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Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. Dezember 2022 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung des Klägers hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 5.000 € abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 50.000 € leistet. Im Übrigen bleibt der Beklagten nachgelassen, eine Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen des Vertriebs des Mittels „ARGININ plus Folsäure“ als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und wegen verschiedener Werbeaussagen für dieses Mittel auf Unterlassung sowie Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.
3Der Kläger ist ein eingetragener Verein und zwischenzeitlich auch in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Dem Kläger gehören die aus der Mitgliederliste gemäß der Anlage K 1 ersichtlichen Gewerbetreibenden und Verbände an.
4Die Beklagte brachte das Mittel „ARGININ plus Folsäure“ als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) zum Diätmanagement von Erwachsenen bei leichtem Bluthochdruck, Störungen der Gefäßfunktionen (u.a. Durchblutungsstörungen, ED) im Frühstadium von Arteriosklerose und erhöhtem Homocysteinspiegel in den Verkehr. Überdies bewarb sie das Mittel auf ihrer Internetseite www…..com mit den Aussagen, die aus dem nachstehend wiedergegebenen Tenor des landgerichtlichen Urteils zu Ziffer I. 2. ersichtlich sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 3 zu den Akten gereichten Screenshots der Webseite Bezug genommen.
5Mit Schreiben vom 12. Juli 2019 (Anlage K 4) mahnte der Kläger die Beklagte erfolglos ab.
6Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Mittel „ARGININ plus Folsäure“ stelle kein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 12. Juni 2013 über Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung und zur Aufhebung der Richtlinie 92/52/EWG des Rates, der Richtlinien 96/8/EG, 1999/21/EG, 2006/125/EG und 2006/141/EG der Kommission, der Richtlinie 2009/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnungen (EG) Nr. 41/2009 und (EG) Nr. 953/2009 des Rates und der Kommission(im Folgenden: LmbZVO) dar und sei deshalb nicht verkehrsfähig. So diene es nicht dem Diätmanagement, sondern solle eine ernährungsphysiologische Wirkung im Sinne einer Behandlung erzielen. Die Beklagte vermöge auch nicht darzulegen, weshalb es den angesprochenen Patienten nicht möglich sei, die Nährstoffe ARGININ, Folsäure, Vitamin B 6 und B 12 ausreichend zu sich zu nehmen. Ferner fehle es an allgemein anerkannten wissenschaftlichen Daten über die Eignung des Produkts für die Ernährungsanforderungen von Menschen mit Bluthochdruck und Arteriosklerose. Zudem dürfe das Produkt nicht mit den angegriffenen Aussagen beworben werden.
7Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Sie hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten und die Auffassung vertreten, die zweite Alternative des Art. 2 Absatz 2 lit g) LmbZVO sei weit auszulegen. Sie betreffe auch Lebensmittel, deren Verzehr sich nutzbringend auswirke bzw. aus deren kontrollierter Aufnahme die entsprechende Personengruppe einen besonderen Nutzen ziehen könne. Weiter sei aufgrund verschiedener wissenschaftlicher Studien belegt, dass ihr Produkt den ausgelobten Diätzweck erfülle. Die beanstandeten Auslobungen entsprächen der nach Art. 5 VO (EU) 2016/128 erforderlichen Pflichtkennzeichnung und stellten sich schon deshalb weder als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der VO (EG) Nr. 1924/2006 noch als irreführende Angaben gemäß Art. 7 VO (EU) 1169/2011 dar.
8Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Schlussurteils Bezug genommen.
9Mit diesem hat das Landgericht die Beklagte unter Ziffer I. bei Meidung der im Gesetz vorgesehenen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
101. das Mittel „ARGININ plus Folsäure“ als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) zum Diätmanagement von Erwachsenen
- bei leichtem Bluthochdruck
13- Störungen der Gefäßfunktion (u. a. Durchblutungsstörungen) im Frühstadium der Arteriosklerose
14- Erhöhtem Homocysteinspiegel
15in den Verkehr zu bringen und/oder zu vertreiben;
162. für das Produkt „ARGININ plus Folsäure“ wie folgt zu werben:
2.1 „Die Anwendung von ARGININ plus Folsäure Kapseln zielt auf eine ernährungsphysiologische Unterstützung einer gestörten Gefäßfunktion (endotheliale Dysfunktion, ED), auf deren Grundlage sich die Arteriosklerose entwickelt und fortschreitet“;
192.2 „ARGININ plus Folsäure Kapseln wurden nach neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen für Erwachsene mit Bluthochdruck und Arteriosklerose (Arterienverkalkung) entwickelt und sind auf die speziellen Ernährungserfordernisse dieser Patienten sorgfältig abgestimmt. Auch für Diabetiker ist ein Diätmanagement mit ARGININ plus Folsäure Kapseln unter medizinischer Kontrolle sinnvoll. Diabetiker profitieren wegen eines beschleunigten Verlaufs der Arteriosklerose besonders von der gezielten Zufuhr von ARGININ, Folsäure, Vitamin B6 und B12“;
202.3 „Der Eiweißbaustein ARGININ
21Insbesondere bei Erkrankungen wie Arteriosklerose, leichtem Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen besteht ein krankheitsspezifischer Mehrbedarf an ARGININ. ARGININ ist an wichtigen Funktionen im Körper beteiligt“;
222.4 „Das B-Vitamin Folsäure
23Weniger bekannt ist, dass auch bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, wie z. B. der Arteriosklerose, eine ausreichende Versorgung mit Folsäure von erheblicher Bedeutung ist. Mit Hilfe von Folsäure kann das unerwünschte Homocystein in eine für den Körper verträgliche Substanz umgewandelt werden“;
242.5 „Risikofaktor Homocystein
25Erhöhte Homocystein-Werte werden als einer der wichtigsten Risikofaktoren für eine Reihe von Erkrankungen, wie z. B. Gefäß- und Herz-Kreislauferkrankungen, angesehen. Eine Konzentration von bis zu 10 µmol/l (mikro-Mol pro Liter) gilt für Gesunde als unbedenklich. Bei Patienten mit Gefäßerkrankungen (Bluthochdruck, Arteriosklerose) ist ein Homocysteinspiegel < 10 µmol/l anzustreben. Erhöhte Homocysteinwerte lassen sich durch die Gabe der B-Vitamine B6, B12 und Folsäure senken“;
262.6 „Die gezielte Zufuhr von ARGININ und B-Vitaminen im Rahmen eines Diätmanagements hat also synergistische Effekte“;
272.7 „Diätmanagement ARGININ plus Folsäure Kapseln
28Bei Arteriosklerose, insbesondere auch im Zusammenhang mit Diabetes mellitus und Bluthochdruck, ist der Nährstoffbedarf an ARGININ und Folsäure besonders hoch. ARGININ plus Folsäure Kapseln sind daher auf die speziellen Ernährungsbedürfnisse von Patienten abgestimmt. Mit Hilfe einer Bilanzierten Diät, die ARGININ und Folsäure sowie die Vitamine B6 und B12 enthält, kann jeder den speziellen Nährstoffanforderungen des Körpers bei leichtem Bluthochdruck, Störungen der Gefäßfunktion (u.a. Durchblutungsstörungen) im Frühstadium der Arteriosklerose, erhöhtem Homocysteinspiegel gerecht werden“;
29jeweils wenn dies geschieht, wie in der – dem Berufungsurteil beigefügten – Anlage K3 wiedergegeben.
30Überdies hat das Landgericht die Beklagte unter Ziffer II. verurteilt, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Februar 2020 zu zahlen.
31Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei klagebefugt nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF, insbesondere gehöre ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben. Insoweit genüge es, dass die jeweils vertriebenen Produkte in gewisser Weise gleichen Bedürfnissen dienten, wofür ein gewisser Grad der Austauschbarkeit ausreiche, der sich daraus ergeben könne, das die Produkte den gleichen Bedarf decken sollten oder dieselbe Zweckbestimmung hätten. Bezogen auf die Beklagte sei eine derartige grundsätzliche Austauschbarkeit der angebotenen Produkte mit Blick auf solche Gewerbetreibende zu bejahen, die Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel herstellten oder vertrieben. Solche seien in erheblicher Zahl unter den Mitgliedern des Klägers. Die Klage sei aber auch begründet. Das Inverkehrbringen sowie der Vertrieb des in Rede stehenden Produkts verstoße gegen Art. 4 Abs. 1 LmbZVO, da es sich nicht um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. g) LmbZVO handele. In Bezug auf die hier in Rede stehende zweite Alternative – die Bestimmung zur Ernährung von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf – sei, wie der Europäische Gerichtshof jüngst entschieden habe, eine Auslegung geboten, die Überschneidungen mit anderen Kategorien von Erzeugnissen, für die im Unionsrecht Sonderregelungen gelten würden, vermeide, weshalb es für eine Einstufung eines Erzeugnisses als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke erforderlich sei, dass es eine spezifische Ernährungsfunktion erfülle, indem es einen krankheits-, störungs- oder beschwerdebedingt bestehenden erhöhten oder spezifischen Nährstoffbedarf decken solle, und es nicht ausreiche, dass der Patient allgemein aus der Aufnahme dieses Lebensmittels deswegen Nutzen ziehe, weil darin enthaltene Stoffe der Störung entgegenwirkten oder deren Symptome linderten. Als ein in diesem Sinne verstandenes Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke sei das von der Beklagten vertriebene Erzeugnis nicht einzuordnen. So handele es sich bei den im Diätzweck genannten Krankheiten und Störungen nicht um solche Leiden, die zu einem spezifischen Bedarf nach den in dem Erzeugnis enthaltenen Nährstoffen führten, der durch eine Modifizierung der normalen Ernährung nicht gedeckt werden könne. Vielmehr solle dem Verwender nach dem Vortrag der Beklagten – ganz im Einklang mit dem von ihr vertretenen weiten Begriffsverständnis – L-ARGININ, Folsäure und die Vitamine B6 und B12 zugeführt werden mit dem Ziel, sich positiv auf die angegebenen Krankheiten und Störungen auszuwirken. Soweit die Beklagte meine, einen krankheitsbedingt erhöhten oder spezifischen Nährstoffbedarf nachgewiesen zu haben, treffe das nicht zu. Sie habe mit den von ihr vorgelegten Anlagen bestenfalls aufgezeigt, dass einem Auftreten oder einer Verschlimmerung der Krankheiten ernährungsphysiologisch begegnet werden könne, was bei Anwendung des weiten Ernährungsbegriffs von Bedeutung sei, nicht aber den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs entspreche. In der Folge verstoße auch die Bewerbung des Erzeugnisses und seine Aufmachung mit den vom Kläger beanstandeten Angaben gegen Art. 9 Abs. 5 LmbZVO, Art. 7 Abs. 1 lit. a), Abs. 2 und Abs. 4 lit. a) der VO (EU) 1169/2011 und Art. 16 der VO (EG) Nr. 178/2002. Dies gelte unabhängig davon, inwieweit die Angaben für sich gesehen irreführend oder lebensmittelrechtlich unzulässig seien, da für ein nicht verkehrsfähiges Lebensmittel nicht geworben werden dürfe. Schließlich könnten die Verstöße als unlautere geschäftliche Handlung nach § 3a UWG verfolgt werden.
32Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung und verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren auf Klageabweisung vollumfänglich weiter.
33Die Beklagte ist der Auffassung, das Urteil sei bereits unzulässig und damit nicht vollstreckbar, da es im Tenor Bezug auf eine Anlage K 3 nehme, die dem Urteil aber nicht beigefügt gewesen sei. Darüber hinaus sei die Klage aber auch unbegründet. Aus der vom Landgericht angeführten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (GRUR 2022, 1765 – Orthomol) ergebe sich, dass es keinesfalls schädlich für die Einordnung in die streitgegenständliche Produktkategorie sei, wenn sich der Verzehr des Produkts positiv auf das entsprechende Krankheitsbild auswirke. Der Europäische Gerichtshof habe nur darauf abgestellt, dass diese Fähigkeit allein nicht ausreiche; es müsse vielmehr hinzukommen, dass durch die Krankheit ein bestimmter Ernährungsbedarf bestehe, der, wie den dortigen Urteilsgründen entnommen werden könne, nicht einmal zwingend krankheitsbedingt erhöht sein müsse, ein krankheitsbedingt spezifischer Nährstoffbedarf reiche vielmehr aus. Diesen Anforderungen genüge ihr Produkt. Denn es gehe um Störungen, bei denen zweifelsfrei ein solch krankheitsbedingt spezifischer Nährstoffbedarf bestehe. So werde beispielsweise die Ursache der Hyperhomocysteinämie in einer unzureichenden Versorgung mit den Vitaminen B6, B12 und Folsäure gesehen. Dem „Klinischen Wörterbuch Pschyrembel“ (Anlage B 41) könne entnommen werden, dass es sich bei der Endothelialen Dysfunktion um eine Frühform der Arteriosklerose handele, die ihren Auslöser in einem auf verschiedene Pathomechanismen zurückzuführenden Mangel an NO habe, dessen Ursache unter anderem ein Mangel an ARGININ sei. Auch belegten die von ihr als Anlagen B 42, 43 und 44 vorgelegten Studien, dass bei Bluthochdruck ein signifikant erniedrigter L-ARGININ Plasma Spiegel vorliege. Durch normale Lebensmittel sei eine Zufuhr der in Rede stehenden Nährstoffe nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Eine Modifizierung der „Ernährung“ durch Arzneimittel, wie das Landgericht in seinem Urteil ebenfalls als mögliche Alternative angeführt habe, werde von der LmbZVO nicht gefordert. Nahrungsergänzungsmittel wiederum müssten entgegen der Zufuhrempfehlung des jeweiligen Produktes dosiert werden, um den erforderlichen Nährstoffbedarf zu decken. Dies sei den Patienten nicht zuzumuten. Auch ergebe sich aus der für das Gericht bindenden Bekanntmachung der Kommission über die Einordnung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke (2017/C 401/01), dass bei diätetisch unvollständigen Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke wie dem in Rede stehenden eine Modifizierung der „normalen“ Ernährung als unrealistisch oder unpraktisch anzusehen sei. Das Landgericht habe weiter verkannt, dass es bei der Frage, ob ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke vorliege, ausschließlich auf die von der Beklagten ausgelobte Zweckbestimmung ankomme. Ob sich aus den – ohnehin nur im Gerichtsverfahren und damit nicht den Verbrauchern – vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen ergebe, dass darüber hinaus auch andere ggf. therapeutische Wirkungen mit dem Produkt erreicht werden könnten und dies wissenschaftlich belegt sei, sei nicht relevant. Wolle das Gericht Produkte wie ihres, die sowohl einen erhöhten Bedarf an bestimmten Nährstoffen ausglichen, als auch zugleich sich positiv auf das zu Grunde liegende Krankheitsbild auswirkten, allein wegen Letzterem als Arzneimittel einstufen, müsse es entweder die Revision zulassen oder aber dem Europäischen Gerichtshof entsprechende Fragen vorlegen. Schließlich habe das Landgericht auch zu Unrecht die angegriffenen Auslobungen verboten und dem Kläger einen Abmahnkostenerstattungsanspruch zugesprochen. Letzterem stehe bereits entgegen, dass die der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärung nicht auf die konkrete Verletzungsform Bezug genommen habe.
34Die Beklagte beantragt,
35das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2022, Az. 38 O 8/20, abzuändern und die Klage abzuweisen.
36Der Kläger beantragt,
37die Berufung zurückzuweisen.
38Er verteidigt das angegriffene Urteil und rügt den Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung als verspätet.
39Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 14. September 2023 hat die Beklagte weiter vorgetragen. Auch hierauf wird Bezug genommen.
40B)
41Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht, hat das Landgericht die Beklagte verurteilt. Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.
42I.
43Soweit dem landgerichtlichen Urteil die im Unterlassungstenor in Bezug genommene Anlage K 3 nicht beigefügt war, führt dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur „Unzulässigkeit“ des landgerichtlichen Urteils und rechtfertigt keine Abänderung desselben im Sinne einer teilweisen Berufungsstattgabe. So ist der Tenor durch Bezugnahme auf die Anlage K 3, die der Beklagten bereits mit der Klage zugestellt worden ist, hinreichend bestimmt. Da allerdings auch dauerhaft gewährleistet sein soll, dass der Urteilsausspruch bestimmbar ist und ohne feste Verbindung der Anlage mit dem Urteil ein Verlust der Anlage wegen kürzerer Aufbewahrungsfristen oder beispielsweise im Vollstreckungsverfahren droht (vgl. hierzu Zigann/Werner in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, § 313 Rn. 19 f.), erfolgt nunmehr eine Verbindung der Anlage K 3 mit dem Berufungsurteil.
44II.
45Im Laufe des Rechtsstreits ist das UWG unter anderem durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs geändert worden. Für den Rechtsstreit relevante Änderungen haben sich hieraus nicht ergeben, weil sich die Klagebefugnis des Klägers gemäß § 15a Abs. 1 UWG nach bisherigem Recht richtet, dieser aber auch nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF klagebefugt ist.
46Die Klagebefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF steht zu Recht nicht mehr im Streit.
47III.
48Der Kläger hat auch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 lit. g) LmbZVO einen Anspruch darauf, dass es die Beklagte unterlässt, das Produkt „ARGININ plus Folsäure“ als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) zum Diätmanagement von Erwachsenen bei leichtem Bluthochdruck, Störungen der Gefäßfunktion (u. a. Durchblutungsstörungen) im Frühstadium von Arteriosklerose sowie erhöhtem Homocysteinspiegel in den Verkehr zu bringen und/oder zu vertreiben. Denn das Produkt erfüllt nicht die Anforderungen an ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke.
491.
50Diese Lebensmittelkategorie definiert Art. 2 Abs. 2 lit. g) LmbZVO als unter ärztlicher Aufsicht zu verwendende Lebensmittel zum Diätmanagement von Patienten, einschließlich Säuglingen, die in spezieller Weise verarbeitet oder formuliert werden. Sie sind zur ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder darin enthaltener Nährstoffe oder Stoffwechselprodukte oder von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf bestimmt, für deren Diätmanagement die Modifizierung der normalen Ernährung allein nicht ausreicht.
512.
52Dass das Produkt der Beklagten nicht zur „ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder Stoffwechselprodukte bestimmt ist, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
533.
54Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ihr Produkt aber auch kein solches, das für Patienten mit einem „sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf“ bestimmt ist.
55a)
56Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (GRUR 2022, 1765 – Orthomol; GRUR 2023, 656 – Kwizda Pharma) reicht es insoweit nicht aus, dass irgendein Zusammenhang zwischen einem Nährstoffbedarf und einer Krankheit, Störung oder Beschwerden besteht, vielmehr muss ein erhöhter oder spezifischer Nährstoffbedarf durch eine Krankheit, Störung oder Beschwerden verursacht werden und das Lebensmittel der Deckung dieses Nährstoffbedarfs dienen. Kurz gesagt bedeutet dies, dass der erhöhte oder spezifische Nährstoffbedarf durch eine Krankheit, Störung oder Beschwerden ausgelöst worden sein muss, nicht aber, dass dieser seinerseits die Krankheit, Störung oder Beschwerden verursacht hat und damit Patienten aus der Einnahme einen Nutzen in Bezug auf die Krankheit, Störung oder Beschwerden ziehen können. So hat der Europäische Gerichtshof in beiden genannten Entscheidungen darauf hingewiesen, dass sich Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke sowohl von gewöhnlichen Lebensmitteln als auch von Arzneimitteln unterscheiden und dass diese Kategorien Ausschließlichkeitscharakter haben. Danach kann ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nicht zur Heilung oder Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sein, denn dann wäre es ein Arzneimittel.
57b)
58Nach diesen Grundsätzen stellt das Produkt der Beklagten kein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke dar.
59Denn „leichter Bluthochdruck“, „Störungen der Gefäßfunktion (u. a. Durchblutungsstörungen) im Frühstadium von Arteriosklerose“ und ein „erhöhter Homocysteinspiegel“ führen nicht in diesem Sinne zu einem erhöhten oder spezifischen Nährstoffbedarf. Vielmehr ist es allenfalls so, dass ein Nährstoffmangel (mit-) ursächlich für diese Krankheiten und Störungen ist. Nichts anderes ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Hieran vermögen auch die in zweiter Instanz – teils erneut - vorgelegten Unterlagen nichts zu ändern, weshalb die Frage einer etwaigen Verspätung dieses Vortrags keiner näheren Erörterung bedarf. So wird beispielsweise in dem auszugsweise als Anlage B 40 vorgelegten Buch von Kasper, Ernährungsmedizin und Diätetik, ausgeführt, die Ursache der Hyperhomocysteinämie werde in einer unzureichenden Versorgung mit den Vitaminen B6, B12 und Folsäure gesehen. Auch soll ausweislich der Anlage B 41 ein Mangel an ARGININ Ursache eines Stickstoffmangels sein, der wiederum Auslöser einer Endothelialen Dysfunktion sein soll. Weiter mag die von der Beklagten als Anlage B 44 vorgelegte Studie belegen, dass Patienten mit Bluthochdruck einen signifikant erniedrigten L-ARGININ Plasma Spiegel haben. Dass der Bluthochdruck indes kausal ist für den niedrigen L-ARGININ Plasma Spiegel und nicht umgekehrt, lässt sich den Unterlagen nicht entnehmen.
60Zweck des Produkts der Beklagten kann damit nicht die Deckung eines durch diese Erkrankungen, Beschwerden bzw. Störungen entstandenen Ernährungsbedarfs sein. Die von der Beklagten umfangreich reklamierten positiven Auswirkungen des Verzehrs ihres Produktes auf die im Diätzweck genannten Krankheitsbilder mögen, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, bei Anwendung des weiten Ernährungsbegriffs von Bedeutung sein. Diesem hat der Europäische Gerichtshof aber mit den oben genannten Entscheidungen eine klare Absage erteilt.
61c)
62Ungeachtet dessen hat die Beklagte auch nicht dargetan, dass sich der Nährstoffbedarf nicht durch eine zumutbare Modifizierung der allgemeinen Ernährung allein ausgleichen ließe. Soweit sie meint, aus der Bekanntmachung der Kommission über die Einordnung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke vom 25. November 2017 (2017/C 401/01) folge, dass bei diätetisch unvollständigen Lebensmitteln eine Modifizierung der „normalen“ Ernährung als unrealistisch oder unpraktisch anzusehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 2. März 2023 (GRUR 2023, 656 – Kwizda Pharma) ausgeführt, dass unter die Wendung „Modifizierung der Ernährung für den Patienten allein“ nicht nur Sachlagen fallen, in denen eine Modifizierung der Ernährung für den Patienten unmöglich oder gefährlich ist, sondern auch Sachlagen, in denen der Patient nur sehr schwer seinen Ernährungsbedarf durch den Verzehr gewöhnlicher Lebensmittel zu decken vermag. Allerdings zählen zu den gewöhnlichen Lebensmitteln auch sogenannte Nahrungsergänzungsmittel (siehe insoweit auch Rn. 70 4. Spiegelstrich der Bekanntmachung der Kommission über die Einordnung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke). Dass solche nicht in derselben oder sehr ähnlichen Zusammensetzung verfügbar sind, hat die Beklagte nicht ausreichend dargelegt. Sie hat erstinstanzlich lediglich pauschal ausgeführt, Nahrungsergänzungsmittel müssten entgegen der Zufuhrempfehlung des jeweiligen Produktes dosiert werden, um den erforderlichen Nährstoffbedarf zu decken. Konkreten Vortrag diesbezüglich ist sie aber schuldig geblieben. Auch der zweitinstanzliche Vortrag im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. September 2023, wiederholt im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 14. September 2023, verfängt insoweit nicht. Es wurden bislang weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe festgelegt (Hagenmeyer/Oelrichs in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage 2022, § 2 LFGB Rn. 13; Eggers/Böhler in Hasselblatt, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 6. Auflage 2022, § 30 Lebensmittelrecht Rn. 28). Soweit das Bundesinstitut für Risikobewertung regelmäßig Höchstmengenvorschläge veröffentlicht (so auch die von der Beklagten im Termin und noch einmal mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 14. September 2023 als Anlage B 49 überreichte Veröffentlichung des Bundesinstituts für Risikobewertung betreffend Höchstmengen für Folsäure), handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um ohne Weiteres zwingende Vorgaben (vgl. Kügel/Hahn/Delewski, NemV, 1. Auflage 2007, § 1 Rn. 322; Doepner/Hüttebräuker in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 1. Auflage 2010, § 2 Rn. 87; s. auch Meisterernst/Gebhart/Rothe-Dietrich, ZLR 2018, 163, 167).
63d)
64In der Folge kommt es auf die weitere Frage, ob ARGININ überhaupt unter den Nährstoffbegriff im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. g) LmbZVO fällt, ebenso wenig an wie auf die weitere Frage, ob ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke auch dann vorliegen kann, wenn sowohl – wie im Streitfall schon nicht - krankheitsbedingt ein erhöhter oder spezifischer Nährstoffbedarf vorliegt als auch mit der Gabe des Nährstoffes zugleich der Krankheit entgegengewirkt wird.
65IV.
66Die Klage ist auch hinsichtlich der aus dem Tenor des landgerichtlichen Urteils ersichtlichen Werbeaussagen begründet. Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 5 LmbZVO.
671.
68Gemäß Art. 9 Abs. 5 LmbZVO darf die Kennzeichnung und Aufmachung von sowie die Werbung für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke diesen Erzeugnissen keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften erwecken. Die Regelung des Art. 9 Abs. 5 LmbZVO ist hier einschlägig, auch wenn – wie vorstehend ausgeführt – das Produkt der Beklagten kein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke ist, denn maßgeblich ist, dass es aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs ausdrücklich als solches bezeichnet wird (vgl. insoweit auch OLG München BeckRS 2021, 34619). Aber selbst wenn man dies anders sehen wollte, wären die streitgegenständlichen Angaben jedenfalls auch nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3, Abs. 4 VO (EU) Nr. 1169/2011 unzulässig.
692.
70Die Beklagte bewirbt mit den streitgegenständlichen Angaben jeweils die Eignung ihres Produkts zur Behandlung einer Erkrankung, wie aus der Anlage K 3 ersichtlich. Dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher wird insoweit suggeriert, dass das beworbene Produkt die Eigenschaft hat, die genannten Krankheiten zumindest zu lindern. Dies ist nach Art. 9 Abs. 5 LmbZVO unzulässig.
71a)
72So wird damit geworben, die Anwendung von ARGININ plus Folsäure Kapseln ziele auf eine ernährungsphysiologische Unterstützung einer gestörten Gefäßfunktion (Ziffer I.2.1), was zumindest eine Linderung dieser Störung in Aussicht stellt.
73b)
74Diabetiker sollen wegen eines beschleunigten Verlaufs der Arteriosklerose von der gezielten Zufuhr von ARGININ, Folsäure, Vitamin B6 und B12 profitieren (Ziffer I.2.2). Durch diese Aussage wird ein konkreter Krankheitsbezug hergestellt und zumindest eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs und damit eine Linderung in Aussicht gestellt.
75c)
76Mit der Aussage Ziffer I.2.3 wird der Eindruck erweckt, die Einnahme von ARGININ habe einen positiven Effekt auf Erkrankungen wie Arteriosklerose, leichten Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen.
77d)
78Folsäure soll nach der Aussage Ziffer I.2.4 das unerwünschte Homocystein in eine für den Körper verträgliche Substanz umwandeln und eine ausreichende Versorgung hiermit soll bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems von erheblicher Bedeutung sein. Auch hiermit wird dem Produkt der Beklagten ein positiver Nutzen auf eine Krankheit zugeschrieben.
79e)
80Erhöhte Homocysteinwerte sollen sich ausweislich der Aussage Ziffer I.2.5 durch die Gabe des Vitamine B6, B12 und Folsäure senken lassen. Dies stellt ebenfalls eine Werbeangabe mit einem konkreten Krankheitsbezug dar.
81f)
82Auch soweit unter dem Stichwort „Risikofaktor Homocystein“ der gezielten Zufuhr von ARGININ und B-Vitaminen im Rahmen eines Diätmanagements synergetische Effekte zugeschrieben werden (Ziffer I.2.6), handelt es sich um eine Werbeangabe mit einem konkreten Krankheitsbezug.
83g)
84Dies gilt schließlich auch in Bezug auf die Aussage Ziffer I.2.7, mit der der Eindruck erweckt wird, das in Rede stehende Produkt diene der Unterstützung bei Arteriosklerose.
853.
86Die Beklagte kann sich schließlich nicht darauf berufen, zu den streitgegenständlichen Angaben gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. g) der Delegierten VO (EU) 2016/128 und § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 DiätV (inzwischen aufgehoben; nunmehr in Kraft ist die Lebensmittel für bestimmte Verbrauchergruppen-Verordnung, BGBl I 2023 Nr. 115) verpflichtet gewesen zu sein. Zwar ist/war nach den genannten Vorschriften bei Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke eine Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale verpflichtend, denen das Lebensmittel seine Zweckbestimmung verdankt (so damals § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 DiätV) bzw. denen es seine Zweckdienlichkeit in Bezug auf die Krankheit, die Störung oder die Beschwerden verdankt, für deren Diätmanagement es vorgesehen ist, sowie die Begründung für die Verwendung des Erzeugnisses (so Art. 5 Abs. 2 lit. g) der Delegierten VO (EU) 2016/128). Auch kann eine Angabe, zu der der Werbende gesetzlich verpflichtet ist, nicht als unlauter im Sinne der §§ 3, 3a UWG angesehen werden (BGH NJW-RR 2009, 110 Rn. 37 – Priorin). Indes handelt es sich bei dem in Rede stehenden Produkt der Beklagten, wie vorstehend ausgeführt, schon nicht um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Ohnehin aber beziehen sich die Pflichtangaben auch nur auf Eigenschaften und/oder Merkmale, denen das Erzeugnis seine Zweckdienlichkeit in Bezug auf das „Diätmanagement bei“ bzw. „die diätetische Behandlung von“ einer bestimmten Krankheit verdankt. Eigenschaften, die sich auf eine Behandlung einer Krankheit beziehen, sind davon nicht erfasst, sondern nach Art. 9 Abs. 5 LmbZVO ausdrücklich untersagt, wie auch in Erwägungsgrund 25 der Verordnung betont wird (vgl. hierzu auch OLG München, aaO).
87V.
88Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten ist gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG aF in Verbindung mit § 15a Abs. 2 UWG begründet, da die klägerische Abmahnung vom 12. Juli 2019 (Anlage K 4) aus den vorgenannten Gründen vollumfänglich berechtigt war. Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass in der geforderten Unterlassungserklärung nicht auf die konkrete Verletzungsform (Anlage K 3) Bezug genommen worden ist. Denn anders als in dem Fall, der dem als Anlage B 46 vorgelegten Urteil des Oberlandesgerichts München zugrunde lag, hat der Kläger sowohl vorgerichtlich als auch gerichtlich die Unterlassung isoliert zu betrachtender Angaben gefordert und hat nicht auf die Werbung insgesamt abgestellt. Der Kontext, in dem die Angaben standen/stehen, vermag auch keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu rechtfertigen. Denn es ist kein Kontext denkbar, der diese Werbeangaben für das in Rede stehende Produkt zulässig machte.
89C)
90Die Ausführungen der Beklagten in ihrem nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen Schriftsatz vom 14. September 2023 geben, wie aus den obigen Ausführungen geschlossen werden kann, keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 Abs. 1 ZPO.
91D)
92Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
93Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, nachdem die grundlegende Frage, was unter einem „sonstigen medizinischen Nährstoffbedarf“ zu verstehen ist, durch den Gerichtshof der Europäischen Union geklärt ist.
94Streitwert für die Berufungsinstanz: 50.000 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)