 Satz 2 EnWG habe dieses weder um eine Verlängerung der Stellungnahmefrist gebeten noch die Frist als zu knapp bemessen gerügt. Das Stellungnahmerecht begründe zudem keine Rechte Dritter. Schließlich genüge die Begründung der streitgegenständlichen Festlegung den Anforderungen des § 73 Abs. 1 EnWG. Sie habe darin dargelegt, weshalb sie sich trotz abweichender Forderungen für die Ermittlung der Marktrisikoprämie auf der Grundlage der langjährigen DMS-Datenreihen entschieden habe und sich dabei auch mit der Kritik hinsichtlich der Replizierbarkeit der Ergebnisse, der fehlenden Veröffentlichung des Gewichtungsschemas und der Plausibilität der Welt-Marktrisikoprämie sowie mit den von DMS erhobenen Einwänden auseinandergesetzt und sich insbesondere nicht pauschal auf einen Verweis auf die Erläuterungen ihrer Gutachter beschränkt. Sie habe ausführlich zur Verzinsung ausländischer Netzbetreiber ausgeführt und ihre Entscheidung gegen einen Methodenpluralismus und eine Plausibilisierung begründet.
30Die gegen die Ermittlung der Marktrisikoprämie gerichteten Angriffe hätten keinen Erfolg. Für ihre Abschätzung stellten der historische Ansatz und eine direkte Ableitung anhand der DMS-Datenreihen zu „Equity risk premium over bonds“ eine sachgerechte Grundlage dar.
31Der historische Ansatz sei zur Bestimmung der Marktrisikoprämie geeignet und die dominierende und gegenüber anderen Ansätzen vorzugswürdige Vorgehensweise. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats und des Bundesgerichtshofs und gelte auch für die vierte Regulierungsperiode, wie aus der Untersuchung verschiedener Kapitalmarktmodelle sowie verschiedener Ansätze zur Bestimmung der Marktrisikoprämie durch ihre Gutachter folge. Insbesondere lasse sich für eine Umstellung auf den TMR-Ansatz keine eindeutige wissenschaftliche Evidenz feststellen. Der sog. Methodenpluralismus sei ihrem Vorgehen nicht deutlich überlegen. Die vom BDEW herangezogene wissenschaftliche Literatur habe allesamt relativ wenig Einfluss auf den gesicherten Stand zum Thema „Marktrisikoprämie“. Die Vorgehensweise der Zentralbanken sei nicht geeignet, um eine hinreichend genaue Aussage über die zukünftige Höhe der Marktrisikoprämie zu treffen, zumal es aufgrund der von ihren Gutachtern dargestellten Mängel der Zentralbankmodelle nicht kurzfristig möglich sei, diese auf eine Weise anzupassen, die wissenschaftlichen und regulatorischen Anforderungen entspreche. Wie vom Bundesgerichtshof bereits erkannt, erscheine im Übrigen der Erkenntniswert eines Vergleichs mit Modellen, die ihrerseits fachlichen Bedenken unterlägen, gering. Da sie die Frage der Methodenpluralität in ihre Abwägungsentscheidung einbezogen habe, liege diesbezüglich weder ein Abwägungsausfall noch ein Abwägungsdefizit vor.
32Die zur Bestimmung der Marktrisikoprämie verwendete Datengrundlage sei auch geeignet, wie vom Bundesgerichtshof bezogen auf die vorangegangene dritte Regulierungsperiode bereits bestätigt worden sei. Durch die Heranziehung der weltweiten DMS-Datenreihen berücksichtige sie die nationalen Kapitalmärkte angemessen, die hieran von den Autoren der Datensammlung geäußerte Kritik verfange nicht. Ihre Gutachter hätten die weltweite Marktrisikoprämie als sachgerechte Referenz für einen Investor mit einem diversifizierten Portfolio, der auch in Deutschland investiere, angesehen. Die Welt-Marktrisikoprämie sei zumindest angesichts einer vollständig integrierten Eurozone als sachgerechter Schätzer anzusehen. Unabhängig davon, dass ihre Gutachter die von DMS vorgeschlagene Methodik zur Anpassung der Marktrisikoprämie für Deutschland bereits konzeptionell als problematisch erachteten, sei der Hinweis von DMS auf das Erfordernis einer Anpassung der Daten nicht neu, ihre Gutachter hätten sich damit auseinandergesetzt. Die im DMS-Gutachten ausgewiesene Marktrisikoprämie (gegenüber Bills) liege deutlich über der Empfehlung von DMS in deren Yearbook, wo eine Absenkung der Marktrisikoprämie vorgeschlagen werde.
33Die Beschwerdeführerin habe keinen Vortrag gehalten, der die Sachgerechtigkeit ihres höchstrichterlich bereits gebilligten Vorgehens bei der Bestimmung der Marktrisikoprämie über das „Mittel der Mittel“ auf den Prüfstand stelle. Den Konsultationsbeiträgen ließen sich keine wissenschaftlich eindeutigen Befunde zugunsten der einen oder anderen Methode, insbesondere nicht zugunsten des arithmetischen Mittels, entnehmen. Dass die wissenschaftliche Diskussion noch nicht abgeschlossen sei, zeigten Veröffentlichungen von Koller/Goedhart/Wessels, Fernandez und Kaserer. Zudem sei die Frage der Mittelwertbildung eng mit der Frage der Fristigkeit verknüpft. Die bereits 1996 und 2015 veröffentlichten Ausführungen von Damodaran stellten keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, sondern hätten bereits der Festsetzung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode zugrunde gelegen. Unabhängig davon, dass die Autokorrelation von Aktienindizes in einigen Quellen festgestellt worden sei, sei die Autokorrelation nur einer der Gründe, die gegen die alleinige Nutzung des arithmetischen Mittels sprächen. Gegen die Verwendung des arithmetischen Mittels spreche auch, dass bei regulierten Unternehmen aufgrund der Stabilität der Erträge infolge der Regulierung die regulatorische Kapitalbasis zwar positiv sei, aber eine vergleichsweise geringe Volatilität aufweise und das alleinige Abstellen auf das arithmetische Mittel zu einer Überschätzung der Eigenkapitalkosten führe. Soweit in einem Musterbeschwerdeverfahren vorgetragen worden sei, dass ein „modifiziertes“ arithmetisches Mittel nur im Fall der Unsicherheit über die wahre Marktportfoliorendite einer mehrperiodigen Investition mit Zinseszinsen sachgerecht sei, liege ein solcher Fall gerade vor. Dass sie das „Mittel des Mittels“ nicht auch beim Betafaktor angewendet habe, sei nicht inkonsistent, da die gewählte Mittelwertbildung nicht der Korrektur der Unsicherheit bezüglich des wahren Marktportfolios diene, sondern aus anderen Gründen gewählt worden sei. Auch bei der Beta-Schätzung seien durch die Anwendung der Vasicek-Methode Unsicherheiten explizit berücksichtigt worden. Da durch die Bandbreite aus geometrischem und arithmetischem Mittel unterschiedliche Anlagezeiträume abgebildet würden, liefe die Heranziehung des geometrischen Mittels auch nicht der in fünfjährige Regulierungsperioden unterteilten Regulierungssystematik zuwider. Dass Gutachter von Frontier Economics Ltd. in ihrer Arbeit für Western Distribution von November 2021 bei der Ableitung der Marktrisikoprämie faktisch das arithmetische Mittel heranzögen, stelle ihre Vorgehensweise im Streitfall nicht in Frage, da sich das dortige Gutachten entsprechend dem regulatorischen Kontext mit der Analyse von Gesamtmarktrenditen befasse, die empirischen Ergebnisse also nicht übertragbar seien.
34Die höchstrichterlich ebenfalls bereits gebilligte Einbeziehung Chinas und Russlands in die DMS-Datengrundlage sei auch mit Blick auf die vierte Regulierungsperiode geboten und notwendig, um die internationale Repräsentativität des Durchschnitts zu wahren und um einen pauschal wirkenden und unbegründeten Ausschluss einzelner Länderdaten bzw. eine systematische Überschätzung („survivorship bias“) zu vermeiden. Zudem stellten China und Russland zumindest zeitweise plausible Zielregionen für internationale Investoren dar und seien damit Teil der Erwartungsbildung eines perfekt diversifizierten Investors gewesen. Ihre Gutachter hätten im Übrigen ausschließlich den faktisch numerischen „negativen“ Einfluss der Einbeziehung dieser Länder adressiert, was keine qualitative Aussage zur Eignung der beiden Länder enthalte, und darauf verwiesen, dass hieraus kein unplausibles Ergebnis der Welt-Marktrisikoprämie folge.
35Auch die Hinzunahme der weiteren 67 Länder in die Datengrundlage sei nicht zu beanstanden, da sie im Einklang mit der Betrachtung des für die Marktrisikoprämie anzusetzenden „Welt-Portfolios“ stehe, in dem temporäre (historische) nationale Sondereinflüsse weniger stark betont würden. Die Investoren-Umfrage von Prof. Schwetzler aus dem Jahr 2020 führe insbesondere deshalb zu keiner anderen Betrachtung, weil bei der Erwartung des in die Zukunft gerichteten Risikozuschlags im Rahmen des CAPM als Maßstab der Idealtypus eines „theoretischen rationalen Investors“ herangezogen werde, der die Möglichkeiten der internationalen Finanzmärkte zur Diversifizierung seines Risikos vollumfänglich nutze, und es sich bei der Einteilung in Schwellen- und Nicht-Schwellenländer um eine aktuelle Momentaufnahme handele. Falls theoretisch eine Verzerrung vorläge, wären die Auswirkungen angesichts des Anteils der Schwellen- und Entwicklungsländer an der Marktrisikoprämie von derzeit 11 % nur marginal. Dass nur für 21 von 90 Ländern Daten für den gesamten Betrachtungszeitraum zur Verfügung stünden, führe nicht dazu, dass die übrigen Länder ausgeschlossen werden müssten. Der Bundesgerichtshof nehme dies nur an, wenn konkrete, einer Einbeziehung entgegenstehende Anhaltspunkte vorlägen, was nicht der Fall sei, wie schon die weite Anerkennung der DMS-Datenreihen bei Regulierungsbehörden und im Finanzsektor zeige. Auch aus einem Vergleich der weltweiten Marktrisikoprämie nach den DMS-Datenreihen für 2020 und 2021 ergäben sich keine Anhaltspunkte, die einer Einbeziehung der zusätzlich erfassten Länder entgegenstünden.
36Ihre Gutachter hätten bereits festgestellt, dass es sich bei den DMS-Datenreihen nach Prüfung diverser Kriterien und einem Vergleich mit alternativen Datenbanken um die „bestverfügbare Datenbank“ handele und es bei aggregierten statistischen Daten üblich sei, dass nicht alle Komponenten einzeln verfügbar seien. Die Datenquellen seien im jährlich erscheinenden Global Investment Returns Yearbook ausführlich angeführt. Die große Anzahl an dokumentierten Quellen, die eine Replikation der Datenbank mit unverhältnismäßigem Aufwand verbinde, sei gerade ein Qualitätsmerkmal. Der für die dritte Regulierungsperiode hinzugezogene gerichtliche Sachverständige habe ebenfalls Umfang und Qualität des Datensatzes hervorgehoben, in der Vergangenheit geäußerte Kritik an einigen historischen Zeitreihen sei vereinzelt geblieben und auf die aktuelle Version der Datenbank nicht übertragbar. Dass die DMS-Datenbank Marktkapitalisierungen nicht als separate Zeitreihen zur Verfügung stelle, rechtfertige nicht die Annahme, dass Daten zur Marktkapitalisierung für die erste Hälfte des Betrachtungszeitraums nicht wissenschaftlich ermittelt worden seien oder hätten ermittelt werden können. Ein derartiges Vorgehen finde sich bei zahlreichen Indexzeitreihen verschiedener renommierter Anbieter und bei makroökonomischen Zeitreihen wie bei Inflationszeitreihen der statistischen Ämter. Wesentlich für die Nachvollziehbarkeit sei daher die – hier transparente – Beschreibung der Methodik und der Datenquellen.
37Dass sich die Welt-Marktrisikoprämie nicht in der Mitte der Verteilung der länderspezifischen Marktrisikoprämie befinde, sei, wie von ihren Gutachtern bereits ausgeführt, gerade plausibel. Die Unterschiede in den Ländergewichtungen der enthaltenen Aktien (nach Marktkapitalisierung) und Anleihen (nach Bruttoinlandsprodukt) seien in der angefochtenen Festlegung nachvollziehbar begründet.
38Die von Oxera geäußerte Kritik wegen Unterschieden zu anderen Quellen bei der Betrachtung des Gewichtungsschemas der Aktienrenditen für die veröffentlichten Zeitpunkte (1900 und 2020) sei unbegründet. Insoweit habe sie sich den überzeugenden Erwägungen ihrer Gutachter angeschlossen. Hinzuzufügen sei, dass Länderanteile bei Verwendung unterschiedlicher Datenquellen durchaus abweichen könnten, abhängig von der Anzahl der betrachteten Länder, der Einschränkung auf Stammaktien oder der zusätzlichen Berücksichtigung von Vorzugsaktien, einer allfälligen Free-Float-Adjustierung, der Berücksichtigung von internationalen Aktiennotierungen oder den Anforderungen an eine Notierung. Diese Entscheidungen würden je nach Zweck der Untersuchung und Datenverfügbarkeit in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten unterschiedlich getroffen. Maßgeblich seien die hier konsistente Renditezeitreihe und die dazugehörigen Marktkapitalisierungen. Eine Gewichtung der Anleiherenditen nach Anleihevolumina weise mehrere Nachteile auf, so die mangelhafte Datenbasis. Anders als die in Musterbeschwerdeverfahren diskutierten Alternativberechnungen sei die Vorgehensweise bei den gewählten DMS-Datenreihen geeignet, einen unverzerrten Schätzwert zu erhalten.
39Schließlich stellten die vorgetragenen Aspekte zu Wechselkurseffekten keinen neuen Vortrag dar, der die bisherige Bewertung durch die Rechtsprechung in Frage stellen könne. Ihre Gutachter hätten bereits ausgeführt, dass ein vollständig globales/internationales CAPM nicht vorzugswürdig sei und deshalb kein Grund bestehe, die Kaufkraftparitäten zu korrigieren. Das Wechselkursrisiko und die infolgedessen steigenden Investitionserwartungen der Investoren wirkten sich senkend auf die Marktrisikoprämie aus, da sie die risikomindernden Effekte einer weltweiten Streuung zutreffend abbildeten. Die Wirkung von Wechselkursen sei von ihren Gutachtern bereits im Gutachten für die dritte Regulierungsperiode ausführlich diskutiert und als zu vernachlässigende Größe eingeordnet worden. Durch die Ermittlung der „geometrischen Differenz“ aus risikolosem Zinssatz und Weltaktienrendite sollten keine Wechselkursschwankungen adressiert werden. Die sich ergebenden Schwankungen seien in der Vergangenheit regelmäßig zu beobachten gewesen, der als „nicht marginal“ bezeichnete Gesamteffekt liege also im Rahmen der üblichen Kurzfristschwankungen von Währungen und könne allein über die unterschiedlichen Stichjahre der Beobachtung erklärt werden. Dies gelte auch für die für die vierte Regulierungsperiode verwendeten DMS-Datenreihen zu den realen Wechselkursen. Der von Oxera vertretene Ansatz, die Marktrisikoprämie zunächst länderspezifisch zu ermitteln und dann gewichtete Mittelwerte heranzuziehen, sei nicht überlegen, da die gewählten Gewichtungsfaktoren ebenfalls Wechselkurseffekte beinhalteten.
40Es sei nicht zu beanstanden, dass sich die DMS-Werte zur Marktkapitalisierung auf den im Streubesitz befindlichen Anteil der Marktkapitalisierung bezögen, da sie methodisch eine objektivierte, nicht auf eine bestimmte von den Marktteilnehmern angeführte Anlage- oder Rechtsform bezogene Betrachtung vornehme. Dass sich die DMS-Datenreihen erst seit dem Jahr 2000 ausschließlich auf den Streubesitz und im davorliegenden Zeitraum auch auf die im Festbesitz befindlichen Aktien bezögen, sei durch das Ziel der Verwendung der besten zum maßgeblichen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Daten bedingt. Für eine Verzerrung der Schätzwerte durch entstehende Strukturbrüche lägen keine Anhaltspunkte vor.
41Die herangezogenen langfristigen Anleihen (Bonds) seien sowohl mit Blick auf ein Ausfallrisiko als auch auf ein Zinsänderungsrisiko bzw. Laufzeitrisiko als risikolos anzusehen. Ihre Gutachter hätten den Effekt von Ausfallrisiken – auch unter Berücksichtigung des Konsultationsvorbringens – als gering eingeschätzt, da aufgrund der langen Zeitreihe und des breiten Samples davon auszugehen sei, dass die Komponente „erwartete“ Ausfälle in den realisierten Ex-post-Anleiherenditen schon (zumindest zum großen Teil) abgebildet sei. Auch empirisch sei keine Verzerrung der Marktrisikoprämie festzustellen. Die korrekte Abbildung der Ausfälle in den Preisen sei auch nachvollziehbar, da die DMS-Studie etablierte Anleiheindizes verwende und diese transparent darstelle. Dass sich nur die Zuschläge für erwartete Verluste bei der Betrachtung realisierter Renditen an sich kreditrisikobehafteter Anleihepreisindizes aufheben würden, sei unschädlich, da ein systematischer Unterschied allenfalls auf eine Prämie für unerwartete Verluste bzw. das „sovereign risk“ (Risiko eines Ausfalls der Staatsanleihe) zurückzuführen sein könnte. Eine solche Prämie sei aber bei Schuldnern mit hoher Bonität gering. Eine höhere Gewichtung von Ländern mit höherer Verschuldung (und damit in der Regel höherem Kreditrisiko) erhöhe die durchschnittliche realisierte Rendite des Weltanleiheindex nicht, was gegen einen bedeutenden Einfluss der Kreditrisikoprämie spreche. Zudem müsse ein messbarer Einfluss nicht zu einer Verzerrung führen, da Investoren für Länder mit schlechter Bonität der Staatsanleihen auch am Aktienmarkt eine Länderrisikoprämie fordern könnten. Schließlich hätten ihre Gutachter die Vor- und Nachteile verschiedener Kapitalmarktmodelle erörtert. Bei der praktischen Implementierung gebe es bei jeder empirischen Schätzung eines Modells Annahmen, die der vereinfachten Darstellung der Wirklichkeit dienten und bei strenger Auslegung verletzt würden. Auch für kurzfristige Staatsanleihen der USA oder Deutschlands bestehe ein – wenngleich sehr geringes – Kreditrisiko und darüber hinaus für langfristige Anleger ein nicht zu vernachlässigendes Zinsrisiko bei der Wiederanlage, umso mehr mit Blick auf den langen Betrachtungszeitraum. Ein weltweit gestreutes Portfolio stelle daher die beste pragmatische Annäherung an eine risikolose Anleihe im CAPM dar.
42Ihre Gutachter hätten auch die möglichen Auswirkungen eines Zinsänderungsrisikos auf die langfristigen Anleiherenditen adressiert und festgestellt, dass die Verwendung langfristiger Anleiherenditen zu keiner Verzerrung der Marktrisikoprämie führe, da der Effekt der gegenläufigen Entwicklung von realisierten Renditen und Marktzinsniveau auch für Aktien gelte. Mögliche Inkonsistenzen, die aufgrund der Kapitalmarktentwicklung von langfristigen Staatsanleihen entstünden, seien durch die Anpassung des Wagniszuschlags besonders berücksichtigt. Der Einwand, dass Aktien und Anleihen auf langfristig sinkende Marktzinsen nicht gleichgerichtet reagierten, könne nicht überzeugen. Aktuelle Arbeiten zeigten, dass die reale Performance sowohl für Aktien als auch für Anleihen nach Zinssenkungen höher seien und dieser Effekt für Aktien sogar stärker ausgeprägt sei als für Anleihen.
43Die Verwendung kurzfristiger Anleiherenditen („Bills“) sei nicht vorzugswürdig, da einerseits langfristige Anleiherenditen als risikolos einzustufen seien und andererseits die Verwendung einer Marktrisikoprämie über kurzfristige Anleihen in Kombination mit einem langfristigen Basiszinssatz zu Inkonsistenzen führe. Es gebe keinen Grund, vom bisherigen Vorgehen abzuweichen. Bei Energienetzen mit langlebigen Investitionen stelle eine längerfristige ausfallsichere Anleihe (Nullkuponanleihe mit 10 Jahren Laufzeit) eher den risikolosen Zinssatz im Sinne des CAPM dar als eine kurzfristige Anleihe. DMS, die die Verwendung von Bills vorschlügen, hätten im Yearbook 2021 noch eine leichte Erhöhung der anhand langfristiger Anleiherenditen bestimmten Marktrisikoprämie vorgeschlagen. Bei der Verwendung kurzfristiger Anleiherenditen müsse jedenfalls eine Anpassung der Marktrisikoprämie nach unten erfolgen. Ein Vergleich der sich ergebenden Unterschiede zwischen den lang- bzw. kurzfristigen Anleiherenditen einerseits und der Umlaufsrendite andererseits sei in diesem Zusammenhang unzulässig, da erstere „rückwärtsgewandt“ und letztere „vorwärtsgewandt“ sei. Auch der Einwand, die Verwendung von langfristigen Anleihen weise quantitativ den gegensätzlichen Effekt gegenüber dem auf, was ökonomisch angezeigt sei, gehe fehl. Der Effekt, dass in Zeiten sinkender Zinsen ein Kursanstieg älterer Wertpapiere eintreten und somit die Marktrisikoprämie verzerren könne, sei bereits höchstrichterlich als eine nicht systemfremde und damit berücksichtigungsfähige tatsächliche Marktentwicklung angesehen worden. Zudem ergebe sich ein gegenläufiger Effekt in Zeiten von steigenden nominalen Zinsen. Die 121 Jahre zurückreichenden historischen DMS-Datenreihen hätten daher den Vorteil, dass es durch die langfristige Mittelwertbildung zu einer ausgleichenden Wirkung auf Anleiherenditen komme.
44Dass bei der Ermittlung des Eigenkapitalzinssatzes zwei unterschiedliche Werte für den Parameter „risikoloser Zinssatz“ verwendet würden, sei aufgrund der Vorgaben des § 7 Abs. 4 und 5 GasNEV erforderlich. Da die Umlaufsrendite in § 7 GasNEV festgelegt sei, werde das CAPM nur zur Ableitung des Wagniszuschlags verwendet, was auch ihrer höchstrichterlich gebilligten Vorgehensweise in den vergangenen Regulierungsperioden entspreche. Es gebe nicht nur einen einzigen risikolosen Zinssatz, weil dieser immer in Abhängigkeit zur Fristigkeit zu sehen sei und die Risikolosigkeit vom Anlagehorizont des Investors abhänge. Sie habe die Notwendigkeit einer Konsistenz der Charakteristika des risikolosen Basiszinssatzes und des zur Ermittlung der Marktrisikoprämie herangezogenen risikolosen Zinssatzes erkannt und untersucht. Als solche hätten ihre Gutachter zum einen das Laufzeit-/Kreditrisiko und zum anderen die Verfügbarkeitsprämie (Convienience Yield) als renditemindernden Vorteil insbesondere von deutschen Staatsanleihen wegen ihrer besonderen Liquidität und Funktionalität als Sicherheit identifiziert. Die in der unterschiedlichen Ausrichtung der verwendeten risikolosen Zinssätze (Basiszinssatz basierend auf vorwärtsgerichteten Umlaufsrenditen einerseits und DMS-Anleiheportfolio als rückwärtsgerichtete realisierte Renditen andererseits) liegende Inkonsistenz habe sie gesehen; diese sei aber nicht im Rahmen einer Anpassung des Wagniszuschlags zu berücksichtigen, weil die unterschiedliche Ausrichtung im regulatorischen Kontext irrelevant sei. Der gewählte historische Ansatz sei nach der Bewertung unterschiedlicher Ansätze als bester Schätzansatz für die Marktrisikoprämie identifiziert worden. Daher könne dieser zunächst isoliert betrachtet werden und seine Schätzfunktion erfüllen. Mit Blick auf die Eigenschaften „Verzinsung (Renditekomponente)“, „Kreditrisiko“ und die quantitative Abweichung der beiden Zinssätze seien keine weiteren Anpassungen erforderlich.
45Die Anpassung des Wagniszuschlags als gegenüber den Vorperioden verfeinerte Methodik diene allein der Vermeidung der Unterschätzung des unternehmerischen Wagnisses und nicht der Beseitigung vermeintlicher methodischer Mängel. Sie habe die unterschiedlichen Ansätze ihrer und der Gutachter Oxeras zur Quantifizierung von Laufzeitunterschieden und Unterschieden bei der Verfügbarkeitsprämie zutreffend gewürdigt. Insbesondere unterstelle der von Oxera zur Ermittlung der Verfügbarkeitsprämie gewählte Ansatz, dass die Verfügbarkeitsprämie nur in deutschen Staatsanleihen enthalten sei, im DMS-Datensatz hingegen nicht, und führe daher eher zur Überschätzung des zur Harmonisierung anzusetzenden Werts. Hinsichtlich der Laufzeitunterschiede sei eine Untergrenze für die Anpassung von 0 % als konservativ zu betrachten, hinsichtlich der Convenience Yield eine solche durch erhebliche Unsicherheiten bei der Schätzung begründet. Für die Berechnung der Laufzeitprämie sei nicht die Restlaufzeit, sondern die Duration der Anleihe, d.h. die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer maßgebend, die bei den in der DMS-Studie verwendeten Anleihen mit einer Restlaufzeit von über zehn Jahren typischerweise bei zehn Jahren liege. Ihre Gutachter hätten den Vergleich der Renditekurve deutscher Bundesanleihen mit der Renditekurve AAA der Eurozone für sinnvoll erachtet, da eine Anpassung im Ausmaß der für die USA von verschiedenen Autoren erhaltenen Schätzwerte ebenso wie eine Anpassung um die volle deutsche Convenience Yield überschießend wäre. Dass ihre Gutachter nur die Zeiträume 2002 bis 2007 und 2008 bis 2020 betrachtet hätten, sei darin begründet, dass diese die Convenience Yield für deutsche Zinssätze mit aktueller wissenschaftlicher Literatur begründeten und zudem die Diskussion der Convenience Yield von Anleihen und ihre Quantifizierung erst etwa 2012 begonnen habe, also ein relativ junges Forschungsgebiet darstelle. Schließlich bestehe kein Anpassungsbedarf mit Blick auf Kreditrisiken. Die Ermittlung eines Anpassungsbedarfs durch Oxera erfolge anhand von Credit Default Swaps, die erwartete Ausfälle und eine Risikoprämie enthielten. Zudem müsse eine Korrektur theoretisch auf Grundlage der Durchschnittsbonitäten der Länder von 1900 bis 2020 erfolgen. Der von ihr gewählte historische Ansatz habe den Vorteil, dass durch die Mittelung über einen langen Zeitraum der verzerrende Effekt von Momentaufnahmen für kürzere Betrachtungszeiträume korrigiert bzw. vermieden werde.
46Auch ihre Erwägungen zur Berücksichtigung von Festlegungen ausländischer Regulierungsbehörden im Sinne des § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV seien rechtsfehlerfrei. Es sei bereits höchstrichterlich entschieden, dass ihre Vorgehensweise, im Hinblick auf unterschiedliche Zeitpunkte, Rahmenbedingungen und Herangehensweisen von einer umfassenden Analyse abzusehen und lediglich zu überprüfen, ob der mit Hilfe von CAPM und DMS-Studie ermittelte Zinssatz innerhalb der Bandbreite europäischer Vergleichsländer liege, was der Fall sei, im Einklang mit der verordnungsrechtlichen Vorgabe stehe. Es komme nicht darauf an, ob die Marktrisikoprämie in der Bandbreite des vorgenommenen Ländervergleichs liege, sondern allein auf die Einordnung der Eigenkapitalverzinsung. Ihre Gutachter seien auch nicht zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die ermittelte Bandbreite keinen belastbaren internationalen Vergleich zulasse, sondern hätten transparent auf die Besonderheiten betreffend des in Portugal und den Niederlanden festgelegten Eigenkapitalzinssatzes hingewiesen. Selbst wenn man diese Länder nicht als untere Bandbreite heranziehen wolle, so sei jedenfalls für Belgien ein Wert ausgewiesen, der unter dem festgelegten Eigenkapitalzinssatz nach Steuern für Neuanlagen liege. Es liege auch in dieser Regulierungsperiode keine „eklatante Abweichung“ des streitgegenständlichen Zinssatzes von der durchschnittlichen Verzinsung im internationalen Vergleich vor. Angesichts der Attraktivität des deutschen Energiemarkts für Investoren sei die festgestellte Positionierung Deutschlands im unteren Fünftel der Vergleichsländer plausibel. Der im NERA-Gutachten angelegte Vergleich sei dem von ihren Gutachtern vorgenommenen nicht deutlich methodisch überlegen. Letztere hätten die Vergleichsgruppe nach den aktuellsten zur Verfügung stehenden Entscheidungen ausgewählt. Eine Angleichung der Kapitalstruktur sei nicht vorzunehmen, weil sie ein verzerrtes Bild für einen Eigenkapitalinvestor ergebe. Die in Frankreich und Großbritannien festgelegten höheren Renditen und Marktrisikoprämien ließen sich mit den Unterschieden im Länderranking erklären, das dort niedriger sei, was zu einem höheren Risiko von Investoren führe. Mit der im NERA-Gutachten durchgeführten Angleichung der Eigenkapitalquoten habe sie sich im Beschluss bereits auseinandergesetzt. Zudem sei der Verschuldungsgrad – neben dem Vorliegen bzw. der Strenge von Effizienzvorgaben, dem Mengenrisiko für Netzbetreiber, der Inflationierung der Gesamtkosten während der Regulierungsperiode oder den Bestimmungen zur Durchreichung von Netzinvestitionen während der Regulierungsperiode – nur einer von mehreren Faktoren, die Einfluss auf die Eigenkapitalverzinsung hätten, so dass eine auf die Kapitalstruktur beschränkte Angleichung zu einem verzerrten Bild für einen Eigenkapitalinvestor führen würde. Folge man der Logik des NERA-Gutachtens, müsse die untere Bandbreite für aktuelle Entscheidungen der Jahre 2020 und 2021 mit 4,08 % (Belgien-Flandern) bestimmt werden.
47Der festgelegte Eigenkapitalzinssatz sei auch im Rahmen der durchgeführten Gesamtbetrachtung, in der sie eine Risikoanalyse unter Betrachtung aktueller Verhältnisse vorgenommen habe, angemessen. Insbesondere habe sie die von den Netzbetreibern im Rahmen der Konsultation vorgetragenen Risiken untersucht und überprüft, ob Aspekte zu berücksichtigen seien, die nicht bereits bei der Bestimmung des Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse abgebildet seien. Mit Blick auf vorzeitige Anlagenabgänge im Bereich der Gasnetzinfrastruktur bleibe es dabei, dass Abschreibungen auf die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten auch nach ihrer Regulierungspraxis weiter erfolgen dürften. Das Risiko, dass heute neu errichtete Anlagen kalkulatorisch nicht mehr vollständig in den kalenderjährlichen Erlösobergrenzen berücksichtigt werden könnten, werde systematisch bei der Bildung des Risikofaktors berücksichtigt und darüber hinaus in ihrer KANU-Festlegung vom 08.11.2022 (BK9-22/614). Sie habe die aktuellen Kapitalmarktverhältnisse qualitativ und quantitativ analysiert, insbesondere mit Blick auf die Folgen von COVID19, auf Environmental-Social-Governance-Kriterien und auf die Verfügbarkeitsprämie. Weiter sei davon auszugehen, dass auch unter dem zukünftigen, mit europäischem Recht zu vereinbarenden Regulierungsrahmen die Substanz der Netze erhalten und die Auskömmlichkeit des Netzbetriebs gewährleistet sein würden. Bei den bereits erfolgten bzw. aktuell absehbaren Zinserhöhungen der US-amerikanischen Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank handele es sich um im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht existente und damit nicht berücksichtigungsfähige Umstände. Insoweit habe sie sich eine nachträgliche Änderung der Eigenkapitalzinssätze ausdrücklich vorbehalten. Der Einwand, es ließen sich keine Anhaltspunkte für eine gesunkene Renditeerwartung der Investoren seit 2016 finden, berücksichtige nicht, dass eine konstante Marktrisikoprämie in Kombination mit einem im Vergleich zum Jahr 2016 gesunkenen risikolosen Zinssatz auf Basis des CAPM einen niedrigeren Eigenkapital-Zinssatz als in der dritten Regulierungsperiode ergebe. Zudem hätten auch andere europäische Regulierungsbehörden eine Reduktion der Eigenkapitalzinssätze vorgenommen, etwa die österreichische und die niederländische Regulierungsbehörde. Wie von ihr jeweils mit Schriftsatz vom 30.06.2023 ergänzend vorgetragen, ergebe sich zum einen aus der Survey of Professional Forecasters (SPF), die von der Federal Reserve Bank of Philadelphia durchgeführt werde, dass die langfristigen Renditeerwartungen über die Zeit deutlich gesunken und die Differenzen zwischen Aktien und langfristigen Anleihen (wie auch zwischen Aktien und kurzfristigen Anleihen) weitgehend stabil geblieben seien, wobei sich der Trend sinkender Renditeerwartungen auch in den Jahren von 2016 bis 2021 fortgesetzt habe. Zum anderen hätten die Verhältnisse am Kapitalmarkt im Jahr 2021 keinen signifikanten Anstieg der Zinssätze erwarten lassen, wie eine Betrachtung von Forwardsätzen für 10-jährige deutsche Bundesanleihen anhand von Bloomberg-Daten über den Zeitraum von 2012 bis 2021 zeige.
48Schließlich habe sie alternative bzw. zukunftsorientierte Ansätze zur Ermittlung der Marktrisikoprämie untersucht und diese im Ergebnis für nicht geeignet erachtet. Zu einer weitergehenden Plausibilisierung sei sie aufgrund des ihr von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugesprochenen Beurteilungsspielraums nicht verpflichtet. Der „Methodenpluralismus“ begründe keine solche Pflicht, da er nach der Evaluierung der Gutachter bereits keine wissenschaftlich anerkannte Methode darstelle. Entsprechendes gelte für die Empfehlungen des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW (FAUB) zur Anwendung des „TMR-Ansatzes“, für den keine zwingenden Gründe sprächen. Der TMR-Ansatz und der gewählte Ansatz einer konstanten Marktrisikoprämie schlössen einander aus, so dass eine Plausibilisierung des einen mithilfe des anderen Ansatzes nicht möglich sei. Ein Abwägungsdefizit liege deshalb insoweit nicht vor. Gleiches gelte für das Argument der inversen Korrelation, das letztlich dem TMR-Ansatz entspreche und von ihren Gutachter verworfen worden sei. Beim risikobasierten Ansatz überwögen die Nachteile, so dass eine zusätzliche Plausibilisierung mangels fachlicher Bedenken an diesem Ansatz bereits unterbleiben könne, ebenso bei Alternativverfahren der Übergewinnmethode oder des Ansatzes des Dividenden-Diskontierungsmodells. Auch die Bedenken hinsichtlich der Verlässlichkeit bzw. Sensitivität der DMS-Datenreihen begründeten keinen zusätzlichen Plausibilisierungsbedarf. Die Unsicherheiten bei der Anpassung des Wagniszuschlags seien in diesem Kontext nicht relevant, da die Anpassung nicht der Korrektur einer Überschätzung der Marktrisikoprämie diene, sondern nur die konzeptionelle Konsistenz zwischen den risikolosen Basiszinssätzen herstelle. Die Einordnung der Welt-Marktrisikoprämie im Verhältnis zu der Marktrisikoprämie bedeutender Volkswirtschaften mit der größten Marktkapitalisierung begründe keine Bedenken an deren Plausibilität. Aus den Erwägungen zur Anpassung des Wagniszuschlags folge, dass auch der „Zinskeil“ keinen eindeutigen Anhaltspunkt im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung darstelle, der eine Plausibilisierung des Ergebnisses erforderlich mache. Insoweit sei zu beachten, dass die im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Festlegung bestehende Differenz zwischen dem risikolosen Zinssatz nach § 7 Abs. 4 GasNEV von 0,74 % und der zur Ermittlung der Marktrisikoprämie herangezogenen Anleiherendite von 5,2 % durch die – jeweils fehlerfreie – Methodenauswahl und Anwendung der Methode bedingt sei, die die Marktrisikoprämie anhand eines historischen Ansatzes direkt abschätze. Wenn die Differenz deshalb der modelltheoretischen Konzeption des CAPM nicht widerspreche, stelle sie keine Inkonsistenz dar und könne somit per se keinen zusätzlichen Plausibilisierungsbedarf der von ihr ermittelten Eigenkapitalzinssätze auslösen. Konkrete Anhaltspunkte, die einen ergänzenden Plausibilisierungsbedarf nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auslösten, müssten sich vielmehr aus außerhalb der Methode liegenden Umständen ergeben. Jedenfalls habe sie die Zinsdifferenz im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums fehlerfrei nicht als einen Umstand bewertet, der eine (Gesamt-)Plausibilisierung erfordere.
49Sie habe das Gebot der Lebensfähigkeit der Netze im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 3 EnWG beachtet. Ihre Feststellungen würden durch die aktuellen und jüngeren Transaktionen im Bereich der Netze, die auf eine hohe Attraktivität der regulierten Unternehmen für Investoren hindeuteten, gestützt. Insoweit könne auf Veröffentlichungen großer Übertragungsnetzbetreiber bzw. den am 30.11.2022 veröffentlichten Monitoringbericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt verwiesen werden. Die fehlende Plausibilität der Marktrisikoprämie werde auch nicht durch andere Kennzahlen oder Daten belegt, insbesondere nicht durch die nicht belastbaren Vergleiche mit der Bandbreite ermittelter Marktrisikoprämien im internationalen Vergleich und der Festlegung im Telekommunikationssektor. Ein Vergleich zwischen einer regulatorisch zugestandenen Eigenkapitalverzinsung, bei der die effektive Verzinsung für den Eigenkapitalgeber von der gesamten Regulierungssystematik abhänge und davon, welche Werte für die einzelnen Regulierungselemente im Vergleich zu den regulatorischen Vorgaben realisiert würden, und in Vergleichsunternehmen realisierten Renditen sei nur bedingt zulässig. Die hieraus folgenden Unterschiede würden beispielsweise durch Transaktionsprozesse offenbart, da die Käufer in der Regel für regulierte Energienetze einen Aufschlag auf das regulierte Anlagevermögen zahlten.
50Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie das Protokoll der Senatssitzung vom 13.06.2023 Bezug genommen. Der Senat hat die gegen die streitgegenständliche Festlegung für den Gasbereich bzw. gegen die im Wesentlichen inhaltsgleiche Festlegung BK4-21-055 für den Strombereich gerichteten Beschwerdeverfahren VI-3 Kart 129/21 [V], VI-3 Kart 130/21 [V], VI-3 Kart 311/21 [V], VI-3 Kart 498/21 [V], VI-3 Kart 544/21 [V], VI-3 Kart 619/21 [V], VI-3 Kart 689/21 [V], VI-3 Kart 718/21 [V], VI-3 Kart 743/21 [V], VI-3 Kart 757/21 [V], VI-3 Kart 775/21 [V], VI-3 Kart 813/21 [V], VI-3 Kart 883/21 [V] und VI-3 Kart 908/21 [V] mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten als Musterbeschwerdeverfahren gemeinsam verhandelt.
51B.
52Die Beschwerde ist zulässig (zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die vergangene Regulierungsperiode bereits Senat, Beschl. v. 22.03.2018 – VI-3 Kart 148/16 [V], juris Rn. 53 f.) und auch begründet.
53Die angefochtene Festlegung der Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur vom 12.10.2021, mit der diese für die Dauer der vierten Regulierungsperiode für Betreiber von Gasversorgungsnetzen die Eigenkapitalzinssätze für Neuanlagen auf 5,07 % und für Altanlagen auf 3,51 %, jeweils vor Steuern, festgelegt hat, ist rechtswidrig, weil die Bundesnetzagentur die Höhe des Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse im Sinne des § 7 Abs. 5 GasNEV rechtsfehlerhaft ermittelt hat. Die Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Festlegung und zur Verpflichtung der Bundesnetzagentur, erneut über die Festsetzung von Eigenkapitalzinssätzen für Alt- und Neuanlagen für die Dauer der vierten Regulierungsperiode zu entscheiden.
54I. Die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze erfolgt auch in Ansehung der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshofs) nach den einschlägigen Vorgaben im Energiewirtschaftsgesetz und in der Gasnetzentgeltverordnung.
551. § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG sieht vor, dass die Entgelte unter Berücksichtigung einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals gebildet werden. Diese Vorgabe wird durch die Regelung in § 7 Abs. 4 und 5 GasNEV ausgefüllt. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV darf der Eigenkapitalzinssatz den auf die letzten 10 abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse nicht überschreiten. Bei der Ermittlung dieses Zuschlags hat die Regulierungsbehörde gemäß § 7 Abs. 5 GasNEV insbesondere die Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten und die Bewertung von Netzbetreibern auf diesen Märkten, die durchschnittliche Verzinsung des Eigenkapitals von Netzbetreibern auf ausländischen Märkten sowie beobachtete und quantifizierbare unternehmerische Wagnisse zu berücksichtigen.
562. Diese Vorgaben beanspruchen auch im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden Geltung.
57a) Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 02.09.2021 in der Rechtssache C-718/18 die Umsetzung der EU-Richtlinien 2009/72/EG (Strom) sowie 2009/73/EG (Gas) durch den deutschen Gesetzgeber für europarechtswidrig erklärt, weil § 24 Satz 1 EnWG der Bundesregierung unmittelbar bestimmte Zuständigkeiten überträgt, die nach den Richtlinien ausschließlich der Regulierungsbehörde vorbehalten sind. Die Unabhängigkeit, die der Regulierungsbehörde im Rahmen der durch Art. 37 der Richtlinie 2009/72/EG bzw. Art. 41 der Richtlinie 2009/73/EG ausschließlich ihr übertragenen Aufgaben und Befugnisse verliehen wird, kann nicht durch Rechtsakte wie die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats auf der Grundlage von § 24 EnWG erlassenen Rechtsverordnungen beschränkt werden.
58b) Der Bundesgerichtshof hat allerdings bereits entschieden, dass dies auch für die auf der Grundlage von § 21a Abs. 6 EnWG erlassene Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV und die Bestimmung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors gemäß § 9 ARegV gilt, diese Vorschriften aber grundsätzlich weiterhin anwendbar sind (BGH, Beschl. v. 08.10.2019 – EnVR 58/18, juris Rn. 60 ff. – Normativer Regulierungsrahmen; Beschl. v. 26.01.2021 – EnVR 7/20, juris Rn. 14 – Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor; Beschl. v. 28.06.2022 – EnVR 10/20, juris Rn. 14). Dies hat er einerseits darauf gestützt, dass die Voraussetzungen für eine Nichtanwendung der in Rede stehenden Vorschriften nicht vorlägen, weil bei einer unmittelbaren Anwendung der Richtlinie anstelle der normativen Vorgaben aus dem Energiewirtschaftsrecht und den auf dessen Grundlage ergangenen Verordnungen der Regulierungsbehörde weitergehende oder jedenfalls anders geartete Kompetenzen zukämen, was sich im Einzelfall auch zu Lasten des Einzelnen auswirken könne. Eine solche Rechtsfolge aber komme nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs bei Richtlinien nicht in Frage (a.a.O. Rn. 70 ff. – Normativer Regulierungsrahmen; klarstellend Beschl. v. 31.03.2020 – EnVR 58/18, juris Rn. 7). Andererseits hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass die teilweise oder vollständige Nichtanwendung normativer Vorgaben in der Konstellation des Streitfalls ohnehin nicht geeignet sei, einen den Zielen der jeweils einschlägigen Richtlinie entsprechenden Zustand herbeizuführen (a.a.O. Rn. 76 ff. – Normativer Regulierungsrahmen). Würden die zur Überprüfung einer behördlichen Entscheidung berufenen Gerichte eine Entscheidung der Regulierungsbehörde allein deshalb als rechtswidrig einstufen, weil diese sich an Vorgaben des Verordnungsgebers orientiert habe, deren Erlass den Vorgaben der Richtlinie widerspreche, so hätte dies nicht nur eine Korrektur getroffener Regulierungsentscheidungen hinsichtlich einzelner Aspekte zur Folge. Die Regulierungsbehörden müssten vielmehr im Nachhinein über eine Vielzahl von entscheidungserheblichen Faktoren von Grund auf neu entscheiden. Die ursprünglich getroffene Entscheidung, die den Marktteilnehmern während einer bereits begonnenen oder schon abgelaufenen Regulierungsperiode als einzige Orientierungshilfe zur Verfügung gestanden hätte, würde die ihr zugedachte Funktion damit weitgehend verlieren. An ihre Stelle würde eine nachträgliche Regulierung treten, deren Ergebnisse bei Beginn der Regulierungsperiode nicht einmal ansatzweise abzusehen gewesen seien. Zudem könnte sie nicht nach einheitlichen Maßstäben erfolgen, da sie davon abhängig wäre, dass die getroffenen Regulierungsentscheidungen im Einzelfall noch angefochten werden könnten (BGH, a.a.O. Rn. 79 – Normativer Regulierungsrahmen).
59c) Diese Erwägungen sind ohne Weiteres auf den Streitfall übertragbar. Dies gilt insbesondere für die Überlegung, dass es bei einer Verpflichtung der Bundesnetzagentur zur (umfassenden) Neubescheidung in unmittelbarer Anwendung der Richtlinie zu einer die Planungssicherheit der Netzbetreiber beeinträchtigenden und möglicherweise nach uneinheitlichen Maßstäben erfolgenden nachträglichen Regulierung käme, da die vierte Regulierungsperiode bereits zum 01.01.2023 begonnen hat.
60d) Eine Vorlage der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit europäischen Rechts ist nicht angezeigt. Bei Zweifeln über die Auslegung von Unionsrecht besteht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV nur für letztinstanzliche Gerichte eine Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof, zu denen das Oberlandesgericht im energiewirtschaftsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht zählt (hierzu ausführlich Senat, Beschl. v. 11.01.2023 – VI-3 Kart 525/18 [V], juris Rn. 388 m.w.N.). Der Senat ist deshalb gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV nur dann dazu verpflichtet, dem Gerichtshof eine Frage über die Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts vorzulegen, wenn er die Entscheidung darüber zum Erlass seiner Entscheidung für erforderlich hält und wenn sich das ihm insoweit eingeräumte Ermessen auf Null reduziert (etwa Senat, a.a.O. Rn. 389; Beschl. v. 16.03.2022 – VI-3 Kart 53/19 [V], juris Rn. 333). Dies ist hier nicht der Fall. Mit dem Bundesgerichtshof geht der Senat mit Blick auf das sog. Belastungsverbot davon aus, dass die hierfür maßgeblichen Rechtsgrundsätze durch die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Normativer Regulierungsrahmen“ (a.a.O. Rn. 66) im Einzelnen in Bezug genommene, gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofs so hinreichend deutlich beantwortet sind, dass mit Blick auf den Streitfall keine klärungsbedürftigen Unsicherheiten verbleiben. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der „Delena Wells“-Entscheidung des Gerichtshofs (Urt. v. 07.01.2004 – C-201/02, juris), die in der energiewirtschaftsrechtlichen Literatur Anlass gegeben hat, die Einordnung einer direkten Abstützung eingriffsintensiver Verwaltungsentscheidungen auf eine Richtlinie durch den Gerichtshof als jedenfalls zweifelhaft anzusehen (Ludwigs, N&R 2021, Heft 6, Beilage, 1, 11 ff.). Der Senat hält diese Entscheidung des Gerichtshofs, nach der das Belastungsverbot in Fällen einer bloßen mittelbar-faktischen (Reflex-)Belastung eines Einzelnen nicht greift (EuGH, a.a.O. Rn. 58 f.), schon wegen der in der Kompetenzzuweisung durch die Richtlinie liegenden Eingriffsintensität der Verwaltungsentscheidungen, in denen die erhebliche Belastung Einzelner unmittelbar angelegt ist, erkennbar für nicht einschlägig. Damit ist die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum verbleibt (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19, juris Rn. 10, 20 m.w.N.). Unabhängig hiervon hat der Bundesgerichtshof auch weitere überzeugende Erwägungen angestellt, die einer unmittelbaren Anwendung der einschlägigen Richtlinie entgegenstehen.
613. § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV verstößt auch nicht gegen die Vorgaben des europäischen Rechts und des dieses umsetzenden Energiewirtschaftsgesetzes zur Höhe der Eigenkapitalverzinsung mit der Folge, dass die Vorschrift in der jetzigen Fassung nicht mehr angewendet werden dürfte. Der Zweck von § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG, eine angemessene, wettbewerbsfähige und risikoangepasste Verzinsung des eingesetzten Kapitals der Netzbetreiber zu gewährleisten, kann auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt entsprechend den Maßgaben in § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV, namentlich unter Verwendung des dort normativ vorgegebenen risikolosen Basiszinssatzes, erreicht werden (a.A. das im Konsultationsverfahren vorgelegte, im Auftrag der Norddeutschen Allianz von Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Prof. Dr. Jörg-Rafael Heim und Dr. Mirko Sauer erstellte Rechtsgutachten „Das Konzept der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung für Strom- und Gasnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsrecht und der Strom/GasNEV“ vom 23.11.2020, Bl. 5725 ff. VV), wie aus den nachstehenden Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit folgt (siehe hierzu insbesondere die Ausführungen unter III. 7. a) bb) zur Bedeutung des anpassungsfähigen Wagniszuschlags).
62II. Die angefochtene Festlegung der Eigenkapitalzinssätze ist formell rechtmäßig.
631. Die Bundesnetzagentur hat durch die Art und Weise der Anhörung der Adressaten der Festlegung keinen Verstoß gegen die in § 67 Abs. 1 EnWG normierte Anhörungspflicht begangen.
64a) Gemäß § 67 Abs. 1 EnWG hat die Regulierungsbehörde den Beteiligten vor Erlass einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Bestimmung gewährleistet das – auch außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte (BVerfG, Beschl. v. 18.01.2000 – 1 BvR 321/96, juris Rn. 29 m.w.N.) – Recht jedes Einzelnen, vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können. Diesem Recht kommt besondere Bedeutung zu, wenn der Regulierungsbehörde wie im Streitfall weite Beurteilungsspielräume eröffnet sind (Burmeister in: Bourwieg/Hellermann/Hermes, EnWG, 4. Aufl. 2023, § 67 Rn. 3). Der betroffene Netzbetreiber muss danach schon vor einer Entscheidung über die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze erkennen können, von welchen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen die Regulierungsbehörde ausgeht (vgl. BGH, Beschl. v. 21.01.2014 – EnVR 12/12, juris Rn. 107 – Stadtwerke Konstanz GmbH; Senat, Beschl. v. 09.11.2018 – VI-3 Kart 850/18 [V], juris Rn. 58). Die Behörde darf zusammenfassend über den Streitstoff berichten, wenn die Zusammenfassung alle wesentlichen Informationen enthält (Wende in: BerlK-EnR, 4. Aufl. 2019, § 67 Rn. 6; Elspas/Heinichen in: Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, 2. Aufl. 2023, § 67 Rn. 3).
65b) Mit der zwischen dem 14.07.2021 und 25.08.2021 durchgeführten Konsultation ist die Bundesnetzagentur diesen Anforderungen gerecht geworden, weil die betroffenen Netzbetreiber im Rahmen der Konsultation ausreichend Gelegenheit hatten, zu dem Entwurf der streitgegenständlichen Festlegung sowie dem Inhalt der von der Bundesnetzagentur eingeholten Gutachten von Frontier und Stehle/Betzer, die jeweils vollumfänglich veröffentlicht wurden, Stellung zu nehmen. Die in einzelnen gegen die Festlegung geführten Musterbeschwerdeverfahren erhobenen Einwände gegen eine ordnungsgemäße Anhörung bleiben ohne Erfolg.
66aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf den Umstand, dass sowohl das Yearbook 2021, in dem Teile der der DMS-Studie zugrundeliegenden Datenreihen veröffentlicht sind, als auch weitere, über die Database des kommerziellen Datenanbieters Morningstar abrufbare und in der DMS-Studie herangezogene Datenreihen nur kostenpflichtig, andere herangezogene Daten – namentlich Teile der den bei der Indexermittlung verwendeten Gewichtungsfaktoren zugrundeliegenden Daten – gar nicht erhältlich sind. Lediglich eine jährliche „Summary Edition“ ist kostenfrei verfügbar.
67(1) Dass die Bundesnetzagentur nicht die vollständige DMS-Studie sowie die dieser zugrundeliegenden Daten, soweit sie käuflich erworben werden konnten, veröffentlicht hat, begründet keinen Verstoß gegen die Anhörungspflicht.
68Zwar greift das Argument der Bundesnetzagentur nicht durch, wonach ihr eine Veröffentlichung der DMS-Studie aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, weshalb ihr nicht vorgeworfen werden könne, dass sie die von ihr genutzte Studie nebst separat käuflicher Daten nicht veröffentlicht habe. Das mit dem Stellungnahmerecht der Betroffenen einhergehende Informationsrecht fällt in die Risikosphäre der Behörde, die eine Bringschuld in Bezug auf tatsächlich notwendige Informationen trifft.
69Maßgeblich für das Erfordernis, den Adressaten einer Festlegung bestimmte Informationen im Rahmen des behördlichen Anhörungsprozesses zur Verfügung zu stellen, ist allerdings, dass sich aus eben diesen Informationen die Entscheidungsfindung auf Seiten der Regulierungsbehörde nachvollziehen lässt (vgl. Wende in: BerlK-EnR, 4. Aufl. 2019, § 67 Rn. 7). Von einer Nachvollziehbarkeit des Entscheidungsfindungsprozesses auch ohne Zurverfügungstellung dieser Informationen ist indes auszugehen.
70Zunächst erlauben bereits die Erläuterungen der Bundesnetzagentur bzw. ihrer Gutachter, die wesentlichen Erwägungen, die der Auswahlentscheidung zugunsten der Ermittlung der Marktrisikoprämie anhand der historischen DMS-Datenreihen zugrunde liegen, zu überprüfen. Insbesondere im Frontier-Gutachten (dort S. 31 f.) wird im Einzelnen dargelegt, welche Daten sowohl in zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Hinsicht in den herangezogenen Datenreihen enthalten und in welcher Weise diese durch DMS ermittelt worden sind, etwa durch eine Beschreibung der verwendeten Gewichtungsfaktoren. Insbesondere wird dargestellt, welche Charakteristika (Laufzeit und Bonität) die in den Indexzeitreihen für langfristige Anleihen enthaltenen Wertpapiere aufweisen, die die Bundesnetzagentur als risikolosen Basiszinssatz für die Ermittlung der Marktrisikoprämie herangezogen hat. Gerade diese Charakteristika waren maßgeblich für die Entscheidung der Bundesnetzagentur, diese Daten heranzuziehen, nicht hingegen die inhaltliche Richtigkeit von Einzeldaten, die die Bundesnetzagentur bzw. ihre Gutachter selbst erkennbar nicht überprüft, sondern als gegeben angenommen haben. Es ist daher auch ohne Kenntnis der einzelnen Zeitreihen möglich, sich mit der Entscheidungsfindung auseinanderzusetzen und diese nachzuvollziehen. Dazu war der käufliche Erwerb der Daten nicht erforderlich, so dass auch die Bundesnetzagentur nicht verpflichtet war, den Adressaten diese Daten zur Verfügung zu stellen.
71Hiervon abgesehen wäre eine Prüfung der Datenreihen anhand der Veröffentlichungen im Yearbook 2021 und – bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Daten – auch der über die Morningstar-Database erhältlichen Daten den am Verwaltungsverfahren Beteiligten mit zumutbarem Aufwand möglich gewesen. Der mit einem Datenerwerb verbundene finanzielle Aufwand ist angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit und des Umstands, dass eine koordinierte Vorgehensweise mehrerer Adressaten, etwa durch gemeinsame Rechtsvertreter oder durch die ihre Interessen vertretenden Verbände und die von diesen eingeholten Privatgutachten, möglich war und auch erfolgt ist, nicht geeignet, der Ausübung des Anhörungsrechts entgegenzustehen. Zudem lässt das detaillierte Vorbringen der Beschwerdeführerinnen in denjenigen Musterbeschwerdeverfahren, in denen ein Anhörungsmangel gerügt worden ist, erkennen, dass diese über die käuflich erwerbbaren Datensätze verfügt haben. Die fehlende Kenntnis der kostenpflichtig erwerbbaren Einzeldaten hätten sich daher ohnehin nicht kausal auf die Ausübung des ihnen eingeräumten Stellungnahmerechts auswirken können.
72(2) Eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Information und damit Anhörung der Netzbetreiber ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil selbst in Kenntnis der (kostenpflichtig) veröffentlichten DMS-Datengrundlage die hieraus ermittelte Marktrisikoprämie und damit die festgelegten Eigenkapitalzinssätze nicht im Detail hätten nachvollzogen werden können. Der diesbezügliche Einwand knüpft daran an, dass einzelnen Datensätze, wie etwa die verwendeten Gewichtungsfaktoren, auch über die kostenpflichtige Morningstar-Database nicht vollständig abrufbar sind.
73Maßstab für eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Anhörung ist indes schon im Ausgangspunkt nicht die Replizierbarkeit aller zugrundeliegenden Daten, sondern die Nachvollziehbarkeit der streitgegenständlichen Entscheidungsfindung der Regulierungsbehörde. Daten, die der Regulierungsbehörde selbst nicht vorliegen, weil sie nicht aus allgemein zugänglichen Quellen erhältlich und auch nicht oder jedenfalls nur mit unverhältnismäßigem Aufwand replizierbar sind, können schon nicht Gegenstand der regulierungsbehördlichen Entscheidung sein, zu der rechtliches Gehör zu gewähren ist, so dass ein Anhörungsmangel nicht in Betracht kommt. Ob die eingeschränkte Verfügbarkeit bzw. Nachvollziehbarkeit einzelner Bestandteile der DMS-Datenreihen der Heranziehung dieser Datenreihen entgegensteht, ist hingegen eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung (vgl. hierzu nachfolgend unter III. 4. b) bb)). Insoweit unterscheidet sich der Streitfall maßgeblich von der Konstellation, die der Ermittlung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors durch die Bundesnetzagentur zugrunde lag, und für die der Senat darauf hingewiesen hat, dass es, um zu der von der Bundesnetzagentur durchgeführten Berechnung des Produktivitätsfaktors sachgerecht Stellung nehmen und diese bewerten zu können, einer möglichst umfassende Kenntnis der zur Berechnung verwendeten – von der Bundesnetzagentur selbst erhobenen und ihr damit vollständig vorliegenden – Datengrundlage und der Berechnungstools bedürfe (Senat, Beschl. v. 09.11.2018 – VI-3 Kart 850/18 [V], juris Rn. 61).
74bb) Die Bundesnetzagentur hat auch nicht deshalb die Verfahrensrechte der Netzbetreiber verletzt, weil sie deren Vorbringen im Konsultationsverfahren angesichts des Zeitraums von 33 Werktagen zwischen Abschluss des Konsultationsverfahrens und Erlass der streitgegenständlichen Festlegung nicht angemessen hätte würdigen können.
75(1) Machen die Beteiligten von ihrem Stellungnahmerecht Gebrauch, muss die Regulierungsbehörde das Vorbringen in der Sache zur Kenntnis nehmen und ernsthaft und nicht nur formal erwägen, ob und inwieweit der Vortrag von Bedeutung für die Entscheidung ist (Wende in: BerlK-EnR, 4. Aufl. 2019, § 67 Rn. 10 m.w.N.; Elspas/Heinichen in: Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, 2. Aufl. 2023, § 67 Rn. 5; Kallerhoff/Mayen in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auflage 2023, § 28 Rn. 38 m.w.N.; Huck in: Huck/Müller, VwVfG, 3. Aufl. 2020, § 28 Rn. 16). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Behörde den ihr unterbreiteten Vortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, auch wenn sie im Ergebnis dem tatsächlichen Vorbringen nicht gefolgt ist. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist deshalb grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn sich aus besonderen Umständen und der Begründung des Verwaltungsakts deutlich ergibt, dass die Behörde dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, was jedenfalls dann der Fall sein kann, wenn sie den wesentlichen Kern neuen Tatsachenvorbringens insgesamt außer Betracht lässt (zu Art. 103 Abs. 1 GG BVerfG, Beschl. v. 06.08.2002 – 2 BvR 2357/00, juris Rn. 29; Beschl. v. 19.05.1992 – 1 BvR 986/91, juris Rn. 39; Beschl. v. 08.10.1985 – 1 BvR 33/83, juris Rn. 16; Kallerhoff/Mayen in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
76(2) Hierfür liegen indes keine Anhaltspunkte vor. Dass die Bundesnetzagentur den Inhalt sämtlicher im Konsultationsverfahren eingegangener Stellungnahmen nicht hätte zur Kenntnis nehmen und für ihre Entscheidung vollumfänglich berücksichtigen können, ergibt sich nicht bereits aus deren Umfang. Zwar ist dieser mit über 430 eingegangenen Stellungnahmen, die über 6.000 Seiten des Verwaltungsvorgangs umfassen, erheblich. Allerdings entsprechen sich die Mehrzahl der ausführlichen Stellungnahmen kommunaler Netzbetreiber inhaltlich. Weitere Stellungnahmen nehmen inhaltlich im Wesentlichen die Ausführungen von Verbänden in Bezug, insbesondere die des BDEW sowie die von diesem vorgelegten Gutachten. Es ist von daher ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die Bundesnetzagentur – wie von ihr in der Beschwerdeerwiderung geltend gemacht – dazu in der Lage war, innerhalb der 33 Werktage zwischen dem Ende der Konsultation am 25.08.2021 und dem Erlass der Festlegung am 12.10.2021 sämtliche Stellungnahmen zu sichten, die enthaltenen Argumente zu sammeln, thematisch zu gliedern und umfassend zu würdigen, zumal bei ihr mehrere Personen mit der Auswertung und Würdigung der Stellungnahmen befasst waren.
77Es finden sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bundesnetzagentur Konsultationsvorbringen nicht zur Kenntnis genommen und deshalb unbeachtet gelassen hätte. Sie hat sich in der angefochtenen Festlegung umfangreich mit den im Konsultationsvorbringen erhobenen Einwänden befasst. Zudem hat sie wesentliche Kernpunkte dieser – sich wiederholenden – Einwände ihren Gutachtern vorgelegt und von diesen ergänzende Stellungnahmen erbeten, die erstellt und in der angefochtenen Festlegung aufgegriffen und gewürdigt worden sind. Insbesondere hat sie sich mit den im DMS-Gutachten erhobenen Einwänden gegen die konkrete Verwendung der DMS-Datenreihen zur Ermittlung der Marktrisikoprämie auseinandergesetzt, wie die Frontier-Erläuterungen zu DMS zeigen, in denen die Gutachter der Bundesnetzagentur auf sämtliche wesentlichen Kritikpunkte eingegangen sind. Dass den Einwänden von DMS nicht das „ihnen zukommende hohe Gewicht“ zugemessen worden bzw. insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Thema Länderrisiken so defizitär wäre, dass hierin keine ernstliche Auseinandersetzung liege, wie in einzelnen Musterbeschwerdeverfahren geltend gemacht wird, vermag der Senat nicht zu erkennen.
782. Des Weiteren ist die Festlegung der Bundesnetzagentur nicht deshalb formell rechtswidrig, weil – wie in einzelnen Musterbeschwerdeverfahren moniert – die Bundesnetzagentur dem Bundeskartellamt mit Schreiben vom 24.09.2021 lediglich eine Stellungnahmefrist bis zum 28.09.2021, d.h. von vier Tagen gesetzt hat.
79a) Trifft die Bundesnetzagentur Entscheidungen nach den Bestimmungen des Teils 3 des Energiewirtschaftsgesetzes – Regulierung des Netzbetriebs –, gibt sie dem Bundeskartellamt und der Landesregulierungsbehörde, in deren Bundesland der Sitz des betroffenen Netzbetreibers belegen ist, gemäß § 58 Abs. 1 Satz 2 EnWG rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme.
80Diese Verpflichtung schließt ein, dass die Bundesnetzagentur diejenigen für die Beurteilung erforderlichen Unterlagen – in der Regel also den Entscheidungsentwurf – zur Verfügung stellen muss, die eine Beurteilung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erlauben. Dies hat mit einem zeitlichen Vorlauf zu geschehen, der es dem Bundeskartellamt bzw. der Landesregulierungsbehörde erlaubt, die vorgelegten Unterlagen zu prüfen und eine begründete Stellungnahme zu verfassen (Gundel in: Bourwieg/Hellermann/Hermes, EnWG, 4. Aufl. 2023, § 58 Rn. 13), wobei es von den Umständen des Einzelfalls – insbesondere der Komplexität der Materie – abhängt, ob eine Übermittlung rechtzeitig ist (Wessling in: BeckOK EnWG, 6. Ed. Stand 01.03.2023, § 58 Rn. 24; Sander/Dix in: Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, 2. Aufl. 2023, § 58 Rn. 9).
81b) Es kann im Streitfall allerdings dahinstehen, ob es sich bei der dem Bundeskartellamt eingeräumten Frist zur Stellungnahme um eine „rechtzeitige“ Gelegenheit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 2 EnWG gehandelt hat, da ein Verstoß gegen diese Vorgabe nicht zur formellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Festlegung führt. Wie vom Senat bereits entschieden, ist ein Verwaltungsakt selbst dann nicht (formell) rechtswidrig, wenn die Bundesnetzagentur es unterlassen haben sollte, dem Bundeskartellamt vor Erlass der streitgegenständlichen Festlegung die Möglichkeit zu einer Stellungnahme einzuräumen (Beschl. v. 17.05.2017 – VI-3 Kart 164/15 [V], juris Rn. 47; ebenso Groebel in: BerlK-EnR, 4. Auflage 2019, § 58 EnWG Rn. 33; Gundel in: Bourwieg/Hellermann/Hermes, EnWG, 4. Aufl. 2023, § 58 Rn. 4; Theobald/Werk in: Theobald/Kühling, Energierecht, 119. EL März 2023, § 58 EnWG Rn. 32, a.A. wohl Wessling in: BeckOK EnWG, 6. Ed. Stand 01.03.2023, § 58 Rn. 24). Das Stellungnahmerecht stellt mangels Entscheidungsbefugnis des Bundeskartellamts in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht die Mitwirkung einer anderen Behörde an einem mehrstufigen Verwaltungsakt dar (Theobald/Werk in: Theobald/Kühling, Energierecht, a.a.O.; anders bei den in § 58 Abs. 1 Satz 1 EnWG enumerativ aufgelisteten Entscheidungen, die die Bundesnetzagentur nur im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt treffen darf und in denen die Zustimmung des Bundeskartellamts deshalb formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist, siehe Gundel in: Bourwieg/Hellermann/Hermes, a.a.O.). Das Stellungnahmerecht begründet keine Rechte Dritter, so dass eine Verletzung der Formvorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 2 EnWG die streitgegenständliche Festlegung nicht angreifbar macht (vgl. auch Groebel in: BerlK-EnR, a.a.O.). Hierauf hat der Gesetzgeber mit Blick auf die systematisch vergleichbaren Stellungnahmerechte des Bundeskartellamts nach § 121 Abs. 1 Satz 2 und 3 TKG a.F. (§ 191 Abs. 2 und 3 TKG n.F.) und der Landeskartellbehörde im Fusionskontrollverfahren nach § 40 Abs. 4 GWB in seiner Begründung zum Telekommunikationsgesetz a.F. auch bereits ausdrücklich hingewiesen (BT-Drs. 15/2316, S. 99).
823. Hinsichtlich der weiter in einzelnen Musterbeschwerdeverfahren gerügten Begründungsmängel wird auf die entsprechenden Ausführungen zum materiellen Recht verwiesen.
83III. Die angefochtene Festlegung ist jedoch materiell rechtswidrig, da die gemäß § 7 Abs. 5 GasNEV vorzunehmende Ermittlung eines angemessenen Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse rechtsfehlerhaft erfolgt ist. Zwar bleiben zahlreiche Einwände, die im Konsultations- bzw. den Musterbeschwerdeverfahren gegen die methodische Vorgehensweise der Bundesnetzagentur bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie erhoben worden sind, ohne Erfolg. Die Bundesnetzagentur hat es aber in rechtswidriger Weise unterlassen, die von ihr allein unter Heranziehung der historischen DMS-Datenreihen ermittelte Marktrisikoprämie weiter abzusichern, indem sie diese jedenfalls einer ergänzenden Plausibilisierung unterzogen hat. Dies wäre aber geboten gewesen, weil konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die eine Überprüfung des ermittelten Ergebnisses zwingend gebieten.
841. Für die Bemessung des Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse gibt § 7 Abs. 5 GasNEV eine Reihe von Umständen vor, die „insbesondere“ zu berücksichtigen sind, lässt jedoch offen, welche Umstände im Einzelnen in die Bewertung einzufließen haben und welches Gewicht ihnen dabei zuzumessen ist. Der Bundesgerichtshof geht deshalb in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Bundesnetzagentur nicht schon dann gehalten ist, eine bestimmte Methode oder Vorgehensweise zu wählen, wenn dies durch plausible wissenschaftliche Erwägungen nahegelegt wird. Zu ihren zentralen Aufgaben und Befugnissen gehört es vielmehr, zwischen verschiedenen in Betracht kommenden Ansätzen eine den Vorgaben und dem Zweck der einschlägigen Rechtsvorschriften entsprechende Auswahl zu treffen. Angesichts des in vielen Beziehungen abstrakten Charakters der in § 7 Abs. 5 GasNEV normierten Vorgaben, der Vielzahl und Komplexität der Gesichtspunkte, denen danach Rechnung zu tragen ist, und des Umstands, dass die vorgegebenen Ziele in vielen Beziehungen gegenläufig sein können, tritt bei dieser Auswahl eine Vielzahl von Fragen auf, die nicht exakt im Sinne von „richtig oder falsch“, sondern nur durch eine wertende Auswahlentscheidung beantwortet werden können. Dies hat zur Folge, dass es in der Regel nicht nur einen einzigen Zinssatz gibt, der den Vorgaben von § 7 Abs. 5 GasNEV entspricht (BGH, Beschl. v. 27.01.2015 – EnVR 39/13, juris Rn. 18 – Thyssengas GmbH m.w.N.; Beschl. v. 03.03.2020 – EnVR 26/18, juris Rn. 33 – Eigenkapitalzinssatz III). Die Auswahlentscheidung der Regulierungsbehörde kann deshalb von Rechts wegen nur dann beanstandet werden, wenn sich feststellen lässt, dass der gewählte methodische Ansatz von vornherein ungeeignet ist, die Funktion zu erfüllen, die ihm im Rahmen des zugrunde gelegten Modells zukommt, oder dass ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, wie insbesondere seiner Eignung für die Zwecke der Ermittlung der zu bestimmenden Endgröße, der Verfügbarkeit der benötigten Datengrundlage, des zu ihrer Feststellung erforderlichen Aufwands und der Präzision und Belastbarkeit der mit diesem methodischen Vorgehen erzielbaren Ergebnisse, dem von der Regulierungsbehörde gewählten Vorbringen so deutlich überlegen ist, dass die Auswahl einer anderen Methode nicht mehr als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar angesehen werden kann (BGH, a.a.O. Rn. 26 – Thyssengas GmbH; Beschl. v. 09.07.2019 – EnVR 41/18, juris Rn. 37 – Eigenkapitalzinssatz II; a.a.O. Rn. 33 – Eigenkapitalzinssatz III).
852. Nach diesen Maßstäben ist die methodische Auswahlentscheidung der Bundesnetzagentur, zur Ermittlung des Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse wie schon bei der Bestimmung der Eigenkapitalzinssätze für die ersten drei Regulierungsperioden das Capital Asset Pricing Model (CAPM) heranzuziehen, nicht zu beanstanden.
86Das CAPM berechnet den Eigenkapitalkostenansatz (re) aus einem risikolosen Basiszins (rf) und einer unternehmensspezifischen Risikoprämie, die das netzspezifische unternehmerische Wagnis abbildet. Die unternehmensspezifische Risikoprämie wird aus dem aus historischen Renditedaten gewonnenen Risikofaktor (ß, sog. Beta-Faktor) des Unternehmens, dessen Ermittlung von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet wird, und der Marktrisikoprämie errechnet. Die Marktrisikoprämie ist die marktdurchschnittliche von Investoren geforderte Überrendite von Aktienanlagen gegenüber der Rendite risikofreier Wertpapiere und wird aus der Differenz zwischen der zu erwartenden Rendite eines Marktportfolios (rm) und dem risikolosen Zins (rf) errechnet. Hieraus ergibt sich die nachstehende CAPM-Formel:
87re = rf + ß x (rm – rf)
88Damit erfüllt das CAPM konzeptionell grundsätzlich die Vorgaben des § 7 Abs. 5 GasNEV. Durch die aus den internationalen DMS-Datenreihen abgeleitete Marktrisikoprämie werden die Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten berücksichtigt, und durch den Beta-Faktor werden die Renditen börsennotierter Betreiber von Netzbetreibern auf ausländischen Märkten dargestellt, die mit den inländischen Netzbetreibern vergleichbar sind (vgl. Senat, Beschl. v. 24.04.2013 – VI-3 Kart 60/08 [V], juris Rn. 100). Dass die Bundesnetzagentur auf erneute Empfehlung ihrer Gutachter, die andere Kapitalmarktmodelle untersucht, aber für unterlegen gehalten haben (Frontier-Gutachten, S. 10 ff; Stehle/Betzer-Gutachten, S. 7 ff.), auf das CAPM als einem einfach strukturierten und unter Zuhilfenahme weniger Annahmen empirisch schätzbaren Modell (Festlegung, S. 11) zurückgegriffen hat, wird auch von der Beschwerdeführerin nicht moniert.
893. Die Beschwerdeführerin tritt auch der Ableitung der Marktrisikoprämie aus langfristigen historischen Datenreihen in methodischer Hinsicht nicht grundsätzlich entgegen. Weder ist dargetan noch sonst ersichtlich, dass es Alternativen zu dem gewählten historischen Ansatz gäbe, die – jedenfalls bei einer Einzelbetrachtung der jeweiligen Methode – zu empirisch belastbareren Ergebnissen führen könnten und deshalb greifbar überlegen wären. So hat der Senat bereits für die dritte Regulierungsperiode entschieden, dass der Total Market Return-Ansatz (TMR-Ansatz) und Ex-Ante-Modelle wie das Dividendendiskontierungsmodell (DDM), die anhand zukunftsbezogener Daten Aussagen über zukünftig erwartete Eigenkapitalrenditen von Investoren ableiten, keine überlegenen Ansätze darstellen (Senat, Beschl. v. 22.03.2018 – VI-3 Kart 148/16 [V], juris Rn. 75 ff.; vgl. auch BGH, a.a.O. Rn. 110 ff. – Eigenkapitalzinssatz II). Zudem haben sich die Gutachter der Bundesnetzagentur für die vierte Regulierungsperiode (erneut) mit alternativ in Betracht kommenden Ansätzen (TMR-Ansatz, DDM, Volatilitätsindex, angebotsseitiger Schätzung oder ökonometrischer Prognose der Marktrisikoprämie, Experten-/Investorenumfragen) auseinandergesetzt (Frontier-Gutachten, S. 32 ff.) und diese mit nachvollziehbaren Erwägungen verworfen. Wesentliche neue Sachargumente, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten, sind weder im Konsultations- noch in den Musterbeschwerdeverfahren vorgebracht worden.
904. Die Heranziehung der DMS-Datenreihen durch die Bundesnetzagentur ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
91Die Bundesnetzagentur hat diese – mit höchstrichterlicher Billigung – bereits in ihren bisherigen Festlegungen der Eigenkapitalzinssätze der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzbetreiber als Grundlage für die Ermittlung der Marktrisikoprämie herangezogen. Der in den gegen die Festlegungen der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode geführten Beschwerdeverfahren hinzugezogene gerichtliche Sachverständige hat in seinen Gutachten wiederholt Qualität und Umfang der DMS- Datenreihen – seinerzeit in der Fassung des „Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook 2016“ – hervorgehoben, weshalb der erkennende Senat diese als üblicherweise beachtete und diskutierte Quelle zur Ermittlung der Marktrisikoprämie geeignet angesehen hat (Senat, Beschl. v. 22.03.2018 – VI-3 Kart 148/16 [V], juris Rn. 85 f.). Ihre Heranziehung ist aus Rechtsgründen deshalb auch höchstrichterlich bislang nicht beanstandet worden (BGH, a.a.O. Rn. 118 – Eigenkapitalzinssatz II; a.a.O. Rn. 6 – Eigenkapitalzinssatz III).
92Die im Vorfeld der Festlegung, insbesondere im Oxera-Gutachten 2021a, bzw. in einigen der Musterbeschwerdeverfahren erhobenen Einwände gegen die Validität der DMS-Datenreihen in der Fassung des Yearbooks 2021, sei es mit Blick auf die Datenqualität oder auf die Ermittlungsmethodik, verfangen nicht und begründen auch kein Aufklärungsdefizit seitens der Bundesnetzagentur.
93a) Bei den DMS-Datenreihen handelt es sich um eine Langzeitdatenbank, die Zeitreihen mit jährlicher Frequenz von 1900 bis 2020 für die Renditen von Aktien, langfristigen und kurzfristigen Staatsanleihen, für realisierte Risikoprämien, Inflation und Wechselkurse für zahlreiche Länder enthält. Zusätzlich enthält die Datenbasis fünf in Dollar angegebene zusammengesetzte Indizes für Aktien bzw. Anlagen, insbesondere einen Weltaktienindex und ein Weltanleihenportfolio. Die Datensammlung wird kontinuierlich erweitert und enthält in der verwendeten, aktuellen Fassung des Yearbooks 2021 die entsprechenden Daten für 32 Länder, davon 21 Länder ohne Unterbrechungen seit 1900, China und Russland mit Unterbrechungen seit 1900 und neun weitere Länder mit Anfangsdaten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert und typischerweise mehr als 50 Jahren Datenverfügbarkeit. Demgemäß enthält das Weltanleihenportfolio im Jahr 1900 23 Länder und wird mit zunehmender Datenverfügbarkeit auf 32 Länder erweitert. Das Weltaktienportfolio, das im Jahr 1900 ebenfalls 23 Länder enthält, wird mit zunehmender Datenverfügbarkeit – erstmalig im Yearbook 2021 – sogar auf bis zu 90 Länder erweitert (vgl. i.E. etwa Frontier-Gutachten, S. 31 f.; DMS-Gutachten, S. 3 f.).
94Der DMS-Weltaktienindex wird nach der Marktkapitalisierung der einzelnen Länder gewichtet, seit dem Jahr 2000 nach der „Free-Float“-Marktkapitalisierung, d.h. bezogen auf im Streubesitz befindliche Aktien. Die Gewichtung des DMS-Weltanleihenportfolios erfolgt nach dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) des jeweiligen Landes.
95Die jahresbezogenen Datenreihen der einzelnen Länder sind teilweise im Yearbook 2021 und im Übrigen über die Database des Datenanbieters Morningstar, deren Abruf jeweils kostenpflichtig ist, erhältlich. Im Yearbook 2021 und in der Morningstar-Database finden sich auch Angaben zu den bei der Indexbildung verwendeten Gewichtungsfaktoren, und zwar die aufgeschlüsselte Angabe der im Anfangs- und Endjahr verwendeten Gewichtungsfaktoren und eine Beschreibung der Quellen für die in den übrigen Jahren verwendeten Gewichtungsfaktoren, nicht aber sämtliche Zeitreihen für die Gewichtungsfaktoren.
96b) Die Qualität der in den DMS-Datenreihen erfassten Daten und Gewichtungsfaktoren unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken.
97aa) Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die genannten DMS-Datenreihen ganz oder teilweise tatsächlich unzureichend oder unzuverlässig wären. Es hätte der Beschwerdeführerin oblegen, die von der Bundesnetzagentur insoweit angenommene Validität der herangezogenen Daten zu erschüttern, etwa durch den wenigstens stichprobenartigen Aufweis, dass Daten in relevantem Umfang fehlen oder grundlegende Fehler oder erhebliche Verzerrungen in der Datengrundlage vorliegen (BGH, a.a.O. Rn. 68 – Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Dies ist im Streitfall nicht geschehen.
98bb) Insbesondere steht die nur eingeschränkte Verfügbarkeit bzw. Nachvollziehbarkeit einzelner Bestandteile der DMS-Datenreihen der Annahme ihrer Validität nicht entgegen.
99Zwar sind die Gewichtungsfaktoren von DMS nur beschrieben, ohne dass die entsprechenden Datensätze im Yearbook 2021 oder über die Morningstar-Database abrufbar wären. Es kann dahinstehen, ob – wie die Gutachter der Bundesnetzagentur ausführen – jedenfalls bei Hinzunahme weiterer, konkret benannter Publikationen der Autoren der Studie aus den Jahren 2002 und 2007 mit weiterführenden Quellenangaben eine Replikation der gesamten DMS-Datenbank theoretisch möglich ist (Frontier-Gutachten, S. 90). Unabhängig davon begründet aber allein die eingeschränkte Verfügbarkeit der Datenquellen noch nicht deren Ungeeignetheit. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gehört die Validität der Datengrundlagen zu den Umständen, die die Regulierungsbehörde unter Berücksichtigung des Stands der wissenschaftlichen Erkenntnis zu prüfen und zu bewerten und zu anderen Gesichtspunkten wie der Datenverfügbarkeit, dem erforderlichen Ermittlungsaufwand sowie gegebenenfalls rechtlichen Vorgaben etwa zur Fehlertoleranz in Beziehung zu setzen hat, weshalb sich die Verpflichtung des zur Rechtskontrolle der Entscheidung der Regulierungsbehörde berufenen Gerichts nicht auf eine vollständige Nachprüfung der Validität der Datengrundlagen einer gewählten Methode erstreckt (BGH, a.a.O. Rn. 19 – Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor). Hieraus folgt, dass der Bundesnetzagentur auch bei der Beurteilung, ob Transparenzdefizite unter Berücksichtigung weiterer Charakteristika der Datenquelle der Annahme ihrer Validität entgegenstehen, ein Beurteilungsspielraum zukommt, den sie fehlerfrei ausgeübt hat.
100Die Gutachter der Bundesnetzagentur und ihnen folgend die Bundesnetzagentur haben angesichts des unter a) dargestellten Umfangs sowohl in der Tiefe als auch in der Breite der erhobenen Länderdaten, der verbreiteten Nutzung und des Renommees der DMS-Datenreihen, die von der Beschwerdeführerin jeweils nicht in Zweifel gezogen worden sind, in vertretbarer Weise angenommen, dass es sich bei diesen bei Anlegung der Kriterien der Verfügbarkeit eines repräsentativen internationalen Samples ohne „survivorship bias“, Dauer der Historie, Datenqualität und Dokumentation sowie zumindest der auszugsweisen freien Verfügbarkeit der Datenquellen um die bestverfügbare Datenbank handelt (Frontier-Gutachten, S. 31). In ebenfalls vertretbarer Weise haben sie zugleich die aufgezeigten Transparenzdefizite, die im Übrigen bei aggregierten statistischen Daten nach der unwidersprochen gebliebenen Feststellung der Gutachter der Bundesnetzagentur üblich sind (Frontier-Gutachten, S. 90), hingenommen.
101Dass es eine andere Datenquelle gibt, die insbesondere im Hinblick auf den Umfang und die Qualität der verfügbaren Daten mit den DMS-Datenreihen vergleichbar ist, zusätzlich Gewichtungsfaktoren anbietet und deshalb greifbar überlegen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben sich mit anderen Datenquellen auseinandergesetzt und im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, warum sie diese – überwiegend wegen des (zeitlichen) Umfangs der Datensammlung – gegenüber den DMS-Datenreihen für nicht vorzugswürdig halten (Frontier-Gutachten, S. 33). Die Datenreihen von Jordà, Schularick und Taylor (im Folgenden: JST-Datenbank) hat die Bundesnetzagentur in der Festlegung (dort S. 21) der Bewertung ihrer Gutachter folgend deshalb nicht als deutlich überlegen angesehen, weil die langen Zeitreihen nur von weniger Ländern vorlägen, die Daten nur bis zum Jahr 2017 reichten (die Gutachter der Bundesnetzagentur nennen sogar nur das Jahr 2015, vgl. Frontier-Erläuterungen zu BDEW/Oxera, S. 2) und infolge des Fehlens bestimmter Länder das Risiko des „Survivorship Bias“ bestehe. Dies lässt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in einzelnen Musterbeschwerdeverfahren keine Beurteilungsfehler erkennen. Die Feststellung der Gutachter der Bundesnetzagentur in ihrem Ausgangsgutachten (Frontier-Gutachten, S. 90), dass kein alternativer Datenanbieter bekannt sei, der vergleichbare Daten wie DMS und zusätzliche Gewichtungsfaktoren anböte, beansprucht nach alledem auch mit Blick auf die JST-Datenbank Gültigkeit, da die Gutachter der Bundesnetzagentur in ihren Erläuterungen im Rahmen des Konsultationsverfahrens die Daten in vertretbarer Weise gerade als nicht vergleichbar qualifiziert haben. Die Feststellung ist mithin nicht, wie in einzelnen Musterbeschwerdeverfahren geltend gemacht, durch das Konsultationsvorbringen überholt, so dass die Bundesnetzagentur ihr in der angefochtenen Festlegung folgen durfte.
102cc) Es liegen auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verwendung der DMS-Datenreihen zu unplausiblen Ergebnissen führt und deshalb die Ermittlung der Datenreihen fehlerhaft erfolgt sein muss.
103(1) Dass die Weltmarktrisikoprämie nicht in der Mitte der Verteilung der länderspezifischen Marktrisikoprämien bzw. unter derjenigen von Ländern mit einem hohen Gewicht wie den USA, Großbritannien, Japan und Deutschland liegt, begründet keine erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der sich aus den DMS-Datenreihen ergebenden Ergebnisse.
104In den Oxera-Gutachten 2021a und 2021b und von einigen Beschwerdeführerinnen in den Musterbeschwerdeverfahren wird die dargestellte Abweichung, die sich aus einem Vergleich der länderspezifischen Aktienrenditen bzw. deren Verteilung mit den Renditen des von DMS ermittelten Weltaktienindex ergibt, für unplausibel gehalten. Die Gutachter der Bundesnetzagentur sind dem bereits in ihrem Ausgangsgutachten (Frontier-Gutachten, S. 91) mit den Argumenten entgegengetreten, dass einerseits das Weltaktienportfolio auch Länder mit einem zwischenzeitlichen Totalausfall für Investoren enthalte, die einen negativen Einfluss auf die Weltmarktrisikoprämie hätten, die aber im Querschnittsvergleich der Einzelländer nicht enthalten seien, andererseits sich die Gewichtungsfaktoren der Länder des Weltmarktportfolios im Zeitablauf veränderten und eine im Vergleich zum Länderdurchschnitt niedrigere Weltmarktrisikoprämie zum Beispiel konsistent damit sei, dass langfristig auf hohe Marktkapitalisierungen tendenziell etwas niedrigere Renditen folgten. Beide – kumulativ wirkenden – Gründe, die eine Anordnung der Weltmarktrisikoprämie unterhalb der Mitte der Verteilung der länderspezifischen Länderrisikoprämien erwarten ließen, sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Zudem hat Oxera letztere Annahme dem Grunde nach auch empirisch bestätigt, indem im Oxera-Gutachten 2021b (dort S. 47 f.) anhand der mithilfe eines abgeleiteten Gewichtungsschemas für die USA angestellten Berechnungen zum Zusammenhang zwischen implizitem Gewichtungsschema und Aktienrenditen bzw. relativer Marktkapitalisierung und Renditen die Diskrepanz zwischen der von DMS bestimmten Weltmarktrendite und den Renditen relevanter Länder teilweise („zu einem kleinen Teil“) als erklärt angesehen wird. Hinzu kommt, dass die Diskrepanz jedenfalls bei einer Betrachtung des geometrischen Mittels der Marktrisikoprämien der 21 explizit ausgewiesenen Länder im Vergleich zur Weltmarktrisikoprämie bei nur 0,4 Prozentpunkten liegt (Frontier-Gutachten, S. 91). Der Senat versteht den entsprechenden Hinweis im Frontier-Gutachten nicht dahingehend, dass es für die Gutachter der Bundesnetzagentur im Widerspruch zu ihrem sonstigen Ansatz nunmehr allein auf den geometrischen Mittelwert ankäme, sondern dieser lediglich eine untere Grenze der zu ermittelnden Marktrisikoprämie markiert, deren Unterschreitung von ihnen als gering angesehen wird.
105Vor diesem Hintergrund fehlt es an hinreichend belastbaren Anhaltspunkten dafür, dass die Anordnung der Weltmarktrisikoprämie im Vergleich zu den Marktrisikoprämien einzelner Länder unplausibel ist. Die Bundesnetzagentur bewegt sich im Rahmen des ihr zukommenden Beurteilungsspielraums, wenn sie angesichts der grundsätzlich, auch durch gerichtliche Gutachter bereits mehrfach bestätigten Qualität der Datensammlung auf der einen und des auf der anderen Seite sehr erheblichen Aufwands, der mit einer Ermittlung und Auswertung der hierfür relevanten Daten aus einer Vielzahl von Quellen – soweit diese verfügbar bzw. ableitbar wären – verbunden wäre, davon absieht, die beanstandete Diskrepanz jedenfalls im Ansatz empirisch zu bestätigen.
106(2) Konkrete Anhaltspunkte für eine Überschätzung des Marktanteils der USA, der für die Gewichtung der Aktienrendite verwendet worden ist, die die Bundesnetzagentur jedenfalls zu einer weiteren Sachaufklärung hinsichtlich der verwendeten Gewichtungsfaktoren verpflichtet hätten, liegen nicht vor.
107In den Oxera-Gutachten (Oxera-Gutachten 2021a, S. 24 f., Oxera-Gutachten 2021b, S. 48 ff.) und dem folgend in einigen Musterbeschwerdeverfahren wird beanstandet, dass das Gewichtungsschema für die USA bei einem Abgleich mit anderen Datenquellen unplausibel sei.
108Der Einwand, dass für das Jahr 2019/2000 DMS für die USA einen Marktanteil von 55 % unterstellten, während die Weltbank im Jahr 2018 lediglich von einem Marktanteil der USA von ca. 44 % ausgehe, trägt nicht die Annahme, der von DMS angesetzte Wert sei unplausibel. Denn die Gutachter der Bundesnetzagentur haben zum einen auf ein Fact Sheet für den MSCI ACWI Index verwiesen, wonach die USA im April 2021 ein Gewicht von 58,41 % (bei 50 im Index enthaltenen Ländern) aufwiesen. Zum anderen haben sie ausgeführt, dass die Weltbank keinen Hinweis auf eine „Free-Float“-Adjustierung, wie bei DMS geschehen, gebe und zudem auf die beschränkte internationale Vergleichbarkeit ihrer Daten zur Marktkapitalisierung hinweise (Frontier-Gutachten, S. 90 f.), ohne dass hiergegen noch etwas Konkretes erinnert worden wäre.
109c) Die Bundesnetzagentur hat auch beurteilungsfehlerfrei angenommen, dass die erstmalige Einbeziehung weiterer 67 Länder, darunter einer Vielzahl von Schwellen- und Entwicklungsländern, in die DMS-Datenreihen des Jahres 2021 deren Eignung als Datengrundlage zur Ermittlung der Marktrisikoprämie nicht entgegensteht.
110Es begegnet zunächst keinen Bedenken, dass die Bundesnetzagentur ihren Gutachtern folgend ausgehend von der Annahme einer hinreichenden Integration der internationalen Kapitalmärkte auf eine weltweite Betrachtung zur Marktrisikoprämie abstellt (Festlegung, S. 14; hierzu auch nachstehend unter 5. b)). Die Gutachter der Bundesnetzagentur weisen zudem nachvollziehbar darauf hin, dass in der Logik des CAPM der Wert der Marktrisikoprämie dem Risikozuschlag entspricht, den ein Investor zusätzlich zu einer risikolosen Verzinsung erwartet, wenn er in ein vollständig diversifiziertes Portfolio investiert. Bei der Erwartung des in die Zukunft gerichteten Risikozuschlags wird im CAPM als Maßstab der Idealtypus eines „theoretischen rationalen Investors“ herangezogen, der die Möglichkeiten der internationalen Finanzmärkte zur Diversifizierung seines Risikos umfänglich nutzt (Frontier-Gutachten, S. 58). Sie sehen deshalb ein „vollständiges, weltweites Portfolio“ als Idealtypus an (Frontier-Gutachten, S. 60). Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass Investitionsbedingungen zwischen Industrieländern einerseits und Schwellen- und Entwicklungsländern andererseits soweit divergieren, dass letztere vom Idealtypus des Investors bei der Diversifizierung seines Portfolios nicht in Betracht gezogen würden, sind nicht vorgetragen und angesichts der zunehmenden Globalisierung der Kapitalmärkte auch nicht ersichtlich. Sie folgen insbesondere nicht aus der von Prof. Schwetzler durchgeführten Umfrage zur Bedeutung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung für deutsche Strom- und Gasnetzbetreiber vom 12.06.2020 (abrufbar unter bdew.de › 2050_Investorenumfrage), da die Befragung von 204 Investoren wie Kommunen, industriellen Eigentümern sowie verschiedenen Fonds und anderen Finanzinvestoren gerade subjektive Einstellungen widerspiegelt und die Befragten insoweit nicht dem von der Bundesnetzagentur herangezogenen „Idealtypus“ des Investors entsprechen.
111Der Umstand, dass für einen Großteil der erstmalig in die Datenreihen aufgenommenen Länder Daten für weniger als die Hälfte des Betrachtungszeitraums zur Verfügung stehen, steht ihrer Einbeziehung ebenfalls nicht entgegen. Die Bundesnetzagentur hat in der angefochtenen Festlegung darauf hingewiesen, dass die mittels historischer Daten ermittelte Marktrisikoprämie kurzfristig eine hohe, durch historische Ereignisse bedingte Volatilität aufweise (Festlegung, S. 22). Hieraus hat sie zutreffend geschlussfolgert, dass die Heranziehung einer möglichst hohen Anzahl von Ländern über einen möglichst langen Zeitraum eine bestmögliche Schätzung der Marktrisikoprämie gewährleistet, weil sie sicherstellt, dass einerseits länderspezifische Ereignisse, wie sie in einer Weltmarktrisikoprämie Berücksichtigung finden sollten, einbezogen werden und andererseits kein länderspezifisches Ereignis die geschätzte Marktrisikoprämie anders beeinflusst als die zu schätzende, unbekannte Weltmarktrisikoprämie (Festlegung, a.a.O.). Wegen des sich durch die Vielzahl der betrachteten Länder einstellenden, die Belastbarkeit der Datenreihen insgesamt verbessernden Glättungseffekts kann der Nachteil in Kauf genommen werden, dass bei Einzelbetrachtung einzelner Länder ein Glättungseffekt hinsichtlich besonderer historischer Ereignisse bzw. Strukturbrüchen wegen der verhältnismäßigen Kürze des Betrachtungszeitraums nicht im selben Maße eintreten kann wie bei einem Betrachtungszeitraum über 120 Jahre.
112Nach alledem kommt es nicht darauf an, dass sich bei Betrachtung des Weltaktienportfolios Unterschiede zwischen den Industrieländern und den Schwellen- und Entwicklungsländern ergeben. Bei ersteren liegt über den gesamten Betrachtungszeitraum die durchschnittliche Rendite mit 8,4 % pro Jahr höher als bei letzteren mit durchschnittlich 6,8 % pro Jahr, weil die Renditevorsprünge der Schwellen- und Entwicklungsländer seit 1960 die schlechte Aktienperformance in dem Zeitraum zuvor nicht aufwiegen konnten (i.E. Yearbook 2021, S. 91).
113d) Die Einbeziehung der Daten von China und Russland begründet ebenfalls keine durchgreifenden Zweifel an der Eignung der DMS-Datenreihen.
114Die Auswirkungen der Einbeziehung dieser Länder auf die Eignung der DMS-Datenreihen zur Ermittlung der Marktrisikoprämie waren bereits Gegenstand der Entscheidungen zu den Festlegungen der Eigenkapitalzinssätze für die Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzbetreiber für die dritte Regulierungsperiode, da die Einbeziehung bereits in das diesen Festlegungen zugrundeliegende DMS-Yearbook erfolgt war. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits entschieden, dass die Einbeziehung von Daten aus China und Russland in die DMS-Datenreihen keinen Rechtsfehler erkennen lässt. Dass die Daten historische Brüche aufgrund von Weltkriegen und Revolutionen aufwiesen, bilde keinen hinreichenden Anhaltspunkt, der durchgreifende Zweifel an der Eignung dieser Daten begründe, weil die Heranziehung historischer Daten aus einem Zeitraum von mehr als hundert Jahren zwangsläufig dazu führe, dass sich besondere historische Ereignisse, die das Wirtschaftsleben geprägt hätten, in den Daten widerspiegelten (BGH, a.a.O. Rn. 62 ff. – Eigenkapitalzinssatz II). Der Bundesgerichtshof hat sich damit – aus rechtlichen Gründen – der Einschätzung des vom erkennenden Senat erstinstanzlich hinzugezogenen Sachverständigen, wonach die Daten von Strukturbrüchen freizuhalten seien, wie sie für Deutschland nicht zu erwarten seien (vgl. Senat, a.a.O. Rn. 121), gerade nicht angeschlossen. Seine Überlegungen beanspruchen auch mit Blick auf die vierte Regulierungsperiode Gültigkeit.
115Soweit der Bundesgerichtshof weiter ausgeführt hat, dass im Einzelfall gegen die Einbeziehung eines Landes sprechen möge, dass Daten nur für einen wesentlich geringeren Zeitraum zur Verfügung stehen als für die übrigen Länder (BGH, a.a.O. Rn. 65 – Eigenkapitalzinssatz II), so sind auch mit Blick auf die vierte Regulierungsperiode keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen worden, die einen Ausschluss der Daten unter diesem Gesichtspunkt gebieten könnten. Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass es in China und Russland über mehrere Jahrzehnte keinen funktionsfähigen Kapitalmarkt gab, d.h. Anleger einen Totalverlust des investierten Kapitals erlitten haben, der über die üblichen Kapitalmarktschwankungen hinausging, und Kapitalmarktdaten nur in zeitlich eingeschränktem Umfang (über einen Zeitraum von 70 bzw. 40 Jahren) vorliegen. Die Bundesnetzagentur hat insoweit – wie schon zuvor bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode – nachvollziehbar geltend gemacht, dass durch die Aufnahme (unter anderem) von China und Russland der „survivorship bias“ adressiert werde und diese Länder zudem jedenfalls zeitweise plausible Zielregionen für internationale Investoren dargestellt hätten, die damit Teil der Erwartungsbildung eines perfekt diversifizierten Investors seien (Festlegung, S. 14 f.). Auch der Bundesgerichtshof ist davon ausgegangen, dass der eingeschränkte Verfügbarkeitszeitraum von Daten nicht den Schluss rechtfertige, die Einbeziehung von China und Russland beeinflusse die Ermittlung der Marktrisikoprämie in methodisch fehlerhafter Weise (BGH, a.a.O. Rn. 18 – Eigenkapitalzinssatz III). Bei der streitgegenständlichen Festlegung kommt hinzu, dass die Datenbasis der verwendeten DMS-Datenreihen gegenüber der für die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die vorangegangene Regulierungsperiode verwendeten Datenbasis von 23 auf 90 Länder erweitert worden ist und deshalb die Gefahr einer verzerrenden Beeinflussung der weltweiten Marktrisikoprämie durch die Einbeziehung Chinas und Russlands zwangsläufig verringert wird.
116e) Es spricht zudem nicht gegen die Heranziehung der DMS-Datenreihen zur Weltmarktrisikoprämie, dass Wechselkursrisiken nicht gesondert Rechnung getragen wird, sondern diese lediglich durch die Berechnung einer geometrischen Differenz aus den Werten des Aktien- und des Anleihenportfolios adressiert werden.
117Zwar wird im Oxera-Gutachten 2021b (dort S. 38 f.) nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass Ausgangspunkt der von DMS berechneten Portfoliorenditen länderspezifische Aktien- und Anleihenindizes in einer lokalen Währung seien und diese dadurch bestimmt würden, dass die in lokaler Währung erzielten Renditen in US-Dollar umgerechnet werden. Währungskurse kürzten sich bei der Berechnung der Differenz wegen der linearen Portfoliogewichtung und der unterschiedlichen Gewichtungsschemata mathematisch nicht heraus, sondern könnten sich in unterschiedlichem Maße auswirken.
118Auch wenn Wechselkurseffekte deshalb nicht von vornherein vollständig eliminiert sind, ist die Vorgehensweise von DMS nicht zu beanstanden. Der erkennende Senat hat bereits zu den Festlegungen der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode entschieden, dass der Umstand, dass in den herangezogenen Daten von DMS die jeweiligen landesspezifischen Marktrisikoprämien anhand einer geometrischen Differenz (Quotientenbildung) aus der erwarteten Aktienrendite und einer sicheren Anlage errechnet worden sind, dazu diene, den Einfluss von Wechselkursen zu eliminieren. Da Aktienrenditen und Anleiherenditen in unterschiedlichen Währungsräumen gemessen würden und jeweils Wechselkurschwankungen unterlägen, hielten die gerichtlichen Sachverständigen die Vorgehensweise von DMS, die Differenz zwischen Aktienüberrendite und Anleiherendite mittels eines Quotienten zu ermitteln, in dessen Zähler und Nenner die Wechselkursschwankungen gleichermaßen abgebildet werden, für sinnvoll und vertretbar, auch wenn modelltechnisch die Wertpapierlinie im CAPM nur eine einfache Subtraktion vorsehe (Senat, a.a.O. Rn. 128). Dies gelte insbesondere deshalb, weil die beiden Rechenwege keine rechnerisch relevanten Unterschiede auslösten und der von der Wahl des Rechenwegs ausgehende Einfluss auf die letztlich festgelegte Marktrisikoprämie deutlich hinter die Bedeutung der bei der Ableitung der Marktrisikoprämie aus historischen Daten zu treffenden inhaltlichen Prämissen und Abwägungsentscheidungen zurücktrete (Senat, a.a.O. Rn. 129). Zudem gehen die Gutachter der Bundesnetzagentur nachvollziehbar davon aus, dass sich Währungseffekte überwiegend ausgleichen und nur eine ungeordnete Rolle spielen (Frontier-Gutachten, S. 93), wie aus den ausführlichen Erwägungen im „Wissenschaftlichen Gutachten zur Ermittlung der Zuschläge zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse für Strom- und Gasnetzbetreiber“ folgt, das Frontier Economics am 28.06.2016 für die Bundesnetzagentur anlässlich der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode vorgelegt hatte (dort S. 50 ff.; vgl. hierzu auch bereits Senat, Beschl. v. 24.04.2013, VI-3 Kart 60/08 [V], juris Rn. 172 zu den Festlegungen der Eigenkapitalzinssätze für die erste Regulierungsperiode unter Verweis auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen).
119Hiernach ist anzunehmen, dass die Vorgehensweise von DMS eine relevante Verzerrung der ermittelten Weltmarktrisikoprämie durch Wechselkursschwankungen ausschließt. Dass die im Oxera-Gutachten 2021a (dort S. 42 ff., siehe auch Oxera-Gutachten 2021b, S. 39 f.) zur Adressierung von Wechselkursschwankungen befürwortete Mittelung länderspezifischer Marktrisikoprämien, bei der im Prinzip von einem lokalen CAPM ausgehend die Marktrisikoprämie aus einem gewichteten Mittelwert verschiedener Länder approximiert wird, der gewählten Vorgehensweise deutlich überlegen wäre, ist deshalb nicht ersichtlich, zumal die Bundesnetzagentur die Anwendung des globalen anstelle eines internationalen oder lokalen CAPM-Modells belastbar begründet hat, wie noch aufzuzeigen ist (vgl. nachstehend unter 5. b) aa)).
120f) Es steht der Eignung der DMS-Datenreihen zur Ermittlung einer Marktrisikoprämie zudem nicht entgegen, dass sich die DMS-Werte zur Marktkapitalisierung seit dem Jahr 2000 ausschließlich auf den im Streubesitz befindlichen Anteil von Aktien (free float) beziehen.
121Soweit hiergegen im Konsultationsverfahren bzw. in einzelnen Musterbeschwerdeverfahren eingewandt worden ist, dass die deutschen Netzbetreiber größtenteils von Großinvestoren gehalten würden und die Fokussierung auf den Streubesitz dem Investorenverhalten widerspräche, weil deren Zugriff auf im Festbesitz befindliche Aktienpakete ausgeblendet würde, hat die Bundesnetzagentur bereits in der angefochtenen Festlegung darauf verwiesen, dass sie methodisch gerade nicht eine bestimmte von den Marktteilnehmern angeführte Anlage- oder Rechtsform berücksichtige, sondern eine objektivierte Betrachtungsweise (Festlegung, S. 40). Dieser Ansatz innerhalb des CAPM ist – wie vorstehend unter 4. c) bereits ausgeführt – nicht zu beanstanden.
122Dass sich die Daten zur Marktkapitalisierung erst seit dem Jahr 2000 nur auf den Streubesitz und für den davor zurückliegenden Zeitraum auch auf die im Festbesitz befindlichen Aktien beziehen, ist deshalb gerechtfertigt, weil die Verwendung der jeweils bestmöglichen verfügbaren Daten die Qualität der Daten insgesamt verbessert und deshalb auch Änderungen der Methodik für jüngere Daten zur Verbesserung der Datenqualität beitragen können. Es ist nicht aufgezeigt, dass die Änderung der Methodik zu einem Strukturbruch geführt hätte, der die sich ergebenden Ergebnisse, auf deren Grundlage die Marktrisikoprämie geschätzt wird, verzerren könnte.
123g) Soweit schließlich gegen die Vorgehensweise von DMS in einzelnen Musterbeschwerdeverfahren eingewandt worden ist, dass die für Weltaktienindex und Anleihenindizes verwendeten Gewichtungsschemata, die einmal nach Marktkapitalisierungen und einmal nach dem BIP des jeweiligen Landes erfolgen, inkonsistent seien, ist hiergegen in methodischer Hinsicht nichts zu erinnern. Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben darauf verwiesen, dass ein Grund für die Gewichtung der Anleihen nach dem BIP die mangelnde Datenverfügbarkeit der Marktkapitalisierungen von Anleihen sei, und gleichzeitig auf die zunehmend präzisere Gewichtung des Weltaktienindex durch Ersetzung bisher verwendeter Annäherungen durch originäre Werte verwiesen (Frontier-Gutachten, S. 60). Die gewählten Gewichtsschemata nutzen mithin die besten verfügbaren Datenquellen und tragen damit zur Verbesserung der Qualität der DMS-Datenreihen bei, so dass ihre Inkonsistenz in Kauf genommen werden kann.
1245. Des Weiteren ist das methodische Vorgehen der Bundesnetzagentur zur Ermittlung der Marktrisikoprämie in seiner konkreten Ausgestaltung auch im Hinblick auf die Besonderheiten der herangezogenen Datensätze grundsätzlich geeignet, um einen den Anforderungen des § 7 Abs. 5 GasNEV genügenden Wagniszuschlag zu ermitteln.
125a) Die Bundesnetzagentur hat – im Wesentlichen dem Vorschlag ihrer Gutachter folgend – auf eine weltweite Betrachtung der Bestimmung der Marktrisikoprämie abgestellt (Festlegung, S. 14). Als Vorteil der von ihr durchgeführten weltweiten Analysen anhand eines „Welt-Portfolios“ gegenüber der Möglichkeit der Nutzung länderspezifischer Zeitreihen hat sie angeführt, dass dadurch temporäre (historische) nationale Sondereinflüsse weniger stark betont würden und sich damit die Robustheit der Schätzung verbessere. Gegen die alleinige Verwendung einer deutschen Marktrisikoprämie spreche die erhebliche Verzerrung der deutschen Datenreihen durch historische Ereignisse, weshalb auch eine gleichgewichtete Kombination von nationaler und weltweiter Marktrisikoprämie nicht geboten sei (Festlegung, S. 15).
126Die auf den DMS-Datenreihen basierende Analyse einer weltweiten Marktrisikoprämie hat die Bundesnetzagentur relativ zum DMS World Bond Index (einem Weltanleihenportfolio aus mittel- bzw. langfristigen Staatsanleihen, im Folgenden auch nur als Bonds bezeichnet) vorgenommen (Festlegung, S. 17). Sie hat zugestanden, dass zwar gewisse Ausfallrisiken in der DMS-Datenbank vorhanden seien, der Effekt werde jedoch aufgrund der Ex-Post-Betrachtung des Datensatzes wieder kompensiert. Zudem zeige sich empirisch keine Verzerrung der Marktrisikoprämie. Die Ermittlung der Marktrisikoprämie basierend auf kurzfristigen Verbindlichkeiten (Bills) sei aus den von ihren Gutachtern angestellten Erwägungen nicht vorzugswürdig. Unabhängig hiervon habe sie die gegen die Verwendung von Bonds vorgebrachten Argumente in Teilen für eine Anpassung der Eigenkapitalverzinsung herangezogen (Festlegung, S. 23).
127Zur Ermittlung der Marktrisikoprämie über Bonds hat die Bundesnetzagentur bei Anwendung des arithmetischen und des geometrischen Mittelwerts eine Bandbreite von 4,30 % bis 3,10 % ermittelt, wobei das arithmetische Mittel als Obergrenze und das geometrische Mittel als Untergrenze aufgefasst werden könne. Da es sich bei den beiden Mittelwerten um Darstellungen von Extremverhalten der Investoren handele, sei die Heranziehung des Mittels aus beiden Mittelwerten sachgerecht, zumal sich bei einer Gesamtbetrachtung der wissenschaftlichen Diskussion keine überwiegenden Gründe für die eine oder andere Mittelwertbildung fänden (Festlegung, S. 17 ff.)
128b) Die Bundesnetzagentur hat bei der Bestimmung der Marktrisikoprämie fehlerfrei auf eine weltweite Betrachtung abgestellt und davon abgesehen, eine Anpassung der DMS-Weltmarktrisikoprämie zwecks Berücksichtigung der Besonderheiten des deutschen Kapitalmarkts vorzunehmen.
129aa) Dass die Heranziehung eines weltweiten Referenzmarktes zur Ermittlung des Marktrisikos nicht zu beanstanden ist, ist höchstrichterlich entschieden. Der Bundesgerichtshof hat bereits zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die erste Regulierungsperiode entschieden, dass eine Betrachtung des deutschen Kapitalmarkts bzw. der Kapitalmärkte der Eurozone den Anforderungen des § 7 Abs. 5 Nr. 1 GasNEV nicht besser entspreche als die von der Bundesnetzagentur gewählte weltweite Betrachtung (BGH, a.a.O. Rn. 29 ff. – Thyssengas GmbH). Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben – auch für die vierte Regulierungsperiode – ausführlich die unterschiedlichen, sich aus den DMS-Datenreihen ergebenden Marktrisikoprämien, die eine internationale Sichtweise einnehmen, diskutiert und sich in nachvollziehbarer Weise für die Weltmarktrisikoprämie zur Abbildung einer internationalen Investorensicht als sachgerechter Referenz entschieden (Frontier-Gutachten, S. 58 f.), ohne dass hiergegen etwas Substantielles erinnert worden wäre. Insbesondere ist die Heranziehung eines lokalen CAPM-Modells nicht mit Blick auf die Eliminierung von Wechselkursrisiken greifbar überlegen (vgl. hierzu bereits vorstehend unter 3. e)).
130bb) Die Frage, ob Deutschland bei Heranziehung einer Weltmarktrisikoprämie unterrepräsentiert ist, hat der erkennende Senat auf Grundlage der Ausführungen des von ihm seinerzeit hinzugezogenen Sachverständigen bereits in seinen Entscheidungen zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode dahingehend beantwortet, dass die Marktrisikoprämie in den entwickelten Ökonomien unabhängig vom Währungsraum recht gut vergleichbar sei und sich deutsche Netze zudem an internationalen Renditeerwartungen messen lassen müssten. Dies spreche dafür, dass es sachgerecht sei, eine Gewichtung nach Marktkapitalisierung vorzunehmen und Deutschland – auch bei Heranziehung der DMS-Weltmarktrisikoprämie bei künftigen Festlegungen – nicht über die anteilsmäßige Bedeutung im Weltportfolio hinaus zu berücksichtigen (Senat, a.a.O. Rn. 124 ff.). Diese Einschätzung hat der Bundesgerichtshof in der Folge gebilligt (BGH, a.a.O. Rn. 119 ff. – Eigenkapitalzinssatz II; a.a.O. Rn. 19 ff. – Eigenkapitalzinssatz III) und gleichzeitig darauf verwiesen, dass sich aus der Bezugnahme auf nationale und internationale Märkte in § 7 Abs. 5 Nr. 1 GasNEV ergebe, dass die Verhältnisse in Deutschland und die Verhältnisse im Ausland grundsätzlich gleichermaßen heranzuziehen seien, wobei hinsichtlich der Art und Weise, wie dies geschehe, der Bundesnetzagentur ein Spielraum zustehe (BGH, a.a.O. Rn. 120 – Eigenkapitalzinssatz II; a.a.O. Rn. 24 – Eigenkapitalzinssatz III).
131Neue, bislang nicht berücksichtigte Gesichtspunkte, die eine hiervon abweichende Anpassung der DMS-Weltmarktrisikoprämie erforderlich machen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit die Autoren der verwendeten Datenreihen im DMS-Gutachten (dort S. 16 ff.) fordern, eine zusätzliche Anpassung der Weltmarktrisikoprämie um ein Länderrisiko für Deutschland vorzunehmen, berücksichtigen deren Ausführungen nicht den der Bundesnetzagentur aus rechtlichen Gründen zukommenden Spielraum. Zudem haben die Gutachter der Bundesnetzagentur aufgezeigt, dass die dortigen Erwägungen nicht mit den von ihnen getroffenen Annahmen zum typisierten Investor und zur Integration der Kapitalmärkte im Einklang stehen und die Anpassung konzeptionell Bedenken begegnet (Frontier-Erläuterungen zu DMS, S. 7 f.). Auf der Grundlage dessen ist nicht erkennbar, dass die von DMS vorgeschlagene Vorgehensweise der gewählten Vorgehensweise greifbar überlegen wäre. Dies wäre aber nach dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Prüfungsmaßstab erforderlich, der dem Umstand Rechnung trägt, dass komplexe regulatorische Festlegungsverfahren wie die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze und des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors der Bundesnetzagentur typischerweise eine Vielzahl von methodischen Auswahlentscheidungen zwischen verschiedenen Vorgehensweisen abverlangen, die jeweils für sich gesehen – oft mit beachtlichen Gründen – Unterstützung durch von der Bundesnetzagentur bzw. anderen Verfahrensbeteiligten hinzugezogene ökonomische Sachverständige finden. Dass die alternative Vorgehensweise hier von den Autoren der DMS-Datenreihen vorgeschlagen worden ist, verleiht ihr kein besonderes Gewicht, da der sachangemessene Umgang mit den Datenreihen methodische Fragen aufwirft, die sich anhand allgemeiner ökonomischer Überlegungen beantworten lassen und nicht etwa aufgrund eines „überlegenen“ Wissens der Autoren der DMS-Studie zu Besonderheiten der von ihnen gesammelten Daten, über das andere hinzugezogene Sachverständige nicht verfügten.
132c) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur als risikolosen Zinssatz zur Ermittlung der Weltmarktrisikoprämie den DMS World Bond Index verwendet hat.
133aa) Die Ermittlung der Marktrisikoprämie basierend auf Bonds ist nicht bereits deshalb mit dem CAPM unvereinbar, weil Bonds nicht mit dem als Summanden im CAPM angesetzten risikolosen Zinssatz identisch sind.
134In der CAPM-Formel re = rf + ß x (rm – rf) wird der risikolose Zinssatz an zwei Stellen verwendet und durch dieselbe Variable bezeichnet, einmal als Summand und einmal als Subtrahend innerhalb des Klammerterms, über den die Marktrisikoprämie ermittelt wird. Ihm kommt somit konzeptionell eine einheitliche Bedeutung innerhalb der Formel zu, was auch die Bundesnetzagentur bzw. ihre Gutachter anerkennen. So heißt es im Frontier-Gutachten (dort S. 29): „Das CAPM ist als statisches Gleichgewichtsmodell formuliert, deshalb gibt es im Modell nur einen risikolosen Zinssatz.“
135Das Gebot einer nominalen Identität, wie es bei einer rein mathematischen Betrachtung denklogisch erscheint, folgt hieraus jedoch nicht. Der konkrete regulatorische Kontext rechtfertigt im Streitfall vielmehr eine Anwendung des CAPM mit unterschiedlichen risikolosen Zinssätzen, die sich in Ermittlungsmethodik und Höhe unterscheiden können. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV sind Basiszins und Wagniszuschlag getrennt voneinander zu berechnen (BGH, a.a.O. Rn. 52 – Eigenkapitalzinssatz II), wobei der Basiszins verordnungsrechtlich verbindlich vorgegeben ist und durch den auf die letzten 10 abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten bestimmt wird. Bei der methodisch nicht zu beanstandenden Ableitung der Marktrisikoprämie aus langfristigen historischen Datenreihen muss der risikolose Zinssatz demgegenüber konsistent zu den übrigen Bestandteilen des Wagniszuschlags ermittelt werden, insbesondere zur Marktrendite, hier bestimmt durch den DMS-Weltaktienindex, da er eine Abzugsposition hiervon darstellt. Dies schließt eine Verwendung des Basiszinssatzes i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV von vornherein aus. Die Abbildung des risikolosen Zinssatzes durch zwei unterschiedliche Zeitreihen ist also bereits in § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV angelegt und zulässig.
136Zu beachten ist allerdings, dass bei der Ermittlung des Wagniszuschlags anhand von Datenreihen nicht außer Acht bleiben darf, in welcher Weise der in diesen Datenreihen ausgewiesene Zinssatz für risikolose Anlagen ermittelt worden ist (BGH, a.a.O.). Sofern wie im Streitfall der risikolose Zinssatz einmal durch die in § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV aufgeführten durchschnittlichen Umlaufsrenditen und einmal durch die realisierten jährlichen Renditen eines internationalen Portfolios langfristiger Staatsanleihen abgebildet wird, sind die bestehenden Unterschiede zu würdigen, wobei ihnen ggfs. durch eine Anpassung der ermittelten Ergebnisse Rechnung getragen werden kann.
137bb) Die Auswahlentscheidung zugunsten der Verwendung von Bonds als risikolosem Zinssatz bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil Bonds nicht vollständig risikofrei sind.
138Dass es eine Anlageform gibt, die der modelltheoretischen Konzeption des CAPM entsprechend vollständig risikolos und gleichzeitig als Abzugsposition von der Marktrendite geeignet wäre, wird auch von den Beschwerdeführerinnen in den Musterbeschwerdeverfahren nicht geltend gemacht. So sind etwa auch die kurzfristigen Staatsanleihen (Bills) nach DMS nicht vollständig ohne jedes Risiko, da sie jedenfalls ein Ausfallrisiko aufweisen (vgl. hierzu nachfolgend unter 4. c) cc)). Dies führt aber – ebenso wie die Verwendung zweier unterschiedlicher risikoloser Zinssätze – nicht dazu, dass die Ermittlung der Marktrisikoprämie nach dem CAPM unter Heranziehung historischer Daten ausgeschlossen wäre. Die Bundesnetzagentur hat vielmehr zu Recht geltend gemacht, dass die Annahmen eines Modells immer eine Vereinfachung der Wirklichkeit darstellen, so dass es bei der praktischen Implementierung bei jeder Schätzung des Modells Annahmen geben wird, die bei strenger Auslegung verletzt werden. Würde man verlangen, dass die Ergebnisse jeglicher empirischer Schätzung immer verworfen werden müssten, wenn keine Daten zur Verfügung stehen, die alle Annahmen im engeren Sinne erfüllen, mithin idealtypischen Bedingungen entsprechen, wäre eine Quantifizierung der Marktrisikoprämie aus historischen Daten nicht möglich. Eine solche ist aber – wie von den Gutachtern der Bundesnetzagentur im Einzelnen herausgearbeitet wird – gegenüber anderen Ermittlungsmethoden vorteilhaft, insbesondere weil sie nicht auf einer Vielzahl von subjektiven Annahmen aufsetzen muss, die das Schätzergebnis angreifbar machen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass die Bundesnetzagentur ihrem gesetzlichen Auftrag zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzbetreiber als Regulierungsentscheidung nicht ausweichen darf (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 24 – Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor I), kann hieraus nur folgen, dass die Frage, ob Bonds als risikoloser Zinssatz innerhalb des CAPM herangezogen werden können, aus rechtlichen Gründen anhand einer wertenden Betrachtung zu beantworten ist. Sofern Risiken der Anlageform bestehen, die der modelltheoretischen Annahme entgegenlaufen, sind diese zu bewerten und darauf zu untersuchen, ob eine Verzerrung der zu ermittelnden Marktrisikoprämie zu erwarten ist, die einer Einordnung als risikolosem Zinssatz entgegenstehen, bzw. ob einer solchen Verzerrung ggfs. durch eine Bereinigung des DMS World Bond Index bzw. einer Anpassung der Marktrisikoprämie Rechnung getragen werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, wie der weitere, als Summand verwendete risikolose Zinssatz innerhalb des CAPM ermittelt wird, wobei dessen „Risikodimension“ aufgrund der selbstständigen Ermittlung von Basiszins und Wagniszuschlag (BGH, a.a.O. Rn. 52 – Eigenkapitalzinssatz II) nicht verbindlicher Maßstab für die Ermittlung des Subtrahenten bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie ist. Unterschiedliche „Risikodimensionen“ können allenfalls unter Konsistenzgesichtspunkten Beachtung finden.
139Den sich hieraus ergebenden Anforderungen ist die Bundesnetzagentur nachgekommen und hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der DMS World Bond Index trotz der von ihr identifizierten Risiken als risikofreier Zinssatz zur Ermittlung der Marktrisikoprämie innerhalb des CAPM angesetzt werden kann.
140(1) Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass langfristige Staatsanleihen infolge von Ausfallrisiken ein gewisses Kreditrisiko beinhalten, weil unstreitig nur ein Teil der 32 im DMS World Bond Index berücksichtigten Länder ein AAA-Rating aufweist und deren Staatsanleihen als nahezu sichere Anleihen angesehen werden können.
141Wie die Gutachter der Bundesnetzagentur selbst ausgeführt haben, ist bei der Interpretation der Marktrisikoprämie über langfristige Anleihen zu beachten, dass die Anleihen mancher Länder und zu bestimmten Zeitpunkten ein Kreditrisiko enthalten können. Investoren preisen erwartete Ausfälle und eine Kreditrisikoprämie ein, weshalb die Renditen der Staatsanleihen einzelner Länder (und des Weltportfolios) eine realisierte Kreditrisikoprämie beinhalten können (Frontier-Gutachten, S. 32 f.). Deshalb können sich Ausfallrisiken in Renditen von Anleihen widerspiegeln, indem Staatsanleihen von Ländern mit einem niedrigeren Rating regelmäßig höhere Renditen aufweisen. Den diesbezüglichen Vortrag im Oxera-Gutachten 2021b (dort S. 29 f.), in dem in Tabelle 2.3. auch die von Moody´s ermittelten Ratings der im DMS World Bond Index berücksichtigten Länder zum Stand 19.08.2021 und 01.01.2011 aufgeführt sind, erkennen die Gutachter der Bundesnetzagentur in den Frontier-Erläuterungen zu BDEW/Oxera (dort S. 6) ausdrücklich an. Nach der als Anlage BF 2 vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. Stefan Bogner und Prof. Dr. Klaus Rabel vom 20.07.2022 (im Folgenden: Bogner/Rabel-Gutachten, dort Rn. 203) wiesen zum 31.12.2020 19 von 32 in den DMS World Bond Index einbezogenen Ländern ein Rating schlechter als AA+ auf.
142Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben diesen Effekt aber als gering eingeschätzt (Frontier-Gutachten, S. 33). Dem ist die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss gefolgt, in dem sie darauf verwiesen hat, dass der Effekt der in der DMS-Datenbank enthaltenen gewissen Ausfallrisiken aufgrund der Ex-post-Betrachtung des Datensatzes wieder kompensiert werde. Mit einer höheren Verzinsung einhergehende Ausfallrisiken würden durch realisierte, mit dem Verlust des eingesetzten Kapitals einhergehende Ausfälle kompensiert, was insbesondere durch den großen Datensatz erfasst werden könne. Zudem zeige sich auch empirisch keine Verzerrung der Marktrisikoprämie (Festlegung, S. 23).
143Diese Bewertung lässt keinen Fehler erkennen.
144(a) Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben in den Frontier-Erläuterungen zu BDEW/Oxera (dort S. 6 f.) unter Hinweis darauf, dass dem DMS-Datensatz ex post realisierte Anleiherenditen für den Zeitraum von 1900 bis 2020 zugrunde liegen, dargelegt, aufgrund dieser langen Zeitreihe und des breiten Samples sei davon auszugehen, dass die Komponente „erwartete“ Ausfälle in den realisierten Ex-post-Anleiherenditen schon (zumindest zum großen Teil, exklusive einer reinen Risikoprämie) abgebildet sei, also eine Unterschätzung tendenziell nicht vorliege. Dieser Schluss ist ohne Weiteres nachvollziehbar und wird von den Privatgutachtern der Beschwerdeführerin geteilt. So heißt es im Bogner/Rabel-Gutachten unter Rn. 205, dass sich Zuschläge für erwartete Verluste bei der Betrachtung realisierter Renditen an sich kreditrisikobehafteter Anleihenpreisindizes aufheben. Angesichts der Länge des Betrachtungszeitraums von gut 120 Jahren ist die Erwartung gerechtfertigt, dass sich erwartete Verluste als die statistisch kalkulierte Ausfallwahrscheinlichkeit in diesem Zeitraum ungefähr in derselben Höhe eingestellt haben werden. Denn die erwarteten Verluste spiegeln die Verluste wieder, die sich im langfristigen Mittel einstellen werden.
145Dem steht nicht entgegen, dass – wie im Verhandlungstermin vor dem Senat erörtert – (Total-)Ausfälle in Deutschland und Österreich in den 1920er Jahren aus den Datensätzen eliminiert worden sind. Konkret wird hierzu in dem von den Verfahrensbeteiligten in Bezug genommenen Yearbook 2021 darauf verwiesen, dass bei den Weltmarktindizes zu Bonds, Bills und teilweise auch Aktien die durch die Hyperinflation bedingten Ausfälle der Jahre 1921-22 in Österreich und der Jahre 1922-23 in Deutschland unberücksichtigt geblieben sind (Yearbook 2021, S. 109 bzw. 132). Es wird angenommen, dass die Rendite von deutschen Anleihen in diesem Zeitraum fast -100 % betragen hat (Stehle, Wissenschaftliches Gutachten zur Schätzung der Marktrisikoprämie (Equity risk premium) im Rahmen der Entgeltregulierung, April 2016, abrufbar unter bundesnetzagentur.de). Zwar gibt es keine Hinweise, dass kompensierend wirkende Datenbereinigungen innerhalb der Studie durchgeführt worden sind. Dies ergibt sich weder aus dem Yearbook 2021 noch hat die Bundesnetzagentur hierzu konkreten Vortrag gehalten. Jedoch begründet die Eliminierung der deutschen und österreichischen Daten keine Zweifel an der grundsätzlichen Annahme, dass in den realisierten Renditen die statistisch zu erwartenden Ausfälle im Wesentlichen abgebildet sind und deshalb eine Verzerrung der Anleiherendite nicht zu befürchten ist. Denn die Autoren der Studie haben sich darauf beschränkt, lediglich die einmaligen Verluste durch die Hyperinflation in diesen beiden Ländern zu eliminieren, während sie aber zahlreiche andere erhebliche Verluste in den Datenreihen weiter berücksichtigt haben, so z.B. für Deutschland Verluste des Aktienwerts von 2/3 infolge des ersten Weltkriegs und die realen Verluste bei Aktien von 88 % und bei Bonds von 91 % infolge des zweiten Weltkriegs (Yearbook 2021, S. 132). Dies impliziert, dass sie die eliminierten Verluste selbst unter den „erwarteten Verlusten“ als „Ausreißer“ angesehen haben. Aus diesem Grund und mit Blick auf die Vielzahl der berücksichtigten Länder sowie die Länge des abgebildeten Zeitraums kann nicht angenommen werden, dass gerade diese eliminierten Verluste so stark ins Gewicht fielen, dass sie das zu erwartende Gleichgewicht zwischen den vom Investor in seinen Renditeerwartungen berücksichtigten erwarteten Ausfällen einerseits und den infolge von eingetretenen Ausfällen realisierten Verlusten andererseits in erheblicher Weise gestört hätten.
146(b) Hinsichtlich der unerwarteten, d.h. solcher Ausfälle, die als Varianz des erwarteten Verlusts über die kalkulierte, statistische Ausfallwahrscheinlichkeit hinausgehen (https://www.bf.uzh.ch/financewiki/index.php?title=Unerwarteter_Verlust; Abruf am 11.05.2023), hat die Bundesnetzagentur in der Beschwerdeerwiderung ergänzend darauf hingewiesen, dass die Prämie für solche Verluste bei Schuldnern sehr guter Bonität wie z.B. den USA, Großbritannien oder Deutschland gering sei, gerade solche Länder aber bei der vorgenommenen Gewichtung des DMS World Bond Index nach dem BIP mit entsprechend hohen Anteilen vertreten seien. Dies rechtfertigt den Schluss, dass unerwartete Verluste nicht in einem solchen Ausmaß zu für Bonds zu zahlende Risikoprämien geführt haben, dass dies näher hätte untersucht und quantifiziert werden müssen.
147Den Annahmen, die diesem Schluss zugrunde liegen, sind die Beschwerdeführerinnen in den Musterbeschwerdeverfahren nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Weder haben sie konkret geltend gemacht, dass bei Ländern mit guter Bonität unerwartete Verluste mit einer ins Gewicht fallenden Risikoprämie bepreist werden, noch sind sie der Annahme entgegengetreten, dass Länder mit sehr guter Bonität – auch im zeitlichen Verlauf – mit erheblichem Gewicht in den DMS World Bond Index eingeflossen sind. Die Überlegungen der Bundesnetzagentur stehen insoweit nicht in Widerspruch zu den Annahmen, die sie bzw. ihre Gutachter zur Plausibilität der Weltmarktrisikoprämie, die unterhalb der lokalen Marktrisikoprämien der Länder liegt, die einen hohen Anteil am BIP bzw. an der Marktkapitalisierung haben, und zum Einfluss von Russland und China mit ihren zeitweiligen Totalausfällen auf die Weltmarktrisikoprämie getroffen haben. Denn allein der Umstand, dass Länder mit geringer Bonität bzw. Totalausfällen die Weltmarktrisikoprämie beeinflusst (konkret: „nach unten gezogen“) haben, rechtfertigt nicht die pauschale Annahme, diesen Ländern komme ein erheblich höheres Gewicht an der Weltmarktrisikoprämie zu als von der Bundesnetzagentur angenommen.
148(c) Zudem haben die Gutachter der Bundesnetzagentur bei einer exemplarischen Überprüfung keine Anhaltspunkte für eine Unterschätzung der Marktrisikoprämie von Ländern mit geringerem Rating, die auf eine Überschätzung der Anleiherendite infolge von Länderrisikoprämien als Abzugsfaktor hinweisen könnte, gefunden. Sie haben hierfür die Marktrisikoprämien der 21 Länder, für die diese in den DMS-Datenreihen gesondert auswiesen ist, näher betrachtet und das geometrische und arithmetische Mittel für die 10 Länder mit einem AAA-Rating einerseits und mit einem darunter liegenden Rating andererseits verglichen, ohne dass sich bedeutsame Unterschiede hätten feststellen lassen. So liegt das geometrische Mittel der Marktrisikoprämien der AAA-Länder zwischen 3,0 % und 4,5 %, der sonstigen Länder zwischen 2,5 % und 5,1 %, das arithmetische Mittel der AAA-Länder zwischen 5,0 % und 6,3 % und der sonstigen Länder zwischen 4,5 % und 8,9 % (Abb. 1 der Frontier-Erläuterungen zu BDEW/Oxera, S. 7).
149(d) Schließlich sind die Beschwerdeführerinnen in den Musterbeschwerdeverfahren der Annahme der Bundesnetzagentur, dass Länderrisikoprämien auch im Weltaktienindex Berücksichtigung finden, mithin eine Verzerrung der Weltmarktrisikoprämie durch eine einseitige Berücksichtigung nur im Rahmen des DMS World Bond Index nicht zu erwarten ist, nicht in erheblicher Weise entgegentreten. Die Bundesnetzagentur hat finanzwirtschaftliche Literatur (Damodaran, „Country Default Spreads and Risk Premiums“, Anlage BG 12) zitiert, die von der Annahme ausgeht, dass Länderrisikoprämien auch bei der Risikobewertung von Aktien eine Rolle spielen.
150Einer empirischen Untermauerung dieses Befundes durch die Bundesnetzagentur bedurfte es nicht, da die Beschwerdeführerinnen in den Musterbeschwerdeverfahren weder konkret – etwa unter Zitierung entsprechender Literatur – vorgetragen haben, warum die Annahme einer Mitberücksichtigung von Länderkreditrisiken bei Aktien schon im Ansatz fehlerhaft sein sollte (dies ist lediglich vereinzelt pauschal angezweifelt worden), noch hierfür belastbare empirische Anhaltspunkte geliefert haben.
151(2) Die Bundesnetzagentur ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es der Verwendung von Bonds als risikolosem Zinssatz zur Schätzung der Marktrisikoprämie innerhalb des CAPM nicht entgegensteht, dass das Risiko von Zins- bzw. Inflationsänderungen, das auch als Kursrisiko bezeichnet wird, besteht.
152Dass ein solches Risiko existiert, steht zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht in Streit. Es folgt daraus, dass die von der Bundesnetzagentur als risikoloser Zinssatz verwendeten Bonds tatsächlich realisierte Renditen sind. Diese unterstellen eine jährliche Veräußerung der Anleihe und bilden damit den jährlichen Anlageerfolg ab, so dass in die Renditeberechnung neben Zinserträgen die Kursentwicklung der Anleihe einfließt. Realisierte Renditen entwickeln sich gegenläufig zum allgemeinen Marktzinsniveau. Dieser Effekt resultiert daraus, dass bei einem Rückgang des Zinsniveaus auf den Kapitalmärkten bereits emittierte Anleihen, die nach wie vor eine hohe Couponzahlung versprechen, relativ attraktiv sind, so dass der Kurs dieser Anlagen auf den Sekundärmärkten steigt; dieser Effekt ist umso größer, je länger die Restlaufzeit einer Anlage zum jeweiligen Zeitpunkt ist (Oxera-Gutachen 2021a, S. 30 f.). Auch die Gutachter der Bundesnetzagentur erkennen ausdrücklich an, dass sinkende langfristige Marktzinsen zu höheren Anleihekursen und damit zu positiven realisierten Anleiherenditen führen (Frontier-Gutachten, S. 94). In der Vergangenheit ist dieser Effekt vor allem in dem bereits in den Beschwerdeverfahren gegen die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode ausführlich diskutierten „Golden Age of Bonds“ zu beobachten gewesen (vgl. Senat, Beschl. v. 22.03.2018 – VI-3 Kart 148/16 [V], juris Rn. 89 ff.; BGH, a.a.O. Rn. 51 – Eigenkapitalzinssatz II).
153Die Bundesnetzagentur hat die Entscheidung, Bonds und damit langfristige Anleihen als risikolosen Zinssatz zu verwenden, maßgeblich auf die Ausführungen ihrer Gutachter gestützt (Festlegung, S. 23 f.). Diese haben die Eignung der historischen Marktrisikoprämie relativ zu Bonds bejaht und zur Begründung darauf verwiesen, dass der Effekt steigender realisierter Anleiherenditen infolge eines langfristig sinkenden Zinsniveaus auch für Aktien gelte, da erwartete künftige Cash Flows mit einem niedrigeren Diskontsatz abgezinst würden und somit auch die realisierte Aktienperformance von sinkenden Zinsen positiv beeinflusst würde (Frontier-Gutachten, S. 94). Zugleich haben sie die Notwendigkeit, Laufzeitunterschieden zwischen dem risikolosen Zinssatz der GasNEV sowie der DMS-Weltmarktrisikoprämie relativ zu Bonds Rechnung zu tragen, anerkannt und eine solche Anpassung vorgenommen.
154Diese Erwägungen sind tragfähig.
155(a) Zunächst stellt der Verweis auf die Ausführungen ihrer Gutachter keinen Begründungsmangel der Entscheidung dar, da die Bundesnetzagentur konkret auf die diesbezüglichen Ausführungen ihrer Gutachter in dem zum Konsultationsgegenstand gemachten und auf ihrer Internetseite veröffentlichten Frontier-Gutachten sowie ergänzend auf die Frontier-Erläuterungen, die ebenfalls Gegenstand des Verwaltungsverfahren sind, Bezug nimmt. Eine solche Bezugnahme steht im Einklang mit dem in § 73 Abs. 1 Satz 1 EnWG normierten Begründungserfordernis. Der Umfang der erforderlichen Begründung richtet sich nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, wonach die Regulierungsbehörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitteilen muss, die ihrer Entscheidung zugrunde liegen. Die Behörde muss den zugrundeliegenden Sachverhalt, ihre eigenen rechtlichen Erwägungen sowie die zentralen Argumente der Beteiligten darstellen. Es genügt, wenn sie die maßgeblichen Gründe für die Entscheidung angibt, so dass ein Nachvollziehen der tragenden Erwägungen, deren Bewertung und gerichtliche Überprüfung möglich ist (Senat, Beschl. v. 03.03.2021 – VI-3 Kart 856/19 [V], juris Rn. 48 – KASPAR-Festlegung; siehe auch Beschl. v. 26.10.2016 – VI-3 Kart 18/15 [V] Rn. 143 f.; Beschl. v. 17.02.2016 – VI-3 Kart 139/12 [V], juris Rn. 39; Burmeister in: Bourwieg/Hellermann/Hermes, EnWG, 4. Aufl. 2023, § 73 Rn. 4; Turiaux in: Kment, EnWG, 2. Aufl. 2019, § 73 Rn. 4). Die Bezugnahme auf in vorangegangenen Regulierungsentscheidungen angestellte Erwägungen genügt diesen Anforderungen und wird zu Recht für zulässig erachtet (zur Zulässigkeit des (ausdrücklichen) Verweises in einer telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung auf die vorangehende Regulierungsverfügung BVerwG, Urt. v. 25.09.2013 – 6 C 13/12, juris Rn. 45; siehe auch BVerwG, Beschl. v. 18.07.2022 – 3 B 37/21, juris Rn. 35 m.w.N.; Senat, a.a.O. Rn. 66 – KASPAR-Festlegung). Nichts anderes kann für die ausdrückliche Bezugnahme auf von der Regulierungsbehörde eingeholte Gutachten gelten, wenn diese wie im Streitfall allen Verfahrensbeteiligten und dem Gericht bekannt sind. Es liegt auf der Hand, dass es im Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Entscheidung sowohl durch die Adressaten als auch die Gerichte keinen Unterschied macht, ob die Ausführungen der im Festlegungsverfahren hinzugezogenen Sachverständigen im Beschluss wörtlich oder sinngemäß wiedergegeben oder lediglich – konkret – in Bezug genommen werden.
156(b) Die Überlegung, dass ein langfristig sinkendes Marktzinsniveau zu höheren realisierten Renditen sowohl bei langfristigen Staatsanleihen als auch bei Aktien führt, ist nachvollziehbar und wird – zumindest in der Theorie – auch in verschiedenen der im Vorfeld der Festlegung vorgelegten ökonomischen Gutachten bestätigt (etwa Oxera-Gutachten 2021a, S. 31 Rn. 60: „Sofern der Kurs einer Aktie den abdiskontierten zukünftigen Renditen entspricht und sich der Diskontierungsfaktor an dem Marktzinsniveau (zusätzlich einer Risikoprämie) orientiert, steigen bei sinkenden Zinsen die Aktienkurse und somit die realisierten Renditen des Aktienportfolios.“; DMS-Gutachten, S.12 unter Verweis auf das DMS-Yearbook 2021).
157Hieraus lässt sich zwar nicht schließen, dass die historischen realisierten Renditen von Aktien und langfristigen Anleihen von einem Zinssenkungstrend gänzlich unverzerrt bleiben (so aber wohl Frontier-Gutachten, S. 94). Denn dies würde voraussetzen, dass die Auswirkungen langfristiger Zinssenkungen auf Aktien und Bonds exakt gleich wären. Hierzu haben die Gutachter der Bundesnetzagentur indes keine belastbaren Feststellungen getroffen. Vielmehr haben sie lediglich auf ein Working Paper von van Binsbergen Bezug genommen, in dem dieser einen großen Anteil der realisierten Aktienperformance der letzten Jahrzehnte auf den Effekt sinkender Marktzinsen zurückgeführt haben soll. Eine symmetrische Auswirkung langfristig sinkender Zinsen auf Anleihen und Aktien ergibt sich hieraus ebenso wenig wie aus den Auswertungen von Renditezeitreihen in Zinserhöhungs- und Zinssenkungsphasen in den USA und dem UK durch DMS im „Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook 2022“ (Anlage BG 13, dort S. 30 f., Figure 18), wonach die reale Performance sowohl für Aktien als auch für Anleihen nach Zinssenkungen zwar höher als nach Zinssenkungen ist, aber die Höhe divergiert (vgl. auch Figure 19, wonach die Marktrisikoprämie von Aktien über Bonds nach Zinssenkungsphasen mit 5,7 % deutlich höher liegt als nach Zinserhöhungsphasen mit 2,8 %, was dafür spricht, dass der Effekt steigender Renditen bei Aktien sogar stärker ausgeprägt ist als bei Anleihen). Oxera verweist auf aktuelle Forschungsergebnisse, die nahelegen, dass der interne Zinsfuß zur Diskontierung von Dividendenzahlungen kaum Korrelation mit dem Zinsniveau aufweise (Oxera-Gutachten 2021a, S. 31 Rn. 60 unter Verweis auf Kuvshinov/Zimmermann, K (2020), The Expected Return von Risky Assets: International Long-run Evidence, CEPR working paper DP15610). Demgegenüber ist die Überlegung nachvollziehbar, dass aufgrund der unterschiedlichen „Duration“ von Anleihen und Aktien sowie unterschiedlichen Diskontierungsfaktoren nicht von einem Gleichlauf der Renditen auszugehen ist (so Oxera-Gutachten 2021a, S. 31 Rn. 60).
158Aber auch, wenn sich weder aus ökonomischer noch aus statistischer Sicht belastbare Erkenntnisse dazu gewinnen lassen, ob sich ein Zinssenkungstrend in den DMS-Datenreihen stärker auf Anleihen oder Aktien ausgewirkt hat und demgemäß eher zu einer Unter- oder Überschätzung der DMS-Weltmarktrisikoprämie über Bonds führt, ist jedenfalls festzuhalten, dass grundsätzlich auch das Weltaktienportfolio von dem Effekt steigender Renditen infolge sinkender Marktzinsen – wenn auch in unklarer Relation zu steigenden Bond-Renditen – betroffen ist, also auch insoweit ein Kursrisiko besteht. Somit kann ein solches Kursrisiko nicht dazu führen, dass Bonds von vornherein wegen dieses Risikos ungeeignet sind, als risikoloser Zinssatz im Rahmen eines CAPM zu fungieren, denn durch die Berücksichtigung der jedenfalls gleichgerichteten Kurseffekte sowohl beim risikolosen als auch beim risikobehafteten Zinssatz wird einer Verzerrung der Marktrisikoprämie durch Kurseffekte jedenfalls im Ansatz entgegengewirkt.
159Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Weltaktienindex bei der Ermittlung des Wagniszuschlags den risikobehafteten Zinssatz darstelle und es deshalb dem CAPM gerade entspreche, wenn dieser Risiken aufweise, die der zur Ermittlung des Wagniszuschlags angesetzte risikolose Zinssatz nicht aufweise. Diese Betrachtung greift zu kurz, da sie die gegenläufige Entwicklung realisierter Renditen aus langfristigen Anleihen gegenüber dem Marktzinsniveau nicht hinreichend in den Blick nimmt, die jedoch für die Beurteilung des Verzerrungspotentials von Kursrisiken maßgeblich ist. Fänden Kursrisiken einseitig beim Weltaktienportfolio Berücksichtigung, nicht hingegen bei dem für die Ermittlung der Marktrisikoprämie zur Ermittlung des risikolosen Zinssatzes herangezogenen Anleihen, sei es infolge einer Bereinigung um solche Risiken oder infolge der Verwendung von Anleihen, die schon aufgrund ihrer Kurzfristigkeit keine Kursrisiken aufweisen (etwa die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagen Bills), würden bei sinkenden Marktzinsen die Renditen des Weltaktienportfolios steigen und die der Anleihen – dem Marktzins folgend – sinken mit der Folge, dass die Marktrisikoprämie steigt. Ein umgekehrter Effekt würde sich bei steigenden Marktzinsen (und demgemäß sinkenden Renditen des Weltaktienportfolios und steigendem Basiszinssatz) einstellen. Da Marktzinsen im Zeitverlauf sowohl steigen als auch fallen können, ist bei dieser abstrakten Betrachtung nicht zu erkennen, dass demgegenüber die Berücksichtigung von Kursrisiken auch im risikolosen Zinssatz, die eine gleichgerichtete Entwicklung zum Weltaktienportfolio sowohl in Zinserhöhungs- als auch in Zinssenkungsphasen und mithin eine im Wesentlichen stabile Marktrisikoprämie zur Folge hat, eine erhebliche Verzerrung befürchten lässt.
160(3) Die Volatilität der Bond-Renditen (vgl. zu den historischen Standardabweichungen der realen Anleiherenditen für 21 Länder der DMS-Datenreihen, auch im Vergleich zu denen der Aktienrenditen, DMS-Gutachten, S. 10) kann nicht als eigenständiges Argument gegen die Heranziehung des DMS World Bond Index fruchtbar gemacht werden, da sie ersichtlich auf die – von der Bundesnetzagentur identifizierten und angemessen bewerteten – Ausfall- und Kursrisiken zurückgehen.
161cc) Schließlich stellen kurzfristige Staatsanleihen (Bills) keinen greifbar überlegenen Schätzer für den risikolosen Zinssatz bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie dar.
162(1) Die Bundesnetzagentur hat im angefochtenen Beschluss ihre Entscheidung, die Marktrisikoprämie relativ zu Bonds und nicht zu Bills zu ermitteln, mit einem Verweis auf die diesbezüglichen Erwägungen ihrer Gutachter begründet (Festlegung, S. 23 f.), was – wie vorstehend unter 4. c) bb) (2) (a) ausgeführt – eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Begründung darstellt. Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben zur Begründung ihrer Entscheidung zugunsten einer Marktrisikoprämie relativ zu Bonds anstelle von Bills darauf verwiesen, dass die Verwendung von Bills den Vorteil einer Konsistenz mit der üblichen Beta-Schätzung habe, bei der in der Regel die Rendite einer kurzfristigen Staatsanleihe als risikolosem Zinssatz herangezogen werde. Die Verwendung von Bonds habe hingegen den Vorteil der Konsistenz mit einem langfristigen Anlagehorizont. Im Kontext der Regulierung werde meist auf die langfristige Natur des Anlagevermögens von Infrastrukturunternehmen und die damit verbundene langfristige Finanzierung Bezug genommen und den Unternehmen bei der Ermittlung von Kapitalkosten ein langfristiger Basiszinssatz zugestanden. Die Marktrisikoprämie über Anleihen solle über Charakteristika ermittelt werden, welche diesem Basiszinssatz entsprächen oder welchen dieser Basiszinssatz entspreche. Der in der Strom- bzw. Gasnetzzugangsverordnung vorgegebene Basiszinssatz der Umlaufsrendite entspreche weitgehend langfristigen Anleihen (Frontier-Gutachten, S. 29). Die Verwendung einer Marktrisikoprämie über kurzfristige Anleihen (Bills) wäre in Kombination mit einem langfristigen risikolosen Zinssatz inkonsistent und führe zu einer Überschätzung der Kapitalkosten (Frontier-Gutachten, S. 94). Ergänzend bzw. konkretisierend haben die Gutachter der Bundesnetzagentur in ihrer Stellungnahme zum DMS-Gutachten darauf verwiesen, dass Bills für einen langfristigen Investor mit einem Wiederanlagerisiko verbunden seien (Frontier-Erläuterungen zu DMS, S. 4) und die Heranziehung einer längerfristigen Staatsanleihe mit 10 und mehr Jahren Laufzeit bei der Regulierung von Energienetzen in Europa „best practice“ sei (Frontier-Erläuterungen zu DMS, S. 5).
163(2) Auch gegen diese Bewertung ist nicht zu erinnern. Angesichts der von den Gutachtern der Bundesnetzagentur getroffenen Feststellungen zur Risikobehaftung von Bills und Bonds einerseits und zu den Laufzeit- bzw. Konsistenzvorgaben andererseits, wie sie sich aus dem regulatorischen Kontext bei Energienetzen ableiten lassen, ist die Verwendung von Bills anstelle von Bonds als risikolosem Zinssatz nicht greifbar überlegen.
164(a) Zwar erkennen auch die Gutachter der Bundesnetzagentur an, dass Bills, die innerhalb eines Jahres zum Nennwert abgelöst werden, sich aus der im regulatorischen Bereich maßgeblichen Perspektive des langfristigen Investors dem Idealtypus der risikolosen Anleihe stärker annähern als Bonds. Gleichzeitig stellen sie aber in nicht zu beanstandender Weise die im regulatorischen Bereich – auch in der gelebten Regulierungspraxis anerkannte – maßgebliche Perspektive des langfristigen Investors und die Konsistenz zum Basiszinssatz in den Vordergrund, die eher für die Heranziehung langfristiger Anleihen sprechen.
165Es ist nicht ersichtlich, dass das Maß der Risikolosigkeit für die Eignung der herangezogenen Rendite zur Abschätzung der Marktrisikoprämie deutlich gewichtiger zu bewerten wäre als die Laufzeit der Anleihen. Die in einigen der Musterbeschwerdeverfahren vertretene Ansicht, dass bei der Parametrierung des CAPM die Laufzeit keine Rolle spiele, sondern nur das Maß an Risikofreiheit (so in der als Anlage BF 2 in den Verfahren VI-3 Kart 883/21 [V] und VI-3 Kart 908 /21 [V] vorgelegten gutachterliche Stellungnahme von Valuesque vom 08.08.2022, S. 28), verkennt, dass auch der regulatorische Kontext, der ein Abstellen auf eine langfristige Anleihe impliziert, und Konsistenzgesichtspunkte bei der Parametrierung nicht unbeachtet bleiben können. Die Laufzeit einer Anleihe wirkt sich konkret auf die zu erzielenden Renditen aus, weil die Endfälligkeitsrenditen typischerweise mit der Länge der verbleibenden Restlaufzeit steigen bzw. die empirische Evidenz nahelegt, dass längere Laufzeiten im Durchschnitt eine Laufzeitprämie enthalten (Frontier-Erläuterungen zu DMS, S. 4; siehe auch Oxera-Gutachten 2021a, S. 51). Demgemäß gehen auch zahlreiche im Vorfeld der streitgegenständlichen Festlegung erstellte gutachterliche Stellungnahmen davon aus, dass eine relativ zu kurzfristigen Anleihen ermittelte Marktrisikoprämie im Vergleich zum Basiszinssatz nach § 7 Abs. 4 GasNEV zu hoch ausfällt (etwa DMS-Gutachten, S. 21; Oxera-Gutachten 2021a, S. 51).
166Dass die Gutachter der Bundesnetzagentur und ihnen folgend die Bundesnetzagentur die für die Heranziehung von Bonds sprechende Laufzeit als für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkt angesehen haben, ist durch den Spielraum, der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Auswahl zwischen verschiedenen möglichen, jeweils mit Vor- und Nachteilen versehenen methodischen Vorgehensweisen eröffnet ist, gedeckt.
167(b) Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil sich der in der Kurzfristigkeit der Anleihen liegende Nachteil von Bills ohne Weiteres ausgleichen ließe und diese deshalb trotz dieses Nachteils der Heranziehung von Bonds deutlich überlegen wären.
168Es ist letztlich zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig geblieben, dass Inkonsistenzen, die sich sowohl aus der Verwendung von Bonds als auch von Bills innerhalb des CAPM ergeben, grundsätzlich durch Anpassungen der ermittelten Werte adressiert und – jedenfalls teilweise – ausgeräumt werden können. Streit besteht indes darüber, ob dies mit Blick auf Bonds in sachangemessener Weise geschehen kann bzw. in der Festlegung konkret geschehen ist. Dass die erforderlichen Anpassungen bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie relativ zu Bills dabei so deutlich „ungestörter“ bzw. einfacher vorgenommen werden könnten als bei der relativ zu Bonds, kann nicht angenommen werden. Vielmehr verdeutlichen schon die unterschiedlichen methodischen Ansätze, die hierzu im DMS-Gutachten und von den Gutachtern der Bundesnetzagentur vertreten werden, dass sich die erforderlichen Anpassungen aus ökonomischer Sicht ähnlich kontrovers diskutieren lassen wie die von der Bundesnetzagentur vorgenommene Anpassung des Wagniszuschlags infolge der durch die Heranziehung von Bonds bedingten Inkonsistenzen. So schlagen DMS in ihrem Gutachten vor, die Obergrenze für die derzeitige Laufzeitprämie in Deutschland anhand der aktuellen Laufzeitstruktur der Zinssätze für deutsche Staatsanleihen zu ermitteln und stellen auf die Differenz zwischen der Rendite für 3-monatige deutsche Staatsanleihen einerseits und der Rückzahlungsrendite von 20-jährigen Staatsanleihen andererseits zum Begutachtungszeitpunkt ab (DMS-Gutachten, S. 21). Die Gutachter der Bundesnetzagentur vertreten demgegenüber die Ansicht, dass die Korrektur um die Laufzeitprämie auf Basis eines 10-jährigen Durchschnitts erfolgen, d.h. die Anpassung der Marktrisikoprämie um die Laufzeitprämie auf der Differenz einer langfristigen und einer kurzfristigen Staatsanleihe für den Zeitraum 2011 bis 2020 beruhen sollte (Frontier-Erläuterungen zu DMS, S. 10 ff.).
169d) Die Bundesnetzagentur hat des Weiteren in methodisch vertretbarer Weise angenommen, dass der arithmetische Mittelwert, der sich bei einer auf den DMS-Datenreihen basierenden Analyse einer weltweiten Marktrisikoprämie im Vergleich zu Bonds ergibt und der bei 4,30 % liegt, als Obergrenze der sich ergebenden Marktrisikoprämie aufgefasst werden kann und das sich hieraus ergebende geometrische Mittel mit 3,10 % als deren Untergrenze. Hiervon ausgehend ist es noch vertretbar, dass die Bundesnetzagentur als Marktrisikoprämie den Mittelwert der beiden Ansätze („Mittel der Mittel“) mit 3,7 % angesetzt hat.
170aa) Die Vorgehensweise entspricht derjenigen in den vergangenen Regulierungsperioden, die sowohl vom erkennenden Senat als auch vom Bundesgerichtshof jeweils gebilligt worden war, und ist von der Bundesnetzagentur damit gerechtfertigt worden, dass keine neuen Erkenntnisse vorlägen, die eine andere Vorgehensweise für die vierte Regulierungsperiode erforderten.
171(1) Die historische Durchschnittsbildung kann grundsätzlich aufgrund des arithmetischen oder des geometrischen Mittels erfolgen.
172Das arithmetische Mittelwertbildungsverfahren gibt die durchschnittliche jährliche Veränderung innerhalb eines Zeitraumes bezogen auf das jeweils vorhergehende Jahr an, während das geometrische Mittelwertbildungsverfahren die gesamte durchschnittliche jährliche Veränderung eines Basiswerts in einem bestimmten Zeitraum betrachtet. Mit dem arithmetischen Verfahren wird mit anderen Worten der reine Durchschnittswert für einen bestimmten Zeitraum der Vergangenheit errechnet, während mit dem geometrischen Verfahren ausgehend von einem bestimmten Zeitpunkt die Veränderung des Basiswerts bis zum Bewertungszeitpunkt gemessen wird (Senat, Beschl. v. 24.04.2013 – VI-3 Kart 60/08 [V], juris Rn. 127). Für den Streitfall bedeutet dies, dass das arithmetische Mittel das gleichgewichtete Mittel über 121 Beobachtungen von Ein-Jahres-Investitionen abbildet, das geometrische Mittel hingegen die Beobachtung einer 121-jährigen Investition (Frontier-Gutachten, S. 30).
173(2) Der erkennende Senat hat sich bereits in seinen Entscheidungen in den gegen die Festlegungen der Eigenkapitalzinssätze für die erste Regulierungsperiode geführten Beschwerdeverfahren vom 24.04.2013 sachverständig beraten ausführlich mit den zur Mittelwertbildung zur Verfügung stehenden Methoden befasst und das Vorgehen der Bundesnetzagentur, das Mittel aus geometrischem und arithmetischem Mittel anzusetzen, gebilligt (Senat, Beschl. v. 24.04.2013 – VI-3 Kart 60/08 [V], juris Rn. 106 ff.; bestätigt durch Beschl. v. 22.03.2018 – VI-3 Kart 148/16 [V], juris Rn. 151). Der Bundesgerichtshof hat diese Bewertung in der Folge jeweils bestätigt (BGH, a.a.O. Rn. 45 – Thyssengas GmbH; a.a.O. Rn. 129 – Eigenkapitalzinssatz II).
174Der Senat hatte insbesondere weder die arithmetische Mittelwertbildung noch die Anwendung des sog. Blume-Schätzers, bei dem ein gewichteter Durchschnitt aus arithmetischem und geometrischem Mittel zur Berechnung des Endwerts angesetzt wird, als überlegen und den Rückgriff auf die Methode des „Mittels der Mittels“ als sachgerecht angesehen, solange die Frage, ob zur Berechnung der Marktrisikoprämie der arithmetische oder der geometrische Mittelwert die maßgebliche Basis bilden, wissenschaftlich nicht geklärt sei (Beschl. v. 24.04.2013 – VI-3 Kart 60/08 [V], juris Rn. 107). Dass sich die Methode der arithmetischen Mittelwertbildung durchgesetzt hätte, folge weder aus den im Verfahren vorgelegten Gutachten noch aus der dort zitierten Literatur, vielmehr räumten beiden Gutachten die Existenz mehrerer anerkannter Methoden ein (Senat, a.a.O. Rn. 108 ff.). Die kontroverse Diskussion werde auch durch die – in der hier angefochtenen Festlegung von der Bundesnetzagentur (dort S. 18) wiederum in Bezug genommenen – Veröffentlichungen von Ballwieser, Drukarczyk und Copeland/Koller/Murrin sowie die Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen zu den Vor- bzw. Nachteilen von arithmetischem und geometrischem Mittelwert als Schätzmethode belegt (Senat, a.a.O. Rn. 108 ff.).
175Der Senat war unter Zugrundelegung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, ausgehend von der Annahme, dass Aktienrenditen der Vergangenheit nicht statistisch unabhängig seien, sondern sogenannte autoregressive Daten darstellten, sei weder die Anwendung des arithmetischen Mittels noch des Blume-Schätzers angezeigt (Senat, a.a.O. Rn. 130). Die Wahl des „Mittels der Mittel“ trage zudem dem der langfristigen Nutzungsdauer der Anlagen entsprechenden Anlagenhorizont Rechnung. Im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung komme weder dem arithmetischen noch dem geometrischen Mittel ein Übergewicht zu (Senat, a.a.O. Rn. 132).
176(3) Die Bundesnetzagentur hat in dem angefochtenen Beschluss (Festlegung, S. 17 ff.) ausgeführt, aus der wissenschaftlichen Literatur lasse sich als Ergebnis verschiedener empirischer Untersuchungen festhalten, dass das arithmetische Mittel generell zu einer Überschätzung und das geometrische Mittel zu einer Unterschätzung der Marktrisikoprämie führe, so dass sich das „Mittel der Mittel“ als sachgerechte und angemessene Berücksichtigung zweier Extrema darstelle. Bei der Festlegung eines Zinssatzes für die Dauer einer Regulierungsperiode werde auf Basis von historischen Datenreihen eine konstante Marktrisikoprämie über einen Zeitraum von 5 Jahren bestimmt, die also nicht für ein Jahr festgelegt werde. Folglich gebe die gewählte Marktrisikoprämie die Erwartung des Investors für den genannten Zeitraum wieder und beziehe sich nicht auf die Erwartung für ein Jahr, die dem arithmetischen Mittel zugrunde liege. Die vorgenommene Mittelwertbildung spiegele zudem die uneinheitliche wissenschaftliche Sichtweise wieder. Die wissenschaftliche Diskussion (erläutert anhand von Veröffentlichungen von Ballwieser, Drukarczy, Cooper und Damodaran) zeige gute Gründe sowohl für die Anwendung des arithmetischen als auch des geometrischen Mittels auf. Ihre Gutachter kämen auch im aktuellen Gutachten, in dem neuere Erkenntnisse erörtert worden seien, unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung zu dem Fazit, dass die Ausgangslage aktuell unverändert sei und sich keine wissenschaftlich eindeutigen Befunde zugunsten der einen oder anderen Mittelungsmethodik erkennen ließen. Dies zeige auch die in den Stellungnahmen im Konsultationsverfahren kontrovers diskutierte Richtigkeit der jeweiligen Ansätze, in dem für das geometrische Mittel der lange zeitliche Horizont und für das arithmetische Mittel die Meinung der aktuelleren wissenschaftlichen Literatur angeführt worden sei.
177bb) Zu Recht nimmt die Bundesnetzagentur an, dass keine Gründe vorliegen, die das arithmetische Mittel gegenüber dem „Mittel der Mittel“ abweichend von der bisherigen Rechtsprechung erstmalig als greifbar überlegen erscheinen lassen.
178(1) Zunächst ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Heranziehung des geometrischen bzw. des arithmetischen Mittels in der Literatur kontrovers diskutiert wird, sich mithin in der wissenschaftlichen Diskussion (derzeit noch) keine einheitliche Auffassung zur Vorzugswürdigkeit des arithmetischen Mittels gebildet hat, die Anlass zu einer Neubewertung gibt.
179Die Bundesnetzagentur hat in der Festlegung zahlreiche Literaturstellen zitiert, aus denen sich ergibt, dass in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Ansätze diskutiert werden und insbesondere kein Konsens über eine Vorzugswürdigkeit des arithmetischen Mittels besteht. Dies gilt insbesondere für die in Fußnote 36 auf Seite 18 der Festlegung zitierte Veröffentlichung von Cooper (1996). Ein Fehlzitat liegt darin nicht, da die Bundesnetzagentur den Aufsatz lediglich insoweit in Bezug genommen hat, als darin die Verwendung von arithmetischem und geometrischem Mittel als umstritten dargestellt wird („Standard references (…) differ (…)“). Dass Cooper die Verwendung des arithmetischen Mittels befürwortet, ist in diesem Zusammenhang nicht maßgeblich. Keine der Beschwerdeführerinnen in den Musterbeschwerdeverfahren hat demgegenüber Belege dafür vorlegt, dass es in der Wissenschaft zwischenzeitlich eine einheitliche Empfehlung für die Verwendung des arithmetischen Mittels gebe.
180(a) Ein solcher Konsens jedenfalls für den hier streitgegenständlichen Anwendungsfall ist auch nicht dadurch hergestellt, dass die Autoren der verwendeten historischen Datenreihen sich eindeutig für die Wahl des arithmetischen Mittels ausgesprochen haben (DMS-Gutachten, S. 16). Dieser Standpunkt ist nicht allein deshalb maßgeblich und die wissenschaftliche Diskussion damit beendet, weil er von den Autoren der DMS-Datensammlung vertreten wird. Aus ihrer Autorenschaft folgen keine Kenntnisse für die Beantwortung der streitgegenständlichen Frage, die denen anderer namhafter Ökonomen überlegen wären.
181(b) Es ist vielmehr seit Beginn der Diskussion um die Mittelwertbildung in der ersten Regulierungsperiode bekannt, dass eine Vielzahl namhafter Ökonomen den Ansatz des arithmetischen Mittelwerts im regulatorischen Kontext favorisiert, unter anderem Cooper, den sowohl die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss (dort S. 18) als auch DMS in Bezug nehmen (DMS-Gutachten, S. 15). Zugleich folgt aus den Ausführungen im DMS-Gutachten, wonach die am weitesten verbreiteten Lehrbücher etwa von Bodie, Kane und Marcus (2021), Hillier, Ross, Westerfield, Jaffe und Jordan (2020) und Brealey, Myers and Allen (2019) ebenso wie die meisten Professoren für Finanzwissenschaften an führenden Business Schools die Verwendung des arithmetischen Mittels befürworten (DMS-Gutachten, a.a.O.), dass das arithmetische Mittel eher der Meinung der aktuelleren wissenschaftlichen Literatur bzw. Auffassung entspricht, die wissenschaftliche Diskussion hierüber aber nicht beendet ist.
182Hierfür sprechen auch die von der Bundesnetzagentur im Beschwerdeverfahren als Anlagen BG 5-7 vorgelegten Veröffentlichungen aus jüngerer Zeit. Koller/Goedhart/Wessels vertreten in ihrem Textbook „Valuation: Measuring and managing the value of companies“ (7. Aufl. 2020, S. 326, Anlage BG 5) die Ansicht, dass der beste Schätzwert bei der Ermittlung historischer Marktrisikoprämien zwischen dem arithmetischen und dem geometrischen Mittel liege und dass das arithmetische Mittel zu einer Überschätzung führe, weshalb unter anderem eine gewichtete Mittelwertbildung anhand des Blume-Schätzers vertreten wird (a.a.O., S. 875). Fernandez („The Equity Premium in 150 Textbooks“, Journal of New Finance, 2020, Vol. 1 No. 3 Article 3, Anlage BG 6) evaluiert 150 Textbooks für Finanzen und Bewertung mit Blick auf die Ermittlung der Marktrisikoprämie und führt die Nutzung sowohl von arithmetischem als auch geometrischem Mittel zur Ermittlung der Marktrisikoprämie an. Auch Kaserer verweist aktuell darauf, dass es seit der Veröffentlichung von Blume im Jahr 1974 eine fortwährende („ongoing“) Debatte darüber gibt, wie die unverzerrte Schätzung der Marktrisikoprämie zu erfolgen hat (Kaserer, “Estimating the market risik premium for valuations: arithmetic or geometric mean or something in between?“, Journal of Business Economics, 2022, 92, 1373, wobei er unter anderem zu dem Ergebnis gelangt, dass der arithmetische Mittelwert gegenüber dem geometrischem Mittelwert und dem „Mittel der Mittel“ als einfachen Schätzern der am besten geeignetste sei, wenn keine Autokorrelation der Daten vorliege). Schließlich wird in dem im Konsultationsverfahren vorgelegten „Gutachten zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für Stromnetzbetreiber anlässlich des Konsultationsverfahrens der BNetzA Juli 2021“ von Prof. Dr. Thomas Wein (Bl. 572 ff. VV Gutachtenband) vom 23.08.2021 das geometrische Mittel – wenn auch ohne nähere Begründung – für ökonomisch plausibler erachtet als das arithmetische Mittel.
183Soweit sich hieraus eine Tendenz in der aktuelleren wissenschaftlichen Literatur zugunsten der Anwendung des arithmetischen Mittels feststellen lässt, was auch die Bundesnetzagentur in der angefochtenen Festlegung ausdrücklich anerkennt (Festlegung, S. 19), rechtfertigt dies (noch) nicht den Schluss, dass sich die Befürworter des arithmetischen Mittels in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt hätten und keine namhaften Gegenstimmen mehr existierten.
184(2) Es sind von den Beschwerdeführerinnen in den Musterbeschwerdeverfahren auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgetragen worden, die das arithmetische Mittel entgegen der bisherigen Betrachtung als klar überlegen erscheinen lassen.
185Die greifbare Überlegenheit des arithmetischen Mittels folgt insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Gutachter der Bundesnetzagentur im streitgegenständlichen Festlegungsverfahren – anders als noch der gerichtliche Gutachter und ihm folgend der erkennende Senat für die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die erste Regulierungsperiode – davon ausgehen, dass für die Autokorrelation von Renditen keine eindeutige empirische Evidenz vorliege (Frontier-Gutachten, S. 30 f.). Dies begründen sie mit der schwachen statistischen Evidenz, die eine Untersuchung der Autokorrelation von Aktien- und Aktienindexrenditen durch Campbell in 2018 aufgewiesen habe, und mit ihren eigenen Analysen der DMS-Datenbank (mit jährlicher Datenfrequenz) für den DMS-Weltaktienindex und die DMS-Weltmarktrisikoprämie über Anleihen, die keine statistisch signifikante Autokorrelation gezeigt habe (Frontier-Gutachten, S. 31, Fn. 26). Dieser Befund wird im DMS-Gutachten (dort S. 15 f.) bestätigt, in dem ebenfalls auf die nahe Null liegende und damit statistisch insignifikante Autokorrelation verwiesen wird.
186Zwar entfällt damit ein gewichtiger Umstand gegen die Verwendung des arithmetischen Mittels. Indes kommt es für die Frage der Eignung des arithmetischen oder des geometrischen Mittels nicht allein auf die statistischen Eigenschaften der Datenreihen an, sondern auch auf den Zusammenhang zwischen dem Mittelwert und der Anlagedauer. Diesbezüglich haben die Gutachter der Bundesnetzagentur erneut überzeugend darauf hingewiesen, dass das arithmetische Mittel den Mittelwert aller historischen jährlichen Renditen, also das gleichgewichtete Mittel über 121 Beobachtungen von Ein-Jahres-Investitionen (Frontier-Gutachten, S. 30), repräsentiere und insoweit nicht dem Erwartungshorizont des Investors im Streitfall entspreche, da die ermittelte Marktrisikoprämie für die gesamte Regulierungsperiode festgelegt werde. Dem ist die Bundesnetzagentur in der angefochtenen Festlegung (dort S. 17) gefolgt.
187Dem in einzelnen Musterbeschwerdeverfahren erhobenen Einwand, dass die Kapitalbasis im regulatorischen Bereich für eine Regulierungsperiode nur einmal (im Basisjahr) festgestellt werde, mithin unflexibel sei, weil sich eventuelle Gewinne und Verluste innerhalb der Regulierungsperiode nicht auf die Kapitalbasis auswirkten, und deshalb letztlich von einer Aneinanderreihung einjähriger Investitionen auszugehen sei, die die Anwendung des arithmetischen Mittels rechtfertige, sind die Gutachter der Bundesnetzagentur im Verhandlungstermin entgegengetreten. Sie haben nachvollziehbar ausgeführt, dass in dieser Fallkonstellation allenfalls ein arithmetisches Mittel über einen Zeitraum von fünf Jahren gebildet werden könne, nicht aber über den gesamten Betrachtungszeitraum der DMS-Datenreihen.
188Dass die Bundesnetzagentur den Anlagehorizont eines Investors in regulierte Netze in den Blick nimmt, führt im Übrigen nicht zu einer unzulässigen Berücksichtigung der nach der Konzeption des CAPM im Beta-Faktor abzubildenden netzbetriebsspezifischen Risiken bei der Ermittlung des Marktrisikos. Auch bei der im Rahmen der Ermittlung der Marktrisikoprämie zu treffenden methodischen Auswahlentscheidung sollte berücksichtigt werden, dass die Ermittlung des Wagniszuschlags im Streitfall im regulatorischen Kontext erfolgt. Ziel der Aufbereitung der Daten zum Zwecke einer zukunftsgerichteten Prognose ist eine möglichst hohe Prognosegüte. Hierzu trägt es bei, wenn der Anlagehorizont im konkreten Kontext in der Auswahlentscheidung Niederschlag findet. Eine Abbildung systematischer Risiken der Netzbetreiber ist hiermit nicht verbunden.
189(3) Die Ausführungen von Frontier Economics in einem für Western Power Distribution gefertigten Gutachten zur „Cost of equity assessment for RIIO ED2“ vom 16.11.2021 (Anlage BG 8) zur Ermittlung des Total Market Returns der Auftraggeber rechtfertigen keine andere Beurteilung. Frontier Economics hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass es keinen wissenschaftlichen Konsens mit Blick auf die hierfür am besten geeignete Methode gibt (S. 12). Die dortigen Erwägungen stehen schon deshalb nicht in Widerspruch zu der in dem von der Bundesnetzagentur beauftragten Frontier-Gutachten vorgeschlagenen Verwendung des „Mittels der Mittel“, weil die Gutachter bei der Auswahl geeigneter Methoden der Mittelwertbildung den Ansatz hatten, eine Bandbreite durch ein möglichst methodenpluralistisches Vorgehen zu ermitteln, wobei sie insbesondere den Standpunkt der Competition and Markets Authority des Vereinigten Königsreichs (CMA) berücksichtigt und bereits deshalb die anhand der Cooper-Methode und der von DMS verwendeten Mittelwertbildung errechneten Datenpunkte ausgeschlossen haben. Sie haben damit ersichtlich dem Gutachtenauftrag bzw. der in Bezug genommenen Regulierungspraxis von Ofgem und CMA Rechnung tragen wollen, so dass ein besonderer, auf den Streitfall nicht übertragbarer Ausgangspunkt vorliegt. Ob bei der Ermittlung des Total Market Returns eines Unternehmens von vornherein andere Anforderungen an die Mittelwertbildung zu stellen sind als bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie innerhalb des CAPM zwecks Festlegung der regulatorischen Eigenkapitalverzinsung, kommt es nach alledem nicht an.
190cc) Es kann schließlich nicht angenommen werden, dass eine stärkere Gewichtung hin zum arithmetischen Mittel unter Verwendung des Blume-Schätzers der gewählten Vorgehensweise greifbar überlegen ist.
191Weder wird geltend gemacht, dass sich die Verwendung eines solchen Schätzers mit einer stärkeren Gewichtung des arithmetischen Mittels in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt hätte, noch werden Gründe vorgetragen, die es gebieten, von der bisherigen Einschätzung abzuweichen und diesen aus sachlichen Gründen als greifbar überlegen anzusehen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Bundesnetzagentur bzw. ihre Gutachter nicht mehr von einer statistisch signifikanten Autokorrelation der Daten ausgehen. Zwar hat der Senat den Blume-Schätzer in der Vergangenheit bereits wegen der vom gerichtlichen Sachverständigen noch angenommenen Autoregression der Daten für ungeeignet erachtet hat (Beschl. v. 24.04.2013 – VI-3 Kart 60/08 [V], juris Rn. 130). Allerdings hat er die fehlende Vorzugswürdigkeit auch mit der Anlagedauer begründet (a.a.O. Rn. 132), so dass sich letztlich keine durchgreifenden neuen Gesichtspunkte ergeben. Wie von den Gutachtern der Bundesnetzagentur bereits in ihrem aus Anlass der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode erstellten Gutachten zur Ermittlung der Zuschläge zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse für Strom- und Gasnetzbetreiber vom 26.06.2016 (dort S. 47 f.) ausgeführt, stellt der Blume-Schätzer nur einen möglichen Ansatz für die Mittelwertbildung dar, der nicht als allgemein akzeptiert angesehen werden könne. Der von Blume vorgeschlagene Rechenalgorithmus, bei dem die Gewichtung von der Investitionsdauer abhänge, sei nicht allgemeingültig für alle Anlagesituationen, Anlagezeiträume etc. zu verstehen, sondern stelle vielmehr den Versuch einer Approximation auf Basis verschiedener Annahmen dar. Es könne nach alledem nicht angenommen werden, dass die Erwartungstreue des von Annahmen abhängigen Blume-Schätzers deutlich höher anzusetzen wäre als diejenige anderer Schätzer, etwa des „Mittels der Mittel“, und deshalb seine Verwendung diesen gegenüber zu deutlich belastbareren Ergebnissen führe. Die Bundesnetzagentur hat den ihr zustehenden weiten Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum fehlerfrei ausgeübt, wenn sie sich vor diesem Hintergrund der Empfehlung ihrer Gutachter folgend dafür entschieden hat, weiterhin das „Mittel der Mittel“ zu verwenden (Festlegung, S. 17). Da sie den Rückgriff auf das „Mittel der Mittel“ als einfachem Schätzer hinreichend und plausibel begründet hat, greift der Vorwurf, sie habe sich der Auswahlentscheidung entzogen, nicht durch.
192Die vorstehenden Erwägungen sind im Übrigen auf andere Schätzer, die eine stärkere Annäherung an das arithmetische Mittel ermöglichen, wie den in den vergangenen Festlegungen diskutierten Cooper-Schätzer, übertragbar.
193e) Nicht zu beanstanden ist zudem die Ermittlung des Aufschlags auf den Wagniszuschlag, mit dem die Bundesnetzagentur Inkonsistenzen zwischen dem risikolosen Basiszinssatz (Umlaufsrenditen) und der relativ zu Bonds ermittelten Marktrisikoprämie hinsichtlich der Laufzeitprämie (zur Abdeckung des Laufzeit- und Kreditrisikos) und der Verfügbarkeitsprämie (sog. Convenience Yield) abbilden wollte.
194aa) Die Bundesnetzagentur hat im angefochtenen Beschluss (Festlegung, S. 38 f.) unter Berücksichtigung der von ihren Gutachtern und im Rahmen des Konsultationsverfahrens hierzu vorgebrachten Argumente den Wagniszuschlag um 0,395 Prozentpunkte erhöht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sich bei der Ermittlung und Quantifizierung der Laufzeitunterschiede zwei Ansätze verfolgen ließen. Ihre eigenen Gutachter hätten eine Verzerrung mittels einer Analyse der Duration vorgenommen, Oxera hingegen die Restlaufzeiten betrachtet. Beide Ansätze seien nutzbar und erklärten denselben Sachverhalt in ähnlicher Weise. Bei der Ermittlung der Verfügbarkeitsprämie liege eine wesentliche Schwäche des Ansatzes von Oxera darin, dass deren Vorgehensweise zu einer gänzlichen Anpassung der Verfügbarkeitsprämie führen würde, den Wert zur Harmonisierung von DMS-Reihen und Umlaufsrenditen nach § 7 GasNEV also eher überschätzen würde. Insgesamt könne nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass mit den von ihren eigenen Gutachtern ermittelten Werten zur Anpassung des Wagniszuschlags der Zielwert zur Harmonisierung von Umlaufsrenditen nach § 7 Abs. 4 GasNEV unterschätzt werden könne. Betrachte man beide Anpassungsgründe, so quantifizierten beide Gutachter am aktuellen Rand der Summe keine quantitativen Unterschiede mehr, was zeige, dass die Untergrenze einer Anpassung bei Null nachvollziehbar begründet sei, während die bei einer 10-Jahresmittelung ermittelten Werte zeigten, dass sehr wohl ein Anpassungsbedarf bestehen könne. Es sei angemessen, als Zuschlag das arithmetische Mittel der ermittelten Untergrenze von Null und der von Oxera unter Berücksichtigung eines 10-Jahres-Mittelwerts ermittelten 0,79 Prozentpunkte als oberem, den wahren Wert aber überschätzenden Wert zu verwenden. Denn aus den durch die Gutachter ermittelten unteren und oberen Werten könne unter Berücksichtigung der genannten Unsicherheiten kein Wert ermittelt werden, in dem alle Rahmenbedingungen sowohl aus einer prognostischen als auch einer historischen Perspektive Berücksichtigung finden könnten, insbesondere wenn die dahinterstehenden Prämissen, etwa die Wahl des richtigen Ansatzes zur Bestimmung der Laufzeit – Duration vs. Restlaufzeit – oder die Frage des zu betrachtenden Zeitraums – 10 Jahre aus historischer Perspektive vs. aktueller Rand aufgrund des Prognosecharakters – konträr zueinander stünden.
195bb) Es begegnet in methodischer Hinsicht zunächst keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Bundesnetzagentur den Korrekturbedarf, den sie – ihren Gutachtern folgend – wegen Zinsunterschieden zwischen dem risikolosen Basiszinssatz nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV und dem DMS World Bond Index als Schätzer des risikolosen Zinssatzes bei der Bestimmung des Wagniszuschlags ausgemacht hat, durch eine Anpassung des Wagniszuschlags adressiert und diesen Inkonsistenzen nicht bereits im Rahmen der Anwendung des CAPM begegnet. Soweit in einzelnen Musterbeschwerdeverfahren geltend gemacht worden ist, letzteres sei der aus wissenschaftlicher Sicht greifbar überlegene Weg, so gilt dies schon deshalb nicht, weil die Auswahlentscheidung der Bundesnetzagentur zugunsten der Ermittlung der Marktrisikoprämie im CAPM über historische Datenreihen hinzunehmen ist und diese Vorgehensweise bei der Verwendung der fehlerfrei herangezogenen DMS-Datenreihen zwangsläufig zu Inkonsistenzen zwischen den verwendeten risikolosen Zinssätzen führt. So entsteht wie voranstehend dargestellt auch bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie relativ zu Bills statt Bonds ein Anpassungsbedarf. Demgemäß ist auch nicht aufgezeigt worden, in welcher konkreten, greifbar überlegenen Weise die Korrektur bereits bei Anwendung des CAPM hätte erfolgen sollen.
196Gleichermaßen ist es nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur ihren Gutachtern (Frontier-Gutachten, S. 64) folgend die quantifizierten vermuteten Auswirkungen systematischer Abweichungen bzw. Inkonsistenzen der verwendeten zwei risikolosen Zinssätze nicht unmittelbar bei der Höhe der sich ergebenden Marktrisikoprämie, sondern als additiven Faktor zum Eigenkapitalzinssatz berücksichtigt hat. Ihre Gutachter haben letzteres für überlegen angesehen. Gründe, die eine andere Vorgehensweise für greifbar überlegen erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich, zumal es sich um eine Besserstellung der Netzbetreiber handelt, da die Anpassung nicht durch eine Multiplikation mit dem unter eins liegenden Beta-Faktor reduziert wird.
197cc) Die Annahme der Bundesnetzagentur, dass eine Anpassung des Wagniszuschlags zur Quantifizierung der Laufzeitunterschiede und Unterschiede bei der Verfügungsbarkeitsprämie geboten ist und hierfür sowohl die Vorgehensweise ihrer eigenen Gutachter als auch die im Oxera-Gutachten 2021b vorgeschlagenen Vorgehensweisen grundsätzlich geeignet sind, lässt keine Fehler erkennen.
198(1) In die Berechnung der Umlaufsrenditen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV gehen nicht nur Staats-, sondern auch Unternehmensanleihen ein, deren Ursprungslaufzeit mehr als vier Jahre und deren Restlaufzeit mehr als drei Jahre beträgt. In den DMS World Bond Index finden hingegen nur langfristige Staatsanleihen Eingang, wobei ausweislich des Yearbooks 2021 nach Möglichkeit Anleihen mit Laufzeiten von 10 Jahren oder mehr verwendet werden. So werden für Deutschland etwa seit 1995 der TSE Germany Government Bond 10+ Year Index, für frühere Zeiträume teilweise kürzere oder längere Indizes verwendet (Frontier-Gutachten, S. 65). Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben deshalb einen Anpassungsbedarf hinsichtlich der Laufzeit und des Kreditrisikos identifiziert. Dieser resultiert zum einen daraus, dass der Zinssatz für einen Kredit auch durch eine Prämie für die Laufzeit bestimmt wird und Investoren üblicherweise höhere Zinsen bei einer längeren Laufzeit der Anleihe erwarten. So wird im Oxera-Gutachten 2021b (dort S. 18) darauf hingewiesen, dass bei einer steigenden Zinsstrukturkurve für längere Restlaufzeiten höhere Zinsen gezahlt werden (sog. Laufzeitprämie), entweder weil der Markt höhere Zinsen für die Zukunft erwartet oder weil unabhängig von der Zinserwartung eine längere Bindungsdauer mit einer Liquiditätsprämie und einer Risikoprämie abgegolten wird. Zum anderen weisen Unternehmensanleihen üblicherweise eine höhere Rendite als Staatsanleihen auf (Oxera-Gutachten 2021b, S. 14 f.).
199Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben die Renditen für deutsche Anleihen mit einer konstanten Duration von 10 Jahren mithilfe einer Zeitreihe für Nullkuponanleihen mit 10 Jahren Restlaufzeit ermittelt und mit der Umlaufsrendite nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV verglichen, um die Unterschiede im Hinblick auf die Laufzeit und das Kreditrisiko in einem Schritt abzubilden. Die Differenz liegt im Mittelwert über den Zeitraum von 2011 bis 2020 bei 10 Basispunkten.
200Oxera hat hinsichtlich der unterschiedlichen Restlaufzeit der beiden risikolosen Zinssätze hingegen einen zusätzlichen Korrekturbedarf von 54 Basispunkten identifiziert: Einer Laufzeitprämie in Höhe von 66 Basispunkten, die sich aus einer Rendite einer deutschen Staatsanleihe einschließlich Kuponzahlung mit 16-jähriger Restlaufzeit ableitet, und einem Abzug von 12 Basispunkten, der dem Unterschied zwischen den Umlaufsrenditen gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV insgesamt und den Renditen ausschließlich börsennotierter Bundeswertpapiere entspricht.
201Beide Ansätze tragen damit dem Umstand Rechnung, dass die durchschnittliche Restlaufzeit des DMS-Anleiheportfolios bei ca. 16 und nicht bei 10 Jahren liegt (Oxera-Gutachten 201b, S. 17), was unter anderem durch die langen Restlaufzeiten von US- und UK-Bonds bedingt ist. So verwendet der für die USA seit 1927 zugrundegelegte „Ibbotson Associates` long bond index“ langfristige US-Anleihen mit ca. 20 Jahren Laufzeit (Frontier-Erläuterungen zu BDEW/Oxera, S. 4; Oxera-Gutachten 2021b, S. 17). Allerdings nehmen die Gutachter der Bundesnetzagentur dabei nicht unmittelbar die Restlaufzeit, sondern die Duration, d.h. die durchschnittliche Bindungsdauer des Kapitaleinsatzes, in den Blick. Bei Laufzeiten typischerweise über 10 Jahren gehen sie von einer Duration von 10 Jahren aus, die sie über die Zeitreihe für Nullkuponanleihen mit 10 Jahren Restlaufzeit über die Deutsche Bundesbank abgebildet sehen (Frontier-Gutachten, S. 65; vgl. auch Frontier-Erläuterungen zu Oxera, S. 4).
202(2) Die Verfügbarkeitsprämie (Convenience Yield) reflektiert theoretisch die Prämie, die Investoren zu zahlen bereit sind, weil Staatsanleihen liquide sind oder als Zahlungsmittel bzw. Sicherheitsleistung verwendet werden können (Oxera-Gutachten 2021b, S. 15 m.w.N.). Insoweit gehen die Gutachter der Bundesnetzagentur davon aus, dass deutsche Staatsanleihen international eine Sonderstellung einnehmen. Bezugnehmend auf ein Arbeitspapier von Jiang unter anderem (Jiang/Lustig/Van Nieuwerburg/Xiaolan, 2021, „Bond Convenience Yields in the Eurozone Currency Union“, Working Paper) stellen sie fest, es bestehe eine Evidenz dafür, dass deutsche Bundesanleihen derzeit eine stärker ausgeprägte Convenience Yield aufwiesen als eine solche, die im langfristigen Durchschnitt des DMS World Bond Index enthalten sei (Frontier-Gutachten, S. 67 f.). Deutsche Bundesanleihen nähmen damit in der Eurozone eine Sonderstellung ein. Diese Einschätzung wird von den Gutachtern von Oxera (Oxera-Gutachten 2021b, S. 15, 22) ausdrücklich geteilt.
203Der Ansatz der Gutachter der Bundesnetzagentur, die Convenience Yield anhand einer Gegenüberstellung der Rendite 10-jähriger deutscher Nullkuponanleihen mit der Rendite 10-jähriger Nullkuponanleihen von Ländern der Eurozone mit AAA-Rating zu vergleichen, wobei sich eine durchschnittliche Renditedifferenz im Zeitraum von 2011 bis 2020 von 15 Basispunkten ergibt, ist hierbei vertretbar. Die Einbeziehung Deutschlands in die Vergleichsgruppe ist grundsätzlich durch die Überlegung gerechtfertigt, dass eine Korrektur der geschätzten Marktrisikoprämie nur insoweit sinnvoll ist, als die aktuell in den Renditen deutscher Bundesanleihen enthaltene Convenience Yield von dem langfristigen Durchschnitt über Länder und Zeit der historischen Marktrisikoprämie bei DMS, die bereits eine Convenience-Yield-Komponente enthält, abweicht (vgl. Frontier-Erläuterung zu BDEW/Oxera, S. 5). Allerdings ist zu beachten, dass in der Eurozone nur Deutschland, Luxemburg und die Niederlande über ein AAA-Rating verfügen und Deutschland die größte Volkswirtschaft ist, so dass die Gefahr besteht, dass der Vergleichsindex von deutschen Staatsanleihen dominiert wird, anders als im DMS-Portfolio (Oxera-Gutachten 2021b, S. 23 f.).
204Die Gutachter von Oxera haben demgegenüber zwei Ansätze aufgezeigt. Zum einen haben sie einen Vergleich von deutschen und niederländischen Nullkuponanleihen mit 10 Jahren Restlaufzeit durchgeführt, wobei sie selbst darauf hinweisen, dass diese Betrachtung die Annahme voraussetzt, dass der ermittelte Anpassungsbedarf gegenüber den Niederlanden als einzigem AAA-Land im Währungsraum mit entsprechenden Daten repräsentativ für alle anderen Länder des DMS-Datensatzes ist (Oxera-Gutachten 2021b, S. 25). Hieraus resultiert eine Renditedifferenz bei einem Betrachtungszeitraum über 10 Jahre von 21 Basispunkten und zum Dezember 2020 von 8 Basispunkten. Zum anderen haben sie einen Vergleich deutscher Staatsanleihen mit denen der anderen Länder der Eurozone vorgenommen, wobei bei diesen zuvor Unterschiede für die Ausfallrisiken (dargestellt durch die Differenz der Credit Default Swaps Spreads) herausgerechnet wurden. Hiernach ermittelt sich ein Anpassungsbedarf bei einer Mittelwertbildung über 10 Jahre von 25 Basispunkten und zum Dezember 2020 von 10 Basispunkten. Ersterer Ansatz beruht damit auf einer wenig belastbaren Prämisse, weshalb auch die Gutachter von Oxera den zweiten Ansatz als überlegen angesehen haben. Dieser Ansatz ist dem der Gutachter der Bundesnetzagentur insbesondere nicht deshalb greifbar unterlegen, weil Deutschland aus der Vergleichsgruppe eliminiert worden ist, obgleich Ziel die Abbildung der höheren Convenience Yields Deutschlands im Vergleich zu den in den DMS-Datenreihen bereits enthaltenen, Deutschland einschließenden Verfügbarkeitsprämien ist. Der Umstand, dass der so ermittelte Anpassungsbedarf repräsentativ für alle anderen Länder des DMS-Datensatzes ist, wird im Oxera-Gutachten 2021b (dort S. 26) dadurch adressiert, dass der Anteil Deutschlands am DMS World Bond Index von 6 % aus der sich ursprünglich ergebenden Differenz von 27 Basispunkten herausgerechnet wurde.
205dd) Da hiernach die von beiden Gutachterkonsortien vertretenen Ansätze zur Ermittlung des Anpassungsbedarfs jeweils vertretbar sind und zudem keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Vorgehensweise der Gutachter der Bundesnetzagentur der im Oxera-Gutachten 2021b vorgeschlagenen Vorgehensweise greifbar überlegen wäre, begegnet es keinen Bedenken, dass die Bundesnetzagentur den oberen Rand des möglichen Anpassungsbedarfs anhand der von Oxera ermittelten Werte bestimmt hat.
206ee) Ebenso wenig begegnet es Bedenken, dass die Bundesnetzagentur den unteren Rand der Anpassung mit Null bestimmt hat.
207Es ist methodisch vertretbar, Abweichungen in der Entwicklung der Kapitalmarktverhältnisse einzelner Jahre (Trendabweichungen) als eine untere Grenze für den Korrekturbedarf eines langfristigen Mittelwerts zu betrachten. Zwar ist es grundsätzlich konsistenter zu der langfristigen Betrachtung, die dem sich über einen Zeitraum von 121 Jahren erstreckenden DMS World Bond Index als dem anzupassenden Wert zugrunde liegt, den Mittelwert über 10 Jahre zu betrachten. Allerdings liegt wegen der unterschiedlichen Betrachtungszeiträume auch hierhin keine vollständige Konsistenz. Vielmehr können aufgrund der verhältnismäßigen Kürze eines Betrachtungszeitraums von 10 Jahren kurzfristige Schwankungen eher Relevanz gewinnen als bei einem Betrachtungszeitraum von 121 Jahren, da sich Glättungseffekte in deutlich geringerem Maß einstellen. Hinzu kommt, dass die Gutachter der Bundesnetzagentur zutreffend darauf hinweisen, dass sich die Charakteristika der beiden risikolosen Zinssätze über die Zeit ändern und letztere nur grob geschätzt werden können, weshalb bei der Interpretation der Ergebnisse die damit verbundenen Unsicherheiten zu berücksichtigen sind (Frontier-Gutachten, S. 64). Es begegnet deshalb keinen Bedenken und begründet auch keinen Widerspruch zu sonstigen Auswahlentscheidungen der Bundesnetzagentur, wenn diese den Umstand, dass beobachtete Renditeunterschiede in einzelnen Jahren nicht stark ausgeprägt (bzw. sogar negativ) sind, in die Betrachtung miteinbezieht, um eine Bandbreite für die Schätzung des Anpassungsbedarfs zu ermitteln. Dies gilt umso mehr, als Oxera zum Dezember 2020, d.h. dem jüngsten Betrachtungszeitpunkt, eine Renditedifferenz zur Anpassung für Renditen von Unternehmensanleihen und Restlaufzeitunterschieden von -0,08 % (0,20 % Aufschlag für die Laufzeitprämie und 0,28 % Abschlag für die Unterschiede zwischen Umlaufsrenditen und Staatsanleihen) und eine Renditedifferenz zur Anpassung für Unterschiede in Verfügbarkeitsprämien von 0,08 % (Renditedifferenz ausgehend von 10-jährigen Nullkuponanleihen der Niederlande und Deutschlands) bzw. 0,10 % (Renditedifferenz ausgehend von 10-jährigen Nullkuponanleihen der Euroländer und Deutschlands als präferierter Methode) ermittelt (Oxera-Gutachten, Tabelle 2.1 und 2.2, S. 22 und 27). Auch die Gutachter der Bundesnetzagentur haben zuletzt (von ca. Anfang 2019 bis Oktober 2020) eine negative Differenz hinsichtlich der Anpassung „Laufzeit/Kreditrisiko“ ermittelt (Frontier-Gutachten, S. 66, Abb. 7) und nahezu keine Differenz hinsichtlich der Anpassung wegen unterschiedlicher Convenience Yields (Frontier-Gutachten, S. 68, Abb. 8).
208ff) Hieraus folgend stellt die Verwendung des arithmetischen Mittels zwischen dem von Oxera anhand eines Mittelwerts über 10 Jahre ermittelten Anpassungsbedarf von 0,79 % und dem sich letztlich unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Untersuchungen beider Gutachterkonsortien vertretbar ergebenden geringstmöglichen Anpassungsbedarf von Null eine nachvollziehbar begründete und damit sachangemessene Auswahlentscheidung der Bundesnetzagentur dar. Umstände, die eine Orientierung zum oberen oder unteren Ende der Bandbreite hin erforderten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
209f) Dass der Wagniszuschlag zwingend einem darüber hinausgehenden Anpassungsbedarf unterliegen würde, ist nicht ersichtlich.
210aa) Ein zwingender Korrekturbedarf des ermittelten Wagniszuschlags wegen Inkonsistenzen zwischen den verwendeten risikolosen Zinssätzen mit Blick auf Ausfallrisiken, wie etwa von den Gutachtern von Oxera vorgeschlagen, besteht nicht. Dies folgt aus den Ausführungen unter c) bb) (1), wonach eine erhebliche Verzerrung der Marktrisikoprämie infolge von Ausfallrisiken nicht zu befürchten ist.
211bb) Die Bundesnetzagentur war auch nicht verpflichtet, eine Anpassung wegen besonderer gegenwärtiger bzw. zukünftig absehbarer Risiken der Netzbetreiber vorzunehmen, und zwar unabhängig davon, ob man bei der Betrachtung dieser Risiken auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung oder den der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abstellt (hierzu noch nachfolgend unter 8.).
212(1) Dies gilt zunächst mit Blick auf die durch den Klimawandel angestoßene Energiewende, die die Energieversorgungsnetze vor besondere Herausforderungen stellt. Infolge der Dekarbonisierung der Energieversorgung entwickelt sich die Gasversorgung zu einer Brückentechnologie, bei der zweifelhaft ist, in welchem Umfang Gasversorgungsanlagen über die gesamte vorgesehene Nutzungsdauer tatsächlich genutzt werden.
213(a) Die Bundesnetzagentur hat im angefochtenen Beschluss geltend gemacht, dass sie anhand einer qualitativen Risikoanalyse verschiedene vorgetragene Risiken darauf geprüft habe, ob eine Unterscheidung zwischen Betreibern von Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzen im Zusammenhang mit der Bestimmung des Risikofaktors erforderlich sei. Diese Risikoanalyse habe darüber hinaus gezeigt, dass keine Notwendigkeit bestehe, den Zuschlag zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse zu korrigieren, da der Rechtsrahmen die Risiken bereits ausreichend berücksichtige und neutralisiere (Festlegung, S. 45). Mit Blick auf die „höchst ambitionierten Ziele Deutschlands in der Gestaltung der künftigen Energieversorgung“, durch die insbesondere die Gasversorgung als Brückentechnologie mehrfach betroffen sei, gelte, dass durch die Berücksichtigung vorzeitiger Anlagenabgänge das vorzeitige Ausscheiden einzelner Leitungen bzw. Leitungsgebiete grundsätzlich regulatorisch abbildbar sei. Daneben richte sich die Festlegung auf einen Zeitraum, in dem absolut sicher sei, dass sich konkrete Dekarbonisierungserwägungen nicht auf die Gasnetzinfrastruktur auswirken werden. Schließlich seien bei der Berücksichtigung des Risikozuschlags Beta-Werte verschiedener Gasnetzbetreiber mit eingegangen, die von dem weltweiten Trend von mitunter weitergehenderen Dekarbonisierungsdebatten durchaus stärker tangiert sein dürften. Sofern sich hieraus ein Effekt ergebe, wäre dieser systematisch schon bei der Bildung des Risikozuschlags mitberücksichtigt (Festlegung, S. 46).
214(b) Unabhängig davon, ob man mit der Bundesnetzagentur davon ausgeht, dass sich konkrete Dekarbonisierungserwägungen „absolut sicher“ nicht in der vierten Regulierungsperiode auf die Gasnetzinfrastruktur auswirken werden, hat sie in vertretbarer Weise angenommen, dass die darin liegenden Risiken keinen Aufschlag auf den Wagniszuschlag erforderlich machen. Der stabile Regulierungsrahmen in Deutschland kann flexibel auf spezielle Herausforderungen und Risiken reagieren, so dass dem Risiko eines künftigen Wegfalls der Betriebsnotwendigkeit von Gasversorgungsanlagen in diesem Rahmen begegnet werden kann. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dies Bundesnetzagentur dieses Risiko, das sie in der Festlegung ausdrücklich thematisiert hat, missachten und zukünftig nicht angemessen adressieren wird. So hat sie das Risiko, das heute neu errichtete Anlagen kalkulatorisch nicht mehr vollständig in den kalenderjährlichen Erlösobergrenzen berücksichtigt werden könnten, in ihrer KANU-Festlegung vom 08.11.2022 (BK9-22/614) berücksichtigt. Damit hat sie diesbezüglich Problembewusstsein gezeigt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Festlegung die hieraus entstehenden Risiken bereits umfassend adressiert.
215Des Weiteren sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass sich die Herausforderungen, denen sich die deutschen Gasnetzbetreiber gegenübersehen, qualitativ erheblich von denen anderer, bei der Ermittlung des Beta-Faktors bereits berücksichtigter börsennotierter Netzbetreiber als Vergleichsunternehmen aus Europa, Australien und den USA (Festlegung, S. 27) unterscheiden. Denn diese sind ebenfalls erheblichen Herausforderungen infolge des erforderlichen grundlegenden Umbaus des Energiesektors, der durch die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens vom 12.12.2015 bzw. diese ausfüllende zusätzliche Vorgaben insbesondere auf europäischer Ebene bedingt ist, ausgesetzt.
216Ein Vergleich mit der festgelegten Eigenkapitalverzinsung von 9 % vor Steuern für regulierte Wasserstoffnetze im Sinne des § 28j ff. EnWG i.V.m. § 10 WasserstoffNEV kann schließlich schon deshalb keinen Anpassungsbedarf des Wagniszuschlags rechtfertigen, weil der dort erst in der Entstehung befindliche regulatorische Rahmen nicht mit demjenigen für Strom- und Gasnetze vergleichbar ist.
217(c) Dass die Bundesnetzagentur auf eine für den Strom- und Gasbereich durchgeführte qualitative Risikoanalyse Strom und Gas verweist, ohne die in diesem Zusammenhang angestellten Untersuchungen bzw. Erwägungen sodann zusammenhängend und umfassend darzustellen, verstößt nicht gegen das Begründungserfordernis in § 73 Abs. 1 EnWG.
218Der Zweck des Begründungserfordernisses nach § 73 Abs. 1 EnWG besteht darin, den Beteiligten und dem Gericht die Überprüfung der Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Hierzu ist es in Anlehnung an § 39 Abs. 1 VwVfG ausreichend, aber auch erforderlich, diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen anzuführen, aus denen sich die Rechtmäßigkeit der ergangenen Entscheidung ergibt, so dass der betroffene Netzbetreiber entscheiden kann, ob er gegen die regulierungsbehördliche Entscheidung vorgehen will (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 07.10.2014 – EnVR 25/12, juris Rn. 30; Beschl. v. 21.01.2014 – EnVR 12/12, juris Rn. 100 – Stadtwerke Konstanz GmbH; ebenso OLG Schleswig, Beschl. v. 01.02.2021 – 53 Kart 21/19, juris Rn. 56; siehe auch Senat, Beschl. v. 26.10.2016 – VI-3 Kart 18/15 [V], juris Rn. 143 f.; Beschl. v. 17.02.2016 – VI-3 Kart 139/12 [V], juris Rn. 39; Beschl. v. 03.03.2021 – VI-3 Kart 856/19, juris Rn. 63 – KASPAR-Festlegung). Dabei sind an die Begründungspflicht keine überspannten Anforderungen zu stellen. Maßgeblich ist, dass die Begründung es ermöglicht, die tragenden Erwägungen nachzuvollziehen, um diese bewerten und gerichtlich überprüfen zu können (Senat, a.a.O.; OLG Düsseldorf, 5. Kartellsenat, Beschl. v. 12.05.2022 – VI-5 Kart 2/21 [V], juris Rn. 56).
219Im Streitfall genügt die Begründung des Beschlusses diesen Anforderungen. Durch den Verweis auf eine qualitative Risikoanalyse bringt die Bundesnetzagentur zum Ausdruck, dass sie verschiedene vorgetragene Risiken betrachtet und bewertet hat. Wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt, sind die von ihr diesbezüglich getroffenen Feststellungen und Wertungen an verschiedenen Stellen im angefochtenen Beschluss jedenfalls zusammenfassend wiedergegeben, so dass es der Beschwerdeführerin möglich ist, sich mit den einzelnen Bewertungen auseinanderzusetzen, wie dies in einigen der Musterbeschwerdeverfahren auch geschehen ist. Deshalb bezweifelt der Senat auch nicht die grundsätzliche Durchführung einer solchen Analyse, der, wie die Bezeichnung als qualitative Analyse zeigt, keine quantitativen Betrachtungen zugrundeliegen, die den Verfahrensbeteiligten hätten bekannt gemacht werden müssen.
220(2) Dass es Risiken durch die notwendige Umgestaltung des Regulierungsrahmens in Deutschland infolge der Rechtsprechung des Gerichtshofs gebe, die eine Anpassung des Wagniszuschlags erforderlich machen würden, weil sonst eine angemessene Eigenkapitalverzinsung i.S.d. § 21 Abs. 2 EnWG nicht gewährleistet sei, ist ebenfalls nicht erkennbar. Es kann dahinstehen, ob sich, wie die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss angenommen hat, bei der Betrachtung des regulatorischen Rahmens keine besonderen regulatorischen Risiken erkennen lassen und schon im Ansatz nicht ersichtlich ist, inwiefern eine verordnungsseitig vorgegebene Ermittlung einer regulatorischen Bemessungsgrundlage einen Einfluss auf die Höhe des Zinssatzes haben sollte (Festlegung, S. 41). Jedenfalls waren und sind gerade auch nach dem zwischenzeitlichen Vorliegen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die erforderliche Umgestaltung des Regulierungsrahmens zu so ausgeprägten Brüchen in der deutschen Netzentgeltregulierung führen könnte, dass Investoren aufgrund dieses Risikos Aufschläge auf die erwarteten Renditen verlangen würden.
221cc) Die aktuellen Kapitalmarktverhältnisse geben auch mit Blick auf COVID-19 und die Ausrichtung an sog. Environmental-Social-Governance-Kriterien keinen Anlass, eine Anpassung des Wagniszuschlags zwingend vorzusehen.
222Diesbezüglich hat die Bundesnetzagentur im Wesentlichen auf die Ausführungen ihrer Gutachter im Frontier-Gutachten verwiesen (Festlegung, S. 46). Dort wird ausgeführt, dass die zahlreichen Effekte der COVID-19-Pandemie auf die Unternehmensfinanzierung gut dokumentiert seien und die aktuelle empirische Evidenz eine mögliche Veränderung der Risikoprämien zeige, die nicht über das normale Beta erfasst werden könnte, es aber noch zu früh sei, um belastbare Aussagen über die Veränderung der zukünftigen Kapitalkosten treffen zu können (Frontier-Gutachten, S. 69 f.). Zudem haben die Gutachter der Bundesnetzagentur angeführt, dass der Durchschnitt des über das letzte Jahr geschätzten Betas nur in geringem Ausmaß vom Durchschnitt über eine Mehrjahresperiode abweiche und auch die geschätzte Höhe der Weltmarktrisikoprämie durch COVID-19 kaum beeinflusst worden sei. Es ist von daher ohne Weiteres nachvollziehbar, dass sie keine Evidenz für eine Anpassung der Höhe der Weltmarktrisikoprämie infolge von COVID-19 gesehen haben. Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin keinen Vortrag gehalten, der Anlass zu einer anderen Beurteilung geben oder eine solche sogar gebieten würde.
223Dies gilt auch, soweit die Gutachter der Bundesnetzagentur (Frontier-Gutachten, S. 70) darauf verwiesen haben, dass die Ausrichtung auch von Investitionsrichtlinien an Environmental-Social-Governance-Kriterien ein bedeutender Trend an den Kapitalmärkten sei und aktuelle Studien zeigten, dass Kapitalkosten für „grüne“ Emittenten tatsächlich niedriger seien, wobei dies für Emissionsrenditen von Anleihen gelte und ein klarer empirischer Befund bei Aktien noch ausstehen würde. Es ist deshalb ohne Weiteres vertretbar, eine Berücksichtigung bei der Bestimmung des Wagniszuschlags derzeit noch nicht vorzunehmen.
224g) Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Festlegung mit Blick auf die zwischenzeitlich zu beobachtende sog. Zinswende wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter 8. verwiesen.
2256. Das Vorgehen der Bundesnetzagentur ist auch mit der Vorgabe aus § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV zur Berücksichtigung der Eigenkapitalzinssätze ausländischer Regulierungsbehörden zu vereinbaren.
226a) Gemäß § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV ist die Höhe des Wagniszuschlags („insbesondere“) auch unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Verzinsung des Eigenkapitals von Betreibern von Gasversorgungsnetzen auf ausländischen Märkten zu ermitteln. Diese normative Vorgabe (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 44 – Eigenkapitalzinssatz II; a.a.O.Rn. 27 – Eigenkapitalzinssatz III) hat die Bundesnetzagentur mit ihrem Ansatz – trotz Absehens von einer nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV an sich naheliegenden Durchschnittswertbetrachtung – beachtet.
227aa) Die Bundesnetzagentur hat insoweit – in gleicher Weise wie bei der Festlegung der Eigenkapitalverzinsung für die dritte Regulierungsperiode (vgl. Beschl. v. 05.10.2016 – BK4-16-161, S. 27 ff.) – ihren Gutachtern folgend (vgl. Frontier-Gutachten, S. 72 ff., 79, 88 f.) unter Verweis auf die bereits hinreichend erfolgte Berücksichtigung der Verhältnisse auf ausländischen Märkten durch die Anwendung des CAPM sowie der sich im Hinblick auf unterschiedliche Zeitpunkte, Rahmenbedingungen und Herangehensweisen ergebenden Restriktionen bei der quantitativen Vergleichbarkeit der Eigenkapitalzinssätze und deren eingeschränkter Aussagekraft von einer umfassenden Analyse der Verzinsung des Eigenkapitals von Netzbetreibern unter dem Regime ausländischer Regulierungsbehörden und -systeme abgesehen und sich zwecks weiterer Plausibilisierung des gefundenen Ergebnisses darauf beschränkt zu überprüfen, ob der so ermittelte Zinssatz innerhalb der Bandbreite von 14 europäischen Vergleichsländern und Australien liegt. Bei dieser lediglich ergänzend vorgenommenen Vergleichsbetrachtung habe sich eine Bandbreite der Eigenkapitalzinssätze der Vergleichsländer nach Steuern von ca. 3,22 % und 8,08 % ergeben, so dass der für Deutschland ermittelte Eigenkapitalzinssatz von 4,13 % nach Steuern hiernach in der Bandbreite der Vergleichsländer liege (Festlegung, S. 41 f.).
228bb) Dieses Vorgehen ist ein sachlich möglicher, plausibler und ausreichend begründeter Ansatz, der auf einer nicht zu beanstandenden Ausübung des der Bundesnetzagentur auch insoweit zustehenden Beurteilungs- und Entscheidungsspielraums beruht.
229(1) Wie der Bundesgerichtshof bereits im Zusammenhang mit den (Rechts-)Beschwerden gegen die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode entschieden hat, wird von § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV keine bestimmte Methode vorgegeben, mit der die normativ geforderte Berücksichtigung der durchschnittlichen Verzinsung des Eigenkapitals von Netzbetreibern auf ausländischen Märkten zu erfolgen hat. Insbesondere ist die Bundesnetzagentur danach nicht gehalten, anhand von Entscheidungen ausländischer Behörden einen Durchschnitt zu bilden und sich an diesem zu orientieren. Vielmehr steht ihr auch insoweit ein „Spielraum“ zu (BGH, a.a.O.Rn. 69 f. – Eigenkapitalzinssatz II; Beschl. v. 09.07.2019– EnVR 41/18, juris Rn. 69 f.; Beschl. v. 03.03.2020 – EnVR 56/18, juris Rn. 6 ff., 34).
230In Anbetracht dessen hat es der Bundesgerichtshof bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode nicht beanstandet, dass die Bundesnetzagentur – in Ausfüllung des ihr insofern zukommenden Spielraums – die von § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV geforderte Berücksichtigung der Verhältnisse auf ausländischen Märkten in Bezug auf die Verzinsung des Eigenkapitals bereits durch die Anwendung des CAPM für hinreichend beachtet und umgesetzt erachtet hatte, weil dabei eine internationale Referenzgruppe von Unternehmen zur Bestimmung des Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse herangezogen wird (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 66 ff. – Eigenkapitalzinssatz II; Beschl. v. 09.07.2019 – EnVR 41/18, juris Rn. 66 ff.). Weiterhin hat es der Bundesgerichtshof für zulässig erachtet, dass die Bundesnetzagentur sich dazu entschieden hat, im Hinblick auf unterschiedliche Zeitpunkte, Rahmenbedingungen und Herangehensweisen von einer umfassenden Analyse der Eigenkapitalzinssätze ausländischer Regulierungsbehörden abzusehen und lediglich zu überprüfen, ob der mit Hilfe von CAPM und historischen DMS-Datenreihen ermittelte Zinssatz innerhalb der Bandbreite europäischer Vergleichsländer liegt (BGH, a.a.O. Rn. 71 – Eigenkapitalzinssatz II; Beschl. v. 09.07.2019 – EnVR 41/18, juris Rn. 71). Damit hat der Bundesgerichtshof zugleich der vom erkennenden Senat in der Vorinstanz – mit Blick auf die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen in deren Gutachten – vertretenen Auffassung (vgl. etwa Beschl. v. 22.03.2018 – VI-3 Kart 1061/16 [V], juris Rn. 167 ff.) eine Absage erteilt, dass zur Herstellung einer (besseren) Vergleichbarkeit des deutschen mit den festgelegten Eigenkapitalzinssätzen ausländischer Regulierungsentscheidungen aus Konsistenzgründen zwingend Anpassungen, namentlich bei der Kapitalstruktur, vorzunehmen seien.
231(2) Der Senat schließt sich dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung unter Aufgabe seiner anderslautenden Judikatur ausdrücklich an. Der Streitfall gibt dem Senat auch in Anbetracht der hierzu von verschiedenen Beschwerdeführern erhobenen Einwände keinen Anlass, den von der Bundesnetzagentur gewählten und vom Bundesgerichtshof gebilligten Ansatz im Hinblick auf die hier zu beurteilende Festlegung der Eigenkapitalverzinsung für die vierte Regulierungsperiode abweichend zu beurteilen und insofern einen Verstoß gegen das „Berücksichtigungsgebot“ aus § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV zu bejahen.
232(a) Die methodische Auswahlentscheidung der Bundesnetzagentur, zur Ermittlung des Wagniszuschlags das CAPM heranzuziehen, ist – wie bereits ausgeführt – auch im Streitfall nicht zu bemängeln. Durch die aus den internationalen DMS-Datenreihen abgeleitete Marktrisikoprämie werden die Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten berücksichtigt, und durch den Beta-Faktor werden die Renditen börsennotierter Netzbetreiber auf ausländischen Märkten dargestellt, die mit den inländischen Netzbetreibern vergleichbar sind (siehe vorstehend unter B. III. 2.).
233(b) Der ergänzend durchgeführte internationale Vergleich, dem insoweit nur der Charakter einer „Hilfserwägung“ zukommt (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 67 f. – Eigenkapitalzinssatz II; Beschl. v. 09.07.2019 – EnVR 41/18, juris Rn. 67 f.), hat zudem ergeben, dass der für Deutschland für die vierte Regulierungsperiode ermittelte Eigenkapitalzinssatz nach Steuern von 4,13 % innerhalb der von den Gutachtern der Bundesnetzagentur ermittelten Bandbreite des Eigenkapitalzinssatzes nach Steuern aus 14 europäischen Vergleichsländen und Australien liegt. Diese reicht von ca. 3,22 % in Portugal (Gasfernleitungsnetz, ohne inkludierte Länderrisikoprämie) bzw. von 3,33 % in den Niederlanden (Gasfernleitungsnetz) bei berücksichtigter Länderrisikoprämie für Portugal) bis 8,08 % in Norwegen (vgl. Frontier-Gutachten, S. 86; Festlegung, S. 42, 46). Der Umstand, dass der insoweit für Deutschland für die vierte Regulierungsperiode ermittelte Eigenkapitalzinssatz nach Steuern – im Gegensatz zur dritten Regulierungsperiode – lediglich im unteren Bereich bzw. am unteren Rand der von den Gutachtern der Bundesnetzagentur ermittelten Bandbreite liegt (12 von 14 Ländern haben einen höheren Eigenkapitalzinssatz), ist im Hinblick auf das „Berücksichtigungsgebot“ aus § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV ohne Belang. Die Bundesnetzagentur war in Anbetracht dessen auch nicht etwa gehalten, eine spezielle Ausreißer- bzw. Singularitätenanalyse in Bezug auf den unteren Rand der von ihren Gutachtern ermittelten Bandbreite vorzunehmen, um belastbar auszuschließen, dass der im internationalen Vergleich relativ niedrige deutsche Eigenkapitalzinssatz nicht möglicherweise doch außerhalb der internationalen Bandbreite liegt. Der Höhe des ermittelten deutschen Eigenkapitalzinssatzes im internationalen Vergleich bzw. dessen Lage innerhalb der Bandbreite kommt allerdings im Hinblick auf das gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG zu beachtende übergeordnete Ziel einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu, welches der festgelegte Eigenkapitalzinssatz („gleichwohl“) nicht verfehlen darf (BGH, a.a.O. Rn. 80 – Thyssengas GmbH; a.a.O. Rn. 44 – Eigenkapitalzinssatz II; a.a.O. Rn. 27 – Eigenkapitalzinssatz III), Bedeutung zu (dazu sogleich unter 7.).
234(c) Die streitgegenständliche Festlegung leidet in Bezug auf die zu beachtende Vorgabe aus § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV und der insoweit geltenden Anforderungen (zuletzt BGH, Beschl. v. 27.06.2023 – EnVR 22/22, juris Rn. 15 – Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor III) auch an keinem Abwägungs- oder Begründungsdefizit. Da die Bundesnetzagentur angesichts der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV nicht verpflichtet war, anhand von Entscheidungen ausländischer Regulierungsbehörden einen Durchschnittswert zu bilden und sich an diesem zu orientieren, war sie auch nicht gehalten, sich in der Begründung der Festlegung mit der Durchschnittsbildung auseinanderzusetzen und plausibel zu begründen, weshalb ein Vergleich mit der durchschnittlichen Verzinsung unterbleiben kann.
235Unabhängig davon hat sie unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Einschätzung der von ihr beauftragten Gutachter darauf verwiesen, dass die von § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV geforderte Berücksichtigung der Eigenkapitalzinssätze auf ausländischen Märkten bereits hinreichend durch das CAPM gewährleistet werde und eine Vergleichsbetrachtung von Zinssätzen erheblichen Restriktionen (insbesondere wegen unterschiedlicher Zeitpunkte zur Bestimmung der Zinssätze, unterschiedlichen Herangehensweisen zur Bestimmung einzelner Parameter, unterschiedlichen Rahmenbedingungen) unterliege und daher einen lediglich eingeschränkten Aussagewert habe (Festlegung, S. 41 f.). Dies ist genügend.
236b) Darüber hinaus wird auch weder hinreichend belastbar aufgezeigt noch ist dies sonst ersichtlich, dass der von der Bundesnetzagentur gewählte Ansatz – nach Maßgabe des insoweit zu beachtenden, eingeschränkten Prüfungsmaßstabs (s.o. B. III. 1.) – von vornherein ungeeignet ist, die diesem im Rahmen des § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV zukommende Funktion zu erfüllen, oder dass ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände so deutlich überlegen ist, dass die Auswahl einer anderen Methode als nicht mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar angesehen werden kann. In Anbetracht dessen bestand für den Senat auch kein Anlass für eine weitere Sachaufklärung oder Beweiserhebung.
237Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass die im NERA-Gutachten durchgeführte Analyse der Eigenkapitalzinssatzfestlegungen ausländischer Regulierungsbehörden dem Ansatz der Bundesnetzagentur und ihrer Gutachter in diesem Sinne „greifbar“ überlegen ist; zumal sich die Bandbreite der von NERA ermittelten Eigenkapitalzinssätze – trotz Abweichungen in der Methodik (weitergehende Adjustierung länderspezifischer Unterschiede, unter anderem Angleichung der Eigenkapitalzinsquote auf 40 %) und der Datengrundlage – im Ergebnis nicht derart wesentlich von derjenigen unterscheidet, die die Gutachter der Bundesnetzagentur ermittelt haben. Die Bandbreite der von NERA in ihrem Gutachten aus dem Jahr 2021 ermittelten nominalen Eigenkapitalzinssätze nach Steuern reicht von 3,74 % in Portugal (ohne Länderrisikoprämie) bis 8,70 % in Schweden (vgl. NERA-Gutachten, S. 10), während diejenige von Frontier/Randl/Zechner von 3,22 % in Portugal bis 8,08 % in Norwegen reicht (Frontier-Gutachten, S. 86). Auch im NERA-Gutachten wird im Übrigen die Länderrisikoprämie nicht berücksichtigt, weil mit dieser ansonsten in Deutschland nicht vergleichbare Risiken abgebildet werden (vgl. NERA-Gutachten, S. 5 f., 30 Fn. 41). Der untere Rand der Bandbreite wird bei beiden Gutachterkonsortien von Portugal gebildet. Berücksichtigt man bei Portugal auch die Länderrisikoprämie, wird die untere Bandbreite bei den Gutachtern der Bundesnetzagentur von den Niederlanden mit einem Wert von 3,33 % gebildet (Frontier-Gutachten, S. 86) mit der Folge, dass sich der untere Bandbreitenwert noch weiter dem von NERA ermittelten Wert annäherte.
2387. Die Ermittlung des Wagniszuschlags ist aber deshalb in rechtswidriger Weise erfolgt, weil die Vorgehensweise, die Marktrisikoprämie anhand einer einzigen, wenn auch als solcher vertretbar gewählten Methode zu ermitteln, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nicht geeignet ist sicherzustellen, dass die hieraus folgende Eigenkapitalverzinsung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG angemessen, wettbewerbsfähig und risikoangepasst ist. Es liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Verfehlung dieser übergeordneten gesetzlichen Zielsetzung vor, die der Bundesnetzagentur Anlass für eine Überprüfung und Absicherung der von ihr ermittelten Marktrisikoprämie im Hinblick auf die maßgebliche gesetzliche Zielsetzung hätten geben müssen.
239a) Es ist höchstrichterlich entschieden, dass eine vertretbare Methodenauswahl und -anwendung nicht schon die Richtigkeit der hieraus ermittelten Ergebnisse impliziert, sondern nach den Umständen des Einzelfalls zusätzlich eine Überprüfung und Absicherung der ermittelten Ergebnisse erforderlich sein kann.
240aa) Dass die Entscheidung der Regulierungsbehörde als rechtsfehlerfrei zu bewerten ist, setzt nicht nur voraus, dass sie sich anerkannter wissenschaftlicher Methoden bedient und diese im Einklang mit den Vorgaben aus § 21 Abs. 2 EnWG und § 7 Abs. 5 GasNEV anwendet, sondern dass keine konkreten Anhaltspunkte dafür feststellbar sind, dass die sich hieraus ergebende Höhe der Eigenkapitalverzinsung gleichwohl das Ziel einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals verfehlt (BGH, a.a.O. Rn. 80 – Thyssengas GmbH; a.a.O. Rn. 44 – Eigenkapitalzinssatz II). Gerichtlich ist insbesondere zu überprüfen, ob auch die aus der konkreten Anwendung der gewählten Methoden und Datenreihen gezogenen Schlussfolgerungen den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gestellten Anforderungen genügen (BGH, a.a.O. Rn. 41 – Eigenkapitalzinssatz II). Die gerichtliche Prüfung erschöpft sich danach nicht darin, die Methodenwahl und -anwendung darauf zu untersuchen, ob sie den gesetzlichen bzw. verordnungsrechtlichen Anforderungen entsprechen, sondern erstreckt sich vielmehr in einem weiteren, gesonderten Schritt auch auf die Einhaltung der übergeordneten gesetzlichen Zielvorgabe mittels einer Ergebnisbetrachtung. Der Bundesgerichtshof hat demgemäß hinsichtlich der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode entschieden, dass es dem Senat nicht von vornherein verwehrt ist, die Ableitung des Zuschlags aus historischen Daten als unzureichend anzusehen, auch wenn die Auswahl des CAPM und die Heranziehung der DMS-Datenreihen im Ansatz als rechtmäßig beurteilt worden sind (BGH, a.a.O. Rn. 40 – Eigenkapitalzinssatz II). Die Frage, ob eine bestimmte tatrichterlich festgestellte Kapitalmarktsituation aus Rechtsgründen die Berücksichtigung zusätzlicher Indikatoren für eine angemessene Eigenkapitalverzinsung oder eine zusätzliche Plausibilisierung eines mittels einer geeigneten Methode fehlerfrei gewonnenen Ergebnisses der Abschätzung der Marktrisikoprämie erfordert, hängt vielmehr von den Besonderheiten der jeweiligen Fallgestaltung ab (BGH, a.a.O. Rn. 44 – Eigenkapitalzinssatz III).
241bb) Die Voraussetzungen, unter denen sich für die Regulierungsbehörde die Verpflichtung ergibt, das von ihr anhand einer vertretbar gewählten Methode ermittelte Ergebnis einer zusätzlichen Plausibilisierung zu unterziehen, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode – ebenso wie die hierfür in Betracht kommenden Vorgehensweisen – ausdrücklich offengelassen (BGH, a.a.O. Rn. 45 – Eigenkapitalzinssatz II). Diese sind unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände, unter denen die streitgegenständliche regulatorische Entscheidung ergeht, zu entwickeln, wobei keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind.
242Der Bundesnetzagentur kommen bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze weite Beurteilungsspielräume bei der Methodenwahl und -anwendung zu. Mit der Ausübung dieser Beurteilungsspielräume sind typischerweise erhebliche Schätzunsicherheiten verbunden, deren Auftreten allein allerdings noch keinen Plausibilisierungsbedarf begründet. Im Streitfall betreffen diese Schätzunsicherheiten die Ermittlung des Wagniszuschlags, konkret der Marktrisikoprämie, insbesondere die Auswahlentscheidung zwischen lang- und kurzfristigen Staatsanleihen als risikolosem Zinssatz („Bills vs. Bonds“), die Auswahlentscheidung zwischen arithmetischem und geometrischem Mittel bzw. die Mittelwertbildung hieraus und die von der Bundesnetzagentur vorgenommene Anpassung des Wagniszuschlags. Jede dieser Auswahlentscheidungen kann sich, wie die vorstehenden Ausführungen unter 5. zeigen, in erheblicher Weise auf das ermittelte Ergebnis auswirken. In der Folge ergibt sich eine große Bandbreite vertretbarer Ergebnisse, was sich etwa daran zeigt, dass die Gutachter der Bundesnetzagentur die von den Investoren aktuell erwartete Marktrisikoprämie allein wegen der sich aus der Mittelwertbildung ergebenden Schätzunsicherheit auf eine Bandbreite von 3,1 % bis 4,3 % schätzen, da Referenz die Bandbreite aus arithmetischem und geometrischem Mittel sei (Frontier-Gutachten, S. 63 f., 31).
243Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber in § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV die Ermittlung des – höchstens anzusetzenden – Basiszinssatzes, zu dem der zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer Wagnisse zu gewährende, angemessene Zuschlag hinzuaddieren ist, mit dem auf die letzten 10 abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten verbindlich vorgegeben hat. Es ist der Bundesnetzagentur damit verwehrt, unter Berücksichtigung der im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Bedingungen auf den Finanzmärkten zu prüfen, ob andere Ermittlungsmethoden in Betracht kommen, die gegebenenfalls besser geeignet sind, einen Basiszinssatz bei der Ermittlung der Eigenkapitalzinssätze abzubilden, insbesondere weil sie zu einer größeren konzeptionellen Konsistenz mit dem methodischen Ansatz führen, den sie bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie für am besten geeignet erachtet. Angesichts der zwingenden verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Ermittlung des Basiszinssatzes kommt dem Wagniszuschlag eine besondere Bedeutung zu, denn die Erreichung der übergeordneten gesetzlichen Zielsetzung einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Eigenkapitalverzinsung ist damit letztlich über den anpassungsfähigen Wagniszuschlag sicherzustellen. Das Bedürfnis, den Wagniszuschlag und als dessen zentralen Bestandteil die Marktrisikoprämie mittels einer ergebnisbezogenen Betrachtung auf ihre Angemessenheit im Zusammenspiel mit dem unflexiblen Basiszinssatz nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV zu überprüfen, hat der Verordnungsgeber erkannt und adressiert, indem er in § 7 Abs. 5 Nr. 2 GasNEV angeordnet hat, dass der Wagniszuschlag unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Verzinsung des Eigenkapitals von Betreibern von Gasversorgungsnetzen auf ausländischen Märkten zu erfolgen hat.
244Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der zentralen Bedeutung der Vorgabe, bei der Ermittlung der Eigenkapitalzinssätze stets die aus § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG folgende übergeordnete Zielsetzung ihrer Angemessenheit, Wettbewerbsfähigkeit und Risikoangepasstheit in den Blick zu nehmen, liegt eine Plausibilisierung der ermittelten Ergebnisse im Streitfall nahe und ist eine sorgfältige Prüfung geboten, ob ein lediglich anhand einer einzigen Methode ermitteltes Ergebnis der weiteren Absicherung bedarf. Insoweit weist die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze mit ihrer hohen Ergebnissensibilität Besonderheiten auf, die andere anreizregulatorische Festlegungen wie etwa die des Effizienzvergleichs, des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors oder des Qualitätselements nicht in gleicher Weise prägen. Diesen Besonderheiten wird dadurch Rechnung getragen, dass keine zu hohen Anforderungen an das Plausibilisierungserfordernis gestellt werden. Der Umstand, dass eine bestimmte methodenmonistische Vorgehensweise in vergangenen Regulierungsperioden gerichtlich unbeanstandet geblieben ist, kann deshalb nicht dazu führen, dass eine solche auch weiterhin unbesehen als zur Erzielung angemessener Ergebnisse geeignet angesehen wird.
245b) Die Bundesnetzagentur hat ihre Entscheidung, von einer Plausibilisierung der ermittelten Marktrisikoprämie abzusehen, im Wesentlichen damit begründet, dass andere zukunftsbezogene Ansätze hierfür nicht als geeignet erachtet worden seien. Der Bundesgerichtshof habe bereits entschieden, dass die historisch einzigartige Situation auf dem Kapitalmarkt keinen Anlass für eine Plausibilisierung der Marktrisikoprämie darstelle, so dass sich eine solche nicht generell aufdränge. Die Art und Weise der Ermittlung des Basiszinssatzes sei durch die vorgesehene Laufzeit- und Verfügbarkeitsbetrachtung der Festlegung sichergestellt. Im Übrigen hätten sich die Gegebenheiten gegenüber denjenigen, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.07.2019 (EnVR 52/18) gewesen sei, nicht verändert (Festlegung, S. 21 f.).
246c) Im Streitfall liegen indes konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die anhand einer einzigen Methode ermittelte Marktrisikoprämie und der sich hieraus ergebende Wagniszuschlag die Renditeerwartungen der Investoren nicht mehr angemessen widerspiegeln. Dies erweckt berechtigte Zweifel an der Angemessenheit von Marktrisikoprämie und Wagniszuschlag und damit letztlich an der Angemessenheit, Wettbewerbsfähigkeit und Risikoangepasstheit der festgelegten Eigenkapitalzinssätze, die einen Plausibilisierungsbedarf auslösen. Die konkreten Umstände des Einzelfalls stellen sich bei der hier streitgegenständlichen Festlegung entgegen der Ansicht der Bundesnetzagentur anders dar als noch bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode.
247aa) Festzustellen ist zunächst, dass sich die Niedrigzinsphase als eine außergewöhnliche Finanzmarktsituation der letzten Jahre auf die anhand unterschiedlicher Datenreihen ermittelten, innerhalb des CAPM verwendeten risikolosen Zinssätze in gegenläufiger und nunmehr auch quantitativ erheblich unterschiedlicher Weise auswirkt. Der Basiszinssatz nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV wird über das Mittel der festverzinslichen Wertpapiere inländischer Emittenten der letzten 10 Jahre abgebildet, der DMS World Bond Index hingegen über eine Zeitspanne von 121 Jahren ermittelt. Sowohl aus den unterschiedlichen Betrachtungszeiträumen der risikolosen Zinssätze als auch aus ihren unterschiedlichen Charakteristika als Umlaufsrenditen einerseits und als realisierten Renditen andererseits resultiert eine deutliche Entkoppelung der risikolosen Zinssätze sowohl in der Höhe als auch der jeweiligen Entwicklung, die sich letztlich auch auf die Höhe des festgelegten Eigenkapitalzinssatzes auswirkt, der in der Folge gegenüber der vorangegangenen Regulierungsperiode spürbar gesunken ist.
248(1) Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig geblieben, dass zum Zeitpunkt der Festlegung eine außergewöhnliche, durch die Entwicklungen in Folge der weltweiten Finanzkrise ab dem Jahr 2007 und der Euro-Staatsschuldenkrise ab dem Jahr 2010 bedingte Situation auf dem Finanzmarkt vorlag. Der Senat (a.a.O. Rn. 90 ff.) hat bereits in seinen Beschlüssen zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode zum Stichtag 31.12.2015 bzw. zum Entscheidungszeitpunkt im Jahr 2018 festgestellt, dass die europäische und die US-amerikanische Zentralbank mit einer expansiven Geldpolitik reagiert haben, bei der deutliche Absenkungen der Leitzinssätze und Aufkäufe von Wertpapieren in erheblichem Volumen erfolgten, um angesichts eines bereits niedrigen Zinsniveaus die Märkte mit zusätzlicher Liquidität zu versorgen. Infolge der Finanz- und Euro-Staatsschuldenkrise haben nicht nur die Aktienmärkte eine hohe Volatilität aufgewiesen, sondern als weitere spürbare Konsequenz hat sich das Zinsniveau rückläufig hin zu einem historisch niedrigen Niveau bewegt. Langlaufende deutsche Staatsanleihen wiesen eine im historischen Vergleich äußerst niedrige Rendite auf, für kurz- und mittelfristig laufende deutsche Staatsanleihen und inflationsgeschützte deutsche Staatsanleihen wurden sogar negative Renditen beobachtet. Auch Zinsdifferentiale zwischen Interbankenzinssätzen und Staatsanleihen lagen deutlich über dem vor Beginn der Finanzmarktkrise gemessenen Niveau. Die Renditen der Anleiheindizes waren indes von dem seit Jahren rückläufigen Niveau der Zinsstrukturkurven noch lange Zeit unbeeinflusst, denn der Rückgang der Basiszinssätze ging mit entsprechenden Kursgewinnen auf bestehende Staatsanleihen einher, die noch eine vergleichsweise hohe Verzinsung aufwiesen. Diese Phase hoher Renditen auf quasi risikofreie deutsche oder Staatsanleihen anderer westlicher Länder wird etwa von DMS als „Golden Age of Bonds“ bezeichnet. Diese außergewöhnliche Situation auf den Kapitalmärkten hat sich im Zeitraum bis zur streitgegenständlichen Festlegung fortgesetzt. Erst seit Mitte 2022 ist es zu kontinuierlichen Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) gekommen.
249(2) Die Finanzmarktkrise hat zu einer erheblich unterschiedlichen Entwicklung der im Rahmen des CAPM verwendeten risikolosen Zinssätze geführt, die auf ihre unterschiedlichen Charakteristika zurückzuführen sind.
250Ein auf langfristigen Datenreihen beruhender Durchschnittswert spiegelt kurzfristig auftretende Sondereffekte naturgemäß nur in verhältnismäßig geringem Umfang wider (BGH, a.a.O. Rn. 49 – Eigenkapitalzinssatz II, vgl. auch Senat, a.a.O. Rn. 94), so dass sich die außergewöhnliche Situation auf den Kapitalmärkten schon im Ausgangspunkt nur in geringem Umfang auf die sich über 121 Jahre erstreckenden DMS-Datenreihen niedergeschlagen hat. Hingegen hat sich der Rückgang der Zinsstrukturkurven erheblich auf den nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV anhand von Umlaufsrenditen zu ermittelnden risikolosen Basiszinssatz ausgewirkt. So lagen die jährlichen Umlaufsrenditen ab dem Jahr 2015 bei 0,5 % und niedriger und in den Jahren 2019 und 2020 sogar im negativen Bereich mit der Folge, dass der Zinssatz von der dritten auf die vierte Regulierungsperiode von 2,49 % auf 0,74 % abgesunken ist.
251Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich bei den realisierten Renditen der DMS-Datenreihen erwartungsgemäß nicht. Vielmehr ist bei diesen, weil es sich um realisierte Renditen handelt, der gegenläufige Effekt zu beobachten. Die Renditen des DMS World Bond Index sind infolge der Niedrigzinsphase zunächst – ebenfalls erwartungsgemäß – gestiegen, ausweislich der von zahlreichen Beschwerdeführerinnen zitierten Übersicht, die auf den DMS-Publikationen 2006 bis 2021, Angaben der Bundesbank und einer NERA-Analyse basiert, von 1,9 % im Betrachtungszeitraum 1900 bis 2006 auf 2,4 % im Betrachtungszeitraum von 1900 bis 2021.
252Hieraus resultiert nicht nur eine sehr unterschiedliche, sondern sogar eine gegenläufige Abbildung der Niedrigzinsphase in den beiden risikolosen Zinssätzen. Diese Entwicklung wird z.B. dadurch veranschaulicht, dass ausweislich der Auswertung der DMS-Datenreihen in dem als Anlage BF 3 vorgelegten Bogner/Rabel-Gutachten (dort Rn. 221) im Jahr 2020 die Umlaufsrenditen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV bei -0,19 %, die Anleiherendite des DMS World Bond Index hingegen bei 12,44 % lag. Die jährliche Umlaufsrendite betrug in der Niedrigzinsphase von 2016 bis 2020 im Durchschnitt lediglich 0,12 %, die durchschnittliche Anleiherendite des DMS World Bond Index hingegen 7,15 %.
253Diese Umstände führen – in Verstärkung eines gegenüber dem bereits in der dritten Regulierungsperiode zu beobachtenden Trends – zu einer erheblichen, auch als „Zinskeil“ bezeichneten Differenz zwischen dem mit 0,74 % angesetzten Basiszinssatz und der DMS-Anleiherendite, die als risikoloser Zinssatz als Abzugsfaktor bei der Ermittlung des Wagniszuschlags Anwendung gefunden hat. Diesen „Zinskeil“ hat der BDEW in seiner Stellungnahme (dort S. 40) ausgehend von einem risikolosen Zinssatz gemäß dem World Bond Index (unter Ansatz des arithmetischen Mittels und der oberen Bandbreite) mit bis zu 4,46 Prozentpunkten bemessen, was dem Vortrag der Bundesnetzagentur entspricht, die die zur Ermittlung der Marktrisikoprämie herangezogene Anleiherendite mit 5,2 % beziffert hat.
254(3) Die zunehmende Divergenz zwischen den risikolosen Zinssätzen führt zudem zu einer erheblichen Absenkung der festgelegten Eigenkapitalzinssätze – exemplarisch für Neuanlagen vor Steuern – von der dritten auf die vierte Regulierungsperiode von 6,91 % auf 5,07 %, d.h. um 1,84 Prozentpunkte bzw. gut 26 %. Dies ist angesichts der im Übrigen stabil gebliebenen Parameter im Wesentlichen durch das Absinken des nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV ermittelten risikolosen Basiszinssatzes von 2,49 % auf 0,74 % bedingt, da sich sowohl die Marktrisikoprämie, die von 3,8 % auf 3,7 % gesunken ist, als auch der von 0,83 auf 0,81 gesunkene Beta-Faktor nur geringfügig verändert haben. Der Puffer, der sich bei der letzten Regulierungsperiode noch daraus ergeben hatte, dass in die Umlaufsrenditen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV noch Jahre mit einem höheren Marktzinsniveau eingeflossen waren, das deutlich über dem Marktzinsniveau des Betrachtungszeitraums lag, und der im Jahr 2015 mit 2,49 % noch beim Fünffachen der jährlichen Umlaufsrendite des Jahres 2015 mit 0,46 % (Festlegung, S. 8) lag, ist im Zeitverlauf deutlich abgeschmolzen. So betragen die jährlichen Umlaufsrenditen im Jahr 2020 -0,19 % und weisen damit eine über einen Prozentpunkt geringere Differenz zu den 10-jährigen Umlaufsrenditen von 0,74 % auf als noch im Jahr 2015. Die erstmals vorgenommene Anpassung des Wagniszuschlags um 0,375 Prozentpunkte kompensiert das Absinken des risikolosen Basiszinssatzes nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV um 1,75 Prozentpunkte nur zu einem Bruchteil.
255(4) Nach alledem ist festzustellen, dass sich die außergewöhnliche Niedrigzinsphase nicht nur deutlich gegenläufig auf die innerhalb des CAPM verwendeten risikolosen Zinssätze, sondern auch auf den sich hieraus ergebenden Eigenkapitalzinssatz ausgewirkt hat, und diese Wirkungen mangels Flexibilität bei der Wahl des risikolosen Zinssatzes nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV auf der methodischen Auswahlentscheidung der Bundesnetzagentur zugunsten der historischen DMS-Datenreihen bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie beruhen. Der methodischen Auswahlentscheidung kommt damit im Ansatz ein Verzerrungspotential mit Blick auf die sich unter Zugrundelegung der beiden risikolosen Zinssätze ergebende Eigenkapitalverzinsung zu.
256(5) Ein solches Verzerrungspotential ist bei der Überprüfung der Belastbarkeit des Ergebnisses entgegen der Ansicht der Bundesnetzagentur nicht unbeachtlich.
257Der Senat verkennt nicht, dass die Nutzung unterschiedlicher Zinsniveaus für die Ableitung der Marktrisikoprämie einerseits und die Ableitung der zukunftsgerichteten Eigenkapitalzinsverzinsung andererseits eine Grundprämisse des grundsätzlich zu billigenden historischen Ansatzes darstellt. Es wäre widersprüchlich, die methodischen Auswahlentscheidungen der Bundesnetzagentur einerseits hinzunehmen, andererseits aber anzunehmen, dass bereits der sich ergebende Zinsunterschied Zweifel an der Angemessenheit des Ergebnisses und damit einen Plausibilisierungsbedarf begründe, sich mithin auf einen quantitativen Vergleich der beiden risikolosen Zinssätze zu beschränken.
258Aus der Billigung der methodischen Auswahlentscheidung folgt indes nicht zugleich, dass konkrete Anhaltspunkte, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen ergänzenden Plausibilisierungsbedarf auslösen können, zwingend nur aus außerhalb der Methode liegenden Umständen herrühren können. Dass einzelne Auswahlentscheidungen der Bundesnetzagentur bezüglich der Methodenwahl und -anwendung vertretbar sind, weil sie sich nicht von vornherein als ungeeignet herausgestellt haben und es keine greifbar überlegene methodische Vorgehensweise gibt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass ein hieraus resultierendes Ergebnis auch belastbar ist. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die es eben nicht als ausreichend ansieht, dass sich die Bundesnetzagentur anerkannter wissenschaftlicher Methoden bedient und diese im Einklang mit den Vorgaben aus § 21 Abs. 2 EnWG und § 7 Abs. 5 GasNEV angewendet hat, sondern vielmehr gesondert die sich hieraus ergebende Höhe der Eigenkapitalverzinsung in den Blick nimmt (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 80 – Thyssengas GmbH; a.a.O. Rn. 44 – Eigenkapitalzinssatz II). Bezogen auf den damaligen Streitfall hat der Bundesgerichtshof zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode zwar entschieden, der Umstand, dass die Entwicklung der letzten Jahre in dem sich über 115 Jahre erstreckenden DMS-Datensatz nahezu keinen Niederschlag gefunden habe, stelle die Eignung dieses Datensatzes nicht in Frage (a.a.O. Rn. 56 – Eigenkapitalzinssätze II). Er hat aber weiter ausgeführt, wenn der Rückgriff auf solche Daten im Ausgangspunkt eine geeignete Methode darstelle, könne der Umstand, dass gerade im aktuellen Zeitraum eine außergewöhnliche Finanzmarktsituation als Sondereffekt auftrete, nicht ohne Weiteres Zweifel an der Angemessenheit des mit dieser Methode gefundenen Ergebnisses zu begründen vermöge (Hervorhebung durch den Senat). Dies impliziert, dass bei Hinzutreten besonderer Umstände solche Zweifel gerechtfertigt sein können.
259Hinzu kommt, dass der Bundesgerichtshof zur Rechtfertigung seiner Annahme, wonach die Vorgehensweise zu angemessenen Ergebnissen führe, auf die ähnlichen bzw. vergleichbaren Effekte abgestellt hat, die sich dadurch eingestellt haben, dass die Änderung des Zinsniveaus nicht sofort in vollem Umfang Eingang in die Datenreihen gefunden habe (a.a.O. Rn. 52 – Eigenkapitalzinssätze II). Auch nach dem Bundesgerichtshof sind somit die durch die methodische Vorgehensweise bedingten Effekte für die Bewertung des Ergebnisses maßgeblich und kommt ähnlichen bzw. vergleichbaren, d.h. gleichgerichteten Effekten eine rechtfertigende Wirkung zu. Hiermit bezieht sich der Bundesgerichtshof ersichtlich auf den „Puffer“, der zugunsten der Netzbetreiber im Rahmen der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode noch gegriffen hat. Die Sachlage stellt sich allerdings mit Blick auf die streitgegenständliche Festlegung grundlegend anders dar, da der „Puffer“ weitgehend abgebaut ist und die ausgeprägte Niedrigzinsphase in dem nach § 7 Abs. 4 Satz 1 GasNEV ermittelten risikolosen Zinssatz nunmehr deutlich stärker abgebildet wird. Der gegenläufige Trend in der Entwicklung der beiden risikolosen Zinssätze hat sich nochmals deutlich verschärft. Diese Effekte sind gerade nicht ähnlich bzw. vergleichbar und sprechen damit gegen die Angemessenheit des Ergebnisses.
260bb) Es kann indes dahinstehen, ob die dargestellten Beobachtungen die Angemessenheit der Marktrisikoprämie bzw. ihre Eignung zur Ermittlung einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangemessenen Eigenkapitalverzinsung für sich gesehen so in Frage stellen, dass bereits hieraus ein Plausibilisierungsbedarf resultiert. Dies kann deshalb bezweifelt werden, weil der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass Effekte, die tatsächliche Marktentwicklungen widerspiegeln (konkret der als „Golden Age of Bonds“ bezeichnete Effekt), nicht als systemfremd angesehen werden können und deshalb (für sich gesehen) keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür begründen, dass die Heranziehung der DMS-Datenreihen in der festgestellten Sondersituation nicht zu angemessenen Ergebnissen führt (BGH, a.a.O. Rn. 51 – Eigenkapitalzinssatz II). Etwas anderes muss jedenfalls dann gelten, wenn zusätzlich konkrete Anhaltspunkte dafür hinzutreten, dass solche Effekte dazu führen, dass die Verhältnisse auf den Kapitalmärkten nicht mehr angemessen abgebildet werden, mithin das sich in einer grundsätzlich vertretbar gewählten Methode liegende, lediglich aufgrund einer außergewöhnlichen Finanzmarktsituation bestehende Verzerrungspotential also im Einzelfall auch realisiert hat.
261Im Streitfall liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die aufgezeigten Entwicklungen, auch wenn sie letztlich auf eine tatsächliche Marktentwicklung zurückgehen, dazu führen, dass die anhand der historischen DMS-Datenreihe ermittelte Marktrisikoprämie nicht mehr die Renditeerwartungen der Investoren widerspiegelt und die hieraus resultierenden Eigenkapitalzinssätze nicht mehr angemessen, wettbewerbsfähig und risikoangepasst sind. Solche tatsächlichen Anhaltspunkte folgen aus der vergleichenden Einordnung der festgelegten Marktrisikoprämie und des Eigenkapitalzinssatzes für Neuanlagen im internationalen Regulierungsumfeld, die sich für die vierte Regulierungsperiode deutlich vom Durchschnitt der Festlegungen anderer Regulierungsbehörden entkoppelt haben.
262(1) Ob das Absinken der Eigenkapitalzinssätze mit einer entsprechenden Entwicklung auf den Kapitalmärkten korrespondiert, haben die Bundesnetzagentur bzw. ihre Gutachter nicht näher untersucht. Die Bundesnetzagentur hat auf den entsprechenden Einwand im Konsultationsverfahren hin lediglich bezweifelt, ob die Kapitalmärkte von 2015 bis 2020 tatsächlich konstant geblieben sind (Festlegung, S. 47), hierzu aber keinerlei Feststellungen getroffen.
263(2) Eine vergleichende Betrachtung der Verzinsung ausländischer Netzbetreiber zeigt, dass sich die Eigenkapitalverzinsung in Deutschland erstmalig deutlich am unteren Rand der sich ergebenden Bandbreite bewegt, und zwar unabhängig davon, ob man die Vergleichsbetrachtung der Gutachter der Bundesnetzagentur oder diejenige der NERA-Gutachter zugrundelegt.
264Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben eine Bandbreite der Werte internationaler nominaler Eigenkapitalverzinsungen nach Steuern von 14 europäischen Ländern und Australien zwischen 3,22 % und 8,08 % ermittelt. Den unteren Wert bildet Portugal (Gasfernleitungsnetz), allerdings ohne Berücksichtigung der dort zusätzlich gewährten Länderrisikoprämie, sonst würde der untere Wert mit 3,33 % durch die Niederlande (Gasfernleitungsnetz) gebildet. Die Eigenkapitalverzinsung in Deutschland liegt mit einem Wert von 4,13 % damit deutlich näher am unteren Ende der Bandbreite als an dem sich hieraus ergebenden Durchschnittswert von 5,65 %. Dieser Befund ist sogar nach ausgeprägter, wenn man die im NERA-Gutachten durchgeführte Analyse zugrunde legt, bei der sich bei einer Betrachtung nominaler Eigenkapitalzinssätze nach Steuern mit einer harmonisierten Eigenkapitalquote von 40 % über 17 Vergleichsländer eine Bandbreite von 3,74 % (Portugal, ohne Berücksichtigung der Länderrisikoprämie) bis 8,70 % (Schweden) ergibt, womit der Durchschnitt bei 6,22 % liegt und von dem in Deutschland festgelegten Wert um mehr als 2 Prozentpunkte unterschritten wird.
265Damit stellt sich die Sachlage deutlich anders dar als noch bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode, die am 05.10.2016 erfolgt ist (BK4-16-160 bzw. BK4-16-161). Hierbei hatten die Gutachter der Bundesnetzagentur zunächst 19 Entscheidungen aus sechs Ländern seit dem Jahr 2014 analysiert und dabei eine Bandbreite festgelegter Eigenkapitalzinssätze von 4,89 % und 7,3 % ermittelt, wobei sich die Eigenkapitalverzinsung in Deutschland mit 5,64 % erheblich näher am Mittelwert der Bandbreite von 6,10 % orientierte als am unteren Ende der Bandbreite. Noch ausgeprägter ist dieser Befund, wenn man die weitergehende Auswertung der Bundesnetzagentur aufgrund der Quellenangaben von NERA berücksichtigt, die in Tabelle 3 der Festlegungen vom 05.10.2016 wiedergegeben ist und aus der sich – ohne die von der Bundesnetzagentur abgelehnte Korrektur der Kapitalstruktur – eine Bandbreite der Eigenkapitalzinssätze auf Basis von 26 Entscheidungen aus 11 Ländern von 3,83 % bis 8,49 % ergibt. Hiernach lag der für Deutschland festgelegte Eigenkapitalzinssatz ebenfalls um ca. 0,5 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt von 6,16 %, aber mit fast 2 Prozentpunkten noch deutlich weiter entfernt vom unteren Ende der Bandbreite. Hinzu kam, dass nach dieser Betrachtung die seinerzeit aktuellsten Festlegungen aus dem Jahr 2016 aus Dänemark und Niederlande mit 4 % bzw. 4,89 % eine niedrigere nominale Eigenkapitalverzinsung nach Steuern aufwiesen als die für Deutschland festgelegte, was zusätzlich für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der festgelegten Eigenkapitalzinssätze sprach.
266Bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die zweite Regulierungsperiode vom 31.10.2011 (BK4-11-304, S. 12 ff.) hatte der internationale Vergleich von 43 Entscheidungen aus 13 europäischen Ländern seit 2006 im Übrigen noch eine Bandbreite des Eigenkapitalzinssatzes nach Steuern von 4,49 % bis 9,74 % ergeben, so dass der von der Bundesnetzagentur festgelegte Eigenkapitalzinssatz von 7,39 % nach Steuern nur leicht unter dem sich ergebenden Durchschnitt 7,51 % lag. Bei dieser Gelegenheit hatte die Bundesnetzagentur auch eine Vergleichsbetrachtung mit den international festgelegten Wagniszuschlägen durchgeführt und die Angemessenheit des von ihr ermittelten Wagniszuschlags in Höhe von 3,59 % ausdrücklich damit begründet, dass dieser gut in die Bandbreite der internationalen Wagniszuschläge, deren Durchschnitt bei 3,37 % liege, passe.
267(3) Zugleich liegen die von der Bundesnetzagentur nunmehr festlegte Marktrisikoprämie von 3,70 % ebenso wie die von ihren Gutachtern ermittelte Bandbreite der Marktrisikoprämie von 3,1 % bis 4,3 % vollständig außerhalb der Bandbreite der Marktrisikoprämien der in die Vergleichsbetrachtung einbezogenen Länder, die zwischen 4,5 % und 8,1 % beträgt (Frontier-Gutachten, S. 87). Auch die im NERA-Gutachten (dort S. 15) durchgeführte Analyse der festgelegten Marktrisikoprämien über 17 Vergleichsländer, die von 3,50 % bis 8,08 % reichen, zeigt, dass die tatsächlich festgelegte Marktrisikoprämie am untersten Rand der Bandbreite liegt. Nach der Analyse, die Warth & Klein Grant Thornton in ihrer gutachterlichen Stellungnahme im Auftrag des BDEW zum „Vergleich internationaler Eigenkapitalzinssätze für Energienetze“ von NERA Economic Consulting vom 15.01.2020 (abrufbar unter bdew.de, dort S. 24) vorgenommen haben, liegt die Bandbreite der international festgelegten Marktrisikoprämien zwischen 4,05 % und 7,25 %, d.h. die für Deutschland festgelegte Marktrisikoprämie wiederum außerhalb der Bandbreite.
268(4) Nach alledem lässt sich feststellen, dass sich die festgelegte Marktrisikoprämie und der hieraus ermittelte Eigenkapitalzinssatz nach Steuern deutlich vom Durchschnitt des internationalen Vergleichsumfelds entfernt haben. Zwar sind auch die für eine Vergleichsbetrachtung herangezogenen Eigenkapitalzinssätze anderer Länder im Durchschnitt gesunken, wie ein Vergleich der Bandbreiten zeigt, die aus Festlegungen der Eigenkapitalzinssätze für die zweite, dritte und vierte Regulierungsperiode ermittelt worden sind. Allerdings gilt dies von der dritten auf die vierte Regulierungsperiode für die Vergleichsländer in deutlich geringerem Umfang als für Deutschland. Dahinstehen kann, ob die vergleichende Betrachtung der festgelegten Eigenkapitalzinssätze schon für sich gesehen den Schluss rechtfertigt, dass die festgelegten Eigenkapitalzinssätze nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Denn jedenfalls geben nicht nur die Einordnung des für Deutschland nunmehr festgelegten Eigenkapitalzinssatzes vor Steuern innerhalb der internationalen Bandbreite, sondern vor allem seine Einordnung im Vergleich zu vorangegangenen Festlegungen Anlass zu der Annahme, dass der Eigenkapitalzinssatz nicht mehr die tatsächlichen Renditeerwartungen der Investoren abbildet, d.h. den tatsächlichen Verhältnissen auf den Finanzmärkten nicht mehr Rechnung trägt, und deshalb nicht mehr angemessen, wettbewerbsorientiert und risikoangepasst ist. Die dargestellten Beobachtungen sprechen dabei so eindeutig für eine einseitige Entkoppelung der festgelegten Marktrisikoprämie und Eigenkapitalzinssätze vom internationalen Umfeld, dass die Annahme einer nicht mehr § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG entsprechenden Eigenkapitalverzinsung auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten Aussagewerts, der der vergleichenden Betrachtung der in anderen Ländern festgesetzten Eigenkapitalzinssätze bzw. der zu deren Ermittlung herangezogenen Parameter wie der Marktrisikoprämie und dem Wagniszuschlag zukommt, zu treffen ist.
269Die Entscheidung der Bundesnetzagentur, eine weitere Plausibilisierung der Marktrisikoprämie nicht vorzunehmen, ist im Übrigen jedenfalls deshalb zu beanstanden, weil sie sich mit den im Voranstehenden dargestellten tatsächlichen Besonderheiten, die die Festlegung für die vierte Regulierungsperiode prägen, nicht auseinandergesetzt hat. Weder ihre Annahme, die Gegebenheiten hätten sich nicht verändert, noch die, es stünden schon im Ansatz keine geeigneten Plausibilisierungsansätze zur Verfügung (hierzu sogleich nachstehend), sind für sich gesehen oder in der Gesamtwürdigung tragfähig.
270d) Nach alledem wäre die Bundesnetzagentur verpflichtet gewesen, die von ihr anhand der historischen DMS-Datenreihen ermittelte Marktrisikoprämie durch die Betrachtung weiterer Ansätze unmittelbar zu plausibilisieren und/oder aber jedenfalls – als mittelbare Plausibilisierung – die Belastbarkeit der von ihr ermittelten Marktrisikoprämie durch die Ermittlung zusätzlicher Indikatoren für die Angemessenheit der sich unter deren Einbeziehung letztlich ergebenden Eigenkapitalverzinsung, also im Rahmen einer Gesamtplausibilisierung, zu überprüfen. Dabei ist insbesondere eine Plausibilisierung der Marktrisikoprämie ohne Weiteres möglich.
271aa) Anders als die Bundesnetzagentur in der Festlegung (dort S. 21) anzunehmen scheint, ist die Plausibilisierung anhand anderer, insbesondere zukunftsgerichteter Ansätze nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie ihren Gutachtern folgend diese Ansätze für „nicht geeignet“ erachtet hat. Die Frage der Belastbarkeit einzelner oder einer Gesamtschau von unter Anwendung sonstiger Methoden erzielter Ergebnisse ist von der qualitativen Betrachtung der jeweiligen Methode im Rahmen der methodischen Auswahlentscheidung zu trennen. Wenn der Bundesgerichtshof auf den geringen Erkenntniswert eines Vergleichs mit anderen Modellen hingewiesen hat, die ihrerseits fachlichen Bedenken unterliegen (BGH, a.a.O. Rn. 54 – Eigenkapitalzinssatz II), wollte er damit ersichtlich nicht zum Ausdruck bringen, dass ein solcher Vergleich von vornherein ausgeschlossen ist. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine Plausibilisierung auch nicht zwingend durch eine gleichgewichtige Kombination mehrerer unterschiedlicher Ansätze zur Ermittlung der Marktrisikoprämie zu erfolgen hat. Die Gutachter der Bundesnetzagentur haben anhand der Betrachtung historischer Überrenditen – ohne Berücksichtigung der ihrer Ansicht nach gebotenen Anpassungen – keine konkrete Marktrisikoprämie, sondern vielmehr eine Bandbreite derselben von 3,1 % bis 4,3 % ermittelt. Es ist deshalb auch vertretbar, die Ergebnisse, die sich bei Anwendung anderer Methoden ergeben, im Rahmen der Festlegung der Marktrisikoprämie ausgehend von dieser Bandbreite zu berücksichtigen und als Indikatoren für ein belastbares Ergebnis etwa am oberen Rand der Bandbreite heranzuziehen.
272bb) Es stehen zahlreiche Methoden für eine mögliche Plausibilisierung der Marktrisikoprämie zur Verfügung. Etwas anderes ist auch von der Bundesnetzagentur nicht substantiiert geltend gemacht worden und liefe der gängigen Regulierungspraxis in anderen Ländern zuwider.
273Im Stehle/Betzer-Gutachten (dort S. 24, 74 ff., 92) ist mehrfach auf die Zentralbankenansätze zur Determinierung von Marktrisikoprämien Bezug genommen worden. Sowohl im Frontier-Gutachten als auch in den verschiedenen vom BDEW bzw. einzelnen Beschwerdeführerinnen in den Musterbeschwerdeverfahren eingeholten Gutachten werden eine Vielzahl von Ansätzen aufgezeigt, nach denen jeweils die Ermittlung einer Marktrisikoprämie möglich wäre und die auch die Gutachter der Bundesnetzagentur nicht als von vornherein ungeeignet gewürdigt haben. Auch die Festlegungen ausländischer Regulierungsbehörden oder Festlegungen in anderen regulierten Bereichen wie der Telekommunikation können bei sachangemessener Berücksichtigung struktureller Unterschiede in der Herleitung der Marktrisikoprämie Anhaltspunkte bieten, die eine Überprüfung des von der Bundesnetzagentur ermittelten Ergebnisses ermöglichen. Zudem wird in der finanzwirtschaftlichen und auch regulatorischen Praxis auf Experten- bzw. Investorenumfragen zurückgegriffen.
274Im Übrigen entspricht ein methodenpluralistisches Vorgehen, bei dem entweder von vornherein mehrere Methoden zur Ermittlung der Marktrisikoprämie Anwendung finden oder jedenfalls das anhand einer einzigen Methode ermittelte Ergebnis mithilfe anderer Ansätze plausibilisiert wird, gängiger Praxis der Regulierungsbehörden und auch dem Vorgehen der EZB (vgl. etwa Stehle/Betzer-Gutachten, S. 77 f., wonach im Jahr 2018 für einen Vergleich der Marktrisikoprämie zwischen Euroraum und USA die Nutzung einer Reihe von Modellen befürwortet wird). So folgt aus der Auswertung im NERA-Gutachten 2021 (dort S. 14), dass in einem Großteil der betrachteten 17 Länder entweder mehrere Methoden gleichwertig zur Ermittlung der Marktrisikoprämie herangezogen werden (in 7 Ländern) oder das mit einer Methode ermittelte Ergebnis jedenfalls durch die Heranziehung einer oder mehrerer weiterer Methoden plausibilisiert wird (in 4 Ländern). So wird in dem für Western Power Distribution erstellten Gutachten von Frontier Economics vom 16.11.2021 (Anlage BG 8, S. 11) anschaulich dargelegt, dass es zahlreiche unterstützende Methoden gibt, die in Verbindung mit der historischen Ex-post-Betrachtung als „additional supporting methods“ Anwendung finden können, wie etwa die Prognosen von Investment-Managern oder Ex-ante-Methoden. In dem Gutachten wird insbesondere die methodenpluralistische Vorgehensweise von OFGEM und CMA dargestellt, die jeweils neben dem DMS-datenbasierten historischen Ansatz unterschiedliche Ansätze heranziehen.
2758. Offenbleiben kann nach alledem, ob mit der sog. Zinswende ein Umstand vorliegt, der zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Festlegung führt, insbesondere, ob sich aus den am 07.06.2023 veröffentlichten Eckpunkten für die Festlegung von Regelungen für die Bestimmung des kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes für Neuanlagen im Kapitalkostenaufschlag nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 a) EnWG-E i.V.m. § 29 Abs. 1 EnWG in Verbindung mit der Pressemitteilung ergibt, dass die Bundesnetzagentur zwischenzeitlich selbst von einer Unangemessenheit der von ihr festgelegten Eigenkapitalzinssätze ausgeht.
276Es ist zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig geblieben, dass sich die Zinspolitik der EZB seit Juli 2022 grundlegend verändert hat und diese seitdem die Leitzinsen kontinuierlich erhöht und ihre Anleihenkäufe beendet hat. Diese die außergewöhnliche Niedrigzinsphase ablösende sog. Zinswende ist mithin erst nach der am 12.10.2021 erfolgten Festlegung eingetreten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Höhe der Eigenkapitalzinssätze war die Änderung der Zinspolitik weder nach Zeitpunkt noch konkretem Umfang so belastbar abzusehen, dass dies Anlass gegeben hätte, sie zu diesem Zeitpunkt bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die vierte Regulierungsperiode zu berücksichtigen. Ob die sog. Zinswende für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Festlegung relevant sein kann, hängt deshalb maßgeblich davon ab, auf welchen Zeitpunkt der Senat bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzustellen hat, den der behördlichen Entscheidung oder den der mündlichen Verhandlung.
277Nach der gesicherten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich der maßgebliche Zeitpunkt, auf den im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitsprüfung eines Verwaltungsakts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzustellen ist, in erster Linie nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (etwa BVerwG, Urt. v. 29.5.2019 – 6 C 8/18, juris Rn. 16; vgl. auch Schübel/Pfister in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 55; Riese in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. EL August 2022, § 113 VwGO Rn. 236, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung, bei denen aber regelmäßig – wenn sich aus dem maßgeblichen materiellen Recht nichts anderes ergibt – auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist (BVerwG, a.a.O.; Urt. v. 04.12.2020 – 3 C 5/20, juris Rn. 11; Beschl. v. 11.07.2012 – 3 B 78/11, juris Rn. 8, jeweils m.w.N.; vgl. auch Senat, Beschl. v. 27.05.2009 – VI-3 Kart 45/08 [V], juris Rn. 33; OLG Düsseldorf, 5. Kartellsenat, Beschl. v. 19.12.2013 – VI-5 Kart 25/13 [V], juris Rn. 22; van Rossum in: BeckOK EnWG, 6. Ed. Stand 01.03.2023, § 83 Rn. 23; Laubenstein/Bourazeri in: Bourwieg/Hellermann/Hermes, EnWG, 4. Aufl. 2023, § 83 Rn. 18; Klawa/Göge in: Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, 2. Aufl. 2023, § 83 Rn. 21). Auch der Bundesgerichtshof hat für kartellrechtliche Verbotsverfügungen mit Dauerwirkung bereits mehrfach entschieden, dass für die Tatsachenfeststellung an sich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht maßgeblich ist (BGH, Beschl. v. 07.10.1997 – KVR 14/96, juris Rnr. 44 – Selektive Exklusivität; BGH, Beschl. v. 04.10.1983 – KVR 2/82, juris Rn. 23 – Elbe Wochenblatt II; Beschl. v. 24.06.2003 – KVR 14/01, juris Rn. 36 – HABET/Lekkerland).
278Auch wenn im Anwendungsbereich des Energiewirtschaftsgesetzes die Entscheidungen der Regulierungsbehörde zumeist als Verwaltungsakte mit Dauerwirkungen zu qualifizieren sind (Johanns/Roesen in: BerlK-EnR, 4. Aufl. 2019, § 83 EnWG Rn. 23) und dies zweifelsfrei für die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die Dauer einer fünfjährigen Regulierungsperiode gilt, so sprechen beachtliche Gründe dafür, mit Blick auf den prognostischen Charakter der hier streitgegenständlichen Festlegung der Eigenkapitalzinssätze im Streitfall auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen.
279Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in Fallgestaltungen, bei denen die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Wesentlichen prognostischen Charakter hat, es für die Rechtmäßigkeit auch eines Dauerverwaltungsakts auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung ankommt. Dies gilt etwa für die inzidenter im Rahmen einer Klage gegen die konkreten Umsetzungsmaßnahmen eines Luftreinhalteplans durchgeführte gerichtliche Kontrolle. Diese unterliegt – nicht anders als sonstige Planungsentscheidungen – deshalb Einschränkungen, weil sie prognostische Elemente enthält, die der Planung im Hinblick auf die Schadstoffentwicklung und der Wirkung der von ihr festgelegten Maßnahmen zugrunde liegen, und der Behörde bei der Auswahl und der Ausgestaltung der im Luftreinhalteplan festgelegten Maßnahmen ein Ermessen zugesteht. Sie beschränkt sich daher – wie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu sonstigen planerischen Entscheidungen hinreichend geklärt ist – darauf, ob die Prognose von zutreffenden Werten, Daten und Zahlen ausgeht, auf realistischen Annahmen beruht, methodisch einwandfrei erarbeitet worden ist und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist. Die gerichtliche Kontrolle muss zudem, um der prognostischen Natur der Planungsentscheidung gerecht zu werden – wie generell bei der Überprüfung solcher Prognosen –, auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung abstellen, also auf die Beschlussfassung über den Plan (BVerwG, Beschl. v. 11.07.2012 – 3 B 78/11, juris Rn. 11). Dies entspricht ständiger Rechtsprechung zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei Planfeststellungsbeschlüssen (BVerwG, Beschl. v. 17.01.2013 – 7 B 18/12, juris Rn. 27 m.w.N.). Auch bei Verpflichtungsklagen auf Einstellung in das Beamtenverhältnis ist regelmäßig nach der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltenden Sach- und Rechtslage zu entscheiden, weil die Einstellung eines Beamtenbewerbers neben der Feststellung objektiver Tatsachen in der Form der Eignungsbeurteilung einen prognostischen Akt wertender Erkenntnis voraussetzt, der nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar ist und maßstabbildende Elemente enthält, die der Dienstherr im Hinblick auf den zu besetzenden Dienstposten selbst festzulegen hat. Maßgeblich für den zu beurteilenden Sachstand ist deshalb ebenfalls grundsätzlich das Erkenntnismaterial, das der Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegt (BVerwG, Urt. v. 24.06.2004 – 2 C 45/03, juris Rn. 18).
280Für eine Übertragung der vorgenannten Entscheidungen auf die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze – wie auf vergleichbare Festlegungen im regulatorischen Bereich – lässt sich anführen, dass auch hier der prognostische Charakter der Entscheidung im Vordergrund steht (vgl. Senat, Beschl. v. 22.03.2018 – VI-3 Kart 148/16 [V], juris Rn. 61, 64). Dies kommt darin zum Ausdruck, dass der Verordnungsgeber in § 7 Abs. 6 Satz 1 und 2 GasNEV vorgibt, dass die Festlegung vor Beginn der Regulierungsperiode und jeweils für die Dauer derselben zu erfolgen hat, und nach § 7 Abs. 5 GasNEV bei der Ermittlung der Eigenkapitalzinssätze von der Regulierungsbehörde bestimmte aktuelle Verhältnisse und Beobachtungen zu berücksichtigen sind.
281Eine Rechtsschutzlücke dürfte hierdurch für die betroffenen Netzbetreiber nicht entstehen. Die Regelung des § 29 Abs. 2 EnWG gewährleistet die notwendige Flexibilität, um die Bedingungen und Methoden an veränderte Umstände anpassen zu können, indem er die Regulierungsbehörde in den Stand versetzt, auf den Eintritt neuer tatsächlicher und rechtlicher Entwicklungen nach Erlass der Entscheidung zu reagieren und für die Effektivität der Regulierung zu sorgen (Schmidt-Preuß in: BerlK-EnR, 4. Aufl. 2019, § 29 EnWG Rn. 69; zur Anwendbarkeit von § 29 Abs. 2 EnWG auf die Änderung der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze Senat, Beschl. v. 05.08.2013 – VI-3 Kart 389/11 [V], juris Rn. 25; Schütz/Schütte in: Holznagel/Schütz, ARegV, 2. Aufl. 2019, § 7 GasNEV Rn. 103; offengelassen von BGH, Beschl. v. 03.03.2015 EnVR 62/13, juris Rn. 24). Bei einer geänderten Sachlage, die die Prognoseentscheidung nachträglich rechtswidrig werden lässt, wird regelmäßig das Ermessen der Regulierungsbehörde, die rechtswidrig gewordenen Entscheidung zu ändern, auf Null reduziert sein. Gegen die von einer nach der behördlichen Entscheidung rechtswidrig gewordenen Festlegung mit Dauerwirkung ausgehenden Belastung können sich Netzbetreiber deshalb mit einer auf Anpassung der Ausgangsentscheidung gerichteten Verpflichtungsbeschwerde zur Wehr setzen.
282Letztlich bedarf die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtlage aber keiner abschließenden Beantwortung, da die Bundesnetzagentur ohnehin zur Neubescheidung der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet ist und Grundlage dieser Neubescheidung die Sachlage zum Neubescheidungszeitpunkt sein wird.
2839. Der von den Verfahrensbeteiligten zu zahlreichen Fragestellungen beantragten Einholung von Sachverständigengutachten bedurfte es nach alledem nicht. Insbesondere sind die aus ökonomischer Sicht für die Bewertung der Methodenwahl als auch die Methodenanwendung durch die Bundesnetzagentur maßgeblichen Gesichtspunkte Gegenstand zahlreicher Privatgutachten gewesen, die dem Senat eine den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechende Überprüfung der insoweit getroffenen Auswahlentscheidungen ermöglichen, ohne dass es hierfür ergänzender sachverständiger Hilfe bedurft hätte.
284C.
285I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG. Unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und der aus dem einseitigen Anwaltszwang (§ 80 EnWG) resultierenden ungleichen Kostenbelastung im Beschwerdeverfahren entspricht es der Billigkeit, dass die Beschwerdeführerin und die Bundesnetzagentur die Gerichtskosten und ihre außergerichtlichen Kosten jeweils zur Hälfte tragen. Vorliegend hat die für die erneute Bescheidung vorgegebene Rechtsauffassung des Senats eine geringere Bindung der Bundesnetzagentur zur Folge als mit der Beschwerde erstrebt, weil die gegen ihre Vorgehensweise geführten Angriffe nur unter einem einzigen Gesichtspunkt Erfolg und unter einer Vielzahl von anderen Gesichtspunkten keinen Erfolg haben. Damit unterliegt die Beschwerdeführerin teilweise (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.2009, 7 C 2/09, juris Rn. 67). Da sich der Umfang des Teilunterliegens nicht belastbar quantifizieren lässt, ist eine Kostentragung zu gleichen Teilen angemessen.
286II. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO. Da das hierfür maßgebliche wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin nicht konkret bezifferbar ist, hat der Senat – im Einvernehmen mit Verfahrensbeteiligten – auf einen pauschal geschätzten Auffangstreitwert zurückgegriffen.
287D.
288Die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung war zuzulassen, weil die streitgegenständlichen Fragen grundsätzliche Bedeutung haben (§ 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG) und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof erfordert (§ 86 Abs. 2 Nr. 2 EnWG).
289Rechtsmittelbelehrung:
290Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Rechtsbeschwerde kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht werden. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung) vom 24.11.2017 (BGBl. I, S. 3803). Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 88 Abs. 4 S. 2, 80 S. 2 EnWG).