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Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Rheinland vom 4. Januar 2021 (VK 38/20-L) im Umfang der Ziffern 1. und 2. des Beschlusstenors aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens „Betrieb einer Umschlaganlage des kombinierten Verkehrs“ (Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 7. August 2019, Bekanntmachungs-Nr. 2019/S 151-373823) rechtswidrig war und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer tragen die Verfahrensbeteiligten jeweils zur Hälfte, die ihnen im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen tragen sie jeweils selbst. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben, hiervon ausgenommen sind die Kosten des erfolglosen Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB, welche die Antragstellerin zu tragen hat.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf … Euro festgesetzt.
G r ü n d e
2I.
3Die Antragsgegnerin, ein kommunales Unternehmen, dessen Grundkapital vollständig in öffentlicher Hand ist und das an mehreren Standorten in L. Logistikdienstleistungen erbringt, hält in L.1. ein großes Grundstück in Erbpacht. Auf diesem hat sie ein in mehrere Module aufgeteiltes Terminal für den kombinierten Verkehr (KV-Terminal) zu errichten begonnen, dessen Aufbau sie weiter fortsetzt. Die erste Baustufe ist im Jahr 2015 fertiggestellt worden.
4Mit Konzessionsbekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 7. August 2019 (Anlage ASt. 2) schrieb die Antragsgegnerin für das Gelände den „Betrieb einer Umschlaganlage des kombinierten Verkehrs“ in Form einer Dienstleistungskonzession europaweit aus. Vorgesehen war eine Vergabe im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb. In der Auftragsbekanntmachung war die Beschaffung wie folgt beschrieben:
5„Zur Stärkung des Industrie- und Logistikstandortes Köln errichtet die HGK ein Terminal für den bimodalen (Schiene/Straße) kombinierten Verkehr. Der Standort des Terminals liegt im Stadtteil Köln-Niehl in unmittelbarer Nähe der Ford Werke AG und der Kölner Müllverbrennungsanlage. Das Terminal ist dabei Bestandteil des geplanten Industrieparks Nord der Stadt Köln. [...] In der ersten Baustufe (Modul A) stehen 5 Umschlaggleise mit einer betrieblich nutzbaren Länge von jeweils 700 Metern, 4 Abstellspuren für Ladeeinheiten sowie 3 Containerkräne zu Verfügung. Die Fertigstellung des KV-Terminals (Modul A) ist für Ende 2019/Anfang 2020 vorgesehen. Die Erweiterung des Terminals (Modul B) erfolgt in Abhängigkeit der weiteren Marktentwicklung. Modul B umfasst weitere 4 Umschlaggleise, 3 Abstellspuren und 3 Containerkrananlagen. Die Realisierung der weiteren Baustufen steht unter dem Vorbehalt der Gewährung weiterer Fördermittel durch das EBA. Der Bau von Modul B kann zu Einschränkungen im Betrieb von Modul A führen. Grundsätzlich ist ein Betrieb von 24 Stunden am Tag, an 7 Tagen in der Woche, möglich. Im Rahmen dieser Ausschreibung wird ein Betreiber für das KV-Terminal (Modul A) gesucht. Der Betreiber soll die KV-Anlage über eine Laufzeit von 10 Jahren mit eigenem Personal und auf eigenes Risiko technisch und wirtschaftlich betreiben.“
6In der Auftragsbekanntmachung war kein geschätzter Gesamtwert der Konzession angegeben. Das dafür vorgesehene Feld war unbesetzt. Im Vergabevermerk der Antragsgegnerin findet sich zum Wert der Konzession die Angabe: „Der geschätzte Auftragswert beläuft sich auf ca. 23,6 Mio. €.“ Dem lag eine Auftragswertschätzung der Antragsgegnerin vom 15. Juli 2019 (Anlage AG 2) zugrunde. In dieser hieß es unter anderem wie folgt:
7„Der Auftragswert wird wie folgt geschätzt:
8Platzfläche*ortüblicher Mietpreis pro m² pro Anno + Kranmiete
9Die Platzfläche welche durch den Betreiber genutzt werden kann: 151.045 m²
10Ortüblicher Mietpreis: X € pro m² und Jahr
11Ortübliche Kranmiete: Y € pro Kran und Jahr
12151.045 m²*X € + 3*Y € = X € + Y € = Z €
13Daraus ergibt sich folgende Schätzung:
14Vertragsjahr Schätzung 2020 … € 2021 … € 2022 … € 2023 … € 2024 … € 2025 … € 2026 … € 2027 … € 2028 … € 2029 … € Summe … € |
Um zu prüfen, ob diese Summe mit den geförderten Kosten korreliert, wird die beigefügte ExcelTabelle verwendet.
16Zum heutigen Stand ist nicht davon auszugehen, dass die Investition vollständig gefördert wird.
17Aufgrund von diversen Altlasten sind die Baukosten massiv gestiegen. Der Zuwendungsbescheid für diese gestiegenen Kosten wurde noch nicht erteilt. Darüber hinaus ist es aufgrund der Altlasten zu einem verzögertem Bauablauf gekommen. Stand heute (Juli 2019) können die letztendlich anfallenden Baukosten und die daraus resultierenden Zuwendungen nicht vollumfänglich beschrieben werden.
18Die dritte Krananlage ist mit Stand Juli 2019 noch nicht gefördert, der Zuwendungsbescheid steht derzeit noch aus.
19Es wird empfohlen diverse Szenarien zu berechnen und im Laufe der Ausschreibung zu monitoren.
20Der Aufwand für den KV-Nord berechnet sich aus folgenden Einzelposten:
21Baukosten für Modul A2 inkl. Krananlagen: ca. … Mio. (Details hierzu siehe Tabelle, Blatt Zusammenfassung, Spalte N)
22• Zum Teil Zuschussfähig
23Abschreibung für Baustufe Modul A1 nach Abzug Zuschuss: ca. … Mio Euro
24(Details hierzu siehe Tabelle, Blatt Variablen, Zeile 25)
25• Zuschuss bereits berücksichtigt
26Erbpacht: ca. … Mio (Details hierzu siehe Tabelle, Blatt Variablen, Zeile 19)
27• Zum Teil Zuschussfähig
28Kranwartungskosten: ca. … Mio (Details hierzu siehe Tabelle, Blatt Variablen, Zeile 8)
29• Nicht Zuschussfähig
30IT-Wartungskosten: ca. … Mio (Details hierzu siehe Tabelle, Blatt Variablen, Zeile 13)
31• Nicht Zuschussfähig
32Der Aufwand für die unterschiedlichen Zuschussszenarien sieht wie folgt aus:
33[...]
34Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Mietpreis von … Mio Euro für 10 Jahre ortsüblich ist, und der getätigten Investition bei einem Zuschuss von 48% entspricht.“
35Das Eisenbahn-Bundesamt hatte der Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die „Richtlinie zur Förderung von Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs vom 01.04.2009 (RFU 2009)“ mit Zuwendungsbescheid vom 20. Dezember 2017 (Anlage ASt. 3) für den Neubau der 2. Teilbaustufe der Baustufe 1 des KV-Terminals eine Zuwendung in Höhe von maximal 80 % der festgestellten zuwendungsfähigen Ausgaben bis zu einem Höchstbetrag von … Euro als Baukostenzuschuss gewährt. Der Zuwendungsbescheid sah eine Vorhaltepflicht für die finanzierten Anlagen und Anlagenteile von 20 Jahren vor. Auf drei Seiten enthielt der Bescheid Auflagen und Bedingungen, darunter unter Ziffer 12 die folgende Regelung:
36„Der Betrieb des KV-Terminals ist in zwei überregionalen Tageszeitungen und in einer Verkehrsfachzeitschrift auszuschreiben. [...]
37Die Bewilligungsbehörde kann das Ausschreibungsverfahren nachprüfen und bei der Feststellung sachwidriger Gründe für die Auswahl des Bewerbers eine Wiederholung der Ausschreibung verlangen. Ein schwerwiegender Verstoß gegen die Ausschreibungsvorschriften kann zum Widerruf des Zuwendungsbescheides führen.“
38Die Antragsgegnerin ließ die Antragstellerin und ein weiteres Unternehmen zum Verhandlungsverfahren zu. Mit Schreiben vom 20. September 2019 (Anlage ASt. 5) forderte sie die beiden Unternehmen zur Abgabe eines indikativen Angebots auf. Dem Schreiben war der Entwurf eines Pacht- und Betreibervertrags (Anlage ASt. 4) beigefügt, in den Pachtzinsbeträge voreingetragen waren, die sich über den Zeitraum von 10 Jahren auf … Millionen Euro summierten. Wie die Antragsgegnerin auf eine Bieterfrage klarstellte (Anlage ASt. 7), waren die Bieterunternehmen, weil die Höhe des Pachtzinses das einzige Zuschlagskriterium sein sollte, an die Voreintragung nicht gebunden. Auf weitere Bieterfragen teilte die Antragsgegnerin unter anderem mit, dass die Eisenbahninfrastruktur des Terminals nicht auf 740 m-Züge, die zukünftige europäische Standard-Zuglänge, ausgerichtet ist, eine Streckenelektrifizierung bis zum Terminal nicht vorgesehen ist und auf dem Gelände kein Bürogebäude und keine Tankstelle vorhanden sowie bestimmte Flächen nicht für das Befahren durch Reachstaker ausgelegt sind (Anlage ASt. 8). Die Antragstellerin bot mit ihrem indikativen Angebot einen Pachtzins für die Laufzeit von 10 Jahren in Höhe von insgesamt … Euro an, das mitbietende Unternehmen in Höhe von […] Euro. Am 26. November 2019 führte die Antragsgegnerin mit der Antragstellerin ein erstes Verhandlungsgespräch. Nach Abschluss der ersten Verhandlungsrunde fügte die Antragsgegnerin den Vergabeunterlagen eine Vollservicevereinbarung für Wartung und Instandsetzung der Krananlagen (Anlage ASt. 12) hinzu, wonach die Antragsgegnerin als Konzessionsgeberin während des Konzessionszeitraums für die Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen an den Krananlagen zuständig bleiben sollte.
39In der zweiten Verhandlungsrunde sollten die Bieterunternehmen entsprechend dem Angebotsaufforderungsschreiben der Antragsgegnerin vom 13. März 2020 (Anlage ASt. 13) erstmals verbindliche Angebote einreichen. Mit Schreiben vom 8. April 2020 (Anlage ASt. 14) rügte die Antragstellerin das wirtschaftliche Risiko als vergaberechtswidrig, welches für sie mit einer drohenden Insolvenz eines Kranherstellers verbunden sei, dessen Kräne auf dem Terminalgelände Einsatz finden. Die Antragsgegnerin wies diese Rüge unter Hinweis auf eine Änderung im Entwurf des Pacht- und Betreibervertrags (Anlage ASt. 17), mit der Gewährleistungsansprüche und Ansprüche aus diese sichernden Bürgschaften abgetreten werden, zurück (Anlage ASt. 16). Sowohl die Antragstellerin wie auch die weitere Mitbieterin gaben daraufhin am 29. April 2020 Angebote ab. Dasjenige der Antragstellerin belief sich auf … Euro und das der weiteren Bieterin auf […]. Die Antragsgegnerin lud beide Bieterunternehmen zu Verhandlungsgesprächen am 20. Mai 2020 ein. Zu dem Gespräch mit der Mitbieterin der Antragstellerin heißt es im Vergabevermerk:
40„Im Verhandlungsgespräch mit der I. wurde die unübersichtliche Lage durch Corona thematisiert und von Seiten der I. die Empfehlung zur Aufhebung gegeben.“
41Mit Schreiben vom 28. Mai 2020 (Anlage ASt. 18) forderte die Antragsgegnerin die Bieterunternehmen auf, bis zum 3. Juni 2020 finale Angebote abzugeben. Eine Bitte um Verlängerung der Angebotsfrist lehnte die Antragsgegnerin ab (Anlage ASt. 19). Die Antragstellerin gab unter dem 2. Juni 2020 ein finales Angebot (Anlage ASt. 20) ab, das gegenüber ihrem ersten verbindlichen Angebot nicht verbessert war und sich erneut auf … Euro belief. In einem Begleitschreiben vom 2. Juni 2020 erläuterte sie der Antragsgegnerin Gründe hierfür. Das finale Angebot des weiteren Bieterunternehmens vom 3. Juni 2020 belief sich […] auf […].
42Im Vergabevermerk ist zum Submissionsergebnis und der sich daran anschließenden Entscheidungsfindung Folgendes festgehalten:
43„6. Verhandlungsverfahren 3
44a. Die Angebote zum Verhandlungsverfahren wurden sowohl von der E. als auch von I. korrekt eingereicht.
45b. Die Angebote wurden geprüft und wiesen gegenüber den Kosten der HGK eine nennenswerte Kostenunterdeckung auf.
467. Aufhebung des Vergabeverfahrens
47a. Aufgrund der nennenswerten Kostenunterdeckung wurde die Empfehlung zur Aufhebung des Verfahrens gegeben.
48b. Alle Beteiligten der HGK einigten sich darauf, das Verfahren am 08.06.2020 wegen Unwirtschaftlichkeit aufzuheben.“
49In dem zur Vergabeakte gehörenden Dokument „Bewertung der finalen Angebote“ (Anlage AG 13) hat die Antragsgegnerin darüber hinaus eine kaufmännische Wertung des Angebots der Antragstellerin vorgenommen. Darin hat sie einem jährlichen Umsatzerlös durch Pachteinnahmen von im Mittel … Euro einen eigenen Aufwand in Abhängigkeit von variierenden Zuschussleistungen gegenübergestellt. Resümierend hat sie zu dieser Gegenüberstellung dort Folgendes ausgeführt:
50„Selbst bei einem Zuschuss von 70 % gibt es eine nennenswerte Kostenunterdeckung von ca. … Mio Euro.
51Es wird empfohlen die Ausschreibung aufzuheben und nach Erholung der wirtschaftlichen Einbrüche durch Corona neu auszuschreiben.“
52Die Antragsgegnerin hob das Vergabeverfahren auf und unterrichtete hierüber mit einer E-Mail vom 8. Juni 2020 das Eisenbahnbundesamt und mit zwei Mitteilungsschreiben vom 8. und 9. Juni 2020 (Anlagen ASt. 21 und ASt. 22) die Antragstellerin. Als Aufhebungsgrund wird in den letztgenannten Schreiben darauf verwiesen, dass kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt worden sei. Mit vierseitigem Schreiben vom 15. Juni 2020 (Anlage ASt. 23) rügte die Antragstellerin die – aus ihrer Sicht unzureichende – Begründung der Aufhebungsentscheidung wie auch die Aufhebung insgesamt als vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin wies die Rügen mit Schreiben vom 19. Juni 2020 (Anlage Ast. 24) zurück. Darin führte sie zur Begründung der Aufhebung unter anderem aus:
53„[...] Die zitierte Rechtsprechung wird insofern auf die Vergabe einer Konzession zu adaptieren sein, als es nicht auf die Überschreitung eines kalkulierten Auftragswertes ankommen kann. Da ein höheres Konzessionsentgelt eine höhere Wirtschaftlichkeit bedeutet, wird vielmehr bei einer erheblichen Unterschreitung eines von der Vergabestelle kalkulierten Konzessionsentgelts von einem unwirtschaftlichen Angebot auszugehen sein.
54Im vorliegenden Fall hat die HGK für die gesamte Vertragslaufzeit bis ins Jahr 2029 mit Konzessionsentgelten in Höhe von insgesamt … € kalkuliert. Ihr Angebot enthielt für diesen Zeitraum nur ein Konzessionsentgelt in Höhe von … €. Es lag somit eine Unterschreitung des kalkulierten Auftragswertes um … % vor. Eine derart hohe prozentuale Unterschreitung rechtfertigt nach der einschlägigen Judikatur gerade bei einem Auftragswert im zweistelligen Millionenbereich deutlich die Annahme der Unwirtschaftlichkeit des Angebotes. Für diese Annahme hätte bereits eine deutlich geringere prozentuale Unterschreitung genügt. [...]“
55Die Antragstellerin hat am 3. Juli 2020 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Rheinland gestellt. Darin hat sie die Ansicht vertreten, dass der Aufhebungsgrund des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV nicht vorliege. Ihr Angebot sei wirtschaftlich kalkuliert, wie sich auch aus dem von ihr mit dem Angebot vorgelegten Wirtschaftsplan ergebe. Ausgangspunkt für die Feststellung einer etwaigen Unwirtschaftlichkeit sei eine ordnungsgemäße Vertragswertschätzung des öffentlichen Auftraggebers, an der es jedoch fehle. Die Antragsgegnerin habe bei ihrer Vertragswertschätzung die räumliche Lage des Terminals und die wirtschaftliche Situation außer Acht gelassen. In der Nähe liege das zu günstigen Konditionen betriebene KV-Terminal Köln-Eifeltor. Zugleich sei die straßenseitige Erschließung des Terminals Köln-Nord in Niehl durch die Arbeiten an der Leverkusener Brücke blockiert und sei die Bahnanbindung schwierig. Zudem seien die Preisgestaltungsmöglichkeiten des Terminalbetreibers begrenzt, weil das Terminal infolge der Förderauflagen diskriminierungsfrei als Multi-User-Terminal betrieben werden müsse. Infolge der Corona-Krise seien schließlich die weltweiten Gütertransporte rückläufig. Das Terminal starte damit in einer schlechten gesamtwirtschaftlichen Lage. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens entbehre überhaupt eines sachlichen Grundes. Es liege eine Scheinaufhebung vor. Die Antragsgegnerin wolle mit der Aufhebung eine Konzessionsvergabe an sie, die Antragstellerin, verhindern und die Konzession anderweitig vergeben. Das Feststellungsinteresse für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag ergebe sich aus ihrer Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, wenn die Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht rückgängig gemacht werde.
56Die Antragstellerin hat beantragt,
571. festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens unwirksam ist und die Antragsgegnerin bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Angebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in vergaberechtsfehlerfreier Weise zu berücksichtigen hat,
582. hilfsweise festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist.
59Die Antragsgegnerin hat beantragt,
60den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
61Die Antragsgegnerin hat die Ansicht vertreten, dass das Submissionsergebnis im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV unwirtschaftlich gewesen sei. Der Annahme eines Vertragswerts von … Millionen Euro hätten zwei nachvollziehbare Begründungsansätze zugrunde gelegen. Primär habe sie, die Antragsgegnerin, auf den ortsüblichen Pachtzins für das Hafengrundstück und die dazugehörigen Kräne abgestellt, der sich an ortsüblichen Vergleichsmieten orientiere. Die Erwirtschaftung des ortsüblichen Pachtzinses stelle einen zwingend zu erzielenden Mindestumsatz dar, um einen kostendeckenden und wirtschaftlich sinnvollen Vertragsschluss zu ermöglichen. Darüber hinaus müsse mit den Pachtzinserträgen wenigstens der entstehende Kostenaufwand für die Errichtung des KV-Terminals gedeckt werden. Bei angenommenen Gesamtkosten von … Millionen Euro binnen zehn Jahren und einer Bezuschussung der Baukosten in einer Höhe von 48 % verblieben ihr Kosten von … Millionen Euro, die mit einem Pachtzins von insgesamt … Millionen Euro gedeckt werden könnten. Zum Zeitpunkt der Vertragswertschätzung sei für sie nicht vorhersehbar gewesen, dass sich die Fertigstellung der Leverkusener Brücke infolge einer Kündigung des Bauvertrags im April 2020 bis mindestens September 2023 verzögern werde. Nicht erkennbar gewesen sei für sie auch die nach Auffassung der Antragstellerin drohende Insolvenz eines Kranherstellers. Schließlich habe bei der Vertragswertschätzung nicht die Coronavirus-Pandemie berücksichtigt werden können, die sich ab dem Frühjahr 2020 negativ auf die Bruttowertschöpfung im Frachtverkehr und in der Logistik ausgewirkt habe. Das finale Angebot der Antragstellerin führe selbst bei einer unterstellten Förderquote von 70 % zu einer Unterdeckung von über … Millionen Euro und bei einer fernliegenden Maximalförderung von 80 % der Errichtungskosten immer noch zu einer Unterdeckung von über … Million Euro. Sie, die Antragsgegnerin, plane, die Konzession erneut im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb auszuschreiben, wenn ein langfristig stabiler Bedarf an Logistikleistungen zu erwarten sei, der ein kostendeckendes Konzessionsentgelt verspreche.
62Der Antragstellerin fehle, so hat die Antragsgegnerin weiter ausgeführt, für den Nachprüfungsantrag ein Rechtsschutzbedürfnis. Sie nutze ihre formale Position als Bestbieterin aus, um sie, die Antragsgegnerin, mit der sie im Wettbewerb stehe, zu einer selbstschädigenden Beschaffung zu zwingen. Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet. Die Voraussetzungen einer Aufhebung des Vergabeverfahrens nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV hätten vorgelegen. Zwischen Angebot und Vertragswertschätzung habe eine Abweichung von fast 40 % gelegen. In Anbetracht dessen habe sie, die Antragsgegnerin, ihr Aufhebungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Ihre Schätzung, wonach sie als wirtschaftliche Messlatte die Höhe des Konzessionsentgelts gewählt habe, sei zutreffend gewesen. Bei der Wahl der objektiven Methode zur Bestimmung des Vertragswerts stehe dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu. Zur Berücksichtigung erst später eingetretener Umstände sei sie nicht verpflichtet gewesen. Der für die Schätzung des Vertragswerts maßgebliche Zeitpunkt sei der der Einleitung des Vergabeverfahrens gewesen. Die durch die erhebliche Abweichung von der Schätzung bestehende Situation sei mit einer Ermessensreduzierung auf Null vergleichbar. Eine Zurverfügungstellung des Terminals zu Bedingungen, die dem Konzessionsnehmer einen Ertrag versprechen, während der Konzessionsgeber auf Kosten sitzenbleibt, für die keine Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, wäre sachwidrig gewesen. Bei der Ermessensausübung und Interessenabwägung habe sie auch die pandemiebedingten Begleitumstände des Vergabeverfahrens berücksichtigt. Diese Umstände berechtigten sie, die Aufhebung auch nachträglich im Nachprüfungsverfahren auf eine wesentliche Änderung der Grundlage des Vergabeverfahrens im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KonzVgV zu stützen. Die Coronavirus-Pandemie stelle einen Aufhebungsgrund im Sinne der vorgenannten Bestimmung dar. Ein nachträglicher Austausch der Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung sei zulässig. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei nicht lediglich zum Schein erfolgt. Sie, die Antragsgegnerin, erleide durch den derzeitigen Eigenbetrieb der KV-Anlage monatlich erhebliche finanzielle Einbußen, ein Zuschlag auf ein auskömmliches Angebot sei auch in ihrem Interesse gewesen.
63Die Antragstellerin ist dem entgegengetreten. Sie hat – nach Einsichtnahme in Teile der Vergabeakte – gerügt, dass die Antragsgegnerin ihren Dokumentationspflichten nach § 6 Abs. 1 KonzVgV im Hinblick auf die Aufhebungsentscheidung nicht nachgekommen sei. Ein Hinweis auf pandemiebedingte Unwägbarkeiten als Aufhebungsgrund fehle in der Vergabeakte völlig. Auch die Vertragswertschätzung der Antragsgegnerin sei anhand des Inhalts der Vergabeakte nicht nachvollziehbar. Es fehle eine Begründung für die gewählte Schätzmethodik. § 2 KonzVgV sei nicht beachtet worden. Die der Schätzung zugrunde gelegten Beträge könnten zudem nicht überprüft werden. Teilweise würden fehlerhafte Einzelposten angesetzt. Die Aufhebungsentscheidung sei ermessensfehlerhaft. Es sei anzunehmen, dass die Antragsgegnerin nur zum Schein ausgeschrieben habe, um Fördermittel des Eisenbahnbundesamts zu erhalten. Tatsächlich wolle sie das Terminal in Eigenregie betreiben.
64Die Antragsgegnerin hat demgegenüber die Ansicht vertreten, dass in einem Fall wie dem vorliegenden an die Begründung der Aufhebungsentscheidung nur geringe Anforderungen zu stellen seien. Spätestens mit dem Nichtabhilfeschreiben vom 19. Juni 2020 und im Nachprüfungsverfahren seien von ihr ausreichende Ermessenserwägungen mitgeteilt worden. Eine solche Ergänzung der Erwägungen sei zulässig.
65Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 4. Januar 2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Antragsgegnerin vom Vergabeverfahren habe Abstand nehmen dürfen und nicht zur Fortführung des Vergabeverfahrens verpflichtet werden könne. Ein sachlicher Grund für die Aufhebungsentscheidung habe bestanden. Die Entscheidung sei weder willkürlich noch diskriminierend. Die Aufhebungsentscheidung sei im Übrigen auch rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 KonzVgV vorgelegen hätten. An die Ermessensausübung seien nach den Umständen nur geringe Anforderungen zu stellen gewesen, so dass auch kein Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Begründungspflicht vorliege. § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KonzVgV habe als weitere Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung noch nachträglich herangezogen werden dürfen. Wegen der erheblichen Abweichung zwischen Angebot und Vertragswertschätzung bedürfe die Schätzung bei der Bejahung des Aufhebungsgrunds des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV keiner vertieften Betrachtung. Wegen der weiteren Begründungseinzelheiten der Vergabekammerentscheidung wird auf den Beschluss verwiesen.
66Gegen den ihr am 4. Januar 2021 zugestellten Beschluss der Vergabekammer hat die Antragstellerin am 15. Januar 2021 sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Entgegen der Rechtsauffassung der Vergabekammer sei das Vergabeverfahren ohne sachlichen Grund und damit willkürlich aufgehoben worden. Es handele sich um eine Scheinaufhebung. Die Aufhebungsgründe des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 KonzVgV lägen nicht vor. Insbesondere sei ihr, der Antragstellerin, Angebot wirtschaftlich. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Vertragswertschätzung sei unrealistisch und methodisch grob fehlerhaft. Die Antragsgegnerin habe den Vertragswert in Abweichung von § 2 KonzVgV bewusst falsch ermittelt. Es sei ein Indiz für eine fehlerhafte Vertragswertschätzung, dass die Angebote mehrerer Bieter erheblich von der Schätzung abwichen. Die Vergabedokumentation lasse auch nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin ein etwaiges Aufhebungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt habe. Weder die Bieterinteressen noch die Handlungsalternativen seien abgewogen worden. Die fehlerhaften und fehlenden Ermessenserwägungen ließen sich weder nachholen noch auf einen anderen Aufhebungsgrund übertragen. Ein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor.
67Die Antragstellerin beantragt,
681. den Beschluss der Vergabekammer vom 4. Januar 2021 – VK 38/20-L – aufzuheben,
692. die Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die Antragsgegnerin aufzuheben und die Antragsgegnerin bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zu verpflichten, das Vergabeverfahren fortzuführen sowie das Angebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Vergabesenats zu werten,
703. hilfsweise festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die Antragsgegnerin rechtswidrig war und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist.
71Die Antragsgegnerin beantragt,
72die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland vom 04.01.2021, VK 38/20 L, zurückzuweisen.
73Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer als zutreffend. Der Eigenbetrieb des Terminals stelle nur eine Interimslösung dar, grundsätzlich bestehe ihr Beschaffungsbedarf fort. Ein etwaiger Dokumentationsmangel der Aufhebungsentscheidung rechtfertige nicht den Schluss auf eine Scheinaufhebung. An ihre Vertragswertschätzung dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Die Förderquote des Terminals liege aktuell bei 52 %, was zeige, dass die Annahme einer Förderquote von 48 % bei der Bestimmung des Vertragswerts zutreffend gewesen sei.
74Der Senat hat den Verfahrensbeteiligten mit Beschluss vom 12. April 2021, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, rechtliche Hinweise erteilt. Unter anderem hat er darauf hingewiesen, dass es im Rahmen des Aufhebungsgrunds des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV darauf ankommen dürfte, ob das Vergabeverfahren dem öffentlichen Auftraggeber noch einen wirtschaftlichen Gesamtvorteil gemäß § 152 Abs. 3 Satz 1 GWB bietet. Die Antragsgegnerin hat daraufhin vorgetragen, dass ihr wirtschaftlicher Gesamtvorteil gemäß § 152 Abs. 3 Satz 1 GWB mit dem Konzessionsentgelt bzw. dem vom Konzessionsnehmer zu zahlenden Pachtzins gleichzusetzen sei. Für die Angebotswertung sei ausschließlich das beste Preis-Leistungs-Verhältnis im Sinne von § 127 Abs. 1 Satz 2 GWB maßgeblich gewesen.
75Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie die Vergabeakte Bezug genommen.
76II.
77Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, hat aber nur im Umfang des Hilfsantrags Erfolg. Im Übrigen, soweit sie auf die Rückgängigmachung der Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichtet ist, ist sie unbegründet und abzuweisen.
781.
79Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere ist das Vergabenachprüfungsverfahren statthaft.
80Der für die Statthaftigkeit des Vergabenachprüfungsverfahrens im Fall der Vergabe von Konzessionen gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 4 GWB zu erreichende Schwellenwert wird überschritten. Zwar liegt – wie später noch näher ausgeführt werden wird – keine ordnungsgemäße Vertragswertschätzung gemäß § 2 KonzVgV vor. Der von der Antragstellerin im Vergabeverfahren angebotene Pachtzins, den die Antragsgegnerin für zu niedrig befunden hat, übersteigt den Schwellenwert aber bereits deutlich.
81Obwohl das Vergabeverfahren mit seiner Aufhebung durch die Antragsgegnerin grundsätzlich beendet ist, kann gegen die Aufhebungsentscheidung ungeachtet des § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB noch um Primärrechtsschutz vor den Vergabenachprüfungsinstanzen nachgesucht und die Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens beantragt werden (vgl. Lischka, in: Müller-Wrede, VgV/UVgO, § 63 VgV Rn. 93 m.w.N.; Portz, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 63 Rn. 92 ff.).
822.
83Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet, soweit er auf die Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichtet ist. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist wirksam.
84a)
85Ein öffentlicher Auftraggeber kann ein Vergabeverfahren grundsätzlich auch dann wirksam aufheben, wenn keiner der im Einzelfall zur Aufhebung berechtigenden Tatbestände – hier des § 32 Abs. 1 Satz 1 KonzVgV – vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2014 – X ZB 18/13, zitiert nach juris, Tz. 20). § 32 Abs. 1 Satz 2 KonzVgV stellt das für das Konzessionsvergabeverfahren klar. Ein Anspruch eines Bieters auf Weiterführung eines Vergabeverfahrens kommt infolge der auch für den öffentlichen Auftraggeber geltenden Vertragsfreiheit nur unter besonderen Umständen in Betracht (siehe BGH, Beschluss vom 20. März 2014 – X ZB 18/13, zitiert nach juris, Tz. 21; OLG Rostock, Beschluss vom 2. Oktober 2019 – 17 Verg 3/19, zitiert nach juris, Tz. 52). Er unterliegt grundsätzlich keinem Kontrahierungszwang. Ein Anspruch auf Aufhebung der Aufhebung besteht nach der Rechtsprechung des Senats nur dann, wenn der Auftraggeber über keinen sachlichen Grund für eine Aufhebung des Verfahrens verfügt, sondern er dieses Instrument in diskriminierender und daher in rechtlich zu missbilligender Weise dazu einsetzt, durch die Aufhebung die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens einem bestimmten Bieter zukommen zu lassen (siehe Senatsbeschluss vom 28. Dezember 2016 – VII-Verg 28/16, zitiert nach juris, Tz. 21). Die Aufhebung darf einzelne Bieter, wenn sie wirksam sein soll, daher nicht diskriminieren und die Entscheidung des Auftraggebers darf nicht willkürlich sein oder nur zum Schein erfolgen (Senatsbeschlüsse vom 12. Januar 2015 – VII-Verg 29/14, zitiert nach juris, Tz. 25, und vom 10. November 2010 – VII-Verg 28/10, zitiert nach juris, Tz. 42). Auch in der Literatur wird eine Wirksamkeit der Aufhebung nur in den Fällen verneint, in denen die Aufhebung dem Auftraggeber dazu dient, dem ihm genehmen Unternehmen vergaberechtswidrig den Auftrag zu erteilen (Scheinaufhebung bzw. vorsätzliche Diskriminierung eines Unternehmens) oder überhaupt kein sachlicher Grund für die Aufhebung vorliegt (vgl. Herrmann, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 63 VgV Rn. 25; Lischka, in: Müller-Wrede, VgV/UVgO, § 63 VgV Rn. 106; Portz, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 63 Rn. 23). Auf die Frage, ob die Vergabeabsicht grundsätzlich fortbesteht oder nicht, kommt es, wenn ein sachlicher Grund für die Aufhebung vorliegt, nicht an (siehe Lischka, in: Müller-Wrede, VgV/UVgO, § 63 VgV Rn. 106 m.w.N. zur Rechtsprechung des Senats).
86b)
87Hier lag ein zur Wirksamkeit der Aufhebung führender sachlicher Grund für die Aufhebung vor. Er ist darin zu sehen, dass die Antragsgegnerin eine Unterdeckung in Millionenhöhe vermeiden wollte, die ihr nach ihren Berechnungen durch einen Abschluss des Vergabeverfahrens auf der Grundlage des Angebots der Antragstellerin über die vorgesehene Laufzeit der Konzession drohte, und sie zugleich günstigere Vertragskonditionen nach einer Erholung der gesamtwirtschaftlichen Lage im Anschluss an die Coronavirus-Pandemie erwartete.
88c)
89Für die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zuletzt ohne Beweisantritt aufgestellte Behauptung, der Antragsgegnerin gehe es mit der Verfahrensaufhebung allein um eine Diskriminierung, sie wolle das Terminal vorübergehend selbst betreiben, um es später in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb an ein anderes Unternehmen zu vergeben, fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten. Gerade im Hinblick auf den Inhalt des Zuwendungsbescheids des Eisenbahnbundesamts spricht hierfür nichts. Die Feststellungslast trifft in diesem Fall die Antragstellerin. Für die tatbestandlichen Voraussetzungen der normierten Aufhebungsgründe ist im Vergabenachprüfungsverfahren – anders als im Schadensersatzprozess des Bieterunternehmens – zwar der öffentliche Auftraggeber darlegungs- und ggf. feststellungsbelastet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Dezember 2019 – VII-Verg 18/19, zitiert nach juris, Tz. 41, vom 31. Januar 2018 – VII-Verg 41/16, zitiert nach juris, Tz. 59, und vom 31. Oktober 2007 – VII-Verg 24/07, zitiert nach juris, Tz. 38; Portz, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 63 Rn. 26). Hinsichtlich des Vorliegens irgendeines sachlichen Grunds für die Aufhebung trifft den öffentlichen Auftraggeber, weil die Wirksamkeit der Aufhebung die Regel und die Unwirksamkeit eine seltene Ausnahme ist, jedoch nicht mehr als eine sekundäre Darlegungslast. Dieser hat die Antragsgegnerin hier mit Blick auf die gegebenen Umstände genügt.
903.
91Zulässig und begründet ist der von der Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde hilfsweise weiterverfolgte Feststellungsantrag.
92a)
93Der Feststellungsantrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Obwohl das Vergabeverfahren nicht erst nach Einleitung des Vergabenachprüfungsverfahrens aufgehoben worden ist, ist ein hilfsweise gestellter Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB bzw. § 178 Satz 3 und 4 i.V.m. § 168 Abs. 2 GWB zulässig, wenn der damit verbundene Hauptantrag darauf gerichtet ist, die Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens zu erreichen (siehe OLG Celle, Beschluss vom 10. März 2016 – 13 Verg 5/15, zitiert nach juris, Tz. 9; Herrmann, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 63 VgV Rn. 60). Das für den Antrag erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der von der Antragstellerin verfolgten Absicht, einen Schadensersatzanspruch gegen die Antragsgegnerin geltend zu machen (vgl. zu den Anforderungen an das Feststellungsinteresse Senatsbeschluss vom 25. November 2020 – VII-Verg 35/19, zitiert nach juris, Tz. 59).
942.
95Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Antragsgegnerin hat den Anspruch der Antragstellerin auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat nicht nachweisen können, dass die Voraussetzungen einer Aufhebung des Vergabeverfahrens nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 KonzVgV, auf welche sie sich beruft, vorgelegen haben.
96a)
97Das gilt zunächst für den Aufhebungsgrund des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV, der im Vergabevermerk („nennenswerte Kostenunterdeckung“) als Grund für die Verfahrensaufhebung ausdrücklich genannt ist. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV kann ein öffentlicher Auftraggeber ein Vergabeverfahren aufheben, wenn kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde. Anders als in der von § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VgV erfassten, in der Praxis häufigeren Konstellation der Aufhebung einer Auftragsvergabe kommt es im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV nicht darauf an, ob ein Fall einer wesentlichen Überschreitung der im Vorfeld vom öffentlichen Auftraggeber aufgestellten Auftragswertschätzung vorliegt. Die KonzVgV knüpft, wie sich aus § 2 KonzVgV ergibt, schon nicht an den Begriff des Auftragswerts an, sondern an den des Vertragswerts. Darüber hinaus geht es im Rahmen des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV nicht allein um die Frage der Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit eines Angebots. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis des Vergabeverfahrens gemäß § 152 Abs. 3 Satz 1 GWB noch einen wirtschaftlichen Gesamtvorteil für den Konzessionsgeber bietet oder von einer von ihm insoweit angestellten vertretbaren Schätzung erheblich abweicht (vgl. Lischka, in: Müller-Wrede/Braun, KonzVgV, § 32 Rn. 30).
98Der Begriff des wirtschaftlichen Gesamtvorteils ist bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur geklärt (siehe Dicks, in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 152 Rn. 21; Siegel, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 152 GWB Rn. 9). Weder das europäische noch das nationale Recht definieren ihn näher und geben auf diese Weise über seinen Inhalt Aufschluss. Allein Erwägungsgrund 73 der Richtlinie 2014/23/EU gibt einen vagen Hinweis dahingehend, dass sich ein wirtschaftlicher Gesamtvorteil auch aus nicht rein wirtschaftlichen Faktoren ergeben kann, die den Wert des Angebots für den Auftraggeber beeinflussen (siehe auch Burgi/Wolff, in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 152 GWB Rn. 23). Der Sinn des Begriffs erschließt sich vor diesem Hintergrund am ehesten anhand der Eigenheiten der Konzessionsvergabe. Bei dieser spielen finanzielle Zuschlagskriterien oftmals nicht die zentrale Rolle (siehe Mohr, in: Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., § 152 GWB Rn. 95). Zwar ist auch der Vergabe einer Konzession ein Beschaffungscharakter immanent (siehe Dicks, in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 105 Rn. 10). Die mit einer Konzessionsvergabe verbundene Beschaffung stellt sich aber anders dar als eine solche durch eine Auftragserteilung. Gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB hat der öffentliche Auftraggeber bei der Dienstleistungskonzession einen Anspruch gegen den Konzessionsnehmer, dass dieser bestimmte Dienstleistungen, mit deren Erbringung er betraut worden ist, in wirtschaftlicher Eigenverantwortung übernimmt und erbringt. Im Gegenzug erhält der Konzessionsnehmer – und darin kommt die Entgeltlichkeit der Konzessionsvergabe zum Ausdruck (siehe Dicks, in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 105 Rn. 18) – das Recht, sich auf einem bestimmten Feld wirtschaftlich zu betätigen („Recht zur Verwertung der Dienstleistungen“), das ihm ansonsten verschlossen ist und der öffentliche Auftraggeber bewirtschaften würde oder müsste. Hinzukommen kann nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB noch eine Zahlung des Konzessionsgebers, die aber nicht der Entgeltzahlungspflicht bei der Auftragsvergabe gleichkommt. Es handelt sich bei der Konzessionsvergabe letztlich um einen Fall des Outsourcings einer ansonsten vom öffentlichen Auftraggeber wahrzunehmenden Aufgabe – insbesondere der Daseinsvorsorge – an einen Privaten, durch den ein dreipoliges Entgeltverhältnis (siehe Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 105 GWB Rn. 14) entsteht, weil der Konzessionsnehmer seine Einnahmen im Wesentlichen durch die von den Endnutzern zu zahlenden Nutzungsentgelte erwirtschaftet. Diese Struktur der Konzessionsvergabe, nach der die unmittelbare Anwendung des Wirtschaftlichkeitskriteriums des § 127 Abs. 1 Satz 1 GWB ausgeschlossen ist (Burgi/Wolff, in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 152 GWB Rn. 22), spricht dafür, dass der wirtschaftliche Gesamtvorteil ein für den öffentlichen Auftraggeber günstiges Nutzen-Kosten-Verhältnis beschreibt, in dem stärker als bei der Auftragsvergabe gemäß § 127 Abs. 1 Satz 4 GWB die Erreichung von Zielen Berücksichtigung finden kann, die er über die vertragliche Austauschbeziehung hinaus verfolgt (z.B. in Bezug auf die Umwelt, Lebensqualität bzw. Gesundheitsschutz oder Nachhaltigkeit). Daraus folgt nach Ansicht des Senats, dass der Begriff des wirtschaftlichen Gesamtvorteils nicht unbesehen mit dem der ebenfalls in § 152 Abs. 3 GWB genannten Zuschlagskriterien gleichgesetzt werden kann. Das gilt nicht nur mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift, sondern auch, weil kaum einmal sämtliche Zwecke oder Ziele, die ein öffentlicher Auftraggeber mit einer Konzessionsvergabe verfolgt, durch die Zuschlagskriterien abgebildet werden dürften. Insofern mögen die vom öffentlichen Auftraggeber gewählten Zuschlagskriterien der erste Anknüpfungspunkt für die Frage nach dem wirtschaftlichen Gesamtvorteil sein. Die Betrachtung darf bei den Zuschlagskriterien aber nicht stehen bleiben.
99So hat die Antragstellerin hier zu Recht darauf hingewiesen, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Gleichsetzung des vom Konzessionsnehmer zu zahlenden Pachtzinses mit dem mit der Konzessionsvergabe verbundenen wirtschaftlichen Gesamtvorteil nicht überzeugend ist. Gegenstand der Konzessionsvergabe ist der Betrieb eines Terminals für den bimodalen kombinierten Verkehr Straße-Schiene in einer Großstadt mit erheblichem Verkehrs- und Logistikaufkommen. Das aus Sicht des Zuwendungsgebers zentrale Motiv der Förderung solcher Terminals ist der volkswirtschaftliche Nutzen durch die Verlagerung von Lkw-Verkehren auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel und die damit einhergehende reduzierte Belastung durch Treibhausgas- und Schadstoffemissionen sowie Lärm-, Unfall-, Stau- und Infrastrukturabnutzungskosten (siehe Stoll/Nießen, ZfV 90 (2019), 4, 10). Teils bestehen insoweit gesetzliche Verpflichtungen der öffentlichen Hand, entsprechende Ziele zu erreichen (vgl. jüngst EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-635/18, zitiert nach juris, zur Reduzierung von Stickstoffdioxid in Ballungsräumen). Es erscheint wenig plausibel, dass die Antragsgegnerin als kommunales Unternehmen, das sich aufgrund der kommunalrechtlichen Bindungen der §§ 107 ff. GO NRW überhaupt nur zur Erfüllung eines öffentlichen Zwecks wirtschaftlich betätigen darf, diese Zwecke, die auch lokal von Bedeutung sind, nicht verfolgt (siehe auch Burgi/Wolff, in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 152 GWB Rn. 20, zur Gemeinwohlgebundenheit des öffentlichen Auftraggebers). Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin die Zuwendungen des Eisenbahnbundesamts für den Terminalbau, der als Infrastruktur- und Wirtschaftsförderungsmaßnahme in die Entwicklung eines städtischen Industrieparks eingebettet ist, nur unter Auflagen erhalten. Dazu zählt der fortgesetzte Betrieb des Terminals über einen bestimmten Zeitraum. Anderenfalls drohen der Widerruf und die Rückzahlung der erhaltenen Zuwendungen. Vor diesem Hintergrund leuchtet nicht ein, warum nicht bereits der vom Konzessionsnehmer zu übernehmende Terminalbetrieb als solcher einen signifikanten Teil des wirtschaftlichen Gesamtvorteils ausmachen soll, der einen niedrigeren Pachtzins auszugleichen in der Lage ist. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin vorträgt, dass sie das Terminal aktuell mit Verlusten betreibt.
100Das exakte Verhältnis des von der Antragsgegnerin gewählten Zuschlagskriteriums des Pachtzinses zum wirtschaftlichen Gesamtvorteil im Sinne von § 152 Abs. 3 Satz 1 GWB, den das Vergabeverfahren für den Auftraggeber noch bieten muss, bedarf hier jedoch keiner abschließenden Klärung. Selbst wenn es die Antragsgegnerin, was zweifelhaft ist, in der Hand haben sollte, den Begriff des wirtschaftlichen Gesamtvorteils entgegen objektiver Befunde überwiegend subjektiv auszufüllen und den Pachtzinszahlungen ein überragendes Gewicht beizumessen, vermöchte dies die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KonzVgV gestützte Aufhebungsentscheidung nicht zu tragen. Dass das Ergebnis des Vergabeverfahrens von dem wirtschaftlichen Gesamtvorteil erheblich abweicht, lässt sich selbst in diesem Fall nicht feststellen, weil es dafür an einer vertretbaren Schätzung des von der Antragsgegnerin solchermaßen definierten Gesamtvorteils fehlt.
101Die allein an die von ihr gewünschten Pachtzinszahlungen sowie Amortisationserwartungen anknüpfende Schätzung der Antragsgegnerin ist methodisch nicht vertretbar. Das gilt schon, weil sie den Vertragswert, wie ihn § 2 KonzVgV definiert, außer Acht lässt. Danach hätte gemäß § 2 Abs. 3 KonzVgV der zu erwartende Gesamtumsatz des Konzessionsnehmers in den Blick genommen werden müssen. Von diesem hat der Konzessionsgeber bei der Berechnung des geschätzten Vertragswerts auszugehen. Den Vertragswert seinerseits kann der Konzessionsgeber bei der Schätzung des wirtschaftlichen Gesamtvorteils im Sinne von § 152 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht ausblenden. Der Vertragswert ist der wesentliche wirtschaftliche Bezugspunkt jeder Konzessionsvergabe, ohne dessen Berücksichtigung ein wirtschaftlicher Gesamtvorteil nicht bestimmt werden kann. So kann ein Konzessionsgeber nicht erwarten, dass der Konzessionsnehmer Pachtzinsen zahlen wird, die er mit der Konzession nicht zu erwirtschaften in der Lage ist. Insoweit fehlt aber eine nachvollziehbare Wirtschaftlichkeitsberechnung der Tätigkeit des Konzessionsnehmers durch die Antragsgegnerin. Nach dem Inhalt ihrer Vergabeakte und ihres Vortrags im Vergabenachprüfungsverfahren hat sie sich bei der Schätzung auf die Berechnung eines Pachtzinses und einer Kranmiete beschränkt, von der sie angenommenen hat, dass sie üblich und für sie selbst auskömmlich sind. Die Ausgangsüberlegung hätte hingegen sein müssen, mit welchen Konzessionserträgen ein Konzessionsnehmer realistischerweise rechnen konnte und welche Pachtzinsen er ausgehend hiervon zu zahlen bereit sein würde. Hierbei hätten – entsprechend § 2 Abs. 4 KonzVgV – die zahlreichen von der Antragstellerin angeführten Gesichtspunkte eine Rolle spielen müssen, die den Ertrag der Konzession zu schmälern drohten und die zugleich – wie retrospektiv auch die späteren Angebote zeigen – Zweifel daran begründen mussten, ob die Pachtzinserwartungen der Antragsgegnerin zutreffend sein konnten. Vertretbare Erwägungen und Überlegungen hierzu sind in der Vergabeakte indes nicht zu finden.
102Soweit die Antragsgegnerin die Vertretbarkeit ihrer Schätzung ergänzend damit zu begründen versucht, dass die Pachtzinserträge binnen der vorgesehenen zehnjährigen Laufzeit der Konzession zumindest ihren Kostenaufwand für die Errichtung der Terminalanlagen abdecken müssten, geht auch das methodisch fehl. Die Antragsgegnerin kann nicht erwarten, dass sich ihre Investitionen in die Terminalanlagen, die schon nach dem Zuwendungsbescheid des Eisenbahnbundesamts für mindestens 20 Jahre vorzuhalten sind, binnen 10 Jahren amortisiert haben müssen. Wie sich aus der AfA-Tabelle für die allgemein anwendbaren Anlagengüter ergibt, beträgt die für steuerliche Abschreibungen bestimmte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Gleis- und Krananlagen deutlich mehr als 10 Jahre. Bei Krananlagen liegt sie danach beispielsweise bei 21 Jahren.
103b)
104Auch das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Aufhebungsgrunds des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KonzVgV kann – zulasten der Antragsgegnerin – nicht festgestellt werden kann. Eine nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KonzVgV zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigende wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens liegt vor, wenn die Bezuschlagung eines Angebots wegen nachträglich aufgetretener rechtlicher, technischer oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten für den Konzessionsgeber objektiv sinnlos oder unzumutbar wäre (Lischka, in: Müller-Wrede/Braun, KonzVgV, § 32 KonzVgV Rn. 20). Der Vortrag der Antragsgegnerin reicht für eine entsprechende Feststellung nicht aus. Die Antragsgegnerin beruft sich lediglich pauschal auf den wirtschaftlichen Einbruch infolge der Corona-Krise und deren Auswirkungen auf die abgegebenen Angebote. Das ist für die Annahme objektiver Sinnlosigkeit oder Unzumutbarkeit der Bezuschlagung unzureichend, nicht nur, weil die Antragstellerin Auswirkungen der Corona-Krise auf ihr Angebot zuletzt bestritten hat, sondern auch, weil aus diesem Vortrag die Auswirkungen der Krise auf den konkret zu konzessionierenden Terminalbetrieb nicht hervorgehen, die ihrerseits Einfluss auf die Angebote gehabt haben könnten. Dass es infolge der Coronavirus-Pandemie zu einem längerfristigen, alle Sparten gleichmäßig und flächendeckend erfassenden wirtschaftlichen Einbruch in der Logistikbranche gekommen ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Darüber hinaus können ggf. relevante Krisenauswirkungen auch wegen des nicht möglichen Abgleichs mit einer vertretbaren Schätzung der Antragsgegnerin in ihrer Gewichtigkeit nicht beurteilt und nachvollzogen werden. Gegen die Unzumutbarkeit einer Bezuschlagung des Angebots der Antragstellerin spricht schließlich, dass die Antragsgegnerin das Terminal nach ihrem eigenen Vortrag derzeit mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen betreibt. Dass die Einbußen für die Antragsgegnerin noch höher gewesen wären, wenn die Antragstellerin den Betrieb übernommen hätte, ist weder dargetan noch ersichtlich.
105Abgesehen hiervon ist eine Aufhebung des Vergabeverfahrens aufgrund der Folgen der Coronavirus-Pandemie weder in der Vergabeakte zweifelsfrei und stimmig dokumentiert, noch hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin diesen Grund gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 KonzVgV mit der Aufhebungsentscheidung mitgeteilt. Sie hat sich erstmals im Vergabenachprüfungsverfahren hierauf berufen. Das begründet Zweifel daran, ob die Coronavirus-Pandemie die Aufhebungsentscheidung überhaupt in irgendeiner Weise beeinflusst hat.
106c)
107Auf die zahlreichen weiteren Streitfragen zwischen den Verfahrensbeteiligten kommt es nach alledem nicht mehr an.
108III.
109Die Kostenentscheidung beruht bezüglich der Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer und der den Verfahrensbeteiligten dort entstandenen notwendigen Aufwendungen auf § 182 Abs. 3 Satz 5 und Abs. 4 Satz 1 GWB. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht sie auf § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 GWB. Von der den Obsiegens- und Unterliegensanteilen der Verfahrensbeteiligten entsprechenden Kostenaufhebung war nur bezüglich des Eilverfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB abzusehen, weil die Antragstellerin in diesem allein unterlegen ist.
110Einer Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer bedarf es nicht, weil dieser kein Erstattungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zusteht.
111Die Entscheidung über den Streitwert des Beschwerdeverfahrens beruht ausgehend vom finalen Angebot der Antragstellerin auf § 50 Abs. 2 GKG.