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Ob die in einer Patentstreitsache durch die Hinzuziehung eines Patentanwalts entstandenen Kosten nach § 143 Abs. 3 PatG zu erstatten sind, beurteilt sich anhand der zu § 91 ZPO entwickelten Grundsätze. Maßgeblich ist demnach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die die Kosten auslösende Maßnahme (hier: Hinzuziehung eines Patentanwalts) in dem damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte (Bestätigung von OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2022, 356 – Patentanwaltskosten).
In einer Patentstreitsache ist dies in der Regel der Fall, wenn ein technischer Sachverhalt in patentrechtlichem Zusammenhang zu beurteilen ist.
Das gilt nicht nur für einen Patentverletzungsrechtsstreit, in dem die Parteien als Verletzungskläger und Verletzungsbeklagter über die Verletzung und/oder den Rechtsbestand eines Patents streiten, sondern auch für andere Patentstreitsachen, z.B. Klagen gegen Patentberühmungen oder Anspruchsberühmungen aus einem Patent, in denen es um die Beurteilung eines technischen Sachverhalts in patentrechtlichem Zusammenhang geht.
I.Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 24.03.2023 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf Grund des Beschlusses des Landgerichts Düsseldorf vom 22.09.2022 sind von der Antragsgegnerin 4.360,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 18.10.2022 an die Antragstellerin zu erstatten.
II.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 03.05.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 24.03.2023, mit der sie sich dagegen wendet, dass die Rechtspflegerin im Rahmen der Kostenfestsetzung die von ihr auch angemeldeten Kosten ihres Patentanwalts in Höhe von 2.171,50 EUR nicht berücksichtigt hat, ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Der angefochtene Beschluss ist der Antragstellerin erst am 19.04.2023 zugestellt worden. Die sofortige Beschwerde hat die Antragstellerin am 03.05.2023 und damit innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO beim Landgericht eingereicht. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat die Rechtspflegerin die von der Antragstellerin angemeldeten Patentanwaltskosten abgesetzt.
21.
3Nach § 143 Abs. 3 PatG sind von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Patentstreitsache entstehen, die Gebühren nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten.
4a)
5Bei dem dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zugrundeliegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelte es sich um eine Patentstreitsache im Sinne von § 143 Abs. 1 PatG.
6Patentstreitsachen sind nach § 143 Abs. 1 PatG alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der im Patentgesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird. Der Begriff der Patentstreitsache ist grundsätzlich weit auszulegen (BGH, GRUR 2011, 662 – Patentstreitsache; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 305 – Unberechtigte Patentberühmung; Beschl. v. 31.08.2017 – 2 W 14/17, GRUR-RS 2017, 125977 Rn. 8 – Patentanwaltskosten; Benkard PatG/Grabinski/Zülch/Tochtermann, 12. Aufl. 2023, PatG § 143 Rn. 1). Zu den Patentstreitsachen zählen alle Klagen, die einen Anspruch auf eine Erfindung oder aus einer Erfindung zum Gegenstand haben oder sonst wie mit einer Erfindung eng verknüpft sind (BGH, GRUR 2011, 662 Rn. 9 – Patentstreitsache; BGH, GRUR 2013, 756 Rn. 10 – Patentstreitsache II). Hierzu können insbesondere Klagen gehören, deren Anspruchsgrundlage sich aus einem Patent oder einer nicht geschützten Erfindung ergibt (BGH, GRUR 2011, 662 Rn. 9 – Patentstreitsache; BGH, GRUR 2013, 756 Rn. 10 – Patentstreitsache II), wobei aber auch Klagen, deren Anspruchsgrundlage sich nicht aus dem Patentgesetz ergibt, unter den Begriff der Patentstreitsache fallen können (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 305 – Unberechtigte Patentberühmung; Beschl. v. 31.08.2017 – 2 W 14/17, GRUR-RS 2017, 125977 Rn. 8 – Patentanwaltskosten). Insbesondere unterfallen dem Begriff der Patentstreitsache zum Beispiel auch wettbewerbsrechtliche oder deliktsrechtliche Klagen gegen Patentberühmungen oder Anspruchsberühmungen aus einem Patent (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 305 – Unberechtigte Patentberühmung; Beschl. v. 31.08.2017 – 2 W 14/17, GRUR-RS 2017, 125977 Rn. 8 – Patentanwaltskosten; Benkard PatG/Grabinski/Zülch/Tochtermann, a.a.O., PatG § 143 Rn. 4; Mes, 5. Aufl. 2020, PatG § 146 Rn. 27). Gleiches gilt für entsprechende Verfügungsanträge.
7Um einen derartigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelte es sich bei dem Verfügungsantrag der Antragstellerin vom 21.09.2022, wobei es im Rahmen dieses Antrags maßgeblich darum ging, ob die Antragstellerin mit dem von ihr bislang auf der Online-Plattform xxx angebotenen Produkt mit der Bezeichnung „MX“ – wie von der Antragsgegnerin gegenüber xxx behauptet – zwei Patente der Antragsgegnerin (nachfolgend auch: Berühmungspatente) verletzt. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nahm die Antragstellerin die Antragsgegnerin darauf in Anspruch, es zu unterlassen, gegenüber xxx im Rahmen eines von xxx zur Verfügung gestellten Beschwerdeverfahrens Beschwerden an xxx zu richten und/oder richten zu lassen mit der Behauptung, das von der Antragstellerin auf der Handelsplattform xxx eingestellte Angebot des Produkts „MX" verletze den Anspruch 15 des europäischen Patents xxx xxx xxx B1 oder das deutsche Patent DE xx xxx xxx xxx der Antragsgegnerin, sowie die entsprechenden Beschwerden gegenüber xxx zurückzunehmen und auf dem von xxx dafür vorgesehenen technischen Weg zurückzuziehen. Zugrunde lagen diesem auf §§ 8, 3, 4 Nr. 4 UWG und auf §§ 826, 823 Abs. 2, 1004 BGB gestützten Verfügungsbegehren, dem das Landgericht mit Beschluss vom 22.09.2022 entsprochen hat, zwei von der Antragsgegnerin bei xxx eingereichte Beschwerden, mit denen die Antragsgegnerin geltend gemacht hatte, das von der Antragstellerin auf der Online-Plattform xxx angebotene Erzeugnis verletze ihr deutsches Patent DE xx xxx xxx xxx und mittelbar den Patentanspruch A1 ihres europäischen Patents EP xxx xxx xxx. Die Antragsgegnerin hatte sich damit gegenüber einem Dritten (xxx) berühmt, die Antragstellerin verletze mit dem von ihr auf der Online-Plattform xxx angebotenen Produkt „MX" zum einen das deutsche Patent DE xx xxx xxx und zum anderen mittelbar den deutschen Teil des europäischen Patents EP xxx xxx xxx der Antragsgegnerin. Dies hatte dazu geführt, dass xxx das Angebot dieses Produkt von seiner Handelsplattform entfernte. Mit ihrem Verfügungsantrag machte die Antragstellerin geltend, dass das von ihr angebotene Produkt weder den deutschen Teil des europäischen Patents EP xxx xxx xxx der Antragsgegnerin, auch nicht mittelbar dessen Patentanspruch A1, noch das deutsche Patent DE xx xxxx xxx xxx der Antragsgegnerin verletzt und nahm die Antragstellerin deshalb auf Unterlassung entsprechender Beschwerden gegenüber xxx und auf Rücknahme der eingereichten Beschwerden in Anspruch. Bei dem von der Antragstellerin eingeleiteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelte es sich damit um eine Patentstreitsache im Sinne des § 143 Abs. 1 PatG, weshalb auch die zuständige Patentstreitkammer beim Landgericht über den Verfügungsantrag der Antragstellerin entschieden hat.
8b)
9Die Antragstellerin hat dargetan und glaubhaft gemacht, dass Patentanwalt Dr. K. aus der Kanzlei B. an dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung „mitgewirkt“ hat. Die Mitwirkung ihres Patentanwalts hat die Antragstellerin auf der zweiten Seite ihres Antragschriftsatzes vom 21.09.2022 ausdrücklich angezeigt. Außerdem heißt es in dem Antragschriftsatz auf Seite 16 unter Randnummer 1.2, dass die Ausführungen unter l. 7, welche die Berühmungspatente und deren Nichtverletzung durch das von der Antragstellerin angebotene Produkt „MX" betreffen (Seiten 4 bis 17), von dem sachkundigen mitwirkenden Patentanwalt stammen. Die Antragstellerin hat ferner dargetan und glaubhaft gemacht, dass ihr Patentanwalt den Verfügungsantrag betreffend die Frage der Nichtverletzung der Patente der Antragsgegnerin vorbereitet und seine diesbezüglichen Ausführungen/Erläuterungen ihrem Verfahrensbevollmächtigten zur Verfügung gestellt hat (vgl. Anlage AS 10). Außerdem hat die Antragstellerin dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihr Patentanwalt den von dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erstellten Entwurf des Verfügungsantrags vor Einreichung bei Gericht durchgesehen und noch (minimale) Änderungen vorgenommen hat (vgl. Anlage AS 11), so dass der Antrag vor seiner Einreichung bei Gericht zwischen dem Rechtsanwalt und dem Patentanwalt der Antragstellerin abgestimmt worden ist.
102.Damit steht allerdings noch nicht fest, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin die durch die Mitwirkung des Patentanwalts der Antragstellerin angefallenen Kosten nach § 143 Abs. 3 PatG zu erstatten hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann an dem bisherigen Verständnis des § 143 Abs. 3 PatG, nach dem bezüglich der Kosten für die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Patentstreitsache nicht zu prüfen war, ob die Mitwirkung des Patentanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendig war, angesichts des Urteils des EuGH vom 28.04.2022 (C-531/20, GRUR 2022, 853 – NovaText/Universität Heidelberg [Kosten des Patentanwalts VI]) nicht festgehalten werden (Senat, Beschl. v. 13.07.2022 – I-15 W 15/22, GRUR 2022, 1384 (Ls.) = GRUR-RR 2022, 356 – Patentanwaltskosten). § 143 Abs. 3 PatG ist unionskonform dahingehend auszulegen, dass unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls die Prüfung eröffnet ist, ob die der obsiegenden Partei entstandenen Patentanwaltskosten zumutbar und angemessen sind (Senat, GRUR-RR 2022, 356 Rn. 17– Patentanwaltskosten; ebenso: OLG Düsseldorf [2. ZS], GRUR-RS 2023, 15813 Rn. 2 – Patentanwaltskosten II; OLG Saarbrücken, GRUR 2023, 1059 Rn. 93 ff. (97) = GRUR-RS 2023, 6905 – Patentanwaltskosten [zu § 27 Abs. 3 GebrMG]; Benkard PatG/Grabinski/Zülch/Tochtermann, a.a.O., PatG § 143 Rn. 23; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Kap. B Rn. 401). Die Zumutbarkeit der entstandenen Kosten beurteilt sich anhand der zu § 91 ZPO entwickelten Grundsätze (Senat, GRUR-RR 2022, 356 Rn. 18 – Patentanwaltskosten; OLG Düsseldorf [2. ZS], GRUR-RS 2023, 15813 Rn. 2 – Patentanwaltskosten II; OLG Saarbrücken, GRUR 2023, 1059 Rn. 98 – Patentanwaltskosten [zu § 27 Abs. 3 GebrMG]). Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Beurteilung, ob Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder -rechtsverteidigung notwendig waren, hat sich hierbei daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte (BGH, NJW-RR 2005, 725, 726 mwN; GRUR 2005, 271 – Unterbevollmächtigter III; GRUR 2017, 854 Rn. 12 – Anwaltskosten im Gestattungsverfahren; NJW 2018, 1693 R. 10; NJW 2019, 2695 Rn. 9). Maßgeblich ist demnach auch im Rahmen des § 143 Abs. 3 PatG, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die die Kosten auslösende Maßnahme (hier: Hinzuziehung eines Patentanwalts) in dem damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte (Senat, GRUR-RR 2022, 356 Rn. 18 – Patentanwaltskosten; OLG Düsseldorf [2. ZS], GRUR-RS 2023, 15813 Rn. 2 – Patentanwaltskosten II; OLG Saarbrücken, GRUR 2023, 1059 Rn. 98 – Patentanwaltskosten). Die Kostentragung einer in diesem Sinne notwendigen Maßnahme ist der unterlegenen Partei unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Art. 3 und 14 RL 2004/48/EG (Enforcement-Richtlinie) zumutbar (Senat, GRUR-RR 2022, 356 Rn. 18). In Übereinstimmung hiermit hat zwischenzeitlich auch der Bundesgerichtshof – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – zu der dem § 143 Abs. 3 PatG entsprechenden Vorschrift des § 140 Abs. 3 MarkenG entschieden, dass diese Vorschrift mit Blick auf Art. 3 und Art. 14 RL 2004/48/EG dahingehend richtlinienkonform auszulegen ist, dass nur die Kosten der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder -rechtsverteidigung notwendigen patentanwaltlichen Mitwirkung erstattungsfähig sind (BGH, Beschl. v. 13.10.2022 – I ZB 59/19, GRUR 2023, 446 – Kosten des Patentanwalts VII).
113.In einer Patentstreitsache besteht eine solche Notwendigkeit in der Regel jedenfalls dann, wenn ein technischer Sachverhalt in patentrechtlichem Zusammenhang zu beurteilen ist (Benkard PatG/Grabinski/Zülch/Tochtermann, a.a.O., PatG § 143 Rn. 23). Denn eine solche Beurteilung erfordert regelmäßig eine spezielle technische und patentrechtliche Sachkunde, die aufgrund seiner technischen oder naturwissenschaftlichen sowie patentanwaltlichen Qualifikation nur der Patentanwalt mitbringt, nicht aber der die Partei als Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigter ohnehin vertretende Rechtsanwalt. In patentrechtlichen Verletzungssachverhalten ist die Hinzuziehung eines Patentanwalts daher in aller Regel für eine zweckentsprechende, erfolgsversprechende Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, a.a.O., Kap. B Rn. 401). Eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei, die die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen darf (BGH, NJW-RR 2005, 725, 726; NJW 2012, 1370 Rn. 13; NJW 2013, 1823 Rn. 5; GRUR 2017, 854 Rn. 12 – Anwaltskosten im Gestattungsverfahren; NJW 2018, 1693 Rn. 10), darf die Hinzuziehung eines Patentanwalts hier regelmäßig als sachdienlich ansehen.
12Patentstreitsachen können sich insoweit von Markenstreitsachen unterscheiden, in denen die von einem hinzugezogenen Patentanwalt vorgenommene Tätigkeit nicht selten in der rein rechtlichen Beurteilung eines nichttechnischen Sachverhalts liegt, die gleichermaßen auch von dem rechtsanwaltlichen Vertreter der Partei wahrgenommen werden kann (vgl. Benkard PatG/Grabinski/Zülch/Tochtermann, a.a.O., PatG § 143 Rn. 23). Hingegen treten in Patentstreitsachen regelmäßig technische Fragestellungen auf. Zu deren Klärung ist die Mitwirkung eines Patentanwalts grundsätzlich notwendig (BeckOK PatR/Kircher, 28. Ed. 15.04.2023, PatG § 143 Rn. 35). Etwas anderes kann gelten, wenn es in einer Patentstreitsache ausschließlich um eine reine Rechtsfrage geht. So ist die Mitwirkung eines Patentanwalts beispielsweise regelmäßig nicht notwendig, wenn es allein um die Frage geht, ob eine Ausführungsform in den Kernbereich eines zuvor ergangenen Patentverletzungsurteils fällt (Senat, GRUR-RR 2022, 356 – Patentanwaltskosten). Ebenso ist die Mitwirkung eines Patentanwalts nicht erforderlich, wenn das Klagepatent rechtskräftig vollständig und mit Rückwirkung widerrufen worden ist und im daraufhin eingeleiteten Restitutionsverfahren keine technischen Fragestellungen mehr auftauchen können, die die sinnvolle Mitwirkung eines Patentanwalts neben den als Prozessbevollmächtigten mandatierten Rechtsanwälten rechtfertigen können (OLG Düsseldorf [2. ZS], GRUR-RS 2023, 15813 Rn. 2 – Patentanwaltskosten II).
13Liegt hingegen eine Patentstreitsache vor, in der ein technischer Sachverhalt in patentrechtlichem Zusammenhang zu beurteilen ist, insbesondere die Frage, ob eine bestimmte technische Ausgestaltung von der technischen Lehre eines Patents Gebrauch macht, ist die Hinzuziehung eines Patentanwalts in der Regel im vorstehenden Sinne notwendig. Das gilt nicht nur für einen Patentverletzungsrechtsstreit, in dem die Parteien als Verletzungskläger und Verletzungsbeklagter über die Verletzung und/oder den Rechtsbestand eines Patents streiten, sondern auch für andere Patentstreitsachen, in denen es um die Beurteilung eines technischen Sachverhalts in patentrechtlichem Zusammenhang geht.
144.Hiervon ausgehend war im Streitfall die Mitwirkung des Patentanwalts der Antragstellerin an dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin notwendig im vorstehenden Sinne.
15Zwar machte die Antragstellerin in dem Verfügungsverfahren einen auf eine wettbewerbsrechtliche und/oder deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützten Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch geltend. Dieser Verfügungsanspruch hing jedoch – was die Rechtspflegerin übersehen hat – davon ab, ob das von der Antragstellerin angebotene Erzeugnis die Berühmungspatente der Antragsgegnerin nicht unmittelbar bzw. mittelbar verletzt. In dem zugrundeliegenden Verfügungsverfahren der Parteien ging es damit auch und gerade um die Frage der Verletzung bzw. Nichtverletzung zweier Patente durch eine bestimmte technische Ausgestaltung und damit um die Beurteilung eines technischen Sachverhalts in patentrechtlichem Zusammenhang. Um die Nichtverletzung der von der Antragstellerin gegenüber xxx angeführten Patente im Einzelnen nachvollziehbar darzutun und gegenüber dem Gericht deren Nichtverletzung glaubhaft zu machen, durfte es die Antragstellerin hier im Zeitpunkt der Einleitung des Verfügungsverfahrens für erforderlich halten, einen Patentanwalt mit der Mitwirkung zu beauftragen. Das gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin vorprozessual ihrerseits einen Patentanwalt beauftragt hatte, der auf die Abmahnung der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin noch ausgeführt hatte, dass „an der mittelbaren Verletzung der europäischen Patente kein Zweifel bestehen“ könne, „was im Anschluss an ausführliche Erläuterungen gegenüber der Rechtsabteilung von xxx schließlich von der Rechtsabteilung auch so gesehen worden“ sei (Anlage AS09, LG-Anlagenband ASt). Da die behauptete Patentverletzung von dem Patentanwalt der Antragsgegnerin nicht näher begründet worden war, war für die Antragstellerin zu Beginn des Verfahrens nicht sicher vorhersehbar, welche technischen und patentrechtlichen Argumente die Antragsgegnerin für die von ihr behauptete Patentverletzung im Verfahren anführen würde. Daher war es für die Antragstellerin hier auch im Sinne des Beschreitens des sichersten Wegs sinnvoll, einen Patentanwalt zu beauftragen, der ihr mit seinem Spezialwissen und technischen Sachverstand beratend zur Seite steht.
165.
17Damit sind die durch die Mitwirkung des Patentanwalts der Antragstellerin entstandenen Kosten nach § 143 Abs. 3 PatG in Höhe der dem Rechtsanwalt nach § 13 RVG i.V.m. dem Vergütungsverzeichnis erwachsenen Gebühren zu erstatten. Für die Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren entsteht in der Eingangsinstanz eine1,3-fache Gebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Deren Festsetzung hat die Antragstellerin hier beantragt. Die Verfahrensgebühr beläuft sich unter Zugrundelegung des vom Landgericht festgesetzten Streitwerts auf 2.151,50 EUR. Hinzu kommt die angemeldete Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20 EUR. In entsprechender Anwendung von Nr. 7001 VV RVG sind Entgelte des Patentanwalts für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in einer Patentstreitsache regelmäßig in voller Höhe erstattungsfähig, wobei anstelle der tatsächlichen Auslagen die Pauschale in Höhe von 20 % der Gebühren bis zu höchstens 20 Euro nach Nr. 7002 VV RVG gewählt werden kann (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.08.2017 – 2 W 14/17, GRUR-RS 2017, 125977 Rn. 19 – Patentanwaltskosten; Benkard PatG/Grabinski/Zülch/Tochtermann, a.a.O., PatG § 143 Rn. 26).
186.Über den vom Landgericht festgesetzten Betrag von 2.188,75 EUR kann die Antragstellerin damit die Erstattung weiterer 2.171,50 EUR von der Antragsgegnerin verlangen. Insgesamt belaufen sich die von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten damit auf 4.360,25 EUR
197.Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
20Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht gegeben sind.
21XZ1 XZ2 Dr. XZ3