Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1.Der Angeklagte B. wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
acht Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Im Übrigen wird er freigesprochen.
2.Der Angeklagte C. wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von
drei Jahren und acht Monaten
verurteilt.
3.Der Angeklagte A. wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von
sechs Jahren und acht Monaten
verurteilt.
4.Der Angeklagte E. wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Patronenmunition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
neun Jahren und sechs Monaten
verurteilt.
5.Der Angeklagte F. wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von
vier Jahren und neun Monaten
verurteilt.
6.Die in dieser Sache vom 29. April 2020 bis 3. August 2020 erlittene Auslieferungshaft des Angeklagten F. in Albanien wird im Maßstab von 1:2 auf die gegen ihn erkannte Freiheitsstrafe angerechnet.
7.Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens. Soweit der Angeklagte B. freigesprochen wurde, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten B. der Staatskasse zur Last.
Angewendete Vorschriften:
§§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1, 52, 53 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG i.V.m. Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013.
§§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1, 52 StGB.
§§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1, 52 StGB.
§§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Variante 2, 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1, 52, 53 StGB, §§ 2 Abs. 2, 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Variante 1 und 2, Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b Variante 2 WaffG.
§§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1, 52 StGB.
Gründe
Gegenstand dieses Urteils ist die mitgliedschaftliche Beteiligung der Angeklagten an der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (im Folgenden: IS).
3Die Angeklagten beteiligten sich mit weiteren tadschikischstämmigen Beschuldigten in Deutschland an einer Zelle der terroristischen Vereinigung IS. Angetrieben von ihrer radikalislamischen Gesinnung verfolgten die Angeklagten das Ziel, den Jihad mit Mitteln des bewaffneten Kampfes auf Seiten des IS aufzunehmen.
4Der Angeklagte A. hatte sich bereits im Vorfeld der Zellengründung ab Januar 2018 durch seine Beteiligung am Online-Propagandanetzwerk der IS-Provinz Khorasan durch den Betrieb von Telegram-Gruppenchats im Auftrag des in Afghanistan aufhältigen IS-Mitglieds X1. Y1. mitgliedschaftlich in die terroristische Vereinigung IS eingegliedert. Die übrigen Angeklagten gliederten sich jeweils im Januar 2019 bei ihrer Teilnahme an ideologischen Schulungen der Zelle durch das führende IS-Mitglied Y1. in einem Gruppenchat über die Kommunikations-App Zello in die Vereinigung ein.
5Nach der mitgliedschaftlichen Eingliederung kam es zu weiteren mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen der Angeklagten, die keinem weiteren Straftatbestand unterfallen (Tat 1, Fälle 1 und 6 der Anklage):
6Der Angeklagte A. veröffentlichte im Februar 2018 Propaganda des IS in einem Zello-Kanal des Online-Netzwerkes der IS-Provinz Khorasan.
7Darüber hinaus verwaltete und betreute der Angeklagte A. im Auftrag führender IS-Mitglieder aus der IS-Provinz Khorasan beginnend ab Ende Februar 2018 Zello-Kanäle des IS.
8Außerdem programmierte der Angeklagte A. ab April 2018 in Absprache mit dem führenden IS-Mitglied Y1. eine Applikation für Mobiltelefone, mittels derer er die Ideologie des IS unter tadschikischsprachigen Muslimen verbreitete, und entwickelte diese weiter.
9Anfang Dezember 2018 rekrutierte der Angeklagte A. ein künftiges Mitglied der IS-Zelle, indem er in einem Gespräch für den Plan der Gruppe warb, auf Seiten des IS die tadschikische Regierung mit Waffengewalt zu bekämpfen.
10Ende Dezember 2018 richtete der Angeklagte A. den Zello-Gruppenchat ein, in welchem er und die übrigen Mitglieder der mittlerweile gegründeten Zelle ab Januar 2019 durch das IS-Mitglied Y1. ideologisch geschult wurden.
11Überdies beteiligten sich die Angeklagten F., A., C. und E. am 16. Januar 2019 an simulierten Kampfübungen der Zelle für den bewaffneten Jihad des IS bei einem Paintball-Training, das durch den Angeklagten F. mitorganisiert worden war.
12Der Angeklagte B. übernahm im Februar 2019 zur finanziellen Unterstützung des IS zusammen mit einem anderen Zellenmitglied einen mit 40.000 US-Dollar dotierten Auftragsmord in Albanien. Dort brach er das Vorhaben wegen einer Ungewissheit über die Identität des Opfers ab.
13Die Angeklagten F., A., C. und E. nahmen am 3. März 2019 an einem persönlichen Treffen der Zelle zur Abstimmung des weiteren Vorgehens bei der Vorbereitung jihadistischer Anschläge teil. Im Ergebnis setzte sich die Auffassung durch, jihadistische Anschläge für den IS zunächst in Deutschland zu verüben und daneben weiter die Teilnahme am bewaffneten Kampf des IS in Tadschikistan vorzubereiten.
14Die Angeklagten A. und E. begannen in Umsetzung dieser Planung mit Vorbereitungen für einen jihadistischen Sprengstoffanschlag in Deutschland, indem sie sich Anfang März 2019 unter anderem für Angriffe aus der Luft über das Erlernen von Drachen- und Gleitschirmfliegen informierten.
15Nach den Festnahmen des Angeklagten E. und eines weiteren Zellenmitglieds Mitte März 2019 organisierte der Angeklagte B. finanzielle Unterstützung für die beiden in Untersuchungshaft befindlichen Zellenmitglieder, um deren Anbindung an die Gruppe zu stärken und dadurch die Schlagkraft der Zelle wiederherzustellen. Außerdem unterstützte er die Freilassung und Rückkehr des im Herbst 2019 zwischenzeitlich nach Tadschikistan abgeschobenen Angeklagten F.
16Der Angeklagte B. vermittelte darüber hinaus für den IS Geldzahlungen zugunsten von Angehörigen gefallener oder gefangener IS-Kämpfer in nordsyrischen Lagern. Im März 2020 organisierte er für deren finanzielle Unterstützung einen Bargeldtransfer von 18.000 Euro in die Türkei. Hierzu wählte er zwei türkischstämmige Bekannte als Bargeldkuriere aus und plante deren Flug nach Istanbul und den dortigen Aufenthalt. Die Organisation dieses Bargeldtransfers war wegen des Verdachts eines zu dem Organisationsdelikt tateinheitlichen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz nach § 18 Abs. 1 AWG als selbständige Tat (Fall 6 der Anklage) angeklagt. Da sich der Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz abweichend von der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss nicht erwiesen hat, fällt die in dem Geldtransfer liegende mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung in die tatbestandliche Handlungseinheit von Tat 1, während der Angeklagte B. von dem Vorwurf in Fall 6 der Anklage im Übrigen freizusprechen war.
17Durch folgende weitere Beteiligungshandlungen haben die Angeklagten B. und E. jeweils noch andere Straftatbestände verwirklicht, die zur Verurteilung des Angeklagten B. wegen einer weiteren selbständigen Tat und zur Verurteilung des Angeklagten B. wegen zweier weiterer Taten führten:
18Der Angeklagte B. transferierte Anfang Februar 2019 im gemeinschaftlichen Zusammenwirken mit einem anderen Gruppenmitglied 550 Euro an den IS nach Syrien. Er hatte sich zuvor auch an der Sammlung des Geldes innerhalb der Zelle und unter IS-Sympathisanten beteiligt (Tat 2, Fall 4 der Anklage).
19Der Angeklagte E. erwarb Ende Februar 2019 eine funktionsfähige halbautomatische Selbstladepistole von dem gesondert verfolgten Zellenmitglied Z1. und hielt diese Schusswaffe samt Munitionsteilen für jihadistische Anschläge im Sinne der IS-Ideologie in seiner Wohnung vor (Tat 3, Fall 3 der Anklage).
20Außerdem bereitete der Angeklagte E. ein jihadistisch motiviertes Schusswaffenattentat des IS auf einen in Deutschland lebenden Islamkritiker vor, indem er am 14. März 2019 eine zweite halbautomatische Selbstladepistole mit größerem Kaliber und Schalldämpfer erwarb und von Z1. entgegennahm (Tat 4, Fall 2 der Anklage).
21Sämtlichen Angeklagten waren mit der Anklage des Generalbundesanwalts vom 27. Januar 2021 in Fall 1 der Anklage jeweils noch weitere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen vorgeworfen worden. Hinsichtlich des Angeklagten B. hatte die Bundesanwaltschaft darüber hinaus einen zweiten Geldtransfer nach Syrien an den IS im März 2020 (Fall 5 der Anklage) angeklagt. Der Senat hat das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen hinsichtlich Tat 1 gemäß § 154a StPO auf die zur Verurteilung gelangten Beteiligungshandlungen der Angeklagten beschränkt sowie beim Angeklagten B. hinsichtlich Fall 5 der Anklage gemäß § 154 StPO von der Verfolgung abgesehen.
22Das Urteil beruht nicht auf einer Verständigung gemäß § 257c StPO.
Der heute 33-jährige Angeklagte B. wurde in der tadschikischen Hauptstadt H. geboren, wo er zusammen mit drei Geschwistern bei seinen Eltern aufwuchs. Die Mutter des Angeklagten arbeitete in einer Druckerei. Mittlerweile leben die Eltern und zwei Geschwister in Deutschland.
24Nach elfjähriger Schulzeit begann der Angeklagte B. im Jahr 2005 ein Studium im Fachbereich Geologisches Vermessungswesen an der Universität in H., das er im Mai 2010 mit einem Diplom als Geologie-Ingenieur abschloss. In der Folgezeit arbeitete er für ein Unternehmen, das Souvenirs herstellte.
25Im Jahre 2011 emigrierte er nach Russland, wo er sich legal aufhielt und seinen Lebensunterhalt mit dem Import von Waren aus der Türkei finanzierte. Im Dezember 2014 reiste er zusammen mit seinem Bruder von Russland über Litauen auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte im Januar 2015 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Bescheid vom 29. Mai 2015 ablehnte. Im November 2017 wurde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
26Die Bezirksregierung M. wies ihn im Februar 2015 der Stadt A2. im Kreis B2. zu. Dort lebte er in einer Gemeinschaftsunterkunft und später zeitweise im Haushalt der Zeugin C2., die als ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuerin in der evangelischen Kirchengemeinde tätig war. Der Angeklagte unterstützte die Zeugin durch Übersetzungen und weitere Hilfstätigkeiten im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung.
27Im Dezember 2018 heiratete er die Deutsch-Russin D2., mit der er bereits seit Januar 2018 nach islamischem Ritus verbunden war. Im August 2019 zog er nach B2., wo er bis zu seiner Festnahme mit seiner Ehefrau und dem im August 2019 geborenen Sohn lebte.
28Im Jahr 2017 war der Angeklagte B. kurzzeitig als Aushilfskraft auf 450-Euro-Basis tätig. Im Übrigen lebte die Familie des Angeklagten von Sozialleistungen.
29Der Angeklagte ist sunnitischer Muslim und entwickelte spätestens im Jahre 2017 eine radikalislamische Gesinnung. Er begann traditionelle islamische Kleidung zu tragen, hielt die Gebetszeiten strikt ein und entfernte die Bilder aus seiner Wohnung.
30Im Zeitraum zwischen Oktober 2015 und März 2018 wurde der Angeklagte im Kreisklinikum B2. wegen des Verdachts einer posttraumatischen Belastungsstörung und eines von ihm geäußerten depressiven Beschwerdebildes regelmäßig ambulant und für eine Woche einmalig stationär psychiatrisch behandelt. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war infolge seiner psychischen Probleme im Tatzeitraum nicht vermindert.
31In dem vorliegenden Verfahren wurde der Angeklagte B. am 15. April 2020 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 (2 BGs 187/20) festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
32Der Angeklagte ist in Deutschland nicht vorbestraft.
Der heute 34-jährige Angeklagte C. wurde in der Nähe von H. geboren, wo er gemeinsam mit drei Schwestern bei seinen Eltern aufwuchs. Der Vater des Angeklagten ist verstorben.
34Der Angeklagte absolvierte nach dem Schulabschluss ab dem Jahr 2004 ein Bauingenieurstudium, das er im Jahr 2007 als „Junior-Maschinenbauingenieur“ abschloss. Danach leistete er bis 2009 Militärdienst. In der Folgezeit machte er sich als Autohändler selbständig und importierte Fahrzeuge aus Russland nach Tadschikistan. Zeitweise arbeitete er in Tadschikistan und Russland als Bauhelfer, Maler und Anstreicher.
35Im März 2015 heiratete er die tadschikische Staatsangehörige E2., mit der er mittlerweile vier Kinder im Alter zwischen einem und sieben Jahren hat.
36Im September 2015 emigrierte der Angeklagte C. aus Tadschikistan, indem er sich in einem LKW versteckt auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland schleusen ließ. Seine Ehefrau und seine älteste Tochter gelangten in der Folgezeit ebenfalls nach Deutschland. Im Juli 2016 stellte er einen Asylantrag, der durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Bescheid vom 14. März 2019 abgelehnt wurde. Auch die Flüchtlingseigenschaft und ein subsidiärer Schutzstatus wurden ihm versagt. Das vom Angeklagten hiergegen angestrengte verwaltungsgerichtliche Verfahren dauert an.
37Im November 2016 wurde der Angeklagte der Gemeinde F2. im Kreis G2. zugewiesen, wo er zusammen mit seiner Familie bis zu der Festnahme in einer Flüchtlingsunterkunft wohnte.
38In Deutschland übte der Angeklagte wechselnde Hilfstätigkeiten als Produktionshelfer und in verschiedenen Fliesenlegerbetrieben aus. Zuletzt bezog er mit seiner Familie Transferleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von etwa 1.660 Euro monatlich.
39Der Angeklagte C. ist sunnitischer Muslim und entwickelte spätestens Ende 2018 eine radikalislamische Gesinnung.
40In dem vorliegenden Verfahren wurde er am 15. April 2020 vorläufig festgenommen. Er befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 (2 BGs 186/20) in Untersuchungshaft.
41Strafrechtlich ist der Angeklagte C. in Deutschland bislang zweimal in Erscheinung getreten:
42Das Amtsgericht G2. verurteilte ihn mit Strafbefehl vom 11. Februar 2017 (5 Cs 503 Js 13/17-37/17) wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Euro. Gegenstand der Verurteilung war eine Fahrt des Angeklagten am 22. November 2016 mit einem fahrerlaubnispflichtigen Personenkraftwagen. Dabei besaß er nur seinen tadschikischen Führerschein, obwohl er seinen Wohnsitz zuvor vor über sechs Monaten in der Bundesrepublik Deutschland genommen hatte. Die Geldstrafe hat der Angeklagte vollständig bezahlt.
43Durch Strafbefehl des Amtsgerichts H2. vom 25. März 2019 (1 Cs 405 Js 7882/19) wurde er wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Der Strafbefehl ist mit Ausnahme der Tagessatzhöhe seit dem 28. März 2019 rechtskräftig. Mit Beschluss vom 30. April 2019 setzte das Amtsgericht die Tagessatzhöhe auf 15 Euro herab. Gegenstand dieses Strafbefehls war der Kauf eines Gebrauchtwagens durch den Angeklagten C. am 26. Januar 2019 in Begleitung der Angeklagten A. und E. Um das Vorliegen einer amtlichen Zulassung vorzutäuschen, hatte er an das erworbene Fahrzeug das Kfz-Kennzeichen eines anderen Pkw angebracht. Die Geldstrafe ist teilweise durch Zahlung und im Übrigen im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vom 10. bis zum 28. August 2020 vollständig vollstreckt.
Der heute 29-jährige Angeklagte A. wurde in H. geboren. Er wuchs zusammen mit einer Schwester bei seinen Eltern auf. Der Vater des Angeklagten arbeitete als Agronom in der tadschikischen Stadt I2., wo die Familie in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen lebte.
45Nach Beendigung seiner elfjährigen Schulzeit ließ sich der Angeklagte A. im April 2011 versteckt in einem Lkw in die Bundesrepublik Deutschland schleusen und stellte einen Asylantrag. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 25. Juli 2012 ab und erkannte ihm zugleich die Flüchtlingseigenschaft zu.
46Der Angeklagte zog nach Erhalt seiner Aufenthaltserlaubnis im September 2013 aus einer Gemeinschaftsunterkunft im Kreis J2. nach K2.. Dort lernte er seine Ehefrau L2. kennen, mit der er ein gemeinsames Kind hat. Vor seiner Festnahme lebte er von seiner Ehefrau getrennt.
47Von August 2015 bis Juli 2017 besuchte der Angeklagte A. eine Abendrealschule, die er mit der Mittleren Reife abschloss. Im Anschluss begann er eine Ausbildung zum Energie- und Gebäudetechniker, die er im Januar 2018 abbrach. Von Juli bis November 2018 arbeitete er für einen Kurierdienst. Anschließend bezog er Arbeitslosengeld II, bis er im Januar 2020 eine Beschäftigung in einem Unternehmen für Industriemontage aufnahm.
48Der Angeklagte A. ist sunnitischer Muslim und entwickelte spätestens im Frühjahr 2017 eine radikalislamische Gesinnung.
49Er wurde am 15. April 2020 vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 (2 BGs 168/20) in Untersuchungshaft.
50Das Amtsgericht K2. verurteilte ihn mit Strafbefehl vom 10. Dezember 2019 (41 Cs 43 Js 1347/19-386/19) wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen je 10 Euro. Dem seit 28. Dezember 2019 rechtskräftigen Strafbefehl liegt zugrunde, dass der Angeklagte vom 1. Februar 2018 bis zum 31. Januar 2019 zu Unrecht Ausbildungshilfe in Höhe von insgesamt 1.848 Euro bezog, da er es unterlassen hatte, die vorzeitige Beendigung seiner Ausbildung zum 31. Januar 2018 bei der Arbeitsagentur anzuzeigen. Die Geldstrafe wurde im Wege einer Ersatzfreiheitsstrafe vom 24. September 2020 bis zum 29. Oktober 2020 vollständig vollstreckt. Darüber hinaus ist der Angeklagte in Deutschland nicht straffällig geworden.
Der heute 26-jährige Angeklagte E. wurde im Süden Tadschikistans geboren, wo er zusammen mit fünf Geschwistern bei seinen Eltern aufwuchs.
52Nach einem neunjährigen Schulbesuch absolvierte er ab 2012 in H. eine Ausbildung zum Automechaniker. Nebenbei handelte er mit Personenkraftwagen und Autoersatzteilen und arbeitete in einer Kfz-Werkstatt. Zum Ankauf von Ersatzteilen reiste er ab 2015 mehrfach nach Deutschland. Bei einem dieser Aufenthalte lernte er in Düsseldorf die zum Islam konvertierte deutsche Staatsangehörige M2. kennen, die er im Frühjahr 2016 nach islamischem Ritus heiratete. Aus der Beziehung sind drei im Oktober 2017, April 2019 und Dezember 2020 geborene Kinder des Angeklagten hervorgegangen.
53Die letzte Einreise des Angeklagten nach Deutschland in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 erfolgte mit dem Ziel, hier dauerhaft sesshaft zu werden. Der Angeklagte stellte im Januar 2017 einen Asylantrag, der durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Juli 2017 abgelehnt wurde. Die Flüchtlingseigenschaft oder ein subsidiärer Schutzstatus wurden ihm ebenfalls versagt, da er eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht hat. Nach der Geburt seiner ersten Tochter erhielt er gleichwohl eine Aufenthaltserlaubnis.
54Im Anschluss an die Unterbringung in verschiedenen Gemeinschaftsunterkünften in Nordrhein-Westfalen zog er im Januar 2018 gemeinsam mit seiner Familie in eine Wohnung nach N2. Unmittelbar vor seiner Festnahme Mitte April 2020 nahm die Familie eine Wohnung in B2. Der Angeklagte bezog Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
55Er ist sunnitischer Muslim und entwickelte spätestens Ende 2018 eine radikalislamische Gesinnung.
56Im vorliegenden Verfahren wurde er erstmals am 15. März 2019 vorläufig festgenommen und befand sich seit dem Folgetag aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts N2. vom 16. März 2019 (8 Gs 36/19) in Untersuchungshaft. Mit dessen Aufhebung durch Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Oktober 2019 (III-1Ws 222/19) wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen. Seit dem 15. April 2020 befindet er sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 (2 BGs 188/20) erneut in Untersuchungshaft.
57Der Angeklagte E. ist in Deutschland nicht vorbestraft.
Der heute 25-jährige Angeklagte F. wurde als W1. P. in H. geboren. Er hat zwei Schwestern und einen Bruder. Die Eltern des Angeklagten lebten getrennt. Der Vater des Angeklagten handelte mit Personenkraftwagen. Während sich die Mutter des Angeklagten überwiegend in Tadschikistan aufhielt, emigrierte der Vater nach Russland.
59Der Angeklagte zog im Jahr 2010 zu seinem Vater nach Russland und nahm im selben Jahr neben der tadschikischen auch die russische Staatsangehörigkeit an. In der Folgezeit pendelte er zwischen Russland und Tadschikistan, wo er im Jahr 2013 nach der elften Klasse seine Schullaufbahn beendete. Danach begann er in China ein Studium der chinesischen Sprache, das er im Jahr 2015 abschloss. Sodann machte er sich als Händler von Autoteilen und Kompressoren in China und Tadschikistan selbständig. Zeitweise arbeitete er auch als Koch in Russland und bestritt seinen Lebensunterhalt in China und Russland mit dem Kampfsport „Mixed Martial Arts“. Im Januar 2017 emigrierte er in die Bundesrepublik Deutschland und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Bescheid vom 25. August 2017 ablehnte. Die Flüchtlingseigenschaft oder ein subsidiärer Schutzstatus wurden ihm nicht zuerkannt.
60Der Angeklagte ging in Deutschland keiner Erwerbstätigkeit nach. Nach dem Besuch eines Sprachkurses nahm er ab April 2019 an der Hochschule O2. an einem Studienvorbereitungsprogramm für Geflüchtete teil.
61Im September 2019 heiratete er die zum Islam konvertierte deutsche StaatsangehörigeP2., mit der er in die ehemalige Wohnung des Angeklagten B. nach A2. bei B2. zog. Im Juni 2020 wurde der gemeinsame Sohn der Eheleute geboren.
62Der Angeklagte F. ist sunnitischer Muslim und entwickelte spätestens im Oktober 2018 eine radikalislamische Gesinnung.
63Am 16. Oktober 2019 wurde er nach Tadschikistan abgeschoben. Von dort reiste er im November 2019 weiter nach Albanien, wo er aufgrund eines internationalen Haftbefehls am 29. April 2020 für das hiesige Verfahren auf Grundlage des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2020 (2 BGs 245/20) zum Zwecke der Auslieferung festgenommen wurde und anschließend in Auslieferungshaft kam. Am 2. Mai 2020 wurde er aus den Sicherungsräumen der Polizeidirektion in Tirana in die albanische Haftanstalt Fushë Kruja überstellt, wo er bis zu seiner Auslieferung am 3. August 2020 inhaftiert blieb. In der Haftanstalt erhielt er Gelegenheit zur Teilnahme an sportlichen und religiösen Aktivitäten sowie an einer Arbeits- und Beschäftigungstherapie. Mittels Skype-Telefonaten stand er regelmäßig in Kontakt mit Familienangehörigen.
64Nach der Auslieferung aus Albanien an die Bundesrepublik Deutschland wurde der Angeklagte F. auf Grund des vorgenannten Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs am 3. August 2020 festgenommen und befindet sich seitdem in dieser Sache in Untersuchungshaft.
65Der Angeklagte F. ist in Deutschland nicht vorbestraft.
Der „Islamische Staat“ ist eine jihadistische Terrororganisation, die seit Juni 2014 unter diesem Namen auftritt. Sie hat ihre Wurzeln im Irak und hatte ursprünglich enge Verbindungen zur Terrororganisation al-Qaida, auch wenn sie immer unabhängig blieb. Die Organisation hat sich mehrfach umbenannt, ohne sich dabei so zu verändern, dass man von verschiedenen Organisationen ausgehen müsste. Im Einzelnen:
Nach dem Einmarsch US-amerikanischer Truppen im Irak im Frühjahr 2003 entwickelte sich eine breite Aufstandsbewegung gegen die amerikanischen Besatzungstruppen. Eine der stärksten jihadistischen Organisationen war die von Abu Musab az-Zarqawi († 2006) gegründete Gruppierung „at-Tauhid wa-l-Jihad“ (Monotheismus und Heiliger Krieg). Die Terrororganisation bekämpfte seit Oktober 2004 unter dem Namen „al-Qaida fi Bilad ar-Rafidain“ (al-Qaida in Mesopotamien) und seit Oktober 2006 unter dem Namen „Islamischer Staat im Irak“ (ISI) zunächst die US-Truppen im Irak.
68Zu ihren Zielen gehörte darüber hinaus, durch Angriffe auf die schiitische Bevölkerungsmehrheit (rund 60 % der Iraker) einen Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten zu provozieren, um so ein Umfeld entstehen zu lassen, in dem jihadistische Gruppierungen langfristig erfolgreich operieren können. Im März 2004 zündeten Selbstmordattentäter der Vereinigung mehrere Sprengsätze nahe den Schreinen der schiitischen Imame Husain und Musa al-Kazim in Kerbala und Bagdad. Die mehr als 180 Opfer der Anschläge hatten sich an diesen Orten anlässlich eines schiitischen Feiertages versammelt. Die von schiitischen Islamisten dominierte Übergangsregierung ließ die Polizeitruppen des Innenministeriums immer stärker von schiitischen Milizkräften infiltrieren, deren paramilitärische Einheiten zahlreiche Übergriffe gegen Sunniten begingen. Bis zum Jahr 2006 entwickelte sich daraus ein konfessioneller Bürgerkrieg im Irak, in dessen Verlauf die schiitische Regierung mit der Unterstützung der USA, die ihre Truppenpräsenz von 28.500 Mann auf 160.000 Mann erhöhten, die Oberhand gewann. In dieser Zeit wurden Teile der sunnitischen Bevölkerung aus Bagdad vertrieben.
69Bis zum Abzug der US-Truppen im Jahr 2011 war die Organisation stark geschwächt. Schätzungen gehen davon aus, dass sie über 700 bis 1.000 Kämpfer verfügte. Nach dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak erstarkte die Organisation wieder und verübte in größerer Zahl Terroranschläge. Im Juli 2012 rief sie die „Mauern-einreißen“-Kampagne aus und begann eine Serie terroristischer Angriffe, die bis Juli 2013 andauerte und aus hunderten Anschlägen mit Autobomben und acht Angriffen auf irakische Gefängnisse bestand.
70Anfang des Jahres 2011 kam es unter der Bezeichnung „Arabischer Frühling“ in Tunesien, Libyen und Ägypten zu Demonstrationen. Auch in Syrien kam es zu friedlichen Protesten, die aber von der syrischen Regierung unter ihrem alawitischen Herrscher Bashar al-Assad mit Gewalt niedergeschlagen wurden, so dass die Proteste ab dem Jahr 2012 in einen Bürgerkrieg mündeten. Diese Situation staatlicher Instabilität in Syrien nutzte der ISI aus und gründete dort einen Ableger, die „Jabhat an-Nusra li-Ahl ash-Sham“ („Hilfsfront für die Menschen Syriens“, im Folgenden: „Nusra-Front“). Die „Nusra-Front“ konnte tausende Kämpfer rekrutieren und agierte spätestens Ende des Jahres 2012 immer unabhängiger vom ISI. Im April 2013 verkündete der damalige Führer des ISI, Abu Bakr al-Baghdadi († 2019), dass die beiden Organisationen aufgelöst und der ISI und die „Nusra-Front“ unter seinem Kommando zusammengeführt würden und von nun an „Islamischer Staat im Irak und Syrien“ (ISIS) heißen sollten. Die „Nusra-Front“ akzeptierte dies nicht, vielmehr weigerte sich ihr Anführer, Abu Muhammad al-Jaulani, seine Organisation Baghdadi zu unterstellen.
71Zu diesem Zeitpunkt hatten in Syrien bereits heftige Kämpfe zwischen dem ISIS einerseits und der „Nusra-Front“ und anderen islamistischen Organisationen andererseits eingesetzt, die zunächst mit der Verdrängung der ISIS-Einheiten Richtung Osten endeten. Im Sommer 2014 konnte der ISIS diesen Trend jedoch umkehren, als die Organisation zunächst im Irak Geländegewinne verzeichnete. Nachdem der ISIS Anfang Juni 2014 die zweitgrößte irakische Stadt Mossul eingenommen und weite Gebiete im West- und Nordwestirak unter seine Kontrolle gebracht hatte, proklamierte die Organisation am 29. Juni 2014 den „Islamischen Staat“ ohne geographische Begrenzung. Der IS kontrollierte zu dieser Zeit in Syrien ein Gebiet, das den Osten der Provinz Aleppo, große Teile der Provinz Raqqa, große Teile der Provinz Deir ez-Zor und einige Teile der Provinz al-Hasaka umfasste, und im Irak große Teile des Nordwestens inklusive der Provinzhauptstadt Mossul. Gleichzeitig dehnte der IS sein Operationsgebiet auf weitere Gebiete außerhalb von Irak und Syrien aus, unter anderem in Afghanistan.
72Seit Sommer 2015 intensivierten amerikanische, französische und russische Streitkräfte ihre Angriffe auf den IS. Auch wenn dieser in der Folgezeit immer wieder Erfolge vermelden konnte, wie beispielsweise die Rückeroberung von Palmyra in Syrien oder von Ramadi im Irak, wurde er von den syrischen Truppen mit Hilfe Russlands einerseits und den kurdischen Milizen sowie den irakischen Truppen mit Hilfe der US-amerikanischen Streitkräfte andererseits immer weiter zurückgedrängt. Die russische Regierung hatte Mitte September 2015 entschieden, das Assad-Regime militärisch zu unterstützen. Im Juli 2017 verlor der IS endgültig die Kontrolle über die irakische Stadt Mossul und im Oktober 2017 über die IS-Hochburg Raqqa in Syrien.
73Nach März 2019 kontrollierte der IS in seinem Kerngebiet im Irak und in Syrien keine Gebiete mehr. Er ist dort nur noch im Untergrund tätig, jedoch weiterhin in der Lage, regelmäßig Terroranschläge mit Toten und Verletzten zu verüben.
Unter dem Namen ISI/IS waren im Jahr 2013 etwa 10.000 bis 20.000 und Anfang 2016 etwa 20.000 bis 30.000 Personen dauerhaft zusammengeschlossen. Die Zahl der IS-Kämpfer liegt auch nach dem Verlust eigener Territorien wie zuvor im knapp fünfstelligen Bereich.
75Die Organisation nutzt in Abgrenzung zu anderen Gruppierungen als Verbandskennzeichen die schwarze Flagge mit dem weißen Schriftzug „Es gibt keinen Gott außer Gott“ und darunter das dem Propheten Mohammed zugeschriebene weiße „Prophetensiegel“ mit den Worten „Gott, Prophet, Mohammed“, teils ergänzt um den Organisationsnamen. Veröffentlichungen des Verbandes werden in der Medienabteilung „Al-Furqan“ produziert und über die Medienstelle „al-I'tisam“ verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt.
76Übergeordnetes Ziel der Gruppe ist die Errichtung eines islamischen Staates auf der Grundlage der Scharia. Im Irak sollte zunächst ein islamischer Staat gegründet werden, um anschließend den bewaffneten Kampf auf die Nachbarstaaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina auszuweiten und von dort aus Israel anzugreifen und Jerusalem zu „befreien“. Neben dem Ziel, Irak und Syrien sowie die Nachbarländer zu beherrschen, war das Fernziel, die arabische Welt zu erobern und letztendlich die Weltherrschaft zu erlangen.
77Neben der stark antijüdischen Ausrichtung wird der IS durch einen Hass auf Schiiten geprägt. Sein Ziel ist die Vernichtung der Schiiten im Irak und in Syrien. Der IS bezieht diesen Hass aber auch auf die syrischen Alawiten und andere religiöse Minderheiten.
78Der Zusammenschluss ist streng hierarchisch organisiert. Die einzelnen Mitglieder haben sich in die Befehlshierarchie einzugliedern und an der Verfolgung der Ziele der Organisation mitzuwirken. Die Führung des ISI/IS besteht aus einem „Emir". Ihm sind „Minister“ als Verantwortliche für einzelne Bereiche unterstellt, unter anderem ein „Kriegsminister“ und ein „Propagandaminister“. Der Führungsebene zugeordnet sind beratende „Shura-Räte“ und „Gerichte“, die über die Einhaltung der Regeln der Scharia wachen. Ab 2010 war Abu Bakr al-Baghdadi der Anführer der Organisation. Am 29. Juni 2014 verkündete der Sprecher des IS, Abu Muhammad al-Adnani, in einer Audiobotschaft die Ernennung des „Emirs“ Abu Bakr al-Baghdadi zum „Kalifen“ (Nachfolger des Propheten), dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Zugleich eingeleitete Veränderungen der Organisationsstruktur, so die Bildung von „Räten“ für Einzelressorts, die Einteilung der besetzten Gebiete in Gouvernements und die Einrichtung eines Geheimdienstapparates zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen.
79Nach dem Tod al-Baghdadis am 26. Oktober 2019 wurde Abu Ibrahim al-Hashimi al-Qurashi als Nachfolger vorgestellt. Vermutlich handelt es sich um einen Turkmenen aus der irakischen Stadt Tal Afar namens Amir as-Salbi. Mit den Gebietsverlusten des IS im Jahr 2019 wurden die quasi-staatlichen Organisationsstrukturen zerschlagen. Die Befehlsstrukturen bestanden jedoch unter der Führung des neuen „Emirs“ fort.
Zur Durchsetzung ihrer Ziele tötet die Organisation Menschen. Sie beging eine Vielzahl von Anschlägen, insbesondere Selbstmordattentate mit Autobomben, und nahm an zahlreichen Kämpfen teil, in deren Verlauf gegnerische Kräfte getötet wurden. Sie verfügte über Sturmgewehre („Kalaschnikows“), Panzerfäuste und erbeutete Waffen, etwa Mörser, kleinere Raketen bis hin zu Panzern. Die Angriffe richteten sich häufig gegen andere Gruppen von Aufständischen mit dem Ziel, durch deren Tötung von diesen gehaltene Gebiete zu übernehmen. Aber auch das syrische Regime und die Angehörigen der irakischen Regierung wurden bekämpft.
81In dem Bürgerkriegskonflikt in Syrien und im Irak tötete die Organisation zahlreiche Menschen aus der Zivilbevölkerung oder fügte ihnen erhebliche körperliche und seelische Leiden zu. In den eroberten Gebieten übte der IS quasi-staatliche Funktionen aus und übernahm die verbliebenen Verwaltungsstrukturen. In den Orten, in denen er die Macht übernahm, richtete der IS Gerichte ein, an denen „Scharia-Gelehrte“ „Recht“ sprachen. Ehebruch wurde mit Steinigung bestraft. Homosexuelle wurden ebenfalls getötet. Diebstahl wurde mit dem Abtrennen einer Hand geahndet.
82Parallel zu den „Scharia-Gerichten“ wurde in den eroberten Städten eine Religionspolizei („Hisba“) eingerichtet, die mit harten Strafen Verstöße der sunnitischen Bevölkerung gegen die salafistischen Verhaltensvorschriften ahndete. Die Religionspolizei hatte eigenes Personal, das durch die Städte zog und dort beispielsweise kontrollierte, dass Frauen ordnungsgemäß vollverschleiert waren, Männer fünfmal täglich am Gebet in der Moschee teilnahmen, alle Geschäfte während der Gebetszeiten geschlossen blieben und nicht geraucht oder Alkohol getrunken wurde.
83Darüber hinaus beging der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung, insbesondere an Schiiten und Jesiden. Letztere gelten den Jihadisten als „Teufelsanbeter“ und wurden zu Zehntausenden vom IS getötet oder versklavt.
84In den eroberten Gebieten sahen sich Angehörige der irakischen und syrischen Armee oder in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, Verhaftungen, Folter und Hinrichtungen ausgesetzt.
85Eine regelmäßige Einnahmequelle des IS bestand darin, für die Freilassung von Gefangenen Lösegelder zu erpressen.
86Außerhalb seines Machtbereichs verübte der IS seit 2014 Terroranschläge. Wichtige Anschläge des IS in Europa mit Toten waren
87 der Anschlag auf das jüdische Museum in Brüssel/Belgien am 24. Mai 2014 mit vier Toten,
88 die Feuerüberfälle und Selbstmordattentate auf das Stade de France, den Club Bataclan und ein Restaurant in Paris/Frankreich am 13. November 2015 mit insgesamt 130 Toten,
89 die Anschläge auf den Flughafen und die U-Bahn in Brüssel/Belgien am 22. März 2016 mit 32 Toten,
90 der Überfahranschlag mit einem Lkw auf der Promenade des Anglais in Nizza/Frankreich am 14. Juli 2016 mit 84 Toten,
91 der Überfahranschlag mit einem Lkw auf den Weihnachtsmarkt in Berlin am 19. Dezember 2016 mit zwölf Toten,
92 der Überfahranschlag mit einem Lkw in der Fußgängerzone in Stockholm/Schweden am 7. April 2017 mit fünf Toten,
93 der Sprengstoffanschlag auf ein Popkonzert in Manchester/Großbritannien am 22. Mai 2017 mit 22 Toten und
94 der Überfahranschlag mit einem Pkw in Barcelona/Spanien, am 17. August 2017 mit 15 Toten.
Der IS zielt zu der Erreichung der angestrebten Weltherrschaft darauf ab, sein Operationsgebiet ausgehend von dem Kerngebiet im Irak und Syrien mittels unselbständiger Regionalpräsenzen (sogenannte Filialen) auf weitere Gebiete auszudehnen. So verkündete der IS im Januar 2015 die Gründung der Provinz Khorasan – kurz: ISPK oder ISIS-K – als Bestandteil der Gesamtorganisation. Neben Afghanistan soll die Provinz auch Pakistan sowie die zentralasiatischen Staaten wie Tadschikistan umfassen. Tatsächlich betätigen sich die Kämpfer des IS aber ganz überwiegend in Afghanistan. Der IS zielt dort darauf ab, durch Anschläge und Militäroperationen einen Rückzugsort sowie einen Stützpunkt auf afghanischem Staatsgebiet für den späteren Kampf und die Eroberung weiterer Gebiete der IS-Provinz Khorasan aufzubauen. In Umsetzung dieser Planung erlangte der IS unter anderem in der südöstlichen afghanischen Provinz Nangarhar Territorialgewalt über afghanisches Staatsgebiet und schuf dort durch den Aufbau von Justiz, Religionspolizei und weiteren Verwaltungseinheiten eigene staatliche Strukturen. Militärische Auseinandersetzungen gegen die afghanischen Taliban und die US-amerikanischen Besatzungskräfte führten jedoch zu personellen Verlusten, die ab dem Jahr 2018 mittels Anwerbung ausländischer Kämpfer – unter ihnen zahlreiche Tadschiken – ausgeglichen werden sollten. Im November 2019 vertrieben die Taliban die letzten IS-Kämpfer aus Nangarhar und zwangen ISIS-K in Afghanistan zunächst in den Untergrund. Im Jahr 2021 erstarkte ISIS-K erneut, wobei als Zentrum wiederum die Provinz Nangarhar fungiert. Anhänger und Mitglieder von ISIS-K sind mittlerweile aber im ganzen Land aktiv. Der IS hat bis heute eine Vielzahl schwerer Anschläge gegen die schiitische Minderheit in Afghanistan und seit der Machtübernahme der Taliban auch gegen diese verübt. Am 26. August 2021 nutzte ISIS-K die Wirren um den Abzug ausländischer Truppen aus Afghanistan für einen Selbstmordanschlag am Eingangstor zu dem Flughafen in Kabul, bei dem über 90 Personen, unter ihnen auch US-Soldaten, starben.
Die IS-Provinz Khorasan unterhielt ein umfangreiches russisch- und tadschikischsprachiges Online-Netzwerk über verschiedene soziale Medien, das der Verbreitung von Propaganda, der Radikalisierung und ideologischen Festigung von IS-Anhängern, der Rekrutierung neuer Mitglieder und dem Einwerben finanzieller Mittel für die Vereinigung diente. Ein bedeutsamer Teil der Aktivitäten fand über den Messengerdienst Zello statt, über den weltweit Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten des IS durch die sogenannte Push-to-talk-Technik in Echtzeit mit Vertretern der IS-Provinz Khorasan in Kontakt treten konnten. In der IS-Provinz aufhältige IS-Mitglieder boten über Zello-Kanäle und Gruppenchats ideologische Schulungen an, die auf IS-Anhänger in Russland und Europa ausgerichtet waren.
97So tauschten tadschikischsprachige IS-Anhänger über den öffentlichen Zello-Kanal „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ IS-Propaganda und andere Nachrichten mit Bezug zum IS, Aufrufe zum bewaffneten Jihad in Khorasan sowie zu Spendensammlungen für den IS aus. Außerdem wurden Anschlagsplanungen in Tadschikistan, Russland und Europa diskutiert und ideologische Schulungen führender IS-Mitglieder aus Khorasan beworben. Administrativ betreut wurde der Kanal von Mitgliedern der IS-Provinz Khorasan, unter anderem dem führenden IS-Mitglied X1. Y1..
98Das Propagandanetzwerk der IS-Provinz Khorasan war auch an der Radikalisierung des tadschikischstämmigen Usbeken Rakhmat Akiklov beteiligt, der bei einem Attentat des IS mit einem LKW in der Stockholmer Innenstadt am 7. April 2017 fünf Personen tötete. Q2. hatte Zello-Kanäle des Online-Netzwerkes abonniert und mit einem führenden IS-Mitglied aus der Provinz Khorasan namens R2. in Kontakt gestanden.
Der Angeklagte A. beteiligte sich spätestens seit April 2017 an dem Online-Propagandanetzwerk der IS-Provinz Khorasan. Er abonnierte den zu diesem Netzwerk gehörenden Zello-Kanal „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ und bewarb ideologische Schulungen des IS gegenüber anderen Nutzern, indem er die geplanten Uhrzeiten und die Namen der Veranstaltungsleiter veröffentlichte. Der Angeklagte (Zello-Kennung: „dimashq1438“) versandte erstmals am 5. April 2017 zwei Bilddateien innerhalb des Kanals „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“.
100Ab Mitte Juni 2017 kommunizierte der Angeklagte A. darüber hinaus in Einzelchats mittels Zello und Telegram mit dem führenden IS-Mitglied X1. Y1. (Zello-Kennung: „S2.@84“). Allein über Zello tauschten sie bis Ende Februar 2018 über 400 Nachrichten aus. Inhaltlich bezog sich ihre Kommunikation vornehmlich auf die Beschaffung von Geldern für ISIS-K und die Abwicklung von Geldtransfers.
101X1. Y1., der wie die Angeklagten tadschikischer Staatsangehöriger war, hielt sich in dem vom IS kontrollierten Gebiet um Nangarhar in Afghanistan auf. Neben seinen militärischen Aufgaben als Kommandeur einer tadschikischen Kampfgruppe verbreitete er aus der IS-Provinz Khorasan im Auftrag des IS Propaganda über einen eigenen YouTube-Kanal und rekrutierte mittels sozialer Medien und ideologischer Schulungen als Repräsentant des IS neue Mitglieder für den bewaffneten Jihad der Vereinigung.
102Der Angeklagte A. setzte den Austausch von Nachrichten mit Y1. über Zello auch nach seiner mitgliedschaftlichen Eingliederung beim IS unter Verwendung anderer Zello-Kennungen bis März 2019 fort.
Der Angeklagte A. betrieb spätestens ab dem 3. Januar 2018 im Auftrag des IS-Führungsmitglieds X1. Y1. mehrere Gruppenchats bei dem Messengerdienst Telegram, die er jeweils mit „Xalifat Xalifat“ (auf Deutsch: Kalifat Kalifat) bezeichnete und durchnummerierte. In diesen Chats wurde Propaganda des IS verbreitet, über militärische Erfolge der terroristischen Vereinigung berichtet und es wurden religiöse Fragen im Sinne der IS-Ideologie beantwortet.
104Der Angeklagte A. bewarb die Gruppenchats in dem Zello-Kanal „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“, indem er am 17. Februar 2018 eine Bilddatei mit dem Foto einer Chatübersicht und den durchnummerierten Telegram-Gruppenchats namens „Xalifat Xalifat“ nebst „Einladungslink“ unter dem jeweils identischen Profilbild eines schwarzen Kampfflugzeugs mit dem Logo des IS veröffentlichte. Noch am selben Tag postete er in dem Kanal „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ weitere vier Bilddateien mit IS-Propaganda aus Telegram-Chats, die er wie die Chatübersicht mit seinem Mobiltelefon von einem anderen elektronischen Gerät abfotografiert hatte. Die von dem Angeklagten auf diese Weise gefertigten und veröffentlichten Screenshots enthielten Informationen und Lichtbilder zu Kampfhandlungen in der IS-Provinz Khorasan und den syrischen IS-Provinzen Furat und Barakah sowie Links zu weiteren Informationen.
105Mit dieser Propaganda wollte der Angeklagte A. für den IS die ideologische Gesinnung anderer IS-Anhänger festigen und IS-Sympathisanten für die Ideologie des IS gewinnen und in diesem Sinne weiter radikalisieren.
106Spätestens ab dem 3. Januar 2018 war er entschlossen, sich unter Eingliederung in die Organisation des IS dem Willen der terroristischen Vereinigung unterzuordnen und ihre Ziele zu fördern, indem er die Telegram-Gruppenchats im Auftrag des X1. Y1. betrieb, womit das führende IS-Mitglied Y1. im Namen des IS einverstanden war. Dem Angeklagten A. waren der damalige Aufenthalt Y1.s in Afghanistan und dessen herausgehobene Stellung innerhalb des IS bekannt.
Der Angeklagte A. verwaltete und betreute im Auftrag führender IS-Mitglieder beginnend ab dem 27. Februar 2018 mehrere Zello-Kanäle des Online-Netzwerkes der IS-Provinz Khorasan. So war er bei den zeitlich aufeinanderfolgenden, thematisch aber identisch ausgerichteten Zello-Kanälen „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“, „Transoxanien Transoxanien“ und „Wegweiser nach Transoxanien“ als Moderator tätig.
108Am 27. Februar 2018 wurde der Angeklagte A. durch X1. Y1. (Zello-Kennung: „S2.@84“) zunächst zu einem der Moderatoren des seit 2016 betriebenen Kanals „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ ernannt. Nachdem dieser Kanal etwa drei Wochen später eingestellt worden war, ernannte ihn Y1. – diesmal unter seiner Zello-Kennung „madrasaimovaroannahr“ – am 3. April 2018 zum Moderator des Zello-Kanals „Transoxanien Transoxanien“, dessen Betrieb bis Mitte Dezember 2018 dauerte. Am 14. März 2019 wurde der Angeklagte durch das führende IS-Mitglied R2. (Zello-Kennung: „muaviya rohnamo 2“) als einer der Moderatoren des Kanals „Wegweiser nach Transoxanien“ eingesetzt. Über diesen Kanal, den R2. im Dezember 2018 als Nachfolger von „Transoxanien Transoxanien“ eingerichtete hatte, wurden noch bis Mitte Oktober 2019 Nachrichten ausgetauscht. Der regelmäßige Wechsel der Kanäle durch das Online-Netzwerk der IS-Provinz Khorasan trotz gleichbleibender Inhalte sollte etwaige Löschungen und Sperrungen durch den Messengerdienst Zello oder staatliche Stellen verhindern.
109Der Angeklagte A. prüfte als Moderator der Zello-Kanäle die Inhalte der geteilten Nachrichten und Kommentare und ging im Rahmen der ihm durch die Vertreter des IS eingeräumten administrativen Rechte gegen Zello-Nutzer vor, die in den Kanälen IS-kritische oder der IS-Ideologie entgegenstehende Nachrichten und Kommentare verbreiteten.
110Der aus Nangarhar operierende tadschikische Staatsangehörige R2. alias Muawiya/Muaviya war ein bedeutender Kommandeur der IS-Provinz Khorasan und Anführer der Zentralasiaten beim IS. Er war Mitglied im Schura-Rat der IS-Provinz, rekrutierte tadschikischstämmige Mitglieder für die Vereinigung und beteiligte sich an der Verbreitung von IS-Propaganda.
111Dem Angeklagten A. waren zum Zeitpunkt seiner Bestellung als Moderator durch R2. dessen Aufenthalt in Afghanistan und dessen herausgehobene Position innerhalb des IS bekannt.
Der Angeklagte A. programmierte spätestens ab April 2018 eine App für Mobiltelefone, mittels derer er in Absprache mit dem IS-Führungsmitglied Y1. die Ideologie des IS unter tadschikischsprachigen Muslimen verbreitete. Die Inhalte der „Umma“-App bestückte der Angeklagte A. nach Vorgabe und in enger Abstimmung mit X1. Y1.. Hierfür übersandte Y1. dem Angeklagten Gebete und radikalislamische Glaubensinhalte, die der Angeklagte weisungsgemäß in die App integrierte.
113Nach Fertigstellung der App mit dem Namen „Umma“ (auf Deutsch: „Gemeinschaft der Gläubigen“) im Juli 2018 entwickelte er deren Funktionalität und Inhalte bis März 2019 kontinuierlich weiter.
Neben der textlichen Darstellung salafistisch-jihadistischer Gebete und Glaubensinhalte im Sinne der IS-Ideologie enthielt die App eine Chatfunktion, die dem Nutzer die Möglichkeit bot, sich mit anderen Anhängern der IS-Ideologie zu vernetzen. Außerdem ermöglichte die App, Inhalte über andere Messenger, wie beispielsweise WhatsApp, zu verbreiten. Unter der Rubrik „Gutes Tun“ wurden die Nutzer aufgefordert, Spenden über den russischen Zahlungsdienstleister Qiwi zugunsten des App-Betreibers zu leisten. Die Rubrik „Kontakt mit uns“ enthielt eine E-Mail-Adresse, die eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Angeklagten A. ermöglichte. Schließlich konnten die Nutzer unter der Rubrik „Unterrichtsraum“ im Rahmen eines Online-Tests ihre Kenntnisse salafistisch-jihadistischer Glaubensinhalte prüfen.
Die „Umma“-App wurde von Juli 2018 bis März 2019 über den Google Play-Store, den offiziellen App-Store für das Android-Betriebssystem, kostenfrei angeboten. Von dort lud sich auf Empfehlung des Angeklagten A. mindestens ein Zellenmitglied die App herunter und nutzte sie. Sie kann auch heute noch im Internet über sogenannte APK-Mirror-Seiten bezogen werden.
Der Angeklagte A. lernte den gesondert verfolgten Z1. Anfang Dezember 2018 kennen, als ihn die Angeklagten C. und E. zu einem Treffen mit Z1. in dessen Wohnung mitnahmen. Der tadschikische Staatsangehörige Z1. befürwortete ebenso wie die Angeklagten A., C. und E. die Ideologie des IS. Bereits vor dem Treffen mit Z1. hatten die vorgenannten Angeklagten den Plan gefasst, auf Seiten des IS die tadschikische Regierung mit Waffengewalt zu bekämpfen und so zu der Errichtung eines islamischen „Gottesstaates“ in Tadschikistan beizutragen. Nach ihrer zutreffenden Auffassung unterdrückte die tadschikische Regierung dort strenggläubige Muslime und verhinderte, dass sie ihren Glauben ausleben konnten. Zur Erreichung des Ziels der Errichtung eines islamischen „Gottesstaates“ in Tadschikistan beabsichtigten sie, den bestehenden Kontakt des Angeklagten A. zu X1. Y1. zu nutzen und sich von diesem ideologisch unterweisen und anleiten zu lassen.
117Der Angeklagte A. stellte dem gesondert verfolgten Z1. diesen Plan bei dem etwa zweistündigen Treffen in Anwesenheit der Angeklagten C. und E. vor, beantwortete die Fragen des Z1. und forderte ihn schließlich auf, sich ihnen anzuschließen. Nach einer mehrstündigen Bedenkzeit sagte Z1. zu, da er die Ideologie des IS teilte und ihn die Ausführungen des A. überzeugt hatten. Die Angeklagten A., C. und E. sowie der gesondert verfolgte Z1. gründeten daraufhin eine Gruppe, in der sie ihre Teilnahme am Jihad im Sinne des bewaffneten Kampfes gegen „Ungläubige“ in der IS-Provinz Khorasan vorbereiten wollten.
Nach der Rekrutierung des gesondert verfolgten Z1. schlossen sich neben A., C. und E. weitere in Nordrhein-Westfalen lebende tadschikische Staatsangehörige dieser Gruppe an: Der Angeklagte F. wurde spätestens bis Ende Dezember 2018 Teil der Gruppe, der Angeklagte B. tat es ihm bis spätestens 16. Januar 2019 gleich. B. war mit Z1. bereits seit seiner Jugendzeit in Tadschikistan befreundet. F. stand mit dem Angeklagten E. spätestens seit Juli 2018 in freundschaftlichem Kontakt. Im Februar 2019 nahm die Gruppe mit dem gesondert verfolgten T2. einen weiteren tadschikischen Staatsangehörigen auf. F., B. und T2. teilten die radikalislamische Gesinnung der übrigen Zellenmitglieder und befürworteten ebenfalls die Ideologie des IS.
Der Angeklagte A. richtete zum Zwecke der konspirativen Kommunikation mit dem IS-Mitglied X1. Y1. am 25. Dezember 2018 für die Gruppe einen geschlossenen Zello-Gruppenchat ein und fügte sukzessive die Zello-Accounts des Y1. (Zello-Nutzername: „usto1984“, auf Deutsch: „Lehrmeister1984“) sowie der Angeklagten F., C. und E., der gesondert verfolgten Z1. und T2. sowie des nicht identifizierten Nutzers „zamin1“ als Teilnehmer hinzu.
Ab Januar 2019 nahmen die Angeklagten F., A., C., B. und E. im Rahmen dieses Chats an ideologischen Schulungen des Y1. teil. Im März 2019 setzte dieser seine ideologischen Schulungen der Angeklagten und der übrigen Gruppenmitglieder in anderen Chatgruppen der App Zello unter einem neuen Nutzernamen („muhib_1980“) fort.
121Mittels der Zello-App kommunizierte X1. Y1. von Afghanistan aus mit der Gruppe durch Sprachnachrichten in regelmäßigen „Live-Chats“. Zu den Schulungen schalteten sich die Angeklagten über ihre jeweiligen Mobiltelefone einzeln zu oder trafen sich mit anderen Gruppenmitgliedern und nahmen über einen gemeinsam genutzten Zello-Account eines Gruppenmitglieds am „Unterricht“ teil. In den Schulungen festigte Y1. die ideologischen Grundlagen der Angeklagten und der weiteren Gruppenmitglieder und unterwies sie in der jihadistischen Ideologie des IS. Die Chatteilnehmer ließen sich die radikalislamische Glaubensauslegung und die jihadistische Ideologie des IS vermitteln sowie Fragen zur Auslegung von Koranstellen und dem „richtigen“ Verhalten in Alltags- und Familienfragen im Sinne der IS-Ideologie beantworten. Dabei bestärkte Y1. die Gruppe in ihrer Vorstellung, sich auf Seiten des IS am bewaffneten Jihad in Tadschikistan zu beteiligen. In der Schulung am 2. März 2019 wies er die Zelle außerdem an, einen „Emir“ als offiziellen Vertreter seiner Person zu wählen, um eine hierarchische Gruppenstruktur im Sinne des IS zu schaffen.
122Den Angeklagten und den übrigen Gruppenmitgliedern waren der damalige Aufenthaltsort des Y1. und dessen herausgehobene Stellung innerhalb des IS bekannt.
123Der Angeklagte F. nahm mindestens am 12. Januar, 1., 6., 14. und 16. Februar sowie am 2., 7., 10., 11. und 13. März 2019 an den Schulungen des X1. Y1. teil, der Angeklagte A. mindestens am 12. Januar, 1., 6. und 16. Februar sowie am 2., 7., 10., 11. und 13. März 2019, der Angeklagte C. mindestens am 12. Januar, 6. und 14. Februar sowie am 2. und 13. März 2019. Der Angeklagte B. nahm mindestens einmal im Januar sowie einmal Anfang Februar 2019 an den Schulungen teil. Der Angeklagte E. nahm mindestens am 12. Januar, 6., 14. und 16. Februar sowie am 2., 7., 10., 11. und 13. März 2019 teil.
124Die Angeklagten F., C., B. und E. waren spätestens beginnend mit ihrer ersten Teilnahme am 12. Januar 2019 beziehungsweise im Januar 2019 entschlossen, sich unter Eingliederung in ihre Organisation dem Willen der terroristischen Vereinigung IS unterzuordnen und ihre Ziele zu fördern, womit Y1. im Namen des IS einverstanden war.
125Die ideologischen Schulungen endeten spätestens im April 2019 durch den Tod des X1. Y1., der bei einem Feuergefecht in der Provinz Nangarhar verstarb.
Beim Paintball handelt es sich um einen Mannschaftssport, der einen militärischen Kampf simuliert. Die Teilnehmer schießen dabei mit Patronen aufeinander, die mit Farbe gefüllt sind. Die Angeklagten F., A., C. und E. übten durch das Paintball-Training Kampftaktiken für den bewaffneten Jihad des IS ein und stärkten ihre Zusammengehörigkeit als Gruppe.
127Der Angeklagte F. beteiligte sich an der Organisation eines Paintball-Trainings der Zelle am 13. Januar 2019 in Rheine, an dem neben F. die Angeklagten A., C., E. und weitere Personen aus dem radikalislamischen Bekanntenkreis des F. teilnahmen. Zu einer weiteren simulierten Kampfübung der Gruppe am 16. Februar 2019 verabredeten sich die Angeklagten C. und E. mit dem gesondert verfolgten Z1.
128Den Vorschlag zu einem Paintball-Training im März 2019 lehnten die Angeklagten F. und E. ab, weil sie es für sinnvoller hielten, das Geld für den Eintrittspreis zu sparen, um dieses dem IS zuzuwenden.
Den Auftrag zu der Begehung des Mordes in Albanien erhielt der Angeklagte B. mittelbar durch einen Finanzagenten des IS, den der gesondert verfolgte Z1. über das führende IS-Mitglied U2. kennengelernt hatte:
130Seit dem 14. Januar 2019 stand der gesondert verfolgte Z1. mittels der Kommunikations-App Telegram in Kontakt mit U2. alias „Abu Fatima“, Kontaktname @Shaa_fa. Bei dem aus der russischen Kaukasusrepublik Dagestan stammenden U2. handelte es sich um ein Führungsmitglied des IS, das sich seit 2015 im Herrschaftsgebiet des IS in Syrien aufhielt und dort als „Emir“ administrative Aufgaben wahrnahm. Zu seinen Aufgaben gehörte das Einwerben von Spenden für den IS, insbesondere aus dem russischsprachigen Ausland. Daneben rekrutierte er im Auftrag des IS durch Chat-Kommunikation Personen für die Begehung von Anschlägen für den IS und leitete sie entsprechend an. U2. hatte unter anderem im Jahr 2017 den Stockholm-Attentäter Rakhmat Akilov per Telegram-Chat vor seinem jihadistisch motivierten Anschlag des IS am 7. April 2017 und währenddessen angeleitet. Auch den gesondert verfolgten Z1. forderte er zur Begehung jihadistischer Anschläge in Deutschland und Europa auf.
131Für die Abwicklung eines Geldtransfers an den IS hatte U2. dem Z1. in einem Telegram-Chat vom 25. Januar 2019 den Telegram-Account des nicht näher identifizierten V2. mitgeteilt. V2. war ein in Istanbul ansässiges IS-Mitglied, das als Finanzagent unter anderem die Weiterleitung sogenannter Spenden aus der Türkei in das Herrschaftsgebiet des IS nach Syrien organisierte.
132Am 1. Februar 2019 fragte V2. den gesondert verfolgten Z1. mittels Telegram, ob er sich an einem mit 40.000 US-Dollar dotierten Auftragsmord beteiligen wolle. Zielperson war aus nicht näher bekannten Gründen ein albanischer Manager einer Mineralölgesellschaft aus Tirana namens W2. Nach Vorgabe des V2. sollte der hälftige Erlös von 20.000 US-Dollar dem IS in Syrien zugutekommen, während die andere Hälfte an die Tatausführenden fließen sollte. Z1. erklärte sich hiermit sofort einverstanden und übernahm den Auftrag.
133Da Z1. den Auftrag in Begleitung einer ihm vertrauten Person ausführen wollte, wandte er sich an den Angeklagten B. und bat ihn, sich an der Tat zu beteiligen. Der Angeklagte B. erklärte sich im Einvernehmen mit V2. einverstanden, den Auftragsmord gemeinsam mit Z1. vorzubereiten und auszuführen, um die Ziele des IS durch die finanzielle Unterstützung zu fördern.
134Im Zuge der Vorbereitungen vermittelte V2. dem Angeklagten B. und dem gesondert verfolgten Z1. den Kontakt zu dem nicht identifizierten „Abu Hamza“. Dieser organisierte im Auftrag des IS die Reise des B. und des Z1. nach Albanien sowie ihren dortigen Aufenthalt.
Am 17. Februar 2019 fuhren der Angeklagte B. und der gesondert verfolgte Z1. mit einem Pkw in die österreichische Stadt Linz, wo sie von dem Tschetschenen X2. in Empfang genommen wurden. Am Folgetag traten sie mit einer weiteren tschetschenischstämmigen Person namens Y2. in dessen Pkw die Reise nach Albanien an, während X2. in Österreich blieb. Vor der Weiterfahrt gab X2. dem Y2. eine Pistole, die er für die Ermordung des W2. organisiert hatte. Hiervon wussten auch der Angeklagte B. und der gesondert verfolgte Z1.
136Der Angeklagte B., Z1. und Y2. trafen am 19. Februar 2019 in Tirana ein. Die Pistole hatte Y2. versteckt in seinem Pkw nach Albanien mitgenommen.
137An den folgenden Tagen observierte die dreiköpfige Gruppe den W2. arbeitsteilig beim Verlassen seiner Wohnung und seines Geschäftssitzes sowie bei verschiedenen Besuchen von Restaurants und Cafés. Dabei fotografierte der Angeklagte B. die Fahrzeuge der Zielperson und übersandte die Lichtbilder an Z1. Außerdem besprach B. mit Z1. konkrete Szenarien, bei welcher Gelegenheit und auf welche Weise sie die Zielperson töten könnten. Dabei erwogen sie auch die Tötung mit einem Butterflymesser.
Der Angeklagte B. und der gesondert verfolgte Z1. entschieden schließlich in Absprache mit „Abu Hamza“, den W2. am Abend des 24. Februar 2019 nach einem Restaurantbesuch zu töten. Hierfür bewaffnete sich Z1. mit dem Butterflymesser, während Y2. die Pistole in seiner Kleidung versteckte. Beim Eintreffen des W2. in dem Restaurant kamen ihnen jedoch Zweifel, ob es sich bei der erschienenen Person tatsächlich um W2. handelte oder um einen ähnlich aussehenden Mann. Da sie hierüber keine Gewissheit erlangen konnten, entschied der gesondert verfolgte Z1., den Mord nicht auszuführen. Der Angeklagte B. und Y2. brachen das Vorhaben daraufhin ebenfalls ab. Die dreiköpfige Gruppe fuhr am selben Abend mit dem Pkw des Y2. zurück nach Österreich.
In einem Zello-Gruppenchat am 2. Marz 2019 diskutierten die Angeklagten F., A., C. und E. mit X1. Y1. und den weiteren Zellenmitgliedern Z1. und T2. die Umsetzung des bewaffneten Jihads im Sinne des IS.
140Ausgangspunkt der Aussprache war die Forderung des Angeklagten A., die Teilnahme der Gruppe am bewaffneten Jihad des IS in Tadschikistan durch die Bildung finanzieller Rücklagen vorzubereiten. Dies nahm Z1. zum Anlass, stattdessen unter Bezugnahme auf die Forderung U2.s für eine Teilnahme der Gruppe am bewaffneten Jihad in Deutschland und Europa zu plädieren. In der weiteren Diskussion unterstützte der Angeklagte A. den zugeschalteten Y1. in dessen Auffassung, wonach die Teilnahme am Jihad in Tadschikistan für die Zellenmitglieder weiterhin vordringlich sei, während sich der Angeklagte C. dazu ablehnend äußerte. Die Angeklagten E. und F. zeigten
141sich für beide Möglichkeiten offen. E. schlug vor, die Zeit bis zur Ausreise nach Tadschikistan für jihadistische Anschläge aus dem Hinterhalt zu nutzen. Der Angeklagte F. erklärte ebenfalls seine Bereitschaft zu jihadistischen Anschlägen in Deutschland. Vor dem Hintergrund dieser Äußerungen sagte Y1. der Gruppe schließlich auch seine Unterstützung für Anschläge in Deutschland zu.
Am 3. März 2019 setzten die Angeklagten F., A., C. und E. ihre Überlegungen bei einem persönlichen Treffen in der Wohnung des gesondert verfolgten Z1. mit dem per Zello-Chat zugeschalteten X1. Y1. fort. Im Ergebnis dieses Treffens setzte sich die Auffassung durch, jihadistische Anschläge für den IS zunächst in Deutschland zu verüben und daneben weiter die Teilnahme am bewaffneten Kampf des IS in Tadschikistan vorzubereiten.
Die Angeklagten A. und E. sowie ein weiteres Zellenmitglied begannen nach dem Treffen der Gruppe vom 3. März 2019 mit ersten Vorbereitungen für einen jihadistischen Sprengstoffanschlag in Deutschland.
144Der gesondert verfolgte T2. speicherte am 4. März 2019 eine Anleitung zur Herstellung einer unkonventionellen Spreng- oder Brandvorrichtung auf eine SD-Karte oder griff an diesem Tag auf die von ihm gespeicherte Anleitung zu.
145Der Angeklagte E. stimmte am 6. März 2019 mit Laigjon einen Termin ab, um den Bau entsprechender Sprengvorrichtungen an abgelegenen Plätzen zu testen.
146Die Angeklagten A. und E. informierten sich für einen möglichen Anschlag aus der Luft über das Erlernen von Drachen- und Fallschirmfliegen und tauschten sich hierüber aus. A. übersandte E. am 5. März 2019 per SMS die Internetadresse des Deutschen Gleitschirm- und Drachenflugverbandes, die dieser nachfolgend mehrfach aufrief. Der Angeklagte E. wies außerdem seine Lebensgefährtin an, für ihn konkrete Informationen über das Drachen- und Fallschirmfliegen zu recherchieren.
Der Angeklagte E. und der gesondert verfolgte Z1. wurden am 15. März 2019 im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Schusswaffenattentates auf einen Islamkritiker in N2. (vgl. A. VII) in Untersuchungshaft genommen. Bei den Angeklagten F., A. und C. kam es am 28. und 29. März 2019 in einem anderen Ermittlungsverfahren zu vorläufigen Festnahmen, Durchsuchungen ihrer Wohnungen und Sicherstellungen. Der Angeklagte F. wurde Mitte Oktober 2019 – wie zuvor bereits der gesondert verfolgte T2. – nach Tadschikistan abgeschoben und dort inhaftiert (vgl. A. I. 5).
148Gleichwohl setzten die auf freiem Fuß verbliebenen Zellenmitglieder ihre Kontakte untereinander fort. Sie gestalteten ihre Kommunikation jedoch ab Mitte März 2019 durch Verschlüsselung und persönliche Treffen konspirativer. Die Anschlagsplanungen und Ausreisevorbereitungen nach Tadschikistan stellte die Gruppe vorerst zurück. Stattdessen stand nun die Unterstützung der inhaftierten und abgeschobenen Mitglieder im Vordergrund, um zunächst die Schlagkraft der Zelle für die Zwecke des IS wiederzuerlangen.
Der Angeklagte B. sammelte zur finanziellen Unterstützung der Gruppenmitglieder in Untersuchungshaft unter Beteiligung anderer Zellenmitglieder 100 Euro für den Angeklagten E. und 140 Euro für den gesondert verfolgten Z1. Zum Zwecke der Verschleierung ließ er die Gelder jeweils durch die Zeugin Z2. überweisen. Die ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuerin des Angeklagten B. überwies die Geldbeträge nach dessen Vorgaben am 26. Juli 2019 auf das Gefangenenkonto des Angeklagten E. in der Justizvollzugsanstalt Q. und am 5. November 2019 auf das Gefangenenkonto des gesondert verfolgten Z1. in der Justizvollzugsanstalt N1.
Für den seit Mitte Oktober 2019 in tadschikischer Haft befindlichen Angeklagten F. sammelte der Angeklagte B. unter Beteiligung weiterer Zellenmitglieder ebenfalls Geld. Zusammen mit dem Erlös aus dem Verkauf des PKW des Angeklagten F. handelte es sich hierbei insgesamt um fast 7.000 Euro. Mit diesem Geld gelang es dem Angeklagten B. über Beziehungen in Tadschikistan, die Freilassung des Angeklagten F. zu erwirken.
151F. reiste daraufhin nach Albanien, um von dort seine Rückkehr nach Deutschland vorzubereiten. Der Angeklagte B. sammelte unterdessen Geld, um den Aufenthalt des Angeklagten F. in Albanien zu finanzieren und dessen Rückkehr nach Deutschland zu unterstützen. Hierfür beabsichtigte er unter anderem einen Rechtsanwalt zu vergüten, der für F. eine legale Einreisemöglichkeit nach Deutschland schaffen sollte. Zwecks Verschleierung überwies der Angeklagte B. die Gelder nicht selbst, sondern setzte hierfür Bekannte und deren Konten ein. So transferierte der zum Islam konvertierte A3. auf Weisung des Angeklagten B. am 20. März 2020 über Western Union 100 Euro an den Angeklagten F. nach Albanien. Zuvor hatte der Angeklagte B. eine Person aus dem salafistischen Bekanntenkreis des F. angewiesen, einen Geldbetrag auf das Konto des A3. zu überweisen und zur Verschleierung den Verwendungszweck „Khair Brunnen“ anzugeben.
152Der Angeklagte B. beschaffte außerdem einen gefälschten bulgarischen Personalausweis mit einem Lichtbild des Angeklagten F., um ihm notfalls eine illegale Einreise nach Deutschland zu ermöglichen.
Nach der militärischen Niederlage des IS in Syrien im März 2019 wurden Ehefrauen, Witwen und Kinder von getöteten oder gefangen genommenen IS-Kämpfern in den von kurdischen Behörden betriebenen Lagern Al-Haul und Roj in Nordsyrien interniert. Unter ihnen befanden sich mehrere Tausend weder aus Syrien noch aus dem Irak stammende ausländische Frauen und Kinder, die weiterhin der Ideologie des IS anhingen. Sie wurden aufgrund ihrer mutmaßlichen Gefährlichkeit in separaten und nach außen stärker gesicherten Teilen der beiden Lager inhaftiert. Da diese Frauen offiziell keine Zahlungen von außen in Empfang nehmen durften, gestaltete sich ihr Leben schwieriger als in den übrigen Teilen der Lager. Die lückenhaften Kontrollen in den Bereichen für ausländische Inhaftierte nutzten loyale IS-Anhängerinnen, um hier IS-eigene Strukturen aufzubauen. So betrieben sie eine eigene Religionspolizei, um Verstöße gegen Bekleidungsvorschriften und Verhaltensregeln des IS zu sanktionieren und gegen Abweichlerinnen vorzugehen. Über eingeschmuggelte Mobiltelefone verbreiteten sie Propaganda des IS und richteten Aufrufe zur finanziellen Hilfe an IS-Anhänger im Ausland.
Der Angeklagte B. stellte sich für den IS als Ansprechpartner für potentielle „Spender“ aus Deutschland und Europa zur Verfügung und koordinierte den Empfang und die Sammlung von Geldern zugunsten der Ehefrauen, Witwen und Kindern von IS-Kämpfern in syrischen Lagern. Hierfür stand er in Kontakt mit Anhängern des IS, die Gelder und Sachgüter in die Lager schmuggelten, dort an inhaftierte Angehörige von IS-Mitgliedern verteilten und Frauen aus den Lagern schleusten. Der Angeklagte B. beteiligte sich an diesen Aktivitäten, indem er anderen IS-Anhängern die von ihm eingeworbenen und gesammelten „Spenden“ zur Weiterleitung nach Syrien zur Verfügung stellte.
Im März 2020 organsierte er zu dem vorgenannten Zweck einen Transfer von 18.000 Euro Bargeld in die Türkei. Dabei setzte er für die Reise von Deutschland in die Türkei zur Verschleierung seiner Beteiligung seine türkischstämmigen Bekannten C3.und D3. als vermeintlich unverdächtige Bargeldkuriere ein. Die Tickets für die Flüge von Köln nach Istanbul und zurück ließ er über Mittelsmänner buchen. Außerdem organisierte er ihren eintägigen Aufenthalt in Istanbul und die Übergabe des Bargeldes an einen Finanzagenten namens „Abu Ismail“.
156Zur Vorbereitung des Transfers stand der Angeklagte B. seit Ende Februar 2020 über den Messengerdienst Signal mit dem nicht identifizierten „Musa“ in Kontakt. Dieser übermittelte ihm die Kontaktdaten des Finanzagenten, die der Angeklagte B. in einem Signal-Chat an D3. weiterleitete.
157C3. und D3. flogen weisungsgemäß am 6. März 2020 von Köln nach Istanbul, wo sie „Abu Ismail“ die 18.000 Euro Bargeld am selben Tag übergaben. Der Angeklagte B. wurde unterdessen durch „Musa“ fortlaufend über den Türkei-Aufenthalt der Bargeldkuriere und das Gelingen der Geldübergabe Informiert.
158Das Geld war, wie der Angeklagte B. aufgrund der konspirativen Kommunikation mit „Musa“ wusste und beabsichtigte, zur Weiterleitung an Angehörige gefangener oder gefallener IS-Kämpfer in nordsyrischen Gefangenenlagern bestimmt. Dem Angeklagten kam es darauf an, den IS durch die finanzielle Unterstützung zu stärken.
Der IS war zu Beginn des Jahres 2019 aufgrund vermehrter Verluste seiner Herrschaftsgebiete in Syrien und im Irak auch auf „Kleinstspenden“ aus Europa angewiesen, um seine Herrschaft in den verbliebenen Gebieten aufrechtzuerhalten, die Bevölkerung zu versorgen und den militärischen Kampf zu finanzieren. Vor diesem Hintergrund hatte das führende IS-Mitglied U2. die Zelle seit Mitte Januar 2019 in einem Telegram-Chat mit dem gesondert verfolgten Z1. zu schneller finanzieller Unterstützung des IS in den von der Vereinigung in Syrien noch gehaltenen Gebieten aufgefordert. U2. war als hohes IS-Mitglied im Auftrag der Gesamt-organisation unter anderem für das Einwerben und die Entgegennahme von Spendengeldern für den IS zuständig. Dies war dem gesondert verfolgten Z1. bekannt.
160U2. vermittelte Z1. am 25. Januar 2019 den Kontakt zu dem IS-Finanzagenten V2. (siehe oben unter A. IV. 8. a). Z1. begann noch am selben Tag, sich mit V2. telefonisch und per Telegram-Chat über die Möglichkeiten finanzieller Hilfe an den IS in Syrien und die Abwicklung von Geldtransfers auszutauschen.
Der von Z1. an die Gruppe weitergeleiteten Aufforderung des U2. folgend sammelten der Angeklagte B. und der gesondert verfolgte Z1. Anfang Februar 2019 bei persönlichen Treffen 400 Euro bei Zellenmitgliedern und IS-Sympathisanten. Weitere 150 Euro steuerte Z1. bei, so dass 550 Euro zusammenkamen.
162Für den Transfer des Geldes wählte die Gruppe den Angeklagten B. aus, weil dieser über ein Netzwerk von Personen verfügte, die er als Versender des Geldes vorschieben konnte.
163Am 5. Februar 2019 transferierte der Angeklagte B. den gesammelten Geldbetrag entsprechend der Weisung des V2. mittels des Finanzdienstleisters RIA an den Empfänger „E3.“ nach Istanbul. Zum Zwecke der Verschleierung gab B. als Zahlungsgrund „Familienhilfe“ an und schob seinen Bekannten B3 als Versender des Geldes vor. Das Geld wurde am Folgetag von V2. oder einem seiner Helfer in Istanbul abgeholt und von V2. in das syrische Herrschaftsgebiet des IS weitergeleitet. Dort kam das Geld bestimmungsgemäß bei U2. an.
164Dem Angeklagten B. kam es darauf an, den IS durch die Geldsammlung und den Geldtransfer an ein führendes IS-Mitglied in Syrien zu unterstützen. Die wirtschaftliche Sanktionierung des IS innerhalb der Europäischen Union war ihm bekannt.
Der Angeklagte E. erwarb am 26. Februar 2019 von dem gesondert verfolgten Z1. eine voll funktionsfähige halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Crvena Zastava“, Modell 70, Kaliber 7,65 mm Browning, die er am selben Tag von Z1. in dessen Wohnung ausgehändigt erhielt.
166Die ungeladene Schusswaffe nebst einem Schlüsselmäppchen mit 16 Stück zugehöriger Patronenmunition, Kaliber 7,65 mm Browning mit Vollmantelrundkopfgeschossen, verwahrte er jedenfalls am 15. März 2019 in seiner damaligen Wohnung in N2., wo sie bei der Durchsuchung im Wohnzimmer aufgefunden und sichergestellt wurde.
167Der Angeklagte E. plante, die Pistole nebst Munition für jihadistische Anschläge im Sinne der IS-Ideologie zu nutzen. Er verfügte – wie er wusste – weder über die erforderliche Erlaubnis zum Erwerb einer solchen Pistole noch zum Besitz der Pistole und der Munition.
Der in N2. wohnhafte iranischstämmige F3. war vom schiitisch-muslimischen Glauben zum Christentum konvertiert und betrieb auf der Internetplattform YouTube den deutschsprachigen Kanal „Ex-Muslime klären auf TV“. In seinen Videos setzte er sich kritisch, teilweise auch stark provozierend mit dem Koran und dem Propheten Mohammad auseinander. Deswegen war er in der Vergangenheit bereits mehrfach Bedrohungen ausgesetzt gewesen.
169Der Angeklagte E. war Anfang März 2019 im Internet auf die Videos des ihm persönlich unbekannten Islamkritikers gestoßen und hatte ihn allein aufgrund seiner Äußerungen auf YouTube als geeignetes Ziel für ein jihadistisches Attentat des IS ausgewählt.
Um seine Planung durch den IS billigen zu lassen, tauschte sich der Angeklagte E. hierüber vom 7. bis 9. März 2019 in einem Zello-Einzelchat mit dem führenden IS-Mitglied X1. Y1. (Zello-Account: „muhib_1980“) aus und leitete ihm den Link zu einem Video des F3 weiter. In dem Chat kündigte E. an, F3. ermorden und hiervon mit Hilfe des Angeklagten A. ein propagandistisches Video drehen und veröffentlichen zu wollen, um damit andere „Ungläubige“ abzuschrecken. Y1. sah sich das mit dem Link verknüpfte Video des F3. an und wies den Angeklagten E. an, „diesen Gottlosen wie einen Esel hinzuschlachten“. Er forderte E. außerdem auf, ihm nach der Ermordung ein Video oder Fotos von dem Leichnam des F3. zu schicken. Aus diesem Bildmaterial werde er – zusammen mit Aufnahmen des F3. vor dem Anschlag – ein Propaganda-Video erstellen und anschließend im Namen des IS im Internet verbreiten. Der Angeklagte E. sagte Y1. die Ausführung des Attentats zu. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war er fest entschlossen, den Islamkritiker zu töten.
171Der geplante Anschlag auf F3. war wegen dessen islamkritischer Äußerungen und der beabsichtigten medialen Verbreitung der Tat durch den IS geeignet und dazu bestimmt, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, indem er das Vertrauen der Bevölkerung erschütterte, in der Ausübung der Meinungs- und Religionsfreiheit und vor gewaltsamen Übergriffen geschützt zu sein. Dies wusste und beabsichtigte der Angeklagte E.
Um die Wohnanschrift des F3. in Erfahrung zu bringen, nahm der Angeklagte E. Kontakt zu seinem Bekannten G3, auf, der wusste, wann F3. ein bestimmtes Fitnessstudio in N2. besuchte. Als F3. am Vormittag des 14. März 2019 in dem Fitnessstudio erschien, informierte G3. den Angeklagten E. absprachegemäß darüber. Mit Unterstützung des G3. passte der Angeklagte den Pkw des F3. beim Verlassen eines Parkhauses ab und folgte ihm mit seinem Pkw für knapp 15 Minuten, ohne dass F3. dies bemerkte. Als der Angeklagte E. an einer roten Ampel halten musste, verlor er den Pkw des F3. aus den Augen und brach die Verfolgung daher ab. Er beabsichtigte, diese am nächsten Tag mit Hilfe des G3. erneut aufzunehmen.
Bereits am 13. und 14. März 2019 hatte der Angeklagte E. telefonisch Kontakt zu dem gesondert verfolgten Z1. aufgenommen, der in Besitz einer voll funktionsfähigen halbautomatischen Selbstladepistole der chinesischen Marke „Norinco“, Fabrikat NP44, Kaliber .45 ACP, mit Schalldämpfer war. Der Angeklagte E. führte die Telefonate mit Z1. über den Kauf der Pistole zum Teil während der Verfolgung des F3. Der Angeklagte E. beabsichtige, die Waffe von Z1. für das jihadistische Schusswaffenattentat auf den Islamkritiker zu erwerben, da er sie aufgrund ihres größeren Kalibers und der Ausstattung mit einem Schalldämpfer für geeigneter hielt als die Pistole, die er bereits besaß (vgl. A. VI). Der zu der Waffe „Norinco“ passende Schalldämpfer sollte es dem Angeklagten E. zudem ermöglichen, F3. möglichst unauffällig zu töten.
Am Nachmittag des 14. März 2019 besuchte der Angeklagte E. den gesondert verfolgten Z1. nach vorheriger telefonischer Verabredung in dessen Wohnung. Dort präsentierte Z1. ihm die Pistole „Norinco“ mit dem Schalldämpfer. Der Angeklagte war von der Waffe begeistert, inspizierte sie eingehend und zerlegte sie testweise. Beide einigten sich auf einen Kaufpreis von 2.100 Euro. Der gesondert verfolgte Z1. übergab dem Angeklagten E. die Pistole in einem Pistolenkoffer zur Mitnahme, obwohl der Angeklagte E. den Kaufpreis an diesem Tag nicht bezahlen konnte. E. legte den Koffer mit der Pistole für die verbleibende Dauer des Besuchs unter dem Couchtisch ab. Eine für den Erwerb der Selbstladepistole erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis besaß er, wie er wusste, nicht.
175Kurz nach Mitternacht zum 15. März 2019 wurde der Angeklagte E. gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Z1. und dem Zeugen H3. in der Wohnung des Z1. festgenommen. Unter dem Couchtisch im Wohnzimmer fand sich auf einer Ablage der von dem Angeklagten E. dort zur späteren Mitnahme abgestellte Pistolenkoffer samt Pistole.
Die Angeklagten B., A. und F. haben im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung jeweils von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht und sich weder zu ihrer Person noch zur Sache eingelassen.
Der Angeklagte C. hat sich erstmals in der Hauptverhandlung zu seinen persönlichen Verhältnissen und dem Tatgeschehen geäußert. Am 43. Hauptverhandlungstag, mehr als zehn Monate nach Beginn der Hauptverhandlung und nach Abschluss der durch den Senat geplanten Beweisaufnahme, hat er sich eine Erklärung seiner Verteidiger als Einlassung zu Eigen gemacht. Fragen der Verfahrensbeteiligten hierzu hat er nicht beantworten wollen. Der Angeklagte C. hat seine objektiven Tatbeiträge – mit Ausnahme seiner Teilnahme am Paintball-Training – im Wesentlichen eingeräumt, eine Verbindung der Gruppe und seiner Handlungen zu der terroristischen Vereinigung IS aber bestritten.
Der Angeklagte E. hat sich im Ermittlungsverfahren in einer Beschuldigtenvernehmung am 15. März 2019 erstmals zur Sache geäußert. Er hat dabei bestritten, in der Nacht vom 14. auf den 15. März 2019 eine Schusswaffe in der Wohnung des gesondert verfolgten Z1. erworben und übergeben erhalten zu haben. Er habe allerdings gewusst, dass sich dort eine Waffe befunden habe, sich dafür aber nicht interessiert und die Waffe auch nicht gesehen. Auf Vorhalt, im Rahmen der Durchsuchung seiner Wohnung sei eine weitere Schusswaffe gefunden worden, gab der Angeklagte E. an, die Pistole „Crvena Zastava“ vor einem Kiosk in Q. gefunden zu haben. Aufgrund fehlender Deutschkenntnisse habe er diese nicht bei der Polizei abgegeben.
179In der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte E. am 42. Hauptverhandlungstag eine Erklärung seines Verteidigers zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu dem Tatgeschehen als Einlassung zu Eigen gemacht, ohne Fragen der Verfahrensbeteiligten hierzu zu beantworten. Darin hat er sich hinsichtlich der objektiven Tatbeiträge im Wesentlichen geständig eingelassen, einen Bezug seiner Handlungen zum IS und die Beteiligung an einer Zelle des IS aber bestritten. Außerdem hat er eingeräumt, er habe den Islamkritiker F3. wegen dessen islamfeindlicher Internetaktivitäten erschießen wollen. Von dieser Planung habe er aber freiwillig und endgültig Abstand genommen, als für ihn die Gelegenheit zur Ausführung des Attentates bestanden habe.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen hat der Angeklagte C. Angaben gemacht, die der Senat den hierzu getroffenen Feststellungen (A. I. 2) zugrunde gelegt hat. Ergänzend zu den Feststellungen hat er behauptet, als Anhänger einer oppositionellen Partei in Tadschikistan verhaftet, misshandelt und erpresst worden zu sein.
Der Angeklagte C. hat behauptet, der gesondert verfolgte Z1. habe die Angeklagten bewusst wahrheitswidrig belastet, um selbst eine mildere Strafe zu erhalten. Darüber hinaus sei das persönliche Verhältnis zwischen ihnen angespannt gewesen, der gesondert verfolgte Z1. habe ihn – den Angeklagten C. – zuletzt regelrecht gehasst (vgl. B. V).
In Abrede gestellt hat der Angeklagte, dass es sich bei dem Chat um ideologische Schulungen des IS handelte. Vielmehr sei in dem Chat religiöser Unterricht abgehalten worden. Ein Plan, für den bewaffneten Jihad nach Tadschikistan zurückzukehren, habe nicht bestanden.
183Der Angeklagte C. hat ferner bestritten, einer Zelle des IS angehört zu haben. Seine Verbindung zu den Mitangeklagten sowie den gesondert verfolgten T2. und Z1. sei rein freundschaftlicher Natur unter „Landsleuten in der Fremde“ gewesen.
Die Angaben des Angeklagten F. zu seiner Person hat der Senat den hierzu getroffenen Feststellungen (A. I. 4) zugrunde gelegt.
Bestritten hat er, dass es sich hierbei um ideologische Schulungen des IS handelte. Auch habe er keiner Zelle des IS angehört. Er habe schon nicht gewusst, dass Y1. IS-Mitglied war oder überhaupt Verbindungen zum IS hatte. Y1. habe in den Chats die Vorgehensweise des IS erheblich kritisiert.
Bestritten hat der Angeklagte, er oder Mitangeklagte hätten jihadistische Anschläge in Deutschland befürwortet oder gar die Absicht ihrer Beteiligung an derartigem Vorgehen erklärt. Lediglich der gesondert verfolgte Z1. habe aus Angst, nach Tadschikistan zurückzukehren, für Anschläge in Deutschland plädiert.
Mit dem gesondert verfolgten T2. habe er am 6. März 2019 codiert über eine Waffe – nicht aber über Sprengstoff oder eine Sprengvorrichtung – gesprochen.
188Die Einholung von Informationen zum Erlernen von Drachen- und Fallschirmfliegen hat der Angeklagte E. eingeräumt, dazu jedoch erklärt, er habe sich dafür nur zur Gestaltung seiner Freizeit interessiert.
Der Angeklagte E. hat den Erwerb der Pistole „Crvena Zastava“ ebenso wie das Verwahren der Schusswaffe samt Munition in seiner Wohnung – ohne Besitz der erforderlichen Erlaubnis – eingeräumt (A. VI). Hierzu hat er erklärt, er habe die Pistole nicht für jihadistische Anschläge erworben, sondern aus Sorge um seine Familie vor dem Hintergrund eines Konfliktes zwischen Tadschiken und Kaukasiern.
Den Plan, den ihm persönlich unbekannten Islamkritiker F3. wegen dessen Internetvideos zu töten, hat der Angeklagte E. eingeräumt (A. VII. 1).
191Bestritten hat der Angeklagte, den Attentatsplan mit X1. Y1. besprochen zu haben (A. VII. 2). In seinem Einzelchat mit Y1. hätten sie vielmehr Bildaufnahmen eines bereits verstorbenen, antiislamischen Dichters thematisiert.
192Die Verfolgung und Beobachtung des Islamkritikers (A. VII. 3) hat der Angeklagte E. eingeräumt. Abweichend von den getroffenen Feststellungen hat er behauptet, er habe F3. am 14. März 2019 mit der geladenen Pistole „Crvena Zastava“ weiter verfolgt und dessen Pkw später auch an einer für ein Schusswaffenattentat geeigneten Stelle wiedergefunden. In dieser Situation habe er gleichwohl endgültig beschlossen, den Islamkritiker nicht zu töten und von seinem Vorhaben Abstand genommen.
193Die Vorbereitung des Waffengeschäfts sowie das Treffen zu der Übergabe der Pistole in der Wohnung des gesondert verfolgten Z1. am Abend des 14. März 2019 hat der Angeklagte E. eingeräumt (A. VII. 4. und 5). In Abrede gestellt hat er, die Pistole „Norinco NP44“ erworben und übergeben erhalten zu haben. Er habe die Pistole nicht gekauft, weil sie ihm „nicht hochwertig“ erschienen sei. Z1. habe die Pistole noch am selben Abend telefonisch einem anderen Käufer veräußert, den er – E. – nicht gekannt habe.
a. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten B. (A. I. 1) beruhen zunächst auf mehreren Übersetzungen tadschikischer Dokumente, darunter die Geburtsurkunde und das Universitätsdiplom des Angeklagten, sowie weiteren Urkunden aus seinem Asylverfahren, darunter der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. November 2017.
195Die familiären Verhältnisse und beruflichen Aktivitäten des Angeklagten B. im Vorfeld seiner Einreise nach Deutschland hat der Senat seinen Angaben in der Asylanhörung vom 4. September 2017 entnommen, die der Zeuge I3. vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge glaubhaft wiedergegeben hat.
196Soweit der Zeuge I3. darüber hinaus die Angaben des Angeklagten in der Asylanhörung zu dessen angeblicher Verfolgung durch staatliche tadschikische Stellen wiedergegeben hat, hat der Senat hierauf keine Feststellungen gestützt. Nach Bekunden des Zeugen hat der Angeklagte B. im Rahmen der asylrechtlichen Anhörung am 4. September 2017 behauptet, er sei wegen einer Mitgliedschaft in der oppositionellen „Gruppe 24“ in Tadschikistan zweimal durch Sicherheitsbehörden verhaftet und gefoltert worden. Der Senat hat Zweifel an dieser auch durch die Verteidigung des Angeklagten im Rahmen von Beweisermittlungs- und Beweisanträgen behaupteten Darstellung. Die Ziele der „Gruppe 24“ hat der Angeklagte B. mit einem Hinweis auf „Freiheit und Demokratie“ nach der glaubhaften Schilderung des Zeugen I3. nur sehr pauschal anzugeben vermocht. Nach den glaubhaften Angaben des Vernehmungsbeamten KOK J3. hat überdies ein Bekannter des Angeklagten B. namens K3. im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung glaubhaft bekundet (vgl. B. VI. 6. b. aa), B. habe die „Gruppe 24“ verachtet, weil sie nur oppositionell, nicht aber islamisch ausgerichtet gewesen sei. Objektive Beweismittel, die die Verfolgung und Folterung des Angeklagten B. in Tadschikistan hätten belegen können, konnten nicht ermittelt werden. Seine in Deutschland behandelten psychiatrischen Beschwerden können – soweit sie tatsächlich bestanden haben – andere Ursachen haben.
197Die Feststellungen zu seinen familiären Verhältnissen, den beruflichen Aktivitäten nach dem Umzug in die Stadt L3. sowie zu der Radikalisierung beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin Z2., in deren Haushalt der Angeklagten zeitweise gelebt hat. Die Zeugin hat insbesondere die religiöse Radikalisierung des Angeklagten ab dem Jahr 2017 wie festgestellt beschrieben.
198Die Festnahme des Angeklagten B. und der Verlauf der Untersuchungshaft sind durch den polizeilichen Ermittlungsführer EKHK M3. dargelegt worden.
199Dass der Angeklagte B. in Deutschland strafrechtlich nicht vorbelastet ist, ergibt sich aus der Auskunft des Bundeszentralregisters vom 22. November 2021.
200b. Die Feststellungen zu der psychiatrischen Behandlung des Angeklagten B. basieren auf den glaubhaften Angaben des im Kreisklinikum B2. tätigen Diplom-Heilpädagogen N3. Der Zeuge hat seine Behandlung des Angeklagten anhand der Behandlungsunterlagen der Klinik detailliert nachgezeichnet. Anhaltspunkte für eine geistige oder körperliche Erkrankung des Angeklagten im Tatzeitraum haben sich daraus nicht ergeben. Der Zeuge N3. hat vielmehr glaubhaft bekundet, die psychiatrische Behandlung im Kreisklinikum B2. sei im März 2018 erfolgreich beendet worden. Weder er noch der Angeklagte hätten Bedarf für eine Weiterführung der Behandlung gesehen. Anhaltspunkte für eine Fortsetzung der psychiatrischen Behandlung in einer anderen Praxis oder Klinik hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.
201Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten B. beruhen auf dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. O3.. Der Sachverständige hat keine Hinweise dafür gefunden, dass der Angeklagte aufgrund seiner psychischen Probleme zum Zeitpunkt der festgestellten Taten unter einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer anderen seelischen Störung gelitten hat, die seine Einsicht- oder Handlungsfähigkeit eingeschränkt haben könnten.
202Der Senat hat nach eigener Würdigung keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Wertungen des Sachverständigen. An der Sachkunde von Prof. Dr. med. O3., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, bestehen keine Zweifel. Er hat in zahlreichen Verfahren psychiatrische Gutachten für den Senat erstattet und verfügt über eine herausragende forensische Erfahrung und Kompetenz. Das durch den Sachverständigen am 24. Hauptverhandlungstag erstattete Gutachten erfüllt ebenso wie die – das Ergebnis des Ursprungsgutachtens bestätigende – ergänzende Beurteilung weiterer Anknüpfungstatsachen am 45. Hauptverhandlungstag die formalen und inhaltlichen Anforderungen an psychiatrische Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 20 Rn. 64 ff.). Dass der Sachverständige – mangels Einverständnisses des Angeklagten – keine Exploration und/oder Untersuchung des Angeklagten B. vornehmen konnte, begründet keinen Mangel des Gutachtens. Prof. Dr. med. O3. hat sich für sein Gutachten ausführlich mit Dokumenten aus der Akte auseinandergesetzt. Nachdem der Angeklagte seine Behandler zum Teil von deren Schweigepflicht entbunden hatte, hat sich der Sachverständige für die ergänzende Begutachtung zusätzlich mit Behandlungsunterlagen des Angeklagten aus dem Kreisklinikum B2., der Krankenakte der Justizvollzugsanstalt und den Angaben des Zeugen N3., der in Anwesenheit des Sachverständigen vernommen wurde, auseinandergesetzt.
203Der Sachverständige hat zunächst in sich schlüssig dargelegt, der Angeklagte B. habe – entgegen der Behauptung seiner Verteidiger – im Tatzeitraum ab Januar 2019 nicht unter einer schweren depressiven Krankheitsepisode gelitten, die unter anderem mit erheblichen Antriebs- und Konzentrationsstörungen einhergehe. Die Behandlungsunterlagen des Kreisklinikums B2. und die Angaben des Zeugen N3. ließen nach Angaben von Prof. Dr. med. O3. allenfalls auf eine reaktive depressive Verstimmung im Zeitraum von 2015 bis längstens Anfang 2018 schließen. Der Sachverständige hat hierzu nachvollziehbar erläutert, während der letzten drei Behandlungsgespräche des Angeklagten mit dem Zeugen N3. im Frühjahr 2018 habe keine depressive Symptomatik bestanden; deshalb sei die Behandlung im März 2018 beendet und in der Folgezeit auch nicht wieder aufgenommen worden. Anhaltspunkte für eine depressive Symptomatik im Zeitraum von Januar 2019 bis April 2020 lägen nicht vor. Die durch einen für die Justizvollzugsanstalt tätigen Facharzt gestellte Diagnose „Depression“ im Juni 2020 habe auf dem klinischen Bild und den Vorbefunden des Kreisklinikums B2. beruht und lasse keine Rückschlüsse auf den Tatzeitraum zu. Auch aus Sicht des Senats wären die umfangreichen Aktivitäten des Angeklagten im Tatzeitraum einschließlich seiner Reise über Österreich nach Albanien im Februar 2019 nicht mit einer mit Antriebs- und Konzentrationsstörungen einhergehenden schweren depressiven Erkrankung in Einklang zu bringen.
204Soweit dem Angeklagten in einem Attest für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge des Kreisklinikums B2. aus September 2017 eine „schwere depressive Episode“ bescheinigt wurde, ist der Sachverständige Prof. Dr. med. O3. gut nachvollziehbar von einem „Gefälligkeitsattest“ ausgegangen. Weder das in dem Attest angegebene Beschwerdebild noch die Teilnahme des Angeklagten an einer mehrstündigen mündlichen Anhörung im Asylverfahren im September 2017 seien mit der gestellten Diagnose vereinbar. Zuvor habe das Kreisklinikum B2. nur eine „mittelgradige Depression“ diagnostiziert, im Zusammenhang mit einem nachfolgenden stationären Aufenthalt im November 2017 sei lediglich noch von einer Anpassungsstörung ausgegangen worden. Die Richtigkeit der sachverständigen Beurteilung wird durch die Angaben des Zeugen N3. bestätigt. Er hat eingeräumt, in dem Attest für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die gravierendste für ihn in Betracht kommende Form der Depression attestiert zu haben, um dem Angeklagten „keine Steine in den Weg“ zu legen.
205Zu den durch die Verteidigung behaupteten Schmerzempfindungen des Angeklagten B. in der Untersuchungshaft trotz ausgeheilter Armverletzung hat der Sachverständige Prof. Dr. med. O3. ausgeführt, diese seien nicht objektivierbar, jedenfalls lieferten sie keinen Hinweis auf eine psychische Störung oder eine schwerwiegend abnorme Persönlichkeit, die dem Rechtsbegriff der „schweren anderen seelischen Störung“ unterfalle.
206Schließlich hat der Sachverständige gut begründet ausgeschlossen, eine möglicherweise früher vorgelegene posttraumatische Belastungsstörung bei dem Angeklagten B. könnte bei ihm zu einer schweren anderen seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB im Tatzeitraum geführt haben. Der Sachverständige hat auch insoweit schlüssig auf die Beendigung der ambulanten psychiatrischen Behandlung des Angeklagten im Kreisklinikum B2. im März 2018 nach dessen Stabilisierung im Zusammenhang mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die im Hinblick auf eine posttraumatische Belastungsstörung zuletzt unauffälligen Behandlungsgespräche verwiesen. Der Sachverständige hat zudem nachvollziehbar ausgeführt, ohne erneute Traumatisierung – für die aber keine Anhaltspunkte vorlägen – sei ein vollständiges Abklingen der Symptomatik, jedenfalls eine erhebliche Verbesserung zu erwarten. Soweit dem Angeklagten im Rahmen zweier fachpsychiatrischer Gespräche in der Justizvollzugsanstalt im Jahre 2020 die Diagnose einer weder näher begründeten noch weiter eingegrenzten posttraumatischen Belastungsstörung gestellt wurde, sei dies aus sachverständiger Sicht nicht nachvollziehbar, da diese ausschließlich auf den Behandlungsunterlagen des Kreisklinikums B2. und den dort gestellten Diagnosen und Befunden sowie auf der Behauptung des Angeklagten beruhte, in Tadschikistan gefoltert worden zu sein. Psychische Beschwerden habe der Angeklagte B. in den beiden Gesprächen nicht geltend gemacht, vielmehr es sei ihm um praktische und juristische Hilfe in der Haft gegangen.
207Der Auffassung des Sachverständigen folgend lassen sich auch aus Sicht des Senats die zahlreichen mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen des Angeklagten B. und dessen planvolles und strukturiertes Vorgehen im Tatzeitraum nicht mit einer schweren, die Lebensführung nachhaltig beeinflussenden Persönlichkeitsveränderung vereinbaren. Aus den von dem Senat erhobenen Telefonaten und Chatbeiträgen des Angeklagten haben sich keine Anhaltspunkte für eine Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ergeben. Es handelte sich auch nicht um Impulstaten; der Angeklagte B. ging bei seinen Taten vielmehr in dem über ein Jahr dauernden Tatzeitraum insgesamt strukturiert und planvoll vor.
208Die zu einem ergänzenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. O3. Anlass gebenden Behauptungen der Verteidigung des Angeklagten B., dieser habe sich bis zu seiner Festnahme im April 2020 zum Teil in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden, weil sich sein Krankheitsbild massiv verschlechtert habe, hat sich als unzutreffend erwiesen. Der von der Verteidigung zum Beweis ihrer Behauptungen benannte Zeuge N3. hat im Gegenteil bekundet, die Behandlung sei im März 2018 beendet worden, weil der Zustand des Angeklagten derart gebessert gewesen sei, dass für eine Fortsetzung der Behandlung kein Anlass bestanden habe.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten C. (A. I. 2) beruhen im Wesentlichen auf seiner insoweit glaubhaften Einlassung. Seine Angaben stehen in Einklang mit Personaldokumenten, unter anderem einer Bescheinigung über seine Eheschließung, Dokumenten aus seinem Asylverfahren wie dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. März 2019 sowie weiteren Urkunden, darunter ein von ihm gefertigter Lebenslauf aus März 2018 und Daten aus Kontoauszügen betreffend Lohnzahlungen und Transferleistungen. Auch der Zeuge P3. vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der den Angeklagten C. im November 2018 in dessen Asylverfahren angehört hatte, hat den Lebenslauf des Angeklagten ausgehend von dessen Angaben in der Anhörung in Einklang mit den Feststellungen geschildert.
210Allein soweit der Angeklagte C. behauptet hat, in Tadschikistan verfolgt worden zu ein, hält der Senat dies für unglaubhaft. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er sei Sympathisant einer islamfreundlichen Partei gewesen und allein wegen des Verteilens von Flyern von dem tadschikischen Geheimdienst und der Polizei verhaftet, misshandelt und erpresst worden. Die Einlassung entspricht zwar im Wesentlichen seinen Angaben im Rahmen der asylrechtlichen Anhörung, wie der Zeuge P3. glaubhaft bekundet hat. Der Senat hat gleichwohl Zweifel an dem behaupteten Verfolgungsschicksal. Der Zeuge P3. hat die Schilderung des Angeklagten zu seiner Verfolgung aus seiner langjährigen Erfahrung als „Entscheider“ beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als unglaubhaft eingeschätzt. Die von dem Angeklagten geschilderten Repressionen seien alleine aufgrund des Verteilens von Flyern wenig plausibel. Die Ziele der Partei, deren Anhänger er gewesen sein will, habe der Angeklagte C. nur sehr vage darstellen können. Da die Angaben des Angeklagten nicht weiter objektivierbar und für den Senat durch die vorbereitete Erklärung seiner Verteidiger auch nicht hinterfragbar waren, hat der Senat zu den Hintergründen der Flucht des Angeklagten C. aus Tadschikistan im Ergebnis keine Feststellungen treffen können.
211Die religiöse Radikalisierung des Angeklagten C. hat der Senat aus dessen Beteiligung an der radikalislamischen Gruppe ab Ende 2018 geschlossen. Die Einlassung des Angeklagten, er sei strenggläubig und halte religiöse Regeln des Islam so strikt wie möglich ein, lässt sich hiermit in Einklang bringen.
212Die Festnahme des Angeklagten C. sowie den Verlauf der Untersuchungshaft einschließlich deren Unterbrechung zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe hat der polizeiliche Ermittlungsführer EKHK M3. dargelegt. Seine Angaben werden durch das Vollstreckungsblatt der Justizvollzugsanstalt L. vom 11. August 2020 bestätigt, aus dem sich der im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe noch zu vollstreckende Betrag der Geldstrafe und der Zeitraum der Vollstreckung ergeben.
213Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten C. beruhen auf dem Bundeszentralregisterauszug vom 22. November 2021, den Strafbefehlen der Amtsgerichte Q3. und R3. vom 25. März 2019 beziehungsweise 11. Februar 2017 sowie dem Beschluss des Amtsgerichts Q3. vom 30. April 2019 zu der Abänderung der Tagessatzhöhe. Dass der Angeklagte die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts R3. vollständig gezahlt hat, ergibt sich aus einem Kontoauszug der Staatsanwaltschaft L.
Die Feststellungen zu der familiären Herkunft und der Schulbildung des Angeklagten A. (A. I. 3) hat der Senat dessen Angaben in den Asylanhörungen vom 27. April und 3. August 2011 entnommen, wie sie sich aus den zugehörigen Niederschriften der Anhörungen ergaben. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Äußerungen des Angeklagten darin falsch oder unvollständig aufgenommen wurden oder in der Sache unrichtig waren.
215Der Verlauf des Asylverfahrens ergibt sich aus mehreren Dokumenten, unter anderem der Mitteilung über die Meldung als Asylbewerber aus April 2011, der Niederschrift zu einem Asylantrag, dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Juli 2012 und schließlich der Aufenthaltsgestattung des Angeklagten.
216Der Zuzug des Angeklagten A. nach K2. ist in einer Anmeldebescheinigung der Stadt K2. aus September 2013 dokumentiert und wird durch das Personalblatt der nordrhein-westfälischen Polizei bestätigt, aus der sich auch die Eheschließung mit seiner getrennt lebenden Ehefrau ergibt. Dass der Angeklagte Vater eines Kindes ist, hat der Senat aus dem in der Lohnsteuerbescheinigung für 2020 angegebenen Kinderfreibetrag geschlossen.
217Die Feststellungen zu den beruflichen Tätigkeiten in Deutschland basieren auf dem bei der Bundesanstalt für Arbeit hinterlegten Lebenslauf des Angeklagten A. sowie einem Schreiben seines letzten Arbeitgebers aus Juni 2021.
218Aus seinem Kontakt zu dem Online-Propagandanetzwerk der IS-Provinz Khorasan ab April 2017 (A. IV) hat der Senat auf die religiöse Radikalisierung des Angeklagten spätestens im Frühjahr 2017 geschlossen.
219Die Festnahme des Angeklagten A. und den Verlauf der Untersuchungshaft einschließlich deren Unterbrechung zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe hat der Zeuge EKHK M3. detailliert dargelegt.
220Die Feststellungen zu der strafrechtlichen Vorbelastung beruhen auf der Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 22. November 2021 sowie dem Strafbefehl des Amtsgerichts K2. vom 10. Dezember 2019.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten E. (A. I. 4) beruhen auf seiner insoweit glaubhaften Einlassung. Seine Angaben stehen in Einklang mit Personaldokumenten, darunter die Geburtsurkunden seiner beiden Töchter, Dokumenten aus seinem Asylverfahren wie der Niederschrift über die Asylanhörung vom 18. Mai 2017 und dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Juli 2017 sowie Urkunden der Stadt N2 zu seinem Zuzug, seinem Asylverfahren und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
222Die Feststellungen des Angeklagten E. zu seiner religiösen Radikalisierung beruhen auf seiner Einlassung, er sei nicht von Geburt an radikal gewesen, sondern habe erst in einer „Phase“ ab 2018 auf andere und ihre Aussagen zum Islam vertraut. Seine Angaben werden bestätigt durch seine Beteiligung an einer Zelle des IS ab Mitte Januar 2019.
223Der Verlauf der Untersuchungshaft nach der ersten Festnahme im März 2019 ist durch den polizeilichen Ermittlungsführer EKHK M3. dargelegt worden.
224Dass der Angeklagte E. in Deutschland strafrechtlich nicht vorbelastet ist, ergibt sich aus der Auskunft des Bundeszentralregisters vom 22. November 2021.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten F. (A. I. 5) beruhen auf mehreren Personaldokumenten (Geburtsurkunde des Angeklagten, Eheurkunde, Geburtsurkunde seines Sohnes) sowie weiteren Urkunden aus seinem Asylverfahren, insbesondere dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. August 2017.
226Die familiären Verhältnisse und beruflichen Aktivitäten des Angeklagten F. im Vorfeld seiner Einreise nach Deutschland hat der Senat seinen Angaben in der Asylanhörung am 5. Juli 2017 entnommen, wie sie sich aus der Niederschrift der Anhörung ergaben. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Äußerungen des Angeklagten F. darin falsch oder unvollständig aufgenommen wurden oder in der Sache unrichtig waren. Seine Teilnahme am Studienvorbereitungsvorprogramm ergibt sich aus einer entsprechenden Bescheinigung der Hochschule S3. Dass der Angeklagte F. in die ehemalige Wohnung des Angeklagten B. zog, hat der polizeiliche Ermittlungsführer EKHK M3. recherchiert und glaubhaft berichtet.
227Dass der Angeklagte F. spätestens im Oktober 2018 eine radikale Gesinnung entwickelte, hat der Senat aus seiner Teilnahme an Paintball-Veranstaltungen der islamistischen Szene S3. (vgl. B. VI. 7. a) geschlossen.
228Die Abschiebung des Angeklagten ist unter anderem durch ein Schreiben des Kreises T3. vom 17. Oktober 2019 belegt. Dass er im November 2019 nach Albanien reiste, ergibt sich aus dem Inhalt eines auf dem Mobiltelefon des Angeklagten B. gesicherten Signal-Chats. In dem im November 2019 beginnenden Chat berichtete der Angeklagte F. unter anderem von seiner Situation in Albanien, wie in einem Vermerk des Bundeskriminalamts vom 26. August 2020 (KOKin U3.) zu der Auswertung des „Apple iPhone 6 plus“ des Angeklagten B. dargelegt ist. Die Festnahme in Albanien und die Umstände seiner dortigen Inhaftierung hat der Senat mehreren Dokumenten der Generaldirektion der Staatspolizei Albanien und der Haftanstalten Albaniens entnommen. In der „psychosozialen Akte“ der Justizvollzugsanstalt Fushë Kruja sind die damaligen Haftbedingungen wie festgestellt dokumentiert. Von der Rückführung und der Festnahme des Angeklagten F. in Deutschland hat der Zeuge EKHK M3. glaubhaft berichtet.
229Dass der Angeklagte F. in Deutschland strafrechtlich nicht vorbelastet ist, ergibt sich aus der Auskunft des Bundeszentralregisters vom 25. November 2021.
Die Feststellungen zu der Vereinigung „Islamischer Staat“ (A. II. 1. bis 3) hat der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. V3. in den Strukturgutachten vom 5. Februar 2016 und 22. April 2019 sowie in dem Beitrag „Das Ende des IS?“ in SWP-Studie 20 (September 2018) gestützt. An der Sachkunde von Dr. V3. als Islamwissenschaftler und Terrorismusforscher bestehen keine Zweifel. Der Sachverständige verfügt über vielfältige, auch internationale forensische Erfahrungen in Bezug auf islamistische Gruppierungen. Er ist dem Senat seit vielen Jahren als zuverlässig bekannt. Der Sachverständige hat in seinen Gutachten die Äußerungen (Audio- und Videobotschaften sowie Publikationen) des IS, internationale, namentlich arabische, Medien und wissenschaftliche Literatur ausgewertet sowie eigene Wahrnehmungen aufgrund seiner bundesweiten Teilnahme an Strafverfahren betreffend die Vereinigung IS einfließen lassen. Seine Ausführungen werden durch die Auswertevermerke des Bundeskriminalamts zu der Terrorgruppierung ISIG/IS vom 6. März 2014 (KOKin W3./KK X3.) und 16. März 2015 (KOKin W3.) bestätigt.
Die Feststellungen zu der Gründung, Entwicklung und Struktur der IS-Provinz Khorasan (A. II. 4. a) beruhen auf den ausführlichen und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen Dr. V3. in der Hauptverhandlung. Auch zu der IS-Provinz Khorasan hat er Äußerungen des IS sowie Medien und Literatur systematisch ausgewertet. Die Angaben des Sachverständigen werden gestützt durch den Erkenntnisvermerk des Bundeskriminalamts (KKin Y3.) zu der IS-Provinz Khorasan vom 30. April 2021.
Die Feststellungen zu dem Online-Netzwerk der IS-Provinz Khorasan (A. II. 4. b) beruhen ebenfalls im Wesentlichen auf den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. V3. Der Islamwissenschaftler und Terrorismusforscher hat hierbei ausführlich die Aktivitäten des Online-Netzwerks einschließlich des Zello-Kanals „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ und seiner Nachfolge-Kanäle ebenso wie den Bezug zu dem Anschlag in Stockholm dargelegt.
233Die Richtigkeit seiner Ausführungen zu dem Anschlag in Stockholm hat der Senat anhand von Unterlagen aus dem schwedischen Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Akilov nachvollzogen. In einem Chat mit einem führenden IS-Mitglied erwähnte Q2. ausweislich der Übersetzung eines Vermerkes der schwedischen Polizei vom 4. August 2017 nicht nur seinen Kontakt zu R2. alias „Muawiya“ (vgl. B. VI. 2. b. aa), sondern übersandte ihm auch einen Link zu dem Zello-Kanal „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“. Dies hat der Sprachsachverständige A4. anhand des Original-Chatverlaufs in tadschikischer Sprache bestätigt.
234Die Angaben des Sachverständigen werden überdies durch Erkenntnisse gestützt, die der Zeuge KK B4. ermittelt hat. Der Zeuge hat elektronische Asservate des Angeklagten A. und die Inhalte der genannten Zello-Kanäle gesichtet. Außerdem hat er die Datensicherung des Mobiltelefons des Stockholm-Attentäters Q2. im Hinblick auf dessen Verbindungen zu dem Online-Netzwerk der IS-Provinz Khorasan ausgewertet. Danach bewegten sich der Angeklagte A. und Q2. in identischen Strukturen dieses Online-Netzwerkes.
235Die festgestellten Inhalte des Zello-Kanals „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ sowie die Beteiligung des Q2. an dem Kommunikationsaustausch innerhalb des Kanals sind außerdem in einer Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 4. Juni 2021 dokumentiert.
236Der Bundesnachrichtendienst hat überdies ein Strafurteil des Amtsgerichts der Stadt H. vom 8. Mai 2019 als authentisch eingestuft, in dem das Online-Netzwerk der IS-Provinz Khorasan Erwähnung gefunden hat. Dem Urteil lag nach einer Pressemitteilung zugrunde, dass sich ein in Russland aufhältiger Migrant aus Tadschikistan radikalisierte, unter anderem den Zello-Kanal „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ abonnierte und per Zello an ideologischen Schulungen von X1. Y1. und R2. sowie einem weiteren IS-Führungsmitglied aus der IS-Provinz Khorasan teilnahm.
237Die Hintergründe und Folgen des Anschlags in Stockholm hat der Senat der Übersetzung einer Anklageschrift der Nationalen Staatsanwaltsstelle in Schweden gegen Q2. sowie Auszügen aus einer deutschen Übersetzung des Urteils des Amtsgerichts Z3. vom 7. Juni 2018 entnommen.
Die Feststellungen zu den Aktivitäten des Angeklagten A. im Online-Netzwerk der IS-Provinz Khorasan ab April 2017 (A. III) beruhen auf den glaubhaften Ausführungen des Zeugen KK B4. Dieser hat anhand der auf dem Mobiltelefon des Angeklagten A. gesicherten Inhalte die Aktivitäten des Angeklagten A. im Zello-Kanal „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ und seine Kommunikation mit X1. Y1. unter der Zello-Kennung „shahomat@84“ sowie nachfolgend sukzessive unter den Zello-Kennungen „khuroson@84“, „madrasaimovaronnahr, „usto1984“ und „muhib_1980“ nachvollziehbar dargestellt (zu der Zuordnung der Accounts zu Y1. vgl. nachfolgend unter 3). Außerdem hat der Zeuge ausführlich erläutert, wie er die Zello-Kennungen „dimashq1438“ und „furdi999“ dem Angeklagten A. zuzuordnen vermochte, indem er bei dem Versenden von Bilddateien innerhalb eines Kanals oder Chats den hierfür genutzten Account auf dem Gerät des Angeklagten A. in den zu Auswertezwecken erstellten Datenbanken und Excel-Tabellen ermittelte (zu der Zuordnung der übrigen Zello-Accounts des Angeklagten A. „khalid44a“ und „ddvbhhgffee“ vgl. unten B. VI. 6. a. aa. (2)). Der Senat hat die Angaben des Zeugen anhand von Screenshots dieser Datenbanken und anhand mehrerer durch den Angeklagten A. geteilter Bilddateien, in denen er ideologische Schulungen aus der IS-Provinz Khorasan bewarb, nachvollzogen und bestätigt gefunden.
Die Feststellungen zu der Person des X1. Y1. sowie zu dessen Rolle und Funktion beim IS beruhen ebenfalls auf den Angaben des Zeugen KK B4. Der Zeuge hat insoweit das Ermittlungsergebnis unter Bezugnahme auf die übereinstimmenden Informationen aus einem Fahndungsersuchen von INPOL, der Erkenntnismitteilung russischer Behörden und einem Urteil des Amtsgerichts H. (zu dem Urteil unter B. III. 2. b) nachvollziehbar erläutert.
Die Feststellungen zu den durch X1. Y1. verwendeten Zello-Accounts stützt der Senat auf die Aussage des Zeugen KK B4.
241Nach seinen glaubhaften Angaben weisen die nachfolgenden, sukzessive genutzten Zello-Kennungen zahlreiche Bezüge zu dem IS-Mitglied Y1. auf (zu den Zello-Accounts „usto1984“ und „muhib_1980“ vgl. unten B. VI. 5. b. bb. und B. IX. 2. a):
242Der Zeuge KK B4. hat nachvollziehbar geschildert, dass der Account „shahomat@84“ nicht nur einen Hinweis auf das Geburtsjahr des X1. Y1., 1984, sondern auch auf dessen Spitznamen „Shahomat“ enthalte.
243Zu dem Zello-Nutzernamen „khuroson@84“ hat der Zeuge KK B4. schlüssig auf den identischen Aufbau wie bei dem Account „shahomat@84“ hingewiesen. Lediglich der Spitzname des Y1.s sei durch den Namen der IS-Provinz, in der sich Y1. zum damaligen Zeitpunkt aufgehalten habe, ersetzt worden.
244Zu dem Account „madrasaimovaronnahr“ hat der Zeuge KK B4. unter Bezugnahme auf eigene Recherchen und Ausführungen eines herangezogenen Sprachmittlers gut nachvollziehbar berichtet, der Name bedeute auf Deutsch „Transoxanische Schule“. Dies deutet nach Auffassung des Senats auf die ideologische Schulungstätigkeit des Y1. in der IS-Provinz Khorasan, die nach Angaben des Sachverständigen Dr. V3. im jihadistischen Sprachgebrauch auch „Transoxanien“ genannt wird.
245Der Zeuge KK B4. hat darüber hinaus nachvollziehbar ausgeführt, dass sich auch anhand der Chat-Inhalte die sukzessive Nutzung der Zello-Accounts durch X1. Y1. nachvollziehen ließen, da beispielsweise frühere Gesprächsinhalte wieder aufgegriffen wurden. Außerdem begannen die Nutzungszeiträume unmittelbar mit der letzten Nachricht des jeweiligen „Vorgänger-Accounts“ und endeten mit der Erstellung des jeweiligen „Nachfolge-Accounts“. Der Senat geht davon aus, dass der regelmäßige Wechsel der Kennungen durch Y1. der Verschleierung diente und er damit Löschungen und Sperrungen zuvorkommen wollte.
Die Richtigkeit der Ausführungen des Zeugen KK B4. wird belegt durch ein Lichtbildvergleichsgutachten des Sachverständigen C4. zu zwei Fotos und einem sogenannten Selfie des X1. Y1.
247Die Auswertung der Datenbanken und Excel-Tabellen zu dem durch den Angeklagten A. genutzten Mobiltelefon hat nach den glaubhaften Angaben des Zeugen KK B4. ergeben, dass der Nutzer des Zello-Accounts „madrasaimovaronnahr“ das „Selfie“ mit der Kamera seines eigenen Gerätes aufgenommen und am 31. März 2018 an den Angeklagten A. versandt hat. Zuvor hatte der Zello-Nutzer „shahomat@84“ am 29. Dezember 2017 und 3. Januar 2018 dem Angeklagten A. jeweils ein Foto seines Gesichtes und Oberkörpers, auf einem der Fotos mit erhobenem „Tauhid“-Finger, geschickt. Dies belegt die durch den Zeugen KK B4. dargelegte Unterhaltung am 29. Dezember 2017 im Zusammenhang mit der Übermittlung des ersten Fotos, in der X1. Y1. auf die Nachricht des Angeklagten A., er kenne den abgebildeten „Bruder“ nicht, nur mit der Nennung seines eigenen Spitznamens antwortete: „Shahomat“.
248Der Sachverständige C4. (Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen) hat die drei per Zello an den Angeklagten A. übersandten Lichtbilder miteinander sowie mit einem Fahndungsfoto des X1. Y1. aus dem polizeilichen Informationssystem INPOL verglichen. Er hat dazu nachvollziehbar ausgeführt, dass die per Zello übersandten Farbbilder ausreichende individuelle anatomische Merkmale für einen Detailvergleich erkennen lassen und sich damit für einen aussagekräftigen Lichtbildvergleich eignen. Dagegen weise die Ausweisaufnahme aus dem INPOL-System außer weißen und schwarzen Bildstellen kaum weitere Abstufungen auf und sei nur bedingt für einen Lichtbildvergleich geeignet.
249Im Ergebnis hat der Sachverständige C4. bestätigt, dass es sich bei der auf den drei zu vergleichenden Farbfotos abgebildeten Person mit hoher Wahrscheinlichkeit um denselben Mann handele und ein allgemeiner Vergleich darauf hindeute, dass dieser mit dem auf dem Fahndungsfoto abgebildeten X1. Y1. personenidentisch ist.
250An der Richtigkeit des Gutachtens hat der Senat nach Inaugenscheinnahme der Lichtbilder keinen Zweifel. Der Sachverständige hat anhand der drei zu untersuchenden Farbfotos anschaulich erläutert, dass ausschließlich übereinstimmende anatomische Merkmale im Detailvergleich erkennbar seien. Mit einer deutlich eingekerbten horizontalen Stirnfurche, die im zentralen Bereich etwas schräg nach unten links laufe, einer auffälligen Form der Augenbrauen bei ca. 2/3 des Verlaufs abwärts gebogen, einer Besonderheit in Form einer Auffächerung nur am linken Augenbrauenkopf und Hautbesonderheiten in Form von punktförmigen, dunkelfarbigen Pigmenten in der oberen Hälfte des Nasenrückens verfüge die abgebildete Person über einzigartige individuelle Merkmale. Ebenso nachvollziehbar hat der Sachverständige darlegt, dass die auf den Farbfotos abgebildete Person zahlreiche optische Übereinstimmungen hinsichtlich Stirn-, Augen-, Nasen- und Mundregion zu der schwarzweißen Abbildung des Ausweisbildes von X1. Y1. aufweise. So seien Lage, Breite und Verlauf der Mundspalte ebenso wie die Größe und Lage der Nasenöffnungen der abgebildeten Person übereinstimmend. Auch die Stirn sei jeweils niedrig und seitlich über den Überaugenbögen eingezogen. Der auffällige Wuchs der Augenbrauen mit zunächst gradlinigem Verlauf und dem abwärts laufenden Bogen nach ca. 2/3 sei auf dem Fahndungsfoto bei INPOL ebenfalls erkennbar. Zudem wiesen Oberlidräume und Lid- und Deckfalte identische Ausgestaltungen und Verläufe auf.
Der Senat hat seine Überzeugung von einzelnen mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen der Angeklagten bei den Taten 1, 2 und 4 auch aufgrund der Angaben des Vernehmungsbeamten EKHK M3. sowie des Sitzungsvertreters der Bundesanwaltschaft RiLG X. zu den Angaben des gesondert verfolgten Z1. im Ermittlungsverfahren beziehungsweise in der gegen Z1. geführten Hauptverhandlung gewonnen. Zur Vermeidung mehrfacher Wiederholungen im Rahmen der Beweiswürdigung zu den Taten 1, 2 und 4 (B. VI., VII. und IX) werden hier vorab die Aussagen der Zeugen EKHK M3. und RiLG X. zu den Angaben des gesondert verfolgten Z1. zusammenfassend dargestellt und gewürdigt. Dabei hat der Senat auch geprüft, ob der gesondert verfolgte Z1. möglicherweise ein Falschbelastungsmotiv hatte und die Angeklagten zu Unrecht belastet haben könnte. Die Bekundungen der Zeugen EKHK M3. und RiLG X. zu den Angaben des Z1. betreffend einzelne Beteiligungshandlungen der Angeklagten werden unter B. VI, B. VII und B. IX näher gewürdigt.
252Der Senat hat den gesondert verfolgten Z1. durch Urteil vom 26. Januar 2021 (III‑6 StS 4/20) – mittlerweile rechtskräftig – wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. In dem hiesigen Verfahren hat Z1. von seinem weiterhin bestehenden umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht.
Der Zeuge EKHK M3. hat bekundet, der gesondert verfolgte Z1. habe bereits im Ermittlungsverfahren bei zwei Beschuldigtenvernehmungen die Angeklagten – mit Ausnahme des Angeklagten B. – namentlich benannt und anhand von Lichtbildern identifiziert. Außerdem habe Z1. berichtet, der Angeklagte A. habe einen Zello-Gruppenchat eingerichtet, in dem ein in Afghanistan aufhältiger Tadschike namens „Usto“ die Gruppe in der Ideologie des IS unterrichtet habe. Dass die Gruppe Anschläge in Deutschland geplant oder gar vorbereitet hat, habe Z1. aber bestritten.
254Nach Bekunden des Zeugen RiLG X., eines Sitzungsvertreters der Bundesanwaltschaft in der Hauptverhandlung gegen Z1., hat sich Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung umfassend zu dem Tatgeschehen eingelassen und Fragen der Verfahrensbeteiligten beantwortet. Dabei habe Z1. seine Angaben im Ermittlungsverfahren zu der Gründung, den Zielen und den Aktivitäten der Zello-Gruppe weitgehend wiederholt und ergänzend auch die Übernahme des Auftragsmordes in Albanien sowie die Waffenübergabe an den Angeklagten E. am 14. März 2019 geschildert. Seine objektiven Tatbeiträge habe Z1. dabei im Wesentlichen eingeräumt, eine Verbindung der eigenen Handlungen sowie der Handlungen der anderen Gruppenmitglieder zu der terroristischen Vereinigung IS aber jeweils bestritten. Ebenfalls bestritten habe Z1. eine Verbindung des Angeklagten B. zu der Zello-Gruppe.
Der Zeuge EKHK M3. hat die Angaben des gesondert verfolgten Z1. in den Beschuldigtenvernehmungen am 18. und 20. Dezember 2019 ausführlich und umfassend geschildert. Zweifel an der Glaubhaftigkeit oder Zuverlässigkeit seiner Bekundungen haben sich nicht ergeben.
256Der Zeuge RiLG X., wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bundesanwaltschaft, hat die Angaben des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung ebenfalls ausnahmslos glaubhaft und zuverlässig wiedergegeben. Der Zeuge hatte in Kenntnis der Bedeutung der Einlassung des Z1. für das Folgeverfahren gegen die übrigen Zellenmitglieder dessen Angaben sowie die ihm gestellten Fragen und Vorhalte der Verfahrensbeteiligten während der Hauptverhandlung gegen Z1. möglichst wortgetreu auf einem Laptop mitgeschrieben und diese Mitschriften im Anschluss in Vermerke zu jedem einzelnen Hauptverhandlungstag übertragen. Der Senat ist diese Vermerke mit dem Zeugen an insgesamt drei Hauptverhandlungstagen im Detail durchgegangen. Der Zeuge hat dabei die jeweiligen Angaben des gesondert verfolgten Z1. zur Sache sowie die Fragen und Vorhalte der einzelnen Verfahrensbeteiligten und den Gang der Vernehmung in ihren Einzelheiten wiedergegeben und darüber hinaus die von ihm gefertigten Vermerke an einzelnen Stellen ergänzend erläutert und kommentiert.
Die Bekundungen der beiden Zeugen vom Hörensagen zu den Angaben des gesondert verfolgten Z1. waren vorliegend ausnahmsweise dazu geeignet, hierauf die Angeklagten belastende Feststellungen zum Tatgeschehen zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2013 – 5 StR 191/13, juris, Rn. 5).
258Die Angaben des gesondert verfolgten Z1. werden von einer Vielzahl objektiver Beweismittel gestützt. So belegen beispielsweise die auf den Mobiltelefonen des Z1. und der Angeklagten A. und E. gesicherten Inhalte des Zello-Gruppenchats die Angaben des gesondert verfolgten Z1. hierzu. Auch die Vorbereitung des Auftragsmordes in Albanien ist – den Angaben des Z1. entsprechend – durch die Inhalte von Telegram-Chats in zahlreichen Einzelheiten dokumentiert.
259Anhaltspunkte, dass der gesondert verfolgte Z1. einen der Angeklagten wahrheitswidrig zu Unrecht belastet haben könnte, wie durch den Angeklagten C. gemutmaßt, haben sich aus den Angaben der Zeugen EKHK M3. und RiLG X. und auch aus den sonstigen Beweismitteln nicht ergeben.
260Der gesondert verfolgte Z1. hat sich durch die Angaben in seinem Verfahren teilweise selbst schwer belastet, indem er eigene mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen, wie beispielsweise die Vorbereitung des Auftragsmordes in Albanien oder die Übergabe einer Schusswaffe an ein anderes Zellenmitglied, einräumte und in diesem Zusammenhang auch die Tatbeiträge anderer Zellenmitglieder schilderte. Wenn es dem gesondert verfolgten Z1. darum gegangen wäre, durch ein Abwälzen der Schuld auf die Angeklagten eine möglichst niedrige Strafe zu erhalten, wäre zu erwarten gewesen, dass er die Verantwortlichkeit einseitig auf andere Zellenmitglieder abschiebt. Dies ist aber nach den glaubhaften Schilderungen der Zeugen EKHK M3. und RiLG X. nicht geschehen.
261Die wiedergegebenen Angaben des gesondert verfolgten Z1. haben keine Belastungstendenz gegenüber den Angeklagten erkennen lassen. Dies gilt zunächst für den Angeklagten B., dessen radikalislamische Gesinnung und Verbindungen zu der Zelle Z1. geleugnet hat. Auch im Verhältnis zu den übrigen Angeklagten enthielten die Angaben des Z1. keine abwertenden oder negativen Äußerungen. Vielmehr hat er den Angaben des Zeugen RiLG X. zufolge seine freundschaftliche Verbundenheit zu sämtlichen Zellenmitgliedern betont und beispielsweise von einem Krankenbesuch des Angeklagten C. kurz vor seiner Festnahme Anfang März 2019 berichtet, den der Angeklagte C. auch selbst bestätigt hat. Ein heimliches Telefonat des gesondert verfolgten Z1. mit den Angeklagten B. und E. im November 2019, in dem Z1. sich für Geldzahlungen der Zelle bedankte und Grüße an den Angeklagten F. ausrichten ließ, belegt die über seine Festnahme hinaus bestehende Verbundenheit zu den anderen Gruppenmitgliedern (vgl. B. VI. 11. b. bb). Anhaltspunkte für ein gravierendes Zerwürfnis zwischen dem gesondert verfolgten Z1. und einem der Angeklagten, wie durch den Angeklagten C. ohne nähere Darlegung pauschal behauptet, sowie ein daraus resultierendes mögliches Falschbelastungsmotiv des Z1. hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.
262Auch das Aussageverhalten des gesondert verfolgten Z1. spricht gegen bewusst wahrheitswidrige Angaben zulasten eines der Angeklagten, um Vorteile in dem gegen ihn geführten Ermittlungs- und Strafverfahren zu erlangen oder sich an einem Angeklagten zu rächen. So hat sich Z1. ausweislich der Angaben des Zeugen RiLG X. auf eine Erinnerungslücke berufen, als er durch den Vorsitzenden dazu befragt wurde, welches Zellenmitglied als „Emir“ und Stellvertreter des Y1. ausgewählt wurde. Hätte Z1. einen der Angeklagten zu Unrecht belasten wollen, hätte es nahe gelegen, ihn als „Emir“ der Gruppe darzustellen. Auch im Übrigen hat sich der gesondert verfolgte Z1. eher vorsichtig und zurückhaltend in Bezug auf die Verantwortlichkeit anderer Beteiligter geäußert.
Die Feststellungen zu den Propagandaaktivitäten des Angeklagten A. für den IS (A. IV. 1) beruhen im Wesentlichen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen KK B4. und dem Inhalt eines Telegram-Einzelchats zwischen dem Angeklagten A. und dem führenden IS-Mitglied X1. Y1.
Der Zeuge KK B4, der unter anderem die Kommunikation des Angeklagten A. mittels der Applikation Zello auf dessen Mobiltelefon und Tablet ausgewertet hat, hat die Beiträge des Angeklagten in dem Zello-Kanal der IS-Provinz Khorasan im Einzelnen wie festgestellt beschrieben. Der Senat hat die Richtigkeit dieser Angaben durch Inaugenscheinnahme mehrerer durch den Angeklagten A. veröffentlichter Bilddateien überprüft, unter anderem die am 17. Februar 2019 gepostete Chat-Übersicht sowie exemplarisch zwei Bilddateien mit Propaganda des IS, die Kämpfer der terroristischen Vereinigung zeigen. Unter Bezugnahme auf Datenbanken und Excel-Tabellen aus der Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten A. hat der Zeuge KK B4. hierzu nachvollziehbar ausgeführt, A. habe diese Inhalte mit seinem Mobiltelefon jeweils von einem anderen elektronischen Gerät abfotografiert.
Dass der Angeklagte A. die mit dem geposteten Lichtbild beworbenen Telegram-Gruppenchats „Xalifat Xalifat“ im Auftrag des X1. Y1. betrieben hat, ergibt sich aus dem Inhalt eines auf dem Tablet des Angeklagten A. gesicherten Telegram-Chats mit Y1. am 3. Januar 2018.
266Nach dem Auswertebericht des Bundeskriminalamts (KKin D4) vom 11. Juni 2020 leitete der Angeklagte A. dem X1. Y1. darin das Ansinnen eines „Mujahid für IS aus Khurasan“ weiter, der A. um Unterstützung bei der Betreuung eines Kanals gebeten hatte. Y1. wies den Angeklagten an, mit der Begründung abzusagen, er, der Angeklagte A., habe keine Zeit, weil er bereits „alles Kanäle, die „khalifat khalifat“ heißen, betreue“. Der Senat geht aufgrund dieses Chat-Inhaltes davon aus, dass Y1. Kenntnis von der Propagandaaktivität des Angeklagten A. hatte und diese billigte. Der Inhalt des Chats belegt zudem ein Über-Unterordnungs-Verhältnis, in welchem Y1. die Propagandaaktivitäten des Angeklagten A. steuerte. Die ebenfalls am 3. Januar 2018 durch den Angeklagten A. per Telegram an Y1. weitergeleitete Frage eines Dritten, ob es erlaubt sei, Kinder zu töten, was Y1. mit einem Zitat aus dem Koran für den Fall „einer Racheaktion“ bejahte, belegt, dass das führende IS-Mitglied auch inhaltlichen Einfluss auf die Propagandaaktivitäten des Angeklagten A. nahm.
267Mit den in dem Telegram-Chat bezeichneten „Kanälen“ waren die durch den Angeklagten A. betriebenen Telegram-Gruppenchats „Xalifat Xalifat“ gemeint. Bei „khalifat“ handelte es sich nach Auskunft des Sprachsachverständigen für die tadschikische Sprache A4. im Verhältnis zu „Xalifat“ lediglich um eine andere Transkription desselben Wortes. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass Y1. den Begriff „Kanäle“ in dem Chat mit A. nicht im technischen Sinn benutzte, sondern als Synonym für Gruppenchats.
268Nach den Ausführungen des Zeugen KK B4. konnte X1. Y1. aufgrund der Zuordnung seines Benutzernamens „shahomat1“ zu der ausgelesenen Telegram-ID als Telegram-Chat-Partner des Angeklagten A. identifiziert werden. Dieser Telegram-Nutzername hat nicht nur eine starke Anlehnung an Y1.s Spitznamen „Shahomat“. Der Zeuge KK B4. hat zudem nachvollzogen, dass Y1. (Zello-Nutzername „shahomat@84“) dem Angeklagten A. vor Beginn des Telegram-Chats per Zello denTelegram-Account zusandte. Der Senat geht davon aus, dass Y1. den Angeklagten hierdurch über eine andere – der Verschleierung dienende – Kontaktmöglichkeit per Telegram-Chat informierte.
269Die auf dem Tablet des Angeklagten A. festgestellten Kommunikationsinhalte belegen seine propagandistische Tätigkeit für den IS durch den Betrieb der „Xalifat Xalifat“-Gruppenchats. Dem Auswertevermerk des Bundeskriminalamts (KKin D4.) vom 11. Juni 2020 und den Angaben des Zeugen KK B4. zufolge konnten bei Auswertung des Tablets mehrere durch den Angeklagten A. verwendete Telegram-Nutzerkonten mit dem (Benutzer-)Namen „Xalifat Xalifat“ sowie insgesamt 4.500 Telegram-Chats gesichert werden. Deren Sichtung hat ausweislich des Auswertevermerks eine Vielzahl von Gruppenchats ergeben, in denen Propaganda des IS durch den Nutzer des Tablets und weitere Chat-Teilnehmer verbreitet, über militärische Erfolge der terroristischen Vereinigung berichtet und religiöse Fragen im Sinne der IS-Ideologie beantwortet wurden.
270Dass der Angeklagte A. die Telegram-Gruppenchats bewusst und gewollt für Propaganda-Zwecke des IS nutzte, hat der Senat aufgrund der vorgenannten Inhalte des Tablets, der Bezeichnung der Gruppenchats „Xalifat Xalifat“ mit Bezug zu dem islamischen Kalifat, des Profilbildes mit dem Logo des IS und dem Bewerben der Chats in einem Kanal der IS-Provinz Khorasan geschlossen.
Dass dem Angeklagten A. der Aufenthaltsort und die Rolle des X1. Y1. bei dem IS im Januar 2018 bekannt waren, hat der Senat aus den zwischen beiden schon seit Juni 2017 bestehenden intensiven Chat-Kontakten geschlossen. Der Angeklagte hatte nach Bekunden des Zeugen KK B4. überdies bereits vor Januar 2018 ideologische Schulungen des Y1. alias „Shahomat“ beworben. Schließlich handelte es sich bei Y1. um ein führendes Mitglied der Vereinigung aus der IS-Provinz Khorasan, an deren Online-Netzwerk sich der Angeklagte A. ebenfalls schon seit April 2017 beteiligt hatte.
Die Feststellungen zu der Verwaltung der Zello-Kanäle des IS durch den Angeklagten A. (A. IV. 2) beruhen auf den Angaben des Zeugen KK B4. sowie ergänzend auf dessen Vermerk zur Auswertung der Zello-Kommunikation auf dem Mobiltelefon des Angeklagten A. vom 21. Dezember 2020.
273Der Zeuge hat im Einzelnen Beginn und Ende der Moderatorentätigkeiten des Angeklagten für die jeweiligen Zello-Kanäle, die Rolle der führenden IS-Mitglieder Y1. und R2. hierbei sowie die Inhalte und den sukzessiven Betrieb der Zello-Kanäle der IS-Provinz Khorasan dargelegt. Außerdem hat er die Bedeutung, Aufgaben und Funktionen von sogenannten Moderatoren, Administratoren und Eigentümern von Kanälen bei der Anwendung Zello erläutert. Dass der Angeklagte A. seine Funktion als Moderator wahrgenommen hat, ist auch durch den Umstand belegt, dass er für die Verwaltung der Nachfolgekanäle von „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ ebenfalls als Moderator eingesetzt wurde.
aa. Die Feststellungen zu der Rolle und Funktion des führenden IS-Mitglieds R2. beruhen auf den nachvollziehbar begründeten Ausführungen des Sachverständigen Dr. V3., die durch eine Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 29. März 2021 und durch einen Vermerk des Generalbundesanwalts vom 12. Januar 2021 zu dem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 15. Juli 2019 betreffend die Person des R2. bestätigt wurden.
275bb. Dass R2. die Zello-Kennung „muaviya rohnamo 2“ nutzte, ist durch die Ausführungen des Zeugen KK B4. bewiesen. Dieser hat erläutert, „Muaviya“ oder nach anderer Transkription „Muawiya“ sei nach seinen Recherchen der Spitzname des R2. Dies wird durch die Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 29. März 2021 gestützt. Außerdem konnte KK B4. anhand von Kommunikationsinhalten nachvollziehen, dass der Zello-Nutzer „muaviya rohnamo 2“ ideologische Schulungen in dem Online-Netzwerk abhielt. Dies passt zu der Übersetzung der Zello-Kennung „Muaviya Lehrer 2“ und den Erkenntnissen zu der Person des R2.
276cc. Dass der Angeklagte A. den Aufenthaltsort und die Rolle des R2. kannte, hat der Senat aufgrund einer Gesamtwürdigung folgender Umstände geschlossen: Zum Zeitpunkt seiner Ernennung als Moderator durch R2. im März 2019 bewegte sich der Angeklagte A. bereits seit fast zwei Jahren in dem Online-Netzwerk der IS-Provinz Khorasan. R2. war in dem Online-Netzwerk eine zentrale Figur, was durch seine Gründung des Kanals „Wegweiser nach Transoxanien“ und seine Rolle als Anführer der aus Zentralasien stammenden IS-Mitglieder unterstrichen wird. Schließlich bewarb der Angeklagte A. auch Online-Schulungen des R2.
Der Senat hat dem kriminaltechnischen Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalens (RBr E4.) vom 13. Juli 2021 entnommen, dass es sich bei der Applikation „Umma“ um eine selbst einwickelte App handelt, deren Gestaltung, Inhalte und Funktionen durch den Entwickler festgelegt wurden.
278Dass der Angeklagte A. die Applikation in Abstimmung mit dem führenden IS-Mitglied Y1. programmiert hat, stützt der Senat neben weiteren Inhalten des technischen Untersuchungsberichtes im Wesentlichen auf die Angaben des Zeugen KK B4., der die Zello-Kommunikation auf dem Mobiltelefon des Angeklagten A. ausgewertet hat.
279Nach dem technischen Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts waren der vollständige Quellcode der Applikation sowie die technisch notwendigen Entwicklungswerkzeuge auf dem Mobiltelefon „Samsung Galaxy S7“ des Angeklagten A. gespeichert. Anhaltspunkte, dass der Angeklagte den Quellcode oder die Entwicklungswerkzeuge Dritten zur Verfügung gestellt hat, hat die technische Untersuchung nicht ergeben und ist auch sonst nicht ersichtlich.
280Der Zeuge KK B4. hat die im Zusammenhang mit der Erstellung der App angefallene Kommunikation des Angeklagten A. mit Y1. (Zello-Kennungen: „madrasaimovaroannahr“ und „usto1984“) detailliert wiedergegeben. Danach übersandte der Angeklagte A. erstmals am 1. April 2018 per Zello zwei Lichtbilder seines heimischen Computers, die die Programmierung einer Applikation zeigen, an X1. Y1.. Nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen schickte X1. Y1. dem Angeklagten A. in der Folgezeit ab Mitte November 2018 wiederholt Gebete und andere religiöse Inhalte per Zello-Chat, die der Angeklagte anschließend in die „Umma“-App integrierte. Anschließend sandte er Y1. zum Zwecke des Nachweises mit der Kamera seines Mobiltelefons gefertigte Fotos von dem Bildschirm seines Computers mit den bei „Umma“ eingebetteten Inhalten. Von der Richtigkeit der Ausführungen des Zeugen hat sich der Senat durch die Inaugenscheinnahme der versendeten Lichtbilder überzeugt.
281Die Entwicklung der Applikation durch den Angeklagten A. wird auch durch den Inhalt einer Art Steckbrief zum Zweck der Partnersuche im Internet bestätigt, den der Angeklagte A. am 28. Februar 2019 dem Angeklagten E. per WhatsApp-Nachricht ausgefüllt zurücksandte. Darin gab der Angeklagte A. auf die Frage „Was tust du, um dich im Islam weiterzubilden?“ an: „Ich schreibe Islamische App auf meine Sprache“.
282Nach dem technischen Untersuchungsbericht musste der Entwickler der Applikation „Umma“ über Kenntnisse der Programmiersprache Java und der Entwicklung von Apps für das Betriebssystem Android verfügen. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte A. diese Kenntnisse hatte. Nach Bekunden des Zeugen RiLG X. hat der gesondert verfolgte Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung den Angeklagten A. als technikaffin beschrieben. Auf seine computertechnische Fertigkeit deutet darüber hinaus, dass er sich am Online-Netzwerk der IS Provinz Khorasan beteiligte und den Zello-Gruppenchat für die übrigen Zellenmitglieder einrichtete.
283Dass der Angeklagte A. die Applikation „Umma“ kontinuierlich weiterentwickelte, ergibt sich ebenfalls aus dem technischen Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts. Danach hat er von Juli 2018 bis März 2019 regelmäßig neue Versionen der Applikation mit erweiterten Funktionen in den Google Play-Store eingestellt.
aa. Den Aufbau, die Inhalte, Funktionen und Rubriken der Applikation „Umma“ hat der Senat den Ausführungen des Zeugen KK B4., dem technischen Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalens (RBr E4.) vom 13. Juli 2021 sowie der islamwissenschaftlichen Bewertung des Polizeipräsidiums F4. (Islamwissenschaftlerin G4.) vom 29. Oktober 2021 entnommen. Beide Behördengutachten haben die verschiedenen Rubriken der Applikation ausführlich beschrieben und mit zugehörigen Screenshots, die der Senat in Augenschein genommen hat, illustriert.
285bb. Aufgrund eigener Würdigung der Inhalte ist der Senat zu dem Schluss gekommen, dass die „Umma“-Applikation radikalislamische und salafistische Inhalte enthält, die mit der Ideologie des IS in Einklang stehen.
286(1) Der Senat verfügt für diese Wertung über die erforderliche eigene Sachkunde. Er ist seit vielen Jahren ganz überwiegend mit Verfahren des religiös motivierten Terrorismus aus dem islamistischen Spektrum befasst. Seit Mitte der 2010er-Jahre weist die Mehrzahl der Verfahren einen Bezug zu der terroristischen Vereinigung IS auf. Der Senat hat insbesondere durch die in diesen Verfahren erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. V3. und die erhobenen Strukturvermerke des Bundeskriminalamts zum IS detaillierte Spezialkenntnisse zu der terroristischen Vereinigung IS einschließlich ihrer Ideologie erworben. Dieses Wissen hat der Senat durch die Erhebung islamwissenschaftlicher Bewertungen zu sichergestelltem Propaganda-Material des IS über Jahre kontinuierlich vertieft. Der Senat sieht sich aufgrund seiner Spezialkenntnisse – jedenfalls in einem durchschnittlichen Fall wie dem vorliegenden – in der Lage, selbst zu beurteilen, ob der Ideologie des IS entsprechende Inhalte vorliegen.
287Dass hierzu die Themen der App „Umma“ gehören, bei deren Abhandlungen unter anderem zu Gewalt gegen „Ungläubige“ aufgerufen und eine unreflektierte Befolgung der Glaubensregeln verlangt wird, um nicht selbst als „Ungläubiger“ zu gelten, ist dem Senat aus eigener Sachkunde bekannt. So fordert die Applikation in dem Kapitel über Glaubensbekenntnisse auf, alles zu hassen, was außer Allah angebetet werde. Dass die dabei getroffene Unterscheidung zwischen legitimen Opfern von Gewaltakten und zu schonenden Muslimen der extremistischen Einstellung des Jihadismus immanent ist, weiß der Senat aus eigener Sachkunde. Gleiches gilt für die Legitimierung des Tötens und Ausraubens von „Sündern“ („Großer Polytheismus: Bringt dessen Träger für immer in die Hölle.“ […] Blut und Vermögen des Trägers gilt als halal.“), zu denen nach dem Inhalt der „Umma“-App andere muslimische Strömungen sowie Christen aufgrund der von ihnen angenommenen Dreifaltigkeit Gottes zählen. Dass die in der App enthaltene Aufforderung zu blindem Gehorsam von den Gläubigen („Unterwerfung unter diesen Urteilen, unabhängig davon, ob wir deren Bedeutung verstehen oder nicht.“) und die Verurteilung von Skepsis („Das muss ein Skeptiker wissen: 1. Das Wissen über den Schaden von böswilligen Gedanken…“) mit der extremistischen Ideologie des IS in Einklang steht, ist dem Senat ebenfalls bekannt.
288(2) Die Bewertung des Senats steht in Einklang mit der islamwissenschaftlichen Bewertung des Polizeipräsidiums F4. (Islamwissenschaftlerin G4.) vom 29. Oktober 2021, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht.
289Die Sachverständige G4. ist darin ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass die Betreiber der App „Umma“ dem salafistischen Spektrum angehören und die jihadistische Ideologie des IS verbreiten. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten die Inhalte der App „Umma“ ausführlich dargestellt und bewertet. Im Hinblick auf die Auswahl und Reihenfolge der in der App „Umma“ dargestellten Gebete und Glaubensinhalte hat sie anhand von Screenshots exemplarisch die Parallelen der Applikation zu dem Werk „Hisnul Muslim“ gut nachvollziehbar aufgezeigt, dessen wahabitische Inhalte deckungsgleich zu Inhalten des Salafismus sind. Die Islamwissenschaftlerin hat darüber hinaus festgestellt, die Applikation habe einen takfiristischen Charakter, indem an vielen Stellen zwischen „wahren Muslimen“ und „Ungläubigen“, zu denen der App zufolge nahezu alle Personengruppen außerhalb des salafistischen Spektrums gehören, unterschieden werde. Dass auch zu Gewalt gegen „Ungläubige“ aufgerufen beziehungsweise diese legitimiert werde, hat die Sachverständige als Parallele zu der jihadistischen Ideologie des IS zutreffend erkannt. Als weitere Parallelen zu der jihadistischen Ideologie des IS hat die Sachverständige die Erwähnung des bewaffneten Jihads als einzig existierenden Jihad, die Ablehnung der Unterwürfigkeit unter ein politisches System, welches kein religiöses Kalifat ist („Mit einer Handlung um Menschenwillen aufzuhören, gilt als Heuchelei.“) und das aufgezeigte Ziel eines islamischen Staates hervorgehoben.
290An der Richtigkeit des Gutachtens hat der Senat keinen Zweifel. Die Sachverständige hat ihre Schlussfolgerungen und Bewertungen anhand inhaltlicher Beispiele aus der Applikation „Umma“ jeweils gut nachvollziehbar und ausführlich belegt.
Die Möglichkeiten, die Applikation „Umma“ über den Google Play-Store und APK-Mirror-Seiten zu beziehen, hat der Senat dem technischen Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts (RBr E4.) vom 13. Juli 2021 entnommen. Dass der gesondert verfolgte Z1. die Applikation auf Empfehlung des Angeklagten A. heruntergeladen hat, ist durch die Angaben des Zeugen RiLG X. bewiesen. Dieser hat bekundet, der gesondert verfolgte Z1. habe in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung auf Nachfrage zu der App erklärt, er habe die Applikation auf Empfehlung des Angeklagten A. heruntergeladen. Mit diesen Angaben des Z1. steht in Einklang, dass die Applikation nach Bekunden des Zeugen KK B4. auf dem Mobiltelefon des Z1. gesichert wurde. Eine Belastungstendenz betreffend den Angeklagten A. hat der gesondert verfolgte Z1. nach Bekunden des Zeugen RiLG X. nicht gezeigt, sondern im Gegenteil erklärt, von einer Beteiligung des Angeklagten A. an der Erstellung der App wisse er nichts.
292Der Angeklagte A. wusste, dass es sich bei X1. Y1., mit dem er die radikalislamischen Inhalte der App im Sinne der IS-Ideologie abstimmte, um ein führendes Mitglied des IS handelte (vgl. oben B. VI. 1. c). Er hat deshalb durch die Programmierung, Weiterentwicklung und Verbreitung der „Umma“-App die Ziele des IS bewusst und gewollt gefördert.
Die Feststellungen zu der Rekrutierung des gesondert verfolgten Z1. als Mitglied der Zelle (A. IV. 4) beruhen auf den Angaben des Zeugen RiLG X. zu der Schilderung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung. Danach hat der gesondert verfolgte Z1. das Treffen Anfang Dezember 2018 und die Rolle des Angeklagten A. ebenso wie die anschließende Gründung der Gruppe und die übereinstimmende Befürwortung der Ideologie des IS durch die Beteiligten nachvollziehbar wie festgestellt geschildert.
Die Schilderung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung bewertet der Senat als lebensnah und in sich schlüssig. Dass der Angeklagte A. in seiner Rolle als Kontaktperson des IS-Führungsmitglieds X1. Y1. als Wortführer bei der Rekrutierung des Z1. auftrat, ist plausibel. Die Angaben des gesondert verfolgten Z1. sind insoweit von besonderer Qualität, als dass die Rolle des Angeklagten A. und seine Beziehung zu Y1. vor Dezember 2018 in der Hauptverhandlung gegen Z1. nicht vertiefend thematisiert wurden, wie der Zeuge RiLG X. glaubhaft bekundet hat. Da den Ermittlungsbehörden nach Angaben des Zeugen EKHK M3. zu der Rekrutierung des Z1. und der Gründung der Gruppe bis zu den Angaben des Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung auch keine konkreten Erkenntnisse vorlagen, schließt der Senat insoweit ebenfalls aus, Z1. habe durch seine Schilderung von der Gründung der Gruppe Erwartungen des Gerichts oder der Anklagebehörde erfüllen wollen, um hierdurch ein mildes Urteil zu erwirken. Hiergegen spricht weiterhin, dass es sich aus Sicht des gesondert verfolgten Z1. lediglich um für ihn wenig relevantes Vortatgeschehen zu den ihm vorgeworfenen Beteiligungshandlungen ab Januar 2019 handelte. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der gesondert verfolgte Z1. zu dem Randgeschehen in dem gegen ihn geführten Strafverfahren bewusst unwahre Angaben gemacht haben sollte. Eine Belastungstendenz des gesondert verfolgten Z1. gegenüber den Angeklagten A., C. und E. hat der Senat ebenfalls nicht erkannt. Der Zeuge RiLG X. hat glaubhaft bekundet, Z1. habe auf Nachfrage ausdrücklich eine aktive Beteiligung der Angeklagten C. und E. an dem Rekrutierungsgespräch verneint. Hinsichtlich des Angeklagten A. habe Z1. nicht ansatzweise von Druck oder Zwang berichtet. Vielmehr habe Z1. zugegeben, bereits vor dem Treffen eine radikalislamische Gesinnung besessen und die Ideologie des IS befürwortet zu haben.
Bei der Einlassung des Angeklagten C., nicht er und die Angeklagten A. und E., sondern der gesondert verfolgte Z1. hätte Leute für den bewaffneten Jihad des IS gesucht, handelt es sich um eine Schutzbehauptung.
296Die Angaben des Angeklagten C. hierzu waren widersprüchlich und lieferten kein plausibles Bild von dem Beginn des Kontaktes der Angeklagten zu dem gesondert verfolgten Z1. Der Angeklagte C. hat lediglich das Kennenlernen anlässlich eines ersten Treffens mit Z1. beschrieben, das im Vorfeld des weiteren Treffens mit A. und E. stattgefunden habe. Danach hätten der gesondert verfolgte Z1. und er sich von Beginn an nicht leiden können, später sogar gehasst. Auch habe er – der Angeklagte C. – den Z1. bereits in dem ersten Gespräch wegen dessen Sympathie für den IS und seiner Anschlagspläne in Deutschland beschimpft und sei ihm insoweit offen entgegengetreten. Andererseits sei Z1. ihm „sehr gelehrt“ und „wissend“ erschienen. Er, C., habe ihm daher seine Telefonnummer gegeben, ihm zugehört und viele Fragen gestellt und schließlich dessen Angebot zum Unterricht bei Y1. angenommen. Diese Schilderung ist aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit nicht nachvollziehbar.
297Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme keinen Anhalt dafür ergeben, dass der gesondert verfolgte Z1. – ebenso wie der Angeklagte A. – bereits vor Januar 2019 Kontakte zu IS-Mitgliedern in Syrien oder der IS-Provinz Khorasan hatte und schon im Dezember 2018 oder früher den Plan zu einer Teilnahme am bewaffneten Jihad gefasst haben könnte.
Die durch den Zeugen RiLG X. wiedergegebenen Angaben des Z1. stehen in Einklang mit einer Sprachnachricht des gesondert verfolgten Z1. in dem Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 ab 22:37 Uhr, mit der er auf die Ermahnung Y1.s reagierte, die Teilnahme der Gruppe am bewaffneten Jihad in Tadschikistan sei abgesprochen, und an die Rekrutierung durch den Angeklagten A. alias „Shohin“ und dessen Informationen zu dem Jihad in Tadschikistan erinnerte: „Mein lieber Bruder. Shohin hat uns am Anfang alles, wie du erzählt hast, erklärt. Wallah/bei Gott! Zum Beispiel: Wie soll ich sagen. Ich möchte keinen Rückzieher oder so machen. Ich rede nicht in diesem Sinne. Nun, er [Anmerkung des Senats: gemeint ist der Angeklagte A. alias Shohin] hat uns von Anfang an alles erzählt und erklärt […].“
299Auch Y1. bestätigte in einer anderen Sprachnachricht dieses Chats, dass er die anderen Angeklagten erst „durch diesen Bruder [Anmerkung des Senats: gemeint ist der Angeklagte A. alias Shohin] kennengelernt“ habe.
300Dass sich der Angeklagte A. zur Tarnung „Shohin“ nannte und durch die übrigen Chat-Teilnehmer mehrfach so angesprochen wurde, hat der Zeuge KK B4. dargelegt, der unter anderem die Zello-Kommunikation ausgewertet hat (vgl. zu den Zello-Accounts des Angeklagten A. unten B. VI. 6. a. aa. (2)).
Dass die Angeklagten A., C. und E. zu der Zeit der Rekrutierung des gesondert verfolgten Z1. im Dezember 2018 bereits übereinstimmend die radikalislamische Ideologie des IS teilten, belegen ihre fortlaufenden Aktivitäten für die IS-Zelle und ihre regelmäßige Teilnahme an ideologischen Schulungen des IS im Rahmen des Zello-Gruppenchats ab Januar 2019. Der Zeuge EKHK M3. hat dazu passend berichtet, dass radikalislamische Inhalte auch auf den Mobiltelefonen der Angeklagten gesichert wurden.
302Durch ihre Aktivitäten für die Zelle des IS ist auch die Einlassung des Angeklagten C. widerlegt, die Verbindung der Angeklagten und weiterer Gruppenmitglieder untereinander habe „in erster Linie durch die gemeinsame tadschikische Abstammung, durch Landsleute in der Fremde“ bestanden sowie „in erster Linie geselligen Treffen […] zum Grillen, Erzählen und Sprechen der Muttersprache“ gedient. Selbst wenn die Angeklagten und weitere Gruppenmitglieder freundschaftlich miteinander verbunden waren und sich mit ihren Familien zum geselligen Beisammensein getroffen haben, was angesichts ihrer übereinstimmenden ideologischen Gesinnung naheliegt, stellt dies ihre zeitgleiche mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung IS nicht in Frage.
Die Planung der Gruppe, sich am bewaffneten Jihad in Tadschikistan zu beteiligen, ist über die entsprechenden Angaben des gesondert verfolgten Z1. hinaus durch eine Telegram-Sprachnachricht des Z1. Mitte Januar 2019 belegt, in der er dem führenden IS-Mitglied U2. (vgl. A. IV. 8. a) zu der Planung der Gruppe berichtete: „Wir wollen nach Tadschikistan fahren, vielmehr die Brüder wollen das. Und dort arbeiten, sozusagen…“. Auch der Angeklagte C. hat eingeräumt, die Teilnahme am bewaffneten Jihad des IS sei bereits zu Beginn seines Kontaktes zu dem gesondert verfolgten Z1. Thema gewesen – wenn auch angeblich zunächst nur seitens des Z1.
Die Feststellungen zu der Beteiligung des Angeklagten F. und des gesondert verfolgten T2. an der Gruppe (A. IV. 5. a) beruhen auf den Aussagen der Zeugen EKHK M3. und RiLG X. zu den insoweit glaubhaften Angaben des gesondert verfolgten Z1.
305Bestätigt werden die Angaben des Z1. durch die Einlassung des Angeklagten C., der insoweit glaubhaft erklärt hat, F. und T2. hätten ebenfalls der Gruppe angehört.
306Hinsichtlich der Zeitpunkte des Anschlusses an die Gruppe hat der Senat auf das Hinzufügen ihrer jeweiligen Zello-Accounts in dem Zello-Gruppenchat mit Y1. abgestellt, die durch den Zeugen KK B4. dargelegt wurden.
307Die Freundschaft der Angeklagten E. und F. ist durch Fotos einer gemeinsamen Städtereise im Juli 2018 belegt, die aus einem WhatsApp-Chat auf dem Mobiltelefon des Angeklagten E. gesichert wurden.
308Die Angaben des gesondert verfolgten Z1. zu der radikalislamischen Einstellungen des Angeklagten F. und des gesondert verfolgten T2. werden auch durch deren fortlaufende Aktivitäten für die IS-Zelle und ihre regelmäßige Teilnahme an ideologischen Schulungen des IS im Rahmen des Zello-Gruppenchats gestützt. Überdies hat der Zeuge EKHK M3. bekundet, dass auch auf ihren Mobiltelefonen radikalislamische Inhalte gesichert wurden.
(1) Dass auch der Angeklagte B. spätestens Mitte Januar 2019 in die Aktivitäten der Gruppe eingebunden war (A. IV. 5. a), ist durch eine Telegram-Nachricht des gesondert verfolgten Z1. vom 16. Januar 2019 an den Telegram-Account des Angeklagten F. („Abu Jandal“) belegt. Nach den Ausführungen des Zeugen EKHK M3. basiert die Identifizierung des Nutzers des Telegram-Accounts „Abu Jandal“ darauf, dass dieser Z1. am 16. Januar 2019 die Telefonnummer des Angeklagten F. als eigene Erreichbarkeit zusandte.
310Aus der vorbezeichneten Nachricht des gesondert verfolgten Z1. ergibt sich, dass er ein persönliches Treffen mit dem Angeklagten F. und weiteren Zellenmitgliedern bei dem Angeklagten B. plante, um eine Aufforderung des IS-Mitglieds U2. zur Begehung jihadistischer Anschläge (vgl. A. IV. 8. a) zu besprechen („Inschallah. Samstag werden wir, also 4 Personen die bei dir zu Hause waren, nach Siegen fahren. Dort gibt es [einen] andere[n] Bruder und mit dem sprechen wir dann persönlich.“).
311Dass es sich bei dem „Bruder in Siegen“ um den Angeklagten B. und bei den weiteren Teilnehmern des Treffens um Zellenmitglieder handelte, hat der gesondert verfolgte Z1. nach Bekunden des Zeugen RiLG X. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung eingeräumt. Ferner hat Z1. danach eingeräumt, dass der Angeklagte B. mit ihm und den übrigen Zellenmitgliedern im Tatzeitraum freundschaftlich verbunden war.
312Der Angeklagte C. hat den Angeklagten B. ebenfalls der Gruppe um die übrigen Angeklagten und die gesondert verfolgten Z1. und T2. zugeordnet, wenngleich er in seiner Einlassung den rein kulturellen Hintergrund der Verbindung betonte.
313Schließlich wäre die Führungsrolle des Angeklagten B. innerhalb der fortbestehenden Gruppenstruktur ab Mitte März 2019 (A. IV. 11) nicht erklärbar, wenn er im Vorfeld nicht zumindest Mitglied der Gruppe geworden wäre.
314Der Senat ist nach einer Gesamtschau der vorgenannten Umstände davon überzeugt, dass die Behauptung des Z1., B. sei nicht Mitglied der Gruppe gewesen, unzutreffend und durch sein Bemühen motiviert war, seinen Jugendfreund zu schützen.
315(2) Dass der Angeklagte B. die Ideologie des IS befürwortete, zeigt der auf dem Mobiltelefon des gesondert verfolgten Z1. gesicherte Telegram-Chat mit B. (zu der Identifizierung des B. als Nutzer des Telegram-Accounts „Huzayfa Ibnalyamani“, @DiB63, vgl. unten B. VI. 8. b. aa). Der Angeklagte und Z1. haben in dem Chat Propaganda-Videos des IS und salafistische Inhalte geteilt. Darüber hinaus hat der Angeklagte B. durch die festgestellten Beteiligungshandlungen (A. IV. 6, 8, 11, 12; V) die Ziele der IS-Zelle und des IS aktiv gefördert. Bei der Auswertung seines Mobiltelefons wurden nach dem Vermerk des Bundeskriminalamts (KOKin U3.) vom 26. August 2020 Lichtbilder des Angeklagten B. mit „Tauhid“-Finger sowie der IS-Flagge gesichert.
Die Feststellungen zu der Einrichtung des Zello-Gruppenchats (A. IV. 5. b) beruhen auf den entsprechenden Ausführungen des Zeugen KK B4. sowie den Darlegungen der Zeugen EKHK M3. und RiLG X. zu den Angaben des gesondert verfolgten Z1.
317Der Zeuge KK M3. hat unter anderem das Mobiltelefon des Angeklagten A. im Hinblick auf Inhalte von Zello-Chats ausgewertet. Er hat erläutert, wie er mit Hilfe einer Auswertesoftware anhand von Datenbanken und Excel-Tabellen die Einrichtung des Zello-Gruppenchats durch den Angeklagten A. am 25. Dezember 2018 sowie das sukzessive Hinzufügen der weiteren Teilnehmer technisch nachvollzogen hat.
318Der gesondert verfolgte Z1. hat die technischen Erkenntnisse des Zeugen in dem gegen ihn geführten Ermittlungs- und Strafverfahren bestätigt. Dass die Idee der Einrichtung des Zello-Gruppenchats von dem Angeklagten A. stammte, hatte Z1. bereits im Ermittlungsverfahren geschildert, wie der Zeuge EKHK M3. glaubhaft bekundet hat. In der gegen ihn geführten Hauptverhandlung hat er seine Angaben wie festgestellt konkretisiert.
Die Feststellungen zu der Nutzung des Zello-Accounts „usto1984“ durch X1. Y1. (A. IV. 5. b) stützt der Senat auf die entsprechenden Angaben des Zeugen KK B4.
320Der Zeuge hat mehrere Übereinstimmungen zwischen dem Zello-Nutzer „usto1984“ und dem IS-Führungsmitglied X1. Y1. aufgezeigt. Grundlage seiner Ausführungen war ein Abgleich der von russischen Behörden stammenden Informationen zu dem führenden IS-Mitglied Y1. mit den auf dem Inhalt des Zello-Gruppenchats beruhenden Erkenntnissen zu dem Zello-Teilnehmer „usto1984“. Nach Mitteilung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB war Y1. tadschikischer Herkunft und hielt sich in Afghanistan auf. Dies lässt sich auch Angaben des Y1. in dem in tadschikischer Sprache geführten Zello-Gruppenchat entnehmen („Er wusste, um was es geht […] warum ich mich hier aufhalte, und wo ich in Afghanistan lebe.“) und wurde nach Bekunden des Zeugen RiLG X. durch den gesondert verfolgten Z1. bestätigt. Zudem hat das Geburtsjahr 1984 des Y1. einen Bezug zu dem Nutzernamen „usto1984“. Die Äußerung des Zello-Nutzers „usto1984“ in einer Sprachnachricht vom 14. Februar 2019, dass die „Kafire“ intensiv nach ihm fahnden, deutet auf einen Zusammenhang zu der INPOL-Ausschreibung des Y1. Schließlich nannten sich beide Personen „Shakhomat“ beziehungsweise „Shaomat“/„Shahomat“. Die leicht abweichenden Schreibweisen der Spitznamen „Shakhomat“ (Erkenntnismitteilung FSB) und der Bezeichnung des „usto1984“ als „Shaomat“ beziehungsweise „Shahomat“ in einer Textnachricht vom 18. Januar 2019 lassen sich nach der plausiblen Einschätzung des Sprachsachverständigen A4. mit der Übertragung aus der kyrillischen Schrift erklären.
321Der Zeuge KK B4. hat überdies bekundet, er habe bei einer Internetrecherche mit dem Namen „Shakhomat“ zwei YouTube-Kanäle ermittelt, die Verbindungen zu dem Zello-Teilnehmer „usto1984“ aufwiesen. Auf einem dieser Kanäle habe sich neben dem Video über einen tadschikischen IS-Angehörigen und weiterer IS-Propaganda ein Video mit einem Standbild der Applikation Zello befunden. Hiervon hat sich der Senat durch eine Abbildung dieses Standbildes überzeugt. Weiter hat der Zeuge nachvollziehbar ausgeführt, dass die drei Namensbestandteile eines der beiden YouTube-Kanäle („Ustod“ „Shahomat/Shakhomat“ und „Khurosoni/Hurosoni/Xurosoni“) auf die Identität des X1. Y1. alias „Shakhomat“ mit dem in der IS-Provinz Khorasan aufhältigen Zello-Nutzer „usto1984“ deuten.
Die Feststellungen zu der Teilnahme der Angeklagten F., A., C. und E. an ideologischen Schulungen des X1. Y1. (A. IV. 6) beruhen auf den Angaben des Zeugen KK B4., der die Inhalte der Zello-Anwendung auf dem Mobiltelefon des Angeklagten A. ausgewertet hat, den Inhalten des Zello-Gruppenchats vom 1. Februar bis 2. März 2019 auf dem Mobiltelefon des Z1. und vom 7. bis 14. März 2019 auf dem Mobiltelefon des Angeklagten E. und schließlich den Angaben der Zeugen EKHK M3. und RiLG X. zu den Bekundungen des gesondert verfolgten Z1. hierzu. EKHK M3. hat bekundet, Z1. habe die Angeklagten F., A., C. und E. bereits im Ermittlungsverfahren als Teilnehmer des Zello-Gruppenchats identifiziert.
323Die Angeklagten C. und E. haben in ihrer jeweiligen Einlassung eingeräumt, an dem Zello-Gruppenchat mit Y1. teilgenommen zu haben.
324Die Feststellung der einzelnen Tage, an denen die Angeklagten F., A., C. und E. im Februar und März 2019 an dem Zello-Gruppenchat teilgenommen haben, hat der Senat – mit Ausnahme des 2. März 2019 (hierzu unter B. VI. 9. a) – den auf den Mobiltelefonen des Z1. und E. gesicherten Zello-Gruppenchats anhand der jeweils beteiligten Zello-Accounts entnommen.
325Hierdurch ist die Einlassung des Angeklagten C. widerlegt, er habe weniger als einen Monat an dem Zello-Gruppenchat teilgenommen. Widerlegt ist auch seine weitere Einlassung, er habe die Zello-Gruppe nach dem 2. März 2019 vorzeitig verlassen. Der Angeklagte C. hat bei der Vorbereitung seiner Einlassung offenbar nur den auf dem Mobiltelefon des Z1. gesicherten Zello-Gruppenchat in den Blick genommen und dadurch übersehen, dass er ausweislich des auf dem Mobiltelefon des E. gesicherten Zello-Gruppenchats mit seinem Zello-Account „jonik01 jonik01“ auch am 13. März 2019 an dem Chat teilgenommen hat. In diesem Chat hat sich der Angeklagte C. weder von der Gruppe distanziert noch sein Ausscheiden angekündigt („Jonik begrüßt die Runde der Brüder […] Grüße an die Runde. Er gratuliert zu dem heiligen Monat und stellt eine Frage […] “). Der Zeuge KK B4. hat gut nachvollziehbar erklärt, er habe anhand der auf dem Mobiltelefon des Angeklagten A. gesicherten Fragmente des Zello-Gruppenchats nachvollzogen, wie der Angeklagte C. seinen Zello-Account Anfang März 2019 gewechselt habe und dem Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 mit dem Account „jonik01 jonik01“ wieder beigetreten sei (vgl. unten B. VI. 6. a. aa. (3)).
Die Identifizierung der Angeklagten sowie der gesondert verfolgten Z1. und T2. als Nutzer der jeweiligen Zello-Accounts des Gruppenchats beruht im Wesentlichen auf den Angaben des Zeugen KK B4. sowie des Zeugen RiLG X., der die Bekundungen des Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung wiedergegeben hat. Danach hat der gesondert verfolgte Z1. nicht nur die Inhaber der Zello-Accounts des auf seinem Mobiltelefon gesicherten Zello-Gruppenchats wie festgestellt angegeben. Er hat auch die Sprachnachrichten des auf dem Mobiltelefon des Angeklagten E. gesicherten Zello-Gruppenchats ab dem 7. März 2019 angehört und die Teilnehmer, die er allesamt an ihren Stimmen sicher wiedererkannt hat, in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung den teilweise abweichenden Accounts wie festgestellt zugeordnet.
327Die Zuordnung der Accounts und Sprecher in dem Zello-Gruppenchat durch den gesondert verfolgten Z1. ist durch das von dem Zeugen KK B4. dargelegte Ermittlungsergebnis bestätigt:
Der von dem Angeklagten F. verwendete Zello-Account („slsllilolsllslls“) entspricht einer von ihm genutzten E-Mail-Adresse slsllilolsllslls@gmail.com. Nach dem Identifizierungsvermerk des Polizeipräsidiums F4. (RBe H4.) vom 10. März 2020 hat dies die Auswertung des durch F. genutzten Mobiltelefons ergeben.
Dass der Angeklagte A. die Zello-Accounts „khalid44a“ und „ddvbhhgffee“ verwendete, hat der Zeuge KK B4. mittels der Datenbanken und Excel-Tabellen bei der Auswertung seines Mobiltelefons festgestellt. Nach dem Identifizierungsvermerk des Polizeipräsidiums F4. (EKHK M3.) vom 18. Juni 2020 zeigt das Profilbild von „khalid44a“ im Übrigen ein Foto geschnittener Melonenstücke, das der Angeklagte A. auch im Rahmen einer WhatsApp-Kommunikation versandt hat.
Nach dem Bekunden des Zeugen KK B4. konnte der Angeklagte C. aufgrund eines Lichtbildes als Inhaber des Zello-Accounts „umar0001a“ identifiziert werden. Von diesem Zello-Account wurde Anfang Februar 2019 ein Lichtbild verschickt, das eine Aufnahme von Tee und Gebäck auf einem Kinderteppich zeigte. Dieser Kinderteppich wurde wenige Wochen später im März 2019 bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten C. aufgefunden.
331Die Einlassung des Angeklagten C., er habe den Teppich – zufälligerweise – nur wenige Tage vor der Durchsuchung von dem gesondert verfolgten Z1. erworben, hält der Senat für eine Schutzbehauptung. Der Angeklagte C. hat eingeräumt, an dem Chat teilgenommen zu haben, ohne anzugeben, welchen Account er genutzt hat. Insbesondere aufgrund der atypischen Auffindesituation des Kinderteppichs als Tischersatz vor einem Sitzkissen in der Küche des Angeklagten C. ist der Senat davon überzeugt, dass der Teppich aus der Wohnung des Angeklagten C. mit dem Teppich auf dem Foto im Chat identisch ist und C. den Teppich schon im Februar 2019 in seiner Küche als Tischersatz nutzte und dementsprechend mit Tee und Gebäck fotografierte.
332Die Sachverständige I4. (Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen) hat anhand eines Bild-Bild-Vergleichs überdies bestätigt, dass beide Bilder einen Teppich mit identischer Musterung in seitengleicher Anordnung zeigen. Die langjährig erfahrene Sachverständige für Bildvergleich und Textilkunde hat hierzu auf eine Vielzahl übereinstimmender Merkmale, wie die pinke Farbe, den weißen und dunklen bogenförmigen Musterverlauf sowie ein dunkelgrünes Blumenmuster sowie Ausschnitte eines hellgrünen Blumenmusters verwiesen. Davon, dass die jeweils identischen Musterbestandteile übereinstimmend seitenrichtig auf beiden Fotos dargestellt sind, hat sich der Senat durch Inaugenscheinnahme des zu vergleichenden Fotomaterials überzeugt.
333Dass die ähnlich klingenden Zello-Accounts „jonijon0101“ und „jonik01 jonik01“ ebenfalls jeweils durch den Angeklagten C. verwendet wurden, stützt der Senat auf die Angaben des Zeugen KK B4., wonach in beiden Profilen – wie bei dem Account „umar0001a“ – als Name „Umar“ beziehungsweise „Umar 001“ hinterlegt ist. Nach Bekunden des Zeugen RiLG X. hat der gesondert verfolgte Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung angegeben, „Umar“ sei der Tarn-/Spitzname des Angeklagten C. im Zello-Gruppenchat gewesen. Der Account „jonijon0101“ wurde den Angaben des KK B4. zufolge auf dem Mobiltelefon des Angeklagten A. überdies im Februar 2019 kurz nach Abmeldung des Accounts „umar001a“ hinzugefügt, während der Account „jonik01 jonik01“ im März 2019 nur einen Tag vor der Abmeldung des Vorgänger-Accounts „jonijon0101“ folgte und somit eine sukzessive Nutzung nachvollziehbar ist.
Dass der Angeklagte E. die Zello-Accounts „Umedjon566“ und „Umedjon33333“ verwendete, hat nach den Angaben des Zeugen KK B4. die Auswertung seines Mobiltelefons bestätigt.
Der Account „Talha Abu Ahmad“ ist bei der Auswertung des Mobiltelefons des gesondert verfolgten Z1. festgestellt worden. Hiermit steht in Einklang, dass Z1. nach dem durch KK B4. dargelegten Ermittlungsergebnis unter den anderen Zellenmitgliedern „Talha“ genannt wurde.
336Die Zuordnung des Zello-Accounts „abubakr370“ zu dem gesondert verfolgten T2. beruht nach Bekunden des Zeugen KK B4. auf einer Namensähnlichkeit zu dessen Spitznamen „Abu Bakr“.
Die Feststellung, dass die erste ideologische Schulung unter Beteiligung der Angeklagten A., F., C. und E. spätestens am 12. Januar 2019 stattfand, beruht im Wesentlichen auf den Ausführungen des Zeugen KK B4. Danach zeigte sich bei der Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten A. an diesem Tag die erste längere wechselseitige Unterhaltung der Teilnehmer mit dem Account des X1. Y1. („usto1984“).
338Obgleich die ausgetauschten Zello-Sprachnachrichten auf dem Mobiltelefon des Angeklagten A. – anders als bei den Mobiltelefonen von Z1. und E. – inhaltlich nicht mehr rekonstruierbar gewesen seien, deuteten die fragmentarischen Textnachrichten auf dem Mobiltelefon des A. aus dem Chat am 12. Januar 2019 darauf, dass an diesem Tag eine ideologische Schulung stattfand. So habe der Angeklagte E. neben den zahlreichen, nicht rekonstruierbaren Sprachnachrichten eine Textnachricht mit einem arabischen Zitat in den Gruppenchat geschickt, auf die der Angeklagte C. mit einem „Tauhid“- Finger-Emoji geantwortet habe. Der Angeklagte F. habe in einer Textnachricht zu konspirativem Verhalten geraten: „Hey Jungs pass auf, dass niemand mit anderen redet.“
339Nach Bekunden des Zeugen RiLG X. hat der gesondert verfolgte Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung überdies eingeräumt, die ideologischen Schulungen per Zello-Gruppenchat hätten bereits im Januar 2019 begonnen. Hierauf deuten auch weitere Textnachrichten auf dem Mobiltelefon des Angeklagten A., beispielsweise folgende Nachrichten vom 18. Januar 2019: „Was ist mit dem Unterricht?“ und „Shaomat ist nicht da, wir warten auf Unterricht.“
Die Feststellung, dass der Angeklagte B. an mindestens einem Zello-Gruppenchat Anfang Februar 2019 teilgenommen hat, beruht auf den glaubhaften Angaben des Zeugen KOK J3., der als Vernehmungsbeamter die Angaben des K3. in dessen polizeilicher Vernehmung vom 21. April 2020 wiedergegeben hat. Der Zeuge K3. hat sich in der Hauptverhandlung auf sein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO wegen der Gefahr eigener Strafverfolgung nach § 129a, b StGB berufen und keine Angaben gemacht. Die Bekundungen des KOK J3. als Zeuge vom Hörensagen waren aber ausnahmsweise geeignet, belastende Feststellungen zum Tatgeschehen zu stützen (vgl. B. V):
341Der Zeuge KOK J3. hat glaubhaft bekundet, K3. habe ausgesagt, er habe nach seiner Ankunft in Deutschland Anfang Februar 2019 in den Wohnungen der Angeklagten F. und A. gelebt, hierbei weitere Mitglieder der Gruppe kennengelernt und deren Teilnahme an den ideologischen Schulungen eines „Lehrers“ auf Tadschikisch mittels eines auf dem Tisch liegenden Mobiltelefons per Zello beobachtet. Da keine Anhaltspunkte für die Teilnahme der Gruppe an einem anderweitigen „Unterricht“ per Zello auf Tadschikisch bestehen, ist der Senat davon überzeugt, dass K3. die Beteiligung der Angeklagten an dem Zello-Gruppenchat mit Y1. beschrieben hat. K3. hat sich dabei – so der Zeuge KOK J3. – sicher an die Teilnahme des Angeklagten B. (Spitzname „Abdullah“) an einer Schulung Anfang Februar 2019, etwa 2-3 Tage nach seiner Ankunft in Deutschland am 2. Februar 2019 erinnert.
342Auch wenn nach Bekunden des Zeugen KOK J3. keine Wahllichtbildvorlage durchgeführte wurde und K3. auf Nachfrage des Zeugen den bürgerlichen Namen des „Abdullah“ nicht zu nennen vermochte, schließt der Senat aus, K3. könnte mit „Abdullah“ eine andere Person als den Angeklagten B. bezeichnet haben. K3. beschrieb „Abdullah“ den Angaben des Zeugen KOK J3. zufolge im Verlauf der Vernehmung als einen tadschikischen Landsmann und „strengen Moslem“, der mit seiner Ehefrau und einem Kind in B2. wohne und keiner Arbeitstätigkeit nachgehe. Dies traf auf den Angeklagten B. zu. Außerdem habe „Abdullah“ ihm – K3. – geholfen, sich nach Frankreich abzusetzen und seinen Reisepass in Verwahrung genommen. Hierzu passt, dass der Reisepass des K3. nach Bekunden des Zeugen KOK J3. bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten B. am 15. April 2020 sichergestellt wurde und die Überwachung der Telekommunikation des B. ergeben hat, dass er K3. bei der Flucht nach Frankreich geholfen hat. Der Zeuge KHK J4., der die Rückführung des K3. aus Frankreich nach Deutschland seitens des Bundeskriminalamts begleitete, hat glaubhaft bekundet, K3. habe im Rahmen der Befragung durch die Bundespolizei unter anderem die Telefonnummer des Angeklagten B. angegeben und diesen als seinen Freund „Abdullah“ bezeichnet, der ihm sehr geholfen und viel für ihn organisiert habe.
343Anhaltspunkte für eine Belastungstendenz des K3. gegenüber dem Angeklagten B. oder ein Falschbelastungsmotiv haben sich nicht ergeben. Die Zeugen KHK J4. und KOK J3. haben übereinstimmend berichtet, K3. habe wiederholt die große Hilfsbereitschaft des Angeklagten B. alias „Abdullah“ hervorgehoben und eine extremistische oder islamistische Gesinnung des Angeklagten B. sowie mögliche Verbindungen zum IS in Abrede gestellt. Der Senat geht daher davon aus, dass K3. den Angeklagten B. entlasten wollte und dabei die Tragweite seiner Angaben zu dessen Teilnahme an dem Zello-Gruppenchat verkannt hat.
344Für die Richtigkeit der Angaben des K3. spricht schließlich die durch objektive Beweismittel belegte Beteiligung des Angeklagten B. an der radikalislamischen Gruppe im weiteren Geschehensverlauf (vgl. B. VI. 5. a. bb), deren wesentlicher Kern gerade die Schulung per Zello zur Vorbereitung der Teilnahme am bewaffneten Jihad des IS in Tadschikistan gewesen ist.
Die Feststellung zu der Teilnahme des Angeklagten B. an mindestens einer ideologischen Schulung des Y1. im Januar 2019 beruht auf einer Gesamtwürdigung folgender Umstände:
346Der Telegram-Chat des Angeklagten F. mit Z1. am 16. Januar 2019 (vgl. oben B. VI. 5. a. bb.) belegt, dass B. bereits Mitte Januar 2019 Teil der Gruppe war. Für deren Ausrichtung und die Zielsetzung war die ideologische Schulung durch das führende IS-Mitglied Y1. so wesentlich, dass die Teilnahme des Angeklagten B. unmittelbar nach seinem Beitritt zu der Gruppe nahe liegt.
347Der Angeklagte B. hat sich auch schon Anfang Februar 2019 an einer Geldsammlung innerhalb der Zelle beteiligt (A. V. 2). Dies deutet ebenfalls auf seine gefestigte Gruppenzugehörigkeit, die ohne eine gleichzeitige Teilnahme an dem für die Gruppe wesentlichen Zello-Gruppenchat schwer vorstellbar ist.
348Dass dem Angeklagten B. kein eigener Zello-Account zugeordnet werden konnte, stellt seine Teilnahme an dem Gruppenchat nicht in Frage. Zum einen konnten nicht alle Teilnehmer des Chats identifiziert werden, so etwa der Teilnehmer „zamin 1“. Zum anderen war es in der Gruppe üblich, einen Zello-Account gemeinsam zu nutzen, wenn sich Mitglieder der Zelle zum Zeitpunkt des Gruppenchats an einem Ort aufhielten, beispielsweise zu Besuch bei einem anderen Mitglied der Gruppe. Die (Mit‑)Nutzung des Zello-Accounts einer anderen Person durch B. entspricht überdies dem vorsichtigen und auf Verschleierung seiner Beteiligung bedachten Vorgehen des Angeklagten B., wie es im Rahmen der Finanzermittlungen festgestellt wurde.
349Dass der gesondert verfolgte Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung eine Teilnahme des Angeklagten B. an dem Zello-Gruppenchat in Abrede gestellt hat, hält der Senat für eine Schutzbehauptung zugunsten seines Jugendfreundes (vgl. dazu oben B. VI. 2. a. bb).
Die Feststellungen zu den Inhalten des Zello-Gruppenchats beruhen auf der Erhebung von Chat-Inhalten, die auf den Mobiltelefonen des Z1. und des E. gesichert werden konnten. Der Senat hat neben einem Wortprotokoll zu dem Chat am 2. März 2019 zu den übrigen Chats Fotografien der Sicherung an den beiden Originalgeräten mit inhaltlichen Zusammenfassungen in deutscher Übersetzung erhoben. Hierdurch sind die Einlassungen der Angeklagten C. und E. widerlegt, Y1. habe in dem Zello-Gruppenchat lediglich religiösen Unterricht erteilt.
351Der Senat hat dem Chat entnommen, dass Y1. die Gruppe im Hinblick auf eine Teilnahme am Jihad in Tadschikistan wie folgt bestärkt hat: „Sonst kommen hier die Meldungen, dort fragt man immer bspw.: Was ist in Tadschikistan passiert? […] Wird denn dort nichts unternommen? […] Genau in diesem Zusammenhang ist es, dass wir dort „Dings“ machen oder Jihad. […] Die Spitze, die wir bei der Unterdrückung der Völker sehen, befindet sich gerade in Transoxanien! Im Gegensatz zu euren (gegenwärtigen/jetzigen) Orten! In jeder Relation! In Relation zu Religion, Konfession, allen Kleinigkeiten des Lebens und anderen Sachen sind die Gefängnisse in Tadschikistan, wie? – Die sind voll!“. Hierdurch ist die Einlassung des Angeklagten C. widerlegt, in der Gruppe habe nie der Plan bestanden, zur Teilnahme am Jihad nach Tadschikistan zurückzukehren.
352Aus dem Chat ergab sich ferner die Aufforderung zu der Wahl eines „Emirs“: „Eine Person soll zu eurem Emir werden. […] Hat man gewählt, dann muss man gehorchen.“
353Sprach- oder Textnachrichten, in denen Y1. den IS kritisiert hätte, wie durch den Angeklagten E. behauptet, hat der Senat in dem Zello-Gruppenchat nicht ausgemacht. Der Angeklagte E. hat im Rahmen seiner Einlassung lediglich pauschal die Qualität der Übersetzungen gerügt, ohne einen konkreten Übersetzungsfehler darzulegen („Ganz im Gegenteil gibt es bei korrekter Übersetzung der Zello Chats eine Unmenge an erheblicher Kritik an der Vorgehensweise des IS durch Y1…“). Ob und gegebenenfalls in welchen gesicherten Sprachnachrichten sich X1. Y1. abwertend oder kritisch zum IS geäußert haben soll, hat der Angeklagte E. nicht angegeben. Der Senat geht insoweit von einer Schutzbehauptung aus.
354Nach den erhobenen Chat-Inhalten hat Y1. unter Verweis auf den Anführer des IS die Zellenmitglieder darauf hingewiesen, dass allein „der Jihad die Übersetzung des Monotheismus sei“. Entsprechend der Doktrin des IS hat er die Zustände im sogenannten Kalifat verharmlost: „In allen Territorien von ISIS, egal ob Levante, Irak, Jemen, Khorasan, Libyen, Philippinen usw., habe [es] noch keine einzige willkürliche Ermordung von Unschuldigen oder Massaker an der Bevölkerung gegeben.“ Ferner hat er die Anhängerschaft zum IS glorifiziert: „Heute habe ich Brüder aus der Heimat gefragt, Alhamdulillah. Sie berichten. [...] In jedem Dort, in jeder Siedlung gibt es Muwahhid, die sich vollständig dem System des Islamischen Staates unterordnen. (Solche Leute) kann man in der Heimat finden. Gut…“). Schließlich hat er die jihadistische Ideologie positiv hervorgehoben: „Nur jemand, der mit einer jihadistischen Ideologie bewaffnet ist, kann den Durchblick behalten, egal, ob man Professor und belesen ist oder nicht.“
Die vorgenannten Chat-Inhalte widerlegen auch die Einlassung des Angeklagten B., er habe nicht gewusst, dass X1. Y1. IS-Mitglied war oder auch nur in Verbindung zum IS gestanden habe. Die Äußerungen des X1. Y1. in dem Zello-Gruppenchat standen insgesamt in Einklang mit seiner Rolle als führendes IS-Mitglied.
356Der Senat geht außerdem davon aus, dass der Angeklagte A. die übrigen Mitglieder der Gruppe über die Stellung und den Aufenthaltsort des Y1. informierte. Die Unterrichtung der übrigen Angeklagten über die Zugehörigkeit und herausgehobene Stellung des Y1. innerhalb des IS eignete sich dazu, die Gruppe für die ideologische Schulung durch Y1. zu gewinnen und zu einer regelmäßigen Teilnahme an dessen Unterricht zu motivieren.
357Der gesondert verfolgte Z1. hat den Angaben des Zeugen RiLG X. zufolge eingeräumt, den Aufenthaltsort des Y1. und dessen Sympathie für den IS gekannt zu haben.
358Dass auch die Angeklagten und übrigen Gruppenmitglieder den Zello-Gruppenchat nicht nur für religiösen Unterricht hielten, belegen zum einen ihre Überlegungen innerhalb des Gruppenchats am 11. März 2019 zu einer konspirativen Nutzung von Messenger-Diensten. Zum anderen konnten vollständige Zello-Gruppenchats einzelner Tage lediglich auf den am 15. März 2019 sichergestellten Mobiltelefonen des E. und Z1. festgestellt werden. Der Angeklagte C. hat sich dahin eingelassen, für den Zello-Chat mit Y1. von einem anderen Zellenmitglied ein eigenes, nicht mehr in seinem Besitz befindliches Mobiltelefon erhalten zu haben. Der Zeuge KK B4. hat nachvollziehbar berichtet, der Angeklagte A. habe die Anwendung Zello von seinem am 15. April 2020 sichergestellten Mobiltelefon deinstalliert und gelöscht – mit der Folge, dass beispielsweise die Sprachnachrichten des Chats auf seinem Mobiltelefon nicht mehr rekonstruierbar waren. Hätte es sich bei dem Zello-Gruppenchat mit Y1., wie durch die Angeklagte C. und E. behauptet, tatsächlich nur um „harmlosen“ religiösen Unterricht gehandelt oder wären die Angeklagten hiervon ausgegangen, wären die vorgenannten Bemühungen zur Verschleierung nicht erforderlich gewesen. Schließlich ist bereits aufgrund der erhobenen Inhalte des Chats nicht nachvollziehbar, dass einzelne Angeklagte den Chat lediglich für religiösen Unterricht einer Person ohne Verbindung zum IS gehalten haben könnten.
Die Feststellungen zu dem Tod des X1. Y1. im April 2019 hat der Senat aufgrund eines Vermerks des Polizeipräsidiums Mönchengladbach (KK B4.) vom 29. Dezember 2020 zu einer Erkenntnismitteilung russischer Behörden getroffen.
Die Feststellungen zu der Teilnahme der Angeklagten F., A., C. und E. an simulierten Kampfübungen der Zelle (A. IV. 7) beruhen im Wesentlichen auf den durch den Zeugen RiLG X. wiedergegebenen Angaben des gesondert verfolgten Z1. sowie der Aussage des Zeugen EKHK M3., der insoweit das Ermittlungsergebnis ausführlich dargestellt hat.
361Z1. hat der Aussage des Zeugen RiLG X. zufolge geschildert, die Gruppe habe beim Paintball mit „vorgestellten Kalaschnikows“ Schieß- und Kampfszenarien für einen kriegerischen Einsatz in Tadschikistan simuliert. Dies entspricht dem durch EKHK M3. präsentierten Ermittlungsergebnis. Hierdurch sind die entgegenstehenden Einlassungen der Angeklagten C. und E. ebenso wie die einem Beweisantrag zugrunde liegende Behauptung der Verteidigung des Angeklagten F., es habe sich nur um ein Freizeitvergnügen gehandelt, widerlegt.
362Die Darstellung des Z1., es seien Kampftaktiken für den bewaffneten Jihad des IS eingeübt worden, wird gestützt durch den Inhalt eines Telefonats zwischen dem Angeklagten E. und Z1. am 2. März 2019. Darin erklärte der gesondert verfolgte Z1. zu dem Paintball-Training der Zelle: „Wenn wir das aber für unseren eigenen Spaß machen, dann ist das natürlich nicht richtig. Für die andere Seite, inschallah, werden wir auch göttliche Belohnung bekommen, Bruder!“
363Darüber hinaus zeigt das auf dem Mobiltelefon des Angeklagten F. gesicherte Bild- und Videomaterial, dass bei ihm und in seinem islamistischen Bekanntenkreis die Motivation bestand, durch Paintball-Training Kampftechniken für den bewaffneten Jihad einzuüben. So fanden sich auf dem Mobiltelefon des Angeklagten F. nachträglich mit Nasheeds unterlegte Paintball-Sequenzen sowie Videos von Paintball-Szenen, die mit dem Hinweis „Hier herrscht die Scharia“ begannen und durch martialische „Allahuh Akbar“-Rufe begleitet wurden. Nach Bekunden des Zeugen EKHK M3. wurden auf dem Mobiltelefon des Angeklagten F. außerdem Fotos des Angeklagten F. und weiterer Personen in Paintball-Ausrüstung mit erhobenem „Tauhid“-Finger gesichert. Hiervon hat sich der Senat durch Inaugenscheinnahme der Videos und Bilder überzeugt.
364Der Zeuge EKHK M3. hat ferner bekundet, der Angeklagte F. habe spätestens seit Oktober 2018 mit Kontaktpersonen aus dem islamistischen Spektrum in Osnabrück regelmäßig Paintball trainiert und sich dazu an einer im Oktober 2018 gegründeten WhatsApp-Gruppe zu dem Thema Paintball beteiligt. Der Zeuge hat auch die Ausführungen in dem Auswertebericht des Polizeipräsidiums K4. (PHK L4.) vom 23. Mai 2019 bestätigt, wonach das Paintball-Training durch die Chat-Teilnehmer wiederholt in einen islamistisch-ideologischen Kontext gesetzt wurde.
365Zu der WhatsApp-Gruppe gehörten nach Bekunden des Zeugen EKHK M3. unter anderem M4., N4. und O4.. Nach dem Vermerk des Bundeskriminalamts (KHK P4) vom 4. November 2020 handelt es sich bei den vorgenannten Personen um direkte Kontakte beziehungsweise bei N4. um eine Person aus dem Umfeld des IS-Attentäters Q4., der am 2. November 2020 bei einem jihadistischen Anschlag des IS in Wien vier Personen erschoss.
366Die ideologische Einbindung des Paintball-Trainings zeigt schließlich eine deutschsprachige Sprachnachricht des Angeklagten F. (WhatsApp-Account: „Anas Anas“) vom 25. Oktober 2018, in der er andere Chat-Teilnehmer wie folgt zur Teilnahme am Paintball-Training aufrief: „Abdulraman, komm bismillah. Komm trainieren. Insch ´Allah. Komm! Muslime muss immer trainieren, Bruder! Muss stark werden, ja. Diese Kuffar macht kaputt!“.
367Dass die vorgenannte Nachricht – entgegen dem pauschalen Bestreiten der Verteidigung des Angeklagten im Rahmen eines Beweisantrages – von dem Angeklagten F. stammt, hat das Stimmvergleichsgutachten der Sachverständigen R4. bestätigt. Deren gutachterliche Ausführungen hat der Senat durch Inaugenscheinnahme der Sprachnachricht nachvollzogen. Die Sachverständige ist zu dem Ergebnis F., zwischen dem Sprecher der Sprachnachricht und dem von dem Angeklagten F. stammenden Vergleichsmaterial in deutscher Sprache bestehe mit hoher Wahrscheinlichkeit Personenidentität. Dabei hat sie gut nachvollziehbar auf vergleichbare lautsprachliche Merkmale sowie auffällige Normabweichungen bei der Artikulation und Grammatik abgestellt. So habe der Sprecher der Sprachnachricht einerseits und des deutschsprachigen Vergleichsmaterials andererseits jeweils übereinstimmend stimmlose Laute stimmhaft ausgesprochen, vor Vokalen glottal gebildete Verschlusslaute weggelassen und teilweise kurze Vokale gedehnt. Auch gleichartige Abweichungen in Satzbau, Wortstellung und Genus seien jeweils einem Deutsch mit ähnlichen fremdsprachlichen Merkmalen zuzuordnen. Die automatische Sprechererkennung hat nach Angaben der Sachverständigen ebenfalls Hinweise auf eine Identität der Sprecher erbracht. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird durch den Umstand gestützt, dass die Bezeichnung des WhatsApp-Accounts „Anas Anas“ dem Spitznamen „Anas“ des Angeklagten F. entspricht. Zudem wurde den Angaben des Zeugen EKHK M3. zufolge die mit dem Account „Anas Anas“ verknüpfte Telefonnummer von Oktober 2018 bis März 2019 durch den Angeklagten F. genutzt.
368Da den teilnehmenden Angeklagten der Hintergrund des Paintball-Trainings zur Vorbereitung des bewaffneten Jihads auf Seiten des IS jeweils bekannt war, haben sie durch ihre Teilnahmen die Ziele der terroristischen Vereinigung bewusst und gewollt gefördert.
Die Feststellungen zu dem Paintball-Training am 13. Januar 2019 beruhen im Wesentlichen auf den Angaben des Zeugen EKHK M3., die durch den Auswertebericht des Polizeipräsidiums K4. (PHK L4.) vom 23. Mai 2019 bestätigt werden.
370Der Zeuge EKHK M3. hat anhand der Auswertung auf dem Mobiltelefon des Angeklagten F. gesicherter WhatsApp-Kommunikation berichtet, dieser habe für den 13. Januar 2019 ein Paintball-Training in Rheine mitorganisiert, an dem auch Mitglieder der Zelle teilgenommen hätten. Danach bewarb der Angeklagte F. am 12. Januar 2019 „Paintball bei Rheine“ gegenüber M4. und weiteren Kontaktpersonen aus dem Raum Osnabrück und erwähnte unter anderem, dass „6-7 tadschikische Brüder aus einer anderen Stadt“ kommen.
371Der Senat ist aufgrund der insoweit glaubhaften Angaben des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung davon überzeugt, dass sämtliche Angeklagte – ausgenommen der Angeklagte B. – an dem Paintball-Training am 13. Januar 2019 in Rheine teilgenommen haben.
372Zu dem Angeklagten C. hatte Z1. nach Bekunden des Zeugen RiLG X. zwar zunächst angegeben, dieser habe im Januar 2019 wegen einer Erkrankung nicht an dem Paintball-Training teilnehmen können. Der Zeuge hat aber weiter bekundet, Z1. habe sich im Zuge seiner weiteren Einlassung insoweit korrigiert, seinen Irrtum nachvollziehbar mit einer Personenverwechslung erklärt und angegeben, neben F., A. und E. habe auch der Angeklagte C. an dem Training teilgenommen.
373Der Senat ist davon überzeugt, dass der gesondert verfolgte Z1. dabei das Paintball-Training am 13. Januar 2019 meinte, obwohl er den Zeitpunkt den Angaben des Zeugen RiLG X. zufolge auf „Ende Januar 2019“ schätzte. Der Senat geht insoweit von einer Ungenauigkeit der Schätzung des Z1. aus, die sich zwanglos durch den Zeitablauf erklärt. Dass Z1. tatsächlich von dem Paintball-Training am 13. Januar 2019 berichtet hat, ergibt sich aus Folgendem: Z1. hat nach Bekunden des Zeugen RiLG X. berichtet, er habe den Angeklagten F. bei dem Paintball-Training im Januar 2019 in der Nähe von dessen Wohnort kennengelernt und ihm in der Folge eine Sprachnachricht des IS-Mitglieds U2. (vgl. A. IV. 8) weitergeleitet. Die Sprachnachricht des U2. hat Z1. dem Angeklagten F. (Telegram-Account „Abu Jandal“) am 16. Januar 2019 – drei Tage nach dem Paintball-Training in Rheine – per Telegram-Chat zugeschickt. Rheine liegt mit einer Entfernung von etwa 38 Kilometern auch in der Nähe des damaligen Wohnortes des Angeklagten F. in M1..
374Der Zeuge S4. hat die Teilnahme von F., A., C. und E. an dem Paintball-Training insofern bestätigt, als er bei seiner Vernehmung die ersichtlich erfreuten und ihm zuwinkenden Angeklagten im Gerichtssaal begrüßte und dem Senat erklärte, er habe die „Brüder im Glauben“ beim Paintball in Rheine im Januar 2019 kennengelernt. Nähere Angaben zum Ablauf des Trainings hat der Zeuge anschließend unter Inanspruchnahme seines Auskunftsweigerungsrechts aus § 55 StPO verweigert.
375Durch die geschilderten Angaben des gesondert verfolgten Z1. und des Zeugen S4. ist die Einlassung des Angeklagten C., er habe an keinem Paintball-Treffen teilgenommen, widerlegt.
Die Feststellungen zu dem Paintball-Training am 16. Februar 2019 beruhen auf dem Inhalt des Zello-Gruppenchats am 14. Februar 2019. Danach teilte der gesondert verfolgte Z1. mit, am folgenden Samstag (16. Februar 2019) „zu 100%“ beim Paintball dabei zu sein. Die Angeklagten C. und E. bestätigten diesen Termin und planten gemeinsam mit Z1. die Anreise.
Die Feststellungen zu dem abgesagten Paintball-Training im März 2019 beruhen auf den Inhalten zweier bei dem Angeklagten E. am 2. März 2019 überwachter Telefonate. In dem ersten Telefonat mit dem Angeklagten F. erkundigte sich E., ob F. am Paintball teilnehme. Nach längerer Diskussion entschieden beide, das geplante Training abzusagen. In dem weiteren Telefonat mit dem gesondert verfolgten Z1. berichtete der Angeklagte E., der Angeklagte F. („Anas“) komme nicht zum „Ping Pong“, da dies auch nach dessen Auffassung „so viel koste“ und mit „so viel Geld […] das Volk für 1-2 Monate ernährt werden“ könne. Daraufhin sagte der gesondert verfolgte Z1. ebenfalls ab und kündigte an, das Geld direkt an „die Brüder und Schwestern“ schicken zu wollen.
378Der gesondert verfolgte Z1. hat nach Bekunden des Zeugen RiLG X. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung zu dem letztgenannten Telefonat erläutert, der Angeklagte E. habe mit der Bezeichnung „Ping Pong“ Paintball gemeint.
Die Feststellungen zu der Beauftragung des Angeklagten B. durch T4. (A. IV. 8. a) beruhen im Wesentlichen auf den Angaben des Zeugen RiLG X. zu der Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung und auf gesicherten Telegram-Einzelchats des Z1. mit U2., T4. und „Abu Muhammad“, der für Z1. den Kontakt zu U2. herstellte. Der Aussage des Zeugen RiLG X. zufolge hat Z1. seine Kontakte, die Beauftragung und die Beteiligung des Angeklagten B. – mit Ausnahme der Zweckbestimmung des ausgelobten Geldes für den IS – wie festgestellt geschildert.
Die Feststellung zu der Identität des Telegram-Nutzers „Abu Fatima“ mit dem Kontaktnamen @Shaa_fa (A. IV. 8. a)) beruht im Wesentlichen auf einem Lichtbildvergleichsgutachten des Sachverständigen C4. (Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen).
381Der Sachverständige hat zwei von „Abu Muhammad“ am 14. Januar 2019 per Telegram an den gesondert verfolgten Z1. übersandte Lichtbilder „Abu Fatimas“ mit Fahndungsfotos aus dem polizeilichen Informationssystem INPOL des U2. verglichen. Er hat dazu gut nachvollziehbar ausgeführt, dass die Großaufnahme des Gesichtes des „Abu Fatima“ auf einem der beiden Lichtbilder aus dem Chat ausreichende individuelle anatomische Merkmale für einen Detailvergleich erkennen lasse und sich damit für einen aussagekräftigen Lichtbildvergleich eigne. Im Ergebnis seiner Untersuchung hat der Sachverständige bestätigt, dass es sich bei der Person auf dem Lichtbild aus dem Chat und dem auf den Fahndungsfotos abgebildeten U2. mit hoher Wahrscheinlichkeit um dieselbe Person handele.
382An der Richtigkeit des Gutachtens hat der Senat nach dessen kritischer Würdigung und Inaugenscheinnahme der Lichtbilder keinen Zweifel. Der Sachverständige hat anhand der Vergleichsbilder anschaulich erläutert, dass bei „Abu Fatima“ und U2. ausschließlich übereinstimmende anatomische Merkmale im Detailvergleich erkennbar seien. Mit einer tief eingekerbten, leicht schräg verlaufenden vertikalen Stirnfurche, einer Besonderheit im Wuchs der linken Augenbraue sowie identisch behaarten und unbehaarten Regionen des Bartwuchses verfüge die abgebildete Person überdies über einzigartige individuelle Merkmale.
383Für die Nutzung des Telegram-Accounts durch U2. sprechen auch dessen herausgehobene Stellung und Funktion beim IS, denn der Nutzer des Accounts @Shaa_fa hat den gesondert verfolgten Z1. am 16. Januar 2019 zur Begehung jihadistischer Anschläge und zu finanzieller Unterstützung des IS aufgefordert: „[…] Inschallah, in der Gegend, wo ihr Euch befindet, macht da den Jihad, inschallah. Wenn es irgendwelche Gründe oder Rechtfertigungen gibt, dann helft finanziell […] Nein, besser wird es sein, wenn ihr selbst den Jihad macht. Weil jeder verpflichtet ist, den Jihad zu machen. Wenn es irgendeine Rechtfertigung gibt, dann helft finanziell. […] Die beste Variante ist, denkt nicht daran besser nach Tadschikistan oder Russland zu fahren. Da, wo ihr euch befindet, macht es da. Inschallah, das wird am besten sein. […] Macht es selber, Achi. Und solange ihr es nicht macht, helft finanziell. […].“
384Der Zeuge KK B4. hat berichtet, der Telegram-Kontaktname „@Shaa_fa“ weise auf den syrischen Ort Al-Shaafah hin, der in unmittelbarer Nähe des von „Abu Fatima“ im Chat mit Z1. mitgeteilten Aufenthaltsortes Al-Sousah liege.
385Darüber hinaus hat der Zeuge KK B4. auf der Internetplattform Instagram mehrere Beiträge des U2. alias „Abu Fatima“ recherchiert, in denen dieser ebenfalls zu jihadistischen Anschlägen und zu Spenden für den IS aufrief. Der Zeuge hat dazu erläutert, dass sich in den Beiträgen verwendete Argumente und Redewendungen auch in den Telegram-Nachrichten des „Abu Fatima“ an den gesondert verfolgten Z1. vom 16. Januar 2019 wiederfänden („Allah hat uns zu Helfern der Mujaheddin gemacht. Allah hat uns zu Mujaheddin gemacht. Solange ihr die Möglichkeit habt, helft wenigstens oder macht irgendetwas anderes.“).
(1) Die Feststellungen zu der Person und Stellung des U2. innerhalb des IS (A. IV. 8. a) beruhen im Wesentlichen auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. V3., an deren Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat. Der Sachverständige hat zu der Person des U2. ausführlich recherchiert und in seinem Gutachten dessen IS-Mitgliedschaft, seinen damaligen Aufenthaltsort im syrischen IS-Gebiet und auch dessen administrative Aufgaben im Bereich der Spendeneinwerbung und Rekrutierung von Attentätern nachvollziehbar geschildert. Dem Sachverständigen zufolge hatte U2. insbesondere aufgrund seiner bekanntgewordenen Beteiligung an dem Anschlag in Stockholm am 7. April 2017 eine herausgehobene Stellung beim IS erlangt und setzte seine Bemühungen um die Rekrutierung jihadwilliger Ausländer für den IS auch danach fort.
387Der Inhalt des Telegram-Chats des gesondert verfolgten Z1. mit „Abu Muhammad“ und die darin übermittelten Lichtbilder stützen die Ausführungen des Sachverständigen Dr. V3. zu dem Aufenthaltsort des U2. („im Kalifat“) und zu seiner Funktion beim IS im Bereich der Rekrutierung und Spendeneinwerbung. So hält U2. auf einem der beiden von „Abu Muhammad“ verschickten Lichtbilder die Flagge des IS, während sein Arm auf der Schulter eines Mannes mit Maschinengewehr liegt. Auf einer ebenfalls an Z1. versendeten russischsprachigen Visitenkarte des U2. mit dessen Telegram-Kontaktnamen „Shaa_fa“ sind verschiedene Spendenmöglichkeiten aufgeführt „für die, die in Gefangenschaft sind“, „für die Witwen der Schahide“ und „für die Notwendigkeiten der Brüder auf dem Weg Allahs“.
388Schließlich hat der gesondert verfolgte Z1. nach Angaben des Zeugen RiLG X. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung eingeräumt, bereits vor Beginn des Chats gewusst zu haben, dass U2. ein hochrangiges IS-Mitglied war, das sich im Herrschaftsgebiet des IS in Syrien aufhielt.
389(2) Die Feststellungen zu der Beteiligung des U2. an dem jihadistischen Attentat des Q2. in Stockholm (A. IV. 8. a) beruhen auf mehreren Dokumenten und Vermerken aus dem hierzu geführten schwedischen Ermittlungs- und Strafverfahren. Der Telegram-Kontakt des Q2. zu U2. alias „Abu Fotima“ ergibt sich aus den Übersetzungen von Vermerken der schwedischen Polizei vom 2. Oktober 2017 zu den von Q2. gefertigten Videoaufnahmen und vom 4. August 2017 zu dem Telegram-Chat des Attentäters mit „Abu Fotima“ sowie aus dem als Anlage zu diesem Vermerk angefügten Telegram-Chats mit „Abu Fotima“. Danach bestärkte „Abu Fotima“ den Q2. in dem mehrwöchigen Chat, ein jihadistisches Attentat in Schweden zu begehen (Q2.: „Achi, erkundige dich, ob ich hier auf der zentralen Straße mit dem großen Auto über diese Ungläubigen (Schwule und Lesben) durchfahren kann…“; Mukhazhirov: „sicher kannst du […] Achi, leiste zuerst „Bajat“ (Eid)“ ) und stand noch während der Ausführung des Anschlags mit ihm in Kontakt („Du bist am Leben“ […] „Allah Akbar, mein Bruder, ich weine, Achi, „subganaLlag“, wie geht es dir, Achi. Ich liebe dich um Allahs willen, sei standfest, du bist bei der Wahrheit, wenn Gott es so möchte; mit dem gleichen Auto. Fährst du noch?“). Außerdem leitete er ihn dazu an, vor dem Attentat seinen Treueeid auf den Emir Abu Bakr-al Baghdadi videographisch zu Propagandazwecken des IS festzuhalten und nach dem erfolgreichen Anschlag ein Video von sich zu fertigen („Solange es noch die Möglichkeit gibt, mache, Achi, eine Botschaft für die Brüder, schicke sie mir.“ […] „Achi, mache mindestens die Aufnahme […], damit die Brüder sich daran ein Beispiel nehmen.“).
390Dass es sich bei dem Telegram-Chatpartner „Abu Fotima“ des Q2. um U2. handelte, wird durch einen weiteren Lichtbildvergleich des Sachverständigen C4. gestützt.
391Der Sachverständige hat im Rahmen dieses Lichtbildvergleiches die beiden Fahndungsfotos des U2. mit zwei Lichtbildern des „Abu Fotima“ verglichen, die sowohl auf dem Mobiltelefon des Q2. als auch auf einem Profil des „Abu Fotima“ bei einem russischen Online-Kontaktnetzwerk („Odnoklassniki“) gesicherte werden konnten. Die Herkunft der für den Lichtbildvergleich genutzten Fotos des „Abu Fotima“ hat der Senat der Übersetzung eines Vermerkes der schwedischen Polizei vom 4. August 2017 entnommen. Danach konnte die vom Telegram-Kontakt „Abu Fotima“ genutzte russische Telefonnummer dem gleichnamigen Profil bei „Odnoklassniki“ zugeordnet werden. Von der Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses hat sich der Senat durch Inaugenscheinnahme der im schwedischen Originalvermerk enthaltenen Lichtbilder überzeugt.
392Der Sachverständige C4. hat ausgeführt, dass die beiden Aufnahmen vom Gesicht „Abu Fotimas“ unter Berücksichtigung der stark eingeschränkten Bildqualität lediglich einen allgemeinen Bildvergleich mit einer tendenziellen Aussage ermöglichen. Im Ergebnis hat er zu einem der beiden Fotos mitgeteilt, dass aufgrund optischer Ähnlichkeiten hinsichtlich der Gesichtsumrissform sowie der Augen-, Nasen- und Mundregion nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei ihm und U2. um dieselbe Person handelt. Hinsichtlich eines weiteren Fotos „Abu Fotimas“, auf dem zwei Mädchen dessen Wangen küssen, ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei der dort abgebildeten Person und dem auf den Fahndungsfotos erkennbaren U2. aufgrund mehrerer übereinstimmender individueller Merkmale wahrscheinlich um dieselbe Person handelt.
393An der Richtigkeit des Gutachtens hat der Senat nach Inaugenscheinnahme der Lichtbilder keinen Zweifel. Der Sachverständige C4. hat anhand der Lichtbilder anschaulich erläutert, dass auf dem zweiten Foto des „Abu Fotima“ und den Fahndungsfotos des U2. übereinstimmende individuelle Merkmale im Detailvergleich erkennbar sind. Mit einer tief eingekerbten, leicht schräg verlaufenden vertikalen Stirnfurche, einer Besonderheit im Wuchs der linken Augenbraue sowie identischen behaarten und unbehaarten Regionen des Bartwuchses zeige das Foto des „Abu Fotima“ individuelle Identitätsmerkmale, die auf dem Fahndungsfoto des U2. ebenfalls erkennbar seien.
394Die Feststellung der Personenidentität des U2. alias „Abu Fatima“ mit dem an dem Anschlag des IS in Stockholm beteiligten „Abu Fotima“ wird darüber hinaus durch Parallelen in den Telegram-Chats des gesondert verfolgten Z1. und des Q2. mit „Abu Fatima“ beziehungsweise „Abu Fotima“ gestützt. So wurden in beiden Chats jeweils die gleichen Aliasnamen „Abu Fatima“/„Abu Fotima“ sowie dieselbe Kommunikations-App für die Kommunikation mit den Jihadwilligen in Europa verwendet. Ferner rief „Abu Fotima“ ebenso wie der Telegram-Kontakt des Angeklagten neben jihadistischen Anschlägen auch zu Geldspenden für den IS auf.
395Ausweislich eines Vermerkes des Polizeipräsidiums F4. (EKHK M3.) vom 5. Oktober 2020 konnte die aus den schwedischen Ermittlungen bekannte russische Mobilfunknummer des „Abu Fotima“ aufgrund einer Erkenntnismitteilung russischer Behörden dem U2. zugeordnet werden.
396Zuletzt hat auch der Sachverständige Dr. V3. nachvollziehbar ausgeführt, U2. habe den Stockholm-Attentäter per Chat-Kommunikation angeleitet.
Die Feststellungen zu der Vermittlung des Kontaktes zu T4. und der Beauftragung des gesondert verfolgten Z1. mit dem Mord in Albanien beruhen im Wesentlichen auf der durch den Zeugen RiLG X. wiedergegebenen Einlassung des Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung, die mit den Inhalten seiner Telegram-Einzelchats mit U2. und T4. in Einklang steht. Der Chat mit T4. belegt unter anderem das Einverständnis des gesondert verfolgten Z1. mit der ihm durch T4. am 1. Februar 2019 angebotenen Beteiligung an einem Auftragsmord („Ist jemand in Serbien oder kann dorthin fahren [...] Einen Dreckigen müssen wir begraben für 40 Tausend $.“).
Die Feststellungen zu der Identität der Zielperson W2. beruhen auf einem Schreiben des Innenministeriums der Republik Albanien vom 29. August 2019, dem Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft des Gerichtsbezirks Tirana vom 30. März 2020 sowie der Aussage des Zeugen EKHK M3. Der Zeuge hat berichtet, wie er die observierte Person, die auf den zwischen den Beteiligten per Telegram versendeten Lichtbildern abgebildet war, mittels Bildsuchläufen im Internet als den albanischen Geschäftsmann W2. identifiziert habe. Dieses Ermittlungsergebnis steht in Einklang mit dem Schreiben und dem Bericht der albanischen Behörden, wonach die Ehefrau des W2. Halterin des Pkw Porsche war, dessen Foto die an der Anschlagsvorbereitung Beteiligten ebenfalls untereinander verschickt und dessen Standort sie thematisiert haben. Der berufliche Hintergrund des W2. ergibt sich aus dem Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft Tirana.
Die Feststellungen, dass T4. ein Finanzagent des IS war und der gesondert verfolgte Z1. dies bereits zum Zeitpunkt seiner Beteiligung an der Vorbereitung des Auftragsmordes wusste, beruhen auf einer Gesamtwürdigung der Position und der Aufgaben des T4. sowie der Inhalte der Chats des Z1. mit T4. und U2.. So war dem gesondert verfolgten Z1. bereits aufgrund der Herstellung des Kontaktes durch das IS-Führungsmitglied U2. bewusst, dass T4. im Auftrag des U2. tätig war und Geldtransfers in das Herrschaftsgebiet des IS nach Syrien organisierte. Die Beauftragung des T4. mit einem Auftragsmord zur Finanzierung des IS beinhaltete eine vertrauensvolle und für den IS bedeutsame Tätigkeit, die man – auch für den gesondert verfolgten Z1. ersichtlich – einem „neutralen“ Finanzagenten nicht angetragen hätte.
400Dass T4. Anhänger der jihadistischen Ideologie des IS war, ist durch mehrere Telegram-Nachrichten an Z1. belegt, in denen er radikalislamische Inhalte und Propaganda des IS weiterleitete, unter anderem einen Aufruf des Abubakr al Baghdadi zum Jihad und Sprachnachrichten von IS-Kämpfern.
401Der Zeuge RiLG X. hat glaubhaft bekundet, Z1. habe die IS-Mitgliedschaft des T4. im Laufe der gegen ihn geführten Hauptverhandlung eingeräumt. Allein, dass er hiervon nach Angaben des Zeugen RiLG X. erst nach seiner Rückkehr aus Albanien erfahren haben will, lässt sich mit der engen Verbindung des T4. zu U2. nicht in Einklang bringen.
Dass der Erlös aus dem Auftragsmord zur Hälfte (20.000 US-Dollar) dem IS zugutekommen sollte, ergibt sich aus dem Inhalt eines Telegram-Chats des gesondert verfolgten Z1. mit T4. sowie den Umständen seiner Beauftragung zur Begehung des Auftragsmordes. Die von dem Zeugen RiLG X. berichtete Einlassung des Z1., das Geld sei nicht für den IS bestimmt gewesen, sondern für humanitäre Zwecke, hält der Senat dagegen für unglaubhaft.
403T4. äußerte sich zu der Verwendung der ausgelobten 40.000 US-Dollar per Telegram-Chat am 1. Februar 2019 gegenüber Z1. wie folgt: „[…] 40 sind möglich und 20 senden wir für die Brüder für deren Probleme […] Lieber Achi, es wäre gut, wenn wir die Hälfte den Brüdern schicken“.
404Der Senat ist davon überzeugt, dass T4. mit dieser Äußerung die finanzielle Unterstützung der verbliebenen IS-Anhänger am damaligen Aufenthaltsort des U2. meinte und dies von Z1. auch so verstanden wurde. Der gesondert verfolgte Z1. wusste, dass es sich bei T4. um einen Finanzagenten des IS handelte, der im Auftrag des U2. tätig war. U2. befand sich Anfang Februar 2019 in militärischer Bedrängnis und hatte Z1. zu finanziellen Zuwendungen an den IS in Syrien aufgefordert (vgl. A. V. 1). In diesem Zusammenhang tauschten sich T4. und Z1. in einem zeitlich parallelen Telegram-Chat über Möglichkeiten von Finanztransaktionen an den IS nach Syrien aus.
405Mehrere Telegram-Nachrichten des gesondert verfolgten Z1. belegen außerdem, dass dieser seiner Beteiligung an dem Auftragsmord eine religiöse Bedeutung beigemessen und sie sogar als religiöse Pflicht angesehen hat. So versandte er am 3. Februar 2019 eine Textnachricht an den nicht identifizierten „Zayniddin Akhi“, in der er zu der Verwendung des ausgelobten Betrages erklärte: „20 davon für uns, 20 auf dem Weg zu Allah.“ Gegenüber „Abu Hamza“ beschrieb Z1. in einer aus Großbuchstaben geschriebenen Textnachricht am 11. Februar 2019 seine radikalislamische Motivation zu dem Auftragsmord: „ICH WILL DAS NUR FÜR ALLAH MACHEN UND NUR WEGEN IHM HABE ICH ZUGESTIMMT“. Bereits bei Annahme des Auftrages hatte der Z1. gegenüber T4. erklärt: „Das machen wir, wenn Allah es will.“.
406Demgegenüber finden sich in der Kommunikation keine Hinweise, dass das ausgelobte Geld, wie durch den gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung behauptet, für Frauen und Kindern in der Türkei bestimmt war. Dass der Angeklagte B. und Z1. bereit gewesen wären, einen Mord aus rein altruistischen Gründen zur Unterstützung einer ihnen unbekannten und nicht näher konkretisierten Hilfsorganisation zu begehen, liegt fern.
407gg. Zu der Beteiligung des Angeklagten B. und dessen Kenntnis
408Die Feststellungen zu der Beteiligung des Angeklagten B. an der Vorbereitung des Auftragsmordes beruhen im Wesentlichen auf den glaubhaften Angaben des gesondert verfolgten Z1., die durch den Zeugen RiLG X. detailliert geschildert wurden.
409Gründe, weshalb Z1. seinen Jugendfreund insoweit zu Unrecht belastet haben sollte, sind nicht ersichtlich. Der gesondert verfolgte Z1. war in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung nach dem Eindruck des Zeugen RiLG X. vielmehr bemüht, den Angeklagten B. zu schützen, indem er beispielsweise dessen Verbindung zu der Zelle in Abrede stellte.
410Die Angaben des Z1. waren darüber hinaus in sich schlüssig und erklären plausibel die spätere Reise des Angeklagten B. nach Albanien und seine dortige Beteiligung an der Observation des W2., beides Umstände, die jeweils auch durch objektive Beweismittel belegt sind. So ist es aus Sicht des Senates plausibel, dass der gesondert verfolgte Z1. seinen Jugendfreund B., der ebenfalls die Ideologie des IS befürwortete, als Mittäter für den Auftragsmord zu Finanzierung des IS wählte. Ebenso nachvollziehbar sind die Angaben des Z1., T4. über die Beteiligung des B. informiert zu haben, zumal dieser den Auftragsmord vergab, die weiteren Kontakte herstellte und somit ein eigenes Interesse an der Zuverlässigkeit der Beteiligten hatte. Eine Telegram-Nachricht des Z1. an T4. vom 10. März 2019 deutet darauf hin, dass der Angeklagte B. auch direkten Kontakt zu T4. hatte („[…] Abdullah hat die Sachen und du musst ihn kontaktieren, damit er die Sachen raus/weiter gibt.). Nach übereinstimmenden Angaben des Z1. und des Zeugen B3. handelt es sich bei „Abdullah“ um den Spitznamen des Angeklagten B..
411Der Senat ist schließlich davon überzeugt, dass der gesondert verfolgte Z1. den Angeklagten B. über den Hintergrund des Auftragsmordes zur Finanzierung des IS informiert hat. Diese Information war geeignet, den Angeklagten zu einer Beteiligung an dem Auftragsmord zu motivieren. Da der Angeklagte B. eine radikalislamische Gesinnung hatte und Anhänger der IS-Ideologie war, bestand für Z1. überdies kein Grund, ihm die Informationen über die Verbindung des Auftragsmordes zum IS vorzuenthalten. Außerdem liegt nahe, dass der Angeklagte B. – wie die übrigen Beteiligten – ein lebhaftes Interesse an der Höhe des ausgelobten Geldbetrages und seiner Verwendung hatte, sollte er sich dafür doch an einem schweren Verbrechen beteiligen.
Die den Feststellungen entsprechenden Angaben des gesondert verfolgten Z1. zu „Abu Hamza“ (Telegram-Nutzername: „Abu Hamza Rakka-Tauhid 99“) finden Bestätigung in dem Inhalt seines Telegram-Chats mit ihm. Der Chat belegt insbesondere die Organisation der Reise durch „Abu Hamza“ sowie die Kontakthaltung zu dem gesondert verfolgten Z1. und folglich auch zu dem mitreisenden Angeklagten B. während des Aufenthaltes in Albanien („Achi, in jedem Fall, sei mit mir in Verbindung 24 Stunden“).
aa. Die Feststellungen zu dem Ablauf der Reise nach Albanien und dem Aufenthalt des Angeklagten in Tirana (A. IV. 8. b) beruhen auf den Inhalten der Telegram-Einzelchats des gesondert verfolgten Z1. mit dem Angeklagten B. (Nutzername: „Huzayfa Ibnalyamani“, @DiB63), „Abu Hamza“ und den weiteren Beteiligten U4. und V4. Die Chats dokumentieren präzise die Reise und den Aufenthalt des Angeklagten B. in Albanien einschließlich seiner Beteiligung an der Observation des W2. Bestätigung finden die Chat-Inhalte, die unter anderem von dem Angeklagten B. gefertigte Fotos enthalten, in der Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung. So sind die Überlegungen des Angeklagten B. zu der geplanten Tatausführung in einer Chat-Nachricht („Wenn die Person zu Fuß unterwegs ist, werde ich mit der Person sprechen und Du kommst von hinten auf der linken Seite von ihm, wo sein Herz ist – dort machst du einige mal rein.“) durch Z1. ausdrücklich bestätigt worden, wie der Zeuge RiLG X. bekundet hat.
414Dass der Angeklagte B. der Chat-Partner des gesondert verfolgten Z1. war, hat dieser in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung ebenfalls glaubhaft bekundet. Seine durch den Zeugen RiLG X. wiedergegebenen Angaben stehen in Einklang mit dem durch EKHK M3. dargelegten Ermittlungsergebnis. Der Telegram-Nutzer „Huzayfa Ibnalyamani“ gab im weiteren Verlauf des Chats mit Z1. am 2. März 2019 seine Kontoverbindung in einer Textnachricht mit „B., DE…, BIC…“ an. Außerdem bezeichnete der gesondert verfolgte Z1. diesen Telegram-Nutzer mehrfach als „Abdullah“ (Spitzname des Angeklagten B.).
415bb. Soweit ein Beweisermittlungsantrag der Verteidigung des Angeklagten B. belegen sollte, dieser habe weder Kontakt zu V4. gehabt noch von der Übergabe der Schusswaffe gewusst, haben sich hierfür keine Anhaltspunkte ergeben. Die Behauptung der Verteidigung, der gesondert verfolgte Z1. habe – entgegen seiner Einlassung – dem Angeklagten B. die Übergabe der Pistole verschwiegen, ist bereits für sich betrachtet wenig plausibel. Viel näher liegt, dass sämtliche für den Auftragsmord nach Albanien reisenden Personen wussten, welche Waffen ihnen zur Verfügung standen, da hiervon ihre Planungen zur Örtlichkeit, dem Zeitpunkt und der Ausführung des Auftragsmordes abhingen. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der gesondert verfolgte Z1. den Angeklagten B. hinsichtlich der Kenntnis von der Schusswaffe zu Unrecht belastet haben sollte.
416Die Richtigkeit der Angaben des gesondert verfolgten Z1. zu dem Aufenthalt in Österreich wird durch den Inhalt eines auf seinem Mobiltelefon gesicherten Telegram-Einzelchats mit V4. (Telegram-Nutzer: „Adam“) gestützt. Der Chat am 17. Februar 2019 belegt, dass V4. den gesondert verfolgten Z1. an diesem Tag gegen 15:30 Uhr an einem Hauptbahnhof abholte. Die wiederholte Nutzung des Plurals durch beide Chatteilnehmer in Bezug auf die Anreisenden („Inshallah, werden wir gegen 16.00 h da sein“, „Hier wird 15.25 angezeigt, wir werden am Hauptbahnhof sein, inshallah.“, „Inshallah, ich werde euch da abholen/empfangen“, „Wir sind am Haupteingang, wo der Bahnhof ist.“) entspricht der Schilderung des Z1., er sei in Begleitung des Angeklagten B. nach Linz gereist und dort gemeinsam mit diesem von V4. abgeholt worden.
417Die Darstellung des gesondert verfolgten Z1. deckt sich im Übrigen mit dem durch den Zeugen EKHK M3. berichteten Ermittlungsergebnis zu den damaligen Wohnorten des V4. in der Umgebung von Linz und des U4. in Graz.
418cc. Die Reise des Angeklagten B. nach Albanien ist zusätzlich belegt durch das Schreiben albanischer Behörden vom 29. August 2019, wonach B. neben dem gesondert verfolgten Z1. als Beifahrer im Pkw des U4. bei der Ein- und Ausreise aus Albanien festgestellt wurde. Der polizeiliche Ermittlungsführer EKHK M3. hat hierzu ergänzend ausgeführt, dass die montenegrinischen Polizeibehörden entsprechendes für die Ein- und Ausreise des Angeklagten aus Montenegro mitgeteilt haben. Die Auswertung des Reisepasses des Angeklagten B. ergab ausweislich eines Vermerkes des KK B4. überdies zeitlich passende Ein- und Ausreisestempel mehrerer Balkanländer, wovon sich der Senat anhand von Ablichtungen des Passes überzeugt hat. Außerdem hat der Finanzermittler KHK W4. von der Sicherstellung albanischen Münzgeldes in der Wohnung des Angeklagten B. berichtet, was ebenfalls auf seinen Aufenthalt in Albanien deutet.
419dd. Soweit mehrere Beweis- und Beweisermittlungsanträge der Verteidigung des Angeklagten B. zeigen sollten, der Angeklagte B. sei weder über den geplanten Auftragsmord an W2. informiert noch an der Beschattung der Zielperson in Albanien beteiligt gewesen, hat die Beweisaufnahme hierfür keine Anhaltspunkte erbracht. Das von der Verteidigung des Angeklagten aufgezeigte Szenario, der gesondert verfolgte Z1. habe den unbeteiligten und unwissenden Angeklagten B. nach Albanien mitgenommen, ist bereits für sich genommen lebensfremd. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Angeklagte überhaupt nach Albanien gefahren sein sollte, wenn er wie behauptet nicht an der Observation beteiligt war. Für den gesondert verfolgten Z1. und U4. hätte die zusätzliche Problematik bestanden, ihre Abwesenheiten während der Observationen gegenüber dem Angeklagten B. nachvollziehbar zu erklären und zu tarnen, damit dieser keinen Verdacht schöpft. Es liegt fern, dass sie sich dieser zusätzlichen Belastung durch den gemeinsamen Aufenthalt mit einem unbeteiligten Dritten unterzogen hätten.
420Die von der Verteidigung des Angeklagten B. weiter behauptete Nutzung des Mobiltelefons des Angeklagten B. durch U4. lässt sich mit den Inhalten der auf dem Mobiltelefon des gesondert verfolgten Z1. gesicherten Telegram-Chats nicht in Einklang bringen. In dem in tadschikischer Sprache geführten Telegram-Einzelchat des gesondert verfolgten Z1. mit dem Account des Angeklagten B. konnte keine Häufung russischsprachiger Nachrichten an einzelnen Tagen festgestellt werden. Dies wäre bei einer Nutzung durch den russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Herkunft U4., der den Einzelchat mit Z1. in russischer Sprache führte, in diesem Zeitraum aber zu erwarten gewesen wäre. Mehrere ausgetauschte Chat-Nachrichten deuten darüber hinaus darauf hin, dass mindestens drei Personen und nicht lediglich U4. und Z1. an der arbeitsteiligen Beschattung des W2. beteiligt waren. („(…) Wir haben gebetet und werden mit Taxis dahin fahren (…)“; „(…) Warte du da und die andere Person soll woanders warten und ich bin am „Kinderspielplatz“ und es wenn es notwendig wird, werde ich hinkommen.“; „(…) wartet nicht und geht rein, wenn ihr ankommt, und schaut euch um und geht zur anderen Seite und ich warte hier (…)“, „Ja, Bruder. In einer Stunde treffen wir uns dort. Wo wir uns gestern getroffen haben und ich komme aus meiner Richtung dahin und ihr könnt aus eurer Richtung dahin gehen. Weißt du? Wo wir mal zu dritt zusammen saßen? Weißt du zu dritt? (...)“, „Ja, ich warte dort, wo ich war. Sage dem Bruder Bescheid, ich warte hier (…)“.
Die Feststellungen zu dem Abbruch des geplanten Auftragsmordes und der Rückreise nach Österreich (A. IV. 8. c) beruhen ebenfalls auf den Inhalten der Telegram-Chats des gesondert verfolgten Z1. mit dem Angeklagten B., U4., V4. und „Abu Hamza“ sowie den Angaben des Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung. Der Zeuge RiLG X. hat die mit den Chat-Inhalten in Einklang stehende detaillierte Einlassung des Z1. wiedergegeben. Der von Z1. berichtete Abbruch des Tatvorhabens ist unter anderem durch eine an B. gerichtete Sprachnachricht belegt: „ […] Vom Hirsch hat man Fotos gemacht und versendet und sie sagen, dass es nicht die Person ist. Mache nichts. Komm nicht raus. Verstehst Du? Man hat mehrere Fotos gemacht. Sie sagen, dass es nicht die Person ist. Sie wissen selber wer die Person ist.“
422Die Ausreise des Angeklagten B. und des gesondert verfolgten Z1. im Pkw des U4. aus Albanien am 24. Februar 2019 ist zusätzlich durch das Schreiben der albanischen Behörden vom 29. August 2019 belegt. Die montenegrinischen Behörden haben den Angaben des Zeugen EKHK M3. zufolge ebenfalls in der Nacht vom 24. auf den 25. Februar 2019 eine Durchreise der vorgenannten Personen in dem Pkw festgestellt.
Die Feststellungen zu dem Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 (A. IV. 6) beruhen im Wesentlichen auf einem Wortprotokoll zu den am 2. März 2019 ausgetauschten Sprachnachrichten und auf den Angaben des Zeugen RiLG X. zu der Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung.
(1) Zu der Beteiligung der Angeklagten A., C. und E.
425Die Teilnahme des Angeklagten A. an dem Chat lässt sich ebenso wie bei dem gesondert verfolgten Z1. bereits aus der Beteiligung der ihnen zugeordneten Zello-Accounts („khalid44a“ und „Talha Abu Ahmad“) an dem Chat am 2. März 2019 nachvollziehen (vgl. zu der Zuordnung der Zello-Accounts von A. und Z1. oben B. VI. 6 a. aa. (2) und (5)). Die Angeklagten C. und E. haben ihre Teilnahme an dem Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 jeweils glaubhaft eingeräumt.
426Die Beteiligung der Angeklagten A., C. und E. an dem Chat ist darüber hinaus durch die Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung bestätigt. Nach Bekunden des Zeugen RiLG X. hat Z1. berichtet, die Angeklagten A., C. und E. hätten gemeinsam mit dem gesondert verfolgten T2. den Zello-Account des A. genutzt. Dies ergibt sich auch aus einer Äußerung des Angeklagten C. in dem Chat am 2. März 2019, mit der er Y1. die bei A. anwesenden Zellenmitglieder vorstellt: „Klar… wir sind hier zu viert. Vier Brüder […]: Umedjon [Anmerkung des Senats: Tarnname des Angeklagten E. bei Zello], Abubakr [Anmerkung des Senats: Spitzname des gesondert verfolgten T2.], Shohin [Anmerkung des Senats: Tarnname des Angeklagten A. bei Zello], Umar [Anmerkung des Senats: Tarnname des Angeklagten C. bei Zello]. Wir sind zum Beispiel vier Personen hier […]“.
427(2) Zu der Beteiligung des Angeklagten F.
428Die Feststellungen zu der Beteiligung des Angeklagten F. an dem Chat beruhen im Wesentlichen auf den Bekundungen des Zeugen RiLG X.
429X. zu den Angaben des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung. Danach war der Angeklagte F. am 2. März 2019 zu Besuch in der Wohnung des Z1., wo sie gemeinsam den Zello-Account des Z1. nutzten. Bestätigt wird dies durch das Wortprotokoll zu dem Chat am 2. März 2019. Daraus geht hervor, dass der Angeklagte A. auf die Vorstellung der vier seinen Account nutzenden „Brüder“ wie folgt reagierte: „Wer ist da? (...) Rezwon [Anmerkung des Senats: Tarnname des gesondert verfolgten Z1. bei Zello] (…) Talha [Anmerkung des Senats: Spitzname des gesondert verfolgten Z1.] gemeint, Rezwon zusammen mit Komil [Anmerkung des Senats: Tarnname des Angeklagten F. bei Zello]. […]“.
430Ähnlich äußerte sich der Angeklagte A. in einer Sprachnachricht gegen Ende des Chats, als es um ein Treffen der Gruppe ging: „[…] Der Bruder Talha und der Bruder Komil, wenn ihr sagt, Inschallah, dass ihr kommen könnt, dann kommt eben.“.
431Dass es sich bei „Komil“ um den Tarnnamen des Angeklagten F. bei Zello handelte, ist durch die entsprechende Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung und Angaben des Zeugen KK B4. bewiesen. Danach wurde der Nutzer des dem Angeklagten F. zugeordneten Zello-Accounts („slsllilolsllslls“) in dem Zello-Gruppenchat mehrfach mit dem Namen „Komil“ angesprochen.
432(3) Zu der Sprecheridentität bei den gemeinschaftlich genutzten Zello-Accounts des A. und des Z1.
433Der Senat hat dem durch den Sprachsachverständigen A4. gefertigten Wortprotokoll entnommen, welche Teile der Sprachnachrichten von unterschiedlichen Sprechern stammen (Sprecher A-D betreffen die vier Nutzer des Zello-Accounts des Angeklagten A. und Sprecher P 1 und P 2 betreffen die beiden Nutzer des Zello-Accounts des gesondert verfolgten Z1.). Die daraus ersichtliche Zuordnung der Redeanteile wurde durch den verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung bestätigt. Nach Angaben des Zeugen RiLG X. wurde dort das gesamte Wortprotokoll mit dem gesondert verfolgten Z1. erörtert. Dabei habe Z1. nicht nur die durch den Sprachsachverständigen herausgearbeiteten Redeanteile innerhalb der Sprachnachrichten bestätigt, sondern auch die unterschiedlichen Sprecher identifiziert (Angeklagter F. (P 2), Angeklagter A. (A), Angeklagter C. (B), Angeklagter E. (C), gesondert verfolgter T2. (D), gesondert verfolgter Z1. (P 1). Für die Richtigkeit der Angaben des gesondert verfolgten Z1. spricht, dass einige Sprecher innerhalb des Chats mit ihren (Tarn-)Namen entsprechend der durch Z1. vorgenommenen Zuordnung angesprochen werden („Nun, inschallah, hier hat gerade der Bruder Sunnat gesprochen.“ – „Nun, mein Bruder Abubakr…, wenn du etwas sagen möchtest.“ – „Noch eine Sache, lieber Bruder Talha!“ – „Umedjon sagt, es ist akzeptiert.“).
434Die Behauptung der Verteidigung des Angeklagten F., die dem Sprecher P 2 in dem Wortprotokoll zugeordneten Sprachnachrichten aus dem Zello-Gruppenchat vom 2. März 2019 stammten gleichwohl nicht von dem Angeklagten F., ist durch das antragsgemäß eingeholte forensische Stimmvergleichsgutachten nicht bestätigt worden. Die Sachverständige X4. (Bundeskriminalamt) hat im Gegenteil gut begründet festgestellt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Identität zwischen sämtlichen den Sprecher P 2 bei Zello zugeordneten Äußerungen einerseits sowie Sprachnachrichten des Nutzers des Telegram-Accounts des Angeklagten F. („Abu Jandal“, vgl. B. VI. 5. a. bb. (1)) andererseits bestehe, was auch dafür spricht, dass alle dem Sprecher P 2 bei Zello zugeordneten Redeanteile von dem Angeklagten F. stammen.
435Die Sachverständige hat zunächst nachvollziehbar ausgeführt, dass sich die tadschikischsprachigen Aufzeichnungen aufgrund ihrer Länge und ausreichenden Variabilität sowie der Aufnahmequalität grundsätzlich für eine forensische Stimmvergleichsanalyse sowie eine Analyse fremdsprachlicher Merkmale eigneten, wenngleich durch die Luftschallübertragung keine Auswertung mittels eines automatischen Verfahrens erfolgen konnte. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass die mit Hilfe eines Sprachmittlers für die tadschikische Sprache durchgeführte Analyse der Sprache in den vorgenannten Aufzeichnungen jeweils kompatible regionalsprachliche Merkmale für den südwestlichen Teil Tadschikistans ergeben habe. So habe der Sprecher jeweils entgegen der Standardaussprache bestimmte Endungen angefügt (-aj bzw. –jaj) oder weggelassen und verschiedene regionale Begrifflichkeiten verwendet. Sprachliche Merkmale, die auf eine unterschiedliche regionale Herkunft der Sprecher hindeuten, seien dagegen nicht festgestellt worden. Auch die Analyse der Stimmen hat nach den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen eine hohe Identitätswahrscheinlichkeit im Hinblick auf die untersuchten Zello- und Telegram-Sprachnachrichten des „P 2“ und „Abu Jandal“ ergeben. Die Sachverständige hat hierzu dargelegt, dass die Werte der Stimmbandfrequenz jeweils in einem sehr ähnlichen Durchschnittsbereich lägen, wobei der auditive Eindruck jeweils eine tiefere Stimmtonlage vermuten lasse. Der Stimmklang weise ein hohes Maß an Übereinstimmung auf, wobei er als deutlich heiser und rau mit geringer Nasalität zu beschreiben sei. Der Variationskoeffizient liege ebenfalls in einem sehr ähnlichen, verglichen mit dem Durchschnitt deutscher männlicher Sprecher unterdurchschnittlichen Bereich, was im Rahmen auditiver Analysen eine eher monotone Sprechweise erkennen lasse.
436Des Weiteren hat die Sachverständige X4. gut nachvollziehbar begründet, dass sie eine Identität zwischen dem Sprecher P 2 der Zello-Nachrichten einerseits und dem Sprecher des Vergleichsmaterial aus der Telefonüberwachung bei dem Angeklagten F. andererseits oder zu einer ebenfalls zu untersuchenden deutschsprachigen WhatsApp-Nachricht von dem Account des Angeklagten F. (vgl. B. VI. 7. a) jeweils nicht habe beurteilen können. Die Sachverständige hat insoweit darauf hingewiesen, dass zwar gegen eine Personenidentität sprechende Diskrepanzen im stimmlichen Bereich erkennbar gewesen seien. So habe der Sprecher P 2 sowie der Nutzer des Telegram-Accounts „Abu Jandal“ eine deutlich niedrigere Stimmbandgrundfrequenz und im auditiven Bereich deutlich rauer geklungen als der Sprecher der WhatsApp-Nachricht und des Vergleichsmaterials. Andererseits seien in den untersuchten Zello- und Telegram-Sprachnachrichten durch wiederholtes Räuspern und lauteres Atmen neben der rauen Stimme Hinweise dafür vorhanden, dass – vermutlich aufgrund einer Atemwegserkrankung – temporäre stimmliche Beeinträchtigungen vorlagen. Im Ergebnis hat die Sachverständige für diesen Fall eine Personenidentität des Sprechers P 2 sowie der zu untersuchenden WhatsApp-Aufzeichnung und des Vergleichsmaterials für vorstellbar erachtet und ist insoweit folgerichtig zu einem „non liquet“- Ergebnis gelangt. Dies hat die durch den Sprachsachverständigen A4. und die Angaben des Z1. gewonnene Überzeugung des Senats, wonach Sprecher P 2 der Zello-Nachrichten der Angeklagte F. war, nicht erschüttert.
Die Feststellungen zu dem Inhalt des Zello-Gruppenchats am 2. März 2019 beruhen auf dem Wortprotokoll zu den am 2. März 2019 ausgetauschten Sprachnachrichten sowie den Angaben des Zeugen RiLG X., wonach der gesondert verfolgte Z1. bestätigt hat, dass das Wortprotokoll den Verlauf und Inhalt des Chats zutreffend wiedergibt. Dies entspricht auch den Angaben des Angeklagten E., der sich dahin eingelassen hat, die Übersetzung des Chats durch den Dolmetscher A4. rücke diesen „in das richtige Licht“.
438Das Eintreten des gesondert verfolgten Z1. für jihadistische Anschläge des IS in Deutschland und Europa ergibt sich unter anderem aus der Sprachnachricht ab 22:29 Uhr: „[…] Ich bin Anhänger des (islamischen) Staates. Beispielsweise erkenne ich den Al Baghdadi als Emir der Gläubigen an und folge seinen Worten. […] Der Emir Maulana Abubakr al Baghdadi Hafizullah sagte: „Wo ihr auch immer seid, beginnt euren Kampf von dort.“ Das hat Allah – Subhanallahu wa ta`ala/Lobgepriesen und Erhaben ist Er – so entschieden, dass es nun unser Schicksal ist, dass wir in Europa sind, in dem Land von diesen Kafiren/Ungläubigen. Zum Beispiel habe ich die Meinung, dass wir uns hier gut vorbereiten und hier aktiv werden. Es ist nicht notwendig, dass wir nach Tadschikistan reisen. Wir haben auch mit den Mudschaheddin-Brüdern gesprochen. In „Sham“ sagt man, dass man über Tadschikistan usw. nicht sprechen sollte. „Wo ihr seid, macht es dort!“: so haben sie zum Beispiel gesagt. Ich bin dieser Meinung, weil es nach meiner Ansicht besser wird. […]“. Daraufhin erinnerte X1. Y1. an die Absprache der Zelle, in der IS-Provinz Khorasan und Tadschikistan den „Jihad anzuzetteln“, und an die Unterdrückung von Muslimen in Tadschikistan durch „Kafire/Ungläubige“. Der Angeklagte A. unterstützte die Auffassung des X1. Y1. in mehreren Sprachnachrichten, unter anderem ab 22:51 Uhr: „Assalamu alaikum wa rahmatullahi wa barakatuh/Der Friede sei mit Euch und Allahs Barmherzigkeit und Seine Gnade! Mein lieber Bruder, meine Meinung ist Tadschikistan! Unsere Seite, d.h. „Khorasan“, worauf der Angeklagte C. ablehnend reagierte: „Kurz gesagt, ich habe eine andere Meinung…“.
439Der Angeklagte E. erwog dagegen, die Zeit bis zur Ausreise nach Tadschikistan für jihadistische Anschläge aus dem Hinterhalt zu nutzen, bei denen man „präzise arbeiten“ müsse. Der Angeklagte E. äußerte in der Sprachnachricht ab 22:45 Uhr: „[…] Wenn es dort klappt, dann wird es etwas Großes dort. Wenn wir hier sagen, dann schlagen wir ihnen natürlich genau in ihr Herz. […] Wenn halt die Brüder sagen: „Hier!“ Dann beginne ich morgen, angefangen mit meinen Nachbarn! Wenn sie sagen: „Nein, dort!“ Dann eben dort. Es ist egal. […]“. Der Angeklagte F. erklärte in einer Sprachnachricht ab 22:47 Uhr ebenfalls seine Bereitschaft zu der Begehung jihadistischer Anschläge in Deutschland oder Tadschikistan: „[…] Die Nachbarn schlachten! Die Nachbarn! Nun, wenn es klappt, dann hier. Wenn nicht, dann eben dort. […]“, indem er seinem Vorredner T2. („[…] Wenn wir hier halt anfangen, dann fangen wir hier an, mit Nachbarn! Aber wenn jetzt halt die Brüder oder der Bruder Ahmad (Anmerkung des Senats: Spitzname des X1. Y1.) zu dem bestimmten Beschluss kommen oder wenn es hier nicht gelingt, dann Inschallah, werden wir nach Tadschikistan gehen, sagen wir mal so, die Sachen dort machen. So ist das!“) ausdrücklich zustimmte. Vor dem Hintergrund dieser Äußerungen sagte X1. Y1. der Gruppe schließlich seine Unterstützung für Anschläge auch in Deutschland zu: „[…] Man muss die Vorbereitungen treffen. Nach Möglichkeit werden wir auch helfen. Wir werden Ratschläge geben und unsere Gesichtspunkte äußern. Was auch gebraucht wird, werden wir das nicht verhindern. Denn, alle Juden und Christen, alle Kafire/Ungläubigen sind überall. Es spielt keine Rolle, wo du dich befindest. Man muss überall etwas machen.“
440Durch die vorgenannten Inhalte des Chats sind die Einlassungen der Angeklagten C. und E. widerlegt, in dem Chat seien jihadistische Anschläge nicht thematisiert beziehungsweise nur durch den gesondert verfolgten Z1. befürwortet worden.
Die Feststellungen zu den Teilnehmern des Treffens am 3. März 2019 beruhen auf den Bekundungen des Zeugen RiLG X. zu den Angaben des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung. Danach – so die Schilderung des Z1. – haben sich unter anderem die Angeklagten F., A., C. und E. in seiner Wohnung in N1. getroffen und unter Zuschaltung des X1. Y1. per Zello die Unterhaltung vom Vortag fortgesetzt. Die Glaubhaftigkeit der Angaben des Z1. wird durch das Wortprotokoll zu dem Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 gestützt. Der Chat endet mit einer Verabredung der Teilnehmer des Chats für den Folgetag in der Wohnung des gesondert verfolgten Z1. („[…] Zum Beispiel war heute ein ernsthaftes Thema. Ginge es denn nicht, dass wir uns in einem Haus versammeln würden? Zum Beispiel: Bei mir zuhause. […] Wenn man zusammensitzt und sich gegenseitig sieht, dann können solche Gespräche besser geführt werden, oder?!“).
442Die Einlassung des Angeklagten C., er habe an dem Treffen am 3. März 2019 nicht teilgenommen, hält der Senat für eine Schutzbehauptung. Seine hiermit zusammenhängende Einlassung, er habe den Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 vorzeitig verlassen (vgl. B. VI. 6. a) ist widerlegt. Auch in dem Wortprotokoll zu dem Chat am 2. März 2019 ist keine Äußerung des Angeklagten C. (oder eines anderen Chat-Teilnehmers) enthalten, wonach er an dem geplanten Treffen am Folgetag in der Wohnung des Z1. nicht teilnehmen könne oder wolle.
443Soweit die Verteidigung des Angeklagten C. unter Beweis gestellt hatte, die Sprachnachricht „…kurz gesagt, weißt du was?! Ich akzeptiere es. Ich sage nicht nein. Aber ich werde nicht mitmachen, Ende!“ stamme von dem Angeklagten, konnte dies durch das Stimmvergleichsgutachten der Sachverständigen X4. nicht belegt werden. Die Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, aufgrund der Kürze der Aufzeichnungsfrequenz und der damit verbundenen fehlenden Repräsentativität der zu untersuchenden Äußerung sei für sie eine Sprecheridentität mit dem vom Angeklagten C. stammenden Vergleichsmaterial nicht beurteilbar. Im Übrigen bezog sich die fragliche Äußerung ausschließlich auf das Werben des Angeklagten A. für eine Beteiligung der Gruppe am bewaffneten Jihad in Tadschikistan und der IS-Provinz Khorasan und nicht auf die Aktivitäten der Zelle für den IS insgesamt, so dass der Senat darin schon keine Ankündigung zu erkennen vermochte, die Gruppe verlassen zu wollen.
Dass sich die Gruppe im Ergebnis des Treffens am 3. März 2019 darauf einigte, jihadistische Anschläge für den IS zunächst in Deutschland zu verüben, hat der Senat daraus geschlossen, dass mehrere Zellenmitglieder in den darauffolgenden Tagen Vorbereitungen für eine Anschlagsplanung in Deutschland ergriffen. Die durch die Angeklagten A. und E. sowie den gesondert verfolgten T2. vom 4. bis zum 6. März entfalteten Aktivitäten (vgl. A. IV. 10. und nachfolgend B. VI. 10) stehen in einem derart engen zeitlichen und thematischen Zusammenhang zu dem Treffen am 3. März 2019, dass der Senat sie als unmittelbare Folge dieser Zusammenkunft wertet. Die auf das Erlernen des Drachen- und Fallschirmfliegens über den Deutschen Gleitschirm- und Drachenflugverband gerichteten Aktivitäten weisen Bezüge zum Inland auf. Sie lassen sich ebenso wie der geplante Test einer einzelnen Spreng- und Brandvorrichtung nicht mit dem bürgerkriegsähnlichen Einsatz in Tadschikistan erklären.
445Dass sich die Zelle daneben auch darauf einigte, jedenfalls mittelfristig am bewaffneten Jihad in Tadschikistan teilzunehmen, ergibt sich aus einem Zello-Einzelchat des Angeklagten E. mit X1. Y1. (Zello-Account: „muhib_1980“, vgl. B. IX. 2. a) vier Tage nach dem Treffen vom 3. März 2019. Nach dem Wortprotoll zu diesem Chat äußerte der Angeklagte E.: „[…] Wir haben ja, inshallah, jetzt vor, hier zu verlassen und auf jeden Fall fortzugehen […]“. Außerdem erfragte er bei X1. Y1. in diesem Chat, wie mit den in Deutschland zurückbleibenden Ehefrauen und Kindern der Zellenmitglieder verfahren werden solle. Dass die Zelle eine spätere Ausreise und Teilnahme am Jihad in Tadschikistan plante und die Entscheidung für Anschläge im Inland eine spätere Teilnahme am bewaffneten Jihad in der IS-Provinz Khorasan aus Sicht der Zelle nicht ausschloss, klang bereits in dem Gruppen-Chat vom 2. März 2019 an. Der Angeklagte F. wies beispielsweise darauf hin: „Wenn wir hier halt anfangen…wenn es hier nicht gelingt, dann inshallah, werden wir nach Tadschikistan gehen, sagen wir mal so, die Sachen dort machen…“
Die Feststellungen zu den Vorbereitungen für einen jihadistischen Sprengstoffanschlag in Deutschland durch die Angeklagten A. und E. sowie den gesondert verfolgten T2. (A. IV. 10) beruhen unter anderem auf der zusammenfassenden Darstellung des polizeilichen Ermittlungsführers EKHK M3.
Die Feststellungen zu dem Inhalt der SD-Karte des gesondert verfolgten T2. basieren außerdem auf einem Vermerk des Bundeskriminalamts vom 11. März 2019 (KHK Y4.) zu der Auswertung der auf der SD-Karte des T2. gespeicherten Daten. Danach wurde auf der SD-Karte unter anderem ein Video mit einer Anleitung für den Bau einer Spreng- und Brandvorrichtung gesichert. Dieses wurde am 4. März 2019 „erzeugt“, also entweder gespeichert oder der letztmalige Zugriff erfolgte an diesem Tag.
448Die Feststellungen zu dem Inhalt der auf der SD-Karte gespeicherten Videodatei beruhen im Wesentlichen auf den gut begründeten Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z4.. Der Sachverständige für Sprengstoff hat den Inhalt der Sprengstoffanleitung anhand des Videos erläutert. Er ist zu dem nachvollziehbaren Schluss gekommen, der in drei Themenblöcke unterteilte Film enthalte alle notwendigen Schritte für die Herstellung einer funktionsfähigen Spreng- und Brandvorrichtung. Der erste Teil des Videos liefere eine Anleitung für die Herstellung von Triacetontriperoxid (TATP) als Primärexplosivstoff, der sich zur Umsetzung des im zweiten Teil des Filmes erzeugten ammoniumnitrat-basierten Sekundärsprengstoffs eigne. Der dritte Teil zeige die Anleitung zur Fernauslösung der Spreng- und Brandvorrichtung mittels eines Mobiltelefons. Der Senat hat die Ausführungen des Sachverständigen anhand des Videos sowie einer Übersetzung der gesprochenen russischsprachigen Videoinhalte überprüft und danach keine Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Ausführungen.
Die Feststellungen zu der Abstimmung eines Treffens zwischen dem Angeklagten E. und dem gesondert verfolgten T2. beruhen zunächst auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten E.. Er hat eingeräumt, dass er das Telefonat am 6. März 2019 gegen 18 Uhr mit dem gesondert verfolgten T2. geführt und darin zur Tarnung konspirative Begriffe verwendet hat.
450Bestätigt werden die vorgenannten Angaben des Angeklagten E. durch das Wortprotokoll zu dem Telefonat:
451„[…] Angeklagter E.: … kurz gesagt, haben Sie solche Orte… solche ruhigen Orte, wo wir halt dann langsam ein wenig Dings machen… jene Sachen. Gibt es denn eine waldige Gegend?
452T2.: Ja, kurz gesagt. Meinst du jetzt die kleineren Sachen, ja? Die kleineren Sachen?
453Angeklagter E.: Ja, Inschallah, für diesen Zweck, dann noch […]
454T2.: … das mit dem Essen usw., wie es ist mit dem Fett und Ölusw. […] Jaaa, ich sage, dass ich zuerst das Zubereiten lernen möchte…
455Angeklagter E.: Zumindest gucken…
456T2.: …zumindest, wie du sagt „das zu kochen“…, welches Rezept es hat…, wollen wir lernen.
457Angeklagter E.: Es geht, Inschallah!
458T2.: Ja, in Ordnung, mein Bruder! […]
459Angeklagter E: So ist das der Bruder. Nun dann, inschallah, werde ich Richtung Linnich fahren, dann werden wir noch dort schauen, wenn Allah es als unser Los bestimmt. […]“
460Der Senat ist – insoweit abweichend von der Einlassung des Angeklagten E. – davon überzeugt, dass E. und T2. mit der „kleineren Sache“ konspirativ eine Spreng- und Brandvorrichtung bezeichneten, deren Testung („Essen zubereiten lernen“, „Fett und Öl“, „das zu kochen“, „Rezept“) an einem abgelegenen Platz („ruhiger Ort“, „waldige Gegend“) sie besprachen und planten. Hierfür spricht insbesondere die zeitliche Nähe des Telefonats zu dem Zugriff des gesondert verfolgten T2. auf die Anleitung zum Bau einer derartigen Vorrichtung nur zwei Tage zuvor sowie die Begrifflichkeiten, die als Synonyme zu dem Mischen von Chemikalien passen. Der Angeklagte E. hat die durch den Senat gezogene Schlussfolgerung selbst als plausibel und „womöglich richtig“ bezeichnet. Demgegenüber haben sich keine Anknüpfungspunkte für das von ihm behauptete konspirative Gespräch über eine Waffe gefunden. Der Senat hält die Einlassung daher für eine Schutzbehauptung, um den gravierenderen Tatvorwurf abzuwehren. Die Angaben des Angeklagten E. zu der angeblichen Bedeutung des Gesprächsinhaltes waren unkonkret und als schriftlich ausgearbeitetes Vorbringen nicht weiter hinterfragbar.
Die Feststellungen zu den Erkundigungen der Angeklagten A. und E. über Drachen- und Fallschirmfliegen beruhen zunächst auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten E., der dies für seine Person eingeräumt hat, sowie einem Vermerk des Polizeipräsidiums F4. (KHK A5.) vom 2. April 2019 zu der Auswertung des Mobiltelefons und der SIM-Karte des Angeklagten E.. Aus dem Vermerk ergeben sich der Versand einer SMS des Angeklagten A. an den Angeklagten E. mit der Internetadresse des Deutschen Gleitschirm- und Drachenflugverbandes sowie die späteren Zugriffe des Angeklagten E. auf diese Internetseite. Der Zeuge EKHK M3. hat ausgehend von eigenen Recherchen bestätigt, dass die Internetseite dem Deutschen Gleitschirm- und Drachenflugverband gehört. Der Zeuge hat darüber hinaus klarstellend ausgeführt, dass die im Vermerk genannten Jahreszahlen „2015“ auf einem Schreibversehen beruhen und die SMS tatsächlich am 5. März 2019 bei E. einging.
462Die Erkundigungen des Angeklagten E. werden außerdem durch einen am 15. März 2019 in dessen Wohnung sichergestellten handgeschriebenen Klebezettel mit der Aufschrift: „Flugschule (Drachenfliegen) anrufen 08022-067530 Darf man überall fliegen oder nur bestimmte Plätze?“ bestätigt. Der Fundort des Zettels ergibt sich aus dem Durchsuchungsbericht und dem Sicherstellungsprotokoll des Durchsuchungsbeamten EKHK B5.
463Dass der Angeklagte E. seine deutschsprachige Lebensgefährtin M2. anwies, sich für ihn und A. über das Drachen- und Fallschirmspringen zu informieren, belegt auch ein Wortprotokoll zu einem überwachten Telefonat mit dem Angeklagten A. am 6. März 2019. Der Senat ist aufgrund der übrigen Erkundigungen des Angeklagten E. zu der Thematik davon überzeugt, dass sich die Angeklagten in dem Telefonat über eine Ausbildung im Drachen- und Fallschirmfliegen und deren Kosten ausgetauscht haben:
464„[…] Angeklagter A.: Ja…, das…, hast du dich auch nach der Luftsache erkundigt?
465Angeklagter E.: Die Luftsache habe ich mir auch angeschaut, mein lieber Bruder. Über die Luftsache nun, darüber liest meine Frau derzeit viel. […] Sie hat mir dann gesagt, kurz gesagt, so … halt es geht nicht nur vom Berg. Das heißt, von normalen Orten kann man auch fliegen. Ich sagte ihr: „Ruf mal an! Frag mal konkret danach, ob dieses Ding einen bestimmten Ort hat. Kann man denn von jedem beliebigen Punkt fliegen? […]“ Sie antwortete: „In Ordnung, ich werde danach fragen, Inschallah“. Dann weißt du, was es noch gibt, mein lieber Bruder.
466Angeklagter A.: Aha…
467Angeklagter E.: Es gibt noch hier den Test wie bei Fahrschulen. […] Man muss sich richtig vorbereiten, volles Programm…
468Angeklagter A.: …du noch die Prüfung bestehen musst.
469Angeklagter E.: … volles Programm kurz gesagt, so richtig krass alles...schön krass. Ich habe noch meiner Frau gesagt, sie soll noch, Inschallah, schauen. Wenn es etwas in diesem Zusammenhang gibt, dann soll sie mit denen nochmals sprechen. […]
470Angeklagter A.: Hast Du denn gesehen…, gelesen, dass es von vier bis einer Woche ist.
471Angeklagter E.: […] Das ist aber nicht so, dass du schnell dorthin gehst und innerhalb von vier Tagen deine Sache gelöst ist. Wenn du es nicht schaffst, dann geht es weiter…. […]
472Angeklagter A.: Was die Gebühren angeht…, ich habe mich darüber informiert. Es kostet 1,5 Tausend.
473Angeklagter E.: Glaub mir, jetzt nicht. Später dann… ich habe ihr nur gesagt, sie soll zunächst nur anrufen. […] Sie soll konkret erfahren, wie es so ist. Dann soll sie mir das alles ins Tadschikische übersetzen, vollständig übersetzen und erklären, dass es so und so ist. Dann werden wir ganz genau wissen, wie es ist und ob wir das machen oder nicht, so wie es ist.
474Angeklagter A.: Hm...na gut dann, inschallah. Wir bleiben dann in Kontakt. […]“
475Angesichts der beengten Einkommensverhältnisse der Angeklagten A. und E. liegt es fern, dass sie das Drachen- und Fallschirmspringen als Freizeitvergnügen betreiben wollten. Der Senat hält die dahingehende Behauptung des Angeklagten E., es sei ihm „lediglich um Spaß haben“ gegangen, für unglaubhaft. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zu dem Treffen der Zelle am 3. März 2019 ist der Senat vielmehr davon überzeugt, dass in dem Telefonat Vorbereitungen für ein Anschlagsszenario aus der Luft erörtert wurden. Hierzu passt auch die Äußerung des Angeklagten E. „… Dann werden wir ganz genau wissen, wie es ist und ob wir das machen oder nicht ….“, die auf Überlegungen der Gruppe zu ihrem weiteren Vorgehen hinweist. Nach einer Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 4. Juni 2021 zu dem Zello-Kanal der IS-Provinz Khorasan „Wegweiser zum Islamischen Kalifat“ wurde überdies bereits im Jahr 2017 unter IS-Anhängern über den Bau und die Nutzung von Gleitschirmen zur Verübung von Anschlägen diskutiert.
aa. Die Feststellungen zu den staatlichen Maßnahmen (A. IV. 11. a) beruhen auf den Angaben des Zeugen EKHK M3.. Dieser hat die Maßnahmen gegen die einzelnen Gruppenmitglieder wie festgestellt dargelegt.
477bb. Die fortbestehenden Kontakte der Angeklagten untereinander ab Mitte März 2019 hat der Senat einem Vermerk des Polizeipräsidiums F4. vom 26. Oktober 2020 (KOK J3.) entnommen, der unter Einbeziehung von Erkenntnissen der Telekommunikationsüberwachung die Zusammenkünfte und sonstigen Verbindungen der Zellenmitglieder untereinander nach den Festnahmen von E. und Z1. dargestellt hat. Der Zeuge EKHK M3. hat dieses Ermittlungsergebnis bestätigt und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass sich die Kommunikation nach den Maßnahmen im März 2019 konspirativer gestaltete und auf persönliche Kontakte oder codierte Gespräche verlagerte.
478cc. Mangels Anhaltspunkten für eine Fortsetzung der Anschlagsplanungen und Ausreisevorbereitungen der Zelle nach Tadschikistan nach dem 15. März 2019 ist der Senat davon überzeugt, dass die Gruppe diese Vorhaben zurückstellte. Dies lag nahe, weil die Mitglieder der Zelle mit weiteren staatlichen Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen im Anschluss an die Festnahmen des Angeklagten E. und des Z1. rechneten, wie ihr zunehmend konspiratives Verhalten zeigt.
479dd. Die Feststellung, dass die Unterstützungshandlungen des Angeklagten B. für inhaftierte und abgeschobene Zellenmitglieder dazu dienten, die Schlagkraft der Zelle für Zwecke des IS wiederzuerlangen, beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der Unterstützungshandlungen des Angeklagten B. und des Verhaltens der übrigen Gruppenmitglieder. Aufgrund der unverändert fortbestehenden Kontakte der auf freiem Fuß befindlichen Zellenmitglieder geht der Senat nicht davon aus, dass sich einer von ihnen von der Zelle oder der Vereinigung IS abgewandt hat. Dies gilt insbesondere für den Angeklagten B., der die Unterstützungshandlungen für die inhaftierten und abgeschobenen Zellenmitglieder in der Folgezeit organisiert hat. Er hat sich nach dem 15. März 2019 zusätzlich durch die finanzielle Unterstützung von Angehörigen inhaftierter oder gefangener IS-Kämpfer in nordsyrischen Lagern an der terroristischen Vereinigung IS beteiligt (A. IV. 12). Darüber hinaus lässt sich die Art seiner Unterstützung für den Angeklagten F. durch die Sammlung mehrerer Tausend Euro und die Beschaffung eines gefälschten Ausweises selbst bei einer nahen Bekanntschaft mit einem reinen „Freundschaftsdienst“ schwerlich erklären. Bei einem IS-Mitglied wie B. spricht diese weitreichende Unterstützung vielmehr dafür, dass er hierdurch jedenfalls auch die Zelle des IS in ihrem personellen Gefüge zeitnah wieder herstellen wollte.
480Die Unterstützung der beiden Untersuchungshäftlinge E. und Z1. war zwar der Höhe der zugewandten Geldsummen nach nicht so umfangreich wie bei dem Angeklagten F., aus Sicht des Angeklagten B. aber gleichwohl geeignet und ausreichend, die fortbestehende Anbindung der Inhaftierten an die Gruppe für die Zeit nach ihrer Entlassung zu gewährleisten.
Die Feststellung, dass auch das dem Angeklagten E. überwiesene Geld aus einer Sammlung stammte, beruht auf der Erhebung überwachter Telefonate des Angeklagten F. mit dem Angeklagten B. Ende Mai und Anfang Juni 2019 zu Geldsammlungen für den Angeklagten E.. In einem Telefonat am 23. Mai 2019 heißt es zu E.:
482„[…] Angeklagter B.: Ich habe einige Personen gesehen und muss noch Geld sammeln.
483Angeklagter F.: Ich habe etwas gesammelt und du kannst auch etwas, z.B. 20 Euro dazu tun […]
484Angeklagter B.: Er bekommt es darein?
485Angeklagter F.: Ja, Gefängnis hat ein Konto und du musst seinen Namen in Überweisung schreiben und er bekommt ein Guthaben und kann Sachen bestellen[…].“
486In einem Telefonat am 4. Juni 2019 setzten die Angeklagten ihre Überlegungen für eine finanzielle Unterstützung und Sammlung zugunsten des E. („Janker“) fort:
487„ Angeklagter B.: […] Mercedes sagt, dass Janker kein Geld hat. […]
488Angeklagter F.: Okay, wir treffen uns. Sammeln Geld und ich habe nicht viel Geld. …“
489Der Auswertevermerk des Polizeipräsidiums F4. (KOK C5) vom 6. August 2019 zu der Telekommunikationsüberwachung bei dem Angeklagten F. belegt neben der Rufnummer des Angeklagten F. und der Nutzung des Anschlusses des Anrufers (T01) durch den Angeklagten B. auch die Verwendung von „Janker“ als Spitznamen für den Angeklagten E. in mehreren Telefonaten.
490Dass der von staatlichen Unterstützungsleistungen lebende Angeklagte B. die Gelder für Z1. und E. alleine aufgebracht hat, liegt fern. Plausibel ist vielmehr, dass er das Geld für die beiden Zellenmitglieder unter Beteiligung der übrigen Zellenmitglieder gesammelt hat. Dafür sprechen auch die fortgesetzten Kontakte der Gruppenmitglieder untereinander.
„[…] Angeklagter B.: Die Grund gemacht. Tau akah allah (pho.). Wir haben schon ihm gekauft ungefähr fast 7.000 Euro.
492Gesprächspartner: Alhamdulilah.
493Angeklagter B.: Ansonst 2 Tag, alhamdulilah, er hat schon dort gewesen und dann wir schon konkret zack zack gearbeitet. Dort ich hab` schon von einer Person Schulden genommen. Das erledigen. Ansonst er schon fast 18 bis 20 Jahre in Krankenhaus. Verstehst du Akhi?
494Gesprächspartner: In Krankenhaus? Wie? Warum?
495Angeklagter B.: Diese Krankenhaus. Weißt du welche Krankenhaus, hä hä (Anmerkung: belächelt diesen Satz)?
496Gesprächspartner: Ach so.
497Angeklagter B.: Direkt in Knast, Akhi. Knast. […]“
498Der weitere Verlauf dieses Gesprächs zeigt, dass neben dem Angeklagten B. weitere „Brüder“ in die Unterstützung F.s involviert waren und die Hilfe auf dessen Rückkehr nach Deutschland abzielte:
499„Gesprächspartner: Ja kann man, kann man Tadschike nicht zurückholen?
500Angeklagter B.: Den Tadschike?
501Gesprächspartner: Ja
502B.: Ja, wir sind dabei Akhi. Jetzt momentan die muss ein noch äh maximal ein Monat dort bleiben. Jetzt momentan, alhamdulilah, wir haben schon über alle Pass das alles genommen. Nur Handy bei ihm. Handy auch wir versuchen nehmen. Und danach Plan B zweite Möglichkeit ihn von dort raus abholen.
503Gesprächspartner: Insha allah, ja.
504Angeklagter B.: Wir sind dabei, aber jetzt momentan wegen Geld und so ich hab` schon gesagt, äh, überall die Brüder. Kassel, Osnabrück, egal wo, wer kennt ihn.
505Gesprächspartner: Ich sammel` auch, insha allah.“
Ein ab November 2019 geführter Signal-Chat des Angeklagten B. mit dem Angeklagten F. belegt dessen finanzielle Unterstützung durch B. während des Albanien-Aufenthaltes des F. zum Zweck seiner Rückkehr nach Deutschland. Dass es sich bei dem Chatpartner des B. um den Angeklagten F. handelte, zeigen die Gesprächsthemen um den Aufenthalt in Albanien sowie die ausgetauschten Lichtbilder, darunter ein „Selfie“ des F. beim Jagen. In dem Chat teilte der Angeklagte B. dem Angeklagten F. mit, Geld zu schicken, da dieser in Albanien keine „Kohle“ habe. Außerdem thematisierten die Angeklagten eine Geldsammlung von „Brüdern“. Von der gesammelten Summe sollten 500 Euro für die Herbeiziehung eines Rechtsanwaltes bestimmt sein. Der Senat geht davon aus, dass dieser die legale Wiedereinreise des Angeklagten F. vorbereiten sollte, zumal kein anderes Erfordernis für einen Rechtsbeistand ersichtlich ist.
507Anhand der Signal-Chats hat der Senat auch einen konkreten, durch B. organisierten Geldtransfer an den Angeklagten F. nachvollzogen: Der Angeklagte B. übermittelte an F. per Signal-Chat die Ablichtung eines Western Union-Transferbelegs vom 20. März 2020, der die Überweisung seines Bekannten A3. von 100 Euro an F. nach Albanien zum Gegenstand hatte. Nach den Angaben des Finanzermittlers KHK W4. ist dieser Beleg bei der Durchsuchung in der Wohnung des Angeklagten B. Mitte April 2020 sichergestellt worden. Der Senat ist in Einklang mit dem durch KHK W4. dargelegten Ermittlungsergebnis davon überzeugt, dass der Angeklagte B. den vorgenannten Geldtransfer an F. organisiert und sich hierfür zur Tarnung seines Bekannten A3. bedient hat, bei dem es sich laut KHK W4. um einen deutschen Konvertiten handelt. KHK W4. hat ergänzend ausgeführt, der Angeklagte B. habe selbst keine Überweisungen ins Ausland vorgenommen und sich stets vermeintlich unverdächtiger Verwandter und Bekannter bedient, unter ihnen auch A3. Hiermit steht in Einklang, dass der Angeklagte B. einen Bekannten des F. namens „Drilon“ zeitlich kurz vor dem Geldtransfer nach Albanien am 14. März 2020 per Signal-Chat anwies, eine „Spende“ für die Anwaltskosten des F. („Anas“) auf ein Konto des A3. unter dem Verwendungszweck „Khair Brunnen“ zu überweisen. Dass dieser Verwendungszweck durch den Angeklagten B. zur Verschleierung genutzt wurde, hat der gesondert verfolgte Z1. im Zusammenhang mit einer anderen Überweisung in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung glaubhaft bekundet. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Chat und dem Geldtransfer per Western Union ist der Senat davon überzeugt, dass A3. auf Weisung des Angeklagten B. das Geld des „Drilon“ für anwaltliche Unterstützung des Angeklagten F. bei der legalen Rückkehr nach Deutschland überwiesen hat. Ausweislich des Vermerks des Polizeipräsidiums F4. (KOK J3.) vom 3. November 2020 ist der Chat-Partner „Drilon“ anhand der verknüpften Telefonnummer als C5. aus D5. identifiziert worden, bei dem es sich nach einem Vermerk des Bundeskriminalamts (KHK P4.) vom 4. November 2020 um eine enge Kontaktperson des österreichischen IS-Attentäters Q4. handelte.
508Der Inhalt eines Telefonats des Angeklagten E. von einem überwachten Anschluss des B. am 20. Januar 2020 belegt, dass auch andere Zellenmitglieder in die Unterstützung des abgeschobenen F. eingebunden waren. E. thematisierte gegenüber einem Dritten die Versendung des „Geldes für Anas“ (Spitzname des Angeklagten F.).
509Die Feststellungen zu der Vorbereitung der illegalen Einreise des Angeklagten F. nach Deutschland stützt der Senat auf die am 17. Januar 2020 mit dem Mobiltelefon des B. aufgenommenen Fotos eines bulgarischen Personalausweises mit dem Lichtbild des Angeklagten F. Die Aufnahmen des auf einem Tisch liegenden Ausweises belegen, dass der Angeklagte B. den gefälschten Ausweis Mitte Januar 2020 besaß. Nach den Angaben des Zeugen EKHK M3. hat eine Anfrage bei bulgarischen Behörden ergeben, dass es sich um eine Totalfälschung handelte. Hiermit steht in Einklang, dass der Angeklagte B. nach dem durch EKHK M3. dargelegten Ermittlungsergebnis in Kontakt mit verschiedenen Passfälschern im Ausland stand.
Die Feststellungen zu den Flüchtlingslagern Al-Haul und Roj sowie den Lebensbedingungen und Strukturen der dort inhaftierten – in radikalislamischen Kreisen als „Schwestern“ bezeichneter – Ehefrauen gefangener oder getöteter IS-Kämpfer (A. IV. 12. a) beruhen auf einem Gutachten des Sachverständigen Dr. V3. zu dem Flüchtlingslager Al-Haul vom 4. August 2020. Dessen gut nachvollziehbare und in sich schlüssige Ausführungen werden gestützt durch eine Behördenerklärung des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 17. November 2020 zu jihadistischem Propagandamaterial über „IS-Frauen“ in den Lagern Al-Haul und Roj sowie durch einen Auswertevermerk des Bundeskriminalamts (KHKin E5.) vom 1. Juli 2020 und eine islamwissenschaftliche Stellungnahme des Bundeskriminalamts (F5.) zu den Flüchtlingslagern in Nordsyrien vom 17. November 2020. Darüber hinaus hat sich der Senat durch Inaugenscheinnahme von Lichtbildern einen Eindruck von der durch IS-Anhängerinnen verbreiteten Propaganda und ihren Spendenaufrufen verschafft.
Die Feststellungen zu der Vermittlertätigkeit des Angeklagten B. für Geldzahlungen in die Flüchtlingslager Al-Haul und Roj (A. IV. 12. b) beruhen auf den Angaben des Finanzermittlers KHK W4. sowie mehreren auf den Mobiltelefonen des Angeklagten B. gesicherten Chats, die in Auswertevermerken des Bundeskriminalamts vom 6. August 2020 (KKin F6.) betreffend das Mobiltelefon „Huawei P10“ und vom 26. August 2020 (KOKin U3.) betreffend das Mobiltelefon „Apple iPhone 6 plus“ ausführlich dargestellt sind.
512aa. Anhand der Chat-Inhalte hat der Senat nachvollzogen, dass der Angeklagte B. Kontakte zu Personen und Gruppen von IS-Anhängern besaß, die Unterstützung für Angehörige gefangener oder getöteter IS-Kämpfer in den Lagern Al-Haul und Roj organisierten. B. wandte sich beispielweise Anfang November 2019 an zwei unbekannte Telegram-Nutzer mit der Frage, ob diese auch Kleidung für die „Schwestern“ benötigen, da er viel organisieren könne, woraufhin beide jeweils antworteten, dass sie lediglich Geld an die „Schwestern“ in den Camps senden. Im November 2019 beschwerte sich der Angeklagte B. unter Hinweis auf ein Video, das drei tadschikische Frauen im Lager Al-Haul zeigte, bei einem nicht identifizierten Chatpartner darüber, dass das Geld bei diesen Schwestern nicht angekommen sei. Dieser entgegnete, es handele sich um ein älteres Video, das Geld sei mittlerweile angekommen. Schließlich stand der Angeklagte B. seit März 2020 per Telegram in Kontakt mit dem Administrator der Gruppe „Einladung in Richtung Paradies“ – Spendensammlung für Schwestern die in Gefangenschaft und ihre Kinder in Sham, die sich in einer sehr komplizierten Situation/Lage befinden.“ und tauschte sich mit diesem über eine Geldüberweisung aus.
513bb. Weitere Chat-Nachrichten belegen, dass der Angeklagte B. auch als Ansprechpartner für IS-Sympathisanten fungierte, die sich an „Spenden“-Sammlungen zugunsten der „Schwestern“ beteiligen wollten. Anfang Mai 2019 wandte sich beispielsweise ein in Deutschland lebender Russe per Telegram an den Angeklagten B. mit der Anfrage: „So wie ich verstanden habe, ihr habt Möglichkeiten zu diesen Camps – für die Schwestern und die Kinder von Muwahhiden – das Geld zu verschicken. Also Bruder, wohin soll ich das Geld verschicken? Kann ich dir eine Adresse senden? Per Brief?“ Der Angeklagte B. antwortete: „Alle werden es hin in einen Brunnen schmeißen und davon werden wir es regeln.“. Die Chat-Partner einigten sich darauf, die „ca. 100“ per Einschreiben an den Angeklagten B. zu senden, deren Eingang B. in der Folgezeit bestätigte. In einem weiteren Telegram-Chat übersandte ein unbekannter Nutzer am 8. August 2019 zunächst einen Aufruf für Frauen und Kinder im Flüchtlingslager Al-Haul an den Angeklagten B. und fragte diesen anschließend, ob die Geldsendung jetzt stattfinde oder nicht.
514cc. Die Feststellungen zu der Vermittlertätigkeit des Angeklagten B. werden zudem durch das Zeugnis des KHK W4. zum Ergebnis der Finanzermittlungen gestützt. Danach verfügte der Angeklagte B. über Möglichkeiten, gesammelte oder ihm anderweitig zur Verfügung gestellte Gelder für die Lager Al-Haul und Roj weiter zu transferieren. KHK W4. hat hierzu berichtet, der Angeklagte B. habe ein System aufgebaut, in welchem er wechselnde, scheinbar unbeteiligte Bekannte und Verwandte für Transaktionen einsetzte oder deren Konten nutzte, ohne selbst als Beteiligter nach außen in Erscheinung zu treten. Diese Einschätzung wird auch durch das von dem Zeugen berichtete Ergebnis der Wohnungsdurchsuchung bei dem Angeklagten B. gestützt. So wurden in der Wohnung diverse Kontoauszüge, Buchungsbelege und Debit-Karten Dritter, über 7.500 Euro Bargeld sowie auf Sammlungen und deren Verwaltung hindeutende Notizen und Listen gefunden.
515dd. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte B. an dem Einwerben und der Sammlung von Geldern für die Insassinnen der Gefangengenlager Al-Haul und Roj ausschließlich aus religiös-ideologischen Gründen beteiligt war. Der Angeklagte war Mitglied einer IS-Zelle und Anhänger der IS-Ideologie. Auf seinen Mobiltelefonen wurden Bild- und Videodateien gesichert, die die Ergebnisse scheinbar erfolgreicher „Spenden“ in Form von Dankesbildern und Spendenquittungen zeigen. Die Bilder und Videos zeigen Kinder und/oder schwarzgekleidete, vollverschleierte Frauen, bei denen es sich nach der islamwissenschaftlichen Bewertung des Bundeskriminalamts, die sich der Senat zu eigen macht, um Angehörige gefangener oder getöteter IS-Kämpfer handelt.
516Hinweise, dass der Angeklagte B. aus reiner Nächstenliebe an Spendenaktionen für „normale“ Binnenflüchtlinge in Syrien beteiligt war oder finanzielle Vorteile aus seiner Tätigkeit gezogen haben könnte, haben sich nicht ergeben.
Die Feststellungen zu der Organisation eines Bargeldtransfers in die Türkei durch den Angeklagten B. (A. IV. 12. c) beruhen im Wesentlichen auf den Inhalten der auf dem Mobiltelefon „Apple iPhone 6 Plus“ gesicherten Signal-Chats des Angeklagten B. mit einer nicht identifizierten, unter „Musa“ abgespeicherten Person sowie dem Bargeldkurier D3., die auch in dem Vermerk des Polizeipräsidiums F4. (KOK J3.) vom 20. Dezember 2020 chronologisch dargelegt sind.
518Dass die unter „Talha“ gespeicherte Telefonnummer von D3. für den Chat genutzt wurde, ergibt sich aus der Namensgleichheit und aus dem Inhalt des Signal-Chats mit B., der seinen Flug mit G6. nach Istanbul zum Gegenstand hatte.
Dem Verlauf des Chats zufolge kontaktierte „Musa“ den Angeklagten B. („Abdullah“) erstmals am 29. Februar 2020 wegen des Transfers einer größeren Geldsumme. Nachdem zunächst andere Transferarten erörtert worden waren, zog „Musa“ am 2. März 2020 die Möglichkeit eines Bargeldtransfers in Betracht: „Abdullah, da war doch ein Bruder, der gesagt hat, dass er vielleicht fährt. Und du hast gesagt, dass man einen zweiten Bruder finden muss. Vielleicht sollten wir diese Variante wählen.“.
520Der Angeklagte B. bestätigte „Musa“ in der Folgezeit per Signal-Chat, eine Person gefunden zu haben, die sofort bereit wäre zu fliegen, und für die er noch einen Partner suche: „Der Habibi, der wäre bereit. Ich muss den nur antippen, dann würde der sofort fliegen. Bismillah, der ist bereit, ich muss hier nur noch einen Partner finden, inshallah, ich gebe irgendeinem ein paar Schläge auf den Kopf, inshallah, wenn der zu sich kommt, wird der auch mit dem fahren.“.
521Der Senat ist davon überzeugt, dass diese Übermittlungsart schließlich gewählt und am 6. März 2020 mittels der Bargeldkuriere G6. und C3. umgesetzt wurde. Denn der Angeklagte B. schickte „Musa“ am 5. März 2020 das Lichtbild der Buchungsbestätigung für Hinflüge des D3. und des G6. am 6. März 2020 von Köln nach Istanbul und entsprechende Rückflüge für den Folgetag. Der Aufenthalt von G6. und D3. in Istanbul ist darüber hinaus durch Ermittlungen bei der Fluggesellschaft Pegasus bestätigt, die durch das Polizeipräsidium Hagen (KHK H6.) in einem Vermerk vom 25. Mai 2020 dokumentiert sind.
522Dass der Angeklagte B. den Kauf der Flugtickets mitorganisierte, zeigt der Inhalt eines Telefonats des Angeklagten am 5. März 2020 mit einer Person namens „Kudret Bayrak“, bei der er sich nach den Kosten erkundigte („Wie viel eure Ticket kostet ungefähr? 2 Personen hin und zurück? Aber zwischen 1, 2, 4 Stunde muss Pause sein, nicht flieg andere Flughafen muss Pause sein.“).
523Anhand eines Signal-Chats ließ sich die Organisation des Aufenthaltes der beiden Bargeldkuriere und die Übergabe des Bargeldes bei dem Finanzagenten „Abu Ismail“ detailliert nachvollziehen. So plante der Angeklagte B. am 5. März 2020 unter anderem zu der Übernachtung der Kuriere: „…wegen des Bruders [Abu Ismail], der den Besuch abholt (…) - damit die sich 24 Stunden irgendwo aufhalten können und sich ein bisschen ausruhen können. Die sollen da nicht nachts durch die Straßen laufen, versteht du?“ Daraufhin übersandte „Musa“ am 6. März 2020 eine Istanbuler Adresse und erklärte dazu: „Zwei können zu ihm und bei ihm bleiben, hat er gesagt. Und er hat seinen Standort geschickt.“ In einer Chat-Nachricht am Abend des 6. März 2020 berichtete „Musa“ dem Angeklagten B. schließlich von dem Gelingen ihrer Planungen: „Achi, sie sind schon da, mach dir keine Sorgen. Er hat sie getroffen. Die sind bei ihm in der Wohnung.“ Am Folgeabend vermeldete „Musa“ auch den Erfolg des Bargeldschmuggels: „Ich habe mit dem Bruder [Abu Ismail] gesprochen, der hat gesagt, dass die schon weggefahren sind. Dass alles in Ordnung ist. (…)“.
524Auch der Inhalt eines Signal-Chats des Angeklagten B. mit D3. belegt, dass es sich bei D3. und G6. um die vom Angeklagten beauftragten Bargeldkuriere handelte. So teilte der Angeklagte B. dem D3. am 3. März 2020 mit, dass sich ihre Pläne geändert hätten und er – D3. – statt das Geld zu überweisen entweder mit „Bünyamin“ oder „Kudret“ fliegen müsse. In der Folge leitete der Angeklagte dem D3. die Buchungsbestätigung der Flüge weiter und organisierte dessen Transfer mittels eines „Chauffeurs“ zum Flughafen. Schließlich übermittelte der Angeklagte B. die Kontaktdaten des Finanzagenten „Abu Ismail“ und ermahnte D3., sich bei diesem zu melden, sobald er angekommen sei.
Der Senat ist aufgrund des Chat-Inhalts sowie einer Würdigung des Ablaufs des Bargeldschmuggels davon überzeugt, dass die Kuriere im Auftrag des Angeklagten B. 18.000 Euro nach Istanbul gebracht haben.
526Bereits am 21. Februar 2020 übersandte der Angeklagte B. dem D3. per Signal die Nachricht „18000 para“ (auf Deutsch: 18000 Geld). Dass es sich hierbei um mindestens 18.000 Euro handelte, zeigt eine Diskussion zwischen dem Angeklagten und „Musa“ per Signal über die Höhe der Transfergebühren des „Abu Ismail“, die bei 2% „etwa 365“ seien. 2% bei einem Überweisungsbetrag von 18.000 Euro ergeben eine – in der Höhe plausible – Transfergebühr von 360 Euro. Anhaltspunkte, dass es sich bei dem aus Deutschland geschmuggelten Bargeld um eine andere Währung als Euro gehandelt hat, liegen nicht vor. Die Beteiligung von zwei Bargeldkurieren zur Vermeidung der ab 10.000 Euro pro Person bestehenden zollrechtlichen Anmeldepflicht deutet ebenfalls darauf hin, dass es sich um einen Euro-Betrag handelte. Gleiches gilt für die Höhe der von B. und den weiteren Beteiligten erbrachten Aufwendungen für die Reise- und Flugkosten der beiden Bargeldkuriere. Hypothetisch unterstellt, es wären lediglich18.000 türkische Lira (umgerechnet etwa 2.500 Euro) geschmuggelt worden, hätten die Reisekosten für zwei Personen hierzu nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis gestanden.
Die Feststellungen zu dem Verwendungszweck des Bargeldes beruhen ebenfalls auf den Inhalten der Signal-Chats des Angeklagten B. mit „Musa“ und D3.. Der Senat hat anhand dieser Chats die Überzeugung gewonnen, dass die von B. und „Musa“ gewählte Bezeichnung des Weiterleitungsziels („unser Dorf“) für die nordsyrischen Lager steht, in denen Angehörige inhaftierter und getöteter IS-Kämpfer interniert waren. Dass Istanbul nicht der Bestimmungsort des Geldes war, ergibt sich bereits daraus, dass es durch den Finanzagenten „Abu Ismail“ weitertransferiert werden sollte.
528Nach dem Chat des Angeklagten B. mit „Musa“ handelte es sich bei „unserem Dorf“ um eine Örtlichkeit, an der sich muslimische Frauen unterschiedlicher Nationalität ohne Partner aufhielten, was mit den Flüchtlingslagern der IS-Frauen in Al-Haul und Roj in Einklang steht. Nachdem unmittelbar zuvor der Bargeldtransfer „zu unserem Dorf“ erörtert wurde, erklärte „Musa“ dem Angeklagten mittels Sprachnachricht: „es gibt einen Bruder, der heiraten will. Eine gute Muslima. Sie ist Armenierin. Sie hat 3 Kinder, ist 22 Jahre alt. Er sagt, dass die Schwester selbst eine gute ist. Viele Araber wollen sie, aber einen Araber will sie nicht. Sie ist da in unserem Dorf. Wenn ich Papiere hätte – Armenierin, Tschetschenin, Tadschikin – alle würde ich glücklich machen“.
529Schon im Rahmen des ersten Kontaktes am 29. Februar 2020 hatte „Musa“ gegenüber dem Angeklagten B. überdies die Eilbedürftigkeit des Geldtransfers mit den Worten „die sterben da schon vor Hunger“ betont, was zu der angespannten humanitären Situation in den Lagern Al-Haul und Roj passte.
530Ferner bezeichnete der Angeklagte B. gegenüber D3. die zu überbringende Geldsumme als „Aqiqa“. Diese Umschreibung hatte der Angeklagte nur zwei Tage zuvor auch für eine „Spende“ an eine aus Tschetschenien stammende Witwe eines IS-Kämpfers im Lager Al-Haul gebraucht.
531Schließlich belegt die übrige Beteiligung des Angeklagten B. an dem Einwerben und der Sammlung von Geldern zugunsten Angehöriger gefangen genommener oder getöteter IS-Kämpfer in nordsyrischen Lagern (A. IV. 12. b), dass sich der Angeklagte dieser Art der finanziellen Unterstützung des IS und den in den Lagern inhaftierten „Schwestern“ besonders verbunden fühlte.
532Für die Behauptung der Verteidigung des Angeklagten B. im Rahmen eines Beweisantrages, D3. und C3. hätten sich „wegen einer Haartransplantation“ in der Türkei aufgehalten und diese mit dem von ihnen mitgeführten Geld bezahlt, hat die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte erbracht. Im Gegenteil ist der von der Verteidigung behauptete Grund für die Türkeireise durch die Inhalte der auf dem Mobiltelefon des Angeklagten B. gesicherten Chats widerlegt. Er stimmt auch nicht mit der Erklärung des D3. für den Türkei-Aufenthalt im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung am 23. Juli 2020 überein. D3., der in der Hauptverhandlung ebenso wie C3. unter Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO keine Angaben gemacht hat, hat nach den glaubhaften Angaben der Vernehmungsbeamtin KKin I6. (geb. J6.) in seiner polizeilichen Zeugenvernehmung am 23. Juli 2020 den gemeinsamen Aufenthalt mit C3. in der Türkei Anfang März 2020 bestätigt, indes abweichende medizinische Gründe (Beratungsgespräch für eine eigene Augenlaserbehandlung beziehungsweise Nachuntersuchung nach Haartransplantation des C3.) vorgegeben.
Die Feststellungen zu der Bedeutung von Geldspenden aus Europa für den IS im Tatzeitraum (A. V. 1) beruhen auf dem Gutachten des Sachverständigen Dr. V3.. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb „Kleinstspenden“ aus Europa vor dem Hintergrund der schwindenden Finanzkraft der terroristischen Vereinigung Anfang 2019 für den IS von großer Wichtigkeit waren.
534Die Feststellungen zu den Aufforderungen des U2. zu Geldspenden und dem Kontakt zu V2. (A. V. 1) basieren jeweils auf der insoweit glaubhaften Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung. Nach Angaben des Zeugen RiLG X. hat Z1. darin von seinen Kontakten zu U2. und V2. im Zusammenhang mit dem Geldtransfer wie festgestellt berichtet. Diese Schilderungen des gesondert verfolgten Z1. werden jeweils durch Telegram-Nachrichten des U2. und des V2. aus ihren Chats mit Z1. bestätigt.
535So drängte U2. den gesondert verfolgten Z1. am 16. Januar 2019 per Telegram-Chat zu schneller finanzieller Unterstützung: „Sobald die Summe da ist, gebt Bescheid, wir veranlassen alles. Je schneller desto besser, wenn ihr finanziell helfen wollt.“. Am 25. Januar 2019 forderte er Z1. in mehreren Telegram-Nachrichten erneut zu zeitnaher finanzieller Hilfe auf: „Und Achi, wann wird es gelingen die Hilfe zu schicken? […] Es könnte sein, dass es hierher keinen Weg geben wird, (deshalb) je schneller desto besser […] Sammle das ein, was da ist und schicke es.“ Noch am selben Tag begann der gesondert verfolgte Z1. die Chat-Konversation mit V2. mit den Nachrichten: „Achi, mir hat Abu Fatima dein Telegram gegeben. Ich muss, Inschallah, in der nächsten Woche etwas verschicken. Soll ich es auf/an deinen Namen schicken?“ und setzte sie in der Folgezeit wie festgestellt über die Abwicklung des Geldtransfers fort (vgl. A. V. 2). Am 3. Februar 2019 erkundigte sich U2. bei dem gesondert verfolgten Z1. nach dem Verbleib der finanziellen Mittel: „[…] Was ist los bei euch, Achi, klappt es nicht? Wenn ihr eine Möglichkeit habt, dann bitte so schnell wie möglich, inschallah, noch ist der Weg frei.“
aa. Die Feststellungen zu der Höhe des gesammelten Geldes und dem Eigenanteil des gesondert verfolgten Z1. (A. V. 2) beruhen auf dessen insoweit glaubhaften Angaben in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung, die hinsichtlich des Gesamtbetrages durch eine Chat-Nachricht an V2. belegt werden („Genau 550 €.“). Im Hinblick auf seinen Eigenanteil ist nicht ersichtlich, weshalb sich der gesondert verfolgte Z1. insoweit zu Unrecht selbst belastet haben sollte.
537bb. Die Feststellung, dass die Spenden unter Mitgliedern der Zelle und unter mit dem IS sympathisierenden Bekannten der Angeklagten gesammelt wurden (A. V. 2), hat der Senat aus den Telegram-Einzelchats des gesondert verfolgten Z1. sowie dem Zweck der Sammlung geschlossen.
538Nachrichten aus den Chats des gesondert verfolgten Z1. mit V2. und U2. zeigen, dass die Sammlung in Zusammenhang mit „Versammlungen“ der „Brüder“ stand. So berichtete Z1. dem IS-Finanzagenten V2. in einer Telegram-Nachricht vom 3. Februar 2019: „Wir haben alles gesammelt, 540 oder 530. 546 haben wir gesammelt. Inschallah, Bismillah. Wir haben uns heute alle versammelt und zusammengesessen. Morgen schicken wir es ab. Aleikum Assalam.“ Zuvor hatte Z1. dem U2. per Telegram mitgeteilt: „Ich habe ihm 200 Euro geschickt und er sollte noch was bei den Brüdern sammeln und alles zusammen schicken.“ Im Übrigen ist es lebensnah, eine Spendensammlung für den IS innerhalb einer radikalislamischen Gruppe und unter IS-Sympathisanten durchzuführen.
539Die durch RiLG X. wiedergegebene Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung, er – Z1. – habe die Gelder unter seinen Arbeitskollegen gesammelt, war dagegen unglaubhaft und diente allein dem Zweck, eine Verbindung der Spendensammlung zu der Zelle und zum IS zu verschleiern. Der Zeuge RiLG X. hat bekundet, die Schilderung des Z1. sei in diesem Punkt auffallend detailarm gewesen, er habe auf Nachfrage keinen der angeblichen Geldgeber unter seinen Arbeitskollegen namentlich benennen können. Z1. Erklärung, er habe das Geld nicht innerhalb der Zelle gesammelt, weil deren Mitglieder als Sozialhilfeempfänger kein Geld für Spenden übrig hatten, ist ebenfalls nicht plausibel. Unter Berücksichtigung des Eigenanteils des Z1. von 150 Euro war es den sechs weiteren Zellenmitgliedern und weiteren IS-Sympathisanten auch als Empfänger von Sozialleistungen möglich, die restlichen 400 Euro aufzubringen. Dies gilt umso mehr, als die Zellenmitglieder ihr Einkommen nicht ausschließlich aus Sozialleistungen bezogen haben, wie der von dem Zeugen KHK W4. bekundete Fund mehrerer Tausend Euro Bargeld in der Wohnung des Angeklagten B. belegt.
540cc. Die Feststellung, dass sich der Angeklagte B. an der Geldsammlung beteiligt hat (A. V. 2), belegt der Inhalt eines Wortprotokolls des Sprachsachverständigen A4. zu einem WhatsApp-Chat zwischen dem Angeklagten und Z1.
541Der Angeklagte B. nutzte hierfür den WhatsApp-Account seines türkischstämmigen Bekannten K6. (geb. L6.) (Nutzername: „Abu ISA WHATSAPP“). Der gesondert verfolgte Z1. hat das durch EKHK M3. dargelegte Ermittlungsergebnis bestätigt, die tadschikischsprachigen Sprachnachrichten des im Übrigen auf Deutsch geführten Chats nicht mit dem Account-Inhaber K6., sondern mit B. ausgetauscht zu haben. Hierfür spricht auch, dass sich Z1. in dem Chat bei K6. mehrfach auf Deutsch nach dem Angeklagten B. („Abdullah“) erkundigte („Akhi Abdullah bei Dir?“).
542Der Inhalt des WhatsApp-Chats enthält am 1. Februar 2019 die Ankündigung des Angeklagten B. eine Sammlung zu organisieren: „[…] morgen ist sowieso Unterricht. […] wenn wir dort etwas sagen, wenn jemand dort etwas macht.[…] Aber wenn du sagst, Dings…, „nein es muss noch etwas darauf gelegt werden“…, ich weiß es noch nicht, wer wie viel geben wird…, ob jemand überhaupt geben wird, oder nicht, ich weiß es nicht. […] Ich werde versuchen alles zu regeln, in kurzer Zeit alles zu regeln, Inshallah. Einfach darauf, noch etwas darauflegen, genaue das meine ich jetzt“. Hierauf entgegnete Z1. bestätigend: „[…] Inschallah, mache es dann so! Sag dann jenen Brüdern wieder… wenn es mehr wird, dann wird es noch besser sein. Mach dann das nach eurem Unterricht. Inschallah, du wirst es senden oder am nächsten Tag senden. Wie es Dir am besten passt…“. Anhaltspunkte, dass diese Planung der Sammlung nicht umgesetzt wurde, haben sich nicht ergeben. Da der Angeklagte B. nach Bekunden des Zeugen EKHK M3. über einen großen radikalislamischen Bekanntenkreis und viele nationale und internationale Kontakte zu IS-Sympathisanten verfügte, ist es auch naheliegend, dass er sich an der Geldsammlung beteiligte.
aa. Die Feststellungen zu dem äußeren Geschehensablauf des Geldtransfers in die Türkei (A. VI. 2) beruhen im Wesentlichen auf den Angaben des Finanzermittlers KHK W4., der Schilderung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung sowie den Inhalten seiner Telegram-Einzelchats mit V2. und U2.
544Nach Bekunden des Zeugen RiLG X. hat Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung eingeräumt, den Geldtransfer zusammen mit T4. koordiniert zu haben. Dies ist darüber hinaus durch Chat-Nachrichten belegt (Z1.: „Alles klar, dann sage ich dem Bruder, dass er es über Western verschicken soll. Wenn die das in ihrer Stadt nicht haben, dann schickt er es über Ria. Sobald er es verschickt, schicke ich dir sofort den Beleg. Inschallah.“). Den Angaben des Zeugen RiLG X. zufolge will der gesondert verfolgte Z1. danach V2. und U2. auch über den Ablauf der Transaktion informiert haben. Dies ließ sich ebenfalls anhand von Chat-Nachrichten des Z1. nachvollziehen („Bismillah, ich habe alles gemacht, gesammelt und verschickt. Jener Bruder, mit dem du mich bekannt gemacht hast, jener Achi hat gesagt, dass ich das über irgendeinen Kafir schicken soll, damit die dort keine Probleme bekommen.“; „[…] Der Bruder hat heute schon das Geld verschickt, Achi. Ich habe dem Bruder den Code schon fotografiert und geschickt. Inschallah, bismillah. Er hat gesagt, dass er das Geld nach der Mahiba (phon.) nimmt und euch schickt, Achi. Genau 550 €.“).
545Die Feststellungen zu den konkreten Daten des Geldtransfers in die Türkei basieren neben den Erläuterungen des Finanzermittlers auf einer Transaktionsübersicht des Finanzdienstleisters RIA zu der Person des Zeugen B3. Der Zeuge KHK W4. hat nachvollziehbar erklärt, er habe die Überweisung unter dem Namen des Zeugen B3. vom 5. Februar 2019 aufgrund einer Abfrage nach dem Empfänger „M6.“ in Istanbul im Rahmen der Finanzermittlungen ausgehend von dem Überweisungsdatum und ‑betrag als einzige zu dem Inhalt des Telegram-Chats des Z1. mit U2. und V2. passende Transaktion festgestellt.
546Dass der Zeuge B3., der die Vornahme der Überweisung bestritten hat, als offizieller Versender des Geldes vorgeschoben war und die Überweisung nicht eigeninitiativ vorgenommen hat, beruht auf folgenden Erwägungen: Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Zeuge eine radikalislamische Gesinnung hatte, selbst Teil der Zelle oder des radikalislamischen Umfelds der Angeklagten war oder sonst ein eigenes Interesse an einer Überweisung an den IS hatte. Andererseits hat der Zeuge B3. glaubhaft eingeräumt, er sei mit B. entfernt bekannt gewesen. Außerdem habe er seine Personalien anlässlich anderer Überweisungen in der für den Transfer genutzten Einzahlstelle von RIA in der Nähe des damaligen Wohnortes des B. mitgeteilt. Der Angeklagte B. verfügte somit über verschiedene Möglichkeiten, die Überweisung auf Namen des B3. mit oder ohne dessen Beteiligung beziehungsweise Wissen zu organisieren. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte B. von einer dieser Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat. Ob er persönlich die RIA-Filiale in B2. aufsuchte und die Daten des B3. nutzte oder die Überweisung durch B3. oder einen anderen Bekannten nach Vorgaben des Angeklagten B. erfolgte, ist bedeutungslos.
547bb. Die Feststellung, dass der Angeklagte B. die Finanztransaktion vorgenommen hat (A.V. 2), beruht im Wesentlichen auf den Angaben des Zeugen RiLG X. zu der Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung sowie der Auswertung seines Telegram-Chats mit U2. vom 3. Februar 2019.
548Der gesondert verfolgte Z1. hat nach Bekunden des Zeugen berichtet, der Angeklagte B. habe den Geldtransfer in die Türkei durchgeführt.
549Diese Darstellung wird durch die Telegram-Kommunikation des Z1. mit U2. vom 3. Februar 2019 gestützt, in der er mitteilte, er habe „den Bruder“ wegen des Geldtransfers mehrfach vergeblich angerufen. EKHK M3. hat in einem Vermerk zur Auswertung des Mobiltelefons des Z1. im Hinblick auf weitere Tatbeteiligte hierzu ausgeführt, dass die in dem fraglichen Zeitraum abgehenden Gespräche und Anwahlversuche des Z1. an die auf seinem Mobiltelefon unter „Farhod Akhi“ und „Farhod Akhi 2“ gespeicherten Telefonnummern des Angeklagten B. gerichtet waren.
550Der Angeklagte B. erhielt außerdem am 1. Februar 2019 über den von ihm genutzten WhatsApp-Account seines Bekannten K6. von dem gesondert verfolgten Z1. das Lichtbild einer Ausweiskopie des vorgeschobenen Empfängers „M6.“ mit der Nachricht „Über Ria Türkei Istanbul“ und somit konkrete Vorgaben für den Ablauf der Überweisung.
551Der Finanzermittler KHK W4. hat zudem unter Verweis auf die in B.s Wohnung sichergestellten Transaktionsbelege bekundet, der Angeklagte B. habe regelmäßig unter Verwendung fremder Personalien Geld ins Ausland transferiert. Daher lag es nahe, ihn – wie von Z1. geschildert – auch mit der Durchführung dieses Geldtransfers in die Türkei zu beauftragen.
552Hinzu kommt, dass das Geld von B2. aus in räumlicher Nähe zu dem Wohnort des Angeklagten B. unter den Personalien oder mittels seines Bekannten B3. transferiert wurde. Dass der Zeuge B3. Kontakte zu anderen Zellenmitgliedern oder Beteiligten des Geldtransfers hatte, ist nicht ersichtlich.
aa. Die Feststellung, dass es sich bei dem transferierten Geld um eine finanzielle Zuwendung an den IS handelte und dies von dem Angeklagten B. und den übrigen Beteiligten auch so gewollt war (A. IV. 2), hat der Senat den Telegram-Chats des gesondert verfolgten Z1. mit U2., der Kontaktperson „Abu Muhammad“ und dem Finanzagenten V2. entnommen. Deren Kommunikation mit Z1. hatte jeweils die finanzielle Unterstützung der verbliebenen IS-Anhänger vor den heranrückenden „Kafiren“ am Aufenthaltsort des U2. in Syrien zum Gegenstand. So erläuterte U2. in einer Sprachnachricht vom 16. Januar 2019 die unterschiedlichen Möglichkeiten „Schahid“ (Märtyrer) zu werden: „[…] es sind viele Stufen zum Schahid. […] Der, der es nicht mit seiner Seele macht, ist verpflichtet uns finanziell zu helfen.“ Dass U2. mit „uns“ den IS meinte, ist aufgrund seiner Position in der terroristischen Vereinigung und durch die Verknüpfung der finanziellen Hilfe mit der Verpflichtung zum Jihad erkennbar. Mit der Geldsammlung und der Transaktion Anfang Februar 2019 haben der Angeklagte B. und der gesondert verfolgte Z1. auf die vorherige Aufforderung des U2. und seine eigene Zusage reagiert, den IS in Syrien finanziell zu unterstützen.
554Zu der Annahme einer Zuwendung an den IS passt, dass die Beweiserhebungen keinen Anhalt dafür ergeben haben, das transferierte Geld könne für den offiziellen Empfänger M6. bestimmt gewesen sein. Es hat sich auch kein Hinweis ergeben, dass der Angeklagte B. oder ein anderes Zellenmitglied überhaupt mit einer real existierenden Person dieses Namens in Kontakt standen. Den beiden Chats des gesondert verfolgten Z1. mit U2. und V2. lässt sich jeweils entnehmen, dass „M6.“ aus Gründen der Verschleierung als offizieller Empfänger vorgeschoben wurde. V2. übersandte am 1. Februar 2019 per Telegram das Lichtbild eines Ausweispapiers mit dem Namen „M6.“ an den gesondert verfolgten Z1. auf dessen Frage nach dem bei der Geldsendung in die Türkei zu verwendenden Namen. Z1. informierte daraufhin U2. in einer Sprachnachricht am 3. Februar 2019 über die Organisation des Geldtransfers und den Einsatz eines vorgeschobenen Empfängers zur Tarnung der eigentlichen Zweckbestimmung zugunsten des IS („Bismillah, ich habe alles gemacht… Jener Bruder, mit dem du mich bekannt gemacht hast, jener Achi hat gesagt, dass ich das über irgendeinen Kafir schicken soll, damit die dort keine Probleme bekommen. Deshalb haben wir es so gemacht, Achi.“).
555Die Einlassung des gesondert verfolgten Z1. zu dem Empfänger des Geldtransfers war demgegenüber widersprüchlich und daher unglaubhaft. Nach Bekunden des Zeugen RiLG X. hat Z1. zunächst behauptet, das Geld sei für „Frauen und Kinder“ in der Türkei bestimmt gewesen. Später habe er erklärt, das Geld sei an Angehörige von IS-Männern nach Syrien geflossen, die selbst keine Terroristen seien. Im weiteren Verlauf seiner Einlassung habe Z1. erneut die Türkei als Bestimmungsland angegeben.
556Der gesondert verfolgte Z1. hat jedoch nach Bekunden des Zeugen RiLG X. eingeräumt, ihm seien die Rolle und Bedeutung des U2. beim IS und dessen Aufenthaltsort im Herrschaftsgebiet des IS bekannt gewesen. Der Senat ist vor diesem Hintergrund davon überzeugt, dass Z1. den gleichgesinnten Angeklagten B. hierüber und über Einzelheiten seines Chat-Kontaktes mit dem führenden IS-Mitglied informierte, um ihn hierdurch zur Mitwirkung an der Geldsammlung und dem Transfer zu motivieren. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb Z1. die Hintergründe der finanziellen Unterstützung gegenüber seinem Freund aus Kindheitstagen und Mitglied der IS-Zelle hätte verschweigen sollen. Als Anhänger des IS kam es dem Angeklagten B. ebenso wie den übrigen Mitgliedern der Gruppe gerade darauf an, die terroristische Vereinigung finanziell zu fördern.
557bb. Die Feststellung, dass das transferierte Geld bestimmungsgemäß bei U2. in Syrien ankam (A. V. 2), beruht auf den Inhalten der Telegram-Chats des U2. und des V2. mit dem gesondert verfolgten Z1. Am Tag des Geldtransfers bestätigte U2. per Telegram die Höhe der transferierten Summe von 550 Euro und dankte Z1. am Folgetag mit den Worten: „Tamam, tamam, Achi. Allah soll dir etwas Gutes schenken, Bruder“. Bei einem Scheitern des Geldtransfers wäre zu erwarten gewesen, dass dies in dem Chat thematisiert worden wäre. Beispielsweise teilte V2. dem gesondert verfolgten Z1. am 5. März 2019 zu einem Geldtransfer Anfang März 2019 per Telegram mit, die „Brüder“ kämen an das Geld nicht heran, da bei ihnen „jetzt ganz schöne Grütze läuft“.
558cc. Die Feststellung zu der Kenntnis des Angeklagten B. von der wirtschaftlichen Sanktionierung des IS (A. V. 2) beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der auf Verschleierung angelegten Umstände der Transaktion unter Verwendung von Personalien eines unbeteiligten Dritten als Versender des Geldes. Diese Maßnahmen sind nur nachvollziehbar, wenn die Beteiligten von einer wirtschaftlichen Sanktionierung des Empfängers und einem Verbot der Zahlung ausgingen. Der gesondert verfolgte Z1. hat in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung eine entsprechende Kenntnis nach Angaben des Zeugen RiLG X. auch eingeräumt. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte B. dieselbe Kenntnis und Vorstellung wie Z1. besessen hat, zumal er sich mehrfach an Geldtransfers und Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung des IS beteiligte (A. IV. 8. und 12) und keine Anhaltspunkte für einen Irrtum vorliegen.
Die Feststellungen zu dem Erwerb und dem Vorhalten der Waffe nebst Munition durch den Angeklagten E. (A. VI) beruhen im Wesentlichen auf dessen insoweit glaubhafter Einlassung.
560Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung glaubhaft dahin eingelassen, er habe die Pistole „Crvena Zastava“ am 26. Februar 2019 von dem gesondert verfolgten Z1. erworben und übergeben erhalten. Mit dieser Einlassung ist er von seiner unglaubhaften Darstellung im Ermittlungsverfahren abgerückt, er habe die Pistole vor einem Kiosk gefunden und nur deshalb nicht zur Polizei gebracht, weil er den Fund wegen seiner schlechten Deutschkenntnisse nicht habe erklären können.
561Die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung wird durch folgende Umstände gestützt: Der gesondert verfolgte Z1. besaß mindestens eine weitere zum Weiterverkauf bestimmte Selbstladepistole (A. VII. 4. und 5). Es liegt daher nahe, dass Z1. über eine Möglichkeit verfügte, illegal Waffen und somit auch die Pistole „Crvena Zastava“ zu beschaffen. Außerdem übermittelte Z1. dem Angeklagten E. per WhatsApp-Chat am 26. Februar 2019 die Nachricht „Pistole Zastava“ und direkt im Anschluss einen Link zu einem YouTube-Video zu dem in der Folge bei E. sichergestellten Pistolenmodell. Diese Nachrichten deuten in der Zusammenschau mit der Einlassung des Angeklagten E. darauf hin, dass Z1. die von ihm angebotene Pistole im Vorfeld des Waffengeschäftes gegenüber E. beworben hat.
562Das Verwahren der Selbstladepistole „Crvena Zastava“ nebst Munition in seiner Wohnung am 15. März 2019 hat der Angeklagte E. eingeräumt und ist darüber hinaus durch den Bericht sowie das Sicherstellungsprotokoll des Durchsuchungsbeamten EKHK B5. zu der Durchsuchung am 15. März 2019 belegt. Danach sind in dem Wohnzimmer des Angeklagten E. eine ungeladene Schusswaffe, Kaliber 7,65, mit Magazin und in einem Schlüsselmäppchen dazugehörige Munition, Kaliber 7,65, sichergestellt worden.
563Die Feststellungen zu dem Erfordernis einer waffenrechtlichen Erlaubnis für die Pistole „Crvena Zastava“ und die zugehörige Patronenmunition basieren auf dem waffenrechtlichen Gutachten des Sachverständigen EKHK N6.. Neben den sonstigen Eigenschaften der halbautomatischen Selbstladepistole und der Patronenmunition hat er in seinem Gutachten auch deren jeweilige Erlaubnispflicht nach Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 WaffG dargelegt.
564Dass der Angeklagte E. eine entsprechende Erlaubnis weder für die Selbstladepistole noch für die Munition besaß und dies auch wusste, hat er eingeräumt und wird durch den Umstand gestützt, dass er sich die Waffe nicht legal, sondern bei einem anderen Zellenmitglied beschaffte.
Die Feststellung, der Angeklagte E. habe die Pistole „Crvena Zastava“ nebst zugehöriger Munition für jihadistische Anschläge im Sinne der IS-Ideologie verwenden wollen (A.VI), beruht im Wesentlichen auf der Würdigung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Erwerb der Waffe am 26. Februar 2019 und der Planung eines jihadistischen Anschlags des IS durch die Zelle Anfang März 2019.
566Der Angeklagte E. war Mitglied einer IS-Zelle, die nur wenige Tage nach dem Erwerb der Pistole „Crvena Zastava“ Anschläge in Deutschland plante (A. IV. 9. und 10). In dem Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 hat er sich gegenüber dem führenden IS-Mitglied Y1. hierzu mit den Worten bereit erklärt: Für uns, für mich selbst spielt es keine Rolle. Wenn halt die Brüder sagen: „Hier!“. Dann beginne ich morgen, angefangen mit meinen Nachbarn.“ Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Angeklagte die Pistole für den Fall eines entsprechenden Befehls der „Brüder“ erworben und nebst Munition in seiner Wohnung vorgehalten hat.
567Anhaltspunkte, dass E. neben seinen Aktivitäten für den IS in allgemein-kriminelle Sachverhalte verstrickt war oder sich als Waffenhändler betätigt hat, haben sich nicht ergeben.
568Der Senat schließt auch aus, dass E. die Pistole „Crvena Zastava“ nebst Munition für das Schusswaffenattentat auf den Islamkritiker F3. (A. VII) erworben oder verwahrt hat. Zum einen hat der Angeklagte bestritten, zum Zeitpunkt des Waffenkaufes am 26. Februar 2019 bereits auf den Islamkritiker aufmerksam geworden zu sein. Zum anderen ergibt sich aus Telefonaten des Angeklagten E. mit dem gesondert verfolgten Z1. zu dem Kauf einer großkalibrigen Pistole mit Schalldämpfer, dass E. die kleinkalibrige Pistole „Crvena Zastava“ ohne Schalldämpfer für wenig geeignet hielt, den Islamkritiker zu erschießen (A. VII. 4). Dementsprechend hat er für das Schusswaffenattentat später auch eine andere Pistole mit größerem Kaliber und Schalldämpfer erworben.
569Die Einlassung des Angeklagten E., er habe die Pistole „Crvena Zastava“ erworben, um sich und seine Familie vor einem Konflikt zwischen Tadschiken und Kaukasiern zu schützen, ist unglaubhaft: Seine Angaben zu dem angeblichen Konflikt mit Kaukasiern waren pauschal und unkonkret. So hat er weder erklärt, welchen Hintergrund ein solcher Konflikt gehabt haben soll, noch, welche Rolle er oder seine Familie darin gespielt haben sollen, und auch nicht, weshalb es einer funktionsfähigen Selbstladepistole nebst 16 Stück Munition zur Abschreckung und Verteidigung bedurfte. Sein angeblich kulturell bedingtes Misstrauen gegenüber der Polizei als Begründung für die Notwendigkeit eigener Schutzmaßnahmen wirkte angesichts seiner Partnerschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen konstruiert.
Die Feststellungen zu dem Islamkritiker F3. (A. VII. 1) beruhen auf dessen glaubhaften Angaben. Der Zeuge, der die Verfolgung und Beobachtung am 14. März 2019 nicht bemerkte und keinen der Angeklagten kannte, hat ausführlich von seinem persönlichen Hintergrund, seinen YouTube-Aktivitäten und den Bedrohungen gegen seine Personen in diesem Zusammenhang berichtet. Überdies hat er den Inhalt seines
571YouTube-Kanals beschrieben und eingeräumt, dieser sei „für den einen oder anderen vielleicht etwas zu kritisch“ gewesen.
572Die Angaben des F3. stehen in Einklang mit dem durch den Zeugen EKHK M3. dargelegten Ermittlungsergebnis. Der polizeiliche Ermittlungsführer hat zu der Person des F3. und dessen YouTube-Aktivitäten recherchiert und in den polizeilichen Informationssystemen eine Strafanzeige wegen Drohungen gegen F3. gefunden.
573Die Feststellungen zu dem Tatplan des Angeklagten E. (A. VII. 1) beruhen zunächst auf dessen insoweit glaubhafter Einlassung. Der Angeklagte hat eingeräumt, er habe den ihm unbekannten Islamkritiker wegen dessen islamkritischer Internet-Videos erschießen wollen. Hiermit steht in Einklang, dass auf einem am 15. März 2019 sichergestellten Mobiltelefon des Angeklagten E. eine Vielzahl aus YouTube stammender Fotos des F3. festgestellt wurde, wie sich aus einem ergänzenden Auswertevermerk der Ermittlungskommission (KOKin N6.) vom 22. März 2021 ergibt.
574Die insoweit geständige Einlassung des Angeklagten E. wird überdies bestätigt durch seinen Chat mit X1. Y1. und die darin dokumentierte Abstimmung des Anschlagvorhabens, die Verfolgung des F3. am 14. März 2019 und die Beschaffung einer Schusswaffe mit Schalldämpfer am selben Tag. Da keine Anhaltspunkte für ein Kennverhältnis zwischen dem Angeklagten und F3. bestehen, liegt es auch nahe, dass E. aufgrund seiner radikalislamischen Gesinnung den F3. allein wegen dessen islamkritischer YouTube-Beiträge als Zielperson eines Schusswaffenattentats auswählte. Hierfür spricht auch, dass er X1. Y1. im Zuge der Abstimmung des Anschlagsvorhabens den Link zu einem YouTube-Video des F3. schickte (vgl. unten B. IX. 2. c).
575Dass der Angeklagte E. ein Attentat des IS plante, folgt neben seiner mitgliedschaftlichen Eingliederung bei der terroristischen Vereinigung aus der Abstimmung des Schusswaffenattentats und der geplanten propagandistischen Verwertung des Anschlags durch das führende IS-Mitglied X1. Y1.
Die Feststellung, dass es sich bei dem Chatpartner „muhib_1980“ des Angeklagten E. um X1. Y1. handelte (A. VII. 2), beruht auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten.
577Die Einlassung wird durch die Aussage des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung bestätigt. Der Zeuge RiLG X. hat bekundet, Z1. habe den Zello-Chatpartner des Angeklagten E. mit dem Nutzernamen „muhib_1980“ durch Anhören der Audiodateien als X1. Y1. alias „usto1984“ an der Stimme wiedererkannt.
578Auch das übrige Ermittlungsergebnis steht mit der Einlassung des Angeklagten in Einklang. Der Zeuge KK B4. hat nachvollziehbar berichtet, er habe auf dem Mobiltelefon des Angeklagten E. einen Zello-Gruppenchat ab dem 7. März 2019 gesichert, der inhaltlich an den Zello-Gruppenchat auf dem Mobiltelefon des gesondert verfolgten Z1. angeknüpft habe, der am 2. März 2019 endete. Der Chat-Teilnehmer, der die ideologischen Schulungen abhielt („usto1984“), habe nunmehr den Namen „muhib_1980“ genutzt.
Die Feststellungen zu der Billigung des Attentats durch X1. Y1. und seiner Absicht, das Attentat propagandistisch für den IS zu verwerten (A. VII. 2), beruhen auf dem Inhalt eines Wortprotokolls zu den im Zello-Einzelchat zwischen dem Angeklagten alias „Umedjon“ und X1. Y1. alias „muhib_1980“ vom 7. bis 9. März 2019 ausgetauschten Sprachnachrichten, die auf dem Mobiltelefon des Angeklagten E. gesichert wurden. Der Angeklagte hat die Übersetzung des Dolmetschers A4. ausdrücklich als zutreffend gelobt und erklärt, sie rücke den Inhalt des Zello-Chats „in das richtige Licht“.
580In dem Chat kündigte der Angeklagte E. danach an, „diesen Unreinen so brutal ermorden“ zu wollen und mit Hilfe des Mitangeklagten A. alias „Shohin“ ein Video „über diese Arbeit“ zu machen, „so dass die anderen Unreinen so was nicht mehr tun“. Y1. gab im Anschluss an die Aufforderung, den Islamkritiker zu töten („Mein lieber Bruder, du musst ihn wie einen Esel hinschlachten. Diesen Gottlosen!“) konkrete Anweisungen an E. hinsichtlich der propagandistischen Verwertung des Anschlags. Der Angeklagte sollte von dem Attentat ein Video aufzunehmen, „selbst wenn es gerade eine Minute lang wäre“, oder wenigstens ein oder zwei Fotos fertigen. Er – Y1. – kenne einen Bruder, der die Bilder zusammenschneiden könne. Dazu benötigten sie Fotos von den früheren YouTube-Aktivitäten des „Unreinen“, zu denen sie die Fotos seiner Tötung hinzufügen wollten. Passend hierzu würden sie einen Aufruf vorbereiten, über das Propagandamaterial spielen und das fertige Video bei YouTube online stellen. Y1. freute sich über diese Planung, es werde „großartig“. Der Angeklagte E. zeigte sich einverstanden und hoffte, „wenn Allah es möge, dann wird es auch klappen, dass wir ein Foto oder ein schönes Video aufnehmen“. Seine Absicht, durch das Attentat das Vertrauen der Bevölkerung in die Ausübung der Meinungs- und Religionsausübung erschüttern zu wollen, betonte er durch seine Äußerung: „Wenn wir es selber machen, es vorbereiten, Inschallah. Dann können wir das denn so machen, dass wir es auf einer Art und Weise tun, so dass, sagen wir, für die Anderen ein Exempel statuiert wird. Damit ein anderer Unreiner selbst dann … zittert, wenn er in seinem Kopf mit solchen Gedanken spielt, Inschallah.“
581Aus der Stellung des X1. Y1. als führendes IS-Mitglied hat der Senat geschlossen, dass seine Ankündigungen einer propagandistischen Verwertung des Anschlags in Form eines YouTube-Beitrags auf eine Propaganda für den IS zielten.
582Dass der Angeklagte E. spätestens infolge der Abstimmung mit X1. Y1. den Entschluss fasste, F3. zu töten, zeigt seine Äußerung gegenüber Y1., er sei mit dessen Vorschlag einverstanden und werde „das von uns Besprochene machen“. Der Angeklagte hat überdies eingeräumt, jedenfalls am 14. März 2019 fest entschlossen gewesen zu sein, den Islamkritiker F3. zu töten. Auf einen festen Entschluss des Angeklagten E. deuten darüber hinaus sämtliche weiteren Aktivitäten zu der Vorbereitung des Schusswaffenattentats hin (vgl. A. VII. 3. bis 5).
Dass der Angeklagte E. und X1. Y1. mit der wechselweise von ihnen als „Unreinen“ „Gottlosen“, „Verdammten“ oder „Hurensohn“ bezeichneten Person den Islamkritiker F3. meinten, stützt der Senat auf folgende Erwägungen:
584Aus einem Vermerk der Ermittlungskommission (KK B4.) vom 7. Juni 2020 zu der Auswertung der auf dem Mobiltelefon des Angeklagten E. gesicherten Zello-Chat-Kommunikation ergibt sich, dass dieser X1. Y1. per Zello-Chat am 7. März 2019 einen YouTube-Link zu einem Video des Islamkritikers F3. schickte.
585Der Inhalt des Chats des Angeklagten E. mit Y1. deutet ebenfalls darauf hin, dass sie mit dem darin thematisierten „Unreinen“ den Islamkritiker meinten. Der Angeklagte und Y1. unterhielten sich darüber, der „Unreine“ spreche die iranische Sprache, veröffentliche seine Videos aber ausschließlich „in der Sprache der Unreinen“. Dies trifft auf die deutschsprachigen Veröffentlichungen des iranischstämmigen F3. aus islamistischer Sicht zu. Auch liegt es nahe, dass der „Unreine“ in räumlicher Nähe zu dem Angeklagten E. wohnte, denn E. berichtete Y1., bereits das Auto des „Unreinen“ gesehen zu haben. Außerdem erwähnte der Angeklagte in dem Chat, der „Unreine“ besuche ein Fitnessstudio, was auf F3. zutraf und überdies den Ausgangspunkt seiner Verfolgung durch den Angeklagten E. am 14. März 2019 bot. Schließlich veröffentlichte F3. auf YouTube Video-Beiträge, in denen er – aus Sicht des IS-Mitglieds E. – „so viele geschmacklose Sachen erzählt“.
586Soweit der Angeklagte E. demgegenüber behauptet hat, mit Y1. über den Tod eines nicht namhaft gemachten, bereits verstorbenen islamkritischen Dichters gechattet zu haben, wertet der Senat dies als Schutzbehauptung, um die Billigung des geplanten Attentates durch ein führendes IS-Mitglied und die Absicht dessen propagandistischer Verwertung durch den IS zu verschleiern. Anhaltspunkte, die auf eine Unterhaltung über einen verstorbenen Dichter hindeuten, haben sich in dem Zello-Chat nicht ergeben. Im Gegenteil steht der Inhalt des Zello-Chats in Widerspruch zu der Einlassung des Angeklagten E., über einen toten Dichter gesprochen zu haben. In dem Chat wurde über eine in der Zukunft geplante Tötung des „Unreinen“ gesprochen. Weder die Anweisungen des Y1., ein Video oder Fotos von der Tötung des „Unreinen“ aufzunehmen, noch Äußerungen des Angeklagten E. über den Fortschritt der Attentatsplanung („Wir kommen näher ran, Inshallah. Ich habe diesen Unreinen gemeint, dass wir seine Adresse und andere Sachen fast feststellen konnten.“) lassen sich mit dem angeblich bereits in der Vergangenheit liegenden Tod eines Dritten in Einklang bringen.
Die Feststellungen zu der Verfolgung und Beobachtung des F3. bis zu dem vorläufigen Abbruch im Zuge einer Ampelschaltung (A. VII. 3) beruhen auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten E., den durch den Zeugen OStA O6. wiedergegebenen Angaben des G3. im Ermittlungsverfahren sowie den Inhalten überwachter Telefonate zwischen dem Angeklagten E. und G3. während der Observation des F3.
588Der Angeklagte E. hat die Verfolgung und Beobachtung des Islamkritikers bis zu dem Abbruch aufgrund einer Ampelschaltung eingeräumt.
589Diese Einlassung wird durch Äußerungen des G3. im Rahmen zweier Anhörungen im Ermittlungsverfahren bestätigt. Der Zeuge OStA O6. hat die Angaben des G3. in diesen Anhörungen detailliert wiedergegeben. Danach räumte G3. ein, den Angeklagten E. am 14. März 2019 telefonisch über die Anwesenheit des F3. in dem Fitnessstudio informiert zu haben. Außerdem gab G3. an, E. habe den G3. im Pkw verfolgt und derweil weiter mit ihm – G3. – in telefonischem Kontakt gestanden.
590Die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten wird überdies durch die Inhalte seiner mit G3. geführten Telefonate gestützt. Der die Überwachung der Telekommunikation des Angeklagten E. koordinierende KOK P6. hat die Chronologie der telefonischen Kontakte des E. zu G3. am 14. März 2019 in einem Auswertebericht des Polizeipräsidiums O. vom 16. Oktober 2019 zu der Telefonüberwachung bei E. dargelegt. Diese Chronologie hat der Senat anhand der Wort-und Inhaltsprotokolle der nachfolgend genannten Gespräche nachvollzogen. Danach begann die Kommunikation kurz vor 12:00 Uhr mit einer Nachricht des G3., dass „jemand [gemeint: F3.] beim Fitness ist“. Etwa 15 Minuten später war G3. dem Angeklagten durch die Beschreibung der Zielperson und der Örtlichkeit dabei behilflich gewesen, den F3. an der Ausfahrt des Parkhauses abzupassen („Komm schnell raus und setz dich in dein Auto. Er fährt gleich raus. Du wirst hinter ihm herfahren.“). Gegen 12:30 Uhr teilte der Angeklagte E. dem G3. mit, F3. bis zu einer Tankstelle gefolgt zu sein. Aus den Inhalten nachfolgender Gespräche ergibt sich, dass der Angeklagte E. den Pkw des F3. gegen 12:40 Uhr aufgrund einer Ampelschaltung aus den Augen verlor. Da er ihn auch gegen 12:50 Uhr noch nicht wiedergefunden hatte, wollte er die Verfolgung am nächsten Tag fortsetzen („[…] Aber wir können morgen ein anderes Auto nehmen und es machen. […] Macht nichts. Wir bereiten uns 1000 Mal besser vor.“).
Die weitere Einlassung des Angeklagten E., er sei während der Verfolgung und Beobachtung des F3. am 14. März 2019 mit der Pistole „Crvena Zastava“ bewaffnet gewesen, ist dagegen unglaubhaft. Der Senat geht davon aus, dass diese Einlassung allein dazu diente, eine konkrete Möglichkeit der Ausführung des Schusswaffenattentats zu konstruieren, um sodann einen freiwilligen Rücktritt von der weiteren Tatausführung geltend zu machen. Diese Einlassung wertet der Senat insgesamt als Schutzbehauptung (vgl. zu dem vermeintlichen Rücktritt unten c).
592Aus den Telefonaten des Angeklagten mit dem gesondert verfolgten Z1. zu dem Kauf einer großkalibrigen Pistole mit Schalldämpfer ergibt sich, dass E. die kleinkalibrige Pistole „Crvena Zastava“ ohne Schalldämpfer für das Schusswaffenattentat für wenig geeignet hielt (A. VII. 4). Der Angeklagte E. führte die Telefonate mit Z1. über den Kauf der großkalibrigen Waffe überdies zum Teil während der Verfolgung und Beobachtung des F3., was nicht zu erwarten wäre, wenn er bereits bewaffnet gewesen wäre und die Ausführung des Attentats bereits am 14. März 2019 unmittelbar bevor gestanden hätte. In diesem Fall hätte es des Kaufs einer während der Verfolgung noch nicht übergebenen zweiten Schusswaffe mit größeren Kaliber und Schalldämpfer nicht bedurft.
Soweit der Angeklagte E. behauptet hat, er habe den Islamkritiker F3. am 14. März kurz nach dem Abbruch der Observation aufgrund einer Ampelschaltung erneut angetroffen und sodann dessen Tötung freiwillig und endgültig aufgegeben, handelt es sich um ebenfalls eine Schutzbehauptung.
594Gegen die behauptete Abkehr von der Anschlagsplanung spricht zunächst, dass sich der Angeklagte E. kurz nach der vermeintlichen Abstandnahme am selben Tag mit dem gesondert verfolgten Z1. getroffen hat, um die für den Anschlag vorgesehene großkalibrige Pistole mit Schalldämpfer zu erwerben (A. VII. 5). Wäre der Angeklagte von seiner Absicht, den Islamkritiker zu erschießen, tatsächlich abgerückt, hätte dieses Treffens mit Z1. seinen Sinn verloren.
595Dass seine Einlassung in diesem Punkt widersprüchlich ist, hat der Angeklagte E. auch selbst erkannt, ohne den Widerspruch aufzulösen. So hat er angegeben, er habe die „2. Pistole“ (Norinco) eigentlich gar nicht haben wollen, da er schon eine Pistole (Crvena Zastava) besessen habe. Weshalb er dennoch – wie von ihm auch eingeräumt – am 14. März 2019 nach Wuppertal gefahren ist, um die Pistole „Norinco NP44“ mit Schalldämpfer zu erwerben, hat er nicht erklärt.
596Die Einlassung des Angeklagten E. ist unter Berücksichtigung des durch die Telefonate dokumentierten zeitlichen Ablaufs lebensfremd. Der Angeklagte hatte den Pkw des Islamkritikers danach wegen der Ampelschaltung bereits gegen 12:40 Uhr aus den Augen verloren. Etwa zehn Minuten später berichtete er G3. von seiner vergeblichen Suche nach dem Fahrzeug des F3.. Dass der Angeklagte den F3. später in dessen geparkten Pkw in einer Großstadt wie N2., dazu ausgerechnet – so die Einlassung des Angeklagten – an einer für das Attentat geeigneten abgeschiedenen, gleichzeitig aber baustellenbedingt lauten Örtlichkeit, gefunden hat, ohne dass er dies in der Kommunikation mit G3. erwähnt hätte, ist auszuschließen.
597Objektive Anhaltspunkte, die für die Richtigkeit dieser Einlassung sprechen könnten, haben sich nicht ergeben. Der Angeklagte hat als einzigen Beleg auf ein Telefonat mit G3. am 14. März 2019 um 13:17 Uhr verwiesen, in dem er das erneute Antreffen des Islamkritikers thematisiert habe. Das daraufhin erstellte Wortprotokoll der Sprachsachverständigen Q6. zu diesem Telefonat hat ergeben, dass sich E. darin mit G3. verabredete, ohne den Islamkritiker überhaupt zu erwähnen.
598Dass der Angeklagte E. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im Oktober 2019 nicht erneut versucht hat, den Islamkritiker zu töten, stellt, anders als durch ihn geltend gemacht, kein Indiz für die Richtigkeit seiner Einlassung dar. Zum einen waren zu dieser Zeit seine beiden Schusswaffen sichergestellt. Zum anderen musste er vor dem Hintergrund des laufenden Ermittlungsverfahrens mit staatlichen Überwachungsmaßnahmen rechnen.
aa. Die Feststellungen zu den telefonischen Kontakten des Angeklagten E. mit dem gesondert verfolgten Z1. im Hinblick auf die Bereitstellung einer Schusswaffe mit Schalldämpfer (A. VII. 4) beruhen im Wesentlichen auf dem Inhalt des Auswerteberichtes (KOK P6.) vom 16. Oktober 2019 zu der Telekommunikationsüberwachung bei E. und den Inhalts- und Wortprotokollen zu einzelnen Telefonaten. Deren Richtigkeit ist durch die Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung bestätigt, die der Zeuge RiLG X. wiedergegeben hat. Danach hat der gesondert verfolgte Z1. die Kontakte am 13. und 14. März 2019 – mit Ausnahme seines Bestreitens, mit E. über einen Schalldämpfer gesprochen zu haben – wie festgestellt geschildert. Schließlich hat auch der Angeklagte E. eingeräumt, mit dem gesondert verfolgten Z1. zu dem Kauf der Pistole „Norinco“ vor dem Treffen am 14. März 2019 in Kontakt gestanden zu haben, ohne aber Einzelheiten mitzuteilen.
600bb. Wortprotokolle zu Telefonaten vom 13. März 2019 belegen, dass der Angeklagte E. mit dem gesondert verfolgten Z1. – anders als von Z1. behauptet – im Vorfeld des Waffengeschäfts über die Ausstattung der Pistole mit einem Schalldämpfer gesprochen und dieser aus ihrer Sicht große Bedeutung für die Umsetzung des Attentates hatte.
601In einem Telefonat mit dem Angeklagten E. am 13. März 2019, beginnend ab 12:04 Uhr, hat sich der gesondert verfolgte Z1. wie folgt geäußert:
602„Es geht, der Dank gebührt Allah. Mein lieber Bruder, kurz gesagt, eine Person hat mich angerufen […] Inschallah, es kann sein, dass heute jenes lautlose/geräuschlose Ding auch gegeben wird, mein Bruder. […]
603Angeklagter E.: Es ist doch super!“
604In einem weiteren Telefonat vom 13. März 2019, beginnend ab 13:43 Uhr, heißt es:
605„Z1.: Genau diese, mit dem Stoßdämpfer… […] Es ist sehr schwer zu finden, mein Bruder. […]
606Angeklagter E.: […] ich habe so einen Ort als Orientierung genommen. Das ist inmitten…, sagen wir mal so, … in der Stadt. Dort passt es halt nicht so sehr. Aber wenn es ein solches (Ding) ist, Bruder, dann geht es überall, in jeder Art. Es passt halt super.
607Z1.: Ja…, es ist ein nützliches Ding. Dann ist z.B. seine Arbeit sauber. Es ist halt so anders.
608Angeklagter E.: Ja, mein lieber Bruder. Es ist so.
609Z1.: Hast Du verstanden? Du wirst deine Arbeit sauber erledigen. Ohne jegliche ..., ohne zusätzliche …
610Angeklagter E.: Ohne jegliches „piff-paff“… ohne jegliches „piff-paff-puff“ kurz gesagt.
611Z1.: „Ja…, niemand wird es durchschauen/erfahren.
612Angeklagter E.: Hmm… es ist halt super, glaub mir!
613Z1.: Sage ich doch…“
614Der Senat ist davon überzeugt, dass in den Telefonaten konspirativ („lautloses Ding“, „Stoßdämpfer“) die Verwendung eines Schalldämpfers besprochen wurde. Hierfür spricht neben den vom Angeklagten E. nachgeahmten Schussgeräuschen insbesondere, dass der gesondert verfolgte Z1. tatsächlich eine Pistole mit Schalldämpfer besaß. Der Angeklagte E. hat die Angaben des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung bestätigt, am Abend des 14. März 2019 habe sich in der Wohnung des Z1. ein Schalldämpfer befunden. Die in einem Vermerk der Ermittlungskommission (RBe R6.) vom 13. November 2020 niedergelegte Auswertung der Metadaten zu einem mit dem Mobiltelefon des Z1. in seiner Wohnung aufgenommen Lichtbild eines Schalldämpfers zeigt, dass sich der Schalldämpfer am Abend des 14. März 2019 in der Wohnung des Z1. befunden hat.
615cc. Das Wortprotokoll zu dem Telefonat vom 13. März 2019, beginnend ab 13:43 Uhr, belegt überdies, dass der Angeklagte E. seine Pistole „Crvena Zastava“ (Kaliber 7,65) für das Schusswaffenattentat als wenig geeignet ansah und stattdessen eine großkalibrige Waffe – wie die Pistole „Norinco“ – mit Schalldämpfer bevorzugte. Weitere Äußerungen des Angeklagten E. in abgehörten Telefonaten mit Z1. zu dem Waffengeschäft bestätigen dies. So äußerte der Angeklagte E. in dem Telefonat am 13. März 2019, beginnend ab 13:43 Uhr: „Wenn es ein 9er ist, glaub mir, dann das eine komplett andere Sache […] Ja, der 7er ist auch gut…der 9er ist..., Bruder. Schau halt jetzt so ungefähr..., ein 9er ist, verdammt, in jeder Hinsicht besser…[…] Der Motor ist groß…, sein Motor ist groß (und) halt super.“
616Hierzu passt auch, dass sich der Angeklagte E. in einem Telefonat vom 14. März 2019, beginnend ab 12:20 Uhr, von der Verwendung einer großkalibrigen Waffe wie der Pistole „Norinco“, Kaliber .45ACP (11,43 mm), begeistert zeigte:
617„Z1.: 45er..
618Angeklagter E.: Wow, krass…
619Z1.: Im Vergleich zu 9 doppelt so groß.
620Angeklagter E.: Wie du selber sagt… es ist wirklich wahnsinnig, nicht wahr? […]
621Z1.: Es ist wahnsinnig. Wenn du es siehst, wirst du stark beeindruckt sein. […]“.
Die Feststellung, dass der Angeklagte E. die bei dem gesondert verfolgten Z1. beschaffte Pistole für das Schusswaffenattentat auf F3. verwenden wollte, beruht im Wesentlichen auf der Würdigung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Verfolgung und Observation des F3. am 14. März 2019 und den Kontakten zu Z1. am 13. und 14. März 2019 im Hinblick auf das Waffengeschäft. Der Auswertebericht zu der Telekommunikationsüberwachung bei dem Angeklagten E. (KOK P6.) hat zu dem zeitlichen Ablauf der Telefonate ergeben, dass der Angeklagte während der Verfolgung des F3. am 14. März 2019 abwechselnd mit G3. über die Observation des Islamkritikers und mit Z1. über die Beschaffung einer großkalibrigen Pistole sprach. In einem Telefonat am 14. März 2019, beginnend um 12:20 Uhr, erklärte der Angeklagte Z1. während der laufenden Verfolgung des F3.: „[…] Ich bin gerade hinter jenem Unreinen [her]. Verdammt, man darf auf mich nicht aufmerksam werden. […] Hast du verstanden, mein Bruder?“. Nur wenige Stunden nach dem unfreiwilligen Abbruch der Verfolgung des F3. fuhr der Angeklagte zu dem gesondert verfolgten Z1. nach N1., um die Pistole zu erwerben. Dabei hatte er die Absicht, die Verfolgung des F3. am folgenden Tag wieder aufzunehmen.
623Für die Verwendungsabsicht spricht darüber hinaus, dass sich die großkalibrige Pistole „Norinco“ mit Schalldämpfer für einen Anschlag aus dem Hinterhalt auf eine Einzelperson eignet. Diese Eignung hat der Angeklagte in den abgehörten Telefonaten auch hervorgehoben.
Die Feststellungen zu dem Ablauf des Treffens bis einschließlich zu der Begutachtung der Waffe mit Schalldämpfer (A. VII. 5) beruhen auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten E.
625Bestätigt wird die Richtigkeit seiner Einlassung durch die Angaben des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung und durch die Bekundungen des Zeugen S6. Der gesondert verfolgte Z1. hat das Treffen und die Präsentation der Waffe mit Schalldämpfer ebenso wie die Begutachtung durch E. übereinstimmend mit diesem dargestellt. Auch der damalige Mitbewohner des gesondert verfolgten Z1., der Zeuge S6., hat Teile des äußeren Geschehensablaufs, soweit er sie wahrnehmen konnte, entsprechend der Darstellung des Z1. geschildert. Unter anderem hat der Zeuge S6. bekundet, der Angeklagte E. habe die Pistole eingehend begutachtet.
Die Feststellungen zu dem Verkauf und der Übergabe der Pistole an den Angeklagten E. (A. VII. 5) beruhen im Wesentlichen auf der Schilderung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung.
627Der Zeuge RiLG X. hat die Angaben des Z1. zu dem weiteren Verlauf des Treffens am 14. März 2019 den Feststellungen entsprechend wiedergegeben. Danach hat der gesondert verfolgte Z1. berichtet, dem Angeklagten E. die später sichergestellte Pistole übergeben zu haben.
628Für die Richtigkeit seiner Angaben sprechen die glaubhaften Bekundungen des Zeugen S6. zu der Begutachtung der Pistole. Der Zeuge, der die Waffe gemeinsam mit dem Angeklagten und dem gesondert verfolgten Z1. auseinanderbaute und inspizierte, hat beschrieben, der Angeklagte sei an der Waffe sehr interessiert gewesen, was mit dem späteren Verkauf der Waffe und der Übergabe an ihn in Einklang steht.
629Die Angaben des gesondert verfolgten Z1. wurden darüber hinaus durch die Inhalte seiner mit dem Angeklagten E. im Vorfeld geführten Telefonate gestützt. So vereinbarten sie bereits vorab telefonisch die Höhe des festgestellten Kaufpreises („Hör zu. Der Preis liegt bei 2. Hast du verstanden. […] Es kostet 2. Aber da ist noch eine Sache. Für den Menschen, der es besorgt hat… […] ihm musst du halt so 100 oder irgendeinen Betrag geben. […]“).
630Die entgegenstehende Einlassung des Angeklagten E., er habe den Kauf der Pistole abgelehnt, da er sie als „nicht besonders hochwertig empfunden“ habe, wertet der Senat als Schutzbehauptung. Die Angaben des Angeklagten waren wenig konkret und als schriftlich ausgearbeitetes und nicht hinterfragbares Vorbringen keiner Glaubhaftigkeitsprüfung zugänglich. Was der Angeklagte konkret an der Waffe bemängelt haben will, hat er nicht mitgeteilt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Das waffenrechtliche Gutachten mit dem Lichtbild der sichergestellten Waffe hat keine objektiven Unzulänglichkeiten der Waffe offen gelegt. Auch der Zeuge S6. hat keine Mängel der Waffe festgestellt oder Klagen des Angeklagten über Unzulänglichkeiten bei der gemeinsamen Begutachtung der Waffe wahrgenommen.
631Auch die Einlassung des Angeklagten E. hinsichtlich des angeblichen Weiterverkaufs der Waffe durch Z1. an einen unbekannten Dritten ist wenig plausibel. Dass der gesondert verfolgte Z1. die Pistole quasi umgehend telefonisch ohne Besichtigung und Prüfung der Waffe durch den Käufer hätte weiterverkaufen können, ist lebensfremd. Hätte der gesondert verfolgte Z1. tatsächlich einen zweiten Kaufinteressenten an der Hand gehabt, dem er die Waffe ohne weiteres hätte verkaufen können, wäre nicht zu erwarten gewesen, dass er die Pistole gegenüber E. derart stark anpreist wie in den abgehörten Telefonaten am 13. und 14. März 2019 geschehen. So bewarb er die Waffe in einem Telefonat am 14. März 2019 damit, diese sei „so stark wie drei von denen, die du hast“. Als der Angeklagte am Abend des 14. März 2019 zwischendurch eine Autofahrt mit dem Zeugen S6. unternahm, wurde er von Z1. angerufen, der die Waffe am Telefon mehrfach durchlud, ihren Abzug betätigte und hierbei anpries („Das läuft super“. […] „Das läuft wie ein Esel. Super.“ „[…] Ich schwöre auf Gott. Was ich liefere ist super.“). Der Senat geht angesichts dessen davon aus, dass der gesondert verfolgte Z1. unter Druck stand, die Waffe zeitnah weiterzuverkaufen.
632Von weiteren Kaufinteressenten war in den Telefonaten überdies nicht die Rede. Vielmehr hat der Angeklagte E. in den Telefonaten keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er die Waffe kaufen wollte. So äußerte er während der Pkw-Fahrt mit S6. gegenüber Z1. im Hinblick auf die Pistole: „Super. Ich bekommen dich, Inschallah.“ und bedankte sich bereits vorab für die Waffenbeschaffung („Du hast etwas gemacht für mich, was ich nie gedacht habe.“).
Die Feststellungen zu dem Erfordernis einer waffenrechtlichen Erlaubnis für die Pistole „Norinco“ beruhen auf dem waffenrechtlichen Gutachten des Sachverständigen EKHK N6. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten auch für die sichergestellte Pistole „Norinco“ die Erlaubnispflicht nach Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 WaffG nachvollziehbar dargestellt.
634Dass der Angeklagte E. keine entsprechende Erlaubnis für eine Selbstladepistole besaß und dies auch wusste, ergibt sich aus seiner entsprechenden Einlassung zu der Pistole „Crvena Zastava“ (vgl. oben B. VIII. 1) und dem Umstand, dass er sich die Waffe nicht legal beschaffte.
Die durch Rechtsanwalt G1. in seinem Schlussvortrag am 25. Mai 2022 gestellten Anträge waren teils abzulehnen, ein Antrag war wegen Nichteintritt der Bedingung nicht zu bescheiden.
636Der Senat legt die Anträge dahin aus, dass diese als Eventualbeweisanträge (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 244 Rn. 22b mwN) jeweils für den Fall einer Verurteilung des Angeklagten E. in Tat 4 (Fall 2 der Anklage) bei Eintritt einer näher bezeichneten prozessualen Bedingung gestellt wurden.
Der unter die Bedingung, dass der Senat nicht von einem „Rücktritt“ des Angeklagten ausgehe (vgl. B. IX. 3. c), gestellte Antrag auf Einführung eines abgehörten Telefonats des Angeklagten E. vom 14. März 2019, beginnend ab 13:36 Uhr, war abzulehnen. Der Antrag sollte belegen, der Angeklagte habe während des Klingeltons gesagt, „dass er es nicht gemacht hat.“
638a. Die behauptete Tatsache ist aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO. Eine Indiztatsache ist aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos, wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnte, weil sie nur mögliche, aber nicht zwingende Schlüsse zulässt und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will (vgl. Schmitt, a.a.O., Rn. 56 mwN).
639Der Senat würde aus der unter Beweis gestellten Äußerung des Angeklagten E. während des Klingeltons schon nicht den Schluss ziehen wollen, der Angeklagte habe zu diesem Zeitpunkt die Anschlagsplanung auf F3. freiwillig und endgültig fallengelassen. Zunächst ist durch den Zeitpunkt der Äußerung vor Zustandekommen des eigentlichen Telefonats unklar, wer Adressat der Erklärung gewesen sein soll und ob diese Person Kenntnis von der Anschlagsplanung auf den Islamkritiker hatte. Inhaltlich ist der behauptete Satz derart unkonkret und unspezifisch, dass ein Zusammenhang mit der Verfolgung und Observation des Islamkritikers eher fernliegend erscheint. Selbst wenn – hypothetisch unterstellt – der Angeklagte mit „es“ die Tötung des F3. gemeint haben sollte, wofür aus Sicht des Senates einzig der zeitliche Kontext sprechen könnte, ließe die behauptete Formulierung keinen Rückschluss auf die Umstände und Gründe des nicht durchgeführten Schusswaffenattentats zu. Die behauptete Äußerung stünde nicht in Widerspruch zu dem festgestellten Tatgeschehen, wonach der Angeklagte den Pkw des F3. bei der Verfolgung verlor (A. VII. 3) und es bereits deshalb am 14. März 2019 nicht zu einem Schusswaffenattentat auf den Islamkritiker kommen konnte.
640b. Da die behauptete Tatsache aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos ist, war die Einführung des Telefonats auch nicht durch die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO geboten.
Der Antrag auf Inaugenscheinnahme abgehörter Telefonate des Angeklagten E. vom 14. März 2019 mit den Produktnummern 4514, 4526, 4539 und 4572 war abzulehnen. Der Antrag wurde unter der Bedingung gestellt, dass der Senat nicht feststellt, der Angeklagte habe sich nach der Verfolgung des Islamkritikers und vor der Fahrt nach N1. nochmals in seiner Wohnung aufgehalten. Die Einführung der Telefonate sollte belegen, der Angeklagte habe jeweils zu seinen Gesprächspartnern gesagt, er sei nach Hause gegangen beziehungsweise er habe auf Nachfrage erklärt, zu Hause zu sein.
642a. Der Beweisantrag war abzulehnen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung sind. Aus dem Umstand, dass sich der Angeklagte E. vor der Fahrt nach N1. am 14. März 2019 in seiner Wohnung aufgehalten und somit theoretisch die Gelegenheit gehabt hätte, seine Pistole „Crvena Zastava“ dort zu deponieren, hätte der Senat nicht den Schluss gezogen, der Angeklagte E. sei während der Verfolgung des Islamkritikers tatsächlich mit dieser Pistole bewaffnet gewesen und habe die Möglichkeit besessen, F3. zu erschießen. Der Senat ist vielmehr insbesondere aufgrund des Inhalts abgehörter Telefonate davon überzeugt, dass der Angeklagte die für das Attentat vorgesehene großkalibrige Pistole „Norinco NP44“ mit Schalldämpfer erst noch erwerben wollte (vgl. B. IX. 3. b). Die theoretische Möglichkeit, die Waffe aus Tat 3 vor der Fahrt zu dem gesondert verfolgten Z1. an ihrem späteren Fundort in der Wohnung des Angeklagten E. zu deponieren, lässt seine Schilderung eines „Rücktritts“ lediglich nicht von vornherein denkgesetzlich ausgeschlossen erscheinen. Der Senat geht insoweit aber von einer Schutzbehauptung aus (vgl. B. IX. 3. c).
643b. Die gerichtliche Aufklärungspflicht entfällt aufgrund des gesetzlichen Ablehnungsgrundes.
Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Aufnahmedatum des Fotos „von der Waffe mit Schalldämpfer“ war nicht zu bescheiden, da die zusätzliche Bedingung, dass die Fotoaufnahme nicht am 14. März 2019 gefertigt wurde, nicht vorliegt.
645Dass die Lichtbilder des Waffenkoffers mit Schalldämpfer und das „Selfie“ des Z1. mit der Pistole „Norinco NP44“ jeweils am 14. März 2019 aufgenommen wurden, ist bereits durch die Auswertung der Metadaten zu diesen Fotos in dem Vermerk der Ermittlungskommission (RBe R6.) vom 13. November 2020 belegt. Der gesondert verfolgte Z1. hat in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung bestätigt, die Lichtbilder mit seiner Handykamera an diesem Tag aufgenommen zu haben, wie der Zeuge RiLG X. glaubhaft bekundet hat (vgl. B. IX. 4. a. bb).
a. Der Antrag auf Anfrage bei „Ermittlungsbehörde beziehungsweise Staatsschutz“ zu einem Telefonat des gesondert verfolgten Z1. am 14. März 2019 zwischen 21 und 23 Uhr war abzulehnen.
647Der unter der Bedingung, dass der Senat nicht von einem „Rücktritt“ des Angeklagten E. ausgeht, gestellte Antrag sollte belegen, Z1. habe am Abend des 14. März 2019 telefonisch mit einer unbekannten Person über die Weiterveräußerung der Waffe „Norinco NP44“ verhandelt und die Waffe dann mündlich verkauft.
648aa. Es handelt sich nicht um einen Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO, sondern um einen Beweisermittlungsantrag, der auf Nachforschungen zu einem erst noch aufzufindenden Beweismittel gerichtet ist (vgl. Schmitt, a.a.O., Rn. 25). Mangels Behauptungen zu dem genauen Gesprächsinhalt des Telefonats fehlt es neben einem konkret bezeichneten Beweismittel auch an der erforderlichen Beweistatsache. Die beantragte Anfrage soll erst dazu dienen, das fragliche Telefonat ausfindig zu machen sowie den Gesprächspartner und -inhalt zu ermitteln.
649bb. Die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO gebietet keine Nachforschungen nach einem angeblichen Telefonat des gesondert verfolgten Z1. mit einem unbekannten Dritten über den Verkauf der Pistole. Entgegen der Mutmaßung der Verteidigung kann ein solches Gespräch des gesondert verfolgten Z1. mit einem unbekannten Dritten nicht aufgezeichnet worden sein. Der Ermittlungsführer EKHK M3. hat hinsichtlich des Gangs des Ermittlungsverfahrens geschildert, dass im Vorfeld der Festnahmen des E. und Z1. am 15. März 2019 lediglich die Anschlüsse des Angeklagten E. überwacht wurden. Der gesondert verfolgte Z1. war zu diesem Zeitpunkt noch nicht identifiziert. Daher beschränken sich die den Ermittlungsbehörden bekannten Telefonate des Z1. am 14. März 2019 auf dessen Gespräche mit dem Angeklagten E., bei dem die TKÜ-Maßnahme lief. Weitere Telefonate des gesondert verfolgten Z1. mit Dritten im Vorfeld seiner Festnahme am 15. März 2019 sind den Ermittlungsbehörden oder dem Staatsschutz nicht bekannt.
650b. Der weitergehende Antrag auf Beiziehung und Inaugenscheinnahme der Audiodatei des fraglichen Telefonats war ebenfalls abzulehnen. Mangels Existenz einer TKÜ-Datei zu dem behaupteten Telefonat ist deren Beiziehung und Inaugenscheinnahme unmöglich und kann folglich durch die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO nicht geboten sein.
Die durch Rechtsanwalt J1. in seinem Schlussvortrag am 25. Mai 2022 gestellten Hilfsbeweisanträge für den Fall der Verurteilung des Angeklagten F. waren abzulehnen.
Der Antrag auf Vernehmung der Zeugin T6. war abzulehnen. Die Vernehmung der Journalistin sollte belegen, dass diese irrtümlich von einer Personenidentität zwischen U2. und dem hinter dem Terroranschlag in Stockholm stehenden „Abu Fatima“ ausgegangen sei und den Irrtum mittlerweile erkannt habe.
653a. Die Vernehmung der Zeugin T6., deren Ladung in Israel zu bewirken wäre, ist nach pflichtgemäßer Beurteilung des Senats zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO).
654Ob die Ladung und Vernehmung eines Auslandszeugen geboten ist, richtet sich nach der Aufklärungspflicht im Sinne des § 244 Abs. 2 StPO. Bei deren Prüfung hat der Tatrichter namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen. In diesem Rahmen ist er von dem sonst geltenden Verbot der Beweisantizipation befreit. Daher darf er prognostisch berücksichtigen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu würdigen wären. Kommt er dabei unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse mit rechtsfehlerfreier Begründung zu dem Ergebnis, dass der Zeuge die Beweisbehauptung nicht werde bestätigen können und dass ein Einfluss der Aussage auf seine – des Tatrichters – Überzeugungsbildung auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist die Ablehnung des Beweisantrags in aller Regel nicht zu beanstanden (st. Rspr.; s. nur BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 374/06, juris m. w. Nachw.).
655Dies zugrunde gelegt sah sich der Senat durch die Aufklärungsplicht nach § 244 Abs. 2 StPO nicht gedrängt, T6. als Zeugin zu laden und zu vernehmen. Der Senat schließt aus, dass die Zeugin die behaupteten Umstände in der Hauptverhandlung bestätigt hätte. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte es keinen Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Senats. Der Senat hätte den Angaben der Zeugin unter Berücksichtigung der insoweit besonders gut gesicherten Beweislage keinen Glauben geschenkt. Es ist nicht nachvollziehbar und wird durch die Verteidigung des Angeklagte F. nicht dargelegt, inwiefern sich die renommierte Journalistin, die nach den glaubhaften Angaben des Zeugen KK B4. mehrere hundert Artikel über U2. und andere IS-Mitglieder aus dem russischsprachigen Raum auf der Internetseite www.chechensinsyria.com unter Nennung ihrer Quellen und unterlegt mit Fotos veröffentlicht hat, „geirrt“ haben könnte.
656Von der Personenidentität zwischen dem Telegram-Kontakt des gesondert verfolgten Z1. namens „Abu Fatima“ (Nutzer-Name @Shaa_fa) und U2. hat sich der Senat aufgrund des Lichtbildvergleichsgutachtens des Sachverständigen C4., der durch den Sachverständigen Dr. V3. dargelegten Rolle und Funktion des U2. beim IS sowie eigener Recherchen des Zeugen KK B4. sicher überzeugt (B. VI. 8. a. aa). Die Feststellungen zu der Personenidentität zwischen dem in den terroristischen Anschlag in Stockholm involvierten „Abu Fatima“/„Abu Fotima“ und U2. beruhen auf Dokumenten aus dem schwedischen Ermittlungs- und Strafverfahren, einem weiteren Lichtbildvergleichsgutachten des Sachverständigen C4., Erkenntnissen zu der durch „Abu Fotima“ verwendeten Telefonnummer und Ausführungen des Sachverständigen Dr. V3. (B. VI. 8. a. bb. (2)).
657Auf den Inhalten der durch die Zeugin T6. verfassten Internetartikel basieren die durch den Senat getroffenen Feststellungen hingegen weder unmittelbar noch mittelbar. Der Zeuge KK B4. hat bekundet, im Rahmen von Internetrecherchen auf die Veröffentlichungen der Zeugin gestoßen zu sein, darunter ein Artikel, in dem sie von einer Personenidentität des U2. und „Abu Fatima“/„Abu Fotima“ ausgegangen sei. Nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen KK B4. war dieser Artikel aber lediglich Ausgangspunkt für weitergehende eigene Recherchen zu „Abu Fatima“. Selbst wenn in dem Artikel der Zeugin T6. also versehentlich Fehler oder Ungenauigkeiten enthalten gewesen wären, wofür aber schon keine Anhaltpunkte ersichtlich sind, blieben die weiteren Rechercheergebnisse des Zeugen KK B4. hiervon unberührt.
658b. Die gerichtliche Aufklärungspflicht entfällt aufgrund des gesetzlichen Ablehnungsgrundes.
Der Antrag auf Verlesung der durch den Zeugen RiLG X. gefertigten Vermerke zu den Angaben des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung war abzulehnen. Die Verlesung der Vermerke sollte belegen, der gesondert verfolgte Z1. habe bei seiner damaligen Aussage weder bekundet, der Angeklagte F. sei die in dem Zello-Gruppenchat [gemeint ist der Zello-Gruppenchat am 2. März 2019] von den Ermittlungsbehörden [gemeint ist der Sprachsachverständigen A4. in dem von ihm erstellten Wortprotokoll] als P2 bezeichnete Person, noch ein anderer Teilnehmer dieses Chats (vgl. A. IV. 9. a. und B. VI. 9. a. aa).
660a. Es handelt sich nicht um einen Beweisantrag, sondern um einen an der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO zu messenden Beweisermittlungsantrag.
661Ein Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO erfordert die Behauptung einer bestimmten Beweistatsache. Dies setzt voraus, dass der tatsächliche Vorgang oder der Zustand bezeichnet wird, der mit dem benannten Beweismittel unmittelbar belegt werden kann.
662Danach liegt hier kein Beweisantrag vor: Der Antrag enthält nicht die Behauptung, der gesondert verfolgte Z1. habe die Zuordnung des Sprechers P 2 sowie der übrigen Sprecher des Chats in einer bestimmten Weise vorgenommen. Das Vorbringen zu dem zu beweisenden Umstand erschöpft sich vielmehr in Negativtatsachen („weder bekundet hat, […] noch, dass […] “), denen keine konkrete Positivbehauptung gegenübersteht (vgl. Schmitt, a.a.O., § 244 Rn. 20a). Der Antrag lässt nicht nur offen, welche andere Person der gesondert verfolgte Z1. als Sprecher P 2 benannt haben soll, sondern bereits, ob er überhaupt eine Sprecheridentifizierung von P 2 oder anderer Teilnehmer des Zello-Gruppenchats am 2. März 2019 vorgenommen hat.
663b. Der Antrag war bereits deshalb abzulehnen, weil die begehrte Beweiserhebung aufgrund eines Beweismittelverbots unzulässig ist im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO.
664Ein Beweismittelverbot besteht unter anderem bei einem Verstoß gegen den in § 250 StPO normierten Unmittelbarkeitsgrundsatz (vgl. Schmitt, a.a.O., Rn. 49a). So liegt der Fall hier:
665Die Verlesung der durch den Zeugen RiLG X. gefertigten Vermerke über die Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung liefe auf eine nach § 250 Satz 2 StPO unzulässige Ersetzung der Vernehmung des gesondert verfolgten Z1. in der hiesigen Hauptverhandlung hinaus. Macht ein Zeuge unter Berufung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO keine Angaben, so stellt jede Verlesung einer Niederschrift über eine frühere Vernehmung eine Ersetzung seiner nicht erfolgten Vernehmung in der Hauptverhandlung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1995 – 4 StR 488/95 mwN; BGH, Urteil vom 27. April 2007 – 2 StR 490/06; MüKoStPO/Kreicker, StPO, § 250 Rn. 27-29; KK-StPO/Diemer, StPO, 8. Aufl., § 251 Rn. 7). Bei den Vermerken des Zeugen RiLG X. handelt es sich um Protokolle über eine frühere Vernehmung im Sinne von § 250 Satz 2 StPO, § 251 Abs. 1 StPO. Dass die Vermerke keine förmlichen Vernehmungsniederschriften darstellen, steht dem nicht entgegen. Der Zeuge hat den Gang der Einlassung und Vernehmung des Z1. zur Sache in den Vermerken wortgetreu und in direkter Rede dokumentiert (vgl. B. V. 2). Wer das Protokoll aufgenommen hat, ist gleichgültig, ebenso, wann und in welchem Verfahren es entstanden ist (Schmitt, a.a.O., § 250 Rn. 7, vgl. auch § 251 Rn. 6). Damit kommt auch eine Verlesung der Vermerke nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO nicht in Betracht.
666Die Voraussetzungen für eine Ersetzung der Vernehmung des gesondert verfolgten Z1. nach § 251 Abs. 1 StPO liegen nicht vor. Dass sich ein Zeuge auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen hat, führt nicht dazu, dass er im Sinne des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO in absehbarer Zeit nicht vernommen werden kann (BGH, Urteil vom 27. April 2007 – 2 StR 490/06, juris, Rn. 10 ff.). Es haben auch nicht alle in § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO bezeichneten Verfahrensbeteiligten einer Verlesung der Niederschriften zugestimmt.
667c. Die Verlesung wäre durch die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO nicht geboten.
668Die Vermerke, deren Verlesung beantragt wird, dokumentieren nahezu die gesamte Einlassung des gesondert verfolgten Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung und betreffen somit bereits ganz überwiegend nicht den Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 und die dortige Sprecherzuordnung.
669Soweit einzelne Vermerke den Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 und die Sprecherzuordnung thematisieren, war ihre Verlesung nach § 244 Abs. 2 StPO ebenfalls nicht erforderlich.
670Der Senat hat den Zeugen RiLG X. auch zu den Angaben des Z1. hinsichtlich des Zello-Gruppenchats vom 2. März 2019 vernommen. Dem Zeugen RiLG X. sind auch insoweit die Inhalte der von ihm gefertigten Vermerke vorgehalten worden. Der Zeuge hat diese jeweils inhaltlich als zutreffend bestätigt und hierzu ergänzende Angaben gemacht. Die Verteidigung des Angeklagten F. hatte Gelegenheit, den Zeugen RiLG X. zu der Entstehungsgeschichte seiner Vermerke und deren Inhalten sowie zu dem Gang der Vernehmung des gesondert verfolgten Z1. zu befragen, wovon sie auch Gebrauch gemacht hat.
671Dass der Angeklagte F. die im Wortprotokoll dem Sprecher P 2 zugeschriebenen Inhalte im Gruppenchat am 2. März 2019 äußerte, hat der gesondert verfolgte Z1. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung nach den Angaben des Zeugen RiLG X. zufolge bekundet. Danach befand sich der Angeklagte F. zu dem Zeitpunkt des Gruppenchats am 2. März 2019 als Besucher in der Wohnung des Z1. und nutzte gemeinsam mit Z1. dessen Zello-Account. Diese Angaben des Zeugen RiLG X. stehen – entgegen dem Vorbringen der Verteidigung des Angeklagten F. – in Einklang mit den durch ihn gefertigten Vermerken zu der Einlassung des gesondert verfolgten Z1. So heißt es in dem Vermerk vom 15. Januar 2021 zu den Angaben des Z1. am 6. Hauptverhandlungstag (2. November 2020) betreffend den Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 unter anderem: „[…] Am 2. März war ich mit F. zusammen. Der ist zu mir gekommen, da waren wir essen. Wir sind in sein Auto gestiegen. Jemand hat ihn angerufen und gesagt, wir sollten in Zello rein. Es wäre wichtig. Wir sind mit einem Handy, entweder seinem oder meinem, in die Gruppe rein […]“. In einem weiteren Vermerk vom 15. Januar 2021 zu den Angaben des Z1. am 11. Hauptverhandlungstag (23. November 2020), an dem die zusammenfassenden Übersetzungen des Zello-Gruppenchats erörtert wurden, steht unter anderem: „[…] Am 2. März haben wir mit meinem Handy gesprochen. F.s Handy war aus. Ganz oben, das ist F. mit dem Strich[…] Komil, das ist ein Spitzname von ihm […]“. In einem weiteren Vermerk vom 15. Januar 2021 zu den Angaben des Z1. am 17. Hauptverhandlungstag (15. Dezember 2020), an dem die Sprecherzuordnung in dem zwischenzeitlich erstellten Wortprotokoll zu dem Zello-Gruppenchat vom 2. März 2019 mit Z1. besprochen wurde, befindet sich als Vorhalt des Vorsitzenden: „[…] Es ist ja so, dass wir in der Tabelle [gemeint ist das Wortprotokoll] Teile haben, die wir zuordnen können, z.B. „Usto1984“. Dann P 1 und P 2, da hat Z1. ja erklärt, dass er P 1 ist und gelegentlich F. als P 2“.
672Welche zusätzlichen Erkenntnisse aus der Verlesung der vorgenannten Vermerke gewonnen werden können, wird weder von der Verteidigung des Angeklagten F. dargetan noch ist dies sonst ersichtlich. Entgegen der Behauptung der Verteidigung des Angeklagten F., die offensichtlich nur auf den Vermerk zu den Angaben des gesondert verfolgten Z1. am 17. Hauptverhandlungstag (15. Dezember 2020) abstellt, enthalten die Vermerke des Zeugen RiLG X. zu den Angaben des Z1. betreffend die Beteiligung des Angeklagten F. in dem Chat vom 2. März 2019 nicht lediglich einen Vorhalt des Vorsitzenden, sondern auch die ausdrückliche Erklärung des Z1., der Angeklagte F. sei Teilnehmer des Chats gewesen. Ein Zusammenhang zu einem durch die Verteidigung behaupteten, angeblich unrichtigen Vorhalt des Vorsitzenden an den Zeugen KOK J3. ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass dem Zeugen RiLG X. unrichtige Vorhalte durch den Vorsitzenden aus den Vermerken gemacht worden seien, trägt die Verteidigung des Angeklagten F. jedenfalls nicht vor.
Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der „Paintball-Kampftaktik“ der Zellenmitglieder war abzulehnen. Das Sachverständigengutachten sollte belegen, die Taktik, zwei Mann gehen vor, einer gibt Deckung, wobei der Markierer eine „Kalaschnikow“ simuliert, führe zu einer Verschlechterung der militärischen Leistungsfähigkeit der Handelnden in Form eines „übermütigen, inadäquaten Verhaltens“.
674a. Es handelt sich, auch eingedenk der insoweit herabgesetzten Anforderungen beim Sachverständigenbeweis, mangels Behauptung einer konkreten Beweistatsache nicht um einen Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO. Ob das Paintball-Training der Zellenmitglieder – wie unter Beweis gestellt – zu einer Verschlechterung ihrer „militärischen Leistungsfähigkeit“ führt, stellt eine bloße Wertung ohne konkrete Mitteilung der zugrunde liegenden Tatsachen dar, durch die sich die angebliche „Verschlechterung der militärischen Leistungsfähigkeit“ gezeigt haben soll. Was genau unter dem schlagwortartig behaupteten „übermütigen, inadäquaten Verhalten“ zu verstehen sein soll, hat die Verteidigung des Angeklagten F. nicht näher erläutert.
675b. Selbst wenn es sich um einen Beweisantrag handelte, wäre dieser nach § 244 Abs. 3 Satz 3 StPO abzulehnen.
676Das beantragte Sachverständigengutachten stellt ein völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 StPO dar, da die erforderlichen Anknüpfungstatsachen nicht bekannt und auch nicht ermittelbar sind. Der genaue Ablauf des Paintball-Trainings der Zelle konnte durch den Senat nicht festgestellt werden und ist auch nicht weiter rekonstruierbar. Die Angeklagten haben hierzu keine Angaben gemacht. Videos oder Fotos, die den Ablauf des Trainings zeigen, existieren nicht. Der Zeuge S4. hat sich, befragt zu dem Ablauf der Paintball-Veranstaltung am 13. Januar 2019, auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Der gesondert verfolgte Z1. hat sich ebenfalls auf sein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen. In der gegen ihn geführten Hauptverhandlung hat er nach der Schilderung des Zeugen RiLG X. auf Nachfrage des Vorsitzenden zu dem Ablauf des Paintball-Trainings in nur einem Satz eine mögliche Aufstellung aus dem Paintball-Training der Zelle beispielhaft skizziert. Der Senat schließt aus, dass ein Sachverständiger allein auf der Grundlage dieser sehr rudimentären Äußerung des Z1. die Gefährlichkeit des Paintball-Trainings der Zelle insgesamt oder auch nur Teile hiervon bewerten kann. Dies gilt auch im Hinblick auf das militärische Leistungsniveau der einzelnen Angeklagten zur Tatzeit, dessen Verschlechterung durch ein Sachverständigengutachten festgestellt werden soll.
677c. Die gerichtliche Aufklärungspflicht entfällt aufgrund der gesetzlichen Ablehnungsgründe. Mangels zureichender Anknüpfungstatsachen schließt der Senat bereits aus, dass das Sachverständigengutachten der Aufklärung im Sinne von § 244 Abs. 2 StPO dienen kann.
Der Angeklagte B. hat sich durch Tat 1 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Bei dem IS handelt es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Sinne des § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB. Die Gruppierung ist ein auf längere Dauer angelegter, organisierter Zusammenschluss gemäß § 129 Abs. 2 StGB.
680Der Schwerpunkt der Organisationsstrukturen befand sich im Tatzeitraum im Irak und Syrien, mithin im außereuropäischen Ausland. Die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung waren unter anderem darauf gerichtet, Mord und Totschlag zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und 2, § 129b Abs. 1 S. 1 StGB). Die in den Feststellungen unter A. II beschriebenen Tötungsdelikte waren strafbar, also weder gerechtfertigt noch entschuldigt. Darüber hinaus beging der IS Völkermord gemäß § 6 VStGB an Jesiden, Schiiten und Alawiten sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß § 7 VStGB durch die Tötung von Zivilisten und Geiselnahmen gemäß § 239b StGB. Wer sich den Ansprüchen der Vereinigung entgegensetzt, wird von ihr als „Feind des Islams“ begriffen; die Tötung solcher Feinde oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte hält die Organisation für ein legitimes Mittel des Kampfes (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2021 – AK 37/21, juris, Rn. 8).
Der Angeklagte B. fügte sich spätestens durch seine Teilnahme an einer ideologischen Schulung des führenden IS-Mitglieds X1. Y1. im Januar 2019 in das Verbandsleben der terroristischen Vereinigung IS ein (vgl. BGHSt 54, 69 zur mitgliedschaftlichen Beteiligung). Er war spätestens ab diesem Zeitpunkt entschlossen, dem IS als Mitglied dauerhaft zu dienen und seine Ziele zu fördern. Diesen Entschluss setzte er mit Billigung und teilweise unter Anleitung der IS-Führungsperson Y1. und weiterer IS-Mitglieder in der Folgezeit in vielfältiger Weise um.
682Der IS war – handelnd durch sein Führungsmitglied Y1. und weitere seiner Mitglieder – damit einverstanden, dass der Angeklagte B. zum Kreis seiner Mitglieder zählte und in dieser Eigenschaft für die Organisation tätig wurde. Dieses Einvernehmen zeigt der Zello-Gruppenchat des Y1. unter Beteiligung des Angeklagten, in dem sich dieser die radikalislamische Glaubensauslegung sowie die jihadistischen Ziele des IS vermitteln ließ. Zeitlich parallel hierzu wies das führende IS-Mitglied U2. den Angeklagten B. sowie ein weiteres Zellenmitglied im Zusammenwirken mit dem IS-Finanzagenten T4. erfolgreich dazu an, Spenden für den IS zu sammeln und an ihn nach Syrien zu transferieren. Überdies beauftragte T4. den Angeklagten B. und den gesondert verfolgten Z1. mit dem Mord in Albanien zur Finanzierung des IS. U2. und Y1. besaßen als Führungsmitglieder des IS mit der Aufgabe der Anleitung ausländischer Kämpfer des IS die Befugnis zur Aufnahme Jihadwilliger außerhalb des Kerngebiets der Vereinigung.
683Dass sich der Angeklagte B. und die übrigen Zellenmitglieder im Tatzeitraum ausschließlich in Europa aufhielten und keine Handlungen im Kerngebiet der Vereinigung entfalteten, steht ihrer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen. Ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der Kernorganisation aufhält (BGH, a.a.O.). Vorliegend hat der Senat nach besonderer Prüfung die mitgliedschaftliche Beteiligung des Angeklagten B. bejaht: Er stand in direktem Kontakt mit einem hochrangigen Mitglied des IS in einem von der Vereinigung kontrollierten Gebiet in Afghanistan. Außerdem besaß er durch den gesondert verfolgten Z1. mittelbar Kontakt zu einem weiteren Führungsmitglied der Vereinigung in ihrem Kerngebiet in Syrien. Der Angeklagte ließ sich von Y1. und U2. anleiten und setzte ihre Befehle um. Dem IS diente die Zelle als „verlängerter Arm“ in Deutschland, um mit ihrer Hilfe Aufträge zur Erreichung ihrer Ziele auch außerhalb des eigentlichen Herrschaftsgebietes anzubringen und die finanziellen Grundlagen der Gesamtorganisation zu sichern. Hierdurch war der Angeklagte in die Gesamtorganisation des IS eingegliedert und hat diese nicht lediglich „von außen“ gefördert.
684Dass der Angeklagte B. die Kontakte zu U2. und im April 2019 auch zu Y1. unfreiwillig verlor, änderte nichts an der fortdauernden Mitgliedschaft des Angeklagten über diesen Zeitpunkt hinaus. Seine im Interesse der Vereinigung liegenden Tätigkeiten zur „Aktivierung“ der Zelle mittels Unterstützung inhaftierter und abgeschobener Zellenmitglieder sowie zur Stärkung der Gesamtorganisation durch die finanzielle Hilfe für Angehörige getöteter und gefangener IS-Kämpfer zeigen die über April 2019 fortdauernde Bereitschaft des Angeklagten B., dem IS als Mitglied zu dienen und seine Ziele zu fördern. Anhaltspunkte, dass der IS die für die Vereinigung förderliche Konsolidierung der Zelle und finanzielle Stärkung seiner Anhänger in den nordsyrischen Flüchtlingslagern durch den Angeklagten B. nicht gebilligt und kein Einvernehmen mit dessen fortdauernden Mitgliedschaft bestanden hätte, liegen nicht vor.
Der Angeklagte B. hat sich durch folgende Beteiligungshandlungen, die nicht gesondert strafbar sind, sondern allein den Tatbestand der §§ 129a, 129b StGB erfüllen, mitgliedschaftlich an der terroristischen Vereinigung IS beteiligt:
686 Teilnahme an ideologischen Schulungen des X1. Y1. im Rahmen eines Zello-Gruppenchats (A. IV. 6),
687 Vorbereitung eines Auftragsmordes in Albanien zur Finanzierung des IS (A. IV. 8),
688 Organisation von Unterstützung für inhaftierte beziehungsweise abgeschobene Zellenmitglieder (A. IV. 11),
689 finanzielle Unterstützung von Angehörigen inhaftierter oder getöteter IS-Kämpfer in nordsyrischen Lagern (A. IV. 12).
690Mit seiner Teilnahme an ideologischen Schulungen hat der Angeklagte B. die Schlagkraft der Zelle und somit mittelbar auch der Gesamtorganisation erhöht. Der geplante Auftragsmord wies ebenfalls den für eine mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung erforderlichen Organisationsbezug auf, denn die Hälfte der ausgelobten 40.000 US-Dollar sollte der Vereinigung in ihrem Kerngebiet in Syrien zugute kommen. Durch die Unterstützung inhaftierter beziehungsweise abgeschobener Zellenmitglieder hat der Angeklagte ihre Anbindung an die Gruppe gestärkt, um hierdurch die Schlagkraft der Zelle wiederherzustellen. Schließlich wies auch die Unterstützung der Angehörigen inhaftierter oder gefallener IS-Kämpfer durch den Angeklagten den erforderlichen Organisationsbezug auf. Zum einen konnte der IS durch diese Hilfe für seine Anhänger in den nordsyrischen Gefangenlagern den Fortbestand eigener staatsähnlicher Strukturen reklamieren. Zum anderen wurde die Kampfmoral verbliebener IS-Kämpfer gestärkt.
Der Angeklagte B. hat auch den subjektiven Tatbestand verwirklicht. Ihm kam es gerade darauf an, durch die festgestellten Beteiligungshandlungen die Ziele des IS zu fördern.
Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts folgt bereits daraus, dass es sich um Inlandstaten handelt. Der Angeklagte B. hat im Zusammenhang mit der Planung des Auftragsmordes in Albanien zwar auch Handlungen in Albanien entfaltet. Tätigkeitsorte im Ausland stehen im Falle mehraktiger Delikte der Annahme einer Inlandstat aber nicht entgegen (Fischer, a.a.O., § 9 Rn. 3).
693Das Bundesministerium der Justiz hat am 13. Oktober 2015 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung auch von künftigen Straftaten im Zusammenhang mit dem IS gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erteilt.
Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe liegen nicht vor. Die Fähigkeit des Angeklagten B., das Unrecht seiner Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, war weder aufgehoben noch erheblich vermindert.
695Der Sachverständige Prof. Dr. O3. ist mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Angeklagten B. im Tatzeitraum von Januar 2019 bis April 2020 – entgegen der Behauptung der Verteidigung – keine strafrechtlich relevante Persönlichkeitsstörung durch eine schwere posttraumatische Belastungsstörung und/oder eine anhaltende schwere depressive Verstimmung vorgelegen hat und es bereits an einem der vier Eingangsmerkmale des § 20 StGB fehlte. Der Senat hat sich nach eigener kritischer Prüfung von der Richtigkeit der sachverständigen Beurteilung zu der Frage der Schuldfähigkeit überzeugt (vgl. B. II. 1. b).
Durch seine Beteiligung an der Geldsammlung und den Transfer des Geldes an den IS hat sich der Angeklagte B. gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Ihm kam es gerade darauf an, die Vereinigung durch die Spendensammlung im Auftrag eines ihrer Führungsmitglieder und die anschließende Überweisung der Gesamtsumme unmittelbar zu fördern.
Indem der Angeklagte B. den gesammelten Geldbetrag im Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Z1. und T4. nach Syrien an den IS transferierte, hat er sich auch wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013 strafbar gemacht.
698Ein die terroristische Vereinigung IS umfassendes Bereitstellungsverbot im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG ergibt sich aus Art. 2 Absatz 2 der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 (ABL. L 139 vom 29. Mai 2002, Seiten 9-22) in Verbindung mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013 (ABL. L 179 vom 29. Juni 2013, Seiten 85 und 86). Durch Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 wurde Anhang 1 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 beginnend ab dem 30. Juni 2013 dahin geändert, dass der „Islamische Staat im Irak und Großsyrien“ vom Bereitstellungsverbot erfasst wird.
699Der Angeklagte B. stellte der Vereinigung den Geldbetrag von 550 Euro auch im Sinne der vorgenannten Verordnung zur Verfügung.
700Bei U2. handelte es sich um ein hochrangiges IS-Mitglied, das von der Organisation für das Einwerben und den Empfang finanzieller Zuwendungen legitimiert war, so dass eine Zuwendung des Geldes an ihn einen Verstoß gegen das die Organisation betreffende Bereitstellungsverbot darstellte. Soweit das Geld in die Führungsebene der gelisteten Organisation gelangt, sind regelmäßig keine näheren Feststellungen zur konkreten Zweckbestimmung des übermittelten Vermögensgegenstands erforderlich.
701Der Tatbestandsverwirklichung steht nicht entgegen, dass der Angeklagte B. selbst Mitglied des IS war und als solches das Geld an „seine“ Organisation transferierte. Die dem IS übermittelten 550 Euro stammten entweder von außenstehenden IS-Sympathisanten oder aus dem Privatvermögen von Zellenmitgliedern, so dass nicht lediglich eine vereinigungsinterne Umschichtung innerhalb der Organisation vorlag, sondern der Vereinigung Vermögenswerte erstmalig zur Verfügung gestellt wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2021 – 3 StR 173/21).
702Der Angeklagte B. hat auch den subjektiven Tatbestand der Strafnorm verwirklicht. Ihm kam es gerade darauf an, dem IS durch seine Beteiligung an dem Transfer der 550 Euro finanzielle Mittel in dieser Höhe zur Verfügung zu stellen. Der gesondert verfolgte Z1. hatte ihn über die Hintergründe des Geldtransfers und den Empfänger U2 informiert. Die Sanktionierung des IS durch die Europäische Union war ihm ebenfalls bekannt.
Die unter A. IV. 6, 8, 11 und 12 (Tat 1) aufgeführten Beteiligungsakte des Angeklagten B. bilden eine tatbestandliche Handlungseinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB (vgl. BGHSt 60, 308).
704Neben den Beteiligungshandlungen, die bereits keinen weiteren Straftatbestand erfüllen, gilt dies auch für die Vorbereitung des abgebrochenen Auftragsmordes in Albanien. Von der Verabredung zum Mord gemäß § 30 Abs. 2 StGB zum Nachteil des albanischen Geschäftsmannes ist der Angeklagte B. nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbefreiend zurückgetreten, indem er das Vorhaben endgültig und freiwillig aufgegeben hat. Obgleich der Angeklagte mithin den objektiven und subjektiven Tatbestand einer weiteren Strafvorschrift erfüllt hat, fehlt es im Ergebnis an einem gesondert strafbaren Beteiligungsakt, den er als Mitglied einer terroristischen Vereinigung in Verfolgung ihrer Ziele begangen hat.
705Die unter A. V (Tat 2) festgestellte mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung, die eine weitere Strafvorschrift erfüllt und nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG gesondert strafbar ist, steht hierzu in Tateinheit (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – 3 StR 156/20, juris, Rn. 25) und zu den weiteren mitgliedschaftlichen Beteiligungsakten (Tat 1) in Tatmehrheit (vgl. BGH, a.a.O.).
Der Angeklagte C. hat sich wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
707Er fügte sich spätestens am 12. Januar 2019 durch seine Teilnahme an der ideologischen Schulung des führenden IS-Mitglieds X1. Y1. in das Verbandsleben der ausländischen terroristischen Vereinigung IS ein (vgl. zum IS als ausländische terroristische Vereinigung unter C. I. 1. a. aa). Seinen Entschluss, dem IS als Mitglied dauerhaft zu dienen und seine Ziele zu fördern, setzte der Angeklagte mit Billigung und teilweise unter Anleitung des führenden IS-Mitglieds Y1. in der Folgezeit um. Handelnd durch das Führungsmitglied Y1. war der IS damit einverstanden, dass der Angeklagte C. zum Kreis seiner Mitglieder zählte und in dieser Eigenschaft für die Organisation tätig wurde. Dieses Einvernehmen zeigt der Zello-Gruppenchat des Y1. unter Beteiligung des Angeklagten C., in denen das führende IS-Mitglied den teilnehmenden Zellenmitgliedern die radikalislamische Glaubensauslegung und die jihadistischen Ziele der terroristischen Vereinigung IS vermittelte. Im Rahmen des Zello-Gruppenchats tauschte sich der Angeklagte C. Anfang März 2019 mit Y1. und den übrigen Zellenmitgliedern über die konkrete Umsetzung des bewaffneten Jihads für die Ziele des IS aus.
708Bei dem Angeklagten C. hat der Senat ebenfalls nach besonderer Prüfung dessen mitgliedschaftliche Beteiligung bejaht, obwohl er keine Handlungen im Kerngebiet der Vereinigung entfaltet hat. Der Angeklagte unterhielt direkten Kontakt zu einem führenden IS-Mitglied aus einem durch die Vereinigung kontrollierten Gebiet der IS-Provinz Khorasan. Als Mitglied der Zelle ließ er sich durch X1. Y1. anleiten, wodurch die Vereinigung auch außerhalb ihres eigentlichen Herrschaftsgebietes agieren konnte.
709Der Angeklagte C. hat sich durch folgende Beteiligungshandlungen, die nicht gesondert strafbar sind, sondern allein den Tatbestand der §§ 129a, 129b StGB erfüllen, mitgliedschaftlich an der terroristischen Vereinigung IS beteiligt:
710 Teilnahme an ideologischen Schulungen des X1. Y1. im Rahmen eines Zello-Gruppenchats (A. IV. 6),
711 Teilnahme an simulierten Kampfübungen der Zelle beim Paintball (A. IV. 7),
712 Teilnahme an der Abstimmung betreffend die Vorbereitung jihadistischer Anschläge (A. IV. 9).
713Mit seiner Teilnahme an ideologischen Schulungen, simulierten Kampfübungen sowie der Abstimmung betreffend die Vorbereitung jihadistischer Anschläge hat der Angeklagte C. die Schlagkraft der Zelle und somit mittelbar auch der Gesamtorganisation erhöht.
714Der Angeklagte C. hat auch den subjektiven Tatbestand verwirklicht. Ihm kam es gerade darauf an, durch die festgestellten Beteiligungshandlungen die Ziele des IS zu fördern. Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe liegen in seiner Person nicht vor.
715Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Eine Verfolgungsermächtigung liegt vor (vgl. C. I. 1. a. ee).
716Die unter A. IV. 6, 7 und 9 (Tat 1) aufgeführten Beteiligungsakte des Angeklagten C. bilden eine tatbestandliche Handlungseinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB.
Der Angeklagte A. hat sich wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
718Der Angeklagte A. gliederte sich spätestens am 3. Januar 2018 durch den Betrieb der Telegram-Gruppenchats im Auftrag des führenden IS-Mitglieds X1. Y1. in das Verbandsleben der ausländischen terroristischen Vereinigung IS ein (vgl. zu dem IS als ausländische terroristische Vereinigung unter C. I. 1. a. aa). Er war spätestens ab diesem Zeitpunkt entschlossen, dem IS als Mitglied dauerhaft zu dienen und seine Ziele zu fördern. Diesen Entschluss setzte der Angeklagte mit Billigung und teilweise unter Anleitung der IS-Führungspersonen Y1. und R2. in der Folgezeit in vielfältiger Weise um.
719Der IS war – handelnd durch seine Führungsmitglieder Y1. und R2. – damit einverstanden, dass der Angeklagte A. zum Kreis seiner Mitglieder zählte und in dieser Eigenschaft für die Organisation tätig wurde. Dieses Einvernehmen zeigen die vielfältigen Tätigkeiten, die der Angeklagte im Auftrag Y1.s und R2.s im Online-Propagandanetzwerk der IS-Provinz Khorasan entfaltete. Überdies stellte er durch die Einrichtung des Zello-Gruppenchats die Verbindung der Zelle zu Y1. her. Ab Januar 2019 nahm der Angeklagte A. gemeinsam mit weiteren Zellenmitgliedern an ideologischen Schulungen des IS-Führungsmitglieds X1. Y1. im Rahmen eines Zello-Gruppenchats teil und ließ sich die radikalislamische Glaubensauslegung sowie die jihadistischen Ziele des IS vermitteln. Im Rahmen dieses Chats tauschte sich der Angeklagte Anfang März 2019 mit Y1. und den übrigen Zellenmitgliedern über die Umsetzung des bewaffneten Jihads für die Ziele des IS aus.
720Y1. und R2. besaßen als Führungsmitglieder die Befugnis zur Aufnahme Jihadwilliger außerhalb des Kerngebiets der Vereinigung.
721Obwohl auch der Angeklagte C. keine Handlungen im Kerngebiet der Vereinigung ausübte, hat der Senat nach besonderer Prüfung dessen mitgliedschaftliche Beteiligung ebenfalls bejaht. Der Angeklagte unterhielt direkte Kontakte zu führenden IS-Mitgliedern in einem von der Vereinigung kontrollierten Gebiet in Afghanistan. Er ließ sich durch Y1. und R2. anleiten und setzte deren Befehle um. Er war in dem Online-Propagandanetzwerk der IS-Provinz Khorasan aktiv und an der Gründung der Zelle als „verlängerter Arm“ der Vereinigung in Deutschland beteiligt.
722Der Angeklagte C. hat sich durch folgende Beteiligungshandlungen, die nicht gesondert strafbar sind, sondern allein den Tatbestand der §§ 129a, 129b StGB erfüllen, mitgliedschaftlich an der terroristischen Vereinigung IS beteiligt:
723 Verbreitung von Propaganda des IS über Zello und Telegram (A. IV. 1),
724 Administration von Zello-Kanälen des IS (A. IV. 2),
725 Programmierung und Weiterentwicklung einer radikalislamischen Handy-Applikation für den IS (A. IV. 3),
726 Rekrutierung des gesondert verfolgten Z1. als Mitglied der Zelle (A. IV. 4),
727 Einrichtung des Zello-Gruppenchats (A. IV. 5),
728 Teilnahme an ideologischen Schulungen des X1. Y1. im Rahmen eines Zello-Gruppenchats (A. IV. 6),
729 Teilnahme an simulierten Kampfübungen der Zelle beim Paintball (A. IV. 7),
730 Teilnahme an der Abstimmung betreffend die Vorbereitung jihadistischer Anschläge (A. IV. 9),
731 Vorbereitungen für einen jihadistischen Sprengstoffanschlag in Deutschland (A. IV. 10).
732Die Verbreitung von Propaganda des IS über Zello und Telegram, die Administration von Zello-Kanälen des IS und die Programmierung und Weiterentwicklung der radikalislamischen App für den IS kamen dem Propagandanetzwerk der Vereinigung unmittelbar zugute. Durch die Rekrutierung des gesondert verfolgten Z1. und Einrichtung des Zello-Gruppenchats hat der Angeklagte A. die Gründung und Anbindung der Zelle an die Gesamtorganisation ermöglicht. Die Teilnahme an ideologischen Schulungen, simulierten Kampfübungen und der Abstimmung betreffend die Vorbereitung jihadistischer Anschläge haben die Schlagkraft der Zelle und mittelbar der Gesamtorganisation erhöht. Die Vorbereitungshandlungen des Angeklagten für einen jihadistischen Sprengstoffanschlag der Zelle im Sinne der IS-Ideologie wiesen ebenfalls den erforderlichen Organisationsbezug auf.
733Der Angeklagte A. hat auch den subjektiven Tatbestand verwirklicht. Ihm kam es gerade darauf an, durch die festgestellten Beteiligungshandlungen die Ziele des IS zu fördern. Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe liegen in seiner Person nicht vor.
734Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Eine Verfolgungsermächtigung liegt vor (vgl. C. I. 1. a. ee.).
735Die unter A. IV. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9 und 10 (Tat 1) aufgeführten Beteiligungsakte des Angeklagten A. bilden eine tatbestandliche Handlungseinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB.
Der Angeklagte E. hat sich durch Tat 1 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
737Er hat sich spätestens am 12. Januar 2019 durch seine Teilnahme an der ideologischen Schulung des führenden IS-Mitglieds X1. Y1. in das Verbandsleben der ausländischen terroristischen Vereinigung IS integriert (vgl. zu dem IS als ausländische terroristische Vereinigung unter C. I. 1. a. aa). Er war spätestens ab diesem Zeitpunkt entschlossen, dem IS als Mitglied dauerhaft zu dienen und seine Ziele zu fördern. Diesen Entschluss setzte der Angeklagte E. mit Billigung und teilweise unter Anleitung der IS-Führungsperson Y1. in der Folgezeit in vielfältiger Weise um.
738Der IS war – handelnd durch das Führungsmitglied Y1. – auch damit einverstanden, dass der Angeklagte E. als Mitglied für die Organisation tätig wurde. Dieses Einvernehmen belegen die fortlaufenden Chats des Y1. mit dem Angeklagten, in denen sich dieser die radikalislamische Glaubensauslegung und die jihadistischen Ziele des IS vermitteln ließ. Im Rahmen des Zello-Gruppenchats tauschte sich der Angeklagte E. Anfang März 2019 mit Y1. und den übrigen Zellenmitgliedern über die konkrete Umsetzung des bewaffneten Jihads für die Ziele des IS aus. Das führende IS-Mitglied wies den Angeklagten E. erfolgreich dazu an, die Vorbereitungen für ein Attentat des IS auf einen Islamkritiker fortzusetzen.
739Bei dem Angeklagten E. hat der Senat nach besonderer Prüfung dessen mitgliedschaftliche Beteiligung bejaht, obwohl er keine Handlungen im Kerngebiet der Vereinigung entfaltet hat. Der Angeklagte unterhielt direkten Kontakt zu dem führenden IS-Mitglied Y1. aus der IS-Provinz Khorasan. Als Mitglied der Zelle ließ er sich durch Y1. anleiten und befolgte dessen Anweisungen, wodurch die Vereinigung ihren Aktionsradius außerhalb ihres eigentlichen Herrschaftsgebietes erweitert hat.
740Der Angeklagte E. hat sich durch folgende Beteiligungshandlungen, die nicht gesondert strafbar sind, sondern allein den Tatbestand der §§ 129a, 129b StGB erfüllen, mitgliedschaftlich an der terroristischen Vereinigung IS beteiligt:
741 Teilnahme an ideologischen Schulungen des X1. Y1. im Rahmen eines Zello-Gruppenchats (A. IV. 6),
742 Teilnahme an simulierten Kampfübungen der Zelle beim Paintball (A. IV. 7),
743 Teilnahme an der Abstimmung betreffend die Vorbereitung jihadistischer Anschläge (A. IV. 9),
744 Vorbereitungen für einen jihadistischen Sprengstoffanschlag in Deutschland (A. IV. 10).
745Mit seiner Teilnahme an ideologischen Schulungen, simulierten Kampfübungen sowie der Abstimmung betreffend die Vorbereitung jihadistischer Anschläge hat der Angeklagte E. die Schlagkraft der Zelle und somit mittelbar auch der Gesamtorganisation erhöht. Die Vorbereitungen für einen jihadistischen Sprengstoffanschlag der Zelle im Sinne der IS-Ideologie wiesen ebenfalls den für eine mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung erforderlichen Organisationsbezug auf.
746Der Angeklagte E. hat auch den subjektiven Tatbestand verwirklicht. Ihm kam es gerade darauf an, durch die festgestellten Beteiligungshandlungen die Ziele des IS zu fördern. Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe liegen in seiner Person nicht vor.
747Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Eine Verfolgungsermächtigung liegt vor (vgl. C. I. 1. a. ee).
Eine weitere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung des Angeklagten E. an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 StGB liegt in dem Erwerb und dem Vorhalten der Schusswaffe „Crvena Zastava“ mit zugehöriger Munition für ein jihadistisches Schusswaffenattentat im Sinne der IS-Ideologie. Der Angeklagte E. hat hierdurch die Schlagkraft der Zelle und mittelbar auch der Gesamtorganisation erhöht.
Indem der Angeklagte E. die von ihm gekaufte Selbstladepistole „Crvena Zastava“ am 26. Februar 2019 ohne entsprechende Erlaubnis von dem gesondert verfolgten Z1. entgegennahm und hierdurch über die Waffe nach eigenem Willen verfügen konnte, hat er sich wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG strafbar gemacht.
750Bei der Selbstladepistole „Crvena Zastava“ handelt es sich um eine erlaubnispflichtige halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 WaffG in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1. WaffG. Der Angeklagte besaß – wie ihm bekannt war – nicht die für den Erwerb einer solchen Pistole erforderliche Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1.
Indem der Angeklagte E. die Selbstladepistole „Crvena Zastava“ am 15. März 2019 in seiner Wohnung verwahrte, hat er sich wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG strafbar gemacht. Die Abwesenheit des Wohnungsinhabers steht der Annahme des Besitzes an einer Waffe in der Wohnung nicht entgegen (vgl. Erbs/Kohlhaas/Pauckstadt-Maihold/Lutz, WaffG § 1 Rn. 22, 24).
752Der Angeklagte besaß – wie ihm bekannt war – auch nicht die für den Besitz einer solchen Pistole erforderliche Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1.
Indem der Angeklagte E. neben der Pistole „Crvena Zastava“ am 15. März 2019 auch 16 Stück zugehörige Patronenmunition, Kaliber 7,65 mm Browning, in seiner Wohnung verwahrte, hat er sich wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Patronenmunition gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b WaffG strafbar gemacht.
754Die in der Wohnung des Angeklagten E. verwahrten Patronen stellen eine nach Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 des WaffG erlaubnispflichtige Munition dar. Die Tat ist von Absatz 1 Nr. 2 a) und b) WaffG nicht umfasst. Der Angeklagte besaß – wie ihm bekannt war – auch nicht die für den Besitz der Patronenmunition erforderliche Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1.
In der Vorbereitung eines jihadistisch motivierten Schusswaffenattentates des IS liegt eine weitere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung des Angeklagten E. an der terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 StGB.
756Der erforderliche Organisationsbezug liegt vor. Der Angeklagte E. plante das Attentat in Absprache und mit Billigung eines führenden IS-Mitglieds, um den im Internet aktiven Islamkritiker in Verfolgung der Ideologie des IS zu töten und die propagandistische Verwertung der Tat durch den IS zu ermöglichen. Der Angeklagte wollte den Anschlag für den IS begehen.
Durch die Übernahme der Pistole „Norinco“ hat sich der Angeklagte E. zudem wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
758Das geplante Schusswaffenattentat auf den Islamkritiker F3. war eine Straftat gegen das Leben nach §§ 211, 212 StGB, die nach den Umständen geeignet und bestimmt war, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen. Der Angeklagte E. war hierzu fest entschlossen, so dass auch unter Beachtung der einschränkenden Auslegung (BGHSt 59, 218) der Tatbestand des § 89a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB erfüllt ist. Für die Konkretisierung einer Tat im Sinne des § 89a Abs. 1 StGB ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Tat bereits so weit konkretisiert ist, dass überprüft werden kann, ob die Voraussetzungen der sogenannten Staatschutzklausel erfüllt sind. Dies ist vorliegend der Fall. F3. wurde einzig aufgrund seiner Rolle als im Internet aktiver Islamkritiker durch den Angeklagten als Opfer eines jihadistischen Attentates ausgewählt. Durch den Anschlag wäre das Vertrauen der Bevölkerung, in ihrer Meinungs- und Religionsfreiheit sowie vor gewaltsamen Übergriffen in der Bundesrepublik geschützt zu sein, erschüttert worden.
759Der Angeklagte hat den Tatbestand in der Handlungsalternative des Sich-Verschaffens im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 StGB erfüllt. Unter Sich-Verschaffen ist die Herstellung der tatsächlichen (Mit-)Herrschaftsgewalt, gleichgültig auf welchem Wege, zu verstehen (MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, § 89a Rn. 45). Der Angeklagte E. hat durch die Einigung über den Erwerb der Pistole und deren Übergabe an ihn die tatsächliche Herrschaftsgewalt über die Waffe am Abend des 14. März 2019 erlangt.
760Die Vorstellung des Angeklagten E. von der bevorstehenden staatsgefährdenden Gewalttat war bereits hinreichend konkret, da er genaue Kenntnis von dem potentiellen Tatopfer, dem Tatmotiv und der geplanten Tatausführung besaß.
Indem der Angeklagte E. die Pistole „Norinco NP44“ am 14. März 2019 ohne entsprechende Erlaubnis von dem gesondert verfolgten Z1. entgegennahm und hierdurch über diese verfügen konnte, hat er sich wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG strafbar gemacht.
762Bei der Waffe „Norinco NP44“ handelt es sich um eine erlaubnispflichtige halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 WaffG in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1. WaffG. Der Angeklagte besaß – wie ihm bekannt war – nicht die für den Erwerb einer solchen Pistole erforderliche Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1.
Die unter A. IV. 6, 7, 9 und 10 (Tat 1) aufgeführten Beteiligungsakte des Angeklagten E. bilden eine tatbestandliche Handlungseinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB.
764Hinsichtlich der verschiedenen Verstöße gegen das WaffG in Tat 3 durch den unerlaubten Erwerb der Pistole „Crvena Zastava“ sowie den unerlaubten Besitz von Waffe und Munition liegt Tateinheit vor (vgl. Erbs/Kohlhaas/Pauckstadt-Maihold/Lutz, WaffG § 52 Rn. 94, 99).
765Die unter A. VI. und VII. (Taten 3 und 4) festgestellten mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte, die jeweils weitere Strafvorschrift erfüllen und gesondert strafbar sind, stehen zu §§ 129a, b StGB jeweils in Tateinheit und untereinander in Tatmehrheit.
Der Angeklagte F. hat sich wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
767Er fügte sich spätestens am 12. Januar 2019 durch seine Teilnahme an der ideologischen Schulung des führenden IS-Mitglieds X1. Y1. in das Verbandsleben der ausländischen terroristischen Vereinigung IS ein (vgl. zu dem IS als ausländische terroristische Vereinigung unter C. I. 1. a. aa). Seinen Entschluss, dem IS als Mitglied dauerhaft zu dienen und seine Ziele zu fördern, setzte der Angeklagte mit Billigung und teilweise unter Anleitung des führenden IS-Mitglieds Y1.s in der Folgezeit um. Handelnd durch das Führungsmitglied Y1. war der IS damit einverstanden, dass der Angeklagte F. zum Kreis seiner Mitglieder zählte und in dieser Eigenschaft für die Organisation tätig wurde. Dieses Einvernehmen zeigen bereits die fortlaufenden Chats des Y1. unter Beteiligung des Angeklagten F., in denen das führende IS-Mitglied den teilnehmenden Zellenmitgliedern die radikalislamische Glaubensauslegung und die jihadistischen Ziele der terroristischen Vereinigung IS vermittelte. Im Rahmen des Zello-Gruppenchats tauschte sich der Angeklagte F. Anfang März 2019 mit Y1. und den übrigen Zellenmitgliedern über die konkrete Umsetzung des bewaffneten Jihads für die Ziele des IS aus.
768Auch bei dem Angeklagten F. hat der Senat nach besonderer Prüfung dessen mitgliedschaftliche Beteiligung bejaht, obwohl er keine Handlungen im Kerngebiet der Vereinigung entfaltet hat. Der Angeklagte unterhielt direkten Kontakt zu dem führenden IS-Mitglied Y1. aus der IS-Provinz Khorasan. Als Mitglied der Zelle ließ er sich durch Y1. anleiten, wodurch die Vereinigung auch außerhalb ihres eigentlichen Herrschaftsgebietes tätig werden konnte.
769Der Angeklagte F. hat sich durch folgende Beteiligungshandlungen, die nicht gesondert strafbar sind, sondern allein den Tatbestand der §§ 129a, 129b StGB erfüllen, mitgliedschaftlich an der terroristischen Vereinigung IS beteiligt:
770 Teilnahme an ideologischen Schulungen des X1. Y1. im Rahmen eines Zello-Gruppenchats (A. IV. 6),
771 Organisation und Teilnahme an simulierten Kampfübungen der Zelle beim Paintball (A. IV. 7),
772 Teilnahme an der Abstimmung betreffend die Vorbereitung jihadistischer Anschläge (A. IV. 9).
773Der Angeklagte F. hat mit der Organisation des Paintball-Trainings sowie der Teilnahme an ideologischen Schulungen, den simulierten Kampfübungen und der Abstimmung betreffend die Vorbereitung jihadistischer Anschläge die Funktionalität der Zelle und somit mittelbar auch die Schlagkraft der Gesamtorganisation erhöht.
774Der Angeklagte F. hat auch den subjektiven Tatbestand verwirklicht. Ihm kam es gerade darauf an, durch die festgestellten Beteiligungshandlungen die Ziele des IS zu fördern. Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe liegen in seiner Person nicht vor.
775Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Eine Verfolgungsermächtigung liegt vor (vgl. C. I. 1. a. ee).
776Die unter A. IV. 6, 7 und 9 (Tat 1) aufgeführten Beteiligungsakte des Angeklagten F. bilden eine tatbestandliche Handlungseinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB.
Der Angeklagte B. war bei Tat 1 (Fall 6 der Anklage) aus tatsächlichen Gründen im Übrigen freizusprechen.
Durch die Anklageschrift vom 27. Januar 2021 und den Eröffnungsbeschluss vom 3. Mai 2021 war dem Angeklagten B. im Fall 6 der Anklage zur Last gelegt worden, durch Organisation eines Bargeldtransfers zur finanziellen Unterstützung von Angehörigen inhaftierter oder getöteter IS-Kämpfer (vgl. A. IV. 12. c) durch eine rechtlich selbständige Handlung tateinheitlich zu der mitgliedschaftlichen Beteiligung nach §§ 129a, b StGB gegen das Bereitstellungsverbot in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG verstoßen zu haben. Die Anklage ging davon aus, dass es sich bei dem türkischen Finanzagenten „U6.“ um einen Finanzagenten des IS handele, der den in die Türkei transferierten Bargeldbetrag planmäßig in die nordsyrischen Lager an den IS weiterleitete. Der Generalbundesanwalt hat folgerichtig hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Bewertung angenommen, die mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung durch Organisation des Bargeldtransfers (Fall 6), die mit § 18 Abs. 1 AWG tateinheitlich eine weitere Strafvorschrift erfüllen sollte, stehe zu den mitgliedschaftlichen Beteiligungsakten des Angeklagten B. in den Fällen 1 (Tat 1) und 4 (Tat 2) jeweils in Tatmehrheit und bilde eine eigenständige prozessuale Tat.
Hinsichtlich der mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlung des Angeklagten B. durch Organisation des Bargeldtransfers in Tat 1 (A. IV. 12. c) hat der Senat weder feststellen können, dass das in die Türkei transferierte Bargeld die Angehörigen in den nordsyrischen Lagern bestimmungsgemäß erreichte, noch, dass der Finanzagent „Abu Ismail“ auf Weisung und unter Kontrolle der gelisteten Vereinigung IS tätig war (vgl. Erbs/Kohlhaas/Diemer, AWG, § 18 Rn. 9).
780Die Chat-Kommunikation des Angeklagten B. hat keine Anhaltspunkte dafür geliefert, dass der transferierte Bargeldbetrag von 18.000 Euro den Angehörigen gefangener oder getöteter IS-Kämpfer tatsächlich zugute gekommen ist. Der intensive Austausch des Angeklagten B. mit „Musa“ per Signal-Chat zu der Organisation des Bargeldtransfers und dem Türkei-Aufenthalt der Bargeldkuriere endete am 8. März 2020. In der Folgezeit versandte der Angeklagte Anfang und Mitte April 2020 lediglich zwei unbeantwortete Nachrichten an „Musa“, die die Corona-Pandemie und das Befinden „Musas“ thematisierten.
781Der Inhalt der Chat-Kommunikation des Angeklagten mit „Musa“ spricht zudem gegen die Annahme, bei „Abu Ismail“ habe es sich um einen IS-Finanzagenten oder eine sonstige Person gehandelt, die auf Weisung und unter Kontrolle des IS agierte. So berichtete „Musa“ dem Angeklagten in einer Chat-Nachricht am 5. März 2020 über „Abu Ismail“, er kenne diesen nicht. Dabei ließ „Musa“ gegenüber B. ausdrücklich offen, ob der Finanzagent ein „Bruder“ sei, dem sie vertrauen könnten; vielmehr mache dieser „einfach seine Arbeit“.
782Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen (A. IV. 12. c) hat sich der Angeklagte B. daher im Zusammenhang mit der Organisation des Bargeldtransfers nicht wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 AWG oder wegen eines nach § 18 Abs. 6 AWG strafbaren Versuches schuldig gemacht. Die verbleibende mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung des Angeklagten B. an der ausländischen terroristischen Vereinigung IS durch Organisation des Bargeldtransfers fällt ebenso wie seine übrigen mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen, die nicht gesondert strafbar sind, in die tatbestandliche Handlungseinheit von Tat 1 (vgl. C. I. 1. und 3).
783Da der Senat den Angeklagten B. im Ergebnis nicht wegen sämtlicher Delikte, die er nach der Anklage in Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangen haben soll, verurteilt hat, war er in Tat 1 (Fälle 1 und 6 der Anklage) teilweise freizusprechen, um den Eröffnungsbeschluss vollständig auszuschöpfen.
Der Senat hat bei sämtlichen Angeklagten in allen Fällen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland jeweils den Regelstrafrahmen aus § 129a Abs. 1 StGB zugrunde gelegt, der Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht.
785Soweit der Angeklagte B. bei Tat 2 und der Angeklagte E. bei den Taten 3 bis 4 daneben tateinheitlich weitere Straftatbestände verwirklicht haben, war die Strafe auch insoweit jeweils nach § 52 StGB dem Gesetz mit der höchsten Strafandrohung – hier jeweils § 129a Abs. 1 StGB – zu entnehmen.
Eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 129a Abs. 6, 49 Abs. 2 StGB hat der Senat bei allen Angeklagten und Taten abgelehnt, da die Mitwirkung der Angeklagten jeweils nicht von untergeordneter Bedeutung war.
787Beim IS handelt es sich um eine terroristische Vereinigung, die aufgrund der Anzahl ihrer Mitglieder, ihrer finanziellen und militärischen Ausrüstung und ihres brutalen Vorgehens auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Gebietsverluste als besonders gefährlich einzustufen ist. Die Angeklagten haben durch ihre Beteiligung an einer Zelle des IS den Aktionsradius der Vereinigung auf Deutschland ausgeweitet. Angesichts der zeitgleichen Verluste ihrer Herrschaftsgebiete in Syrien und dem Irak sowie den militärischen Auseinandersetzungen um die durch die Vereinigung gehaltenen Gebiete in der IS-Provinz Khorasan war dies für die Organisation von besonderer Bedeutung.
Bei keinem Angeklagten liegen die Voraussetzungen für eine Milderung oder ein Absehen von der Strafe gemäß §§ 129a Abs. 7, 129 Abs. 7, 49 Abs. 2 StGB vor.
789Auch bei Tat 1 beruhte die freiwillige Aufgabe des Auftragsmordes in Albanien auf der Annahme des Angeklagten B. und der übrigen Beteiligten, dass die Tötung einer anderen Person als des W2. für den IS nicht förderlich wäre, weil der russische Auftraggeber dafür nicht zahlen und der Vereinigung daher kein finanzieller Vorteil zufließen würde. Eine den Zielen des IS dienende Straftat konnte mithin aus damaliger Sicht des Angeklagten B. schon nicht verhindert werden.
790Unabhängig davon wäre eine Verschiebung des Strafrahmens oder ein Absehen von Strafe in Ausübung des Ermessens nach § 129 Abs. 7 StGB aber auch dann nicht geboten, wenn die formellen Voraussetzungen vorlägen. Denn der Angeklagte B. wollte sich durch den Abbruch des Auftragsmordes nicht vom IS und seinen Zielen abwenden. Er hat vielmehr nach seiner Rückkehr aus Albanien bis zu seiner Festnahme im April 2020 weitere, den Zielen des IS förderliche Straftaten begangen.
Zugunsten des Angeklagten B. hat der Senat seine bislang straffreie Lebensführung berücksichtigt.
792Strafmildernd wirkte sich überdies der zwischenzeitlich eingetretene Zeitablauf von teilweise mehr als drei Jahren seit Begehung der Taten aus.
793Außerdem fielen zugunsten des Angeklagten B. die Belastungen durch die Länge der über ein Jahr dauernden Hauptverhandlung ins Gewicht.
794Zu seinen Gunsten hat der Senat überdies die besonderen Erschwernisse der Untersuchungshaft während der Corona-Pandemie sowie die besondere Haftempfindlichkeit des Angeklagten als Erstverbüßer bedacht.
795Bei Tat 1 hat der Senat zugunsten des Angeklagten B. berücksichtigt, dass er die Ausführung des Auftragsmordes in Albanien aus eigener Initiative aufgegeben hat. Wenn die Vorbereitung des Auftragsmordes nicht gleichzeitig eine mitgliedschaftliche Beteiligung am IS dargestellt hätte, wäre sie wegen Rücktritts nach § 31 StGB straflos geblieben.
796Bei Tat 2 wirkte sich für den Angeklagten B. strafmildernd aus, dass mit 550 Euro ein relativ geringer Geldbetrag gesammelt und an den IS übermittelt wurde.
797Zulasten des Angeklagten B. hat der Senat berücksichtigt, dass er sich für eine terroristische Vereinigung betätigt hat, die aufgrund der Anzahl ihrer Mitglieder, ihrer finanziellen und militärischen Ausrüstung und ihres brutalen Vorgehens als besonders gefährlich einzustufen ist.
798Bei Tat 1 fiel zulasten des Angeklagten B. außerdem ins Gewicht, dass er sich durch mehrere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen vielfältig für die terroristische Vereinigung betätigt und nach dem 15. März 2019 eine Führungsrolle innerhalb der Gruppe eingenommen hat.
799Bei Tat 2 wirkte sich der tateinheitliche Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz strafschärfend aus.
800Nach Abwägung der voranstehenden für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat der der Senat folgende tat- und schuldangemessene Einzelstrafen festgesetzt:
801– für Tat 1 (Beteiligungshandlungen, die keine weiteren Strafgesetzte verletzen) eine Freiheitsstrafe von acht Jahren;
802– für Tat 2 (Spendensammlung und Transfer von 550 Euro an den IS) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Aus den beiden Einzelstrafen hat der Senat gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 StGB durch angemessene Erhöhung der höchsten Einzelstrafe von acht Jahren als Einsatzstrafe eine Gesamtstrafe gebildet.
804Bei der zusammenfassenden Würdigung der Person des Angeklagten B. und der einzelnen Straftaten hat der Senat zugunsten des Angeklagten die bereits genannten Strafzumessungsgesichtspunkte berücksichtigt, insbesondere die bislang straffreie Lebensführung des Angeklagten. Zu seinen Gunsten fiel bei der Gesamtwürdigung zudem ins Gewicht, dass die beiden Taten in einem engen zeitlichen, sachlichen und motivatorischen Zusammenhang standen.
805Im Ergebnis der zusammenfassenden Würdigung hat der Senat die erkannte
806Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten
807für tat- und schuldangemessen erachtet. Sie reicht zur Ahndung des verwirklichten Unrechts aus, ist aber auch erforderlich, um allen Strafzwecken hinreichend Rechnung zu tragen.
Zu Gunsten des Angeklagten C. hat der Senat berücksichtigt, dass er die wesentlichen objektiven Umstände der ihm vorgeworfenen Tat geständig eingeräumt hat, dies allerdings erst zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der Beweisaufnahme.
809Bedacht hat der Senat zugunsten des Angeklagten C. überdies den mittlerweile eingetretenen Zeitablauf von mehr als drei Jahren seit Begehung der Tat.
810Auch die Belastungen durch die Länge der Hauptverhandlung sowie die besonderen Erschwernisse der Untersuchungshaft in den Zeiten der Corona-Pandemie hat der Senat ebenso wie dessen besondere Haftempfindlichkeit als Erstverbüßer berücksichtigt.
811Berücksichtigt hat der Senat zugunsten des Angeklagten C. außerdem, dass er sich bei der Besprechung in dem Zello-Gruppenchat am 2. März 2019 im Vergleich zu den übrigen Chat-Teilnehmern nur in geringem Umfang und in der Sache zurückhaltend geäußert hat.
812Zu seinen Gunsten wirkte sich ferner aus, dass sich seine mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen über einen Zeitraum von nur zwei Monaten erstreckten.
813Straferschwerend hat der Senat auch bei dem Angeklagten C. berücksichtigt, dass er sich an einer als besonders gefährlich einzustufenden terroristischen Vereinigung beteiligt hat.
814Zu seinen Lasten fiel ferner ins Gewicht, dass er sich durch mehrere mitgliedschaftliche Handlungen an der Vereinigung beteiligt hat.
815Ferner hat der Senat straferschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte C. in Deutschland vorbestraft ist. Dabei hat der Senat aber bedacht, dass es sich bei den früheren Taten jeweils nicht um einschlägige Delikte von vergleichsweise geringer Schwere handelte. Die erst nach Beendigung der hiesigen Tat durch das Amtsgericht H2. abgeurteilte Urkundenfälschung hat der Angeklagte überdies Ende Januar 2019 und somit teilweise zeitlich nach den mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen für den IS begangen.
816Der Senat hat schließlich im Wege eines Härteausgleichs berücksichtigt, dass die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe aus der Geldstrafe des Amtsgerichts H2. und der hiesigen Freiheitsstrafe nur daran scheiterte, dass die Geldstrafe bereits vollständig vollstreckt ist, und die Vollstreckung der Restforderung im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe eine besondere Härte darstellte.
817Nach Abwägung aller vorstehenden für und gegen den Angeklagten C. sprechenden Umstände hat der Senat für ihn auf die tat- und schuldangemessene
818Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten
819erkannt. Sie reicht zur Ahndung des verwirkten Unrechts aus, ist aber auch erforderlich, um allen Strafzwecken hinreichend Rechnung zu tragen.
Zugunsten des Angeklagten A. wirkte sich der mittlerweile eingetretene Zeitablauf von teilweise mehr als vier Jahren seit den Beteiligungshandlungen aus.
821Auch die Belastungen durch die Länge der Hauptverhandlung sowie die besonderen Erschwernisse der Untersuchungshaft hat der Senat ebenso wie dessen besondere Haftempfindlichkeit als Erstverbüßer berücksichtigt.
822Zu Gunsten des Angeklagten A. hat der Senat zudem bedacht, dass er sich mit der außergerichtlichen Einziehung eines für das Online-Netzwerk des IS verwendeten Mobiltelefons und eines PC-Towers einverstanden erklärt und auf die Herausgabe eines Tablets verzichtet hat.
823Straferschwerend fiel bei dem Angeklagten A. ins Gewicht, dass er sich durch mehrere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen vielfältig für eine als besonders gefährlich einzustufende terroristische Vereinigung betätigt hat.
824Zu seinen Lasten wirkte sich zudem aus, dass er die Gründung und Ausrichtung der Zelle maßgeblich beeinflusste, indem er den Kontakt der Zellenmitglieder zu dem führenden IS-Mitglied X1. Y1. herstellte.
825Der Senat hat außerdem berücksichtigt, dass der Angeklagte A. in Deutschland bereits einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wobei es sich aber um ein nicht einschlägiges Delikt von vergleichsweise geringer Schwere handelte. Die erst nach Beendigung der hiesigen Tat abgeurteilte Betrugstat wurde durch den Angeklagten A. teilweise zeitlich erst nach den mitgliedschaftlichen Betätigungshandlungen für den IS begangen.
826Ferner hat der Senat im Wege eines Härteausgleichs berücksichtigt, dass die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe aus der Geldstrafe des Amtsgerichts K2. und der hiesigen Freiheitsstrafe nur daran scheiterte, dass die Geldstrafe bereits vollständig vollstreckt ist, und die Vollstreckung im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe eine besondere Härte darstellte.
827Nach Abwägung aller vorstehenden für und gegen den Angeklagten A. sprechenden Umstände hat der Senat auf die tat- und schuldangemessene
828Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten
829erkannt.
Zu Gunsten des Angeklagten E. hat der Senat berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist und die wesentlichen objektiven und teilweise auch subjektiven Umstände der ihm vorgeworfenen Taten geständig eingeräumt hat, wenngleich erst zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der Beweisaufnahme.
831Zugunsten des Angeklagten wirkte sich ferner aus, dass sich seine mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen lediglich über einen Zeitraum von zwei Monaten erstreckten.
832Strafmildernd hat der Senat den mittlerweile eingetretenen Zeitablauf von mehr als drei Jahren seit Begehung der Tat berücksichtigt sowie die Belastungen durch die Länge der Hauptverhandlung, die besonderen Erschwernisse der Untersuchungshaft in Zeiten der Corona-Pandemie und die besondere Haftempfindlichkeit als Erstverbüßer.
833Bei den Taten 3 und 4 hat der Senat jeweils strafmildernd berücksichtigt, dass sich der Angeklagte E: mit der außergerichtlichen Einziehung der Waffen und Munition einverstanden erklärt hat.
834Bei Tat 4 kam strafmildernd hinzu, dass die Gefährlichkeit der Waffenbeschaffung durch die polizeiliche Observation und den damit ermöglichten Zugriff erheblich gemindert war. Außerdem besaß der Angeklagte E. die Verfügungsgewalt über die Pistole nur für einen sehr kurzen Zeitraum am Abend und in der Nacht vom 14. auf den 15. März 2019.
835Strafschärfend fiel auch bei dem Angeklagten E. ins Gewicht, dass er sich an einer besonders gefährlichen terroristischen Vereinigung beteiligt hat.
836Bei Tat 1 wirkte sich überdies strafschärfend aus, dass er sich durch mehrere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen für die terroristische Vereinigung betätigte.
837Bei Tat 3 waren straferschwerend die tateinheitlichen Verstöße gegen das Waffengesetz zu berücksichtigen.
838Bei Tat 4 wirkte sich straferhöhend der tateinheitliche Verstoß gegen § 89a StGB und der Verstoß gegen das Waffengesetz aus.
839Nach Abwägung der voranstehenden für und gegen den Angeklagten E. sprechenden Umstände hat der der Senat folgende tat- und schuldangemessene Einzelstrafen festgesetzt:
840– für Tat 1 (Beteiligungshandlungen, die keine weiteren Strafgesetzte verletzen) eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren;
841– für Tat 3 (Beschaffen und Vorhalten einer Selbstladepistole nebst Munition für einen jihadistischen Anschlag im Sinne der IS-Ideologie) eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten;
842– für Tat 4 (Vorbereitung eines jihadistisch motivierten Schusswaffenattentates auf den Islamkritiker F3.) eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren.
Aus den drei Einzelstrafen hat der Senat gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 StGB durch angemessene Erhöhung der höchsten Einzelstrafe von sieben Jahren als Einsatzstrafe eine Gesamtstrafe gebildet.
844Bei der zusammenfassenden Würdigung der Person des Angeklagten E. und der einzelnen Straftaten hat der Senat zugunsten des Angeklagten die bereits genannten Strafzumessungsgesichtspunkte berücksichtigt, insbesondere seine bislang straffreie Lebensführung und seine teilgeständigen Angaben. Zu seinen Gunsten fiel bei der Gesamtwürdigung zudem ins Gewicht, dass die Taten in einem engen zeitlichen, sachlichen und motivatorischen Zusammenhang standen.
845Im Ergebnis der zusammenfassenden Würdigung hat der Senat die erkannte
846Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten
847für tat- und schuldangemessen erachtet. Sie reicht zur Ahndung des verwirkten Unrechts aus, ist aber auch erforderlich, um allen Strafzwecken hinreichend Rechnung zu tragen.
Zu Gunsten des Angeklagten F. hat der Senat berücksichtigt, dass er in Deutschland nicht vorbestraft ist.
849Strafmildernd wirkte sich ferner aus, dass sich seine mitgliedschaftliche Beteiligung insgesamt lediglich über zwei Monate erstreckte.
850Berücksichtigt hat der Senat ferner den mittlerweile eingetretenen Zeitablauf von mehr als drei Jahren seit Begehung der Tat.
851Auch die Belastungen durch die Länge der Hauptverhandlung sowie die besonderen Erschwernisse der Auslieferungs- und Untersuchungshaft in Zeiten der Corona-Pandemie hat der Senat ebenso wie die besondere Haftempfindlichkeit als Erstverbüßer bedacht.
852Strafschärfend fiel auch bei dem Angeklagten F. ins Gewicht, dass er sich an einer besonders gefährlichen terroristischen Vereinigung beteiligt hat.
853Zu seinen Lasten wirkte sich außerdem aus, dass er sich durch mehrere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen für die terroristische Vereinigung IS betätigte.
854Nach Abwägung aller vorstehenden für und gegen den Angeklagten F. sprechenden Umstände hat der Senat für ihn auf die tat- und schuldangemessene
855Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten
856erkannt. Sie reicht zur Ahndung des verwirkten Unrechts aus, ist aber auch erforderlich, um allen Strafzwecken hinreichend Rechnung zu tragen.
Die Entscheidung zu der Anrechnung der vom 29. April 2020 bis 3. August 2020 erlittenen Auslieferungshaft des Angeklagten F. beruht auf § 51 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB.
858Bei der Bemessung des Anrechnungsfaktors von 1:2 hat der Senat im Rahmen seiner Ermessensausübung berücksichtigt, dass der Angeklagte F. unter anderem die Möglichkeit zu einer Teilnahme an sportlichen und religiösen Aktivitäten sowie einer Arbeits- und Beschäftigungstherapie erhielt. Mittels Skype-Telefonaten stand er regelmäßig in Kontakt mit Familienangehörigen. Anhaltspunkte für erschwerte Haftbedingungen, unzureichende medizinische Versorgung oder andere gravierende Mängel beim Vollzug der Auslieferungshaft haben sich nicht ergeben.
859Andererseits hielt sich der Angeklagte F. zum Zeitpunkt seiner Festnahme erst wenige Monate in Albanien auf und beherrschte die albanische Landessprache weder in Wort noch in Schrift. Außerdem ist der Senat davon ausgegangen, dass bedingt durch den allgemein niedrigeren Lebensstandard in Albanien die Bedingungen der Auslieferungshaft in der albanischen Haftanstalt von den Bedingungen der Untersuchungshaft in Deutschland negativ abwichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO.