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Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. November 2022 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 05. Oktober 2022 wird insoweit aufrechterhalten, als es die Beschlussverfügung der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26. August 2022 zu Nr. 2 bestätigt. Im Übrigen wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 05. Oktober 2022 und der Beschlussverfügung vom 26. August 2022 der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu ¾ und die Antragsgegnerin zu 1/4.
G r ü n d e :
Der Antragsteller macht Unterlassung wegen irreführender Angaben sowie wegen unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltend.
3Der Antragsteller ist ein Verein, der sich ausweislich seiner Satzung u.a. der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet. Er ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
4Die Antragsgegnerin ist ein 2008 gegründetes deutschlandweit tätiges Energieversorgungsunternehmen, das außerhalb der Grundversorgung rund 200.000 private und kleinere gewerbliche Kunden (Sondertarifkunden) u.a. unter den Marken „x1“ und „x2“ mit Strom und Erdgas beliefert. Die für die Vertragserfüllung gegenüber ihren Kunden benötigten Strom- und Gasmengen beschafft sie sich ihrerseits auf den Großhandelsmärkten für Strom und Gas. Dort kam es insbesondere aufgrund des Kriegs in der Ukraine zu erheblichen Preissteigerungen und Preisschwankungen.
5Die Verbraucher B. und S. vereinbarten für die Lieferung von Gas bzw. Strom mit der Antragsgegnerin sog. eingeschränkte Preisgarantien über den 01. September 2022 hinaus, und zwar im Fall des Verbrauchers B. für die Lieferung von Gas bis zum 31. Dezember 2024 und im Fall der Verbraucherin S. für die Lieferung von Strom bis zum 31. Juli 2024. In den Tarifübersichten, die die Antragsgegnerin den beiden Verbrauchern unmittelbar nach Vertragsschluss übersandte, ist unten im Zusatz zur Fußnote 2 der Umfang der Preisfixierung jeweils wie folgt beschrieben:
6„Die Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) bezieht sich für die Dauer ihrer Laufzeit allein auf einen erhobenen Grund- und Arbeitspreis (exkl. Steuern und Abgaben) im Sinne der Ziff. 6.1 AGB, vorbehaltlich von Änderungen einzelner Kostenbestandteile nach Ziff. 7.1 AGB bei Strom (z.B. Änderungen der EEG-Umlage etc.) bzw. Ziff. 7.2 AGB bei Gas (z.B. Änderungen der Konzessionsabgabe etc.).“
7In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin für die Lieferung von Energie an Privatkunden (im Folgenden: AGB, Stand: V25.1/November 2021) heißt es u.a.:
8„6.1
9Der Preis bei Strom- und Gastarifen setzt sich aus den in den Tarifdetails ausgewiesenen Bestandteilen zusammen. Der Preis bei einem Grund- und Arbeitspreistarif setzt sich aus einem Grund- und einem verbrauchsabhängigen Arbeitspreis zusammen. Der Arbeitspreis enthält folgenden Kosten: Kosten für Energiebeschaffung und Vertrieb, das an den Netzbetreiber abzuführende Netzentgelt und bei Stromtarifen die aus dem EEG folgenden Belastungen. Der Preis bei einem Pakettarif setzt sich aus einem Paketpreis und ggf. einem Arbeitspreis für Mehrverbrauchsmengen zusammen. Der Mehrverbrauchsarbeitspreis ist der Preis für den über die vertraglich vereinbarte Paketmengengrenze hinausgehenden Verbrauch (Mehrverbrauchspreis). Der Paketpreis umfasst einen Betrag für eine bestimmte Energiemenge innerhalb der vereinbarten Laufzeit. (…)“
107 Preisfixierung7.1
11Bei Stromtarifen mit einer Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) bezieht sich diese für die jeweilige in den Tarifdetails definierte Laufzeit der Fixierung allein auf einen erhobenen Grund- und Arbeitspreis (bei Pakettarifen auf den Paket- und Mehrverbrauchspreis) im Sinne der Ziff. 6.1 und besteht somit vorbehaltlich von Änderungen der KWK-Umlage nach Ziff. 6.5, Änderungen einer Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV nach Ziffer 6.6, Änderungen der sog. Offshore-Umlage nach Ziff. 6.10, Änderungen der sog. Umlage für abschaltbare Lasten nach Ziff. 6.11, Änderungen der Stromsteuer nach Ziff. 6.7, Änderungen der Umsatzsteuer nach Ziff. 6.14 sowie vorbehaltlich der Erhebung zusätzlicher Steuern, Abgaben oder sonstiger hoheitlich auferlegter Belastungen im Sinn der Ziff. 6.13, auf deren Anfall der Lieferant jeweils keinen Einfluss hat. Die Laufzeit beginnt mit Aufnahme der Belieferung und endet endgültig mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Laufzeit der Preisfixierung, sofern nicht die Belieferung vor Ablauf der Preisfixierungslaufzeit gekündigt wird.
127.2
13Bei Gastarifen mit einer Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) bezieht sich diese für die jeweilige in den Tarifdetails definierte Laufzeit der Fixierung allein auf einen erhobenen Grund- und Arbeitspreis (bei Pakettarifen auf den Paket- und Mehrverbrauchspreis) im Sinn der Ziff. 6.1 und besteht somit vorbehaltlich von Änderungen der Konzessionsabgabe nach Ziff. 6.9, Änderungen der Energiesteuer nach Ziff. 6.8, Änderungen des Festpreises nach Ziff. 6.12 und Änderungen der Umsatzsteuer nach Ziff. 6.14 sowie vorbehaltlich der Erhebung zusätzlicher Steuern, Abgaben oder sonstiger hoheitlich auferlegter Belastungen im Sinn der Ziff. 6.13, auf deren Anfall der Lieferant jeweils keinen Einfluss hat. Die Laufzeit beginnt mit Aufnahme der Belieferung und endet endgültig mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Laufzeit der Preisfixierung, sofern nicht die Belieferung vor Ablauf der Preisfixierungslaufzeit gekündigt wird.
148 Änderungen des Vertrags und dieser Bedingungen8.1
15(…) „Das vertragliche Äquivalenzverhältnis kann nach Vertragsschluss durch unvorhergesehene Änderungen der gesetzlichen oder sonstigen Rahmenbedingungen [...], die der Lieferant nicht veranlasst und die er auch keinen Einfluss hat, in nicht unbedeutendem Maße gestört werden. [...] In solchen Fällen ist der Lieferant verpflichtet, den Vertrag und diese Bedingungen — mit Ausnahme der Preise — unverzüglich insoweit zu ändern, dass das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung [...] zur für den Kunden zumutbaren Fort- und Durchführung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung der Interessen des Lieferanten führt.“
16Am 29. Juli.2022 versandte die Antragsgegnerin an die beiden Verbraucher, aber auch Dritte, denen sie eingeschränkte Preisgarantien vereinbart hatte, folgende, im Wesentlichen gleichlautende E-Mails über die Erhöhung der Gas-/Strompreise:
17Nachdem sich die beiden Verbraucher bei dem Antragsteller gemeldet hatten, mahnte dieser die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12. August 2022 wegen irreführender Angaben über den künftig ab dem 01. September 2022 zu zahlenden Strom- bzw. Gaspreis sowie angesichts der beabsichtigten Änderung der AGB zudem wegen Verstoßes gegen das UKlaG ab und forderte sie unter Fristsetzung zur Abgabe einer vorformulierten strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf . Diese Forderung wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 22. August 2022 zurück und hinterlegte am 24. August 2023 Schutzschrift.
21Auf Antrag des Antragstellers vom 24. August 2022 und in Kenntnis der Schutzschrift untersagte die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 26. August 2022,
221. im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Strom- und Gaslieferverträgen außerhalb der Grundversorgung, in denen für eine bestimmte Dauer eine Preisfixierung (Festpreis) für die Strom- und Gaslieferung vereinbart wurde, die – wie in den in Anlage AS 4 abgebildeten AGB unter Punkt 7.1 bzw. 7.3 und 6.1 für Stromtarife und/oder Punkt 7.2 und 6.1 für Gastarife geregelt – auch die Kosten für Energiebeschaffung umfasst,
23a) während des vereinbarten Zeitraums der Preisfixierung einseitig eine Erhöhung des Strom- und/oder Gaspreises mitzuteilen, wenn die angekündigte Strom- und/oder Gaspreisänderung die Kosten für Energiebeschaffung umfasst, wenn dies geschieht wie mit dem in Anlage AS 5 abgebildeten Schreiben vom 29.07.2022,
24und/oder
25b) Verbrauchern, denen eine Mitteilung mit gleichem Inhalt übermittelt wurde wie im Antrag zu I.1.a. angeführt, für die Belieferung mit Strom und/oder Gas während der vereinbarten Laufzeit der Preisfixierung Preise in Rechnung zu stellen und/oder Entgelte einzuziehen, die über die vor Erhalt der Mitteilung geltenden Preise hinausgehen;
26und/oder
272. ab dem 01.09.2022 folgende und diesen inhaltsgleiche Klauseln in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse über die Belieferung mit Strom und/oder Gas zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):
28a. „[3.1.] Für den Fall, dass dem Kunden eine Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) gewährt wurde, gilt die Laufzeit der Preisfixierung auf unbestimmte Zeit. Die Preisfixierung kann beidseitig mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden.“
29b. „[3.2] Der Preis für eine Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) wird durch den Lieferanten nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB bestimmt. Für den Fall, dass dem Kunden eine Preisfixierung gewährt wurde, ist der Lieferant berechtigt, den Preis für die Preisfixierung durch einseitige Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB anzupassen (Erhöhungen oder Senkungen). Anlass für eine Preisanpassung ist ausschließlich eine Änderung der Kosten für Energiebeschaffung oder Vertrieb, des an den Netzbetreiber anzuführenden Netzentgelts oder der operativen Kosten des Lieferanten.“
30Die Antragsgegnerin hat Widerspruch eingelegt und Verweisung an die Kammer für Handelssachen beantragt. Aufgrund der Säumnis der Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 05. Oktober 2022 erging auf Antrag des Antragstellers Versäumnisurteil, mit dem die einstweilige Verfügung der Kammer vom 26. August.2022 bestätigt wurde. Dagegen hat die Antragsgegnerin Einspruch eingelegt.
31Der Antragsteller hat geltend gemacht, die am 29. Juli 2022 versandte Mitteilung der Antragsgegnerin über die Preisänderung zum 01. September 2022 trotz der vereinbarten und in diesem Zeitpunkt noch bestehenden eingeschränkten Preisgarantie stelle eine unlautere geschäftliche Handlung dar, weil die Kunden dadurch über das – der Antragsgegnerin fehlende – Recht zur Preisanpassung bei bestehender Preisfixierung und die ab dem 01. September 2022 tatsächlich zu zahlenden Preise in die Irre geführt würden. Die Kunden würden angesichts der Begründung der Preisanpassung annehmen, dass sie zur Zahlung der erhöhten Preise verpflichtet seien. Tatsächlich sei dies aber nicht der Fall. Die angekündigte Preiserhöhung sei rechtlich nicht zulässig gewesen. Die Antragsgegnerin habe das Risiko erheblich angestiegener Beschaffungskosten zu tragen, nachdem sie eine Preisgarantie eingegangen sei. An dieser müsse sie sich festhalten lassen.
32Im Übrigen hat der Antragsteller mit Nichtwissen bestritten, dass die Kostensteigerungen beim Einkauf von Gas und Strom die hier in Rede stehenden Preisanpassungen auf dem Endkundenmarkt erforderlich machten. Die genauen Auswirkungen der von ihr vorgetragenen Preisschwankungen an den Großhandelsmärkten und Energiebörsen auf ihre konkrete Belieferungssituation und ihre Kunden mit eingeschränkter Preisgarantie trage die Antragsgegnerin nicht vor. Insbesondere berücksichtige sie nicht, dass eine langfristige Beschaffung der benötigten Energiemengen mit einem entsprechenden längeren Vorlauf von zwei bis drei Jahren ohne weiteres möglich gewesen wäre und auch marktüblich sei. Da Endkunden und Verbraucher angesichts der Begründung des Preisanpassungsschreibens trotz einer entgegenstehenden eingeschränkten Preisgarantie zu der Auffassung gelangen könnten, künftig verpflichtet zu sein, für die Energielieferung höhere Preise zahlen zu müssen, sei das irreführende Verhalten der Antragsgegnerin auch geeignet, diese zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie anderenfalls nicht getroffen hätte.
33Darüber hinaus verstießen die Ziffern 3.1 und 3.2 der ergänzten AGB gegen §§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 sowie §§ 307 Abs. 1 S. 2, 305c Abs. 1 BGB und seien daher unwirksam, was einen entsprechenden, von ihm als Verbraucherverband durchsetzbaren Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG begründe. Die beiden angegriffenen Klauseln (Antrag zu 2.a. und 2.b.) würden die Verbraucher unangemessen benachteiligen, da sie wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus den von ihnen abgeschlossenen Energielieferverträgen ergeben, so einschränken, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet werde.
34Der Antragsteller hat beantragt,
35das Versäumnisurteil vom 05. Oktober 2022 aufrechtzuerhalten.
36Die Antragsgegnerin hat - neben einer Verweisung an die Kammer für Handelssachen - beantragt,
37den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 24. August 2022 unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 26. August 2022 und des Versäumnisurteils vom 05. Oktober 2022 zurückzuweisen.
38Sie hat die Ansicht vertreten, die Anträge seien teilweise bereits unzulässig, da sie nicht hinreichend bestimmt seien. Im Rahmen der Anträge zu 1.a. und 1.b. sei nicht klar, ob mit den dort genannten „Verbrauchern“ auch Unternehmern im Sinne von „Letztverbrauchern“ nach § 3 Nr. 25 EnWG gemeint seien oder nur private Verbraucher im Sinne von § 13 BGB. Insoweit fehle es entweder an der Antragsbefugnis des Antragstellers oder es liege eine teilweise Antragsrücknahme vor, die zumindest im Rahmen der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sei. Zudem erfasse der Antrag zu 1.b seinem Regelungsgehalt nach überschießend auch solche Fälle, in denen sich Kunden wie geschehen mit der Preisanpassung ausdrücklich einverstanden erklärt hätten und es folglich auf eine einseitige Preisanpassung gemäß § 313 BGB überhaupt nicht mehr ankomme. Nur ein geringer Teil der Kunden teile die Einschätzung des Antragstellers zur Unwirksamkeit der Preiserhöhungen zum 01. September 2022. Die überwiegende Anzahl ihrer Kunden akzeptierte aufgrund der nie dagewesenen Situation die Notwendigkeit der Preisanpassungen. Insofern zwinge der Antragsteller ihren Kunden seinen Willen auf, entmündige diese und begründe für diese angesichts der (höchstrichterlich) ungeklärten Rechtsfrage ein nicht unerhebliches rechtliches Risiko, da diese die Differenzbeträge verzinst später nachzahlen müssten.
39Jedenfalls habe es hinsichtlich aller Anträge an dem erforderlichen Verfügungsanspruch und dem entsprechenden Verfügungsgrund gefehlt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers seien die Preiserhöhungen zum 01. September 2022 ebenso wie die ab diesem Tag geltenden ergänzten AGB wirksam. Die enormen Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten hätten zur Folge gehabt, dass die Geschäftsgrundlage für die eingeschränkten Preisgarantien weggefallen sei. Trotz ihrer vorsichtigen Beschaffungsstrategie und Preiskalkulation hätten die Preise für ihre Kunden nunmehr angepasst werden müssen. Zwar sei eine langfristige Beschaffung der benötigten Strom- und Gasmengen im Voraus möglich, es sei aber nicht üblich, dass die gesamte, später zur Erfüllung von Lieferverträgen benötigte Energiemenge vorab beschafft werde. Sie beschaffe lediglich ca. 80% der bestellten Menge im Voraus, weil sie als Energielieferantin bei etwaigen Fehlmengen bzw. einem sich ergebenden Überschuss die fehlende Menge entweder für 10 % über dem Marktpreis von dem Netzbetreiber erwerben oder 10 % unter dem Marktpreis verkaufen müsse. Daher sei es in dem Marktsegment, in dem sie tätig sei, üblich, nicht die kompletten bestellten Mengen zu erwerben, sondern kurzfristig fehlende Mengen am Spotmarkt zu erwerben. Beleg dafür, dass eine wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage vorliege, seien die derzeit bei ihr für die Energiebeschaffung anfallenden Mehrkosten von 17 Mio. € je Monat. Die den Mehrkosten gegenüberstehenden Ansprüche auf Preisanpassung gegenüber den Kunden könne sie infolge der gegen sie ergangenen Beschlussverfügung derzeit nicht geltend machen, und zwar nicht einmal dann, wenn es die Kunden wünschten. Auch habe sie im Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung mit den beiden Verbrauchern B. und S. den Krieg in der Ukraine und das spätere Ausbleiben der Lieferung von russischem Gas durch die Pipeline „Nordstream I“ nicht vorhersehen können. Erschwerend komme hinzu, dass es Anfang des Jahres einen plötzlichen und unerwarteten Kundenzuwachs bei ihr gegeben habe, weil zahlreiche „Billiganbieter“ kurzfristig die Energieversorgung eingestellt hätten. Infolge der noch nie dagewesenen Preisanstiege im Beschaffungsmarkt sei es schließlich auch zu massiven staatlichen Eingriffen in den Energiemarkt gekommen, u.a. sei die Gaspreisumlage beschlossen worden, dann aber nicht in Kraft getreten, es sei ein Energiegeld für die Verbraucher eingeführt und ein Gaspreisdeckel beschlossen worden. Außerdem habe die staatlich forcierte Gasspeicherbefüllung sowie die 2021 gegründete Trading Hub Europe (THE) für eine zusätzliche Nachfrage nach Gas gesorgt, wodurch unmittelbar auch der Gaspreis beeinflusst worden sei. Schließlich fehle es auch an einem Verfügungsgrund, weil eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde.
40Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Es hat die angerufene Zivilkammer für insgesamt zuständig gehalten, weil zwischen dem auf das UWG gestützten Antrag zu 1. und dem auf das UKlaG gestützten Antrag zu 2. ein untrennbarer Sachzusammenhang bestehe. Der Antrag sei hinreichend bestimmt, mit den im Tenor genannten „Verbrauchern“ seien lediglich solche im Sinne des § 13 BGB gemeint. In der Sache hat es die Anträge für begründet erachtet. Die Antragsgegnerin täusche über ihre Berechtigung zur Preisanpassung, weil die Voraussetzungen des § 313 BGB nicht vorlägen. Die Antragsgegnerin treffe das Beschaffungsrisiko, sie hätte sich durch langfristige Beschaffungsverträge absichern können. Die AGB-Änderung höhle die Preisgarantie aus.
41Dagegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Sie macht geltend, sie habe nicht über Tatsachen getäuscht, sondern nur eine andere Rechtsauffassung vertreten als das Landgericht, was nicht Gegenstand einer Täuschung gemäß § 5 UWG sein könne. Durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung sei sie an der Erklärung von Preisanpassungen gehindert, was zu erheblichen Schäden führe. Ihr Verhalten sei durch § 313 BGB gedeckt. Soweit das Landgericht meint, die Antragsgegnerin habe sich durch langfristige Verträge absichern können, treffe dies nicht zu. Sie beantragt daher,
42in Abänderung des angefochtenen Urteils unter Aufhebung des Versäumnisurteils und der Beschlussverfügung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
43Der Antragsteller beantragt,
44die Berufung zurückzuweisen.
45Er macht geltend, die Antragsgegnerin täusche über die Unangefochtenheit ihrer Rechtsposition.
46Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen.
Die Berufung der Antragsgegnerin hat hinsichtlich des Verfügungsantrages zu 1. Erfolg (dazu I.), während sie hinsichtlich des Antrages zu 2. erfolglos bleibt (dazu II.).
48I. Antrag zu 1.
Die Berufung der Antragsgegnerin hat Erfolg, soweit der Antragsteller mit dem Antrag zu 1. die Unterlassung der Mitteilung einseitiger Preiserhöhungen während der Geltungsdauer der Preisgarantie sowie die Inrechnungstellung und Einziehung der Erhöhungsbeträge begehrt. Zwar sind die einseitigen Preiserhöhungen (und darauf gestützte Rechnungen) der Antragsgegnerin rechtswidrig (dazu 2.), für die gegen die Preiserhöhungen (und Rechnungen) als solche gerichtete Unterlassungsantrag fehlt es jedoch an einem Rechtsschutzbedürfnis (s. dazu 3.), im Übrigen jedenfalls an einer Täuschung des Verkehrs im Sinne des § 5 UWG (s dazu 4.).
511.
52Gegenstand des Antrages sind lediglich mit § 313 BGB begründete einseitige Erhöhungen des Arbeitspreises durch die Antragsgegnerin. Der Antragsteller macht geltend, die von der Antragsgegnerin einseitig vorgenommenen Erhöhungen seien weder durch den Vertrag - der eine Erhöhung des Arbeitspreises während der Dauer des Festpreises nicht vorsehe - noch durch § 313 BGB gedeckt. Damit sind andere Fallgestaltungen nicht Gegenstände des Unterlassungsantrages, insbesondere
53- einvernehmliche Erhöhungen des Arbeitspreises (wobei an die Annahme einer Zustimmung des Kunden hohe Anforderungen zu stellen sind, vgl. BGH NJW 2022, 3705 Rn. 42),
54- mit § 24 Energiesicherungsgesetz (EnSiG) begründete Erhöhungen des Arbeitspreises,
55- auf 7.1 AGB gestützte Abwälzung einer Gasbeschaffungsumlage nach § 26 Energiesicherungsgesetz (vgl. auch Kment NJW 2022, 2280 Rn. 40 ff).
56Ob der Tenor dem ausreichend Rechnung trägt (was die Antragsgegnerin im Hinblick auf die fehlende Beschränkung des Tenors auf den Arbeitspreis in Abrede stellt), kann jedoch offen bleiben, weil der Antrag bereits aus anderen Gründen ohne Erfolg bleibt.
57Auch ein etwaiger Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Pflicht, bei ihren Preiserhöhungsschreiben eine Gegenüberstellung des alten mit dem neuen Arbeitspreis auf der Grundlage des § 41 Abs. 3 EnWG a.F., § 41 Abs. 5 EnWG n.F. (vgl. BGH, Urteile vom 21.12.2022 – VIII ZR 199/20 und VIII ZR 200/20; s. auch Beschluss des OLG – 26. Zivilsenat – Düsseldorf EnWZ 2023, 82 Rn. 16 ff. zur Preiserhöhung nach Ablauf der zeitlich befristeten Preisgarantie) vorzunehmen, ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Der Antragsteller hat dies weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht gerügt.
582.
59Allerdings steht und stand der Antragsgegnerin ein Recht zur einseitigen Erhöhung des Arbeitspreises, gestützt auf § 313 BGB, nicht zu.
60a) Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich der Vorschrift des § 313 BGB, auf die sich die Antragsgegnerin allein stützt, ein einseitiges Recht einer Vertragspartei zur Änderung der Bedingungen nicht entnehmen lässt (s. insoweit zutreffend Dittmer, IR 2022, 306, 309; s. allgemein Grüneberg, in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 313 Rn. 41; Finkenauer, in Münchener Kommentar, BGB, 9. Aufl., § 313 Rn. 124 ff.). Vielmehr müsste die Antragsgegnerin zunächst eine einvernehmliche Lösung mit dem Kunden herbeizuführen suchen und – wenn dies scheitert – entweder den Klageweg auf Anpassung beschreiten oder – wenn dies unzumutbar sein sollte -, den Vertrag kündigen.
61b) Darüber hinaus kann sich die Antragsgegnerin deshalb nicht auf die Vorschrift des § 313 BGB berufen, weil der Gesetzgeber die Folgen des Preisanstieges im Gas- und infolgedessen auch im Strommarkt umfassend spezialgesetzlich geregelt hat und weiterhin regelt.
62aa) Grundsätzlich ist eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Vertragsstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine speziellere gesetzliche Vorschrift geschaffen hat (vgl. näher BGH NJW 2022, 2024 Rn. 34). In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber selber für einen angemessenen Interessenausgleich gesorgt hat. Die von ihm bewusst getroffenen Wertungen dürfen nicht durch die Anwendung allgemein gehaltener Vorschriften umgangen werden. Das gilt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht nur dann, wenn der Gesetzgeber für die betreffende Fallgestaltung eine Regelung über die Vertragsanpassung trifft, sondern auch dann, wenn sich aus dem Regelungsgefüge die Absicht des Gesetzgebers ergibt, dass eine Vertragsanpassung nur unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen möglich ist und in anderen Fallgestaltungen ausscheidet; auch in derartigen Fällen hat der Gesetzgeber eine Wertungsentscheidung getroffen, nämlich diejenige, dass in anderen Fallgestaltungen eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB auszuscheiden hat.
63bb) Danach ist zur Bewältigung der sogenannten „Gaskrise“ (einschließlich der dadurch hervorgerufenen Folgen für den Strommarkt) ein Rückgriff auf § 313 BGB nicht möglich (aA ohne nähere Begründung Dittmer IR 2022, 306, 307).
64Vorab ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift von vornherein denkbar ungeeignet ist, das vielfältige Beziehungsgeflecht der Betroffenen in dieser Situation angemessen zu regeln. Neben dem einführenden Unternehmen sind nicht nur die Unternehmen der gesamten Lieferkette, die Endverbraucher und -nutzer und die Wohnungsvermieter betroffen, sondern auch der Staat, weil die Endnutzer vielfach die erhöhten Lasten nicht tragen können und deswegen Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen oder Zwischenlieferanten „zwischen die Fronten“ zu geraten drohen, weil sie einerseits Anpassungsverlangen ihrer Vorlieferanten ausgesetzt sind, andererseits Anpassungen gegenüber ihren Abnehmern nicht vornehmen können, und ohne Beihilfen in die Insolvenz zu geraten drohen. Hinzu kommt, dass die Vorschrift des § 313 BGB sehr allgemein gehalten ist und damit eine unkoordinierte und unklare Anwendung zu erwarten steht. Das gilt umso mehr, als anders als vor 100 Jahren, als der Gesetzgeber der Hyperinflation anfänglich tatenlos zusah und die Rechtsprechung sich gezwungen sah, unter Rückgriff auf das Institut des „großen“ Wegfalls der Geschäftsgrundlage wegen des die „Opfergrenze“ übersteigenden Ausmaßes der Entwertung von Geldforderungen den Grundsatz, dass nach dem Nominalwertprinzip der Gläubiger einer Geldforderung das Risiko einer Geldentwertung zu tragen habe, beiseite zu schieben und eigenhändig Aufwertungsregelungen zu entwickeln, der Gesetzgeber frühzeitig aktiv geworden ist.
65Der Gesetzgeber hatte bereits vor Versand der angegriffenen E-Mails am 29. Juli 2022 auf die „Gaskrise“ (und die sich daraus ergebenden Folgen für den Strommarkt) reagiert. Bereits Ende 2021 hatten erste Gas- und Stromlieferanten die Versorgung wegen erhöhter Bezugspreise eingestellt, was bei den Ersatzversorgern zu Problemen führte, weil diese die von ihnen nicht einkalkulierten Mengen nicht mehr zu den früher allgemein üblichen Preisen, sondern zu aktuellen erheblich höheren Preisen einkaufen mussten; die Streitfrage, ob die Ersatzversorger aus diesem Grunde höhere Preise als bei Grundversorgungsverträgen verlangen konnten (vgl. dazu OLG Düsseldorf – 5. Kartellsenat – BeckRS 2022, 7551 = EnZW 2022, 229), löste der Gesetzgeber mit der Änderung der §§ 36, 38 EnWG durch das „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung“ vom 19. Juli 2022 (BGBl. I S. 1214; dazu BR-Drs. 164/22 S. 2, 60-62). Besonders hervorzuheben ist das „Gesetz zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes 1975 und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ vom 21. Mai 2022 (BGBl. I S. 730; zum Gesetzgebungsverfahren s. BT-Drs. 20/1501; 20/1766) sowie das im Juli 2022 in Kraft getretene „Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Falle einer drohenden Gasmangellage durch Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ (BGBl. I S. 1054; zum Gesetzgebungsverfahren BT-Drs. 20/2356; 20/2594, 20/2664). Durch das erstgenannte Gesetz hat der Gesetzgeber die mit der Gaskrise verbundenen Lasten auf die Unternehmen, den Endverbraucher und den Staat verteilt. Hinsichtlich bestimmter Maßnahmen hat er zugunsten der betroffenen Unternehmen Entschädigungsansprüche bestimmt (§ 13 EnSiG n.F.). Bei bestimmten Unternehmen der Kritischen Infrastruktur hat er die Möglichkeit zur Anordnung von Treuhandmaßnahmen und entschädigungspflichtigen Enteignungen geschaffen (§§ 17- 23 EnSiG n.F., vgl. auch die Änderungen in Art. 2 des Gesetzes). Daneben enthielt das Gesetz in § 24 EnSiG zudem ein – noch näher zu erörterndes – Preisanpassungsrecht. Das zweitgenannte Gesetz enthielt weitere Maßnahmen, u.a. die Einführung einer Gasumlage in § 26 EnSiG sowie die Möglichkeit von Kapitalmaßnahmen zugunsten besonders betroffener Versorgungsunternehmen in § 29 EnSiG. Dabei hat der Gesetzgeber sowohl die Verhältnisse im Gas- als auch im Strommarkt im Blick gehabt.
66Hervorzuheben ist die Einführung eines Preisänderungsrechts zugunsten des Versorgungsunternehmens in § 24 EnSiG durch das „Gesetz zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes 1975 und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften“. Dieses Preisänderungsrecht hat der Gesetzgeber zum Schutz des Endverbrauchers von engen Voraussetzungen abhängig gemacht. Es besteht nur für Gaspreise, nicht für Strompreise, ob wohl dem Gesetzgeber die Probleme auch im Strommarkt bewusst waren. Es setzt die – bereits im Juni 2022 erfolgte – Ausrufung der Alarmstufe/Notfallstufe durch die Bundesnetzagentur, des Weiteren aber zusätzlich die Feststellung der erheblichen Reduzierung der Gesamtgasimportmengen durch die Bundesnetzagentur voraus. Bereits dies macht deutlich, dass es sich dabei lediglich um eine „Krisennotfallregelung“ (vgl. Säcker/von Werder, NundR 2022, 274, 278) handeln sollte. Diese bewusst an eine hoheitliche Feststellung als Verwaltungsakt (zu den Folgen für den Rechtsschutz s. Gerstner/Breuling/Reiter, IR 2022, 254, 262/263) anknüpfende Regelung schließt eine eigenständige Überprüfung der Voraussetzungen des Preisanpassungsrechts dem Grunde nach durch ein Zivilgericht von vornherein aus, und zwar in positiver als auch in negativer Hinsicht. Das verkennt Dittmer (IR 2022, 306, 307), wenn er mangels einer Feststellung der erheblichen Reduzierung der Gesamtgasimportmengen durch die Bundesnetzagentur den Anwendungsbereich des § 313 BGB eröffnet sieht. Wenn der Gesetzgeber die Feststellung der Voraussetzungen eines Preisanpassungsrechts - auch aus Gründen der Rechtssicherheit - bewusst an eine bestimmte Feststellung der zuständigen Behörde anknüpft, kann diese Voraussetzung nicht einfach dadurch umgangen werden, dass bei Fehlen einer solchen Feststellung der Sache nach eine Lücke im § 24 EnSiG festgestellt wird, die dann durch eine Anwendung des § 313 BGB geschlossen werden könnte. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber bewusst durch eine Hinzufügung des § 24 Abs. 1 S. 2 EnSiG a.F. (BT-Drs. 20/1766 S. 19; s. dazu Säcker/von Werder, a.a.O.) das Preiserhöhungsrecht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht an die Entwicklung der Gaspreise im Allgemeinen, sondern allein an die aus der Verknappung der Gasimporte hervorgerufene Steigerung der Gaspreise angeknüpft hat. Des Weiteren hat der Gesetzgeber in den Abs. 2 und 3 ein austariertes und umfangreiches System von Informations- und Gegenrechten des Endverbrauchers vorgesehen. U.a. kann der Kunde nach zwei Monaten nach Mitteilung der Preiserhöhung beim Versorgungsunternehmen eine Überprüfung der Preiserhöhung beantragen und bei negativer Erklärung den Vertrag kündigen. Die Vorschrift des § 24 EnSiG wäre überflüssig, die bewusst zum Schutze der Endkunden vorgenommenen Beschränkungen in § 24 EnSiG würden konterkariert, wenn sowohl in der 1. Phase („nur“ erhebliche Preiserhöhungen auf dem Gas- und infolgedessen auch auf dem Strommarkt) als auch in der 2. Phase (Gasknappheit) das Versorgungsunternehmen auf die Vorschrift des § 313 BGB zurückgreifen könnte. Mit dem Gesetz ist auch nicht die im Termin vom 14. März 2023 vorgetragene Auffassung der Antragsgegnerin zu vereinbaren, wonach § 24 EnSiG zwar in der 2. Phase, nicht aber in der 1. Phase die Vorschrift des § 313 BGB verdränge; damit ist nicht zu erklären, wieso in der 2. Phase die allgemeinen Preiserhöhungen für Gas nach der ausdrücklichen Vorschrift in § 24 EnSiG nicht, wohl aber in der 1. Phase zu berücksichtigen sein sollen. Wäre die Auffassung der Antragsgegnerin richtig, hätten die allgemein bekannten Probleme der Z. SE, die sich einerseits durch langfristige Verträge zu verhältnismäßig niedrigen Preisen zur Belieferung ihrer Abnehmer verpflichtet hatte, andererseits aber Energie infolge der veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur zu erheblich höheren Preise beziehen konnte, dadurch lösen können, dass sie unter Berufung auf § 313 BGB die Preise auch gegenüber ihren Abnehmern hätte erhöhen können. Dies hat der Gesetzgeber wegen der unabsehbaren Folgen in der gesamten Lieferkette gerade nicht gewollt.
67Diese Vorschriften lassen insgesamt den Willen des Gesetzgebers erkennen, den Versorgungsunternehmen in der „Gaskrise“ und den dadurch hervorgerufenen Preissteigerungen im Gas- und Strommarkt nur unter ganz bestimmten engen Voraussetzungen ein einseitiges Preisanpassungsrecht zuzubilligen. Er hat letztlich erst mit der 2. Phase (genauer gesagt, dessen amtliche Feststellung durch die Bundesnetzagentur) ein unzumutbares Überschreiten des Risikobereichs (Grüneberg, a.a.O., § 313 Rn. 32) angenommen. Im Übrigen hat er das Beschaffungsrisiko dem Versorgungsunternehmen zu- und sie gegebenenfalls auf staatliche Unterstützungsmaßnahmen verwiesen. Das schließt es aus, ihnen daneben losgelöst von diesen Wertungen ein „freihändiges“ Preisanpassungsrecht wegen Änderung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zu gewähren.
683.
69Dies führt allerdings nicht zur Begründetheit des Unterlassungsanspruchs der Antragstellerin.
70a) Soweit der Antragsteller sich gegen die einseitige Preisanpassung (und eine sich darauf stützende Inrechnungstellung) als solche wendet, fehlt es für das Unterlassungsbegehren an einem Rechtsschutzbedürfnis.
71Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2020, 886 Rn. 21 ff. – Preisänderungsregelung) fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für ein Unterlassungsbegehren gegen Äußerungen u.a. dann, wenn damit unmittelbar auf die Rechtsverfolgung des Inanspruchgenommenen in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren Einfluss genommen werden soll. Ob dem Äußernden das in der Äußerung in Anspruch genommene Recht zusteht oder nicht, ist in dem weiteren Verfahren zu klären. Dies gilt nicht nur für Äußerungen in diesem – gerichtlichen oder behördlichen – Verfahren, sondern auch für vorgerichtliche Äußerungen, wenn deren Untersagung in dem weiteren Verfahren fortwirkt. Das gilt insbesondere für Gestaltungserklärungen, da ohne solche Erklärungen die Rechtslage von vornherein nicht im Sinne des Erklärenden gestaltet werden kann und die Berechtigung dieser Gestaltungserklärung von vornherein nicht in dem dafür vorgesehenen Verfahren gerichtlich geklärt werden kann.
72Damit scheidet eine Verurteilung zur Unterlassung einer einseitigen Preisanpassung gegenüber Kunden als solcher aus. Ohne eine derartige Gestaltungserklärung könnte die Antragsgegnerin das von ihr beanspruchte Recht nicht wahrnehmen und dessen Berechtigung im Verhältnis zu Kunden nicht klären.
73Das gilt auch für die Untersagung der Berechnung der erhöhten Preise. Ohne eine derartige Berechnung ist die Antragsgegnerin gehindert, die nach ihrer Ansicht geschuldeten Beträge von dem Kunden fordern zu können. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 EnWG muss das Versorgungsunternehmen nämlich in seiner Rechnung u.a. die geltenden Preise mitteilen, wie aus § 40c Abs. 1 EnWG hervorgeht, muss die Rechnung auch einen Rechnungsbetrag enthalten und kann das Versorgungsunternehmen keinen höheren als diesen Rechnungsbetrag verlangen.
74Diese Erwägungen gelten allerdings nicht, wie der Antragsteller im Termin vom 14. März 2023 zu Recht geltend gemacht hat, für die Art und Weise der Begründung der Preisanpassung sowie den Antrag auf Unterlassung der Einziehung des Erhöhungsbetrages.
75b) Aber auch insoweit ist das auf eine Täuschung der Verbraucher gestützte Unterlassungsbegehren unbegründet.
76Die Mitteilung von Rechtsauffassungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2020, 886 Rn. 17 ff. – Preisänderungsregelung) nur unter bestimmten Umständen als irreführende Angabe im Sinne des § 5 UWG anzusehen. Ob eine bestimmte Rechtsauffassung richtig ist oder nicht, kann nicht im Wettbewerbsprozess geklärt werden. Anders ist es nur dann, wenn dem Verkehr im Zusammenhang mit der Rechtsauffassung weitere Tatsachen mitgeteilt werden, etwa, es existiere eine bestimmte Norm, die Rechtsauffassung sei höchstrichterlich geklärt oder unstreitig oder dergleichen.
77Danach handelt es sich bei den angegriffenen Äußerungen nicht um eine täuschende Angabe. Die von der Antragsgegnerin herangezogene Norm des § 313 BGB existiert und befasst sich mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Ob die Antragsgegnerin sie vollständig und richtig angewendet hat, ist eine Rechtsfrage. Dass die Antragsgegnerin ihre Rechtsposition bestimmt und ohne Vorbehalte (etwa: „unseres Erachtens“ oder „nach unserer Auffassung“) darstellt, bedeutet nicht, dass diese Rechtsposition als selbstverständlich, unangegriffen, höchstrichterlich geklärt oder dergleichen darstellt. Dementsprechend hat die Rechtsprechung vergleichbare Fallgestaltungen als nicht irreführend angesehen (vgl. BGH GRUR 2019, 754 – Prämiensparverträge; GRUR 2020, 886 – Preisänderungsregelung; s. auch OLG Köln GRUR-RS 2022, 35173 - noch nicht rechtskräftig). Es gab zum damaligen Zeitpunkt auch keine höchstrichterliche Rechtsprechung, die die Anwendung des § 313 BGB ausschloss.
78Ob die Rechnungserstellung – und die daraufhin erfolgende Abbuchung – unter täuschenden Umständen erfolgen wird, ist nicht prognostizierbar. Allein die Tatsache, dass die Antragsgegnerin ihre Rechtsauffassung wiederholt, sie habe nach § 313 BGB ihre Preise anpassen dürfen, stellt – wie bereits ausgeführt - keine Täuschung im Sinne des § 5 UWG dar.
79II. Antrag zu 2.
Demgegenüber steht dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu (dazu 1.). Es besteht auch ein Verfügungsgrund (dazu 2.).
821.
83Der Antragsteller, dessen Aktivlegitimation vom Landgericht bejaht worden ist und nicht im Streit steht, kann gemäß § 1 UKlaG die Unterlassung der Verwendung der angegriffenen AGB verlangen.
84a) Die Begründetheit des Anspruchs ergibt sich zwar nicht bereits daraus, dass für die von der Antragsgegnerin einseitig vorgenommene Änderung der AGB bereits dem Grunde nach keine Rechtsgrundlage vorhanden gewesen sein dürfte (dazu aa)); dies ist aber nicht Gegenstand eines konkreten Klauselkontrollverfahrens nach § 1 UKlaG (dazu bb)).
85aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen können im Allgemeinen nur durch vertragliche Vereinbarungen in ein konkretes Rechtsgeschäft eingeführt und auf die gleiche Weise geändert werden (§ 305 Abs. 2 BGB). Die Möglichkeit einer einseitigen Änderung sieht das Gesetz nur in wenigen Fallgestaltungen vor, in denen bei Dauerschuldverhältnissen unwirksame Geschäftsbedingungen durch wirksame Bedingungen ersetzt werden müssen (vgl. § 164, § 203 Abs. 4 VVG; zur AVBFernwärmeV s. BGH NJW 2022, 1935; NJW 2022, 1944). Der vertragliche Vorbehalt in Nr. 8.1 AGB deckt die beabsichtigte Änderung nicht ab, da sich die Änderung gerade auf die Preisbemessung bezieht, während nach dieser Klausel Preise von der Änderungsmöglichkeit ausgenommen sind, so dass offen bleiben kann, ob die Klausel als solche wirksam ist oder über die Grenzen des § 308 Nr. 4 BGB hinausgeht (vgl. BGH NJW 2021, 2273). Auf § 313 BGB kann sie schon deswegen nicht gestützt werden, weil darin ein einseitiges Recht zur Änderung der Vertragsbedingungen nicht vorgesehen ist, eine Vertragsänderung vielmehr nur durch Vertragsverhandlungen erzielt werden kann (vgl. oben unter I.2.a).
86bb) Eine fehlende oder unwirksame Einbeziehung von AGB ist jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 1 UKlaG, wie sich bereits aus dem fehlenden Hinweis im Gesetzestext auf § 305 Abs. 2 BGB ergibt. In diesem Verfahren können vielmehr nur inhaltliche Mängel gerügt werden.
87b) Die von der Antragsgegnerin einseitig eingeführten Klauseln sind jedoch auch inhaltlich unwirksam. Sie betreffen die Berechtigung der Antragsgegnerin zur abweichenden Festsetzung des Arbeitspreises während des Laufes einer Preisgarantie. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, führen die Klauseln zu einer vollständigen Aushöhlung der Preisgarantie. Sie weichen in mehrfacher Hinsicht in erheblichem Umfange zu Lasten des Kunden von dem abschließenden (vgl. oben unter I.2.) § 24 EnSiG ab. Das Recht der Antragsgegnerin zur Preisanpassung wird nicht von den Feststellungen der Bundesnetzagentur abhängig gemacht. Eine nähere Konkretisierung der Preiserhöhung nach § 24 Abs. 1 S. 1 EnSiG fehlt. Eine Regelung entsprechend § 24 Abs. 3 EnSiG a.F. fehlt vollständig. Zudem nimmt die Antragsgegnerin für sich auch ein Preisanpassungsrecht für den Strompreis in Anspruch.
882.
89Zu Recht hat das Landgericht einen Verfügungsgrund nach § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 UWG bejaht. Dagegen erhebt die Antragsgegnerin auch keine eigenständigen Rügen.
90III.
91Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
92Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es im Hinblick auf § 542 Abs. 2 ZPO nicht.
93Streitwert: bis 16.000 €