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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 17. Juni 2022 – 15a C 37/21 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens: bis 10.000,00 €
Gründe
2I.
3Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Ein Lichtbild der Wohnungseigentumsanlage wurde mit Schriftsatz der Klägerin vom 20. Mai 2022 zur Akte gereicht.
4Durch Teilungserklärung vom 24. März 2016 (Bl. 141 ff. e-Akte AG Solingen) wurde der Grundbesitz D. durch die Klägerin (vormals: MSD Unternehmensberatung GmbH) als Bauträgerin in Wohn- und Teileigentum aufgeteilt. Unter § 1 Abs. 2 der Teilungserklärung ist festgehalten, dass die Klägerin beabsichtigt, auf dem vorgenannten Grundbesitz die dort bereits bestehenden beiden Gebäude umzubauen und darin nach derzeitigem Planungsstand insgesamt bis zu 11 Wohnungen und zwei gewerblich genutzte Einheiten sowie bis zu 15 Stellplätze zu errichten. Unter § 2 werden für das Haus I. eine Teileigentumseinheit und sieben Wohneinheiten begründet, für das Haus Z. vier Wohneinheiten und eine Teileigentumseinheit.
5In § 3 Abs. 5 der Gemeinschaftsordnung (Anlage B zur Teilungserklärung) ist festgehalten:
6Bei den Regelungen dieser Gemeinschaftsordnung als auch der zugrundeliegenden Teilungserklärung ist immer davon auszugehen, dass die auf dem Grundstück aufstehenden Wohngebäude, das heißt das Objekt I. einerseits und das Objekt Z. andererseits im Ergebnis soweit wie möglich getrennt und unabhängig voneinander behandelt werden, so dass die Einheiten 1 bis mit 8 (I.) und die Einheiten 9 bis mit 13 (Z.) jeweils eine gesonderte Wirtschaftsgemeinschaft und hinsichtlich ihres Gebäudes eine eigene, getrennte Eigentümergemeinschaft bilden. Dazu gilt folgendes:
7a)
8Der jeweiligen (Unter-) Eigentümergemeinschaft der beiden genannten Häuser, also der jeweiligen betreffenden Wohnungseigentümer, steht die Nutzung ihres jeweiligen Gebäudes jeweils gemeinschaftlich unter Ausschluss der Nutzung durch die Miteigentümer des anderen Hauses zu. Diesem Sondernutzungsrecht unterliegen das gesamte gemeinschaftliche Eigentum des jeweiligen Hauses, insbesondere die konstruktiven Teile des Gebäudes sowie die technischen Einrichtungen und gemeinschaftlichen Anlagen, soweit diese nicht im Sondereigentum eines Wohnungseigentümers stehen oder diesem zur Sondernutzung zugewiesen sind. Die Miteigentümer eines Hauses besitzen sämtliche Rechte und Pflichten an ihrem Gebäude so, wie wenn es sich um eine eigene Eigentümergemeinschaft handelt, mithin die beiden betreffenden Grundstücke real geteilt wären. Die Miteigentümer eines Hauses entscheiden allein über bauliche Maßnahmen an ihrem Gebäude. Im Zweifel entscheidet der Verwalter für die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft über die Zulässigkeit einer solchen Veränderung. Die Gemeinschaft eines der beiden Häuser hat in jedem Fall die Interessen der Gemeinschaft des anderen Hauses zu berücksichtigen.
9b)
10Im Hinblick darauf, dass die Gemeinschaft aller Wohnungseigentümer als Verband rechtsfähig ist und folglich durch Rechtsgeschäfte, die nach außen hin die gesamte Gemeinschaft, also auch Gemeinschaftseigentum an dem jeweils anderen Gebäude, betreffen, hat jede der vorstehend begründeten Untergemeinschaften bei der Auftragsvergabe gegenüber Dritten darauf hinzuweisen, dass für Aufträge, die nur das betreffende Gebäude betreffen, nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft Vertragspartner ist und haftet, sondern nur die jeweiligen Wohnungseigentümer des betreffenden Gebäudes.
11c)
12Jede Untergemeinschaft hält eine gesonderte Eigentümerversammlung ab, die über die Belange entscheidet, die nur diese Gemeinschaft betrifft. In dieser Versammlung haben nur die Eigentümer der in dem Haus gelegenen Einheiten Stimmrecht. Das Stimmrecht bestimmt sich auch insoweit nach den Miteigentumsanteilen, bezogen auf das jeweilige Teilobjekt (I. einerseits und Z. andererseits).
13[…]
14§ 12:
15(1)
16Für die Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung gelten die Vorschriften des WEG mit der Maßgabe, dass in der Einberufung Ort, Zeit und Gegenstand der Versammlung bekanntgegeben sein müssen.
17[…]
18(5)
19Soweit diese Gemeinschaftsordnung nicht etwas anderes bestimmt, gewährt jeder 1.000stel Miteigentumsanteil eine Stimme. Steht ein Wohnungseigentum mehreren Personen gemeinschaftlich zu, so können diese ihr Stimmrecht nur einheitlich ausüben. Für Beschlüsse, die nur in der Untergemeinschaft des Objektes I. zu fassen sind, ist ein Faktor von 633stel zugrunde zu legen; der Faktor für das Objekt Z. lautet 367stel.
20Die Untergemeinschaft I. besteht ausweislich der einzelnen Grundbuchblätter (AG Solingen, Grundbuch von X., Blätter 11446 bis 11453) aus 8 Einheiten mit insgesamt 635 Miteigentumsanteilen, die Untergemeinschaft Z. (AG Solingen, Grundbuch von X., Blätter 11454 bis 11458) aus 5 Einheiten mit 365 Miteigentumsanteilen.
21In der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 4. Februar 2020 (Protokoll Bl. 132 ff. e-Akte AG Solingen) ist unter TOP 4 eine Sonderumlage in Höhe von 10.000,00 € beschlossen worden. Weiter heißt es u. a.
22TOP 5:
23Die Wohnungseigentümergemeinschaft zieht die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche sowie die sonstigen primären Mängelrechte, die den Erwerbern und den Nachzüglern gegenüber dem Bauträger zustehen, an sich. Die Verwaltung weist darauf hin, dass der Miteigentümer E. bei diesem Tagesordnungspunkt nicht stimmberechtigt ist.
24TOP 6:
25Die Eigentümer beschließen und beauftragen die Hausverwaltung F. oHG, namens und in Vollmacht der Eigentümergemeinschaft Herrn Dipl.-Ing.-Ing. Architekt V. gemäß dessen Anlage 1 „Honorarsätze“ auf Stundenaufwandsbasis zu beauftragen, eine Gesamtbegutachtung des Gemeinschaftseigentums vorzunehmen. Die Kosten gehen zu Lasten der Hausgeldabrechnung. Die Verwaltung weist darauf hin, dass der Miteigentümer E. bei diesem Tagesordnungspunkt nicht stimmberechtigt ist.
26TOP 7:
27Die Eigentümer beschließen und beauftragen die Hausverwaltung F. oHG namens und in Vollmacht der Eigentümergemeinschaft hinsichtlich der durch Herrn Dipl.-Ing. Architekt festgestellten Mängel am Gemeinschaftseigentum die Kanzlei S. GbR aus Solingen auf Basis der Vergütungsvereinbarung (250,00 EUR netto pro Stunde) zu beauftragen, die Interessen der Eigentümergemeinschaft hinsichtlich der Mängel am Gemeinschaftseigentum wahrzunehmen.
28Die Kanzlei S. GbR soll vom Bauträger die Durchsetzung der sach- und fachgerechten Mangelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum außergerichtlich und notfalls auch gerichtlich fordern. […] Ferner beschließen die Eigentümer, sofern eine vollständige sowie sach- und fachgerechte Mängelbeseitigung durch den Bauträger nicht erfolgt, Kostenvorschuss geltend zu machen. […]
29Der beauftragte Gutachter nahm einen Ortstermin wahr und hielt 165 Mängel am Gemeinschaftseigentum bezogen auf das Haus 54 in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Mai 2020 (in Auszügen Bl. 221 ff. e-Akte AG Solingen) fest.
30In dem Rechtsstreit Landgericht Wuppertal 1 O 321/20 macht die Wohnungseigentümergemeinschaft I. und 56 gegen die Klägerin als Bauträgerin Vorschuss geltend, der erforderlich sein soll zur Beseitigung vermeintlicher Mängel am Gemeinschaftseigentum. Mit Klageschrift von Rechtsanwälten S. vom 22. Oktober 2020 (Bl. 122 ff. e-Akte AG Solingen) wird die Verurteilung der Klägerin als Bauträgerin zur Zahlung von 126.441,37 € nebst Zinsen beantragt. Auf Seite 5 der Klageschrift wird angemerkt, dass sich die aus der gutachterlichen Stellungnahme ergebenden Mängel und die Kostenschätzung ausschließlich mit solchen des Objektes I. befassen.
31In diesem Rechtsstreit erhebt das Landgericht Wuppertal gemäß Beweisbeschluss vom 14. Juni 2021 Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob die durch das Gutachten des Sachverständigen Herrn V. vom 22. Mai 2020 festgehaltenen Mängel nicht oder nicht mehr vorliegen.
32In dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Solingen 15a C 3/21 wurde durch Versäumnisurteil vom 3. September 2021 der Beschluss der Eigentümerversammlung (Untergemeinschaft I.) vom 28. Dezember 2020 zu einer einmaligen Sonderumlage von 6.000,00 € für das Gerichtsverfahren (TOP 9) für ungültig erklärt. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. September 2021 Einspruch eingelegt.
33Zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung vom 15. Oktober 2021 war die Klägerin bezüglich des Hauses Z. in allen Einheiten (Grundbuch von X., Blatt 11454 bis Blatt 11459) als Eigentümerin eingetragen, jedoch waren bei den Einheiten 10, 11 und 13 Auflassungsvormerkungen zugunsten der Erwerber eingetragen. Auf die Klägerin entfielen daher die Stimmen bezüglich der Einheit Nr. 9 mit 40 MEA und der Einheit Nr. 12 mit 78 MEA (vgl. Anwesenheitsliste Bl. 69 e-Akte AG Solingen).)
34In der Eigentümerversammlung vom 15. Oktober 2021 (Protokoll Bl. 39 ff. e-Akte AG Solingen), in der 1.000/1.000stel Miteigentumsanteile anwesend bzw. vertreten waren, wurde wie folgt festgehalten:
35TOP 14
36Beschlussantrag: Die WEG möchte folgendes besprechen und unter Umständen beschließen:
37Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen die Raumvision und Anstreben einer gütlichen Einigung ggfs. unter Zuhilfenahme einer Mediation.
38Die Eigentümer finden anbei den aktuellen Sachstand des Gerichtsverfahrens. Das Gericht hat einen Gutachter mit der Überprüfung des Sachverhaltes beauftragt und das Gutachten soll bis zum 25.11.2021 vorliegen.
39Beschluss:
40Die WEG beschließt das Verfahren zunächst fortzuführen und das Ergebnis des gerichtlich beauftragten Gutachters abzuwarten.
41Sobald das Gutachten vorliegt, wird ein Gesprächstermin mit E., dem Beirat und der Hausverwaltung in den Räumlichkeiten der Hausverwaltung angestrebt, um eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung herbeizuführen mit dem Ziel das Verfahren einzustellen.
42Das Gesprächsergebnis wird der gesamten WEG dann im Rahmen einer außerordentlichen Eigentümerversammlung vorgestellt um mögliche weitere Schritte zu beschließen.
43Feststellungen und Verkündung […]
44abgegebene MEA = 882,000
45MEA ja = 882,000
46MEA nein = 0,000
47enthalten = 0,000
48100 % der abgegebenen MEA stimmten ja.
49Der Beschluss wurde angenommen.
50TOP 15
51[...]
52Beschluss:
53Die Verwaltung weist darauf hin, dass der Beschlussantrag von Herrn T. von der Kanzlei S. formuliert ist, welche die WEG vertritt. Zur Bestätigung des Beschlusses unter TOP 9 des Protokolls der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 28.12.2020 beschließt die Gemeinschaft nunmehr, dass, um die anfallenden Gerichts- und Rechtsanwaltskosten zahlen zu können, für das seitens der Gemeinschaft vor dem Landgericht Wuppertal bereits eingeleitete Verfahren unter dem Aktenzeichen 1 O 321/20, in welchem die Gemeinschaft den Bauträger auf Kostenvorschuss in Anspruch nimmt, eine einmalige Sonderumlage in Höhe von 6.000,00 € (Gerichtskosten gemäß Rechnung vom 10.01.2020 in Höhe von 3.798,00 € und zunächst anfallende (geschätzte) Rechtsanwaltskosten in Höhe von ca. 2.000,00 €) eingezahlt wird.
54Die Sonderumlage ist gemäß MEA anteilig zu zahlen. Auf die einzelnen Eigentümer fallen daher nachfolgende Anteile (Stichtag 28.12.2020):
55[…]
56Der anteilige Betrag wird bis zum 15.11.2021 fällig gestellt und ist auf das Konto der Gemeinschaft bei der Stadtsparkasse Solingen mit der IBAN … einzuzahlen.
57[…]
58Die Klägerin hat die Beschlussfassungen zu TOP 14 und TOP 15 angefochten.
59Die Klägerin hat beantragt,
601. den Beschluss zu TOP 14 der Eigentümerversammlung vom 15. Oktober 2021 für nichtig, hilfsweise ungültig zu erklären,
612. den Beschluss zu TOP 15 der Eigentümerversammlung vom 15. Oktober 2021 für nichtig, hilfsweise ungültig zu erklären.
62Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beschluss zu TOP 14 nichtig ist. Gegenstand des TOP 14 sei die Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen die H. und dieser Rechtsstreit betreffe allein das Gemeinschaftseigentum des Objektes Nr. 54 und damit die Untergemeinschaft I.. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Juni 2020 zu dem Aktenzeichen V ZR 199/90 liege die alleinige Beschlusskompetenz bei dieser Untergemeinschaft. Abgestimmt habe aber die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft I. und 56. Die Eigentümer der Untergemeinschaft Z. würden einem Stimmverbot hinsichtlich der Belange der Untergemeinschaft I. unterliegen.
63Zudem sei der Beschluss zu TOP 14 auch materiell-rechtlich nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend, da der Verwalter die Wohnungseigentümer falsch informiert habe. Es stand in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Wuppertal die Erstattung eines Gutachtens nicht unmittelbar bevor und dieses war auch noch nicht abschließend bezahlt.
64Auch den Beschluss zu TOP 15 hält die Klägerin für nichtig. Auch insoweit liege die alleinige Beschlusskompetenz bei der Untergemeinschaft I.. Materiell-rechtlich handele es sich bei der Sonderumlage um eine Ergänzung des auf das Wirtschaftsjahr beschränkten Wirtschaftsplanes. Daher dürfe die Sonderumlage nicht für rückwirkende Abrechnungszeiträume und Wirtschaftsjahre erstellt werden. Hierfür fehle die Beschlusskompetenz.
65Die Beklagte hat beantragt,
66die Klage abzuweisen.
67Die Beklagte trägt vor, dass sich die Kostenvorschussklage auf nicht fachgerechte Leistungen sowohl an dem Gebäude I. als auch Z. beziehe. Da zum Zeitpunkt der Klageerhebung das Gebäude Z. jedoch noch nicht ansatzweise bezugsfertig erstellt gewesen sei, beziehe sich zum jetzigen Zeitpunkt der geltend gemachte Vorschussanspruch ausschließlich auf nicht fachgerechte Leistungen am Gebäude I.. Im Jahre 2021 sei auch das Objekt Z. bezugsfertig erstellt worden. Es gehe vorliegend nicht um Instandsetzungsmaßnahmen sondern ausschließlich um Fragen der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen der gesamten Gemeinschaft bezüglich zahlreicher Mängel am Gemeinschaftseigentum.
68Im Übrigen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
69Durch Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 17. Juni 2022 wurden die Beschlüsse zu TOP 14 und 15 der Eigentümerversammlung vom 15. Oktober 2021 für ungültig erklärt und im Übrigen die Klage abgewiesen.
70Der Amtsrichter hat ausgeführt, dass es bezüglich der Beschlussfassung zu TOP 14 und 15 an der Beschlusskompetenz der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft fehle. Dies folge aus § 3 Abs. 5 der Gemeinschaftsordnung.
71Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
72Die Beklagten beantragen,
73unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Solingen vom 17. Juni 2022 die Klage abzuweisen.
74Die Klägerin beantragt,
75die Berufung zurückzuweisen.
76Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
77II.
78Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
791.
80Der Beschluss zu TOP 14 der Eigentümerversammlung vom 15. Oktober 2021 widerspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung und ist nicht nichtig.
81Der Eigentümerversammlung der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft vom 15. Oktober 2021 fehlte insbesondere nicht die Beschlusskompetenz.
82Für die Beschlusskompetenz bezüglich der Entscheidung über die eventuelle Beendigung des Rechtsstreits der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die Klägerin als Bauträgerin vor dem Landgericht Wuppertal ist entscheidend, dass die Eigentümerversammlung der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft auch mit Beschlusskompetenz die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche sowie die sonstigen primären Mängelrechte mit Beschluss zu TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 4. Februar 2020 an sich gezogen hat.
83a)
84Vorab sind die Grundsätze bezüglich der Berechtigung zur Ausübung von Gewährleistungsrechten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft niederzulegen.
85Nach der Rechtsprechung unter altem Recht konnte der einzelne Wohnungseigentümer die Ansprüche auf Erfüllung, Nacherfüllung, die Kosten der Ersatzvornahme oder Kostenvorschuss individuell geltend machen. Die Wohnungseigentümer konnten allerdings die Ausübung durch Beschluss auf die Gemeinschaft übertragen. Die Gemeinschaft konnte durch Mehrheitsbeschluss die Durchsetzung der auf die Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentums wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum an sich ziehen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. April 2007, – VII ZR 236/05; Oberlandesgericht München, Urteil vom 22. März 2022, – 28 U 3194/21 Bau). Anerkannt hat der Bundesgerichtshof die Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft auch für das Gemeinschaftseigentum betreffende kaufvertragliche Nacherfüllungsansprüche der Erwerber (sog. Nachzügler), wenn diese Ansprüche – wie die werkvertraglichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche – jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet sind (Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Februar 2016, – VII ZR 156/13; Urteil vom 20. September 2019, – V ZR 258/18). Gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG a. F. übt die Wohnungseigentümergemeinschaft die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Rechtsinhaber bleiben die Wohnungseigentümer, aber die materielle Ausübungs- und die Prozessführungsbefugnis steht der Wohnungseigentümergemeinschaft zu (Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. September 2019, – V ZR 258/18).
86Die Begründung des zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) geht davon aus, dass das WEMoG hieran nichts geändert hat. Die bauträgervertragsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierzu sei nämlich schon vor der Einführung der Ausübungsbefugnis nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. ergangen und bleibe deshalb von der gesetzlichen Beseitigung der gekorenen Ausübungsbefugnis durch das WEMoG in § 9a Abs. 2 WEG unberührt.
87Die ordnungsgemäße Verwaltung wird regelmäßig ein gemeinschaftliches Vorgehen erfordern. Denn die ordnungsgemäße Verwaltung wird es in aller Regel – auch im Hinblick auf den Erfüllungs- oder Nacherfüllungsanspruch – erfordern, einen gemeinschaftlichen Willen darüber zu bilden, wie die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu bewirken ist.
88Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 11. November 2022 (AZ: V ZR 213/21) nun ausdrücklich festgehalten, dass sich an der Rechtslage durch das am 1. Dezember 2020 in Kraft getretene WEMoG nichts geändert hat. Wörtlich hat er ausgeführt:
89Die Klägerin (Anmerkung: Wohnungseigentümergemeinschaft) ist für die Geltendmachung des Nachbesserungsanspruchs prozessführungsbefugt, wovon das Berufungsgericht - allerdings nur im Ergebnis - ebenfalls zutreffend ausgeht.
90a) Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin folgt aus den in den Eigentümerversammlungen vom 22. Mai 2014 und vom 8. Oktober 2015 getroffenen Beschlüssen. Diese Beschlüsse begründen nicht nur auf der Grundlage des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung die Prozessführungsbefugnis der Klägerin. Vielmehr besteht diese auch nach der während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Neuregelung der Ausübungsbefugnis der GdWE in § 9a Abs. 2 WEG fort. Auf die Vergemeinschaftungsbeschlüsse kommt es an, da sich die Prozessführungsbefugnis entgegen der Hauptbegründung des Berufungsgerichts aus § 9a Abs. 2 WEG nicht herleiten lässt.
91b) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht - im Rahmen seiner Hilfsbegründung - an, dass die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft etwaige auf das Gemeinschaftseigentum bezogene Nacherfüllungsansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer aus den Erwerbsverträgen auf der Grundlage des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung an sich gezogen hat.
92aa) Eine Beschlussfassung zur Begründung der Prozessführungsbefugnis der Klägerin war unter der Geltung des bisherigen Rechts erforderlich, weil kein Fall von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG aF (sog. geborene Ausübungsbefugnis) vorlag. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war der Erwerber von Wohnungseigentum grundsätzlich berechtigt, seine individuellen Rechte aus dem Vertrag mit dem Veräußerer selbständig zu verfolgen, solange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt waren (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 18 mwN). Bejaht wurde eine geborene Ausübungsbefugnis der GdWE nur bei der Durchsetzung der Ansprüche auf Minderung und auf sog. kleinen Schadensersatz, sofern sie nach Werkvertragsrecht zu beurteilen waren (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, aaO Rn. 19 mwN). Demgegenüber fielen allein nach Kaufrecht zu beurteilende Ansprüche auf Minderung und sog. kleinen Schadensersatz jedenfalls dann nicht in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG aF, wenn eine gebrauchte Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel verkauft und eine Beschaffenheitsgarantie nicht vereinbart worden war (Senat, Urteil vom 24. Juli 2015 - V ZR 167/14, ZfIR 2015, 801 Rn. 11).
93bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konnte die GdWE aber im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung die Ausübung der den einzelnen Erwerbern aus den jeweiligen Verträgen mit dem Veräußerer zustehenden Rechte auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG aF durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen (sog. gekorene Ausübungsbefugnis; vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 20; Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575 Rn. 17; Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 80/09, NJW 2010, 933 Rn. 7 ff.). Darunter fielen die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten werkvertraglichen Erfüllungs- oder Nacherfüllungsansprüche, und zwar selbst dann, wenn nur noch ein Erwerber ein durchsetzbares Recht auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums hatte (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 80/09, aaO Rn. 7 ff.; BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 156/13, aaO Rn. 17). Anerkannt hatte der Bundesgerichtshof die gekorene Ausübungsbefugnis der GdWE auch für das Gemeinschaftseigentum betreffende kaufvertragliche Nacherfüllungsansprüche der Erwerber gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB, wenn diese Ansprüche - wie die werkvertraglichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche - jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet waren; dann bestand kein Anlass, die aus § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG aF folgenden Befugnisse der Wohnungseigentümergemeinschaft unterschiedlich zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 156/13, aaO Rn. 18; Senat, Urteil vom 20. September 2019 - V ZR 258/18, ZfIR 2020, 98 Rn. 7 f.).
94[…]
95c) Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin besteht auch nach der während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Neuregelung der Ausübungsbefugnis der GdWE in § 9a Abs. 2 WEG fort.
96aa) Durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I 2020 S. 2187), das gemäß Art. 18 Satz 1 WEMoG am 1. Dezember 2020 in Kraft getreten ist, ist die Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft in § 9a Abs. 2 WEG neu geregelt worden. Danach übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Die Vorschrift ist an die Stelle des bis dahin geltenden § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG aF getreten. Mit ihr hat der Gesetzgeber das bisher geltende Konzept aufgegeben, das unterschieden hat zwischen der geborenen Ausübungs- bzw. Wahrnehmungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft und der gekorenen Ausübungs- bzw. Wahrnehmungsbefugnis, die einen Beschluss der Wohnungseigentümer voraussetzt (Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19, WuM 2021, 392 Rn. 6; BT-Drucks. 19/18791 S. 46).
97bb) Diese Gesetzesänderung führt nicht zu einem Entfallen der Prozessführungsbefugnis der Klägerin, ohne dass es auf die für Übergangsfälle aufgestellten Grundsätze ankommt (vgl. dazu Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19, WuM 2021, 392 Rn. 12 ff.).
98[…]
99(c) Die Neuregelung der Ausübungsbefugnis in § 9a Abs. 2 WEG hat die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer unberührt gelassen.
100b)
101Vorliegend hat die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschluss unter TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 4. Februar 2020 die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche sowie die sonstigen primären Mängelrechte, die den Erwerbern und den Nachzüglern gegenüber dem Bauträger zustehen, an sich gezogen.
102Dieser Beschluss wurde mangels anderweitigen Vortrags weder angefochten noch dessen Nichtigkeit festgestellt.
103Zwar ist dieser Beschluss vom 4. Februar 2020 nach Ansicht der Klägerin nichtig.
104Dieser Auffassung folgt die Kammer indes nicht.
105Zutreffend ist, dass durch die Gemeinschaftsordnung vom 24. März 2016 zwei Untergemeinschaften gebildet worden sind, nämlich das Gebäude I. und das Gebäude Z..
106Auch ist insbesondere durch den Passus „Bei den Regelungen dieser Gemeinschaftsordnung als auch der zugrundeliegenden Teilungserklärung ist immer davon auszugehen, dass die auf dem Grundstück aufstehenden Wohngebäude, das heißt das Objekt I. einerseits und das Objekt Z. andererseits im Ergebnis soweit wie möglich getrennt und unabhängig voneinander behandelt werden, so dass die Einheiten 1 bis mit 8 (I.) und die Einheiten 9 bis mit 13 (Z.) jeweils eine gesonderte Wirtschaftsgemeinschaft und hinsichtlich ihres Gebäudes eine eigene, getrennte Eigentümergemeinschaft bilden“ niedergelegt worden, dass die Gemeinschaftsordnung eine weitreichende Verselbständigung der Untergemeinschaften beabsichtigte. Ziel war es, die Untergemeinschaften hinsichtlich der Verwaltung soweit wie rechtlich und tatsächlich möglich zu verselbständigen.
107Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG a. F. (nunmehr: § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG) können in Mehrhausanlagen durch Vereinbarung weitgehend verselbständigte Untergemeinschaften gebildet werden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. November 2017, - V ZR 184/16; Urteil vom 18. Januar 2019, - V ZR 72/18; Urteil vom 12. November 2021, - V ZR 204/20 m.w.N.)
108Daher sieht die streitgegenständliche Gemeinschaftsordnung vor, dass jede Untergemeinschaft eine gesonderte Eigentümerversammlung abhält (§ 3 (5) c) der Gemeinschaftsordnung), jede Untergemeinschaft die Kosten und Lasten des jeweiligen Gebäudes trägt (§ 10 (2) der Gemeinschaftsordnung), getrennte Instandhaltungsrücklagen gebildet werden (§ 10 (2) der Gemeinschaftsordnung). Nach § 10 (8) der Gemeinschaftsordnung ist das Hausgeld auf die einzelne Hausgemeinschaft (I. einerseits und Z. andererseits) und die allgemeinen Kosten der Gemeinschaft aufzuteilen. Die Höhe der Abschlagszahlungen werde von der jeweiligen Eigentümergemeinschaft aufgrund des von ihr zu erstellenden Wirtschaftsplans festgesetzt.
109Durch die Bildung von Untergemeinschaften, sollen sie nach der niedergelegten Zielrichtung auch so selbständig wie möglich sein, ist nicht gesagt, dass die auf diese Weise gebildeten Untergemeinschaften über „ihre“ Angelegenheiten eigenständig abrechnen dürfen bzw. der Gesamtgemeinschaft die Beschlusskompetenz für eine Abrechnung fehlt, noch dass allein die jeweilige Untergemeinschaft über die Heranziehung von Rechten gegenüber dem Bauträger beschließen konnte.
110Vom Gesetz abweichende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung müssen klar und eindeutig formuliert sein (Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. November 2013, – V ZR 46/13; Klaus Eichhorn, "Die gefühlte und die geregelte Untergemeinschaft“, ZfIR 2015, 8, 9).
111Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16. Juli 2021 (AZ: V ZR 163/20) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch dann, wenn nach der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage Untergemeinschaften in eigener Zuständigkeit nach dem Vorbild selbständiger Eigentümergemeinschaften über die Lasten und Kosten entscheiden, für die Wohnungseigentümergemeinschaft eine einheitliche Jahresabrechnung erstellt und beschlossen werden muss. An den insoweit eventuell missverständlichen Ausführungen in dem Urteil vom 20. Juli 2012 (AZ: V ZR 231/11) werde nicht festgehalten.
112Die streitgegenständliche Gemeinschaftsordnung verhält sich in keiner Weise zu der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Bauträger. Es werden Regelungen bezüglich der Instandhaltung und Instandsetzung und baulicher Veränderungen niedergelegt. Zwar gehört zur Instandsetzung auch die Behebung anfänglicher Mängel (Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Mai 2018, – V ZR 203/17). Jedoch ist Beschlussgegenstand nicht die erstmalige Herstellung eines der Teilungserklärung entsprechenden Zustands, sondern die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen. Und insofern ist die Aussage des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 26. Juni 2020 (AZ: V ZR 199/19) einschlägig, dass die dortige Kostenregelung zwar später entstehende Kosten erfasst, nicht jedoch die ursprüngliche Errichtung bzw. Sanierung, welche mit der Gegenleistung für den Erwerb der jeweiligen Einheit abgegolten sind.
113Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann die Ausübung der Rechte an sich ziehen, die ein einzelner Wohnungseigentümer bezüglich der Gewährleistung am Gemeinschaftseigentum hat. Das gleiche gilt, wenn die Ansprüche mehreren zustehen, seien sie auch in einer Untergemeinschaft verbunden.
114Die Beschlusskompetenz bezüglich des „Ob“ des An-sich-ziehens der Rechte steht allein der großen Eigentümerversammlung zu (Jennißen-Abramenko, WEG, 5. Aufl., § 10 Rn. 145; Klaus Eichhorn, „Die gefühlte und die geregelte Untergemeinschaft“, ZfIR 2015, 8, 10; Oberlandesgericht München, Verfügung vom 4. April 2017, – 28 U 306/17 Bau; Landgericht Köln, Urteil vom 13. Dezember 2012, – 29 S 47/12).
115Bezüglich der Heranziehung von Rechten ist zu berücksichtigen, dass diese Rechte originär den einzelnen Erwerbern zustehen. Dadurch, dass der Verband die Ausübung von Rechten an sich zieht, entfällt für den einzelnen Wohnungseigentümer grundsätzlich das Recht, seinen Individualanspruch geltend zu machen. Nur die Gesamtgemeinschaft ist partei- und rechtsfähig (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. September 2019, – V ZR 258/18). Nur sie kann gegenüber Dritten selbst Rechte erwerben und Verpflichtungen eingehen. Die Untergemeinschaften sind nicht rechtsfähig (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. November 2017, – V ZR 184/16).
116Insofern ist unerheblich, dass mit der Klageschrift in dem Rechtsstreit Landgericht Wuppertal – 1 O 321/20 Vorschuss bezüglich der Beseitigung der in/an dem Haus I. durch den Gutachter Dipl.-Ing. N. festgehaltenen Mängel geltend gemacht wird.
117Der Beschluss zu TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 4. Februar 2020 hatte nicht bestimmte Mängel zum Gegenstand. Vielmehr hat die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung die Ausübung der den einzelnen Erwerbern aus dem jeweiligen Verträgen mit dem Bauträger zustehenden Rechte durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen.
118Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Juni 2020 (AZ: V ZR 199/19) steht dem nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass auf der Grundlage der Teilungserklärung die Verwaltungszuständigkeit für die Baukörper den Untergemeinschaften ohne Einschränkung zugewiesen ist. Daher sei die nachgeordnete Kostenregelung weit auszulegen und umfasse der Begriff „Kosten späterer Instandsetzungsmaßnahmen“ auch die Kosten für die Behebung anfänglicher Mängel. Zu der Beschlusskompetenz bei Beschlüssen zum An-sich-ziehen von Gewährleistungsansprüchen verhält sich die Entscheidung nicht.
119Nur ergänzend sei angemerkt, dass eine Trennung selbst bei der Versorgung mit Wärme vorliegend nicht gegeben ist. Vielmehr steht die die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft versorgende Heizungsanlage im Haus I. (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem AG Solingen vom 20. Mai 2022, Bl. 216 e-Akte AG Solingen).
120Ob der Beschluss zu TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 4. Februar 2020 wegen eines formellen Fehlers in Bezug auf die Eventualeinberufung anfechtbar gewesen wäre, ist unerheblich, da er nach dem Akteninhalt nicht angefochten worden ist. Dass der Beschluss durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt worden wäre, hat die Klägerseite weder vorgetragen, noch ist dies sonst ersichtlich.
121c)
122Die Beschlusskompetenz über die Frage, ob der auf der Grundlage von Beschlüssen der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft rechtshängig gemachte Rechtsstreit beendet oder vorerst weitergeführt wird, steht folgerichtig allein der großen Eigentümerversammlung zu.
123Die große Wohnungseigentümergemeinschaft hat aufgrund der Beschlussfassungen in der Eigentümerversammlung vom 4. Februar 2020 Klage gegen den Bauträger erhoben und daher haben alle Wohnungseigentümer über den Fortgang des Rechtsstreits zu befinden.
124d)
125Der Beschluss zu TOP 14 der Eigentümerversammlung vom 15. Oktober 2021 widerspricht auch nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
126Der angefochtene Beschluss leidet nicht an einem formellen Mangel, weil den Wohnungseigentümern nicht sämtliche Informationen bezüglich des Rechtsstreits Landgericht Wuppertal (AZ: 1 O 321/21) bereits mit der Einladung übermittelt worden sind.
127Zum Zeitpunkt des Einladungsschreibens vom 11. Oktober 2021 war wesentlich, dass das Landgericht Wuppertal am 14. Juni 2021 einen Beweisbeschluss erlassen hatte, nach dem auf Antrag der Beklagten (vorliegend: Klägerin) ein Gutachten eingeholt wird und die dortige Beklagte einen Auslagenvorschuss in Höhe von 10.000,00 € einzuzahlen hat. Das Landgericht hat mit Verfügung vom 25. August 2021 die Parteien darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Gerichtsakte an den Sachverständigen Dipl.-Ing. Q. übermittelt worden ist mit der Bitte, bis zum 25. November 2021 ein Gutachten zu erstatten.
128Zwar hat der Sachverständige mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 einen ersten Ortstermin auf den 30. November 2021 anberaumt, so dass ersichtlich das Gutachten nicht zum 25. November 2021 fertig gestellt werden konnte. Jedoch ist eine Kenntnis des Verwalters zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2021 nicht vorgetragen und im Verteiler des Sachverständigen war sie nicht aufgenommen.
129Es liegt somit bereits kein Ladungsmangel vor.
130Auch wenn der Verwalter auf der Eigentümerversammlung - eventuell mangels Kenntnis - nicht über die zeitlich verzögerte Erstellung des Gutachtens informiert hätte, würde dies keine Anfechtbarkeit des Beschlusses begründen.
131Fakt ist, dass der Rechtsstreit erhoben war und Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eingeholt werden sollte und insoweit der geforderte Kostenvorschuss gezahlt war.
132Es ist allgemein bekannt, dass Gutachten ebenso wie andere Auftragsarbeiten nicht immer fristgerecht fertiggestellt werden, vielmehr jederzeit mit Verzögerungen zu rechnen ist.
133Entscheidend ist allein, dass es ein berechtigtes Interesse der Wohnungseigentümer darstellt, den Ausgang der gerichtlichen Beweiserhebung abzuwarten und auf dessen Grundlage eine einvernehmliche Regelung mit der Klägerin anzustreben. Das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen sollte als Basis dienen. Die Wohnungseigentümer gingen nicht von einer baldigen Beendigung des Rechtsstreits aus. Sie wollten vielmehr nach dem Protokoll nach Vorlage des Gutachtens einen Gesprächstermin mit der Klägerin anstreben, um eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung herbeizuführen.
1342.
135Der Beschluss zu TOP 15 der Eigentümerversammlung vom 15. Oktober 2021 ist weder nichtig noch widerspricht er den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
136a)
137Bezüglich der Beschlusskompetenz wird auf die Ausführungen unter II.1.a) verwiesen.
138Nichtigkeit ergibt sich auch nicht aus einer unzureichenden inhaltlichen Bestimmtheit des gefassten Beschlusses.
139Mangels ausreichender Bestimmtheit ist ein Beschluss nämlich nur dann nichtig, wenn sich sein Inhalt auch im Wege der vorrangig gebotenen Auslegung nicht feststellen lässt.
140Vorliegend ist dem Beschluss eindeutig zu entnehmen, dass eine Sonderumlage in Höhe von insgesamt 6.000,00 € angefordert wird und diese nach den in den Beschlusstext aufgenommenen Miteigentumsanteilen von den aufgeführten Wohnungseigentümern zu leisten ist.
141Der Beschluss hat auch keine Rückwirkung zum Inhalt. Vielmehr ist die Fälligkeit der Sonderumlage auf den 15. November 2021 festgesetzt, mithin 1 Monat nach der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung. Die Wohnungseigentümer haben nicht rückwirkend eine Sonderumlage beispielsweise zum 28. Dezember 2020 begründet.
142Zudem hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 4. April 2014 (AZ: V ZR 168/13) bezüglich im Jahre 2010 gefasster Beschlüsse über Sonderumlagen, welche erstmals mit Beschlüssen aus 2007 bzw. 2008 gefordert worden waren, ausgeführt, dass durch die neu gefassten Beschlüsse eine wirksame Rechtsgrundlage für die bereits entrichteten Beiträge und die noch ausstehenden Beiträge geschaffen werden sollte.
143b)
144Ein Sonderumlagenbeschluss soll zwar grundsätzlich die anteilmäßige Verpflichtung der Miteigentümer festsetzen und unter Angabe des maßgeblichen Verteilungsschlüssels die Zahlungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers betragsmäßig festlegen, jedoch kann die betragsmäßige Auflistung fehlen, wenn die geschuldeten Einzelbeträge durch die Angabe des Umlageschlüssels und der Gesamtsumme für jeden Wohnungseigentümer beispielsweise mittels Taschenrechner einfach zu errechnen sind (Oberlandesgericht Braunschweif, Beschluss vom 29. Mai 2006, – 3 W 9/06; Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 17. August 2001, – 3 Wx 187/01; Bärmann-Becker, WEG, 15. Aufl., § 28 Rn. 102).
145Vorliegend ist in dem Beschlusstext der Gesamtbetrag in Höhe von 6.000,00 € aufgenommen. Dieser Betrag wird anhand der bisherigen Gerichtskosten und geschätzten Rechtsanwaltsgebühren erläutert.
146Die Sonderumlage soll von den namentlich aufgeführten Wohnungseigentümern nach dem jeweils aufgeführten Miteigentumsanteil gezahlt werden.
147Der Betrag wird zum 15. November 2021 fällig gestellt und das Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgeführt.
148c)
149Es erschließt sich nicht, aus welchen Gründen die Miteigentümer W., J. und B. nicht stimmberechtigt gewesen sein sollen.
150Aber selbst die Auffassung der Klägerin unterstellt, ist ein Beschluss bei Berücksichtigung dieser Stimmen nur anfechtbar. Er wäre nur für ungültig zu erklären, wenn sich die Stimmabgabe auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hätte. Das war vorliegend bei 882 MEA an Ja-Stimmen und einem Stimmanteil der drei Einheiten von 257 MEA nicht der Fall.
151d)
152Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann über eine schon geregelte Angelegenheit erneut beschließen.
153Ein inhaltsgleicher bestätigender Zweitbeschluss wird in der Regel zur Beseitigung (vermeintlicher) formeller Mängel des Erstbeschlusses gefasst.
154Werden sowohl der Erst- als auch der Zweitbeschluss angefochten, ist in der Regel das Verfahren über den Erstbeschluss auszusetzen, weil das Verfahren über den Zweitbeschluss ein vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinne von § 148 ZPO darstellt.
155Vorliegend ist aufgrund des Protokolls der Eigentümerversammlung vom 15. Oktober 2021 und mangels Vorlage des Protokolls über die Eigentümerversammlung vom 28. Dezember 2020 von einem grundsätzlich bestätigenden Zweitbeschluss auszugehen. Allein der Fälligkeitszeitpunkt und eventuell die Vorlage zur Beschlussfassung an die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft statt die Untergemeinschaft Haus 54 wurden geändert, was jedoch nicht zu beanstanden wäre.
156III.
157Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
158Die Revision wird zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 ZPO.
159IV.
160Der Schriftsatz der Klägerin vom 13. Juni 2023 gibt zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung.
161Die rechtliche Argumentation der Klägerin unter 1.a) hat die Kammer berücksichtigt, verbleibt aber bei ihrer Ansicht, dass der großen Eigentümergemeinschaft eine Beschlusskompetenz zusteht.
162Soweit die Klägerin unter 1.b) darauf hinweist, dass es sich um einen Zweitbeschluss handeln würde, ist entscheidend, dass es auch für einen solchen nicht darauf ankommt, ob den Erstbeschluss die Untergemeinschaft Haus I. zu Recht oder Unrecht gefasst hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob der streitgegenständliche Beschluss mit Beschlusskompetenz von der großen Eigentümergemeinschaft gefasst worden ist.
163Die Kammer hat die Revision zugelassen.
164Dr. A. B. C.