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Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. Januar 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin hat zur Erfüllung ihrer Aufgaben Wohnungen in ihrem Stadtgebiet angemietet, von denen eine Reihe von der Beklagten mit Fernwärme beliefert werden. Insoweit bestehen zwischen den Parteien Fernwärmelieferungsverträge, die auf die Heizkosten- und die Fernwärme-Versorgungsbedingungen-Verordnung Bezug nehmen.
4In den angeschlossenen Hausstationen werden die Raumheizung und die Warmwasserbereitung verbunden versorgt. Dabei wird der Verbrauch für Warmwasser jedenfalls seit den 1970er Jahren durch geeichte Wassermengenzähler, also durch reine Volumenzähler, individuell für jede Wohneinheit gemessen, während der Verbrauch für die Raumwärme zentral für das jeweilige Mehrfamilienhaus durch einen geeichten Wärmezähler ermittelt und die diesbezüglichen Kosten nach der Heizkostenverordnung auf die einzelnen Einheiten verteilt werden. Die Zähler werden entsprechend den Eichvorgaben regelmäßig ausgetauscht. Streitgegenständlich ist die Abrechnung der gelieferten Fernwärme für die Warmwasserbereitung für die Jahre 2015 und 2016.
5Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die Erfassung des Warmwasserverbrauchs mittels reiner Volumenzähler werde der Vorgabe einer Erfassung mittels Wärmezähler in § 9 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV nicht gerecht, weshalb sie gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV das Recht habe, den Kostenanteil um 15 Prozent zu kürzen.
6Demgegenüber hat die Beklagte die Ansicht vertreten, die Heizkostenverordnung sei auf die streitgegenständliche Versorgung mit Wärme für die Warmwasserbereitung nicht anwendbar. Diese richte sich nach § 18 AVBFernwärmeV, nach dessen Absatz 1 Satz 3 (a.F.) bei vor dem 30. September 1989 installierten Einrichtungen im Rahmen des sogenannten Ersatzverfahrens eine Messung der Wassermenge ausreichend sei.
7Das Landgericht hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß zur Zahlung von 17.892,49 Euro nebst Zinsen sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100,51 Euro verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar finde die Heizkostenverordnung keine Anwendung, die Beklagte habe sich jedoch gleichwohl pflichtwidrig verhalten, weil sie den Verbrauch nicht nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AVBFernwärmeV (a.F.) ermittelt habe. Auf § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV (a.F.) könne sie sich nicht berufen, weil der Bestandsschutz mit dem Austausch der Wassermengenzähler entfallen sei. Es sei davon auszugehen, dass eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Wärmemessung die Verbraucher zu einen um 15 Prozent sparsameren Nutzungsverhalten veranlasst hätten.
8Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Ihre Messung des individuellen Warmwasserverbrauchs des Kunden entspreche exakt den Vorgaben des § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV (a.F.). Diese finde auch Anwendung, weil die Einrichtungen zur Messung vor dem 30. September 1989 installiert worden seien. Dass solche Einrichtungen nicht nur der Mengenmesser selbst, sondern auch das Ersatzverfahren sei, ergebe sich unmissverständlich aus der Verordnungsbegründung. Andernfalls wäre die Bestimmung auch schon lange obsolet, da die Zähler aufgrund der schon damals geltenden Eichvorgaben regelmäßig ausgetauscht würden. Der Verordnungsgeber habe die Bestimmung jedoch nicht nur bei vergangenen Novellierungen unangetastet gelassen, sondern im Zuge der Novellierung 2021 von der angeregten Streichung auf den Einwand des Wirtschaftsausschusses, die Vorschrift bilde weiterhin vorhandene Messkonzepte ab, deren unverhältnismäßig kostspielige Umstellung für den Wärmenutzer keinen Mehrwert habe, sogar bewusst abgesehen. Dem stehe auch der Wortsinn des 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV (a.F.) nicht entgegen; dort werde - anders als in §§ 12 Abs. 3, 18 Abs. 5, 19, 20, 21 sowie 23 AVBFernwärmeV - nicht der Terminus „Messeinrichtung“, sondern die weiter gefasste Formulierung „Einrichtungen zur Messung“ verwandt. Der Begriff „Einrichtungen“ bezeichne ein ganzes System. Das Verfahren erfordere auch nur die Messung der Wassermenge. Die so individuell für jeden Nutzer gemessenen Werte würden dann der Abrechnung der gelieferten Fernwärme für Warmwasser zugrunde gelegt. Eine auf Stichproben oder Erfahrungswerten beruhende Ermittlung der jeweiligen Wärmemenge des Nutzers bedürfe es nicht, weil die zur Warmwasserzeugung eingesetzte Wärme durch Konstanten ermittelt und mit dem gemessenen Volumen multipliziert werde. So werde das mit konstant 10 Grad aus dem Leitungsnetz entnommene Kaltwasser auf konstant 60 Grad erwärmt. Im Übrigen sei, selbst wenn man einen Pflichtverstoß ihrerseits annehmen wolle, ein Schaden in Höhe von 15 Prozent nicht belegt. Für ein sparsameres Nutzerverhalten spreche nichts. Eine Anwendung der Heizkostenverordnung scheitere schon an der individuellen Erfassung des Warmwasserverbrauchs, denn diese gelten nur bei Messung eines Gesamtverbrauchs und anschließender anteiliger Umlegung auf die Nutzungseinheiten.
9Die Beklagte beantragt,
10das angefochtene Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Januar 2021 (Az.: 13 O 254/19) abzuändern und die Klage abzuweisen;
11hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen;
14hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
15Die Klägerin verteidigt die landgerichtliche Entscheidung. Allerdings ergebe sich ihr Anspruch bereits unmittelbar aus §§ 9, 12 HeizkostenV. Dessen Anwendung folge bereits aus der Inbezugnahme der Heizkostenverordnung im Vertrag. Auch sei § 1 Abs. 3 HeizkostenV einschlägig, da eine individuelle Ermittlung des Wärmeverbrauchs durch Wärmemengenzähler nicht erfolge. Das Landgericht habe allerdings unabhängig davon, eine Anwendbarkeit von § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV (a.F.) zu Recht verneint. Im Übrigen würde selbst eine Anwendbarkeit der Bestimmung an der Ersatzpflicht der Beklagten nichts ändern. Auch diese erfordere eine Berechnung der Wärmemenge anhand der gemessenen Wassermenge, wobei die Temperaturdifferenz zumindest stichprobenartig zu bestimmen sei. Von daher sei in jedem Fall der Rechtsgedanke des § 12 HeizkostenV anzuwenden, wonach Verstöße nicht sanktionslos bleiben sollten. Die Ermittlung eines konkreten Schadens sei dem Verbraucher schlicht nicht möglich.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17II.
18Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
19Die Klage ist unbegründet. Eine einen Ersatzanspruch begründende Pflichtverletzung der Beklagten ist nicht festzustellen. Sie hat den Warmwasserbezug der Klägerin ordnungsgemäß nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV in der bis zum 4. Oktober 2021 geltenden Fassung durch Messung der Wassermenge erfasst und abgerechnet. Zudem ist auch ein Schaden der Klägerin nicht gegeben.
201. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf pauschalisierten Schadensersatz in Höhe von fünfzehn von Hundert der auf sie entfallenen Kosten der Versorgung von Wärme für die Warmwasserbereitung aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. §§ 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV, 18 Abs. 7 AVBFernwärmeV a. F.. Die Heizkostenverordnung findet auf den streitgegenständlichen Bezug von Wärme für Warmwasser weder aufgrund gesetzlicher Anordnung noch aufgrund vertraglicher Vereinbarung Anwendung.
21a) Der Anwendungsbereich der Heizkostenverordnung ist in § 1 HeizkostenV legaldefiniert. Die Beklagte ist unstreitig weder Gebäudeeigentümer im Sinne des Absatzes 1 noch steht sie diesem entsprechend Absatz 2 gleich. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch eine Anwendbarkeit gemäß Absatz 3 nicht gegeben. Danach kann die Heizkostenverordnung zwar auch im Verhältnis zwischen dem Lieferanten von Wärme und Warmwasser und den Nutzern anwendbar sein, wenn dieser unmittelbar mit den Nutzern abrechnet, dies aber nur, soweit der Nutzer dabei nicht den für den einzelnen Nutzer gemessenen Verbrauch, sondern die Anteile der Nutzer am Gesamtverbrauch zu Grunde legt. Letzteres ist vorliegend im Hinblick auf den allein streitgegenständlichen Bezug von Fernwärme für die Warmwasserbereitung nicht gegeben.
22Der Warmwasserbezug wird mittels geeichter Zähler für den einzelnen Nutzer gemessen. Dass es sich hierbei nicht um Wärmemengenzähler, sondern um Wassermengenzähler handelt, ist für die Frage der Anwendung der Heizkostenverordnung irrelevant. Hierfür ist allein die Unterscheidung zwischen einer Erfassung des Gesamtverbrauchs, der in einem zweiten Schritt nach einem abstrakten Verteilerschlüssel umgelegt wird, und einer individuellen Messung für jeden Nutzer von Bedeutung. Dies gilt selbst dann, wenn die individuelle Erfassung den an derartige Messungen zu stellenden Anforderungen nicht genügt. Bei einer Verbrauchsmessung beim einzelnen Nutzer und danach erfolgender Rechnungserstellung nach gemessen Verbrauch findet die Heizkostenverordnung keine Anwendung, diese gilt allein für die Verteilung eines Gesamtverbrauchs (Lammel in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 1 HeizkostenV Rnrn. 22, 27).
23Anderes ist auch den von der Klägerin angeführten Meinungen in der Literatur nicht zu entnehmen. Soweit dort auf eine Abrechnung individueller Verbräuche, die durch Wärmemengenzähler ermittelt worden sind, abgestellt wird, ist nicht das Messgerät das Entscheidende, sondern die Ermittlung individueller Verbräuche im Gegensatz zur Anwendung eines Heizkostenverteilers auf einen Gesamtverbrauch. Es kommt darauf an, ob der Verbrauch beim einzelnen Nutzer oder für das gesamte Gebäude an zentraler Stelle gemessen wird (Dr. Fricke, Abrechnung und Verteilung der Kosten der Wärmelieferung nach AVBFernwärmeV und HeizkostenV, CuR 2017, 42, 44 3.a., Anlage K 5). Verteilt der Lieferant nicht die Gesamtkosten für das Objekt, sondern stellt jedem Nutzer den bei ihm gemessenen Verbrauch in Rechnung, gilt nicht die HeizkostenV, da es nichts zu verteilen gibt (Dr. Fricke, Abrechnung und Verteilung der Kosten der Wärmelieferung nach AVBFernwärmeV und HeizkostenV, CuR 2017, 42, 45 3.d.), sondern die AVBFernwärmeV mit ihren Regelungen zur Wärmemessung in § 18 (vgl. Hack in Energie-Contracting, 3. Aufl., Teil B, Abschnitt VII Rn. 202). Zu diesen Regelungen der Wärmemessungen gehört auch das in § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV a.F. geregelte Ersatzverfahren, das bei Vorliegen der Voraussetzungen die Messung der Wassermenge für ausreichend erklärt.
24b) Die Anwendung der Heizkostenverordnung auf die Lieferung von Wärme für die Warmwasserbereitung ist auch nicht vertraglich vereinbart worden. Soweit in § 2 Abs. 1 des beispielhaft als Anlage K 1 vorgelegten, den Bezug von Raumwärme und von Wärme für Warmwasser regelnden Anschluss- und Versorgungsvertrags für Fernwärme die AVBFernwärmeV und die HeizkostenV zu Bestandteilen des Vertrages erklärt werden, folgt daraus nicht die Anwendung der Heizkostenverordnung auf die allein streitgegenständliche Belieferung mit Wärme für Warmwasser.
25Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BGH, Urteil vom 25. Januar 2006, VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059 Rn. 16). Abzustellen ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015, VII ZR 100/15, NJW 2016, 401 Rn. 22).
26Aus der Sicht eines verständigen, juristisch nicht vorgebildeten Nutzers wird keine generelle Geltung der HeizkostenV für alle Fallgestaltungen angeordnet, dem steht bereits die zuvor erfolgte Anordnung der Geltung der AVBFernwärmeV entgegen. Der verständige Nutzer versteht die gleichrangige Nennung beider Verordnungen vielmehr dahingehend, dass jeweils die nach ihrem vorgegebenen Regelungsbereich einschlägige Verordnung gelten soll, mithin für die Verteilung der Kosten für die Lieferung der nur zentral für das jeweilige Objekt erfassten Raumwärme die HeizkostenV und für die individuell erfassten Warmwasserverbräuche die AVBFernwärmeV. Eine Geltung der HeizkostenV für die Warmwasserverbräuche erwartet er schon deswegen nicht, weil eine Addition der individuell erfassten Wärmwasserverbräuche aller Nutzer im Objekt und deren anschließende Verteilung nach Kostenverteilungsschlüssel schlicht unsinnig wäre und der Intension, Verbräuche vorrangig individuell zu erfassen, diametral zuwiderliefe.
272. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Anwendung eines nicht den Anforderungen zur Feststellung der gelieferten Wärmemenge durch Wärmemessung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AVBFernwärmeV a. F. genügenden Messverfahrens aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB.
28a) Die Beklagte war nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV in der bis zum 4. Oktober 2021 geltenden Fassung berechtigt, die gelieferte Wärme für Warmwasser durch Messung der Warmwassermenge mittels eines geeichten Wassermengenzählers zu ermitteln.
29Nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV a. F. ist anstelle der Wärmemessung auch die Messung der Wassermenge ausreichend (Ersatzverfahren), wenn die Einrichtungen zur Messung der Wassermenge vor dem 30. September 1989 installiert worden sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Unstreitig wurden die fraglichen Objekte bereits vor dem 30. September 1989 mit Fernwärme versorgt. Veränderungen im Rohrleitungssystem werden nicht behauptet.
30Der routinemäßige Austausch der Wassermengenzähler nach Ablauf der Eichfrist berührt die Berechtigung der Beklagten zur Anwendung des Ersatzverfahrens nicht. Eine Beschränkung der Bestandsschutzregelung auf dem Zeitraum bis zum Austausch Messgeräts ist weder dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV a. F. noch der Verordnungsbegründung zu entnehmen.
31Der in § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV a.F. verwandte Terminus „Einrichtungen zur Messung der Wassermenge“ erfordert eine Beschränkung auf das reine Messgerät Wassermengenzähler nicht. Bei Einrichtungen (Plural) zur Messung kann es sich rein sprachlich auch um ein über das einzelne Messgerät hinausgehendes, komplexes System handeln.
32Für ein solches Verständnis spricht die Begründung der Verordnung. Schon in der ursprünglichen Begründung des Bundeswirtschaftsministeriums für den Regierungsentwurf der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme von 1980 wurde ausgeführt, Messeinrichtungen seien in erster Linie sogenannte Wärmemengenmesser, aber auch Ersatzverfahren, bei dem nur die Wassermenge gemessen und die Temperaturdifferenz nach Stichproben oder Erfahrungswerten ermittelt werde, oder Hilfsverfahren (BR-Drs. 90/80 S. 32 ff., Anlage B 10). Das Ersatzverfahren erschöpft sich folglich nach Auffassung des Verordnungsgebers gerade nicht im bloßen Messgerät Wassermengenzähler.
33Die vorliegend streitgegenständliche Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV a. F. ist im Zuge der Änderung der AVBFernwärmeV im Jahr 1989 als Bestandsschutzregelung für abgeschlossene oder laufende Bauvorhaben geschaffen worden. Bei diesen sollte das Ersatzverfahren trotz seiner in der Praxis gezeigten Ungenauigkeit zulässig bleiben, um laufende Bauvorhaben nicht zu beeinträchtigen, wenn die entsprechenden Messeinrichtungen vor dem 30. September 1989 installiert worden sind (BR-Drs. 494/88 S. 37). Sie war nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht an die fortgesetzte Nutzung des seinerzeit eingebauten Wassermengenzählers geknüpft, sondern sollte im Ermessen des Fernwärmeversorgungsunternehmens stehen, da dieses berechtigt sein sollte, das anzuwendende Messverfahren von sich aus zu ändern (BR-Drs. 494/88 S. 37). Welches Verfahren zur Ermittlung des verbrauchsabhängigen Entgelts herangezogen wird, bestimmt dementsprechend nach § 18 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 AVBFernwärmeV a.F. das Fernwärmeversorgungsunternehmen (Wollschläger in Theobald/Kühling, Energierecht, Stand 2022, AVBFernwärmeV § 18 Rn. 12).
34Dass der Austausch des Wassermengenzählers nicht zum Entfallen des Bestandsschutzes führt, zeigt auch die explizite Übernahme der Bestimmung in § 18 Abs. 1 Satz 2 AVBFernwärmeV in der seit dem 5. Oktober 2021 geltenden Fassung. Der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Streichung der Bestimmung ist der Bundesrat erfolgreich mit der Begründung entgegengetreten, die bisherigen Sonderregelungen in § 18 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AVBFernwärmeV bildeten weiterhin vorhandene Messkonzepte ab, die bauhistorisch gewachsen und auch künftig erforderlich seien, weil eine Umstellung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand geleistet werden könne und für den Wärmenutzer im Übrigen keinen Mehrwert habe (BR-Drs. 310/1/21 S. 19). § 18 Absatz 1 Satz 3 AVBFernwärmeV regele die Zulässigkeit der Verbrauchserfassung über Wasserzähler, wenn die Einrichtungen zur Messung der Wassermenge vor dem 30. September 1989 installiert worden seien. Da die Umstellung auf Warmwasserzähler nicht nur einen Austausch der Zähler, sondern des Rohrleitungssystems verursachen würde, bestünden solche Konzepte fort (BR-Drs. 310/1/21 S. 20).
35Diese Begründung lässt Rückschlüsse auch auf die Motive des Verordnungsgebers bei Schaffung der Regelung im Jahr 1989 zu, da sich der vorstehend dargestellte technische Hintergrund nicht verändert hat. Grund für die Gewährung von Bestandsschutz für vor dem 30. September 1989 installierte Einrichtungen zur Messung der Wassermenge war, dass es für eine Umstellung auf die Wärmemengenmessung gerade nicht ausreicht, den Wassermengenzähler durch einen Wärmemengenzähler auszuwechseln, sondern dass das gesamte Rohrleitungssystems des Hauses ausgetauscht werden müsste. Der bloße Austausch eines Zählers wäre wohl auch schon 1989 jedenfalls bei laufenden Bauvorhaben kaum geeignet gewesen, einen Bestandschutz zu begründen. Vor diesem Hintergrund ist der Terminus „Einrichtungen zur Messung der Wassermenge“ jedenfalls im Sinne der kompletten Warmwasserverrohrung des Hauses zu verstehen.
36Wäre der Austausch der Zähler ausreichend, wäre die Regelung im Übrigen entgegen der Auffassung des Verordnungsgebers jedenfalls seit 1998 auch obsolet. Die Eichfristen für Wassermengenzähler betrugen 1989 gemäß § 12 Abs. 1 Eichordnung i.V.m. Anhang B, Ordnungsnummern 6.1 und 6.2 acht Jahre für Kalt- und fünf Jahre für Warmwasserzähler. Dementsprechend wurden die Zähler alle fünf beziehungsweise acht Jahre ausgetauscht, da eine neue Eichung weder wirtschaftlich sinnvoll noch in Praxis machbar gewesen wäre, da das Gerät für den Zeitraum der Eichung ausgebaut werden müsste und in dieser Zeit kein Warmwasser zur Verfügung gestanden hätte.
37b) Die Beklagte hat das Ersatzverfahren gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV a.F. auch ordnungsgemäß angewandt; eines Ausweises der aus der gemessenen Wassermenge berechneten Wärmemenge bedurfte es nicht.
38Nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV a.F. ist anstelle der Wärmemessung im Rahmen des Ersatzverfahrens auch die Messung der Wassermenge ausreichend. Das Ersatzverfahren wird in der AVBFernwärmeV nicht definiert. Soweit die Klägerin insoweit auf die Kommentierung von Lammel verweist, wonach beim Ersatzverfahren nicht nur die Menge des Wassers als Träger der Heizwärme dauernd zu messen, sondern zudem die Temperaturdifferenz nach Stichproben oder Erfahrungswerten ermittelt sei (Lammel, HeizkostenV, 5. Aufl. 2022, § 12 Rn. 45), lässt sich daraus eine generelle Verpflichtung zum Ausweis einer Umrechnung der gemessenen Wassermenge in die abzurechende Wärmemenge nicht ableiten. Die Verpflichtung zur Ermittlung der Temperaturdifferenz nach Stichproben oder Erfahrungswerten besteht nicht zweckfrei.
39Nach der bereits zitierten Begründung des Bundeswirtschaftsministeriums für den Regierungsentwurf der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme von 1980 wird zum Ersatzverfahren ausgeführt, die Messung der Wassermenge und die Ermittlung der Temperaturdifferenz nach Stichproben und Erfahrungswerten gestatte zwar nur eine weniger genaue Feststellung des Wärmeverbrauchs, biete aber gleichwohl eine ausreichende Grundlage für eine verbrauchsabhängige Abrechnung (BR-Drs. 90/80 S. 32 ff., Anlage B 10). Dem ist zu entnehmen, dass die Ermittlung der Temperaturdifferenz nach Stichproben und Erfahrungswerten der Gewährleistung einer ausreichend genauen Grundlage für die Wärmeabrechnung dient. Da Wasser eine spezifische Wärmekapazität von 4,183 Kilojoule pro Kilogramm und Kelvin hat (www.chemie.de, Spezifische Wärmekapazität, Wasser, flüssig), können sich Ungenauigkeiten bei der Wärmeabrechnung folglich nur aus Schwankungen der Temperaturdifferenz beim zu erwärmenden Wasser ergeben. Der Erfassung dieser Schwankungen der Temperaturdifferenz dient die Ermittlung nach Stichproben und Erfahrungswerten.
40Vorliegend fehlt es jedoch nach dem unwiderlegten Vortrag der Beklagten an derartigen Schwankungen. Danach wird das mit konstant 10 Grad aus dem Leitungsnetz entnommene Kaltwasser auf konstant 60 Grad erwärmt. Die Temperaturdifferenz beträgt also stets 50 Grad. Aufgrund der bekannten spezifischen Wärmekapazität folgt die verbrauchte Wärmemenge folglich unmittelbar aus der gemessenen Wassermenge, wobei für Leitungsverluste allgemeine Erfahrungswerte bestehen. Die vom Verordnungsgeber gesehene Schwäche des Ersatzverfahrens, Ungenauigkeiten bei der Feststellung des Wärmeverbrauchs aufgrund nur stichprobenartig erfasster Schwankungen bei der Temperaturdifferenz, besteht also hier so nicht. Eine stichprobenartige Messung der Temperaturdifferenz wäre daher vorliegend schlicht unsinnig.
41Für eine individuelle Abrechnung der für die Warmwasserbereitung aufgewandten Wärme reicht es daher aus, diese ins Verhältnis zur insgesamt verbrauchten Warmwassermenge zu setzen und so dem Warmwasser einen Preis pro Kubikmeter zuzuordnen. Ausweislich des als Anlage B 2 vorgelegten Schaltbilds wird die für die Warmwasseraufbereitung genutzte Fernwärme separat von der für die Raumwärme genutzten erfasst. Der so ermittelte Preis pro Kubikmeter Warmwasser wird sodann mit dem individuellen Verbrauch des Nutzers multipliziert und abgerechnet.
42Vor diesem Hintergrund wäre es nicht zielführend, der Beklagten gleichwohl eine Umrechnung der Wassermenge in eine Wärmemenge aufzugeben. Hierdurch würde für den Verbraucher kein Mehrwert geschaffen. Ob ihm sein individueller Verbrauch an Warmwasser oder sein individueller Verbrauch an Wärme für die Warmwasserbereitung in Rechnung gestellt wird, ist für ihn irrelevant. Der Preis bleibt der gleiche, der Zusammenhang zwischen individuellem Nutzungsverhalten und eigenen Kosten ist in gleicher Weise gewährleistet.
433) Die Klägerin hat im Übrigen unabhängig von der Frage der Ordnungsgemäßheit der Abrechnung der Wärme für die Warmwasserbereitung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV a. F. aber auch deswegen keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil ein Schaden durch die von der Beklagten gewählte Abrechnungsmethode nicht festzustellen ist. Einen konkreten Schaden hat die Klägerin nicht unter Beweis gestellt, eine Schätzung nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO kommt entgegen der landgerichtlichen Auffassung mangels greifbarer Anhaltspunkte nicht in Betracht
44Eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV scheidet aus. Abgesehen davon, dass es sich bei dem Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV um eine Vorschrift im Rahmen eines Sonderrechtsgebietes handelt, das im öffentlich-ökonomischen-ökologischen Interesse eine verbrauchsabhängige Abrechnung vorschreibt und schon von daher nicht analogiefähig ist (Lammel, HeizkostenV, 5. Aufl. 2022, § 12 Rn. 8), hängt das Kürzungsrecht um 15 Prozent gerade davon ab, dass nicht verbrauchsabhängig abgerechnet worden ist (Lammel, HeizkostenV, 5. Aufl. 2022, § 12 Rn. 12).
45Dabei wird unterstellt, dass durch die verbrauchsabhängige Kostenverteilung jeder Nutzer als wirtschaftlich rational denkender und handelnder Mensch (homo oeconomicus) bemüht sein werde, die Kosten für sich zu senken, was er nur durch eine Verbrauchsdrosselung erreichen kann (Lammel, HeizkostenV, 5. Aufl. 2022, § 12 Rn. 9). Die Pauschalierung des Schadensersatzes beruht dabei auf den Ergebnissen von Gutachten zur Vorbereitung der Heizkostenverordnung, in denen festgestellt worden ist, dass bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung mit einer Energieersparnis in Höhe von 15 Prozent zu rechnen sei (BR-Drs. 632/80, S. 13). Eine gutachterliche Überprüfung dieser Annahme während der Wirkungsdauer der Heizkostenverordnung ist zu einem Einsparpotential in Höhe von rund 13 Prozent gekommen (Lammel, HeizkostenV, 5. Aufl. 2022, § 12 Rn. 10 u. Verw. a. BMWI, Durchführung der verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung und ihre Auswirkung auf den Energieverbrauch, S. 52, sog. GEWOS-Gutachten; HKA 1986, 25).
46Von daher ist auch der § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV zugrunde liegende Rechtsgedanke allenfalls auf solche Sachverhalte zu übertragen, in denen eine Abrechnung individueller Verbräuche gesetz- oder vertragswidrig unterblieben ist. Allein auf solche Konstellationen beziehen sich die von der Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 3. März 2020 angeführten Gerichtsentscheidungen, wie sie selbst einleitend unter C.II. richtig ausführt.
47Vorliegend ist jedoch der Wärmeverbrauch für die Warmwasserbereitung von der Beklagten individuell für jeden Nutzer erfasst und auf der Basis dieser individuellen Verbräuche abgerechnet worden. Dass das Ersatzverfahren weniger genau als die Messung mittels Wärmemengenmesser ist (vgl. BR-Drs. 494/88 S. 37), ändert daran ebenso wenig etwas, wie der unterbliebene Ausweis der Umrechnung der verbrauchten Warmwassermenge in Wärmeleistung in der Abrechnung. Es bleibt eine individuelle Abrechnung, bei der dem Nutzer der Zusammenhang zwischen seinem individuellen Nutzungsverhalten und der von ihm zu vergütenden Wärmeleistung klar vor Augen geführt wird. Anders als bei einem Umlageverfahren, bei dem der einzelne Nutzer allein durch sein Verhalten seine Abrechnung kaum beeinflussen kann, besteht auch bei einer weniger genauen individuellen Abrechnung ein klarer Zusammenhang zwischen eigenem Nutzungsverhalten und zu zahlender Vergütung.
48Dafür, dass bloße Ungenauigkeiten der Abrechnungsmethode trotz des auch hier bestehenden klaren Zusammenhangs zwischen eigenem Nutzungsverhalten und zu zahlender Vergütung einen wirtschaftlich rational denkenden und handelnden Menschen nicht in gleicher Weise zu einer Verbrauchsdrosselung veranlassen, wie eine genauere Abrechnungsmethode, spricht nichts; jedenfalls aber fehlt es insoweit an hinreichend validen Erfahrungswerten. Damit ist für eine Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO kein Raum. Von einer Schätzung, die mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde, muss das Gericht absehen (BGH, Urteil vom 26. November 1986, VIII ZR 260/85, NJW 1987, 909, 910).
49Beweis hat die Klägerin für ihren Vortrag nicht angeboten, weil auch sie zu Recht davon ausgeht, dass Änderungen im individuellen Nutzerverhalten nicht rückwirkend ermittelt werden können. In Betracht käme allenfalls eine groß angelegte wissenschaftliche Feldstudie. Ebenso wenig, wie es Aufgabe der Tatsachengerichte ist, neuartigen Forschungsergebnissen und Thesen zum Durchbruch zu verhelfen (OLG Rostock, Urteil vom 13. Mai 2009, 3 U 3/08, NJOZ 2009, 3329, 3332/3333), ist es aber auch nicht ihre Aufgabe, Forschung zu betreiben. Gerichte sind nicht in der Lage, fachwissenschaftliche Erkenntnislücken selbstständig zu schließen, und auch nicht verpflichtet, über Ermittlungen im Rahmen des Stands der Wissenschaft hinaus Forschungsaufträge zu erteilen (BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018, 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14, NvWZ 2019, 52 Rn. 20).
50III.
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
52Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
53Abweichende Entscheidungen anderer Berufungsgerichte, die geeignet wären, eine Divergenz zu begründen (BGH, Beschluss vom 13. September 2022, XI ZR 515/21, BeckRS 2022, 28818 Rn. 26), sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
54Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat eine Sache nur dann, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Daran fehlt es in mehrfacher Hinsicht.
55Eine Anwendbarkeit der Heizkostenverordnung auf individuell ermittelte Verbräuche wird auch in der Literatur nicht vertreten. Für Zweifel an der fortdauernden Anwendbarkeit des Ersatzverfahrens ist jedenfalls vor dem Hintergrund der expliziten Entscheidung des Gesetzgebers für eine Fortgeltung der Regelung kein Raum. Die Frage, ob die Beklagte das Ersatzverfahren richtig angewandt hat, dürfte tatsächlicher Natur sein.
56Im Hinblick auf Anwendbarkeit und Anwendung des Ersatzverfahrens steht einer Revisionszulassung aber auch das Fehlen eines Schadens entgegen, die der Frage ihre Entscheidungserheblichkeit nimmt. An der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit fehlt es, wenn das Berufungsgericht seine Entscheidung vor- oder gleichrangig und nicht nur hilfsweise auf eine zweite Begründung stützt, die sein Ergebnis trägt (Ball in Musielak/Voit, ZPO 19. Aufl. 2022, § 543 Rn. 9k).
57Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird entsprechend der streitwertbestimmenden Hauptforderung auf … Euro festgesetzt, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben als Nebenforderungen unberücksichtigt zu bleiben.