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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilammer – Einzelrichter – des Landgerichts Duisburg vom 4.8.2022 (11 O 14/21) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
1.) an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.924,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2020 (Beklagte zu 3.)) bzw. seit dem 5.1.2021 (Beklagte zu 1.) und Beklagter zu 2.)) zu zahlen sowie
2.) die Klägerin von der Forderung der Rechtsanwälte A. und B. in Höhe von 571,44 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 27 % und die Beklagten zu 73 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
2I.
3Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der von ihr geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von 1.237,84 €, da sie den Gutachter nicht auf Vorschäden an der linken vorderen Seite ihres Fahrzeugs hingewiesen und dadurch die Untauglichkeit des von ihr beauftragten Gutachtens herbeigeführt hat. Bei den Gutachtenkosten handelte es sich folglich nicht um für die Geltendmachung des Schadensersatzes erforderliche und zweckmäßige Aufwendungen, deren Ersatz die Klägerin gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen könnte. Dementsprechend belaufen sich die zu ersetzenden außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten lediglich auf 571,44 €.
6Im Einzelnen:
71.)
8Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.2.2017 – VI ZR 76/16, NJW 2017, 1875, beck-online). Regelmäßig sind die Gutachterkosten auch dann erstattungsfähig, wenn sich das Gutachten objektiv als ungeeignet herausstellt, insbesondere als unbrauchbar; eine Zurechnung von Fehlern des Sachverständigen zum Geschädigten nach § 278 BGB scheidet aus (vgl. Geigel Haftpflichtprozess/Katzenstein, 28. Aufl. 2020, Kap. 3 Rn. 250 m.w.N.). Eine Ersatzpflicht hinsichtlich der Gebühren eines zur Ermittlung der Reparaturkosten eingeholten Gutachtens ist aber ausgeschlossen, wenn der Geschädigte gegenüber dem von ihm beauftragten Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt (Senat, Beschluss vom 10. 7. 2012 - 1 W 19/12, r + s 2013, 46, beck-online; Karl-Hermann Zeh, in: Wussow, UnfallhaftpflichtR, 17. Auflage 2021, § 14 Sachschaden Rn. 167; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 398 m.w.N.).
92.)
10Die Klägerin hat dem Sachverständigen erhebliche, zur Untauglichkeit des Gutachtens führende Vorschäden verschwiegen.
11a)
12Die Untauglichkeit des Gutachtens der Firma C. zur Abrechnung ergibt sich daraus, dass die Reparaturkosten in Unkenntnis der Existenz von Vorschäden (LG, Bl. 15) ermittelt worden sind und daher auch Kosten für die Instandsetzung des nicht unfallbedingten Schadens enthalten.
13Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich feststellen, dass der Mercedes der Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht reparierte Vorschäden im vorderen Bereich des linken vorderen Kotflügels und an der linken Seite des vorderen Stoßfängers aufwies. Diese Schäden sind dem Unfallereignis nach den Feststellungen des Sachverständigen D. nicht zuzuordnen.
14Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten auf S. 30 (LG, Bl. 370) formuliert, dass die vorbenannten, auf Bild 24 seines Gutachtens erkennbaren „Schäden im linken Seitenbereich des vorderen Stoßfängers und im vorderen Bereich des linken vorderen Kotflügels des Klägerfahrzeuges nicht abschließend kompatibel mit dem Anstoß des Beklagtenfahrzeuges“ seien, besteht auf Grund der in diesem Zusammenhang erfolgten Ausführungen des Sachverständigen kein Zweifel daran, dass diese Schäden aus technischer Sicht nicht dem Unfall zugeordnet werden können.
15aa)
16Der Sachverständige setzt sich mit drei Bereichen des LKW auseinander, die auf Grund der Höhenlage grundsätzlich geeignet wären, die schadhaften Spuren an dem Pkw der Klägerin zu zeichnen, namentlich (1) Unterfahrschutz/Schlussleuchtenhalter, (2) Kotflügel und (3) Hinterrad des LKW.
17(1)
18Zu dem Komplex „Unterfahrschutz/Schlussleuchtenhalter“ weist der Sachverständige auf S. 29 seines Gutachtens (LG, Bl. 369) darauf hin, dass sich zwischen dem Unterfahrschutz und dem Schlussleuchtenhalter des LKW eine Lücke von ca. 9 cm befindet, die keine zusammenhängende Spurenzeichnung erlaubt. Die Schäden an dem Fahrzeug der Klägerin in dem vorderen Bereich des vorderen Kotflügels sind aber zusammenhängend, denn an dem Radlaufbogen sind über die komplette Kontakthöhe Spuren gezeichnet worden.
19(2)
20Der Sachverständige legt weiter dar, dass der Kotflügel des Beklagtenfahrzeugs als Ursache für die Spurzeichnung auszuschließen ist. Zur Begründung führt er aus, dass der stumpfe Kotflügel Spuren gezeichnet hätte, wie sie im vorderen Bereich der Fahrertür und im hinteren Bereich des Kotflügels vorliegen und diese Charakteristik von der an dem Stoßfänger des Klägerfahrzeuges gezeichneten Spur abweicht.
21(3)
22Schließlich führt der Sachverständige aus, dass sich die Schadenentstehung durch einen Kontakt des Hinterrades des LKW der Beklagten mit dem Fahrzeug der Klägerin ebenfalls nicht plausibel darstellen lasse, da dann – tatsächlich nicht vorhandene – Rotationsspuren entstanden wären (vgl. Gutachten, S. 29 = LG, Bl. 369).
23bb)
24Soweit die Klägerin in erster Instanz mit Schriftsatz vom 17.06.2022 (LG, Bl. 407 f.) eingewandt hat, dass die Schäden am vorderen Kotflügel ihres Fahrzeugs auf Teilen beruht haben könnten, die sich vom LKW der Beklagten zu 1.) gelöst hätten, handelt es sich um eine bloße Mutmaßung, für die es keine greifbaren Anhaltspunkte gibt. Auf diesen Einwand kommt die Klägerin in der Berufungserwiderung nicht mehr zurück.
25cc)
26Eine bereits nicht schlüssig darstellbare Schadenkompatibilität mit dem hier streitgegenständlichen Verkehrsunfall lässt aber nur den Schluss zu, dass die vom Schadensgutachter dokumentierten Schäden bereits vor dem Unfall am 19.06.2020 vorhanden gewesen sind.
27b)
28Diese Fehlerhaftigkeit des Schadensgutachtens hat die Klägerin dadurch herbeigeführt, dass sie den Gutachter nicht auf Vorschäden an der linken Fahrzeugseite hingewiesen hat, obwohl diese optisch auf den ersten Blick erkennbar sind (LG, Bl. 367) und ihr deshalb nicht verborgen geblieben sein können.
293.)
30Der Klägerin steht der Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß § 249 Abs. 1 BGB nur nach dem Gegenstandswert der um die Gutachterkosten verminderten, berechtigten Forderung in Höhe von 5.924,00 € zu. Diese ergeben bei Ansatz einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr VV 2300, einer Auslagenpauschale VV 7001 und hinzugerechneter Umsatzsteuer 571,44 €.
31III.
32Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des Berufungsverfahrens aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO und im Übrigen aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
33Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
34Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
35Der Streitwert wird für den Berufungsrechtszug auf 1.237,24 € festgesetzt.
36… … …