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Die Erhebung einer Teilklage durch den Insolvenzverwalter ist nicht als mutwillig i.S.d. § 114 Abs. 2 ZPO anzusehen, wenn dieser nachvollziehbare Sachgründe dafür vorbringt, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichtet (Anschluss an BGH, Beschl. v. 06.12.2010 - II ZB 13/09 Rn. 5 ff.).
Ist Gegenstand der beabsichtigten Rechtsverfolgung ein Anspruch auf Ersatz verschiedener, in einem bestimmten Zeitraum vom Geschäftsführer veranlasster Zahlungen i.S.d. § 64 GmbHG a.F., liegt keine Teilklage vor, wenn daneben wegen anderer Zahlungen noch weitere Ersatzansprüche in Betracht kommen. Da jede einzelne Zahlung - bei Vorliegen der Voraussetzungen - einen Ersatzanspruch i.S.d. § 64 GmbHG a.F. auslöst, sind die hieraus resultierenden Ansprüche prozessual selbständig und nicht nur unselbständige Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs. Daher bedarf die Beschränkung mehrerer Ansprüche auf einzelne keiner weiteren sachlichen Rechtfertigung.
Für das Prozess- und Vollstreckungsrisiko ist – ohne anderweitige Anhaltspunkte – regelmäßig ein Abschlag i.H.v. 30 % vorzunehmen.
Bei der Prognose der voraussichtlichen Verfahrenskosten ist es allein sachgerecht, auf die gesetzliche Regelvergütung einschließlich der vorgesehenen Auslagen abzustellen, weil die Berechtigung von Zu- und Abschlägen nach § 3 InsVV erst bei der Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht geprüft wird.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 20.04.2023 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 07.04.2023 (Az. 7 O 111/22) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 26.04.2023 wird zurückgewiesen.
I.
2Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH (Schuldnerin), das aufgrund eines am 19.07.2021 bei Gericht eingegangenen Eigenantrags durch Beschluss des Amtsgerichts Duisburg am 18.03.2022 eröffnet wurde (Anl. K 1). Unter dem 31.10.2022 hat er zunächst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage beantragt, mit der er beabsichtigt, den Geschäftsführer der Schuldnerin unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführerhaftung gem. § 64 S. 1 GmbHG a.F auf Zahlung von 252.278,40 € - Auszahlungen in der Zeit vom 01.11.2017 bis zum 31.01.2018 von dem Geschäftskonto der Schuldnerin – zzgl. Zinsen seit Rechtshängigkeit in Anspruch zu nehmen. Nach einem gerichtlichen Hinweis, dass die Voraussetzungen zur Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht seien, aktualisierte der Antragsteller unter dem 31.03.2023 seinen Antrag dahingehend, dass er eine Klage nur noch i.H.v. 207.557,16 € - Auszahlungen in der Zeit bis zum 02.01.2018 von dem Geschäftskonto der Schuldnerin - nebst Zinsen beabsichtige.
3Der Antragsteller hat unter Vorlage einer Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse, alternativ angeführten Gerichtskosten und Verwaltervergütung sowie eines Auszugs aus der Insolvenztabelle geltend gemacht, die Prozesskosten i.H.v. 13.375,03 € könnten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden. Auf dem Insolvenzanderkonto bestünde kein Guthaben.
4Den wirtschaftlich Beteiligten sei die Aufbringung der Prozesskosten nicht zumutbar (§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO). Unter Berücksichtigung eines Prozess- und Vollstreckungsrisikos von 40 % erhöhe sich die Masse auf …. €. Von dieser seien in Abzug zu bringen die dann zu berücksichtigenden Kosten des Insolvenzverfahrens i.H.v. …. € (Gerichtskosten … €, Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters i.H.v. ….. € sowie Insolvenzverwaltervergütung i.H.v. …. €), die Altmasseverbindlichkeiten - Auslagen für Zustellungen - i.H.v. …. € sowie Eventualverbindlichkeiten für die Aufstellung einer Insolvenzbuchhaltung und von Jahresabschlüssen i.H.v. …. €, die als Neumasseverbindlichkeiten zu berücksichtigen seien, so dass eine Restmasse i.H.v. …. € verbleibe. Die sich daraus errechnende Quotenerhöhung für die Gläubiger, deren Forderungen i.H.v. ….. € zur Insolvenztabelle festgestellt worden seien, ergebe nicht, dass sie das Doppelte der von ihnen jeweils einzusetzenden Prozesskosten erhalten würden, so dass sie nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vorschusspflichtig i.S.d. § 116 ZPO seien.
5Ein Prozessrisiko von 20 % sei angemessen; zwar liege kein vollständiges Belegwesen, aber mittlerweile eine vollständige Buchhaltung vor. Das Vollstreckungsrisiko sei mit 25 % angemessen, weil der Antragsgegner seinen Wohnsitz in Spanien unterhalte. Dies könne möglicherweise eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung beeinträchtigen; ungewiss sei, ob Zugriff auf Vermögenswerte im Inland genommen werden könne.
6Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe nicht dargetan, dass die Finanzierung der Prozesskosten den Insolvenzgläubigern gem. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO nicht zuzumuten sei. Die Berechnungen des Antragstellers und die diesen zugrunde liegenden Grundlagen könnten bereits nicht nachvollzogen werden. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei ferner mutwillig, weil in dem aktualisierten Antrag ein Prozesskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Teilklage zu sehen sei. Der die Darlegungslast für sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen tragende Insolvenzverwalter habe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nachvollziehbare Sachgründe dafür vorzubringen, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichte. Solche habe der Antragsteller nicht dargelegt; soweit er „seinen Antrag den Anforderungen des Gerichts entsprechend angepasst“ habe, sei dies weder hinreichend nachvollziehbar noch ausreichend.
7Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Er meint die Einschätzung des Landgerichts, es handle sich um eine Teilklage, sei unzutreffend. Eine solche liege nur vor, wenn von einem einheitlichen Anspruch lediglich ein Teil geltend gemacht werde. Tatsächlich aber führten einzelne Zahlungsbewegungen auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin zu Auszahlungen aus ihrem Vermögen und somit zu Haftungsansprüchen gegen den Geschäftsführer. Eine Teilklage liege nur vor, wenn von einem Haftungsanspruch aus einer Zahlungsbewegung auf dem Geschäftskonto nur ein Teilbetrag geltend gemacht würde, was erkennbar nicht der Fall sei. Soweit das Landgericht seine Angaben als nicht nachvollziehbar gerügt hat, erläutert er diese und ergänzt sein Vorbringen insbesondere zu seiner in Ansatz gebrachten Vergütung für das Insolvenzverfahren, die seines Erachtens durch Zuschläge in Höhe von 80 % zu erhöhen sei, weil sich das Verfahren durch eine besonders hohe Zahl von Gläubigern, komplizierte gesellschaftsrechtliche Verhältnisse, dem Sitz des Geschäftsführers im Ausland, des besonders stark obstruktiven Verhaltens des Geschäftsführers, der besonders komplizierten Ermittlungen aufgrund einer vorliegenden Kriminalinsolvenz und aufgrund des Fehlens einer belastbaren Buchhaltung auszeichne.
8Mit Beschluss vom 26.04.2023 hat es das Landgericht abgelehnt, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen und die Sache dem Senat vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller habe nach wie vor die Bedürftigkeit der Masse nicht hinreichend dargetan. Unabhängig davon sei die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung aber auch mutwillig, denn entgegen seiner Auffassung liege eine Teilklage vor.
9II.
10Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte, auf § 64 S. 1 GmbHG a.F. gestützte Klage auf Erstattung der im Zeitraum vom 01.11.2017 bis 02.01.2018 vom Geschäftskonto der Schuldnerin ausgezahlten Beträge i.H.v. insges. 207.557,16 € versagt.
111. Allerdings ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht mutwillig. Nach § 116 S. 1 Nr. 1, S. 2 i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1, letzter HS ZPO erhält der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen, und außerdem die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Mutwilligkeit liegt nach der Legaldefinition in § 114 Abs. 2 ZPO vor, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
121.1. Mutwilligkeit der beabsichtigten Prozessführung kann hier nicht mit der Begründung bejaht werden, der Antragsteller habe keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorgebracht, warum er lediglich eine Teilklage erheben und auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichten wolle. Der Begriff der Mutwilligkeit in § 114 Abs. 2 ZPO knüpft an die Rechtsprechung an, wonach der Staat nicht einen Prozess finanzieren soll, wenn eine selbstzahlende Person, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt, diesen Prozess nicht führen würde. Beurteilungsmaßstab für die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung ist das fiktive Vorgehen eines nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesenen, verständigen, sich an den wohlverstandenen Interessen der Gläubigergemeinschaft orientierenden Verwalters (BGH, Beschl. v. 26.04.2018 - IX ZB 29/17, NZI 2018, 581, 583 Rn. 21; v. 06.12.2010 - II ZB 13/09, NZI 2011, 104, 105 Rn. 8). Allein die Erhebung einer Teilklage durch den Insolvenzverwalter als solche ist noch nicht als mutwillig i.S.d. § 114 ZPO anzusehen, denn ein Zwang zur Geltendmachung der Gesamtforderung findet im Gesetz keine Stütze. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Insolvenzverwalter aber nachvollziehbare Sachgründe dafür vorzubringen, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichtet (BGH, Beschl. v. 06.12.2010, aaO Rn. 5 ff.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.08.2011 – 9 W 13/11, ZIP 2011, 494, 495, juris Rn. 34; MüKoZPO/Wache, 6. Aufl., § 114 Rn. 71; MüKoInsO/Ganter/Bruns, 4. Aufl., § 4 Rn. 22; Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 80 Rn. 223; M. Huber in: Graf-Schlicker, InsO, 6. Aufl., § 143 Rn. 16; HK-InsO/Thole, 11. Aufl., § 129 Rn. 130; Pape, ZIP 2022, 2409, 2416).
13Diese Grundsätze greifen hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht. Denn der Antragsteller beabsichtigt nicht die Erhebung einer Teilklage, also die Geltendmachung eines Teils eines teilbaren Anspruchs oder eines Teilbetrags aus mehreren prozessual selbständigen Ansprüchen (vgl. dazu z.B. BGH, Urt. v. 07.05.2015 – IX ZR 95/14, NZI 2015, 717, 719 f. Rn. 28 f.). Vielmehr ist sein Klagebegehren auf den Ersatz konkreter Zahlungen im Zeitraum vom 01.11.2017 bis 02.01.2018 i.H.v. insgesamt 207.557,16 € gerichtet (Aufstellung Schriftsatz v. 31.03.2023, Bl. 6-14 LG PKH). Das stellt keine Teilklage dar, weil jede einzelne Zahlung – bei Vorliegen der Voraussetzungen – einen Ersatzanspruch nach § 64 S. 1 GmbHG a.F. auslösen kann. Der Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG a.F. entsteht jeweils mit der die Masse schmälernden Zahlung (BGH, Urt. v. 16.03.2009 - II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 Rn. 20). In dem mit ihr verbundenen Abfluss von Mitteln aus der im Stadium der Insolvenzreife der Gesellschaft zugunsten der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhaltenden Vermögensmasse liegt bereits der "Schaden", da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist (BGH, Urt. v. 08.05.2018 - II ZR 314/16, WM 2018, 2052 Rn. 15 m.w.N.). Der Kläger verfolgt daher mehrere selbstständige Ansprüche und nicht nur unselbstständige Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs, so dass die jeweils aus einer Auszahlung resultierenden Ansprüche prozessual selbständig sind (BGH, Urt. v. 11.02.2020 - II ZR 427/18 , ZIP 2020, 666 Rn. 29; v. 08.05.2018, aaO). Wegen der rechtlichen Selbständigkeit der Ansprüche kann es keinesfalls als mutwillig angesehen werden, dass der Antragsteller nur Ansprüche aus dem Zeitraum bis zum 02.01.2018 geltend macht, selbst wenn im Wege der Klagehäufung die Ansprüche wegen weiterer Zahlungen u.U. kostengünstiger geltend gemacht werden könnten. Anders als bei der Geltendmachung nur eines Teils eines einheitlichen Anspruchs oder mehrerer selbständiger Ansprüche bedarf die Beschränkung mehrerer Ansprüche auf einzelne schon keiner weiteren sachlichen Rechtfertigung (a.A. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 17.05.2022 - 5 W 24/22, ZInsO 2022, 1915).
141.2. Die beabsichtigte Klage ist auch nicht deshalb mutwillig, weil nach den Ausführungen des Antragstellers zur Begründung des PKH-Antrags die Insolvenzmasse die Kosten des Insolvenzverfahrens nicht deckt, also Massekostenarmut (§ 207 Abs. 1 S. 1 InsO) vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Kläger bei Massekostenarmut nur dann keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn die Durchsetzung eines Anspruchs nicht dazu geeignet ist, die Massekostenarmut zu beseitigen (BGH, Beschl. v. 12.11.2015 – IX ZB 82/14, juris Rn. 4; v. 04.07.2013 – IX ZB 66/12, juris Rn. 9; v. 22.11.2012 − IX ZB 62/12, NZI 2013, 79 Rn. 9 f.). Daraus folgt im Gegenschluss, dass Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, sofern die Massekostenarmut infolge der Durchführung des Rechtsstreits, für den Prozesskostenhilfe beantragt wird, beseitigt werden kann (BGH, Beschl. v. 22.11.2012, aaO). Letzteres ist - wie noch ausgeführt wird - hier der Fall, da nach Deckung der – berechtigt in Ansatz zu bringenden – Kosten des Verfahrens ein Betrag zur Verteilung an die Gläubiger verbleibt.
152. Nach den Angaben des Antragstellers können die Prozesskosten aus der verwalteten Masse nicht aufgebracht werden. Danach existiert kein liquides Vermögen der Insolvenzmasse, aus dem die nach dem Streitwert zu berechnenden Kosten des Rechtsstreits aufgebracht werden können (vgl. Hees/Freitag, NZI 2017, 377, 378). Diese belaufen sich - ausgehend von dem Streitwert i.H.v. 207.557,16 € - auf 12.254,50 € (Gerichtskosten i.H.v. 6.357 € sowie Rechtsanwaltskosten i.H.v. netto 5.897,50 € (Verfahrens- und Terminsgebühr zzgl. Auslagen)). Umsatzsteuer ist auf die Anwaltsvergütung nicht aufzuschlagen (BGH, Beschl. v. 19.05.2015 – II ZR 263/14, Rn. 7; Hees/Freitag, NZI 2017, 377, 383).
163. Der Antragsteller hat jedoch nicht dargelegt (§ 118 Abs. 2 S. 1 ZPO), dass den wirtschaftlich Beteiligten die Aufbringung der Prozesskosten unzumutbar ist.
173.1. Die Regelung des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO soll sicherstellen, dass Prozesskostenhilfe nur gewährt wird, wenn die Kosten nicht von den Vermögensträgern aufgebracht werden können, denen ein Erfolg des beabsichtigten Rechtsstreits zugutekommt. Bei einem vom Insolvenzverwalter zugunsten der Insolvenzmasse geführten Rechtsstreit sind dies in der Regel vor allem die Insolvenzgläubiger, die bei einem erfolgreichen Ausgang des Rechtsstreits mit einer verbesserten Befriedigung ihrer Ansprüche aus der zur Verteilung zur Verfügung stehenden Masse rechnen und deshalb als wirtschaftlich Beteiligte gelten können (BGH, Beschl. v. 28.03.2019 – IX ZA 8/18, ZIP 2019, 1486 Rn. 4, juris).
18Für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist eine wertende Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls erforderlich. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Verfahrenskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei dem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten. Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Verfahrens- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (st. Rspr., zuletzt BGH, Beschl. v. 18.07.2019 – IX ZB 57/18, Rn. 7; v. 19.07.2018 – IX ZB 24/16, Rn. 8 f.; v. 26.04.2018 – IX ZB 29/17, Rn. 7; v. 03.05.2017 - IX ZB 63/16, Rn. 2; v. 21.02.2017 – II ZR 59/16, Rn. 2, alle juris).
19Dabei ist regelmäßig eine dreistufige Prüfung vorzunehmen (vgl. nur: Hees/Freitag, aaO; Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 116 Rn. 15 m.w.N.):
20(1) Zunächst sind grundsätzlich aus dem Kreis der am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten die Gläubiger zu bestimmen, denen es aus persönlichen und finanziellen Gründen zuzumuten ist, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen. Nachdem dies feststeht, sind die aufzubringenden Kosten zu berechnen und ist die Kostenlast verhältnismäßig auf diese Gläubiger zu verteilen. Sie müssen sämtliche Kosten vorschießen, auch diejenigen, die dem Anteil der Gläubiger entsprechen, welche keine Kosten aufzubringen brauchen. (2) Sodann ist der Vorteil für den jeweiligen Gläubiger zu ermitteln. Dabei ist zunächst festzustellen, in welchem Umfang sich die Insolvenzquote durch die Vereinnahmung der Klageforderung erhöhen würde. Der Wert der Klageforderung ist um einen Risikoabschlag zu vermindern, wenn Prozess- und Beitreibungsrisiken bestehen (BGH, Beschl. v. 26.04.2018 - IX ZB 29/17, Rn. 15 ff. m.w.N.). Anhand der neuen Insolvenzquote ist eine fiktive Verteilung durchzuführen. (3) Die Zumutbarkeit ergibt sich sodann durch einen Vergleich der zu erwartenden Kostenbelastung und des erwarteten Vorteils. Nur soweit die so ermittelten Beträge die aufzubringenden Kostenanteile erheblich übersteigen, ist die Kostenaufbringung zumutbar. Ein festes Verhältnis besteht dabei nicht (BGH, Beschl. v. 26.04.2018 – IX ZB 29/17, Rn. 8 f.). Regelmäßig ist Insolvenzgläubigern eine Kostenaufbringung aber nicht zuzumuten, wenn ihr Vorteil nicht deutlich mehr als das Doppelte der aufzubringenden Kosten beträgt (BGH, Beschl. v. 18.07.2019 – IX ZB 57/18, Rn. 12; v. 19.07.2018 - IX ZB 24/16, Rn. 9; Senat, Beschl. v. 04.10.2018 – I-12 W 12/18, Rn. 9; OLG Köln, Beschl. v. 14.08.2019 – I- 7 W 29/19, Rn. 3, sämtl. juris).
21Die insoweit erforderlichen Anknüpfungstatsachen sind vom Antragsteller dazulegen. Für eine Partei kraft Amtes, deren Antrag nach § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO zu beurteilen ist, gilt zwar kein Formularzwang. Auch sie ist aber verpflichtet, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO darzulegen und auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.2016 – II ZR 319/15, Rn. 2, juris). Dies betrifft insbesondere die Umstände, derentwegen den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten eine Prozessfinanzierung nicht zumutbar ist (BGH, Beschl. v. 28.03.2019 – IX ZA 8/18, aaO m.w.N.). Insoweit hat das Landgericht allerdings die an den Sachvortrag zu stellenden Anforderungen überspannt und keine ins Einzelne gehende Sachprüfung anhand der ihm von Seiten des Antragstellers unterbreiteten Antragsunterlagen vorgenommen.
223.2. Vor diesem Hintergrund hat der Senat unter Zugrundelegung der Angaben des Antragstellers zunächst geprüft, welcher Betrag der Insolvenzmasse im Falle der erfolgreichen Prozessführung voraussichtlich zufließt. Dabei sind - was der Antragsteller nicht berücksichtigt hat - auch miteingeklagte Nebenforderungen wie Zinsen auf die Hauptforderung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 09.10.2014 – IX ZA 12/13, Rn. 3 f., juris). In Ansatz zu bringen ist die Hauptforderung i.H.v. 207.557,16 € zzgl. eines Zinsanspruchs i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit bis zur Beendigung des Verfahrens, die der Senat nach etwa 12 Monaten ab Zustellung der Klage annimmt, mit rund weiteren 13.796 €, so dass sich ein Betrag von rd. 221.353 € ergibt.
23Der Antragsteller selbst setzt ein Prozess- und Vollstreckungsrisiko in Höhe von 40 % an. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ohne anderweitige Anhaltspunkte in der Regel ein Abschlag für das Prozess- und Vollstreckungsrisiko in Höhe von 30 % vorzunehmen (vgl. Senat, Beschl. v. 27.02.2020 – I-12 W 2/20). Mit Blick auf das noch nicht vollständig vorliegende Belegwesen und den Umstand, dass der Antragsgegner seinen Wohnsitz ins Ausland, auf die Balearen, verlegt hat, erscheint ein Abschlag in Höhe von jedenfalls 40% unter Zurückstellung von Bedenken noch vertretbar. Im Falle des Erfolgs der Klage ergäbe sich dann ein Zufluss zur Insolvenzmasse von rd. 132.812 €.
24In Abzug zu bringen sind die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) - insbesondere die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters -, die ausgehend von der Höhe der Insolvenzmasse zu berechnen sind. Letztere beläuft sich auf rd. ….. €. Ausgehend davon können die in Abzug zu bringenden Kosten des Insolvenzverfahrens allerdings entgegen der Berechnung des Antragstellers nur mit …. € in Ansatz gebracht werden (Gerichtskosten …. €, d.h. 3,5 Gebühren gem. Ziff. 2310, 2330 Anl. I zum GKG; Verwalterkosten: Vergütung des vorl. Insolvenzverwalters …. € (Anl. SB 2); (Regel-) Vergütung des Insolvenzverwalters …. €, Auslagenpauschale …. €, (jew. zzgl. USt. gem. §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1-3, § 7, § 8 Abs. 3 InsVV)). Bei der Prognose der voraussichtlichen Verfahrenskosten im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist es allein sachgerecht, auf die gesetzliche Regelvergütung einschließlich der vorgesehenen Auslagen abzustellen, weil im derzeitigen Stadium des Verfahrens eine präzise Vergütungsberechnung, insbesondere unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen nach § 3 InsVV nahezu ausgeschlossen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 06.01.2022 – I-12 W 16/21, juris Rn. 5; MüKoInsO/Hefermehl, aaO, § 207 Rn. 25). Schon von daher ist für den Ansatz eines vom Antragsteller geltend gemachten Zuschlags zur Regelvergütung i.H.v. 80 % „wegen einer besonders hohen Zahl von Gläubigern, komplizierten gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen, dem Sitz des Geschäftsführers im Ausland, seines besonders stark obstruktiven Verhaltens, der besonders komplizierten Ermittlungen aufgrund einer vorlegenden Kriminalinsolvenz und des Fehlens einer belastbaren Buchhaltung“ kein Raum. Ob und ggfs. in welcher Höhe die geltend gemachten Erschwerungen überhaupt in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind oder sie nicht vielmehr dem normalen Erscheinungsbild in einer Vielzahl von Verfahren entsprechen, wird (erst) das Insolvenzgericht nach entsprechend differenziertem Sachvortrag im Rahmen der Begründung zur Vergütungsfestsetzung zu prüfen haben (vgl. nur: Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl., § 3 Rn. 1 ff., 68, 70, 77, 83, 91).
25In Abzug zu bringen sind weiter die geltend gemachten Auslagen der Kanzlei i.H.v. ….. € (§ 55 InsO, § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV). Nicht jedoch die pauschal und ohne jegliche Konkretisierung als Neumasseverbindlichkeiten in Ansatz gebrachten Eventualverbindlichkeiten für die Aufstellung einer Insolvenzbuchhaltung und Jahresabschlüssen.
26Nach Abzug dieser Positionen verbliebe demnach eine zu verteilende Masse i.H.v. rd. ….. €.
27Ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Insolvenztabelle (Anl. 2) wurden Forderungen i.H.v. insges. …… zur Tabelle festgestellt, dabei machen die der vier größten Gläubiger mit einem Anteil an den Forderungen von jeweils 10 % oder mehr – N. M. (Nr. 38: 18,72 %), B.C. (Nr. 134, 135: 10 %), J.N. (Nr. 189: 11,89 %) und V.B. (Nr. 251-255: 23,91 %) – insges. einen Anteil von 64,52 % aus, so dass ihnen aus der zu verteilenden Masse ein Betrag von rd. 40.484 € zufließen würde.
28Hätten sie die Prozesskosten i.H.v. 12.254,50 € aufzubringen, betrüge ihr aus der Prozessführung erzielbarer Ertrag damit mehr als das 3-fache der aufzubringenden Prozesskosten. Damit läge ein deutlich größerer Nutzen vor, denn ein solcher wird regelmäßig bei einem deutlich mehr als doppelten Betrag gegenüber den aufzubringenden Prozesskosten angenommen (BGH, Beschl. v. 28.01.2022 – IX ZR 145/21 Rn. 6; v. 04.03.2021 – IX ZB 17/20, Rn. 16; 18.07.2019 – IX ZB 57/18, Rn. 12; v. 26.04.2018 – IX ZB 29/17, Rn. 12; v. 03.05.2017 – IX ZB 63/16, Rn. 3; v. 16.09.2015 – VIII ZR 17/15, Rn. 6, sämtl. juris; Zöller/Schultzky, aaO Rn. 14; Hees/Freitag, NZI 2017, 377, 383).
29III.
30Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).