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Auf Antrag der Antragsgegnerin wird die Zwangsvollstreckung aus dem am 18. August 2023 verkündeten Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (Az.: 38 O 192/23) einstweilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- € eingestellt, soweit der Antragsgegnerin verboten worden ist, geschäftlich handelnd,
- Kündigungsmitteilungen von Endkunden über Schnittstellen der Antragstellerin (insbesondere WBCI) einzustellen, wenn die Kündigungsmitteilung aus der Unterzeichnung des Antragsformulars resultiert, das mit dem als Anlage K 1 vorgelegten Schreiben versandt worden ist.
Gründe:
2I.
3Beide Parteien bieten Telekommunikationsdienstleistungen an, darunter über Festnetzanschlüsse realisierte Telefonie- und Internetzugangsdienste für private Endkunden. Sie sind verbunden durch eine im Februar 2020 geschlossene „Vereinbarung zur Durchführung der Vorabstimmung im Rahmen des Anbieterwechsels“. Darin ist unter anderem geregelt, dass Kündigungsmitteilungen und Portierungsaufträge wechselwilliger Kunden in elektronische Schnittstellen einzustellen sind. Entsprechend verfährt die Antragsgegnerin, wenn Bestandskunden der Antragstellerin einen Anschluss bei ihr beauftragen und hierzu ein von der Antragsgegnerin vorgehaltenes Formular verwenden, in dem Erklärungen zur Kündigung eines bei der Antragstellerin unterhaltenen Vertrages oder einer Portierung der Rufnummer enthalten sind.
4In mehreren innerhalb der letzten zwei Jahre an Kunden der Antragstellerin gerichteten Anschreiben warb die Antragsgegnerin für einen (zunächst als „DSL 16“ und später als „X DSL 16“ bezeichneten) DSL-Tarif zu einem Preis von € 34,99 monatlich. Den Anschreiben lagen vorbereitete Auftragsformulare bei, in denen unter anderem die Erklärung enthalten war, den bisherigen Vertrag zu kündigen. Wegen des Versands dieser Schreiben, die sich in Einzelheiten unterscheiden, mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin jeweils ab. Zu dem ersten, unter dem 17. August 2021 abgefassten Schreiben gab die Antragsgegnerin eine Unterlassungserklärung ab. Wegen der beiden nachfolgenden Schreiben, die auf Januar 2022 datiert bzw. mit der Datumsangabe „im Jahr 2023“ versehen waren, erwirkte die Antragstellerin einstweilige Verfügungen. Ein viertes, ohne Datumsangabe im Juli/August 2023 versandtes Rundschreiben, wegen dessen Einzelheiten auf die als Anlage K 1 vorgelegten Ablichtungen verwiesen wird, ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
5Das Landgericht hat - nach mündlicher Verhandlung - der Antragsgegnerin verboten, geschäftlich handelnd,
6- mit dem als Anlage K 1 vorgelegten Schreiben zu werben;
7- Kündigungsmitteilungen von Endkunden über Schnittstellen der Antragstellerin (insbesondere WBCI) einzustellen, wenn die Kündigungsmitteilung aus der Unterzeichnung des Auftragsformulars resultiert, das mit dem als Anlage K 1 vorgelegten Schreiben versandt worden ist.
8Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, das als Anlage K 1 vorgelegte Schreiben sei irreführend, weil seine Gestaltung verschleiere, dass kein bloßer Tarif- sondern ein Anbieterwechsel beworben werde. Auch die Weitergabe von auf diese Weise erlangten Kündigungsmitteilungen sei unlauter; es fehle an einer wirksamen Kündigungserklärung der Kunden.
9Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer form- sowie fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie die Abänderung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Anträge erstrebt. Sie beantragt zudem hinsichtlich der Untersagung zu Ziffer 2., die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne - hilfsweise gegen - Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung des Antrages auf Einstellung der Zwangsvollstreckung. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
10II.
11Der zulässige Vollstreckungsschutzantrag der Antragsgegnerin hat Erfolg.
121.
13Soweit die Antragsgegnerin die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Ziffer 2. des angefochtenen Urteils ohne Sicherheitsleistung verlangt, kommt dies nicht in Betracht. Diese ist nur unter den – engen – Voraussetzungen des § 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO zulässig. Danach hätte die Antragsgegnerin glaubhaft machen müssen, dass sie die Sicherheit nicht aufbringen kann. Dies ist nicht geschehen.
142.
15Soweit die Antragsgegnerin allerdings die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Ziffer 2. des angefochtenen Urteils gegen Sicherheitsleistung begehrt, war ihrem Antrag zu entsprechen.
162.1.
17Nach § 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO kann das Berufungsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Der Senat hält daran fest, dass grundsätzlich den auf der mündlichen Verhandlung eines Eilverfahrens beruhenden Maßnahmen nicht durch eine noch summarischere Entscheidung – ohne mündliche Verhandlung – die Wirkung genommen werden darf (vgl. Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Auflage, Rn. 454). Dies rechtfertigt sich daraus, dass das Eilverfahren nur vorläufige Regelungen enthält und auf Grund einer kursorischen Prüfung abgeschlossen wird und der Charakter dieser vorläufigen Regelung unterlaufen würde, wenn die - noch vordergründigere - Prüfung im Verfahren auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei bloßen Zweifeln gegenüber dem erlassenen Verbot dazu führen könnte, eine einstweilige Regelung außer Kraft zu setzen. In derartigen Fallkonstellationen kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in den seltenen Ausnahmefällen in Betracht, in denen offensichtlich ist, dass das angefochtene Urteil keinen Bestand haben wird (vgl. Berneke/Schüttpelz, aaO, Rn. 454 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
182.2.
19So liegen die Dinge hier. In Anwendung der dargestellten Grundsätze ist der Antragsgegnerin hinsichtlich Ziffer 2. des angefochtenen Urteils Vollstreckungsschutz zu gewähren, da bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird. Dahinstehen kann, ob das streitgegenständliche Anschreiben (Anlage K 1) irreführend ist, denn die Umsetzung der Kündigung ist für sich genommen nicht unlauter. Der Senat hält an seiner im Verfahren I-20 W 38/23 geäußerten Rechtsauffassung fest, wonach zwischen der Antragsgegnerin und dem Verbraucher ein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist mit der Folge, dass die Antragsgegnerin rechtlich verpflichtet ist, den Anbieterwechsel zu vollziehen, solange der Verbraucher seine auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung nicht wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung angefochten hat. Bei dieser Sach- und Rechtslage droht der Antragsgegnerin aus der Vollstreckung gemäß Ziffer 2. des angefochtenen Urteils – jedoch nicht schon durch die Titulierung der Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziffer 1. - ein über eine Vorwegnahme des Prozessergebnisses hinausgehenden nicht zu ersetzender Nachteil (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 3. Februar 1993, Az.: VI ZR 229/92, zitiert nach juris). Die Antragsgegnerin hat ein schützenswertes und die Interessen der Antragstellerin überwiegendes Interesse daran, dass die vorläufige Vollstreckung aus Ziffer 2. des angefochtenen Urteils einstweilen gegen eine von ihr zu erbringende Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- € eingestellt wird. Eine Sicherheitsleistung in dieser Höhe erachtet der Senat für angemessen, aber auch ausreichend, um dem Sicherungsbedürfnis der Antragstellerin Rechnung zu tragen.
20S. Dr. S. P.
21zugleich für die wegen Urlaubs
22an der Unterschriftsleistung
23gehinderte RiOLG P.