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Die Angeklagte A. wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge durch Versklavung, einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung, Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Vergewaltigung, Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer, Freiheitsberaubung mit Todesfolge und mit Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die vom 23. Februar 2018 bis zum 21. September 2018 in der Türkei erlittene Freiheitsentziehung der Angeklagten A. wird im Maßstab 1:1 auf die Jugendstrafe angerechnet.
Die Angeklagte C. wird wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in neun Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit bandenmäßiger Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der päischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, und in einem dieser Fälle mit Terrorismusfinanzierung sowie mit drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, wobei es in einem dieser Fälle beim Versuch geblieben ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Angeklagte B. wird wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in fünf Fällen in Tateinheit mit bandenmäßiger Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, und in einem Fall mit Terrorismusfinanzierung sowie mit drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, wobei es in einem dieser Fälle beim Versuch geblieben ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Es wird festgestellt, dass jeweils drei Monate der gegen die Angeklagte C. und den Angeklagten B. verhängten Gesamtfreiheitsstrafen als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten.
Die Angeklagten C. und B. tragen die Kosten des Verfahrens. Es wird davon abgesehen, der Angeklagten A. die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen aufzuerlegen.
Angewendete Vorschriften:
Angeklagte A.:
§ 7 Abs. 1 Nrn. 3, 6 und 10, Abs. 3 Alt. 1 VStGB, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1 Satz 1, § 239 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 51 Abs. 4 Satz 2, § 52, § 53 StGB, §§ 1, 3, 31, 52a, 104, 105, 112 JGG.
Angeklagte C. und B.:
§ 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 AWG i.V.m. § 80 Nr. 1, § 74 Abs. 2 Nr. 3 AWV i.V.m. Teil I Abschnitt A Nr. 0001 der Ausfuhrliste (Anlage 1 zur AWV) und Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013, § 18 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 7 Nr. 2 AWG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013, § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, §§ 22, 23, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB.
Gründe:
2Vorbemerkung
3Die Angeklagte A. begab sich von Anfang November 2013 bis Oktober 2017 mit dem Ziel nach Syrien, sich am Kampf gegen das syrische Regime und Aufbau eines islamischen Staates nach den Regeln der Scharia zu beteiligen. Sie heiratete dort im Januar 2014 I. B., den Sohn der Angeklagten C. und B., nach islamischem Ritus, der sich im November 2013 gemeinsam mit seinem Bruder E. Y. B. der Vereinigung „Islamischer Staat (im Irak und Großsyrien)“, später „Islamischer Staat“, (ISIG/IS, im Folgenden IS) als Mitglied anschlossen hatte, gliederte sich einvernehmlich in den IS ein und betätigte sich fortan in Jarabulus, Manbidsch, Raqqa und Al-Mayadin selbst mitgliedschaftlich für die Organisation.
4Die Angeklagte förderte die Tätigkeit ihres „Ehemannes“ für den IS, nahm mit diesem übergangsweise Neuankömmlinge für den IS auf und versuchte, andere Personen zur Reise nach Syrien und zur Teilnahme am Jihad für den IS zu bewegen.
5Zudem hielt sie gemeinsam mit I. B. in Kenntnis der Verfolgung der Jesiden durch den IS sowie zur Durchsetzung seiner Ideologie, wonach die Jesiden rechtlose „Teufelsanbeter“ seien und die Versklavung der jesidischen Frauen und Kinder religiös gerechtfertigt, im Zeitraum von Mitte September 2015 bis Oktober 2017, teilweise zeitgleich, fünf jesidische Frauen und zwei minderjährige jesidische Mädchen als Sklavinnen, darunter die Nebenklägerinnen Z., X. und Y.. Die Sklavinnen mussten den Anweisungen der Angeklagten und I. B.s Folge leisten. Ihren Aufenthaltsort konnten sie nicht selbst bestimmen. Sie hatten Hausarbeit und Einkaufsgänge zu verrichten und die gemeinsamen Kinder der Angeklagten A. und I. B.s zu betreuen. Gegenüber I. B. hatten sie sexuell gefügig zu sein, wie es der IS-Ideologie entsprach. Bei „Fehlverhalten“ wurden jedenfalls X. und Y. sowie das Mädchen M1 von der Angeklagten geschlagen. Jedenfalls X. und Y. wurden zudem durch I. B. mit Einverständnis der Angeklagten, die dessen Vorgehen nach den Regeln des IS für geboten hielt und ihn in seinem Handeln bestärkte, unter Ausnutzung ihrer schutzlosen Lage als Sklavinnen im Haushalt der Familie und teilweise gewaltsam gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gezwungen.
6Das versklavte jesidische Mädchen M2 kam im Herbst 2017 bei einer Einkaufsfahrt mit I. B. über eine bereits am Vortag unter Beschuss stehende Straßenverbindung bei Al-Mayadin durch einen Angriff zu Tode.
7Die Angeklagten C. und B. unterstützten im Zeitraum von Oktober 2013 bis Mitte 2015 ihre sich zunächst gemeinsam in Syrien aufhaltenden Söhne I. und E. Y. B. in Kenntnis von deren seit Mitte November 2013 bestehenden IS-Mitgliedschaft durch die arbeitsteilige Mitwirkung an der Beschaffung von Waffenzubehör und Ausrüstungsgegenständen zur Verwendung für islamistische Kämpfer, deren Ansammlung und durch den (teilweise versuchten) Transport der bestellten Ware von Deutschland zu den Söhnen. Die Angeklagte C. war damit einverstanden, dass ihre Söhne die vor Ort in Syrien benötigte Ware unter Verwendung ihres Namens und ihrer Wohnung als Lieferadresse bestellten. Der Angeklagte B. stellte über sein Konto die Geldmittel für die Bezahlung der Gegenstände zur Verfügung. Im Jahr 2014 ging E. Y. B. in die Türkei und leistete von dort aus weitere organisatorische Zuarbeit für den IS hinsichtlich der Beschaffung und des Transports von in Syrien benötigten Ausrüstungs- und Alltagsgegenständen, welche I. B. dort mit Genehmigung und unter Aufsicht der Vereinigung an IS-Angehörige verkaufte. Die Angeklagten C. und B. wussten um diese Hintergründe und förderten die Tätigkeit der Söhne im Folgenden durch Geldzahlungen. Sie hielten es für möglich und nahmen es in Kauf, dass der Kapital- und Finanzverkehr sowie die Ausfuhr von Waffenzubehör Sanktionen unterlagen oder gegen ein Waffenembargo verstießen.
8Der Senat hat das Verfahren gegen die Angeklagte A. wegen der in der Anklageschrift vom 8. April 2019 als Fälle 2 und 3 zu Ziffer II bezeichneten Taten gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO, § 2 Abs. 2 JGG eingestellt und gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr.1, Abs. 2 StPO, § 2 Abs. 2 JGG hinsichtlich der möglichen Taten zum Nachteil der Nebenklägerin Z. und ihres Kindes M3 beschränkt auf Gesetzesverletzungen zum Nachteil der Nebenklägerin gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB, § 239 Abs. 3 StGB.
9Das Verfahren gegen die Angeklagte C. wegen der in der Anklageschrift als Fälle 9, 10, 11, 14, 15 und 16 zu Ziffer III bezeichneten Taten und gegen den Angeklagten B. wegen der als Fall 15 zu Ziffer III bezeichneten Tat hat der Senat gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellt.
10Dem Urteil liegt keine Verständigung nach § 257c StPO zugrunde.
Zur Person der Angeklagten A.
Die Angeklagte A. wurde am 00.00.00 in D. als Tochter des aus Algerien stammenden M. A. und der Deutschen A. A. geboren. Der Vater der Angeklagten arbeitet in einer Lackiererei in der Schweiz, ihre – unter psychischen Beschwerden leidende – Mutter ist Hausfrau.
14Die Angeklagte lebte bis zu ihrer Ausreise nach Syrien im Herbst 2013 gemeinsam mit ihrer älteren Schwester T. bei ihren Eltern in K.. Sie besitzt die deutsche und die algerische Staatsangehörigkeit und beherrscht die deutsche und arabische Sprache.
15Die Eltern erzogen die Töchter im muslimischen Glauben. Der Vater der Angeklagten vertritt eine strenge Auslegung des Islams, die er der Angeklagten zunehmend vermittelte. Die Angeklagte musste körperliche Züchtigungen durch ihren Vater erdulden, wenn sie durch ihn aufgestellte Regeln missachtete, etwa entgegen seiner Vorgabe das Kopftuch ablegte. Die Mutter benötigte aufgrund ihrer Krankheitsbeschwerden die Unterstützung ihrer Töchter im Alltag.
16Die Angeklagte absolvierte ihre Grundschulzeit in der …..schule in K.. Nach der Grundschule besuchte sie bis zu ihrer im 10. Schuljahr erfolgten Ausreise nach Syrien das …..-Gymnasium in K.. Sie war eine leistungsstarke Schülerin, unter ihren Mitschülerinnen war sie beliebt und galt als willens- und durchsetzungsstarke und – zunächst auch – offene und zugewandte Person.
17Seit dem Besuch des Gymnasiums schränkten ihre Eltern die außerhäuslichen Kontakte der Angeklagten aus religiösen Gründen ein. Im siebten Schuljahr wurde sie von ihren Eltern vom 27. Oktober 2010 bis zum 10. Januar 2011 für einen längeren Aufenthalt in Algerien von der Schule abgemeldet. Nach den Sommerferien 2012, welche die Angeklagte erneut bei Verwandten in Algerien verbrachte, praktizierte sie ihren islamischen Glauben in einer strengeren Auslegung. Sie kleidete sich fortan mit einem Ganzkörpergewand und verschleierte außerhalb der Schule auch ihr Gesicht. In ihrer Freizeit studierte sie den Islam und vertrat gegenüber ihren Klassenkameradinnen zunehmend fundamentalistischere Positionen. Den Kontakt zu ihren Mitschülern mied sie schließlich weitgehend, zumal sie sich im Zwiespalt zwischen der streng religiösen Erziehung durch ihren Vater einerseits und ihrem westlich geprägten schulischen Umfeld andererseits sah. Auch ein durch die Schulleitung, den Klassenlehrer, ihre Schwester und Klassenkameradinnen vermitteltes Gespräch mit dem Jugendamt, in dem eine Fremdunterbringung der Angeklagten thematisiert wurde, führte letztlich zu keiner Veränderung dieser Verhältnisse. Die Sommerferien 2013 verbrachte die Angeklagte in Frankreich, von wo aus sie mit noch strengeren religiösen Vorstellungen zurückkehrte. Im 10. Schuljahr, im Oktober 2013, bat sie in der Schule um Erlaubnis, auch dort ihr Gesicht verhüllen und Handschuhe tragen zu dürfen. Zuletzt äußerte sie sich in Gesprächen mit ihren Mitschülerinnen auf aggressive Weise abfällig über Deutschland und die hier lebenden „Ungläubigen“.
18Am 31. Oktober 2013 flog die Angeklagte, ohne ihre Eltern hierüber informiert zu haben, von S. über Istanbul nach Gaziantep in der Türkei und begab sich von dort nach Syrien, wo es zu den der Verurteilung zugrundeliegenden Taten kam.
19Am 4. Januar 2014 heiratete sie in Aleppo in Syrien nach islamischem Ritus I. B., den Sohn der Angeklagten C. und B., und brachte dort drei gemeinsame Kinder zur Welt, nämlich am 00.00.2015 in Manbidsch die Tochter M4, am 00.00.2016 in Raqqa die Tochter M5 und am 00.00.2017 in Hajin die Tochter M6.
20Die Angeklagte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. September 2015, Az. 2 BGs 445/15, unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Deutschland am 21. September 2018 in D. festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
21Ihre Kinder sind seither in der Obhut des Jugendamtes.
22In der Untersuchungshaft erhält die Angeklagte A. schulischen Fernunterricht mit dem Ziel der Absolvierung des Abiturs. Die Angeklagte ist eine sehr gute Schülerin. Sie ist Sprecherin der Gefangenenbetreuung und engagiert sich in diversen Arbeitsgruppen. Die Angeklagte hat in der Haft gelegentlichen Kontakt zu ihren Töchtern. Die Beziehung zu I. B. besteht zwischenzeitlich nicht mehr.
23Die Angeklagte ist in Deutschland nicht vorbestraft. In der Türkei wurde sie am 9. Januar 2019 auch hinsichtlich von Teilen des dieser Verurteilung zugrunde liegenden Geschehens in Syrien in Abwesenheit wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation (IS) und Urkundenfälschung durch das 2. Strafgericht Sanliurfa, Az. 2018/313, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Der in der Türkei nach dem Grenzübertritt aus Syrien am 23. Februar 2018 erlittene Freiheitsentzug wurde dabei auf die verhängte Strafe angerechnet.
24Zur Person der Angeklagten C.
Die Angeklagte C. wurde am 00.00.00 in O. (Türkei) geboren.
27Im Juli 1979 kam sie mit ihren Eltern nach Deutschland. Die Familie ließ sich in K. nieder. Nach dem Besuch der Grund- und Hauptschule begann sie eine Ausbildung als Zahnarzthelferin, die sie jedoch nicht beendete. Von 1987 bis 1989 verrichtete sie eine Tätigkeit als Montagehelferin.
28Im Januar 1989 erhielt die Angeklagte C. die deutsche Staatsangehörigkeit, nachdem sie die türkische zuvor abgelegt hatte.
29Im selben Jahr heiratete die Angeklagte in der Türkei den Angeklagten B., ihren Cousin, der zwei Jahre später nach Deutschland kam. Aus der Ehe gingen die bereits genannten Söhne E. Y., geboren am 00.00.1991, und I., geboren am 00.00.1992, hervor. Die Beziehung zu ihren Söhnen hat für die Angeklagte einen sehr hohen Stellenwert; sie ist bemüht, deren Wünsche nach Möglichkeit zu erfüllen.
30Nach Bekanntwerden der im Jahr 2002 erfolgten Scheidung der Angeklagten C. und B. brach die Familie der Angeklagten, insbesondere deren Schwestern und Brüder, den Kontakt zu ihr zunächst ab. Hintergrund war, dass die Angeklagte aufgrund ihres Lebensstils innerhalb der konservativen Familie für das Scheitern der Ehe mit dem Mitangeklagten verantwortlich gemacht wurde.
31Die Angeklagte C. pflegt einen ausgeprägt „westlichen“, materialistisch orientierten Lebensstil; Religion spielt für ihre Lebensführung und durch sie getroffene Entscheidungen lediglich eine untergeordnete Rolle.
32Eine Annährung der Familie mit regelmäßigen Kontakten zur Angeklagten erfolgte erst wieder ab dem Jahr 2015.
33Seit 2013 ist die Angeklagte C. mit G. C. verheiratet. Mit diesem lebt sie in B..
34Ihren Lebensunterhalt hat die Angeklagte vor allem durch verschiedene – auch parallel ausgeübte – Beschäftigungsverhältnisse als Reinigungskraft gedeckt.
35Zu einem ihrer Auftraggeber, dem verwitweten und zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen Z1, den sie über 20 Jahren kannte und der sie finanziell unterstützt hat, entwickelte sich ein intensiverer Kontakt. Im Jahr 2018 wurde die Angeklagte durch den Zeugen Z1 adoptiert.
36Die Angeklagte ist bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
37Sie ist in dieser Sache aufgrund Haftbefehls des Senats vom 15. Dezember 2020 am 17. Dezember 2020 festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
38Zur Person des Angeklagten B.
Der Angeklagte A. B. wurde am 00.00.00 – ebenfalls – in O. (Türkei) als ältestes von vier Kindern geboren.
41Er besuchte in der Türkei bis 1979 die Grundschule und anschließend bis 1985 das Lise (weiterführende Schule). Im Anschluss absolvierte der Angeklagte eine Bäckerlehre und arbeitete für kurze Zeit in seinem Ausbildungsberuf, bevor er von 1988 bis 1989 den Militärdienst absolvierte.
42Im Jahr 1989 heiratete er – wie bereits ausgeführt – in der Türkei die Angeklagte C., der er im Jahr 1991 nach Deutschland folgte, wo die Ehe – auch nach Differenzen über die Erziehung der beiden Söhne – im September 2002 geschieden wurde.
43Die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt der Angeklagte am 30. November 2004, nachdem er zuvor die türkische abgelegt hatte.
44Im November 2013 heiratete der Angeklagte erneut. Er hat zusammen mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen, im Jahr 2015 geborenen Sohn in K. gelebt. Die Eheleute leben jedoch derzeit getrennt; die Ehefrau lebt mit dem Sohn in B..
45Während seiner Ehe mit der Angeklagten C. war der Angeklagte B. von 1992 bis 1993 für die Stadt K. als Reinigungskraft und Hausmeister und von 1993 bis 1999 als Angestellter bei der Firma aa) GmbH tätig. Seit dem Jahr 1999 war er bei der Firma bb) GmbH, die Verpackungsmaschinen und Verpackungsmaterial herstellt, beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis wurde zwischenzeitlich wegen dieses Strafverfahrens von der Arbeitgeberin gekündigt. Derzeit erhält er Arbeitslosengeld I und eine monatliche Unfallrente, insgesamt etwa 2.050 €.
46Der Angeklagte häufte ab 2012/2013 bis jedenfalls in das Jahr 2017 durch intensives Glücksspiel immer wieder erhebliche Spielschulden an, die er auch gegenwärtig noch in monatlichen Raten abbezahlt.
47Der Angeklagte ist traditionellen muslimischen Glaubens und praktiziert diesen Glauben.
48Der Angeklagte B. ist nicht vorbestraft.
Zur terroristischen Vereinigung IS und deren Vorgehen gegen die Jesiden
1. Zur terroristischen Vereinigung IS
52Die sich seit Juni 2014 als „Islamischer Staat“ (IS) bezeichnende Organisation ist eine terroristische Vereinigung im Ausland, die sich – von radikal-religiösen Anschauungen geleitet – zum Ziel gesetzt hat, unter Inkaufnahme auch ziviler Opfer die von Schiiten dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des Präsidenten Bashar al-Assad in Syrien mit Waffengewalt zu stürzen und einen den eigenen Vorstellungen entsprechenden autoritären islamischen Gottesstaat unter Geltung der Scharia im Irak, in Syrien und den Nachbarstaaten unter Überwindung nationalstaatlicher Grenzen zu etablieren. Zudem strebt die Organisation die Eroberung Jerusalems sowie die physische Vernichtung der Schiiten und Alawiten sowie weiterer religiöser Minderheiten in ihrem Gebiet, wie etwa der Jesiden, an. Teil des bewaffneten Kampfes ist die Destabilisierung bestehender Ordnungen durch terroristische Anschläge.
53Hervorgegangen ist der IS aus der im Jahr 2000 im Irak gegründeten „al-Qaida im Zweistromland“, die ebenfalls bereits Anschläge mit dem Ziel der Destabilisierung des irakischen Staates verübte. Im Jahr 2006 gab sich die Organisation den Namen „Islamischer Staat im Irak“ (ISI) und erhob den Anspruch, einen eigenen sunnitischen Staat aufzubauen. Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak Ende 2011 erstarkte die mittlerweile von Abu Bakr al-Baghdadi geführte Gruppe. Um in den 2011 ausgebrochenen syrischen Bürgerkrieg eingreifen zu können, gründeten syrische Mitglieder des ISI auf Veranlassung al-Baghdadis die „Jabhat an-Nusra li-Ahl ash-Sham“ (Nusra-Front) als dessen syrische Teilgruppe.
54Ausgangspunkt für den Bürgerkrieg in Syrien waren die seit Februar 2011 aus sozialen und religiösen Gründen stattfindenden Proteste gegen das von der religiösen Minderheit der Alawiten dominierte Regime des Präsidenten Baschar al-Assad in den überwiegend von Sunniten besiedelten Teilen des Landes, die sich nach gewaltsamer Unterdrückung durch die Regierung bis Ende des Jahres 2011 zu einem bewaffneten Aufstand entwickelten, der keiner zentralen Führung unterstand. Die Aufständischen bildeten örtliche Verbände, die auch nach Ausrufung der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) im Juli 2011 nicht einheitlich kontrolliert wurden. Im Jahr 2012 waren weite Teile Syriens von dem Aufstand erfasst. Es kam dabei auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Gruppen, die versuchten, die militärischen Stützpunkte der Regierung im Osten, Norden und im Zentrum des Landes einzunehmen. Im Verlauf des Bürgerkriegs erstarkten insbesondere islamistisch-salafistisch ausgerichtete Gruppen, darunter auch die Nusra-Front, die bis Ende 2012 zu einer der wichtigsten aufständischen Gruppierungen in Syrien geworden war. Im Jahr 2013 gelang es dem syrischen Regime seine Position zu konsolidieren.
55Um dem ISI die Kontrolle über die Nusra-Front zu sichern, rief al-Baghdadi am 8. April 2013 den „Islamischen Staat im Irak und Großsyrien“ (ISIG, auch „Islamischer Staat im Irak und in Syrien“ [ISIS], arabisch „ad-Daula al-Islamiya fi l-Iraq wa-sh-Sham“) aus, der aus beiden Gruppen, dem ISI und der Nusra-Front, bestehen sollte. Deren Führer Abu Muhammad al-Jaulani lehnte eine Unterstellung unter al-Baghdadis Kommando indes ab. Auch das Eingreifen von Aiman az-Zawahiri, dem Nachfolger Bin Ladens als al-Qaida-Führer in Pakistan, führte nicht zu einer Lösung des Konflikts. Der ISIG verweigerte sich dessen Anweisungen und übernahm im Frühsommer 2013 mit ehemaligen, zu ihm übergelaufenen Truppen der Nusra-Front eine Reihe von deren Stützpunkten im Norden und Osten Syriens. Insbesondere im Herbst 2013 kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Kämpfern anderer Rebellenorganisationen, darunter auch der Nusra-Front. Im Januar 2014 wurde der ISIG aus der al-Qaida ausgeschlossen. Im Sommer 2014 erzielte die Vereinigung im Irak größere Geländegewinne und nahm im Juni 2014 auch Mossul ein. Daraufhin proklamierte die Organisation – nunmehr insgesamt ohne räumliche Begrenzung – den „Islamischen Staat“ und rief al-Baghdadi zum Kalifen aus. Eine anschließende, gegen die Nusra-Front und die syrische Armee gerichtete Offensive brachte dem IS erhebliche Geländegewinne, sodass er ab Juni/Juli 2014 ein zusammenhängendes Gebiet in Ostsyrien und dem Nordwestirak kontrollierte.
56Die Anzahl der Kämpfer war bereits im Jahr 2013 auf rund 10.000 bis 20.000 Mann angewachsen und nahm bis Anfang 2016 auf etwa 20.000 bis 30.000 zu. Dabei verzeichnete der IS – insbesondere nach Ausrufung des Kalifats – einen starken Zustrom ausländischer, auch aus Deutschland anreisender Kämpfer.
57Abu Bakr al-Baghdadi stand seit dem Jahr 2011 bis zu seinem Tod im Oktober 2019 an der Spitze der hierarchisch gegliederten Organisation und hatte die ideologische Führung inne. Widerständen begegnete er gewaltsam, etwa durch Säuberungsaktionen gegen interne Gegner. Zum weiteren Führungszirkel gehörten sein Stellvertreter sowie jeweils ein Kommandeur für Syrien und für den Irak. Als Entscheidungsorgan bestand ferner ein Schura-Rat für grundlegende Fragen, wie etwa die Nachfolge des Emirs/Kalifen. Daneben gab es Komitees („Ministerien“) für Religionsangelegenheiten, Militär, Sicherheit und Nachrichtengewinnung, Finanzen, Aufsicht über die Provinzverwaltung sowie Medienarbeit. Für „Provinzen“ des IS wurden Kommandeure ernannt, die al-Baghdadi unterstanden. In eroberten Gebieten wurden jeweils eine rudimentäre Verwaltung sowie ein eigenes Gerichtswesen eingerichtet. Überdies existierte ein ausgeprägter Geheimdienst, der innerhalb der Organisation parallel neben sonstigen Strukturen organisiert war.
58Der IS verlangte von männlichen Mitgliedern regelmäßig die Absolvierung einer militärischen Ausbildung in speziellen Ausbildungslagern. Nach der Absolvierung der Grundausbildung erfolgten die Zuteilung der IS-Rekruten zu einer „Katiba“ und die Ausstattung mit einem Sturmgewehr, üblicherweise einer AK 47, nebst Munition. Die Kämpfer erhielten von der Organisation eine zum Lebensunterhalt notwendige Versorgung und einen Sold.
59Die Organisation finanzierte sich durch den Verkauf von Öl, lokale Steuern und Schutzgelder, Kriegsbeute, Lösegelder sowie Spenden aus dem Ausland.
60Der IS nutzte ebenso wie zuvor der ISIG als Erkennungszeichen in Anlehnung an das Logo der irakischen al-Qaida den weißen Kufi-Schriftzug „Es gibt keinen Gott außer Gott“ in arabischer Sprache und darunter das Mohammed zugeschriebene weiße „Prophetensiegel“ mit den arabischen Worten für „Gott, Prophet, Mohammed“ auf schwarzem Grund, teils ergänzt um den Organisationsnamen.
61Er betrieb eine mehrsprachige Öffentlichkeitsarbeit mit modernen Mitteln, insbesondere durch eigene Medienstellen. Dabei ging es ihm darum, die eigene Macht zu demonstrieren und dadurch Gegner einzuschüchtern, Anhänger zu rekrutieren sowie den Anspruch eigener Staatlichkeit zu unterstreichen. Zu diesem Zweck veröffentlichte er im Internet unzählige Videos mit brutalen Hinrichtungen.
62Spätestens seit der Proklamation des IS im Juni 2014 wurden andere Organisationen, Gruppierungen, Emirate und Provinzen in den vom IS kontrollierten Gebieten nicht mehr als legitim angesehen. Die Muslime weltweit und die Kämpfer anderer Gruppierungen wurden aufgefordert, al-Baghdadi Gehorsam zu leisten. Die Organisation erhob damit den Führungsanspruch innerhalb der globalen Jihad-Bewegung.
63Mit der militärischen Offensive der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten sowie Russlands gegen den IS ab Herbst 2015 büßte dieser die meisten Formen seiner „staatlichen“ Verfasstheit ein und musste hohe Verluste an Kämpfern verzeichnen, während zugleich Anhänger mit ihren Familien das Territorium des IS fluchtartig verließen. Von Herbst 2017 bis März 2019 konzentrierte sich der IS mit letzten, vor allem im Bereich des mittleren Euphrats und im Südosten von Deir ez-Zor – und der in diesem Gouvernement liegenden Kleinstadt Mayadin – erbittert kämpfenden Truppen auf die Verzögerung einer Kapitulation. Am 14. Oktober 2017 wurde die Stadt Mayadin, die bereits im Mai 2017 Ziel von Luftangriffen wurde, nach einer von der russischen Luftwaffe unterstützten Offensive durch die syrische Armee vom IS zurückerobert.
64Seit dem Jahr 2014 wurden durch Anhänger des IS in dessen Namen auch in der westlichen Welt Anschläge mit vielen Todesopfern – besonders häufig in Europa – begangen.
652. Das Vorgehen des IS gegen die Jesiden
66Nach den Vorstellungen des IS hatten in dem von ihm beherrschten Gebiet neben den sunnitischen Muslimen nur Juden und Christen ein Lebensrecht, da es sich bei ihren Religionen um große monotheistischen Religionen mit einem Offenbarungsbuch handelt, die schon im Koran als solche erwähnt sind. Sie konnten ihre Religion zwar nicht öffentlich praktizieren, durften aber im Islamischen Staat leben, sofern sie eine Kopfsteuer zahlten. Schiiten und Angehörige anderer Religionen galten dagegen als Abtrünnige oder Ungläubige, die in der Regel getötet oder versklavt wurden. Zu den vom IS systematisch verfolgten Minderheiten gehört die Volksgruppe der Jesiden.
67Die Jesiden sind eine hauptsächlich im Irak in Sinjar und im weiter östlich gelegenen Shaikan lebende religiöse Minderheit. Die Anzahl der jesidischen Bevölkerung ist umstritten, Schätzungen schwanken zwischen 200.000 und 700.000 Personen. Die jesidische Religion ist monotheistisch und hat Elemente des Christentums, des Islam und des Zoroastrismus übernommen. Die Jesiden sind ethnische Kurden, definieren ihre Identität aber in erster Linie über ihre Religion. Da in der jesidischen Religion Engel eine besondere Rolle spielen, hält der IS die Jesiden für „Teufelsanbeter“ und hat es sich zum Ziel gesetzt, die jesidische Religion vollständig auszulöschen.
68In der Nacht vom 2. auf den 3. August 2014 überfiel der IS mit hunderten schwer bewaffneten Kämpfern die Region um das Sinjar-Gebirge im Nordwesten des Irak, in der sich neben der Hauptstadt Sinjar mehrere hundert überwiegend von Jesiden bewohnte Dörfer befanden. Vielen tausenden Jesiden gelang die Flucht, vornehmlich in das irakische Kurdengebiet, teilweise aber auch in das Sinjar-Gebirge, wo sie von IS-Kämpfern mehrere Wochen eingekesselt wurden und wo zahlreiche Menschen, insbesondere auch Kinder, ungeschützt der Hitze ausgesetzt waren und ohne Zugang zu Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung den Tod fanden. Innerhalb von drei Tagen gelang es dem IS, die Dörfer mit Ausnahme des besonders weit im Süden gelegenen K. einzunehmen, welches erst am 15. August 2014 besetzt wurde. Ziel des Angriffs war die vollständige Vernichtung der jesidischen Religion, des Jesidentums als solchem und seiner Angehörigen in den vom IS besetzten Gebieten, unter anderem durch Zwangskonversion und religiöse Umerziehung aller Jesiden, durch sofortige Hinrichtung der nichtkonversionsbereiten Männer ab Erreichen der Pubertät und durch Versklavung der Frauen und Kinder.
69In Konsequenz dessen wurden die Männer, die sich weigerten zum Islam zu konvertieren, zumeist in unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Nähe – teils vor den Augen ihrer Familien und häufig mittels Massenexekutionen – durch den IS hingerichtet. Die Männer, die sich – sei es, um zu überleben – bereit erklärt hatten, zum Islam überzutreten, wurden gefangengenommen, verschleppt und in der Folge als Zwangsarbeiter eingesetzt oder zwangsweise als Soldaten rekrutiert.
70Frauen und Kinder wurden zunächst an geeigneten Sammelstellen, wie dem Gebäude der Technischen Universität in Solagh östlich der Stadt Sinjar, zusammengetrieben und von dort in Gruppenunterkünfte, beispielsweise in Schulen oder Gefängnisse in Tal Afar, Baaj, Badousch oder in die als Hochzeitshalle bekannte „Galaxy Hall“ in Mossul, verbracht, wo sie einige Zeit verblieben. Von dort wurden sie unter Androhung und Einsatz von Gewalt in Gebiete verschleppt, die schon länger vom IS besetzt waren, insbesondere nach Raqqa in Syrien und nach Mossul im Irak, um die Frauen und Mädchen dort als Haushalts- und Sexsklavinnen zu verwenden. Die hygienischen und tatsächlichen Bedingungen in den Gruppenunterbringungen waren katastrophal und menschenunwürdig. Die Gefangenen wurden als „Ungläubige“ und „Teufelsanbeter“ beleidigt, misshandelt und geschlagen. Es kam zu sexuellen Übergriffen. Zudem wurden die Gefangenen gezwungen, entgegen ihrem Glauben nach islamischen Regeln zu beten. In den Unterkünften wurden die Frauen und Mädchen registriert und katalogisiert, um ihren späteren Verkauf als Sklavinnen vorzubereiten. Dieser erfolgte direkt aus den Unterkünften heraus oder über zentrale Sklavenmärkte vor allem in Raqqa oder Mossul. Teilweise wurden Frauen und Mädchen auch über Online-Auktionen des IS veräußert oder verlost. Auf diesen Online-Portalen wurden auch sehr junge Mädchen angeboten, die auf Lichtbildern in verschiedenen Posen und aus verschiedenen Perspektiven heraus abgebildet waren.
71Kämpfer des IS konnten sich entweder aufgrund ihrer herausgehobenen Funktion, als Auszeichnung für besondere Leistungen, als Besoldungssurrogat oder gegen Geldzahlungen Frauen und Mädchen aussuchen und mitnehmen. Die versklavten Frauen und Mädchen wurden zu sexuellen Handlungen gezwungen und für die Erledigung des Haushaltes sowie die Kinderbetreuung eingesetzt.
72In dem vom IS im Oktober 2014 herausgegebenen und unter seinen Mitgliedern weit verbreiteten englischsprachigen Magazin DABIQ 4 wurden die Tötung der männlichen Jesiden und die Versklavung von jesidischen Frauen und Mädchen religiös gerechtfertigt, Preisempfehlungen für den Sklavenhandel verbreitet und konkrete Handlungsanweisungen für die Haltung der Sklavinnen erteilt. Daneben veröffentlichte der IS im Herbst 2014 ein mit „Fragen und Antworten über die Haltung von Sklaven und Gefangenen“ überschriebenes Dokument mit Regeln für die Haltung weiblicher Sklaven, insbesondere dazu, unter welchen Voraussetzungen Geschlechtsverkehr mit ihnen gestattet sei.
73II. Tathandlungen der Angeklagten
741. Mitwirkung von I. und E. Y. B.
75Nachdem sich die Söhne der Angeklagten C. und B., I. und E. Y. B., die in Deutschland dem Umfeld der salafistischen und seit Mai 2012 verbotenen Vereinigung „Millatu Ibrahim“ um Mohamed Mahmoud und Denis Cuspert angehörten, verstärkt dem Islam zugewandt und radikalisiert hatten, reisten sie Ende Juni/Anfang Juli 2012 in Begleitung der Angeklagten C. und mit Wissen des Angeklagten B. in die Türkei. Von dort reisten I. und E. Y. B. nach Ägypten. Anschließend begaben sie sich zunächst nach Libyen und Anfang des Jahres 2013 nach Syrien. Dort suchten sie Anschluss an jihadistische Gruppierungen im Bürgerkriegsgebiet. Sie schlossen sich zunächst der Jabhat an-Nusra und spätestens am 14. November 2013 dem IS an. Dort führte I. B. den Namen Abu H1, während sich E. Y. B. als Abu G1 bezeichnen ließ.
76Im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2013 bestellten I. und E. Y. B. von Jarabulus aus bei verschiedenen Anbietern im Internet Waffenzubehör und sonstige Ausrüstungsgegenstände, die sie im syrischen Kampfgebiet selber nutzten oder an islamistische Kämpfer ihrer Gruppierung verkauften. Daneben standen I. und E. Y. B. dem IS auch als Kämpfer zur Verfügung, verrichteten für diesen Wachdienste, die entweder der äußeren Sicherung des von der Vereinigung kontrollierten Gebietes oder der Überwachung der vom IS aufgestellten Verhaltensregeln dienten, und nahmen vom 20. bis 28. November 2013 bei Aleppo an einem Kampfeinsatz des IS um eine Militärbasis (Liwa 80) teil. Im Zeitraum vom 7. bis 17. Januar 2014 beteiligten sie sich auf Seiten des IS an Kampfhandlungen in Jarabulus gegen Kräfte der Freien Syrischen Armee. Im Rahmen der Kampfhandlungen mussten sie sich für mehrere Tage in einem Gebäude verschanzen, bis sie von Kämpfern des IS befreit wurden. Am 16. Januar 2014 verübte der IS im Rahmen dieser Gefechte einen Autobombenanschlag, der zu einer Vielzahl von Toten führte und die Auseinandersetzung zu Gunsten des IS entschied. Am 17. Januar 2014 konnten die Brüder B. ihre Stellung verlassen. Die Stadt befand sich nunmehr unter alleiniger Herrschaft des IS.
77Im Anschluss an diese Kämpfe setzte sich E. Y. B. mit seiner Ehefrau nach islamischem Ritus S. N. am 22. Januar 2014 mit Genehmigung des IS in die Türkei ab. Er blieb mit seinem in Syrien verbliebenen Bruder I. in Kontakt; beide kamen überein, dass E. Y. nunmehr aus der Türkei heraus I., der das Geschäft mit Ausrüstungs- und sonstigen Gegenständen in Syrien fortsetzen wollte, unterstützen werde. In der Folgezeit sollte E. Y. B. hierzu organisatorische Zuarbeit leisten, indem er Geld und Ausrüstungsgegenstände zu I. nach Syrien schaffte.
78I. B. führte seine Beschaffungs- und Verkaufstätigkeit für den IS in Jarabulus mit entsprechender Genehmigung des IS und unter Aufsicht der Organisation – spätestens ab Mai 2014 in Form eines Handelsgeschäfts – fort, indem er weiterhin Ausrüstungsgegenstände, die im Kriegsgebiet benötigt wurden oder nützlich waren, wie Waffenzubehör, zunächst insbesondere auch Alltagsgegenstände wie Akkuladegeräte, Kleidung und Lebensmittel, an IS-Angehörige verkaufte. Zudem erwog er die Eröffnung eines Internetcafés. E. Y. B. setzte seine organisationsfördernde Tätigkeit zu Gunsten des IS in der Türkei fort, indem er die von seinem Bruder benötigte und bestellte Handelsware beschaffte und deren Transport nach Syrien organisierte. Unter anderem um seine regelmäßigen Reisen mit Ware über Gaziantep nach Syrien gegenüber den türkischen Behörden zu verschleiern, gründete E. Y. B. spätestens im Herbst 2014 eine eigene Firma, die er „W. G.“ nannte und deren Warenangebot insbesondere Outdoorbekleidung- und ausrüstung, Tarnkleidung, Messer, Zielvorrichtungen für Schusswaffen, Drohnen und Zweibeine beinhaltete.
79Etwa ab Mitte 2015 erlangte I. B. eine offizielle Position im „Beschaffungsamt“ des IS in Raqqa und bestellte auch in dieser Funktion im Auftrag des IS bei seinem Bruder E. Y. benötigte Güter. E. Y. und I. B. bauten auf diesem Wege sukzessive ihre Geschäftstätigkeit für den IS aus und erlangten zeitweise erhebliches Vermögen. Anfang 2017 kehrte E. Y. B. zu seinem Bruder nach Syrien zurück.
80Am 25. November 2017 wurde E. Y. B. durch kurdische Kräfte in Syrien verhaftet, während I. B. bei seiner Flucht am 23. Februar 2018 in der Türkei festgenommen, inhaftiert und nach Verurteilung am 9. Januar 2019 unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation (IS) durch das 2. Strafgericht Sanliurfa, Az. 2018/313, zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe unter Verhängung eines Ausreiseverbotes vorläufig aus der Haft entlassen wurde.
812. Angeklagte A.
82a) Vorgeschehen
83Bereits ab dem Sommer 2013 pflegte die Angeklagte A. von Deutschland aus über das Internet Kontakt zu S. N., die mit E. Y. und I. B. in der syrischen Stadt Jarabulus lebte. Nachdem die Angeklagte A. bei der Reisebuchung Kopien der Reisepässe ihrer Eltern und eine gefälschte Einverständniserklärung vorgelegt hatte, trat sie am 31. Oktober 2013 einen Flug von S. nach Istanbul und den Weiterflug nach Gaziantep an. Von dort begab sie sich über die Grenze nach Syrien zu S. N., die ihr zuvor angeboten hatte, bei ihnen zu leben. In Jarabulus begegnete die Angeklagte A. sowohl der Angeklagten C., die sich zu Besuch bei ihren Söhnen befand, als auch erstmalig I. B..
84Wenige Tage nach ihrer Ankunft in Jarabulus besuchte die Angeklagte A. gemeinsam mit S. N. die Moschee und nahm ab diesem Zeitpunkt regelmäßig an einem dort veranstalteten Islamunterricht teil.
85Während der Kämpfe Anfang 2014 in Jarabulus wurden die Angeklagte A. und S. N. in einem nahe gelegenen Dorf bei Frauen, die A. aus dem Islamunterricht kannte, und später in einem Frauenhaus in Jarabulus untergebracht.
86b) Fall 1
87Ab ihrer Heirat mit I. B. nach islamischem Ritus am 4. Januar 2014 in Aleppo bis zu ihrer Flucht im November 2017 gliederte sich die Angeklagte A. unter Befürwortung der radikal-islamistischen und militanten Ideologie sowie Vorgehensweise des IS in die Organisation ein, ordnete sich dem Willen der Vereinigung unter und übernahm in diesem Rahmen Tätigkeiten zur Förderung ihrer Ziele. Sie führte dort die Namensbezeichnung Umm H1.
88In Jarabulus lebte die Angeklagte A. mit I. B. zusammen und führte den gemeinsamen Haushalt. Hierdurch ermöglichte sie I. B. unter anderem, für den IS Wach- und Gefechtsdienst zu leisten. Dies entsprach den von ihr bewusst übernommenen Pflichten als Ehefrau eines Kämpfers des IS in dessen Herrschaftsgebiet und dem vom IS propagierten Rollenverständnis unter den Geschlechtern.
89Ab Februar 2014 bis Anfang Juni 2014 nahm die Angeklagte gemeinsam mit I. B. in ihrer Wohnung in Jarabulus übergangsweise Neuankömmlinge für den IS auf, etwa deutsche „Brüder“ mit deren Frauen, die nicht sofort eine Unterkunft fanden, oder deutsche Frauen, die zur Verehelichung an IS-Kämpfer vermittelt wurden.
90Ferner versuchte die Angeklagte Familienangehörige – so mehrfach ihre Schwester T. und im Mai 2014 sowie Februar 2015 aufgrund dessen medizinischer Kenntnisse auch deren Ehemann nach islamischen Ritus N. L. – zur Reise nach Syrien zu bewegen, um den IS zu unterstützen.
91Spätestens im Juni 2014 zog die Angeklagte A. mit I. B. in eine andere Wohnung im Zentrum von Jarabulus. Weil sich die Sicherheitslage in der Stadt verschlechterte – es kam auch zu Bombardierungen in der Innenstadt – zogen die Angeklagte A. und I. B. um die Jahreswende 2014 / 2015 nach Manbidsch.
92Seit der Geburt M4s im Februar 2015 kümmerte sich die Angeklagte zudem um die Versorgung der gemeinsamen Tochter, wodurch sie I. B. auch für seine Aufgaben beim IS freistellte.
93Im August 2015 zogen die Angeklagte A. und I. B. mit ihrer Tochter nach Raqqa, zunächst in eine Vierzimmerwohnung. Hintergrund war, dass I. B. seine Tätigkeit im „Beschaffungsamt“ des IS in Raqqa antrat. Im Frühling 2016 bezog die Familie eine größere, am Stadtrand gelegene Wohnung.
94Als die Lage wegen zunehmender Bombardements unsicherer wurde, erfolgte nach der Geburt der Tochter M5 im Herbst 2016 ein erneuter Umzug in Raqqa, in eine nunmehr zwar kleinere, aber als weniger gefährdet befundene Wohnung.
95Zu einem im Einzelnen unbekannten Zeitpunkt während des Aufenthalts in Raqqa erhielt die Angeklagte von I. B. eine Pistole der Marke Glock, die sie fortan – nicht ausschließbar zu Zwecken des Selbstschutzes – stets bei sich führte.
96Als der IS militärisch immer weiter zurückgedrängt wurde, zogen die Familie und der zwischenzeitlich aus der Türkei nach Syrien wiedergekehrte E. Y. B. im Mai 2017 im Gefolge des IS nach Mayadin. Als die Luftangriffe von IS-Gegnern auf die Stadt zunahmen und auch das Haus der Angeklagten und I. B.s bombardiert wurde, kam die Angeklagte A. Anfang Oktober 2017 mit ihren Töchtern M4 und M5 kurzfristig in einem Frauenhaus in Mayadin unter. Von dort zog sie mit I. B. noch zweimal in Mayadin um, bevor die Familie Ende 2017 / Anfang 2018 in Richtung Türkei flüchtete.
97Die Angeklagte handelte aus einer radikal-islamischen Einstellung heraus und verfolgte das Ziel, den vom IS angestrebten islamischen Staat unter Geltung der Scharia zu etablieren.
98Der IS leistete an die Angeklagte A. und I. B. jedenfalls bis Ende 2016 / Anfang 2017 monatliche Zahlungen in Höhe von rund 118 US-Dollar.
99c) Fall 4
100Im Zeitraum von September 2015 bis Oktober 2017 hielt die Angeklagte gemeinsam mit I. B. in ihrem Haushalt in Raqqa und in Mayadin insgesamt sieben jesidische Frauen und Mädchen, darunter auch zwei Minderjährige, als Sklavinnen. Die Frauen und Mädchen waren im Zuge des Angriffs des IS auf das jesidische Volk gefangen genommen und anschließend – teilweise über eine Vielzahl von Stationen – weiterverkauft worden. Im Einzelnen handelte es sich um die Nebenklägerinnen X., Y. und Z., sowie vier weitere Personen, von denen lediglich die Vornamen bekannt sind, namens M7, M1, M8 und M2. M1 und M2 waren zum Zeitpunkt ihrer erzwungenen Aufenthalte im Haushalt der Angeklagten nur 13 oder 14 Jahre alt. M8 hielt sich dort nur wenige Tage auf.
101Die Angeklagte A. und I. B. erwarben die von ihnen als Sklavinnen gehaltenen Frauen und Mädchen von einem ebenfalls im „Beschaffungsamt“ des IS tätigen Sklavenhändler in Raqqa, der sich „Abu H2“ nannte. Er war Emir und Freund von I. B.. Allein das Mädchen M2, die Schwester M8s, wurde von einem anderen arabischen IS-Mitglied in Mayadin erworben.
102Die Angeklagte und I. B. handelten in Kenntnis der Verfolgung der Jesiden durch den IS und zur Durchsetzung seiner Ideologie, wonach die Jesiden rechtlose „Teufelsanbeter“ seien und die Versklavung der jesidischen Frauen und Kinder religiös gerechtfertigt und in Ausführung der Ziele des IS, die Religionsgemeinschaft der Jesiden zu vernichten, erfolgte, und wussten von den vom IS aufgestellten und veröffentlichten Regeln zum Umgang mit Sklavinnen.
103aa) Abfolge der Versklavungen
104Ab Mitte September 2015 bis Mitte November 2015 erwarben und hielten die Angeklagte A. und I. B. gemeinschaftlich in ihrem Haushalt in Raqqa zunächst die Nebenklägerin Z., die ihre etwa zweijährige Tochter M3 bei sich hatte, als Sklavin.
105Nach dem Verkauf von Z. an ein anderes IS-Mitglied hielten sie eine jesidische Frau mit dem Namen M7 als Sklavin, die noch vor dem 1. Dezember 2015 ebenfalls an ein anderes IS-Mitglied veräußert wurde. Auch M7 hatte während ihres Aufenthalts im Haushalt der Angeklagten A. eine Tochter bei sich.
106Anfang Dezember 2015 erwarben die Angeklagte und I. B. ein jesidisches Mädchen im Alter von 13 oder 14 Jahren mit dem Namen M1 als Sklavin.
107Im Januar 2016 erwarben die Angeklagte und I. B. zeitgleich die Nebenklägerin X. und eine weitere jesidische Frau namens M8, welche jedoch nur für die Dauer von weniger als einer Woche in ihrem Haushalt verblieb, als Sklavinnen.
108Im Spätsommer 2016 verkauften sie M1 an einen anderen Sklavenhalter. Im Vorfeld hatte die Angeklagte M1 angewiesen, ein kurzes Jeanskleid anzuziehen, sodann schminkte die Angeklagte sie und fertigte mit ihrem Mobiltelefon Fotos von ihr, die in einem Onlinesklavenmarkt des IS mit dem Hinweis auf die Verfügbarkeit des Mädchens zum Verkauf veröffentlicht wurden.
109Im Dezember 2016 erwarben sie zusätzlich zur noch im Haushalt befindlichen Nebenklägerin X. die Nebenklägerin Y. als Sklavin, die sie für die Dauer von rund fünf Monaten behielten.
110Im Mai 2017 übergab I. B. die Nebenklägerin X. an seinen Bruder E.-Y., der – wie ausgeführt – aus der Türkei nach Syrien zurückgekehrt war. Gemeinsam zogen sie mit den Nebenklägerinnen X. und Y. nach Mayadin, wo I. B. und die Angeklagte A. Y. weiterveräußerten.
111In Mayadin erwarben die Angeklagte A. und I. B. schließlich im Sommer 2017 ein 13 oder 14-jähriges jesidisches Mädchen namens M2 und hielten sie bis zu ihrem Tod im Herbst 2017 in ihrem Haushalt als Sklavin.
112bb) Behandlung der Sklavinnen
113Sämtliche Sklavinnen mussten den Anweisungen der Angeklagten A. und I. B.s Folge leisten. Sie wurden zum frühmorgendlichen Aufstehen, zur Verrichtung von Hausarbeit, wie dem täglichen, teils mehrfachen Putzen der Wohnung, zur Versorgung der Töchter und zu vereinzelten Einkaufsgängen angehalten. Sie sollten ihren jesidischen Glauben ablegen und den Islam nach der IS-Ideologie studieren und praktizieren, insbesondere mussten sie mehrmals am Tag islamisch beten.
114Ihren Aufenthaltsort konnten sie nicht selbst bestimmen. Über einen Schlüssel für die jeweiligen Wohnungen verfügten ausschließlich die Angeklagte A. und I. B., die die Wohnung verschlossen hielten. Dadurch hatten sie auch die Kontrolle über die Bewegungsfreiheit der versklavten Jesidinnen. Diese durften die Wohnung nur mit ihrer Erlaubnis und in der Regel in Begleitung der Angeklagten A. oder I. B.s verlassen.
115Die Nebenklägerin X. und M1 wurden von der Angeklagten angewiesen, auch bei anderen Frauen unentgeltlich Arbeit zu leisten. Hierzu gehörten die mit der Angeklagten befreundeten N. J. und O. O.. Der Ehemann von N. J., I. S., war seit Jahren eng mit I. B. befreundet. Sie kannten sich bereits aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Milatu Ibrahim in Deutschland sowie von dem gemeinsamen Aufenthalt in Libyen. O. O. war mit dem ebenfalls mit I. B. befreundeten Denis Cuspert nach islamischem Ritus verheiratet.
116In den Wohnungen der N. J. in Raqqa und Al-Mayadin musste die Nebenklägerin X. in mehreren Fällen in Begleitung und auf Weisung der Angeklagten A. Haushaltstätigkeiten verrichten und sich um die Tochter J.s kümmern. Im Frühjahr 2016 nahm die Angeklagte zudem sowohl die Nebenklägerin X. als auch M1 zu mindestens zwei Besuchen bei ihrer Freundin O. O. mit. Bei diesen Besuchen mussten die Nebenklägerin X. und M1 nach entsprechender Absprache zwischen der Angeklagten und ihrer Freundin deren Wohnung putzen.
117cc) Körperliche Gewalt gegenüber den Sklavinnen
118Während ihres Aufenthaltes im Haushalt der Angeklagten A. wurden jedenfalls die Nebenklägerinnen X. und Y. sowie das Mädchen M1, teilweise mit Gegenständen wie einem Stock, einem Wasserschlauch oder einem Schuh, durch die Angeklagte geschlagen, so dass sie Schmerzen erlitten.
119(1) X.
120Die Nebenklägerin X. wurde in der Zeit ihres Aufenthaltes im Haushalt der Angeklagten von Ende Januar 2016 bis Mai 2017 zu im Einzelnen nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten von der Angeklagten A. mindestens sechs Mal geschlagen. Hierdurch erlitt die Nebenklägerin Schmerzen.
121Anlass für solche Züchtigungen war etwa, dass die Nebenklägerin X. die von ihr verrichtete Hausarbeit aus Sicht der Angeklagten nicht ordnungsgemäß erledigt hatte. Die Angeklagte schlug die Nebenklägerin aus diesem Grund einmal, als diese ihr nicht das vorgestellte Frühstück gebracht hatte. Sie verabreichte der Nebenklägerin X. zudem bei zwei weiteren Gelegenheiten Schläge, weil ihr der Zustand der Wohnung missfiel, nämlich einmal, als sich nach ihrer Auffassung Staubschichten auf den Möbeln befanden, und einmal, als Katzenurin nicht sofort entfernt worden war.
122Die Angeklagte schlug die Nebenklägerin X. zudem, wenn ihre Kinder aus ihrer Sicht nicht hinreichend beaufsichtigt wurden, so einmal, weil die Windeln der Tochter M4 nicht unverzüglich gewechselt worden waren, nachdem diese eingenässt hatte.
123Weil die Nebenklägerin X. die Gebete des Korans nicht korrekt wiedergab, schlug die Angeklagte A. sie jedenfalls einmal, dies im Beisein des Mädchens M1.
124Während des islamischen Opferfests vom 12. bis 16. September 2016 schlug die Angeklagte die Nebenklägerin X. unmittelbar nachdem diese von I. B. im Badezimmer der Wohnung vergewaltigt worden war, da sie über die Situation verärgert war.
125In den jedenfalls 15 Monaten ihres Aufenthaltes im Haushalt der Angeklagten A. kam es zu einer Vielzahl weiterer ähnlicher Übergriffe durch die Angeklagte A. auf die Nebenklägerin X., die im Einzelnen jedoch nicht näher festgestellt werden konnten.
126(2) M1
127Anfang Dezember 2015 wurde das Mädchen M1 von der Angeklagten A. geschlagen, weil sie duschte, ohne zuvor die Erlaubnis der – zunächst noch schlafenden – Angeklagten eingeholt zu haben. Darüber erzürnt schlug die Angeklagte das Mädchen mehrmals kräftig mit der Hand, wodurch M1 Schmerzen erlitt.
128(3) Y.
129Die Angeklagte A. schlug die Nebenklägerin Y. unmittelbar nach ihrer Ankunft und trat ihr dreimal gegen das Bein. Anlass hierfür waren eigenes Geld, über das Y. noch verfügte, und der Schleier, mit dem diese bedeckt war. Dieser Schleier, den Y. von einem früheren Sklavenhalter erhalten hatte, entsprach demjenigen, den auch die IS-Frauen trugen. Beides missfiel der Angeklagten, die dies als nicht dem Status einer Sklavin angemessen erachtete. Der Schlag und die Tritte verursachten bei Y. Schmerzen. Nachdem sich die Nebenklägerin Y. eine solche Behandlung verbeten und sich bei I. B. hierüber beschwert hatte, unterließ es die Angeklagte A. fortan, diese mit Schlägen zu züchtigen.
130dd) Sexuelle Übergriffe auf die Sklavinnen
131Gegenüber I. B. hatten die versklavten Frauen und Mädchen, wie es der Ideologie des IS entsprach, sexuell gefügig zu sein. Er zwang jedenfalls die Nebenklägerinnen X. und Y. teilweise gewaltsam, im Übrigen zumindest in Ausnutzung ihrer schutzlosen Lage als Sklavinnen im Haushalt der Familie gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr.
132Der Angeklagten A. war das Vorgehen I. B.s als dessen Ehefrau nicht recht, gleichwohl erklärte sie sich ihm gegenüber damit einverstanden, da sie dies nach den Regeln des IS für gerechtfertigt hielt. Gegenüber den Nebenklägerinnen X. und Y., die sie um Hilfe baten, bekundete die Angeklagte, dass es eine Sünde sei, sich der Vergewaltigung zu widersetzen. Dies sei eben das Schicksal der jesidischen Sklavinnen.
133(1) X.
134Die Angeklagte A. teilte der Nebenklägerin X. bereits beim Erwerb mit, dass es für eine Sklavin Sünde sei, sich dem Geschlechtsverkehr zu entziehen. Der Islam erlaube es, Ungläubige wie die Jesiden zu vertreiben, ihren Besitz zu nehmen und die Frauen zu versklaven und zu vergewaltigen. Wer eine Sklavin kaufe, dürfe sie auch vergewaltigen. Durch die ihm bekannte Akzeptanz seines Vorgehens durch die Angeklagte bestärkt wurde I. B. gegenüber der Nebenklägerin X. in folgender Weise sexuell übergriffig:
135Am Nachmittag ihres zweiten Tages im Haushalt der Angeklagten und I. B.s wurde X. von der Angeklagten A. aufgefordert, sich zu duschen und ein von dieser ausgewähltes Kleid anzuziehen, um sie für den Geschlechtsverkehr mit I. B. vorzubereiten. Nach dem gemeinsamen Abendgebet verließ die Angeklagte den Raum und begab sich in das Nachbarzimmer, in dem sich bereits M1 und M8 befanden. Als X. ihr folgen wollte, hielt I. B. sie am Arm fest und brachte sie sodann ins Schlafzimmer. Auf ihren Hinweis, dass sie schreien werde, äußerte er, dass − wie zutreffend − seine Frau, die Angeklagte A., wisse, was er tun werde und hiermit einverstanden sei. Wenn sie − X. − sich weigere, werde er sie zwingen, mit ihm zu schlafen. Er zog ihr gewaltsam das Kleid und sich selbst die Hose aus. Die Nebenklägerin versuchte wegzulaufen, wurde aber vom körperlich überlegenen I. B. mit den Schultern auf das Bett gedrückt. Dieser streifte sich ein Kondom über, schlug X. zur Unterbindung ihrer Gegenwehr auf die Oberschenkel und vollzog etwa 15 Minuten lang den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss.
136Anlässlich des islamischen Opferfests vom 12. bis 16. September 2016 half X. I. B. beim Schlachten von Tieren. Die Angeklagte forderte die hierdurch blutbefleckte Nebenklägerin auf, sich zu duschen. I. B. verlangte Einlass in das verschlossene Badezimmer, den die Nebenklägerin zunächst mit der Begründung verweigerte, sie sei nackt. Nachdem I. B. drohte, die Tür einzutreten, öffnete X. diese aus Furcht vor ihm. I. B. betrat den Raum und vollzog gegen ihren Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin, wobei er diese auf den Körper schlug.
137Während ihres Aufenthalts bei der Angeklagten A. und I. B. kam es zu einer Vielzahl weiterer ähnlicher sexueller Übergriffe durch I. B. auf die Nebenklägerin X.. Die Übergriffe zogen teilweise Blutungen im Genitalbereich der Nebenklägerin nach sich. Auf ihre Bitten gegenüber der Angeklagten, I. B. von den Übergriffen abzuhalten, äußerte die Angeklagte, dies könne sie nicht tun, da es nach islamischem Recht verboten („haram“) sei.
138(2) Y.
139Gegenüber der Nebenklägerin Y. erfolgten im Einverständnis mit der Angeklagten A. ebenfalls sexuelle Übergriffe durch I. B.:
140Unmittelbar nach der Ankunft der Nebenklägerin im Haushalt der Angeklagten A. forderte diese Y. auf, ihren Körper zu enthaaren, um sie auf den Geschlechtsverkehr mit I. B. vorzubereiten. Danach, am zweiten oder dritten Tag ihres Aufenthalts, gebot I. B. der Nebenklägerin, ihm zu helfen eine Doppelmatratze in das Schlafzimmer zu tragen. Dort angekommen schloss er die Zimmertür ab, ergriff sie fest, stieß sie auf die Matratze und legte sich auf sie. Er zog ihr, obwohl sie sagte, dass sie keinen Geschlechtsverkehr mit ihm wolle, und ihn bat, von ihr abzulassen, die Kleider aus, streifte sich ein Kondom über und vollzog mindestens 30 Minuten lang den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss, während Y. vor Schmerzen schrie. Aufgrund ihrer hilflosen Lage als Sklavin im Haushalt und weil sie sich vor dessen Gewalttätigkeit fürchtete, leistete Y. keinen körperlichen Widerstand.
141Während ihres Aufenthaltes kam es auch darüber hinaus regelmäßig zu ähnlich gelagerten sexuellen Übergriffen durch I. B. auf die Nebenklägerin Y.. Diese fanden jeweils in dem Bett in I. B.s Schlafzimmer statt und dauerten bis zu zwei Stunden. Hierdurch zog sich die Nebenklägerin Schmerzen und Entzündungen im Genitalbereich zu, weswegen die Angeklagte A. sie zwischenzeitlich zur Behandlung zu einer Frauenärztin des IS brachte. In der Zeit danach erfolgte weiterer durch I. B. erzwungener schmerzhafter Geschlechtsverkehr.
142ee) Tod der Sklavin M2
143Anfang Oktober 2017, als die Luftangriffe von IS-Gegnern auf Mayadin stark zunahmen und auch die dortige Wohnung der Angeklagten A. und I. B.s hiervon gefährdet erschien, nahm die Angeklagte A. M2 zunächst mit in ein Frauenhaus des IS in Mayadin und sodann in zwei weitere kurzfristig gefundene Wohnungen im Umfeld, die sie dort mit I. B. und den Töchtern bezog.
144Trotz der Bedrohungslage in und um Mayadin fuhren I. B. und M2 an einem zeitlich nicht näher bestimmbaren Tag im Oktober 2017 zum Einkaufen. Es bestand Einvernehmen zwischen der Angeklagten A. und I. B., dass die Sklavinnen bei Bedarf zu derartigen Fahrten mitgenommen wurden. Dementsprechend hatten in der Vergangenheit die Sklavinnen ihn und die Angeklagte bei Fahrten oder zu Einkäufen begleitet.
145Für die Fahrt mit M2 wählte I. B. eine Hauptstraße, die er tags zuvor mit der Angeklagten befahren hatte und hinsichtlich derer die Angeklagte davon ausging, dass sie – wie am Vortag geschehen – wiederum bombardiert werden könne. Ebenso wie I. B. war der Angeklagten bewusst, dass die Sklavinnen bei den Fahrten im Kriegsgebiet durch Gefechte und Bombardierungen verletzt oder getötet werden könnten. Das von I. B. geführte Fahrzeug wurde von einem Geschoss getroffen und M2 dabei schwer verletzt. I. B. brachte das Mädchen noch in ein nah gelegenes Krankenhaus, wo es seinen Verletzungen erlag.
146d) Nachtatgeschehen
147Trotz zunehmend angespannter Sicherheitslage wollte die Angeklagte A. das IS-Gebiet im Herbst 2017 zunächst nicht verlassen und überzeugte I. B., der von seiner Mutter, der Angeklagten C., und seinem Bruder zur Ausreise gedrängt wurde, mit ihr in Syrien zu bleiben. Erst unter dem Eindruck der zunehmenden Luftangriffe auf Mayadin und angesichts ihrer dritten Schwangerschaft reifte auch in ihr der Gedanke, Syrien nunmehr zu verlassen.
148Am Tag nach dem Tod M2s begab sich die Familie in Richtung Hajin. Sie kamen bis zur Geburt der Tochter M6 am 00.00.2017 bei befreundeten Familien und schließlich bei dem zwischenzeitlich dort lebenden Abu H2 unter. Mitte Februar 2018 organisierte I. B. für sich, die Angeklagte und die Töchter einen LKW-Transport in Richtung türkischer Grenze.
149Am 23. Februar 2018 gelang der Familie in der Nähe der türkischen Stadt Akçakale der Grenzübertritt, wo sie von türkischen Grenzsoldaten aufgegriffen und zunächst in ein Militärquartier für Innere Sicherheit und Terrorismusfragen verbracht wurde. I. B. wurde ausführlich befragt und auch die Personalien der Angeklagten wurden aufgenommen. Die türkischen Behörden erlangten aufgrund einer Datenbankabfrage Kenntnis von der Interpol-Ausschreibung von I. B. und der Angeklagten A. durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden zu Verhaftungszwecken und den in Deutschland bestehenden Haftbefehlen. Die Angeklagte blieb in der Folge in durchgehendem Gewahrsam der türkischen Behörden, die Kontakt mit den deutschen Behörden unterhielten, so dass die Angeklagte nach ihrer Abschiebung nach Deutschland sofort inhaftiert werden konnte.
150Nach medizinischer Untersuchung der Familie in einem Krankenhaus wurde sie in ein weiteres Militärquartier verbracht, dort wurden I. B. und die Angeklagte militärpolizeilich vernommen, ferner wurde das Erscheinen von Pflichtverteidigern durch die Vernehmungspersonen angekündigt. Nach einem genehmigten Besuch zweier Verwandter I. B.s, die auch Wechselkleidung stellen durften, wurde I. B. in eine Zelle mit anderen Männern verbracht, während sich die Angeklagte mit den Kindern in einem Wartezimmer aufzuhalten hatte, dessen Tür abgeschlossen war. Dort hatten sie auf Sitzbänken und dem Boden zu schlafen; es wurden Decken und Kantinenessen gereicht. Auf Klopfzeichen hin wurde der Angeklagten das Aufsuchen eines Bades, auch um Kleidung zu waschen, gestattet. Der Angeklagten wurde zudem ein Telefonat mit ihrer Schwester gewährt und die Kinder durften in einem angrenzenden Gebäude fernsehen. Am nächsten Tag erschienen zwei Anwälte, welche I. B. und die Angeklagte berieten.
151Am 28. Februar 2018 wurde die Familie in ein Gericht nach Sanliurfa gebracht, wo I. B. dem Haftrichter vorgeführt wurde, während die Angeklagte mit den Kindern unter Aufsicht der türkischen Soldaten zu warten hatte. I. B. wurde in Untersuchungshaft genommen; der Angeklagten wurde im Gericht eröffnet, dass sie und ihre Kinder abgeschoben werden sollten. I. B. wurde daraufhin zu einem türkischen Gefängnis transportiert. Die Angeklagte wurde mit ihren Kindern zunächst wiederum in das Militärquartier in Akçakale verbracht, am Folgetag erneut zum Gericht transportiert und von dort schließlich mit ihren Kindern zu einer Ausländer- und sodann einer Polizeibehörde gefahren, wo sie in einer unverschlossenen Polizeizelle untergebracht und versorgt wurden. Da die Tochter M6 erkrankte, wurde die Angeklagte am 5. März 2018 mit ihren Töchtern in einem Krankenhaus vorgestellt.
152Am nächsten Tag wurde die Angeklagte mit ihren Kindern abgeholt und in ein Abschiebegefängnis in der Nähe des Flughafens von Gaziantep verbracht. Sie erhielten ein Zimmer in dem gesicherten Gebäude, das mit Familien unterschiedlicher Herkunft und Kultur stark ausgelastet war; die Angeklagte und ihre Kindern konnten dort duschen. Die Schwester der Angeklagten durfte sie vor Ort besuchen und ihr Kleidung bringen. Die Angeklagte und ihre Kinder lebten in beengten Verhältnissen. Zwischenzeitlich hatte die Angeklagte mit ihren Kindern das zugewiesene Zimmer mit einer syrischen Mutter und deren beiden Kindern zu teilen. Die Türen wurden von 22 Uhr bis 8 Uhr verschlossen gehalten und es wurde eine Stunde am Tag Aufenthalt im Innenhof gewährt. Alle zwei Tage durfte in einem kleinen Laden eingekauft werden.
153Ausweislich des gegen sie ergangenen Urteils des 2. Strafgerichts Sanliurfa vom 9. Januar 2019 wurde seit dem 6. September 2018 Untersuchungshaft an der Angeklagten vollzogen. Eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse brachte der Vollzug der Untersuchungshaft seit dem 6. September 2018 nicht mit sich.
154Bei einer Aussage am 10. September 2018 gab sie gegenüber dem türkischen Strafgericht an, nicht gewusst zu haben, dass ihr mitgeführter Pass gefälscht gewesen sei, weder mit „DEAS noch mit ISID“ habe sie „irgendetwas zu tun“. Sie erlebe seit langem schwere Tage im Abschiebehaft-Zentrum.
155Am 21. September 2018 wurden die Angeklagte und ihre drei Töchter – nach Durchführung von DNA-Tests – durch die türkischen Behörden nach Deutschland abgeschoben. Am Flughafen in D. wurden die Kinder von der Angeklagten getrennt und durch das Jugendamt in Obhut genommen. Die Angeklagte wurde dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt. Nach erfolgter Haftbefehlsverkündung wurde sie in die JVA I. verbracht.
156Jedenfalls bis zu ihrer Flucht aus Syrien am 23. Februar 2018 vertrat die Angeklagte weiterhin ein islamistisch-salafistisches Glaubensverständnis und hing einer radikal-islamistischen und militanten Ideologie, wie sie der IS propagiert, an. Dass die Angeklagte der IS-Ideologie heute noch anhängt, konnte nicht festgestellt werden.
1573. Angeklagte C. und Angeklagter B.
158a) Organisationsabrede und innere Haltung der Angeklagten
159Die Angeklagten C. und B. standen seit der Ausreise ihrer Söhne I. und E. Y. B. aus Deutschland im regelmäßigen fernkommunikativen Kontakt mit diesen, hielten aber auch untereinander Kontakt. Sie besuchten ihre Söhne unabhängig voneinander in der Zeit vom 28. Oktober bis Mitte November 2013 vor Ort in Syrien.
160Die Angeklagten wussten, dass ihre Söhne als Mitglieder kämpfender islamistischer Rebellenorganisationen im syrischen Kriegsgebiet Waffenzubehör und Ausrüstungsgegenstände selber nutzten und an andere islamistische Kämpfer verkauften und dass die Gegenstände bei Kampfhandlungen gegen das syrische Regime eingesetzt wurden. Sie wussten ferner, dass sich ihre Söhne spätestens Mitte November 2013 dem IS anschlossen und sich dort in der Folge als Kämpfer an Kampfhandlungen des IS, etwa bei der Militärbasis „Liwa 80“ in der Nähe von Aleppo vom 20. bis 28. November 2013 sowie im Raum Jarabulus vom 7. bis 17. Januar 2014, beteiligten.
161Ihnen waren Struktur, Vorgehensweise und Ziele des IS den Grundzügen nach bekannt. Sie wussten zudem um die bereits beschriebene Geschäftstätigkeit ihrer Söhne für den IS – in Syrien und später auch in der Türkei – ebenso wie um den mit der Geschäftstätigkeit einhergehenden wirtschaftlichen Erfolg.
162Im Herbst 2013, vor dem 10. Oktober 2013, kamen die Angeklagten C. und B. mit ihren Söhnen I. und E. Y. B. überein, über einen unbestimmten Zeitraum arbeitsteilig die Beschaffung von im syrischen Kampfgebiet benötigten Ausrüstungsgegenständen und Waffenzubehör für islamistische Kämpfer zu organisieren. Die Angeklagte C. war damit einverstanden, dass ihre Söhne diese Gegenstände unter Verwendung ihres Namens und ihrer Wohnanschrift in K. als Lieferadresse von Syrien aus über das Internet bei diversen Unternehmen bestellten. Ihr fiel absprachegemäß vor allem die Aufgabe zu, die an ihre Wohnanschrift gelieferte Ware in Empfang zu nehmen, zu sammeln und für deren Verbringung zu einem geeigneten Zeitpunkt und in einer beförderungsfähigen Größenordnung – gegebenenfalls in mehreren Vorgängen – in die Türkei sowie von dort weiter zu ihren Söhnen nach Syrien zwecks Eigennutzung oder zur Weitergabe an andere IS-Kämpfer zu sorgen. Aufgabe des Angeklagten A. B. war im Wesentlichen die Bezahlung der Ware und teilweise ebenfalls die Verbringung der zuvor angesammelten Gegenstände über die Türkei nach Syrien.
163Nach erfolgten Ausreiseuntersagungen gegenüber den Angeklagten C. und B. kamen sie mit ihren Söhnen spätestens Anfang Mai 2014 überein, fortan deren Geschäftstätigkeit für den IS vor allem durch Geldzahlungen zu fördern.
164Sie hielten es jedenfalls für möglich und nahmen dies auch billigend in Kauf, dass der Kapital- und Warenverkehr mit dem sogenannten Islamischen Staat strafbewehrten Sanktionen unterlag und dass die Ausfuhr von Waffenzubehör zur Weitergabe an Kämpfer des IS gegen ein in Deutschland geltendes und strafbewehrtes Embargo verstößt. Das enge verwandtschaftliche Verhältnis zu ihren Söhnen war für beide Angeklagte das entscheidende Motiv ihres Handelns. Ihnen war bewusst, dass sie hierdurch zugleich deren Organisation förderten.
165b) Fall 5
166Nach der gemeinsamen Vorstellung der Angeklagten C. und B. sowie ihrer Söhne sollte zunächst eine Sammlung der bestellten Waffenzubehör- und Ausrüstungsgegenstände in Deutschland erfolgen, die dann bei sich bietender Gelegenheit im Rahmen des zulässigen Mitnahmegepäcks, gegebenenfalls in mehreren Teilschritten, per Flugzeug in die Türkei und sodann weiter nach Syrien transportiert werden sollten.
167aa) Bestell- und Liefervorgänge
168Aufgrund von zwölf Bestellungen zwischen dem 10. Oktober und dem 10. Dezember 2013 wurden an die Anschrift der Angeklagten C. Waffenzubehörteile und Ausrüstungsgegenstände im Gesamtwert von etwa 6.730 € geliefert, darunter 435 Magazine für das Sturmgewehr AK 47, 33 Magazine für die Selbstladepistole Glock 17 und vier Magazine für das Gewehr M16, im Einzelnen wie folgt:
169(1) Am 10. Oktober 2013 wurden durch die Söhne der Angeklagten oder in deren Auftrag bei der Firma Cc) 25 Magazine für das Sturmgewehr AK 47 bestellt. Der Bestellwert betrug insgesamt 198,75 €. Die Lieferung erfolgte an eine Nachbarin der Angeklagten C., welche die Ware der Angeklagten aushändigte. Die Bezahlung erfolgte durch den Angeklagten B..
170(2) Am 31. Oktober 2013 erfolgte durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag über die E-Mailadresse der Angeklagten C. bei dd) eine Bestellung von 100 Magazinen für das Sturmgewehr AK 47 zu einem Bestellwert von 990 €. Die Ware wurde an die Angeklagte C. geliefert und durch sie bezahlt.
171(3) Ebenfalls am 31. Oktober 2013 wurden durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag über die E-Mailadresse der Angeklagten C. bei der Firma Cc) drei Magazine für die Selbstladepistole Glock 17 und 15 Magazine für das Sturmgewehr AK 47 im Wert von 224,10 € bestellt, an die Angeklagte C. geliefert und durch den Angeklagten B. bezahlt.
172(4) Am 3. November 2013 erfolgte durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag über die E-Mailadresse der Angeklagten C. bei der Firma Cc) eine Bestellung von 35 Magazinen für das Sturmgewehr AK 47 für 278,25 €, die an die Angeklagte C. geliefert und durch den Angeklagten B. bezahlt wurde.
173(5) Am 13. November 2013 erfolgte bei der Firma ee) durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag die Bestellung von zehn Magazinen für das Sturmgewehr AK 47 im Bestellwert von 98 €. Die Lieferung erfolgte an die Angeklagte C.. Der Angeklagte B. bezahlte die Ware.
174(6) Am 17. November 2013 wurden durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag über die E-Mailadresse der Angeklagten C. bei dem Unternehmen Cc) 250 Magazine für das Sturmgewehr AK 47, ein Gehörschutz sowie ein Zweibein mit Zubehör für insgesamt 2.080,30 € bestellt. Die Lieferung der Ware erfolgte an die Angeklagte C., die Bezahlung durch den Angeklagten B..
175(7) Am 18. November 2013 wurden durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag bei dem Unternehmen Ff) ein Leuchtpunktvisier Walther EPS3 und Kälteschutzstiefel in einem Gesamtwert von 208,96 € bestellt. Die Lieferung erfolgte an und die Bezahlung durch die Angeklagte C..
176(8) Am 22. November 2013 wurden Ausrüstungsgegenstände und Waffenzubehöteile (Magazintaschen, Gewehrgurte) mit einem Bestellwert von etwa 250 € durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag über die E-Mailadresse der Angeklagten C. bei der Firma Gg) GmbH bestellt, an die Angeklagte C. geliefert und durch den Angeklagten B. bezahlt.
177(9) Vier Magazine für das Sturmgewehr M16 mit einem Bestellwert von 41 € wurden am 22. November 2013 durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag über die E-Mailadresse der Angeklagten C. bei Hh) bestellt, an die Angeklagte C. geliefert und von dem Angeklagten B. bezahlt.
178(10) Am 23. November 2013 wurden 30 Magazine für die Pistole Glock 17, ein Pistolengriff und ein Umwandlungssystem für die Pistole Glock mit einem Bestellwert von 1.824,99 € von der Firma ii), nach durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag erfolgter Bestellung über die E-Mailadresse der Angeklagten C., an die Angeklagte C. geliefert und von dem Angeklagten B. bezahlt.
179(11) Fünf Montageschienen des Modells „AK QD Sidemount“ für das Sturmgewehr AK 47 und weiteres Zubehör in Form eines langen Kabelschalters mit einem Bestellwert von insgesamt 97,42 € wurden am 8. Dezember 2013 bei der Firma Gg) GmbH durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag über die E-Mailadresse der Angeklagten C. bestellt, an die Angeklagte C. geliefert und durch sie bezahlt.
180(12) Am 10. Dezember 2013 erfolgte durch I. und E. Y. B. oder in ihrem Auftrag bei der Firma Ff) die Bestellung von drei Zielfernrohren für Schusswaffen mit Zubehör mit einem Bestellwert von 442,86 €. Die Ware wurde an die Angeklagte C. geliefert und von dieser bezahlt.
181bb) (Versuchte) Verbringung nach Syrien
182Im Zeitraum vom 30. November 2013 bis zum 8. April 2014 wurden von den Angeklagten C. und B. auf Grundlage der mit ihren Söhnen getroffenen Abrede – nach dem erfolgten Ansammeln der Ware – insgesamt vier Versuche unternommen, die zuvor angesammelten Gegenstände in Teilschritten zu den Söhnen nach Syrien zu bringen, was in einem Fall – am 30. November 2013 – gelang. In einem weiteren Fall wurde die Angeklagte C. mit der Ware in der Türkei angehalten. Bei zwei weiteren Ausfuhrversuchen wurden die Angeklagten C. und B. am Flughafen Köln/Bonn wegen der mitgeführten Ware an der Ausreise gehindert und die Waren sichergestellt. Anschließend wurden Ausreiseuntersagungen gegen beide Angeklagten ausgesprochen. Im Einzelnen ereignete sich das Geschehen wie folgt:
183(1) Am 30. November 2013 reiste die Angeklagte C. mit ca. 50 der angesammelten fabrikneuen Magazinen für Sturmgewehre des Typs AK 47 vom Flughafen Köln/Bonn nach Gaziantep in der Türkei. Von dort brachte sie die Ware erfolgreich zu ihren Söhnen nach Jarabulus in Syrien.
184(2) Am 6. Dezember 2013 beabsichtigte die Angeklagte C., mit einem Flug vom Flughafen Köln/Bonn nach Ankara auszureisen. Die Angeklagte gab ihr Gepäck auf, wurde aber beim Ausreiseversuch angehalten. Eine Gepäcknachschau durch die Zollbehörden führte zur Sicherstellung folgender – zumindest teilweise auch aus den vorbeschriebenen Bestellungen stammender – Gegenstände, die die Angeklagte über die Türkei zu ihren Söhnen nach Syrien bringen wollte:
185- 183 Waffenmagazine für Sturmgewehre des Typs AK 47
186- 31 Magazine für Pistolen des Typs Glock 9 mm
187- 4 Magazine für das Gewehr AR 15, Typ Brownells Montezuma 12238
188- 3 Zielvorrichtungen (Walther Evolution Pointsight 3, Walther PS 44, Walther PS 55)
189- 1 Zielvorrichtung für eine Jagdwaffe (Ritter Optik)
190- 1 Griffstück für das Sturmgewehr AK 47
191- 1 Standhilfe für Waffen (Artemis BP09 Zweibein, 6 9 Zoll)
192- 1 Waffenaufsatz ohne Bezeichnung.
193Die Ausreise der Angeklagten C. wurde nicht gestattet.
194(3) Einen Tag später, am 7. Dezember 2013, reiste die Angeklagte C. mit 97 Waffenmagazinen für das Sturmgewehr AK 47 von Deutschland nach Ankara in der Türkei aus und von dort weiter in das in Grenznähe zu Syrien gelegene Gaziantep, wo sie am 9. Dezember 2013 am Flughafen angehalten und die mitgeführten Magazine sichergestellt wurden. Diese Magazine stammten teilweise aus den vorgenannten Bestellungen.
195Bei den Waffenmagazinen für die Sturmgewehre AK 47 und AR 15 sowie die Pistole Glock, dem Griffstück für das Schnellfeuergewehr AK 47 und dem Zweibein Artemis, welche die Angeklagte C. am 30. November, 6. Dezember und 7. Dezember 2013 mit sich führte, handelte es sich um Güter, die von Teil I Abschnitt A Nr. 0001a bzw. 0001d der Ausfuhrliste (Anlage zur Außenwirtschaftsverordnung) erfasst sind.
196(4) Der Angeklagte A. B. beabsichtigte, am 8. April 2014 vom Flughafen Köln/Bonn nach Ankara auszureisen. Er gab sein Gepäck auf und wurde zur grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle vorstellig. Die zollrechtliche Kontrolle und eine Gepäcknachschau führten zur Sicherstellung folgender – zumindest teilweise aus den vorgenannten Bestellungen stammenden – Gegenstände im Gepäck des Angeklagten, die er über seinen zu dieser Zeit bereits in der Türkei aufhältigen Sohn E. Y. weiter zu I. B. nach Syrien verbringen wollte:
197- 3 Zielfernrohre (Walther ZF4-12x50, Walther ZF3-9x44 Sniper, Walther 3-9x56)
198- 1 Sporting type scope Mount „MNT-970T“
199- 3 Ringe für Zielfernrohre „Mount rings”
200- 1 Reflexvisier (GP 686)
201- 1 Walther „Tactical Cordswitch“
202- 2 Waffenkleinteile ohne Bezeichnung
203- 5 Montageschienen „AK QD Sidemount“ zur Befestigung von Zielfernrohren am Sturmgewehr AK 47.
204Die Ausreise des Angeklagten B. wurde nicht gestattet. Ein weiterer Ausreiseversuch des Angeklagten B. in der Nacht zum 10. April 2014 wurde verhindert.
205c) Fälle 6 bis 8
206Neben den auf die Beschaffung von Waffenzubehör und entsprechender Ausrüstungsgegenstände gerichteten Bemühungen nahm die Angeklagte C. – ohne dass eine Beteiligung des Angeklagten B. hieran festgestellt werden konnte – im Zeitraum von 23. Dezember 2014 bis 27. März 2015 in drei Fällen insgesamt 25 Ladegeräte mit hoher Kapazität (sog. „Power Banks“), die von ihrem Sohn E. Y. B. für das Geschäft von I. B. bei Amazon bestellt worden waren, für diesen wie folgt entgegen und bewahrte sie für einen beabsichtigten Weitertransport an ihre Söhne auf:
207aa) (Fall 6) Am 23. Dezember 2014 bestellte E. Y. B. über seine E-Mail-Adresse „yes.B.@gmail.com“ bei Amazon zwei Power Banks, Bestellwert 61,98 €. Die Lieferung erfolgte am Tag der Bestellung unter „S. N.“ an die Adresse der Angeklagten C.. Die Zahlung erfolgte über eine Mastercard von E. Y. B..
208bb) (Fälle 7 und 8) Am 24. März 2015 wurden zwei weitere Power Banks im Wert von insgesamt 59,98 € durch Y. E. B. unter seiner E-Mail-Adresse yes.B.@gmail.com bei Amazon bestellt. Die Lieferung ging am 25. März 2014 an die Adresse der Angeklagten C.. Die Zahlung erfolgte wiederum über eine Mastercard von E. Y. B.. Am 27. März 2015 erfolgte in gleicher Form die Bestellung von 21 weiteren Power Banks, Bestellwert insgesamt ca. 700 €. Die Lieferung ging am Bestelltag an die Adresse der Angeklagten C.. Die Zahlung erfolgte abermals über eine Mastercard von E. Y. B.. Es war nicht auszuschließen, dass diese innerhalb von vier Tagen bestellten und gelieferten Waren einheitlich durch die Angeklagte C. aufbewahrt und zum gemeinsamen Transport nach Syrien vorbereitet werden sollten.
209d) Fälle 12, 13, 17-20
210Nachdem die Einreiseversuche der Angeklagten C. und B. im Dezember 2013 und April 2014 gescheitert und behördliche Ausreiseuntersagungen ausgesprochen worden waren, förderten sie die geschäftliche Betätigung ihrer Söhne für den IS jedenfalls im Zeitraum von Mai 2014 bis mindestens Mai 2015 absprachegemäß durch Geldtransfers in folgender Art und Weise:
211aa) (Fall 12) Am 28. Mai 2014 führte die Angeklagte C. eine Barüberweisung i.H.v. 500 € an E. Y. B. aus, wovon für 200 € Waren für I. B. gekauft werden sollten.
212bb) (Fall 13) Im Juni 2014 schickte die Angeklagte C. über den Angeklagten B. 700 € an E. Y. B. zur Anschaffung zweier Laptops für I. B.s Geschäftsbetrieb.
213cc) (Fall 17) Um den 14. Januar 2015 erhielt E. Y. B. über den Angeklagten B. 500 € von der Angeklagten C..
214dd) (Fall 18) Zeitnah vor dem 13. März 2015 übersandte die Angeklagte C. 1.000 € an E. Y. B., wovon jeweils 500 € für ihn und für I. B. bestimmt waren.
215ee) (Fall 19) Im April und Mai 2015 ließen die Angeklagten C. und B. ihrem Sohn E. Y. B. 15.900 € für seine Geschäfte und den Wareneinkauf zu Gunsten von I. B. zukommen, die aus einem Darlehen stammten, das der Angeklagte B. zuvor aufgenommen hatte. Zu diesem Zweck überwies der Angeklagte B. im Auftrag der Angeklagten C. am 24. April 2015 von seinem Konto zwei Teilbeträge in Höhe von 5.000 € und 2.900 € an seinen Vater in der Türkei, der das Geld an E. Y. B. aushändigte. Weitere 8.000 € übergab der Angeklagte B. am 4. Mai 2015 an die Angeklagte C., die das Geld ihrem Vater bei einer Reise in die Türkei am 5. Mai 2015 zur Weiterleitung an E. Y. B. mitgab.
216ff) (Fall 20) Um den 11. Mai 2015 kaufte I. B. für seine Verkaufstätigkeit ein Fahrzeug zum Preis von 4.500 €. Die Angeklagte C. förderte die Anschaffung, indem sie die Hälfte des Kaufpreises, einen Teil davon vor Anschaffung sowie 1.000 € kurz danach, über E. Y. B. an I. B. zahlte. Dabei legte ihr der Angeklagte B. einen Betrag von 1.000 € aus.
217e) Nachtatgeschehen
218Die Angeklagten C. und B. hielten auch über den Tatzeitraum hinaus den Kontakt zu ihren Söhnen aufrecht. Während der Flucht I. B.s, für welche die Angeklagte C. 3.500 € aufbrachte, standen sie sporadisch mit diesem in Verbindung. Sie erlangten Kenntnis von der Inhaftierung E. Y. B.s durch die kurdischen Kräfte, zu denen die Angeklagte C. Kontakt aufnahm und versuchte, die Freilassung ihres Sohnes zu bewirken.
219Im September 2019 und – während der Hauptverhandlung – über den Jahreswechsel 2019/2020 besuchte die Angeklagte C. ihren zwischenzeitlich in der Türkei lebenden Sohn I. B.. Der Angeklagte B. traf sich im Oktober 2019 mit diesem in der Türkei. Mittlerweile hat der Angeklagte B. mit seinen Söhnen gebrochen. Er will sich auf seine neue Familie konzentrieren.
220Aufgrund der am 7. Dezember 2013 mit Waffenzubehör erfolgten Einreise der Angeklagten C. in die Türkei erhob die Oberstaatsanwaltschaft Gaziantep am 25. Dezember 2013 Anklage gegen sie. Ein Rechtshilfeersuchen vom 10. Februar 2016 an die türkischen Justizbehörden zum Ausgang des dortigen Verfahrens blieb unbeantwortet. In einem Telefongespräch vom 6. Oktober 2017 gab die Angeklagte C. an, nur wegen „Steuerhinterziehung“ bestraft worden zu sein und die Steuerforderung nachgezahlt zu haben.
221Im Verlauf der Hauptverhandlung haben die Angeklagten C. und B. auf die Herausgabe der in Deutschland sichergestellten Gegenstände verzichtet.
Die Feststellungen beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A. und B., soweit diesen gefolgt werden konnte, und den sonstigen Ergebnissen der Beweisaufnahme, insbesondere den Auswertungsergebnissen von sichergestellten Datenträgern, Inhalten der Telekommunikationsüberwachung, den Angaben der Nebenklägerinnen X., Y. und Z., den Aussagen von Tatumfeldzeugen und Ermittlungsbeamten, polizeilichen Ermittlungsvermerken und Behördenerklärungen des Bundesnachrichtendienstes. Zur terroristischen Vereinigung IS und zu deren Vorgehen gegen die Jesiden stützen sich die Feststellungen zudem maßgeblich auf das Gutachten des Sachverständigen Z2. Zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Angeklagten A. hat der Sachverständige Z3 ein jugendpsychiatrisches Gutachten erstattet.
223I. Einlassungen
2241. Angeklagte A.
225a) Einlassung am 26., 28. und 29. Hauptverhandlungstag
226Die Angeklagte A. hat am 26., 28. und 29. Hauptverhandlungstag, im Verlauf der zeugenschaftlichen Vernehmung der Nebenklägerin X., eine vorbereitete 66-seitige Einlassung verlesen und zunächst auch ihre Bereitschaft bekundet, ergänzende Fragen des Senats und der Vertreter des Generalbundesanwalts zu beantworten. Sie hat – im Sinne der getroffenen Feststellungen – umfassende Angaben zu ihrer Person getätigt. Ihre Ausreisegründe, die äußeren Umstände ihrer Ausreise nach Syrien und ihres Aufenthaltes dort bei S. N. sowie I. und E. Y. B., das Zusammentreffen mit der ebenfalls vor Ort befindlichen Angeklagten C., ihre Eheschließung mit I. B. nach islamischem Ritus, das folgende Zusammenleben, die Führung des gemeinsamen Haushalts und die Erziehung der gemeinsamen Töchter hat die Angeklagte ebenso wie die erfolgten Ortswechsel wie festgestellt eingeräumt.
227Zur Tätigkeit des I. B. hat sie angegeben, er sei unmittelbar nach der Hochzeit mit seinem Bruder an Kampfhandlungen in Jarabulus beteiligt gewesen, im Rahmen derer er sich an einem Kulturzentrum habe verschanzen müssen. Nach den Kämpfen habe er einen Laden gemietet, um dort Waren wie Lebensmittel und Süßigkeiten zu verkaufen. Er habe sich ein Auto gekauft und sei oft in andere Städte gefahren, um sich von dort aus Waren zu besorgen, während sie fast den ganzen Tag zuhause verbracht habe, wenn sie nicht zu anderen Frauen nach Hause eingeladen worden oder einkaufen gegangen sei. E. Y. B. habe sie im Laufe des Sommers des Jahres 2014 besucht und Lebensmittel und Ware für I. B.s Laden mitgebracht. Nachdem der IS das Khalifat ausgerufen habe, habe man gesehen, dass die Stadt überfüllt mit Neuankömmlingen gewesen sei, zumeist Männer. Der Laden von I. B. sei deshalb sehr gut gelaufen, da viele von ihnen bei ihm eingekauft hätten. Nach dem Umzug nach Manbidsch Ende 2014/Anfang 2015 sei I. B. – nach seinen Berichten ihr gegenüber – öfter nach Raqqa und Al Bab gereist, um dort Ware von seinem Bruder E. Y. B. zu erhalten, welche ihm ein Ladenbesitzer in Manbidsch von der türkischen Grenze gebracht hätte. I. B. habe diese Ware dann weiterverkauft. Die Ware habe hauptsächlich aus Kleidung und manchmal aus elektronischen Geräten, wie zum Beispiel Power Banks, bestanden. Sie wisse aber nicht mehr im Einzelnen, was sich in dem Lagerzimmer in ihrer Wohnung befunden habe. I. B. habe gemeint, er würde guten Umsatz mit dem Verkauf seiner Ware machen. Ihre Lebenshaltungskosten hätten sie „gut decken“ können.
228Um Ramadan 2015 sei I. für eine Zeit – vermutlich nach Raqqa – weggefahren. Er sei in der Katiba Anwar al Awlaqi beschäftigt gewesen. Er sei dort aber nicht kämpfen gegangen, sondern sei für die Bekleidungsbeschaffung zuständig gewesen und habe ein monatliches Einkommen erhalten. Nach etwa einem Monat sei I. B. aus Raqqa zurückgekehrt. Nach dem Ramadan habe sich I. aufgrund seiner neuen Arbeit entschieden, nach Raqqa zu ziehen. Er habe ihr berichtet, er sei durch den IS für das „Beschaffungsamt“ eingetragen worden, da er erfolgreich Handel betrieben habe. Sein Emir sei dort Abu H2 gewesen, dessen Familie sie, die Angeklagte, nach dem Umzug nach Raqqa näher kennengelernt habe.
229Die ihr in Fall 1 der Anklage vorgeworfene Ableistung von Wach- oder Polizeidiensten für den IS gemeinsam mit I. B. hat die Angeklagte in Abrede gestellt. Zu den weiteren ihr in Fall 1 der Anklage vorgeworfenen Beteiligungshandlungen, namentlich zur Aufnahme von Neuankömmlingen beim IS und zu Versuchen, andere Personen zur Reise nach Syrien und zur Teilnahme am Jihad für den IS zu bewegen, hat sie sich nicht geäußert.
230Die Angeklagte A. hat hinsichtlich des Falls 4 der Anklage eingeräumt, dass sich während ihres Aufenthaltes in Syrien die in dem festgestellten Sachverhalt bezeichneten sieben jesidischen Frauen und Mädchen – in zwei Fällen durch eine Tochter begleitet – in den genannten Zeiträumen in ihrem Haushalt als Sklavinnen aufgehalten hätten, darunter auch die Nebenklägerinnen Z., Y. und X.. Alle als Sklavinnen gehaltenen Frauen seien jedoch alleine von I. B. und gegen ihren erklärten Willen in den Haushalt verbracht worden. I. B. habe seine jeweilige Entscheidung, eine Sklavin zu erwerben, deren Einverständnis mit dem Kauf er zuvor eingeholt habe, immer damit gerechtfertigt, dass diese die Angeklagte im Haushalt und bei der Kinderbetreuung unterstützen würde. Sie habe ihm stets erwidert, alleine zurecht zu kommen. Die Frauen hätten sich alle an der Hausarbeit und der Beaufsichtigung und Versorgung ihrer Kinder beteiligt. Erstmals bei M7, der als zweites angeschafften Sklavin, zu der I. B. ihr mitgeteilt habe, sie nur gekauft zu haben, um sie für mehr Geld wieder zu veräußern, habe sie den Verdacht geschöpft, dass I. B. mit dieser „schlafe“. Zur Rede gestellt habe I. B. das auch eingeräumt und erklärt, dies sei sein Recht. Sie, die Angeklagte, habe geweint und geschrien, ihre Tochter M4 auf den Arm genommen und sich angeschickt, die Wohnung zu verlassen. I. B. habe ihr daraufhin freigestellt, allein zu einer Freundin oder in das Frauenhaus zu gehen und erklärt, er werde schlecht über sie reden und nicht zulassen, dass sie ihre Tochter wiedersehe. Er gehe davon aus, dass ihm das alleinige Sorgerecht zugesprochen würde. Sie habe zudem Angst gehabt, dass I., der sie schon während der Schwangerschaft geschlagen habe, ihr etwas antue, außerdem habe sie Angst um ihre Tochter gehabt. Sie habe sich erniedrigt gefühlt und sei hoffnungslos und verzweifelt gewesen, weil sie sich nicht aus ihrer Situation habe befreien können. Die Beziehung zu I. B. sei „schon längst gestorben“ gewesen. Sie habe versucht, M7 aus dem Weg zu gehen.
231I. B. habe dann auch mit den Nebenklägerinnen X. und Y. geschlafen, dies sei von Seiten der Nebenklägerinnen freiwillig geschehen, die Nebenklägerin Y. habe sogar von sich aus die Initiative dazu ergriffen. Die Nebenklägerin X. habe ihr immer von I. vorgeschwärmt; sie, die Angeklagte, habe das Gefühl gehabt, dass die beiden eine Beziehung führten und sie nur „das fünfte Rad am Wagen“ sei. Die Nebenklägerin X., die sich schon eineinhalb Jahre in der Gefangenschaft des IS befunden hätte, bevor sie zu ihnen gekommen sei, habe ihr einmal erklärt, sich anfangs noch gegen sexuelle Handlungen der IS-Männer gewehrt, jedoch nach einiger Zeit erkannt zu haben, dass sie sich dem nicht entziehen könne, und deswegen in alles einwillige. Im Herrschaftsgebiet des IS habe man weder als Ehefrau noch als Sklavin das Recht gehabt, sich zu verweigern. Sie selbst habe weiterhin ohne Verhütung mit I. B. schlafen müssen. Während sie mit M5 schwanger gewesen sei, habe sie oft sehr starke Schmerzen gehabt und versucht, sich I. sexuell zu verweigern. Das habe dieser aber nicht akzeptiert. Nach dem Verkehr mit I. habe sie Blutungen bekommen und zur Behandlung in ein Krankenhaus gemusst. I. B. habe das gewusst, aber gleichwohl keine Rücksicht auf sie genommen.
232Zu dem festgestellten Geschehen zwischen der Nebenklägerin X. und I. B. während des Opferfests des Jahres 2016 hat die Angeklagte angegeben, nach dem Schlachten der Tiere sei I. B. zu ihr gekommen und sie habe sich verweigert. I., der in diesem Moment wohl keine Lust auf Diskussionen gehabt habe, sei daraufhin zum Badezimmer gegangen, wo die Nebenklägerin X. geduscht habe, und habe an die Tür geklopft. Die Nebenklägerin X. habe die Tür geöffnet. Sie – die Angeklagte – habe sich erniedrigt gefühlt und sei wütend gewesen, dass die Nebenklägerin X., die um ihre Anwesenheit im Wohnzimmer gewusst habe, „einfach so“ die Tür aufgemacht habe. Sie habe daraufhin gegen die Badezimmertür geschlagen und geschrien. Als nach einigen Minuten die Nebenklägerin X. herausgekommen sei, habe sie diese geschubst und angeschrien. Dies sei das einzige Mal gewesen, dass sie eine der Sklavinnen körperlich angegriffen habe.
233I. B. habe später die Nebenklägerin X. an seinen Bruder E. Y. B. weitergegeben. Zwischen beiden – X. und E. Y. B. – habe sich eine Liebesbeziehung entwickelt.
234M2 sei sie erstmals bei einem gemeinsamen Besuch mit I. B. bei einem saudischen Mann und dessen Familie begegnet. Unmittelbar danach habe I. ihr erzählt, dass M2 die jüngere Schwester M8s sei, und davon gesprochen, das Mädchen kaufen zu wollen. Da sie gewusst habe, dass sie I. hiervon nicht abbringen könne, wenn sie „ausrasten und ihre Empörung kundtuen“ würde, habe sie auf die angespannte finanzielle Lage verwiesen und geäußert, dass M2 unsympathisch wirke. Obwohl sie gehofft habe, dass I. deshalb von seinem Plan Abstand nehmen würde, habe er am nächsten Tag aus ihrer Geldtasche, in der er sie immer sein Geld aufbewahrt habe, weil er davon ausgegangen sei, dass es dort sicher sei, Geld herausgenommen und M2 gekauft. Das zum Tod von M2 führende Geschehen habe sich im Einzelnen bei einem Halt des Fahrzeuges wegen einer Panne eines weiteren Fahrzeuges wie festgestellt ereignet. I. B. habe M2 noch zum nächsten Dorf in eine Krankenstation und von dort per Boot in ein nahegelegenes Krankenhaus in der Nähe von Garanij gebracht. Dieses sei überfüllt gewesen, weshalb er M2 nach Hajin in das Hauptkrankenhaus gebracht habe, wo sie in der Frauenabteilung untergebracht worden sei. Ihm sei dort kein Zugang gewährt worden. I. B. sei aufgelöst gewesen. Die Angeklagte habe ihm daraufhin angeboten, sich selbst zum Krankenhaus zu begeben, was er für viel zu gefährlich befunden habe, da dort pausenlos Bomben fielen. Am frühen Morgen des Folgetages hätten sich beide dennoch auf den Weg gemacht. Sie habe M2, die I. B. unter dem Namen der Angeklagten angemeldet hätte, im Krankenhaus erfolglos gesucht, bis ihr eine Ärztin mitgeteilt habe, dass M2 verstorben sei. Der Tod M2s sei ihr sehr nahe gegangen.
235Am nächsten Tag hätten I. B. und sie sich mit den Kindern zu E. Y. B. und der Nebenklägerin X. nach Hajin begeben. Sie habe der Nebenklägerin X. vom Tod M2s berichtet, die hierüber ebenfalls bedrückt gewesen sei. X. habe sie über ihre und E. Y. B.s Fluchtpläne informiert und sie und I. zu überreden versucht, ebenfalls zu fliehen. Die Angeklagte habe jedoch den Mittelsmännern nicht getraut und eine Flucht aus Sorge vor der Entdeckung durch den IS und aus Furcht vor einer möglichen Trennung von I. B. als schwangere Frau mit zwei Kindern abgelehnt. I. B. habe ihr in dieser Einschätzung zugestimmt und seinem Bruder mitgeteilt, nicht mitzukommen. Die Nebenklägerin X. habe sich wenige Tage später unter Tränen von ihr verabschiedet.
236Sie – die Angeklagte – und I. B. seien bis zur Geburt M6s am 00.00.2017 in Hajin bei befreundeten Familien und danach bei dem zwischenzeitlich ebenfalls in diesem Gebiet lebenden Abu H2 untergekommen und hätten sich wegen zunehmender Bombardements schließlich auf beschwerlichem Weg in Richtung der türkischen Grenze bewegt.
237b) Widerruf
238Die Angeklagte A. hat diese Einlassung im 41. Hauptverhandlungstermin, bevor sie durch die Verfahrensbeteiligten befragt werden konnte, widerrufen mit der Begründung, ihre Verteidigungslinie deshalb grundsätzlich neu bestimmen zu müssen, weil der Senat am 39. Hauptverhandlungstag auf der Grundlage ihrer Einlassung einen Hinweis auf eine mögliche Strafbarkeit auch wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge erteilt hat.
239c) Einlassung am 75. Hauptverhandlungstag
240Die Angeklagte A. hat sodann am 75. Hauptverhandlungstag eine weitere Einlassung abgegeben.
241Sie hat insbesondere ausgeführt, den IS vor ihrer Ausreise nach Syrien nicht gekannt zu haben. Sie sei nach Syrien gegangen, weil sie gedacht habe, dass es für sie als muslimisches Mädchen einfacher sei, wenn alle Bereiche des Lebens muslimisch geregelt seien. Die dortigen politischen Verhältnisse habe sie in ihrer Komplexität nicht erfasst. Sätze wie „Wir unterstützen unsere Männer im Kampf und vermehren bzw. gebären die Kämpfer“, die ihr bereits in Deutschland über das Internet vermittelt worden seien, habe sie nicht auf sich bezogen. Sie sei bei ihrer Ausreise nicht davon ausgegangen, dort so schnell zu heiraten und Kinder zu bekommen. Hierzu sei sie von I. B. auch nicht gefragt worden; dies habe in Syrien einfach dazu gehört. Einer „gesunden Frau eines IS-Mannes“ sei es nicht möglich gewesen, zum Arzt zu gehen und sich aus Gründen der Verhütung die Pille verschreiben zu lassen. Anders als bei einigen anderen Frauen, die sich einen Jungen gewünscht hätten, sei es ihr auf das Geschlecht ihrer Kinder nicht angekommen.
242Eine Flucht aus Syrien, an die sie mehrfach gedacht habe, habe sie zunächst ausgeschlossen, weil ihre Töchter und sie eine solche vermutlich nicht überlebt hätten. Auch habe sie die Frage gequält, ob es dem islamischen Gebot entspräche, Syrien und den IS zu verlassen. Letztlich sei sie geflohen, weil die Umstände sich so gefügt hätten, dass ein Platz zur Flucht frei geworden sei.
243Sklavinnen habe sie selbst weder ge- noch verkauft, noch sei sie mit dem Umgang mit ihnen einverstanden gewesen. Sie habe nie Sklavinnen zuhause haben wollen. Sie habe nie jemanden angewiesen, etwas zu machen oder zu unterlassen. Sie habe nie jemanden geschlagen. Sie habe sich auch nicht wegen der „Jesidinnen“ von I. B. trennen können. Dieser Grund wäre nie akzeptiert, wahrscheinlich sogar geahndet worden.
244In der Abschiebe- und Untersuchungshaft habe sich ihre Glaubenseinstellung stark verändert. Sie habe verstanden, dass die Gefahr bestehe, dass ein Staat, der behaupte auf göttlicher Autorität zu basieren, sich der Kontrolle und Begrenzung durch Vernunft und humanitäre Grundsätze entziehe. Es komme ihr nicht mehr so sehr auf das Einhalten religiöser Regeln an, die von Menschen vorgeschrieben und kontrolliert würden. Im IS sei schlimm gewesen, dass das Einhalten religiöser Regeln auf vielen Ebenen auf Kosten der Menschlichkeit gegangen sei. Glaube und Gottvertrauen seien für sie mittlerweile eine persönliche Angelegenheit. Sie wolle die fünf Säulen des Islam verrichten, aber selber entscheiden, wie sie ihren Glauben lebe, etwa, dass sie ihr Kopftuch nur noch zum Beten und zu besonderen Anlässen trage. Eine Vollverschleierung komme für sie nicht mehr in Frage. Sie schminke sich und höre westliche Musik. Auch gedanklich sei sie freier. Sie verstehe sich mit Männern und Frauen unterschiedlicher Religion und Herkunft in der Justizvollzugsanstalt gut und begegne ihnen vorbehaltlos. Von der Vorstellung, dass der Mann als Oberhaupt der Familie zu bestimmen habe, habe sie sich ebenso gelöst wie davon, dass es nicht erlaubt sei, sich vom Lebenspartner oder Vater der Familie zu trennen.
245Die Trennung von I. B. habe sie mittlerweile vollzogen. Den Briefverkehr mit ihm habe sie – auch unter Zuhilfenahme von Mitinsassinnen, weil sie selber kein großes Interesse mehr daran gehabt habe – lediglich aufrechterhalten, weil sie sich der Angeklagten C. verpflichtet gefühlt habe, die sich wie eine Mutter um sie gekümmert und sie unterstützt habe. Sie selber sei ohne stabile Mutterbeziehung aufgewachsen.
246Sie wolle mit ihren Töchtern in Kontakt bleiben, nach der Inhaftierung die Verantwortung für sie übernehmen und letztlich mit ihnen zusammenleben – durchaus unabhängig von einem Lebenspartner. Ihre Töchter wolle sie freier erziehen, als ihre Eltern dies bei ihr getan hätten. Auch finanziell wolle sie langfristig unabhängig sein. Sie mache – als einzige der dortigen Gefangenen – aus der Haft heraus das Fernabitur, in das sie ihre ganze Kraft stecke.
247d) Einlassung am 78., 79. und 88. Hauptverhandlungstag
248Die Angeklagte hat am 78. Hauptverhandlungstag erklärt, dass die widerrufene Einlassung vom 26., 28. und 29. Hauptverhandlungstag, die sie selber verfasst habe, gelten soll und diese inhaltlich bestätigt. Ergänzend hat sie an diesem und am 79. Hauptverhandlungstag auf Befragen weitere Angaben gemacht:
249Sie sei durch das Internet motiviert worden, nach Syrien auszureisen, da dies als Verpflichtung propagiert worden sei. Sie selber sei nicht mit dem Ziel ausgereist, einer bestimmten Gruppierung beizutreten, sondern um sich der Oppositionsbewegung gegen das syrische Regime anzuschließen. Bis auf die Jabhat al Nusra, in der S. N. gewesen sei, seien ihr Gruppierungen nicht namentlich bekannt gewesen.
250Mit der Nebenklägerin X. habe es durchaus Konflikte gegeben, wenngleich sie sich auch gut verstanden hätten. Insgesamt sei die Nebenklägerin X. für sie eine Vertrauensperson gewesen. Die Nebenklägerin habe für I. B. geschwärmt. Die Bitte der Nebenklägerin X., ihn zu heiraten, habe er abgelehnt und sie stattdessen aufgefordert, den Koran zu lernen und sich besser zu benehmen. Dann werde er sie freilassen; anderenfalls werde sie verkauft. Letzteres habe „X.“ keinesfalls gewollt. Auf derartige Entscheidungen I. B.s habe sie – die Angeklagte A. – keinerlei Einfluss gehabt. Dies gelte auch für die Vergewaltigungen. Es tue ihr aber heute leid, was den Nebenklägerinnen widerfahren sei. Damals hätte sie nicht anders handeln können, als alles zu erdulden. Als es ihr in der zweiten Schwangerschaft gesundheitlich schlecht gegangen sei, sei sie auch froh über die Unterstützung der versklavten Frauen gewesen, habe sie aber nie als Statussymbol betrachtet. Dass der IS die Versklavung als erlaubt angesehen habe, sei ihr bekannt gewesen. Die Fatwa hierzu habe sie nicht gekannt. Kenntnis über Jesiden habe sie erst in Syrien erlangt. Hierüber hätten andere Frauen sie unterrichtet. X. und M1 hätte sie nicht als Jesidinnen, sondern als Islamanhängerinnen kennengelernt. Anfangs habe sie ihnen das nicht abgenommen. Beide hätten aber freiwillig intensiv den Koran studiert und regelmäßig gebetet. Sie seien nicht mittels körperlicher Gewalt ihrerseits dazu gezwungen worden. Die Frauen seien alleine im Haus geblieben, wenn sie etwa mit I. B. einkaufen gegangen sei. Zu ihren Freundinnen hätten die versklavten Frauen sie gerne und freiwillig begleitet. Innerhalb der eigenen Wohnung seien die Frauen nicht verschleiert gewesen.
251Als die Angeklagte C. 2013 zu Besuch gekommen sei, hätten nicht viele Fahnen des IS geweht. Die Fotos anlässlich des Besuches des Angeklagten B., auf denen er und seine Söhne schießend zu sehen seien, seien bei einem Ausflug an den Euphrat entstanden, an dem sie teilgenommen habe. Dieser Ausflug habe vor der Eheschließung mit I. B. stattgefunden. Dort hätten die Männer auf Steine und Flaschen geschossen. Einen Tag vor ihrer Hochzeit habe I. dann den Treueeid auf den IS geschworen. Erst Anfang Januar hätten die Gefechte wahrnehmbar begonnen. Davor seien nur vereinzelte Schüsse zu hören gewesen. Anfang Januar 2014 hätten sie keine finanziellen Mittel zur Verfügung gehabt. Ein paar Monate später habe er jedoch den Laden gemietet, um Lebensmittel und auch Power-Banks zu verkaufen. Ab Anmietung des Ladens habe sich ihre wirtschaftliche Lage deutlich verbessert. I. B. habe einen Stromgenerator und im Mai 2014 drei teure Gefrierschränke von hoher Qualität gekauft. Die Ware habe I. B. hauptsächlich von seinem Bruder aus der Türkei erhalten. Auf Grund seines erfolgreichen Handels sei I. B. im Sommer 2015 vom IS zum Beschaffungsbeamten ernannt worden. Zu dem Zeitpunkt habe er den „privaten Verkauf“ aufgegeben. Auch als Beschaffungsbeamter habe I. B. Waren über seinen Bruder erworben, die dieser in der Türkei über das Internet gekauft und zur Grenze gebracht habe. Die Entgegennahme der Ware habe I. B. veranlasst. Bis Ende 2016 / Anfang 2017 habe der IS für I. B. und die Familienmitglieder monatlich etwa 118 Dollar gezahlt. Lohn habe I. B. darüber hinaus vom IS nicht erhalten.
252Die Schwiegereltern hätten Süßigkeiten, Lebensmittel, Kleidung und Geldbeträge geschickt. Ob es sich um größere Summen gehandelt habe, wisse sie nicht. Sie habe einmal mitbekommen, dass die Angeklagte C. einen Autokauf finanziell unterstützt habe. Die Lieferung von Kalaschnikow-Magazinen habe sie nicht mitbekommen. Sie habe auch nie gehört, dass irgendwelche Magazine dazu hätten dienen sollen, I. und E. Y. B. vom IS freizukaufen. Beide hätten nicht freigekauft werden wollen.
253Kurz nach ihrer Einreise in Syrien habe sie am 14. November 2013 mit ihrer Freundin K. I. gechattet. Einen Chat mit ihrer Schwester T. am 20. September 2015 mit dem Inhalt „hab die Sklavin gekauft“ könne sie sich nicht erklären. I. B. habe ihr ein Handy gekauft, das er auch genutzt habe. Sie habe die Nachricht jedenfalls nicht geschrieben.
254Die Flucht E. Y. B.s habe sie nicht versucht zu verhindern, auch nicht mit einer Waffe. Sie habe sich im Gegenteil für diesen gefreut. Sie selber habe den von ihm gewählten Fluchtweg für sich aber nicht als sicher erachtet und diese Entscheidung I. B. kundgetan. Geflohen sei sie letztendlich auch, weil der IS zugrunde gegangen sei.
255Zeiten, Orte und Umstände ihres Aufenthalts in der Türkei vom 23. Februar 2018 bis zu ihrer Abschiebung am 21. September 2018 nach Deutschland hat die Angeklagte A. wie festgestellt berichtet.
256Am 88. Hauptverhandlungstag hat die Angeklagte A. sich bei den zu den Plädoyers der Nebenklagevertreter erschienenen Nebenklägerinnen X. und Y. entschuldigt. Als sie erfahren habe, dass die Nebenklägerin X. in der Hauptverhandlung aussagen werde, sei sie erleichtert und froh gewesen. Sie habe gehofft, die Nebenklägerin werde sie so beschreiben, wie sie, A., in Syrien gewesen sei. Dass das Gegenteil geschehen sei, mache sie traurig. Sie wisse, dass die Nebenklägerin X. und sie gemeinsam schwierige Zeiten erlebt hätten und die Nebenklägerin darunter gelitten habe. Für all die Momente und all das Gesagte, durch welches sich die Nebenklägerin X. ungerecht und unmenschlich durch die Angeklagte behandelt gefühlt habe, bitte sie diese um Verzeihung. Im Gefängnis sei ihr bewusst geworden, dass sie Teil einer terroristischen Vereinigung gewesen sei, und sie schäme sich dafür und für die Versklavung jesidischer Frauen. Sie sei sich ihrer Schuld nunmehr bewusst und wünschte, nie einen Beitrag zu allem geleistet zu haben.
2572. Angeklagter B.
258Der Angeklagte B. hat sich über seinen Verteidiger gegenüber den Nebenklägerinnen mitfühlend geäußert, was deren Schicksal in Syrien anbelangt. Er hat deutlich gemacht, dass das Vorgehen des IS gegen die Jesiden seinem Verständnis nach nichts mit dem Islam zu tun hat.
259a) Einlassung am 66. Hauptverhandlungstag
260Am 66. Hauptverhandlungstag hat er sich durch Verlesung einer vorbereiteten Erklärung zur Sache eingelassen. Nachfragen der Verfahrensbeteiligten hat er zunächst nicht zugelassen.
261Der Angeklagte hat den Feststellungen entsprechende Angaben zu seinen familiären Verhältnissen und seinem beruflichen wie persönlichen Werdegang getätigt. Zur Ehe mit der Angeklagten C. hat er angegeben, diese sei zunächst gut gelaufen. Dann habe sich aber herausgestellt, dass er ihr in materieller Hinsicht nicht das habe bieten können, was sie sich vorgestellt habe. Sie habe diverse Tätigkeiten angenommen und zum Teil sogar besser verdient als er, habe aber auch mehr Geld ausgegeben, als zur Verfügung gestanden habe. Letztlich sei die Ehe an divergierenden Vorstellungen und Werten gescheitert. Die Familie der Angeklagten C. habe sich von ihr distanziert, weil diese ein zu modernes und westliches und nicht mit den traditionellen Vorstellungen der Familie zu vereinbarendes Leben geführt habe. Auch nach der Trennung sei die Angeklagte C. bei finanziellen Aktivitäten auf seine Hilfe angewiesen gewesen. Sie sei seit Juli 2013 bei der Schufa gelistet und zeitweilig sei ihr Konto gepfändet gewesen.
262Seine Söhne seien bei ihrer Mutter aufgewachsen. In Erziehungsfragen hätten die Angeklagte C. und er unterschiedliche Vorstellungen gehabt. Er habe, da er einen Großteil seines Lebens in der Türkei verbracht habe, seine Kinder eher konservativ erziehen wollen, während die Angeklagte C. ihnen vieles erlaubt habe, von dem sie gewusst habe, dass er es verboten hätte. Das habe dazu geführt, dass das Verhältnis seiner Söhne zu der Angeklagten C. harmonischer gewesen sei als zu ihm. Seine Söhne hätten sich über das Internet und die S. Moschee radikalisiert. Dies habe er bereits in Deutschland erkannt und erfolglos versucht gegenzusteuern. Etwa zeitgleich sei er „der Spielsucht“ verfallen. Er habe in den folgenden Jahren – bis in das Jahr 2017 – viel Geld beim Glücksspiel verloren. Mittlerweile habe er dies überwunden, zahle aber noch immer Spielschulden von rund 1.200 € monatlich ab. Er selber sei gläubiger und praktizierender Muslim, gehöre aber keiner Vereinigung an; der politische Islam interessiere ihn nicht.
263Die Angeklagte C. habe sich erstmals vom 28. bis 31. Oktober 2013 nach Syrien begeben. Er selbst sei vom 1. bis 8. November 2013 dorthin gereist, um die Söhne zu besuchen und zur Rückkehr nach Deutschland zu bewegen. Er habe die Situation in Syrien als mit derjenigen in der Türkei vergleichbar empfunden. Ihm sei aber aufgefallen, dass in den Läden Waffenzubehör verkauft worden sei. Er habe seine Söhne auf deren Bewaffnung und die bei ihnen vorhandenen Flaggen angesprochen; seine Söhne hätten ihm erklärt, dass es verfeindete Gruppen gäbe, wie die PKK, gegen die sie sich verteidigen müssten, dass sie einer Organisation angehörten, weil es nicht anders ginge, dass es sich bei der Flagge um die des Propheten handeln und sie Probleme bekommen würden, wenn sie die Flagge entfernen würden. Die Flagge habe für ihn so ausgesehen wie die Fahne von Millatu Ibrahim, die ihm von den Aktivitäten seiner Söhne in Deutschland bereits bekannt gewesen sei. Aufgrund der Berichterstattung in den Medien habe er vermutet, dass die Gruppierung, der seine Söhne dort angehört hätten, bedenklich mit Blick auf die deutsche Rechtsordnung sei. Er habe vermutet, dass die Söhne zum Kämpfen nach Syrien gereist seien, und nicht, wie von diesen behauptet, um ihren islamischen Glauben ausleben zu können, da sie dies auch in der Türkei hätten tun können. Vor Ort habe er aber keine kriegerischen Auseinandersetzungen wahrgenommen.
264Als die Angeklagte C. das erste Mal nach Syrien geflogen sei, habe sie 50 Magazine mitgeführt. Sie sei trotz Kontrolle nicht aufgehalten worden. Beim zweiten Mal habe sie noch mehr Magazine bei sich gehabt und sei erneut problemlos ausgereist, habe aber in der Türkei Probleme bekommen. Das ihr erteilte Ausreiseverbot bei einem weiteren Transportversuch habe ihn gewundert. Als die Angeklagte C. erfahren habe, dass er in die Türkei reisen werde, habe sie ihn gebeten, Zubehör mitzunehmen. Er habe Bedenken gehabt, habe aber im Internet recherchiert, dass die zu transportierenden Waren in der Türkei frei verkäuflich seien, und dann keine Probleme befürchtet. Da sich sein Sohn E. Y. B. zu dem Zeitpunkt in der Türkei ein neues Leben habe aufbauen wollen, habe er sich dazu entschieden, ihm die Waren zu bringen, damit er sie in der Türkei gewinnbringend verkaufen könne. Er sei davon ausgegangen, dass die Ausfuhr der Magazine in Deutschland nicht verboten sei. Nach dem erfolglosen Ausreiseversuch am 8. April 2014 habe er tags darauf erneut versucht, mit Ware in die Türkei auszureisen, sei jedoch abermals angehalten worden und habe ein Ausreiseverbot erhalten.
265Soweit seine Söhne militärische Gegenstände über sein Amazon-Konto gekauft hätten, habe er dies nicht von seinem Geld finanziert. Zur Herkunft der Gelder werde er keine Angaben machen. Er habe auf Anfrage – auch der Angeklagten C. – sein Konto für Überweisungen zur Verfügung gestellt. Das sei sein Beitrag gewesen.
266Er habe seinen Söhnen Geld stets als Geschenk oder zur Deckung des Lebensunterhalts, nicht aber zur Unterstützung der wirtschaftlichen Betätigung gegeben. Zu welchem Zweck die Gründung der Firma von E. Y. B. tatsächlich erfolgt sei und dass die Söhne Partner gewesen seien, habe er nicht gewusst. Er sei davon ausgegangen, dass sein Sohn E. Y. einer legalen Verkaufstätigkeit nachgegangen sei. Dies deshalb, weil sein Sohn ihm mitgeteilt habe, dass er Jagdzubehör und militärische Ausrüstungsgegenstände vertreibe, unter anderem auch an die türkische Polizei und das Militär und dass die Polizei sein Lager regelmäßig kontrolliere. Zudem habe er über die Firma seines Sohnes im Internet recherchiert und festgestellt, dass diese normale und legale Dinge verkaufe.
267Bei den Zahlungen auf das Konto seiner Eltern in der Türkei habe es sich um Unterhaltsleistungen an diese gehandelt. Das Geld habe er sich zuvor bei Verwandten und Bekannten geliehen.
268Zu keinem Zeitpunkt habe er eine terroristische Vereinigung unterstützen wollen, wenngleich ihm bewusst gewesen sei, dass er zumindest mittelbar deren Organisationstätigkeit fördere. Die Hilfeleistungen an seine Söhne hätten einen „faden Beigeschmack“ gehabt, da es ihm bewusst gewesen sei, dass er ihnen dadurch zumindest den Aufenthalt bei einer Organisation ermöglicht habe, von der er habe annehmen können, dass sie nach den Maßstäben des deutschen Rechts illegal sei.
269b) Einlassung am 75. Hauptverhandlungstag
270Der Angeklagte B. hat am 75. Hauptverhandlungstag eine weitere Einlassung abgegeben. Seine erste Einlassung sei unvollständig gewesen; er wolle seine Angaben zu der Angeklagten C. ergänzen, nachdem ihm von deren Verteidigung vorgeworfen worden sei, die Zeugen Z4 manipuliert zu haben. Er habe aufgrund des Verfahrens seine Arbeitsstelle verloren und wolle dessen schnellen Abschluss.
271Die Angeklagte C. habe ihn nach der Eheschließung nach Deutschland geholt. Das Geld, das er in der Türkei verdient habe, habe nicht ihren finanziellen Ansprüchen genügt. In Deutschland habe sie sich westlich gekleidet, gearbeitet und sei an Luxus und Amüsement interessiert gewesen und habe die Erziehung der gemeinsamen Söhne vernachlässigt. Insgesamt habe sie über ihre Verhältnisse gelebt und den Söhnen jeden Wunsch erfüllt. Noch nach der Trennung habe er sie und die gemeinsamen Söhne deshalb finanziell unterstützt. Er selber habe seine Söhne seltener gesehen und an Einfluss auf diese verloren. Ob der Situation insgesamt sei er in eine depressive Stimmung geraten und habe begonnen zu spielen. Die Angeklagte C. und er hätten die zunehmende Radikalisierung der Söhne bemerkt. Deshalb sei er mit E. Y. in die Moschee nach S. gegangen, ohne dass ihm dort jedoch irgendetwas aufgefallen wäre. Am 19. Juni 2012 hätten sich seine Söhne und die Angeklagte C. in einem geliehenen Fahrzeug in die Türkei begeben. Da er nicht nach Libyen gewollt habe, sei der jetzige Ehemann der Angeklagten C. dorthin gereist. Die Fotos und Videos von dessen Aufenthalt habe die Angeklagte C. ihm gegeben. Weil die Angeklagte C. darauf bestanden habe, sei er am 4. November 2013 dennoch selbst nach Syrien gereist. Die Angeklagte C. habe ihm vorgeworfen, die Kinder nicht hinreichend zu unterstützen. Er selber habe sich nicht gefährden, seinen Job verlieren oder Probleme bekommen wollen. Die bei ihm beschlagnahmten Elektrogeräte würden seinen Söhnen gehören.
272Weil die Angeklagte C. (Negativ-)Einträge bei der Schufa gehabt habe, sei ihr Gehalt – 2013 rund 30.000 € und 2014 rund 23.000 € – in bar auf sein Konto überwiesen und von dort Geld an die Söhne weitergeleitet worden. Von diesem Geld habe er auch ihre und die Einkäufe der Söhne gezahlt. Die Amazon-Rechnungen habe die Angeklagte C. ihm zur Begleichung ausgehändigt. Mittlerweile habe er der Angeklagten C. den nach Abzug der an die Kinder geflossenen Gelder verbliebenen Betrag ausgezahlt.
273c) Einlassung am 79. und 81. Hauptverhandlungstag
274Der Angeklagte hat am 79. und 81. Hauptverhandlungstag ergänzend Fragen der Verfahrensbeteiligten beantwortet:
275Die Angeklagte C. sei 2012 gemeinsam mit den Söhnen nach Ankara gefahren. Die Söhne seien zu zweit weiter nach Ägypten und von dort über Libyen und die Türkei im Jahr 2013 nach Syrien gereist. Dorthin hätten sie sich in erster Linie begeben, um zu kämpfen. Davon habe er Kenntnis gehabt. Seine Söhne wären auch in einer Gruppe gewesen, in welcher, wisse er nicht. Sie hätten ihm mitgeteilt, Salafisten zu sein. Die Angeklagte C. sei unmittelbar vor ihm im November 2013 in Syrien gewesen. Danach sei die Angeklagte C. noch zwei Mal in Syrien gewesen. Bei einem Besuch habe sie den Söhnen Kalaschnikow-Magazine übergeben.
276Die Waren hätten sie für die Geschäfte der Kinder geliefert, deren Idee dieser Handel gewesen sei. Zuerst hätten die Söhne mit der Mutter darüber gesprochen, die zunächst kleinere Mengen nach Syrien gebracht habe. Als die Geschäfte besser gelaufen seien, hätten die Söhne über die Mutter größere Mengen bestellt. Die Angeklagte C. habe ihm die Rechnungen für die Ware zur Begleichung gebracht und seine Bedenken mit dem Argument, dass er die Söhne dadurch unterstütze, ausgeräumt. Er habe stets gewusst, dass die Kinder Waren bestellten. Ihm seien dann die Rechnungen, teils einzeln, teils gesammelt, übergeben worden. Er habe auch von der Bestellung der Kalaschnikow-Magazine durch die Kinder und die Lieferung derselben an sie durch die Angeklagte C. Kenntnis gehabt. Die Magazine seien für den Weiterverkauf in Syrien vorgesehen gewesen und nicht dafür, die Söhne vom IS freizukaufen. Die Kinder hätten ihm mitgeteilt, dass die Magazine an die FSA und an das Volk verkauft worden seien und sie gutes Geld verdient hätten.
277Er habe gewusst, dass seine Söhne ab Mitte 2014 mit ihren Geschäften gut verdient hätten, sei aber davon ausgegangen, dass sie legale Geschäfte betrieben. Er habe nur E. Y. Geld zukommen lassen; dieser habe seinerseits Geld an seinen Bruder gesandt. Mit der Geldzahlung an seinen Sohn E. Y. habe er nur seine eigenen Schulden bei der Angeklagten C. beglichen.
278Bei den Waffenzubehörteilen, die er im April 2014 versucht habe in die Türkei zu bringen, habe es sich sozusagen um „Taschengeld“ für seinen Sohn E. gehandelt. Sein Sohn habe die Ware auf einem dem eBay-Handel vergleichbaren türkischen Internetportal gewinnbringend veräußern wollen. Er habe vorher selbst im Internet recherchiert und die freie Verkäuflichkeit der Gegenstände in Deutschland und in der Türkei festgestellt. Eine Verbringung der Ware nach Syrien sei nicht beabsichtigt gewesen. I. hätte damit nichts zu tun gehabt.
2793. Angeklagte C.
280Die Angeklagte C. hat sich nicht zur Sache eingelassen.
281II. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
2821. Angeklagte A.
283Die Angeklagte A. hat sich zu ihren persönlichen Verhältnissen glaubhaft wie festgestellt eingelassen.
284Ihre Angaben stimmen mit den Ausführungen des Sachverständigen Z3 überein, der als Zeuge in der Hauptverhandlung berichtet hat, was ihm die Angeklagte A. über ihre Person im Rahmen der Exploration in der Justizvollzugsanstalt I. mitgeteilt hat. Sie decken sich wiederum mit denjenigen des Zeugen Z5, Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe D., der hervorhob, dass ihm die Angeklagte in mit ihr in der Justizvollzugsanstalt geführten Gesprächen berichtet habe, dass ihr trotz eines Beratungsgespräches beim Jugendamt wegen der belastenden familiären Situation aufgrund der psychischen Erkrankung der Mutter und der streng am muslimischen Glauben ausgerichteten Erziehung durch den Vater keine weitere Unterstützung angeboten worden sei. Auch dies habe ihre Einstellung zur Religion verändert, die sich in Richtung einer salafistischen Auslegung des Islam und der dort propagierten Lebens- und Verhaltensweisen entwickelt habe.
285Zur familiären Situation, zur schulischen Entwicklung und zur Radikalisierung der Angeklagten A. bis zu ihrer Ausreise nach Syrien haben zudem der Zeuge Z6, Schulleiter des …..-Gymnasiums in K., sowie die Zeuginnen Z7, Z8, Z9, Z10 und Z11, ehemalige Mitschülerinnen der Angeklagten A., den Feststellungen entsprechende übereinstimmende Angaben gemacht. Ihre Bekundungen wiesen keine Belastungstendenz auf, waren vielmehr nach dem Dafürhalten des Senats jeweils von Wertschätzung gegenüber der Angeklagten und sorgfältiger Anstrengung ihres Erinnerungsvermögens geprägt.
286Die Zeugen KOKin Z12, KHK Z13, KHK Z14 und KOK Z15 haben zu den Ergebnissen der polizeilichen Ermittlungen zur Person der Angeklagten die auch in entsprechenden Vermerken niedergelegten Erkenntnisse zur Auswertung der Telekommunikationsüberwachung und des Facebook-Accounts der Angeklagten, aus denen insbesondere die Ausreise nach Syrien und die Eheschließung mit I. B. hervorgehen, bestätigt. Ergänzend beruhen die Feststellungen auf polizeilichen Vermerken des POK Z16, der die Ermittlungen nach der Ausreise der Angeklagten A. eingeleitet hat, und des KHK Z17, der einen unmittelbar nach ihrer Ausreise mit der Zeugin Z10 zu ihrem Aufenthaltsort und ihren Motiven geführten Chat ausgewertet hat.
287Im Übrigen finden die getroffenen Feststellungen zur Ausreise Bestätigung in einem Abschiedsbrief der Angeklagten an ihre Eltern sowie zu den Geburten der Kinder in den inhaltlichen Eintragungen in den Ausweisdokumenten der Töchter der Angeklagten.
288Die Feststellungen zu ihrem Aufenthalt sowie ihrem schulischen und sozialen Engagement in der Untersuchungshaft und dem Kontakt der Angeklagten zu ihren Kindern beruhen ebenfalls auf den Angaben des Zeugen Z5 sowie des Zeugen Z18, ihrem Ansprechpartner in der Justizvollzugsanstalt I.. Schließlich beruhen sie auf der Aussage der Zeugin Z19, die sich zeitgleich mit der Angeklagten A. in der Justizvollzugsanstalt befand, sich mit dieser anfreundete und sich mit ihr unter anderem über die Themen Kinder und berufliche Perspektiven ausgetauscht hat. Die in der Zeit der Untersuchungshaft vollzogene Beendigung der Beziehung mit I. B. hat die Angeklagten A. in ihrer Einlassung glaubhaft geschildert.
289Dass die Angeklagte A. bislang in Deutschland unbestraft ist, ergibt sich aus der eingeholten Bundeszentralregisterauskunft. Die Feststellungen zu ihrer Verurteilung in der Türkei und der dort erfolgten Anrechnung des in der Sache in der Türkei erlittenen Freiheitsentzuges beruhen auf dem angeführten Urteil des türkischen Strafgerichts.
2902. Angeklagte C.
291Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten C. gründen sich vor allem auf die glaubhaften Angaben des Zeugen Z1, dem zwischenzeitlich verstorbenen Adoptivvater der Angeklagten, der insbesondere die nicht-religiöse Einstellung der Angeklagten hervorgehoben hat, sowie auf die Angaben und einen Vermerk des Zeugen KHK Z20, der Ermittlungen zur Person der Angeklagten getätigt hat. Sie stützen sich ferner auf die mit diesen Erkenntnissen übereinstimmenden Angaben des Angeklagten B. sowie die Aussagen der Zeugen Z4a) und Z4b), der Schwester der Angeklagten und ihres Schwagers. Bestätigt werden diese Erkenntnisse durch die Feststellungen im die Söhne der Angeklagten betreffenden Urteil des Landgerichts Köln vom 3. April 2009, Az. 104-11/09, wonach (damals) innerhalb des Familienlebens Religion nie eine Rolle gespielt habe, insbesondere die Mutter und E. Y. einen ausgeprägt ‘westlichen‘ Lebensstil gepflegt hätten, der stark materialistisch ausgeprägt sei. Entsprechendes hat schließlich auch I. B. in einer schriftlichen Äußerung vom 15. März 2021 gegenüber der Verteidigerin der Angeklagten C. auf deren Befragen mitgeteilt.
292Das festgestellte intensive Näheverhältnis der Angeklagten C. zu ihren Söhnen wird – neben zahlreichen im Weiteren im Einzelnen genannten überwachten Telefonaten – insbesondere auch anhand eines Messengerchats deutlich, den I. B. noch im April 2021 mit seinem Vater ausgetauscht hat. In dem Chat äußerte er, dass die Angeklagte als Mutter immer für ihn und seinen Bruder da gewesen sei. Der Angeklagte B. habe sich demgegenüber nicht um sie gekümmert. In einer Sprachnachricht des I. B. vom 20. April 2021 gab dieser an, der Angeklagte B. habe sich schon seit Jahren distanziert, die Angeklagte C. habe hingegen stets zu ihren Söhnen gestanden.
293Dass die Angeklagte C. in Deutschland bislang unbestraft ist, ergibt sich aus der herangezogenen Bundeszentralregisterauskunft.
2943. Angeklagter B.
295Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten B. beruhen insbesondere auf dessen ausführlicher Einlassung und den hiermit übereinstimmenden Angaben der Zeugen Z4. Sie stützen sich ferner auf die entsprechenden Angaben des Zeugen KHK Z20 und dessen Vermerk über die von ihm vorgenommenen Ermittlungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten vom 22. März 2019.
296Dass der Angeklagte B. erhebliche Geldbeträge beim Glücksspiel verloren hat, wird zudem durch ein Telefonat zwischen der Angeklagten C. und ihrem Sohn E. Y. am 8. September 2014 bestätigt, in dem die Angeklagte C. ihrem Sohn hierüber berichtet. Die durchgeführten Finanzermittlungen belegen ebenfalls die Teilnahme des Angeklagten an Onlineglücksspielen.
297Aus dem Inhalt des Bundeszentralregisterauszugs folgt, dass der Angeklagte bislang unbestraft ist.
298III. Feststellungen zur Sache
2991. Zur terroristischen Vereinigung IS und zum Vorgehen gegen die Jesiden
300a) Zur terroristischen Vereinigung IS
301Die Feststellungen zur ausländischen terroristischen Vereinigung IS und zum syrischen Bürgerkrieg beruhen maßgeblich auf den Ausführungen des Sachverständigen Z2, Islamwissenschaftler und anerkannter Experte auf dem Gebiet des Nahen und Mittleren Ostens und des syrischen Bürgerkrieges, der dem Senat aus verschiedenen Verfahren bekannt ist und an dessen Fachkunde keine Zweifel bestehen. Ergänzend konnte der Senat auf dessen schriftliches Gutachten zur terroristischen Vereinigung „Islamischen Staat“ vom 5. Februar 2016 sowie auf Auswerteberichte des Bundeskriminalamtes vom 6. März 2014, 27. Oktober 2014 und 31. Mai 2018 zur Vereinigung zurückgreifen, die das vom Sachverständigen Z2 im Sinne der getroffenen Feststellungen vermittelte Bild bestätigt und ergänzt haben.
302b) Zum Vorgehen des IS gegen die Jesiden
303Die Feststellungen zum systematischen gewaltsamen Vorgehen des IS gegen die Jesiden und – einhergehend – zur Versklavung jesidischer Frauen und Mädchen beruhen ebenfalls auf den Ausführungen des Sachverständigen Z2.
304Der Sachverständige hat den vom Senat festgestellten Angriff des IS gegen die Jesiden sowie die Versklavung jesidischer Frauen und Mädchen und die jeweilige religiöse Rechtfertigung durch den IS umfassend dargestellt. Er hat zur Vervollständigung und Vertiefung seiner Ausführungen insbesondere auf das vom IS am 12. Oktober 2014 im Internet veröffentlichte Online-Magazin DABIQ und eine – wie vom Sachverständigen bestätigt – im Oktober/November 2014 durch den IS herausgegebene Fatwa (islamisches Rechtsgutachten) mit dem Titel „Su`alwa-Jawab fi al-Sabi wa Riqb“ (Fragen und Antworten über die Haltung von Sklaven) mit Preisempfehlungen und Handlungsanweisungen für die Sklavenhaltung Bezug genommen.
305Bei seinen Feststellungen hat sich der Senat ergänzend auf diese Urkunden, in denen der IS seine Absicht, die jesidische Kultur und Religion durch Tötung und Zwangskonversion jesidischer Männer sowie durch Versklavung der jesidischen Frauen und Kindern zu vernichten, im Einzelnen darstellt, und auf Vermerke des Bundeskriminalamtes vom 27. Oktober 2017 (Z21), 15. Februar 2019 (Z22), 8. November 2018 (Z23), 19. Januar 2015, 13. April 2015, 26. Mai 2015, 15. Februar 2015 (Z24) und 31. Mai 2018 (Z25) gestützt.
306Schließlich werden die Feststellungen gestützt und ergänzt durch die im Einzelnen noch darzulegenden, glaubhaften Angaben der Nebenklägerinnen X., Y. und Z., die als vor Ort lebende Jesidinnen selbst Opfer des Angriffs im betroffenen Zeitraum waren.
3072. Zur Mitwirkung von I. und E. Y. B.
308Die Feststellungen zur Mitwirkung von I. und E. Y. B. beruhen insbesondere auf den Einlassungen der Angeklagten A. und B., Angaben von Tatumfeldzeugen und Ermittlungsbeamten, polizeilichen Ermittlungsvermerken, Lichtbildern und Auswertungsergebnissen von sichergestellten Datenträgern sowie den Inhalten der Telekommunikationsüberwachung.
309a) Entwicklung der religiösen Einstellung
310Die Entwicklung der religiösen Einstellung von I. und E. Y. B. in Deutschland hat der Zeuge KHK Z26 detailliiert geschildert, der seine Ermittlungsergebnisse auch in entsprechenden Vermerken vom 28. November, 3. Dezember und 5. Dezember 2013 dokumentiert hat. Der Zeuge hat, wie er glaubhaft bekundete, E. Y. B. nach dessen Haftentlassung im September 2010 im Rahmen gefahrenabwehrrechtlicher Maßnahmen aufgesucht, dabei auch I. B. kennengelernt und in der Folge den Anschluss beider an die salafistische Szene um Mohamed Mahmoud, den Anführer der später mit einem Vereinsverbot belegten salafistischen Organisation Millatu Ibrahim in S., und Denis Cuspert beobachtet. Anlässlich eines Ermittlungsverfahrens gegen Dritte sei im Jahr 2012 eine Durchsuchung der Wohnung von E. Y. B. erfolgt, die er durchgeführt habe und bei der Schriften von Millatu Ibrahim aufgefunden worden seien. Zu der Zeit sei zudem im Internet ein Video von Millatu Ibrahim veröffentlicht worden, in dem I. und E. Y. B. mit weiteren Vereinsmitgliedern Fußball gespielt hätten. Beide Brüder seien am 1. Mai 2012 in S. in gewalttätige Auseinandersetzungen der Organisation mit Mitgliedern der Partei Pro NRW und der Polizei involviert gewesen.
311Die durch den Zeugen KHK Z26 geschilderte Teilnahme E. Y. B.s an dieser Auseinandersetzung ergibt sich auch aus einem auf dem sichergestellten Laptop des Angeklagten B. gespeicherten Lichtbild von der Konfrontation, auf dem E. Y. B. abgebildet ist. Die Beteiligung beider Brüder B. an diesem Vorfall ergibt sich zudem aus einer Auswertung des Sachverhalts im Vermerk des KHK Z27 vom 28. November 2013.
312Der Angeklagte B. hat die Radikalisierung seiner Söhne in Deutschland und ihre Aktivitäten im Umfeld der Organisation Millatu Ibrahim in seiner Einlassung bestätigt.
313Der Zeuge KHK Z26 hat schließlich glaubhaft angegeben, dass nach der Ausreise von Mohamed Mahmoud im April 2012 und dem Vereinsverbot gegen die Organisation im Juni 2012 eine Ausreisewelle von Anhängern Mohamed Mahmouds eingesetzt habe; in diesem Zusammenhang seien nach seinen Ermittlungen auch die Brüder B. ausgereist. Dieser Umstand wird durch den Vermerk des KHK Z27 vom 28. November 2013 über die Ausreise Mohamed Mahmouds und die folgenden Reisebewegungen der Gruppe bestätigt.
314b) Ausreise und Aufenthalt in Libyen
315Die Feststellung, dass sich I. und E. Y. B. Mitte des Jahres 2012 zunächst in die Türkei begaben, beruht auf der Einlassung des Angeklagten B., die der Senat deshalb für glaubhaft erachtet, weil sie mit den Angaben des Zeugen KHK Z26 übereinstimmt, der bekundet hat, dass nach seinen Ermittlungen ein von E. Y. B. in K. am 22. Juni 2012 bei der Firma jj) angemietetes Fahrzeug am 4. Juli 2012 nicht fristgerecht abgegeben worden sei; stattdessen seien die deutschen Behörden am 21. August 2012 darüber informiert worden, dass der Pkw am Flughafen in Istanbul aufgefunden und sichergestellt worden sei. Entsprechendes lässt sich auch im Vermerk des KHK Z27 vom 28. November 2013 niedergelegten Ermittlungserkenntnissen entnehmen. Aus dessen Inhalt folgt weiter, dass E. Y. B. an dem Tag der Ausreise Mahmouds bei seinem Bewährungshelfer mit dem Anliegen vorstellig wurde, für eine längere Zeit „zu Verwandten nach Ankara“ zu reisen.
316Dass die Angeklagte C. ihre Söhne mit dem Fahrzeug jedenfalls bis in die Türkei begleitete, ergibt sich zudem aus einem Eintrag in dem Notizbuch des Angeklagten B.. Dieser hat unter dem Datum des 29. Juni 2012 festgehalten, dass die „Kinder weg“ und zusammen mit „P.“ (P. C.) gegangen seien; am 3. Juli 2012 ist vermerkt, dass sie sich zusammen in Eskişehir – einer Stadt in der Türkei – befänden. Auf Befragen des Senats hat der Angeklagte B. diesen Umstand ausdrücklich bestätigt.
317Dass I. und E. Y. B. weiter nach Ägypten reisten, hat ebenfalls der Angeklagte B. berichtet. Seine Angaben stimmen mit der Aussage des Zeugen KHK Z26 überein, der die vorgenommenen Finanzermittlungen und in diesem Zusammenhang ausgemachte zeitlich korrespondierende Geldabhebungen vom Konto des E. Y. B. an Geldautomaten in Kairo und in der Folge in der Stadt Masa Matou, einer ägyptischen Küstenstadt auf halbem Weg zwischen Kairo und der libyschen Grenze, dargestellt hat. Die Reisebewegung von I. und E. Y. B. in Richtung Ägypten erschließt sich zudem aus einem Vermerk von KHK Z28 und EKHK Z29 vom 6. September 2012, die Reiserouten der Gruppen um Mohamed Mahmoud und Denis Cuspert, wozu auch I. und E. Y. B. gezählt wurden, ausgewertet haben. Die Abhebungen vom Konto des E. Y. B. werden durch den bereits genannten Vermerk des KHK Z27 bestätigt.
318Hiermit im Einklang stehen die Angaben von E. Y. B. in einem im Rahmen seiner Gefangenschaft einem kurdischen – nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden PKK-nahen – TV-Sender („ANF-News“) unter im Einzelnen unbekannten Umständen gegebenen und im Oktober 2019 im Internet veröffentlichten Interview, wobei dieses Interview durch eine Vielzahl von technischen Schnitten (Cuts) geprägt ist:
319„Dann schaute ich, Abu Usama ist gegangen, nach Ägypten. Er sagte „Komm du auch“, sagte er. Ich nahm meinen Bruder, besorgte in Deutschland ein Auto, einen Mietwagen. Ich fuhr mit dem Auto nach Istanbul. Ich ließ das Auto dort und flog nach Kairo. Danach, dann kamen wir an seinem Haus an. Eine kurze Zeit später. Die Gemeinde begann dann einer nach dem anderen zu kommen. In Ägypten gibt es nichts, was sein könnte. Also es gab keine Situation für einen Dschihad.“
320Den folgenden Aufenthalt von I. und E. Y. B. in Libyen, wo sie von G. C., dem jetzigen Ehemann der Angeklagten C., besucht wurden, hat der Angeklagte B. ebenfalls bestätigt. Auch insoweit erachtet der Senat seine Angaben für glaubhaft, weil sie mit weiteren Beweismitteln übereinstimmen. Er ergibt sich insbesondere auch aus einem weiteren Eintrag des Angeklagten B. in seinem Notizbuch unter dem 25. November 2012. Daraus geht hervor, dass sich „G.“ (C.) „bei den Kindern in Libyen“ aufhält.
321Der Libyenaufenthalt folgt zudem aus am 26. November 2012 erstellten Lichtbildern, die auf dem sichergestellten Laptop des Angeklagten B. unter dem Dateipfad „… Libyen\Ausflug mit G.\Bilder mit G. …“ abgelegt wurden und die I. und E. Y. B. zusammen mit G. C. zeigen. Auf dem Laptop des Angeklagten B. befanden sich dem Vermerk des KHK Z26 vom 24. Februar 2015 zufolge zudem unter dem Dateipfad „Libyen“, teilweise mit dem Zusatz „Waffenshooting“, zahlreiche – nach den Angaben der Zeugen KHK Z26 und KHK Z14 dem Erstellungszeitraum Ende 2012 bis Anfang 2013 zuzuordnende – Lichtbilder, welche die Brüder B. mit Mohamed Mahmoud und weiteren Personen aus dessen Umfeld sowie mit unterschiedlichen, zum Teil schweren Waffen – wie einer Panzerfaust und Sturmgewehren – vor der libyschen Flagge zeigen.
322Der Angeklagte B. hat glaubhaft angegeben, die Fotos und Videos von der Angeklagten C. erhalten zu haben. Er selbst habe nicht nach Libyen reisen wollen. Deshalb habe die Angeklagte ihren Ehemann G. zu den Söhnen nach Libyen geschickt. Die Angeklagte C. drückt hiermit korrespondierend in einem überwachten Gespräch mit ihrer Tante am 6. Oktober 2017 ihren Unmut darüber aus, dass der Angeklagte B. – anders als sie – die Fotos noch gespeichert und nicht gelöscht habe.
323Der Aufenthalt der Brüder in Syrien seit Anfang 2013 wird neben den in der Folge unter c) bis g) aufgeführten Beweismitteln auch in einem auf der sichergestellten Festplatte des E. Y. B. gespeicherten englischsprachigen Textdokument mit dem Titel „About me“, das unter anderem den Werdegang von I. B. darstellt und aus dessen Sicht verfasst ist, bestätigt. Die nähere Entstehung dieses Dokuments konnte nicht aufgeklärt werden, wobei weitere Inhalte, wie die Darstellung eines Streits um die Beschaffung einer Wärmebildkamera, das Dokument als mögliche Rechtfertigungsschrift I. B.s gegenüber dem IS erscheinen lassen. Dort heißt es, dass er sich zu Beginn des Sommers 2012 auf die „Hijra Fisabilillah“ (den Weg Gottes) begeben habe. Er sei nach Ägypten und von dort nach Libyen geflohen. Anfang 2013 sei er nach Sham (Syrien) gekommen.
324Bestätigt wird eine Ausreise zum Zwecke des bewaffneten Jihad durch die E-Mail des I. B. vom 29. Oktober 2012 an seine Familie. Dort heißt es, dass er und sein Bruder jetzt auf dem Weg Gottes seien. Sie hätten sich dem schönen Islam und Koran ergeben. Die Shahid (Märtyrer) würden nicht sterben.
325Der Aufenthalt I. und E. Y. B.s in Syrien ergibt sich zudem aus der entsprechenden Einlassung des Angeklagten B.. E. Y. B. erwähnt die Weiterreise der Brüder nach Syrien zudem in seinem Interview gegenüber ANF-News, wonach diese im Anschluss an einen zweiwöchigen Zwischenaufenthalt in der Türkei im Benehmen mit dem sich dort bereits aufhaltenden Mohamed Mahmoud erfolgt sei.
326c) Anschluss an Jabhat an-Nusra und IS in Syrien
327Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass sich I. und E. Y. B. in der Folgezeit in Syrien zunächst der Jabhat-an-Nusra und spätestens am 14. November 2013 dem IS als Mitglieder angeschlossen haben.
328Diese Umstände gehen aus dem bereits aufgeführten Chat der Angeklagten A. mit ihrer Freundin K. I. vom 14. November 2013 hervor, in dem die Angeklagte A. gegenüber ihrer Freundin von der bestehenden Mitgliedschaft ihres zukünftigen Ehemannes und dessen Bruders bei der „Dawla“ (IS), vorher bei der „Nusra“ berichtet. So erklärt die Angeklagte A., nachdem sie auf ihren zukünftigen Ehemann angesprochen wurde, ersichtlich bezogen auf I. B. und seinen Bruder E.
329„sind bei Dawla die waren auch bei Nusra“.
330Bestätigt wird dies im Hinblick auf E. Y. B. durch dessen Angaben in dem Interview gegenüber ANF-News, wonach er sich in Syrien zunächst der Jabhat an-Nusra angeschlossen habe. In Idlib sei er zwei Wochen lang an Waffen ausgebildet worden. Drei bis vier Monate lang habe er für die Jabhat an-Nusra gekämpft. Der Anschluss und die Waffenausbildung der Brüder bei der Jabhat an-Nusra im Jahr 2013 wird durch eine Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 13. November 2018 bestätigt. Auch I. B. berichtet in dem Text „About Me“ davon, nach seiner Ankunft in Sham zunächst ein „Muaskar“ (Ausbildungslager) gemacht zu haben.
331Für einen Anschluss der Brüder an den IS spätestens am 14. November 2013 spricht ferner, dass I. B., wie der Zeuge KHK Z30, der unter anderem dessen Facebookprofil ausgewertet hat, berichtete und in Vermerken vom 9. Dezember 2013 und 21. April 2014 dokumentierte, bereits seit Juli 2013 – zunächst unter seinem Klarnamen – Angehöriger einer unter dem Namen „ISIG“ bestehenden Facebook-Gruppe war, die das Zeichen der Organisation verwendet und Inhalte über die Vereinigung und den syrischen Bürgerkrieg eingestellt hat.
332Zudem kommentierte I. B. – nunmehr bereits als „Abu H1“ – in seinem dem Inhalt nach gesicherten Facebookprofil am 17. November 2013 das Lichtbild einer unter Verwendung eines Fahrzeuges mit einem IS-Symbol durchgeführten „Drogenvernichtungsaktion“ zustimmend mit „So viel Haschisch…die brüder räumen auf“. Schließlich waren auf dem sichergestellten Laptop des Angeklagten B. unter einem Dateipfad mit der Bezeichnung „Abu H1“ im Zeitraum zwischen dem 5. und 9. November 2013 offenbar in Syrien aufgenommene Lichtbilder abgespeichert, auf denen der Angeklagte B. mit seinen Söhnen und S. N. sowie ein Sturmgewehr und eine Flagge mit der IS-Symbolik zu erkennen sind.
333Dass das seit dem 31. Juli 2013 unter dem Namen „Abu H1“ geführte Facebook-Profil I. B. zuzuordnen ist, ergibt sich neben der vorherigen Führung des Profils unter dem bürgerlichen Namen, der dort weiterhin enthaltenen Verknüpfung mit der Bezeichnung „I..B.52“ und einem hinterlegten Profilbild daraus, dass die Angeklagte A., die Nebenklägerinnen X., Y. und Z. sowie die im Tatzeitraum ebenfalls vor Ort in Syrien befindlichen Zeuginnen Z31 und Z32 übereinstimmend angaben, dass dieser Name vor Ort für den Ehemann der Angeklagten A. verwendet worden sei. Die Nebenklägerinnen X. und Y. haben zudem den für dessen Bruder E. Y. B. in Syrien verwendeten Namen übereinstimmend mit „Abu G1“ angegeben. So bekundete etwa die Nebenklägerin X., dass es einen Bruder von Abu H1 gegeben habe, der unter IS-Männern Abu G1 geheißen habe. Die Nebenklägerin Y. gab an, dass Abu G1 der leibliche Bruder von Abu H1 gewesen sei.
334Darüber hinaus hat die Nebenklägerin X. bestätigt, dass ihr die Angeklagte A. berichtet habe, dass I. B. zunächst bei der Jabhat-an-Nusra und dann beim IS gewesen sei.
335Hiermit im Einklang stehen wiederum entsprechende Angaben von E. Y. B. in seinem Interview gegenüber ANF-News und, was den grundsätzlichen Umstand des Anschlusses der Brüder an den IS angeht, auch die im Wege einer schriftlichen Äußerung auf Befragung der Verteidigung der Angeklagten C. vom 8. Februar 2021 mittels Messenger-Dienst am 15. Februar 2021 durch I. B. übermittelten Angaben.
336Soweit allerdings dort mitgeteilt wird, er (I.) und sein Bruder E. hätten noch Anfang Januar 2014 keine Gruppe gehabt, der sie sich angeschlossen hätten; erst kurz vor dem Angriff der FSA habe er sich dem IS angeschlossen, ganz unerwartet und ungeplant, er habe sich einfach überreden lassen, steht dies im Widerspruch zu den aufgeführten, miteinander im Einklang stehenden und daher den Feststellungen zugrunde gelegten weiteren Beweismitteln, wonach ein Anschluss der Brüder an den IS spätestens Mitte November 2013 erfolgt war. Dies gilt auch im Hinblick auf die Einlassung der Angeklagten A., I. B. habe erst am Tag vor ihrer Hochzeit den Treueeid geleistet, soweit diese einen früheren Anschluss an die Gruppierung ausschließen sollte.
337Auch das Urteil des türkischen Strafgerichts in Sanliurfa vom 9. Januar 2019 geht schließlich von einer Mitgliedschaft des I. B. im IS aus, ohne allerdings den Zeitraum näher zu benennen.
338d) Einsatz als Kämpfer für den IS und Ausreise E. Y. B.s aus Syrien
339Dass I. und E. Y. B. für den IS an den Kämpfen um eine Militärbasis („Liwa 80“) bei Aleppo vom 20. bis 28. November 2013 teilnahmen, wird durch einen Chat der Angeklagten C. mit S. N. vom 20. November 2013 belegt, in dessen Verlauf der unmittelbar bevorstehende Einsatz der beiden Brüder thematisiert wird („liwa 80 fahren die“). Bestätigt wird die Teilnahme an diesem militärischen Einsatz auch durch den bei Facebook von I. B. als „Abu H1“ – zeitlich passend – am 19. November 2013 eingestellten Kommentar:
340„Morgen früh geht es wieder los…ab zum Ribab. Alhamdulilah. Macht dua für alle brüder an der Front. Möge Allah mir die gelegenheit geben meine gefallenen nahen brüder/gefährten zu rächen“.
341Am 29. November 2013 stellte I. B. bei Facebook wiederum ein Lichtbild mit dem Kommentar: „Mittagessen an der Front“ ein.
342Die festgestellten Umstände einer Beteiligung von I. und E. Y. B. an Kämpfen des IS in Jarabulus im Januar 2014 ergeben sich aus Telefongesprächen zwischen den Angeklagten C. und B.. So teilt der Angeklagte B. in einem Telefonat vom 7. Januar 2014 unter anderem mit, dass die Söhne „in einer schlimmen Lage“ und am 5. Januar 2014 von der „gegnerischen Seite“ gefangen genommen und entwaffnet worden seien. E. Y. B. habe fliehen können, „Ebu M.“ sei dagegen bei der Flucht erschossen worden. Daraufhin hätten sie „die Mädchen“ – gemeint sind offensichtlich S. A. und S. N. – weggebracht und sich selbst in einem Gebäude verschanzt, wo sie auf Hilfe warteten. Am 13. Januar 2014 berichtet die Angeklagte C. von fortdauernden heftigen Angriffen auf ihre Kinder. Am 16. Januar 2014 kam es, wie sich ebenfalls aus einem Gespräch zwischen den Angeklagten C. und B. ergibt, zu einem Autobombenanschlag, bei dem etwa 30 Personen getötet wurden. In dem Telefonat erklärt der Angeklagte B., dass der Anschlag vom „ISID“ (türkische Bezeichnung für ISIS) begangen worden sei. Auf die Frage der Angeklagten C., ob das „die Unsrigen, die Kinder gemacht hätten“, stellt der Angeklagte B. ausdrücklich fest, dass für den Anschlag die „Gruppe der Kinder“ verantwortlich sei. Am 17. Januar 2014 berichtet nunmehr die Angeklagte C. dem Angeklagten B., dass die Kinder „rausgekommen“ seien. Sie hätten ihr gesagt, dass die „Abis“ gekommen seien und sie jetzt „dort aufräumen“ würden. In einem Telefonat vom 24. Januar 2014 teilt I. B. seinem Vater mit, dass nur noch die „Abis“ die Stadt kontrollierten. Auf Nachfrage, ob darunter „die ISID, der Islamische Staat Irak-Syrien“ gemeint sei, antwortet I. B. mit: „Ja, der Islamische Staat“.
343Dass I. und E. Y. B. im Januar 2014 für den IS in Jarabulus in Kämpfe involviert waren, ergibt sich schließlich auch aus der entsprechenden Einlassung der Angeklagten A. und wird bestätigt durch die Angaben von E. Y. B. in dem mit ANF-News geführten Interview. Das entsprechende Kampf- und Anschlagsgeschehen und dessen zeitlicher Ablauf wird zudem durch einen von dem Zeugen KHK Z26 ausgewerteten Medienbericht des Senders Al-Jazeera bestätigt.
344Dass die Brüder Wachdienste für den IS leisteten, folgt aus der Einlassung der Angeklagten A. und insbesondere aus überwachten Telefonaten, in denen I. B. seiner Mutter hiervon berichtet, indem er etwa am 13. Februar 2014 schildert, er habe noch in der Nacht Wache halten müssen.
345Die Ausreise von E. Y. B. und S. N. nach dem Ende der Gefechte in Jarabulus am 22. Januar 2014 in die Türkei wird unter anderem in zwei Telefonaten der Angeklagten C. mit dem Angeklagten B. an diesem Tag besprochen. I. B. bestätigt diesen Umstand zudem in seiner schriftlichen Erklärung auf Befragen der Verteidigung der Angeklagten C..
346Dass die Ausreise in die Türkei mit Genehmigung des IS erfolgte, berichtet V. N., die Mutter S. N., in einem Telefonat am 7. Januar 2015 gegenüber der Angeklagten C. als Umstand, den sie von ihrer Tochter erfahren habe.
347e) Bestellung von Waffenzubehör und sonstigen Ausrüstungsgegenständen von Oktober bis Dezember 2013
348Dass I. und E. Y. B. im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2013 von Jarabulus aus bei verschiedenen Anbietern im Internet Waffenzubehör und sonstige Ausrüstungsgegenstände bestellten, die sie im syrischen Kampfgebiet selber nutzten oder gewinnbringend – auch an Kämpfer des IS – verkauften, ergibt sich zunächst aus der Einlassung des Angeklagten B.. Dieser hat bekundet, dass seine Söhne nach Rücksprache mit der Mutter die Bestellungen im Internet aufgegeben hätten. Die Kinder hätten ihm mitgeteilt, dass die Magazine an die FSA und an das Volk verkauft worden seien und sie gutes Geld verdient hätten. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten B. hat der Senat – mit Ausnahme des angeblichen Verkaufs der Waren an die FSA – keine, weil sie mit weiteren Beweismitteln korrespondieren.
349Insbesondere konnte eine Vielzahl von in diesem Zeitraum ausgelösten Bestellvorgängen von solchen Waren ermittelt werden, deren besondere Art und Menge den Rückschluss auf den festgestellten Einsatzzweck zulassen. Der Zeuge KHK Z33 hat die Ermittlungen und Auswertungen zum Erwerb von Waffenzubehörteilen und Ausrüstungsgenständen geführt. Die Einzelheiten hat er in seinem Vermerk vom 19. April 2016 niedergelegt und dazu als Zeuge ausgesagt. Der Zeuge hat die als Lieferanten bekannt gewordenen Firmen mit Auskunftsersuchen angeschrieben. Die von den Lieferanten übersandten Rechnungen hat er ausgewertet. Die Ermittlungen bei dem Lieferanten Ff) in Rugendorf hat POK Z34 geführt und in seinem Vermerk vom 22. Januar 2016 niedergelegt. Insgesamt wurden nach dem Ergebnis dieser Ermittlungen und dem Inhalt der Rechnungen im fraglichen Zeitraum allein 435 Magazine für das Sturmgewehr AK 47, 33 Magazine für die Selbstladepistole Glock 17 und vier Magazine für das Gewehr M16 angeschafft, von denen jedenfalls 50 Magazine für das Sturmgewehr AK 47 durch die Angeklagte C. in Syrien übergeben wurden. Daneben erfolgte die Bestellung weiteren Waffenzubehörs, wie einem Zweibein, einem Leuchtpunktvisier, Magazintaschen und Gewehrgurten, Montageschienen und Waffenumwandlungszubehör. Insoweit wird im Einzelnen auf die Ausführungen zu Fall 5 (unter C. III. 4. b) Bezug genommen.
350Trotz des Umstandes, dass bei den liefernden Unternehmen im Bestellvorgang regelmäßig die Angeklagte C. als Kundin verzeichnet ist, hält der Senat dafür, dass die Bestellungen gleichwohl durch die Brüder B. oder jedenfalls auf deren ausdrückliche Weisung hin für deren Bedarf (auch) als an Kampfhandlungen beteiligte IS-Mitglieder in Syrien erfolgten. Dafür spricht neben der entsprechenden Einlassung des Angeklagten B., dass die Beurteilung des konkreten Bedarfs und der technischen Anforderungen der – von Deutschland nach Syrien verbrachten oder hierfür vorbereiteten – Waren sinnvoll nur von den Brüdern B. anhand der Gegebenheiten vor Ort vorgenommen werden konnten.
351Dass die Waren für die entsprechende Verwendung durch I. und E. Y. B. bestimmt waren, folgt aus der Einlassung des Angeklagten B. und den bei den Bestellvorgängen verwendeten E-Mail-Adressen. Soweit Waren über die Online-Handelsplattform „kk)“ bestellt wurden, erfolgte dies über das hiermit verknüpfte E-Mail-Konto Y..E..B.91@googlemail.com. Soweit im Übrigen die (türkische) E-Mail-Adresse „ll)@yahoo.com.tr“ in den Verkaufsinformationen, so insbesondere auch bei dem Händler Hh), hinterlegt war, spricht ein Chat zwischen der Angeklagten C. und S. N., der sich in Syrien aufhaltenden Ehefrau des E. Y. B. nach islamischen Ritus, vom 22. November 2013, in dem diese die Angeklagte C. unter Mitteilung einer Kontoverbindung um Begleichung einer Forderung des Händlers Hh) in Höhe von 41,98 € bittet, die sich auf vier Magazine für das Sturmgewehr M 16 bezieht, dafür, dass die für das Verkäuferkonto hinterlegte (türkische) E-Mail-Adresse nicht von der Angeklagten C., sondern (jedenfalls auch) von ihrem Sohn E. Y. B. sowie dessen „Ehefrau“ genutzt wurde. In einem kurze Zeit später erfolgten Telefongespräch vom 24. Januar 2014 weist I. B. seinen Vater ausdrücklich darauf hin, dass sie ja (auch) in Deutschland Sachen bestellt hätten. In einem Gespräch vom 31. Januar 2014 fragt I. B. zudem seine Mutter, ob die von ihm bestellten Sachen schon angekommen seien, was diese bestätigt, G. C. werde die Sachen in die Türkei bringen. Schließlich weist der Angeklagte B. in einem Telefonat mit dem Vater der Angeklagten A. am 20. April 2014 darauf hin, dass die „Ferngläser“ wegen derer er am 8. April 2014 nicht habe ausreisen dürfen, von „den Kindern“ bei Amazon gekauft worden seien.
352Dafür, dass der Verkauf der Ware hingegen nicht an Angehörige des IS, sondern entsprechend der Einlassung des Angeklagten B., seine Söhne hätten von einem Verkauf an die FSA berichtet, an andere Gruppierungen oder Kräfte erfolgte, hat die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben; dass die Söhne trotz ihrer Mitgliedschaft zunächst in der Nusra-Front und danach im IS die Waren an die FSA verkauft hätten, schließt der Senat aus.
353f) Verkaufs- und Handelstätigkeit ab Anfang 2014
354Dass I. und E. Y. B. miteinander in Kontakt blieben, nachdem E. Y. B. sich am 22. Januar 2014 mit S. N. in die Türkei abgesetzt hatte, E. Y. B. aus der Türkei heraus seinen Bruder weiter unterstützte und Geld und Ausrüstungsgegenstände zu ihm nach Syrien schaffte und dieser seine Beschaffungs- und Verkaufstätigkeit für den IS in Jarabulus mit entsprechender Genehmigung durch die Organisation und unter deren Aufsicht – spätestens ab Mai 2014 in Form eines Handelsgeschäfts – fortführte, stützt sich auf die Einlassung der Angeklagten A. und den Inhalt überwachter Telefonate.
355Dass I. B. jedenfalls ab Mai 2014 erfolgreich Handel betrieb, ergibt sich aus der insoweit glaubhaften Einlassung der Angeklagten A.. Danach habe sich die finanzielle Lage bei ihr und I. B., die sie als Anfang 2014 noch prekär beschrieben hatte, mit der Anmietung eines Ladens ein paar Monate später verbessert. I. B. habe im Mai 2014 drei teure Gefrierschränke von hoher Qualität gekauft. Die Ware für den Handel habe er hauptsächlich von seinem Bruder aus der Türkei erhalten.
356Dass der Verkauf der Ware im Wesentlichen an Angehörige des IS erfolgte, legt bereits der vorgehende Warenhandel der Brüder im Jahre 2013 in diesem Umfeld und der Umstand nahe, dass Jarabulus ab Anfang 2014 in der Hand des IS war und somit praktisch allein Anhänger der Organisation als Abnehmer von Waren, insbesondere von militärischen und sonstigen Ausrüstungsgegenständen, in Betracht kamen. In einem Telefonat am 24. Januar 2014 teilte I. B. seinem Vater mit, dass die Stadt von den den „Abis“, der „ISID, dem Islamischen Staat Irak-Syrien“ kontrolliert werde. Es gäbe sonst niemanden dort, nur den Islamischen Staat. Bei Kriegsbeginn habe es noch andere Gruppen gegeben, jetzt aber nicht mehr. Für den Handel I. B.s mit den vor Ort befindlichen IS-Angehörigen spricht schließlich seine bereits Anfang 2014 enge Einbettung in die Organisation. Schon am 2. Januar 2014 teilte er seiner Mutter mit, dass er nach der Heirat „noch mal was fürs Haus von den Abis bekommen“ werde. In einem Telefonat vom 13. Februar 2014 schilderte er seiner Mutter, dass er Wachdienste verrichten müsse. Im selben Telefonat berichtete er, dass die „Abis“, die „deutschen Brüder“, ihn gefragt hätten: „kannst Du für uns was zum Essen bringen, Schokoladen und sowas“.
357Dass die Geschäftstätigkeit I. B.s – bereits in Jarabulus – von der Erlaubnis der Vereinigung abhing, folgt insbesondere aus einem Telefonat mit der Angeklagten C. vom 2. März 2014. Dort berichtete er seiner Mutter, dass er einen Antrag bezüglich des Betriebs eines Cafés gestellt, aber noch keine Antwort erhalten habe („Wie in Deutschland, muss ich drauf warten.“), womit ersichtlich auf eine entsprechende Erlaubnis der Vereinigung Bezug genommen wird. Für die Abhängigkeit der Durchführung der Verkaufstätigkeit von der Aufsicht und Entscheidung des IS spricht zudem ein Telefonat I. B.s vom 18. September 2014, in dem er seiner Mutter schildert, dass ihm das Betreiben eines Ladengeschäftes untersagt worden sei („… jetzt muss ich vom Auto verkaufen… ich darf nicht im Geschäft.“, „Ich habe aber Lager. Tue ich alles rein und dann verkaufe ich mit Auto“). Hiermit korrespondieren die Angaben des Sachverständigen Z2, dass der IS die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Elektrizität und Wasser gewährleistete und zu diesem Zweck Verwaltungsaufgaben übernahm. Dass eine Genehmigung der Vereinigung letztlich erteilt wurde, ergibt sich daraus, dass I. B. ab Mai 2014 tatsächlich ein Handelsgeschäft mit IS-Angehörigen betrieb.
358Der Aufbau des Handelsgeschäftes durch I. B. – unter Einbindung seiner Eltern und seines Bruders – ergibt sich aus verschiedenen Telefonaten. So erläuterte E. Y. B. der Angeklagten C. bereits am 24. Januar 2014 die Idee, in der Türkei Autos für seinen Bruder zu besorgen, da dieser einen Abnehmer habe. Am selben Tag fragte der Angeklagte B. seinen Sohn I., auf welchem Weg man ihm die Sachen, die er bei seiner Mutter bestellt habe, schicken könne, woraufhin I. antwortete, dass ihm sein Bruder die Sachen mit jemandem schicken werde, sobald er sie habe. Am 5. Februar 2014 berichtete die Angeklagte C. ihrem Ehemann G. C., dass E. Y. B. seinen türkischen Ausweis erhalten habe. Hiermit könne er Geld abheben und zusammen mit anderen Sachen an I. weiterleiten. In demselben Telefonat forderte sie ihren Ehemann auf, Waren zu E. Y. B. zu bringen, der sie an I. weiterleiten werde: „Du wirst die Ladegeräte, das Geld und alles mitnehmen und bei nächster Gelegenheit zu ihm bringen.“ E. werde sie „dahin“, „dorthin“ bringen. E. werde die Ware aber nicht selbst über die Grenze bringen, sondern sie dort an „Abis“ übergeben. Am 15. Februar 2014 teilte wiederum I. B. seiner Mutter mit, dass er „mal wieder Geld verdienen müsse“ und Startkapital benötige. Er werde „wieder“ Sachen aus Deutschland nehmen, aber „diesmal nur Handschuhe und so was“. Am 23. Februar 2014 berichtete I. B. der Angeklagten C., den Laden einer anderen Person ohne Mietzahlungen übernehmen zu wollen. Am 3. März 2014 teilte die Angeklagte C. ihrem Ehemann G. mit, dass E. Y. B. in den nächsten Tagen nach Gaziantep fahren werde, um I. B. einige „elektrische Sachen“ zu bringen, die sein Vater ihm zur Verbringung zu I. in die Türkei geschickt habe.
359Bei Ausreiseversuchen des Angeklagten B. am 8. und 10. April 2014 in die Türkei wurden unter anderem Ferngläser und Waffenzubehörteile beschlagnahmt. Am 13. April 2014 teilte der Angeklagte B. seinem Sohn E. Y. mit, dass einige Sachen für I. – im Einzelnen Telefonkarten, Ladegeräte und Batterien – bei der – allein genehmigten – Ausreise seiner Ehefrau am 10. April 2014 übersehen worden seien. E. Y. B. schlug in diesem Telefonat vor, die Sachen mit der Post zu schicken. In einem Gespräch vom selben Tag kündigte die Angeklagte C. ihrem Sohn I. an, dass E. den Koffer bald bringen werde, woraufhin dieser erklärt, den Koffer abzuwarten, bevor er weitere Sachen bestelle.
360In einem Gespräch vom 3. Juni 2014 erläuterte I. B. seiner Mutter, dass die Übergabe des übermittelten Geldes von seinem Bruder an ihn erfolge, indem er Bestellungen von Sachen aufnehme, die es vor Ort nicht gebe; diese besorge sein Bruder dann und leite sie an ihn weiter. Durch den Weiterverkauf mache er dann zudem Gewinn. Am 25. und 30. Juni 2014 teilte I. B. seiner Mutter telefonisch mit, dass er für einen zu eröffnenden „Supermarkt“ günstig Ware eingekauft habe. Am 6. Juli 2014 teilte E. Y. seiner Mutter mit, dass die regelmäßig 10-stündigen Fahrten ihn anstrengen würden, womit offensichtlich Fahrten über Gaziantep zu seinem Bruder nach Jarabulus gemeint waren. Weiter erläuterte E. Y. der Angeklagten C., dass die Gründung seiner eigenen Firma kurz bevorstehe und seine Reisen dann nicht mehr auffallen würden. Die Angeklagte C. sagte ihm darauf zu, dass der Angeklagte A. B. die Geschäftsgründung mit Geld unterstützen werde. In einem Gespräch vom 12. August 2014 bestätigte I. seiner Mutter, dass sein Laden viel Geld einbringe.
361Am 14. August 2014 bedankte sich E. Y. bei seiner Mutter für einen Drucker, mit dem er Rechnungen schreibe. Sein Geschäft habe jetzt ein richtiges Büro. Ferner berichtete er der Angeklagten C., dass er aus China günstig Speicherladegeräte für Akkus einkaufen könne, die er dann I. schicke.
362Aus Telefonaten vom 8. September 2014 zwischen der Angeklagten C. und I. sowie E. Y. B. geht hervor, dass E. Y. B. Geld benötigte, um weitere Waren für I. B. einkaufen zu können. So bat I. B. die Angeklagte C. um 500 €, um „etwas“ einzukaufen; die Angeklagte C. teilte dies E. Y. B. mit, dem sie das Geld zur Weiterleitung an I. zuleiten wollte. Am 18. und 24. September 2014 berichtete I. B. wiederum seiner Mutter, für 1.000 € Waren (Kleidung, Schuhe, Getränke und Schokolade) gekauft zu haben und nunmehr aus einem Kraftfahrzeug heraus zu verkaufen; die Geschäfte liefen noch besser.
363In einem Gespräch der Angeklagten C. mit der Mutter von S., V. N., vom 7. Januar 2015 bestätigte diese, dass E. nach den Angaben von S, „immer wieder nach Syrien fahre“, um dort Geschäfte zu machen.
364Dass sich Ende Januar 2015, nach dem Umzug nach Manbidsch, die Geschäfte I. B.s positiv entwickelten, geht aus einem Gespräch hierüber zwischen diesem und seinem Vater vom 29. Januar 2015 hervor. Diese Entwicklung der Geschäfte I. B.s wird auch durch die Angeklagte A. in ihrer Einlassung bestätigt: Bereits ab Mitte 2014 habe sich ihre wirtschaftliche Lage deutlich verbessert und Anfang 2015 habe I. durch den Weiterverkauf der von seinem Bruder aus der Türkei gelieferten Waren „guten Umsatz“ erzielt.
365Dass E. Y. B. im Herbst 2014, insbesondere auch zur Verschleierung des Warentransfers nach Syrien, in der Türkei eine Firma gründete, folgt zudem aus einem Telefonat von E. mit seinem Vater am 31. Oktober 2014, in dem er berichtete, seiner Firma bereits einen Namen gegeben zu haben und ein Firmenlogo herstellen zu lassen. Über die entsprechenden Vorbereitungen hierzu hatte er bereits am 8. Juli 2014 seine Mutter telefonisch informiert. Er beschäftige hierzu einen Buchhalter, der 100 Lira im Monat nehme, und bekomme bald eine Steuernummer. Die Gründung des Unternehmens mit der Bezeichnung „W. G.“ ergibt sich auch aus der Auswertung des Mobilfunkgeräts der Angeklagten C., auf dem ein Foto mit einer Visitenkarte des Unternehmens festgestellt wurde. Das Angebot des Unternehmens umfasste entsprechend einer durch das Bundeskriminalamt ausgewerteten Internetpräsentation vom 4. November 2014 Outdoorbekleidung, Tarnkleidung, Outdoorausrüstung, Messer, Zielvorrichtungen für Schusswaffen, Drohnen und Zweibeine. Dies ergibt der Vermerk des KHK Z26 vom 19. November 2015.
366Die entsprechende Firmengründung seines Sohnes E. im Herbst 2014 hat zudem auch der Angeklagte B. in seiner Einlassung bestätigt. Die umfänglichen Geschäftsaktivitäten von I. und E. Y. B. zu Gunsten des IS werden schließlich in einer Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 13. November 2018 dargestellt.
367Dass I. B. nach dem Umzug nach Raqqa ab etwa Mitte 2015 eine offizielle Position im „Beschaffungsamt“ des IS erlangte und auch in dieser Funktion, jedoch nunmehr im direkten Auftrag des IS weiterhin Waren bei E. Y. B. erwarb, ergibt sich aus der insoweit glaubhaften Einlassung der Angeklagten A., die sowohl durch die Angaben der Nebenklägerin X. als auch durch eine Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes bestätigt werden. Die Nebenklägerin X. bekundete anschaulich, dass sich in Raqqa eine große Halle des IS befunden habe, in der Waren wie Laptops, Kartons, Militärkleidung und Ausrüstung gelagert worden seien; Abu H1 habe ihr gesagt, er sei dort der Verwalter.
368Der sukzessive Ausbau der Geschäftstätigkeit der Brüder für den IS seit dem Jahr 2015 ergibt sich auch aus verschiedenen überwachten Telefonaten. So berichtete die Angeklagte C. beispielsweise ihrer Schwester, der Zeugin Z4, in einem Telefonat am 23. November 2017, dass E. Y. B. ca. 200.000 € aus der Türkei mit nach Syrien zurückgenommen habe. Deren Ehemann, der Zeuge Z4, hat den zeitweisen wirtschaftlichen Erfolg der Brüder, von dem er von E. Y. B. bei Besuchen in der Türkei erfahren habe, in seinen Angaben bestätigt.
369Dass E. Y. B. Anfang 2017 nach Syrien zurückkehrte, ergibt sich schließlich aus der Einlassung der Angeklagten A. und der entsprechenden Aussage der Nebenklägerin X..
370g) Flucht und Verhaftung
371Die Feststellungen zur Verhaftung von E. Y. B. beruhen auf den Angaben der Nebenklägerin X., die die gemeinsame Flucht mit „Abu G1“ detailliert und anschaulich geschildert hat, und den Inhalten von überwachten Telefonaten. In einem Gespräch vom 3. Januar 2018 erörterten etwa die Angeklagte C. und ihr Ehemann G. C., dass E. sich in kurdischer Gefangenschaft befinde.
372Die Feststellungen zur Flucht und Festnahme I. B.s beruhen auf der insoweit glaubhaften Einlassung der Angeklagten A. sowie dem türkischen Urteil des 2. Strafgerichts Sanliurfa vom 9. Januar 2019, Az. 2018/313.
3733. Zu den Taten der Angeklagten A.
374a) Zum Vorgeschehen
375Die Angeklagte hat die äußeren Umstände ihrer Ausreise nach Syrien und ihres Aufenthaltes dort, die Kontakte zu und den anfänglichen Besuch der Moschee mit S. N., die folgende gemeinsame Teilnahme an einem Islamunterricht sowie die Beteiligung I. und E. Y. B.s an den Kämpfen in Jarabulus Anfang 2014 und ihren und S. N.s Verbleib währenddessen in ihrer Einlassung eingeräumt. Insbesondere hat sie glaubhaft angegeben, S. N. habe sie in Empfang genommen und beide hätten sich in das Haus von E. und I. B. begeben. Dort habe sie die Angeklagte C. kennengelernt. Beide, S. N. und die Angeklagte C., hätten ihr dazu geraten, I. B. zu heiraten.
376Ihre Angaben zur Ausreise nach Syrien werden bestätigt und hinsichtlich der Umstände der Reisebuchung ergänzt durch die Angaben der Zeugin KOKin Z12, welche die Ermittlungen nach einer Vermisstenanzeige aufgenommen und die Reiseunterlagen der Angeklagten A. ausgewertet hat.
377Die Ankunft der Angeklagten A. Anfang November 2013 in Syrien haben auch die Zeuginnen Z11 und Z10, Klassenkameradinnen der Angeklagten, bestätigen können. Der Zeugin Z11 hatte die Angeklagte über den Kurznachrichtendienst „Viber“ am 10. November 2013 – möglicherweise versehentlich – ihren Standort in Jarabulus in Syrien mitgeteilt, wie diese glaubhaft bekundete. Auch der Zeugin Z10 übermittelte sie diesen am 9./10 November über den Messengerdienst „Viber“ in einem Chat zu den Gründen ihrer Ausreise.
378Die gemeinsame Unterbringung der Angeklagten A. mit S. N. während der Kämpfe Anfang 2014 ergibt sich auch aus dem bereits angeführten, im Kontext der Kämpfe um Jarabulus geführten Telefonat der Angeklagten C. mit dem Angeklagten B. vom 7. Januar 2014, in dem die Angeklagte C. berichtet, dass sie (I. und E. Y. B.) „die Mädchen“ weggebracht hätten, nachdem „Ebu M.“ getötet worden sei.
379b) Fall 1
380Die Feststellungen zu Fall 1 der Anklage beruhen auf den Angaben der Angeklagten A., soweit diesen gefolgt werden konnte, sowie den Aussagen der Nebenklägerinnen X., Y. und Z. und von weiteren – teilweise im Tatzeitraum in Syrien aufhältigen – Zeugen, polizeilichen Ermittlungs- und Auswertevermerken und insbesondere auf Inhalten der Telekommunikationsüberwachung.
381aa) Eingliederung in die Organisation und innere Haltung
382Dafür, dass sich die Angeklagte A. spätestens seit ihrer Heirat nach islamischen Ritus am 4. Januar 2014 im Sinne der getroffenen Feststellungen unter Befürwortung einer radikal-islamistischen Weltanschauung einvernehmlich in die Organisation des IS eingliederte, sprechen zunächst ihre bereits kurz nach ihrer Ankunft in Syrien gegenüber ihren vormaligen Bezugspersonen mitgeteilte (allgemeine) Organisationszuordnung und innere ideologische Haltung. In dem Chat mit der Zeugin Z10 vom 9. und 10. November 2013 über den Messengerdienst „Viber“ teilte die Angeklagte dieser etwa mit:
383„bin übrigens bei Al Quaida“.
384Ferner:
385„wir sind hier, um einen islamischen Staat zu etablieren, nach dem Gesetz des Islam“ und „Wir unterstützen unsere Ehemänner im Kampf“
386sowie
387„Und vermehren bzw gebären die Kämpfer“.
388Im weiteren Verlauf des Chats äußert die Angeklagte:
389„Ich hasse nur ungläubige. Gerechtigkeit findet man nur im islam“.
390In einem Chat mit der Zeugin Z8 am 11. November 2013, in dem diese der Angeklagten A. mitteilte, dass sich alle Sorgen um sie machten, weil sie dort nicht sicher sei und dort täglich Menschen stürben, entgegnete die Angeklagte:
391„Ja und? Früher oder später stirbt jeder. Kommt darauf an worauf. Und wofür. Das Leben ist vergänglich“.
392In ähnlicher Form antwortete die Angeklagte A. auf deren weitere Frage, ob sie für ihren Glauben sterben wolle:
393„Natürlich. Für was denn sonst. Ich tue alles um meinen leuten bzw gemeinschaft zu helfen“.
394Im selben Chat brachte sie zudem ihre Abneigung gegenüber „Ungläubigen“ zum Ausdruck:
395„Ich verurteile euch wegen eurem Unglauben Ihr könnt noch so gute menschen ssein der unglaube zerstört diese taten“.
396Dass sie sich tatsächlich bereits im November 2013 im Umfeld des IS aufhielt, belegt der bereits aufgeführte Chat der Angeklagten A. mit ihrer Freundin K. I. vom 14. November 2013, in dem die Angeklagte A. auf die bestehende Mitgliedschaft ihres zukünftigen Ehemannes I. B. bei „Dawla“ hinweist.
397Für eine Nähe zur Vereinigung des IS bereits im November 2013 sprechen ferner Veröffentlichungen der Angeklagten auf dem Facebook-Account „....mm)“. In dem Profil wurden etwa am 22. November 2013 die Worte „Dawla Islamiyya“ mit einem Herz-Symbol dahinter gepostet. Am selben Tag folgte ein Beitrag mit dem Titel „Der Islamische Staat Irak & Sham verteilt Essen an die Bevölkerung #isis“. Am 23. November 2013 wurde ein Beitrag mit dem Titel „ISIS - No matter who you’re and what’s your nationality, if you’re Muslim we love you for the sake of ALLAH SWT“ geteilt. Es folgte eine Vielzahl religiöser Aussprüche und die Veröffentlichung von Fotos mit angeblichen Märtyrern und „Löwen“ („Lions“) des „Islamic State of Iraq and Sham“.
398Dass dieses Facebook-Profil der Angeklagten A. zuzuordnen ist, ergibt sich auch aus den Angaben der Zeugin Z10, die bekundet hat, über dieses Facebook-Profil mit der Angeklagten A. kommuniziert zu haben; als Hintergrundbild ihres Facebook-Profils habe die Angeklagte dasselbe Foto verwendet, das sie auch beim Kurznachrichtendienst „Viber“ eingestellt habe.
399Auf dem hierzu in Augenschein genommenen Lichtbild ist eine vollverschleierte weibliche Person mit einer Waffe abgebildet. Dass dieses Foto tatsächlich die Angeklagte zeigt, ergibt sich aus deren hierauf Bezug nehmenden Einlassung, es sei ihr mit der Nachricht „bin übrigens bei Al Qaida“ vom 9./10. November 2013 an ihre Mitschülerin und dem zeitgleichen Einstellen des Profilfotos beim Kurznachrichtendienst „Viber“, auf dem sie „nur mit Schreckschusspistole“ abgebildet gewesen sei, lediglich darum gegangen, „Eindruck zu schinden“.
400Die einvernehmliche Eingliederung in die Organisation und Unterordnung unter deren Willen ergibt sich zudem aus der Heirat I. B.s in Kenntnis von dessen IS-Mitgliedschaft und der damit einhergehenden Fügung in das vom IS propagierte Rollenverständnis sowie den im weiteren dargestellten Beteiligungshandlungen der Angeklagten für den IS in der Folgezeit.
401Ihre Eheschließung mit I. B. nach islamischem Ritus, das folgende Zusammenleben, die Führung des gemeinsamen Haushalts einschließlich der Versorgung und Betreuung der gemeinsamen Töchter, sowie die Umzüge und Ortswechsel der Familie hat die Angeklagte A. wie festgestellt glaubhaft eingeräumt. Dass die Heirat am 4. Januar 2014 erfolgte, wird durch einen Facebook-Eintrag der Angeklagten A. vom selben Tag mit den Worten: „Got married“ und einem abgebildeten Herz bestätigt. Zudem haben auch die Nebenklägerinnen X. und Y. bekundet, dass die Angeklagte ihnen von ihrer Hochzeit mit Abu H1 berichtet habe.
402Ihr Wissen um die Mitgliedschaft I. B.s im IS wird in dem bereits aufgeführten Chat der Angeklagten A. mit ihrer Freundin K. I. vom 14. November 2013 deutlich.
403Dass sie von I. B. in Raqqa eine Pistole der Marke Glock erhielt, hat die Angeklagte ebenfalls berichtet, wobei sie betonte, dass sich diese und andere Waffen des I. B. nicht in der Reichweite der Kinder befunden hätten und sie die Pistole für den Notfall, um sich und die Kinder eventuell zu schützen, stets mitgeführt habe.
404Entsprechend den Üblichkeiten der Organisation trat die Angeklagte in der Folge unter ihrem Kunya-Namen (Umm H1), in Anlehnung an den Kunya-Namen ihres „Ehemannes“ (Abu H1) auf. Die Verwendung des Namens Umm H1 für die Angeklagte A. haben unter anderem die Nebenklägerinnen X., Y. und Z. sowie die Zeuginnen Z31, Z32, Z35 und J., die sich ebenfalls im Tatzeitraum in Syrien befanden, bestätigt.
405Soweit sich die Angeklagte A. eingelassen hat, sie habe immer wieder mit dem Gedanken an Flucht gespielt, dies aber ausgeschlossen, weil ihre Töchter und sie eine solche vermutlich nicht überlebt hätten, sie sei erst geflohen, als die Umstände dies erlaubt hätten, folgt der Senat dem nicht. Aus unterschiedlichen Telefonaten ergibt sich vielmehr, dass die Angeklagte in Syrien bleiben wollte und ohne innere Zweifel an ihrer radikal-islamischen Weltanschauung bis zu ihrer durch die militärische Lage erzwungenen Flucht festhielt. In einem Telefonat am 29. August 2014 berichtete etwa die Mutter der Angeklagten A. ihrer Schwester B. V., dass „S. bei ISIS“ und völlig überzeugt von ihrem Weg sei. In weiteren Telefonaten mit ihrer Schwester sowie mit weiteren Bekannten im Jahr 2015 schilderte die Mutter der Angeklagten A. erneut die „fanatische Einstellung“ ihrer Tochter und deren Ansicht, sich ein Leben in Deutschland unter den „Kuffar“ nicht mehr vorstellen zu können.
406Dass die Angeklagte A. bis zuletzt an ihrer radikalen Einstellung und der Verfolgung ihrer Ziele in Syrien festhielt, folgt zudem aus einem Gespräch zwischen der Angeklagten C. und ihre Schwester M. D. vom 23. November 2017, in dem die Angeklagte C. eine Auseinandersetzung zwischen ihren Söhnen hinsichtlich der Frage des weiteren Aufenthalts in Syrien schilderte. E. Y. B. habe sich aus Angst vor seinem Bruder und der Angeklagten A., die ihn sogar mit einer Waffe bedroht habe, von diesen entfernt, um in Kürze ausreisen zu können, wovon die Angeklagte A. ihn aber habe abhalten wollen. In einem weiteren Gespräch mit ihrem Bruder Ö. Ö. vom 5. Februar 2018 antwortet die Angeklagte C. auf die Frage, weshalb I. B. Syrien nicht früher verlassen habe, dass dessen Frau nicht früher habe gehen wollen.
407bb) Tätigkeiten zur Förderung der Ziele der Vereinigung
408Die Feststellungen zu den durch die Angeklagte – neben ihrer Rolle als Ehefrau eines IS-Mannes und als Mutter dort geborener und im Sinne der Ideologie zu erziehender Kinder – weiteren übernommenen Tätigkeiten zur Förderung der Ziele der Vereinigung ergeben sich wie folgt:
409(1) Hinsichtlich der Aufnahme von Neuankömmlingen des IS, zu der die Angeklagte A. selbst keine Angaben gemacht hat, beruhen die Feststellungen auf Erkenntnissen aus Telekommunikationsüberwachung.
410Der Empfang von Neuankömmlingen wird erstmals in einem Gespräch von I. B. mit seiner Mutter vom 26. Februar 2014 thematisiert. Danach hätten sie viel Besuch bekommen; es seien zwei „Abis“ aus Deutschland mit ihren Frauen aufgenommen worden, die kein Haus gefunden hätten. In einem Gespräch vom 2. März 2014 teilte I. B. mit, dass der deutsche Besuch noch da sei, die Tschetschenen, die anstrengend gewesen seien, seien hingegen weg. In einem Telefonat vom 30. Mai 2014 forderte die Angeklagte C. ihren Sohn E. Y. B. auf, sich um seinen Bruder zu kümmern, da wieder neue Personen angekommen seien und sich bei ihnen aufhielten. Die Angeklagte A. berichtete zudem ihrem Vater M. in einem Telefonat vom 6. Juni 2014, dass sie die Erlaubnis erhalten habe, eine unverheiratete Schwester drei Tage bei sich aufzunehmen; jetzt sei das aber nicht mehr erlaubt. Ein marokkanischer Emir habe ein neues System eingeführt, wonach „neue Schwestern“ zunächst in ein bestimmtes Haus müssten.
411(2) Das festgestellte Werben der Angeklagten A. um ausreisewillige Unterstützer des IS ergibt sich aus den Inhalten von Messenger-Chats sowie aus überwachter Telekommunikation. Nachdem die Angeklagte bereits zu einem Zeitpunkt, in dem ihre mitgliedschaftliche Einbindung in den IS noch nicht sicher festgestellt werden konnte, nämlich am 19. November 2013, in einem Skype-Chat mit ihrem Vater ihre Familie in Algerien aufgefordert hatte, ebenfalls „ihrer Pflicht nachzukommen“, versuchte sie in einem Chat vom 27. Mai 2014 den aus Bosnien stammenden und nach islamischem Ritus mit ihrer Schwester T. verheirateten N. L. eindringlich zu überreden, als medizinisches Fachpersonal am Jihad teilzunehmen:
412„Du musst etwas tun! … Die Mujahideen haben ein großes Bedürfnis nach jeder Art von medizinischer Beihilfe, die sie bekommen können. (…) Muslimische Arbeiter in der medizinischen Versorgung haben eine große Verantwortung und ihr Beitrag zum Jihad ist unbedingt notwendig. In der Tat könnten ihre Belohnungen größer sein als die der Kampfer.“
413Auch in einem Telefonat vom 1. Februar 2015 berichtete die Angeklagte über Kämpfe in Kobane und bittet ihren Vater, N. L. zu sagen, dass dieser „hierher“ (nach Syrien) kommen solle.
414In einem Gespräch vom 6. März 2018 mit ihrer Schwester bestätigte wiederum die Angeklagte C., dass die Angeklagte A. beständig versucht habe, ihre Schwester T. dazu zu überreden, ebenfalls nach Syrien zu kommen.
415(3) Die Feststellung, dass der IS an I. B. und die Angeklagte A. jedenfalls bis Ende 2016 / Anfang 2017 monatliche Zahlungen in Höhe von 118 US-Dollar leistete, beruhen auf der entsprechenden Einlassung der Angeklagten A.. Sie findet Bestätigung in Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung. So antwortete etwa I. B. seiner Mutter in einem Telefonat am 1. Mai 2014 auf die Frage, ob sie „gut über die Runden“ kämen, dass sie „von den Abis unterstützt“ würden.
416Auf ein Angebot ihres Vaters in einem Telefonat vom 12. Mai 2014, ihr (weiteres) Geld zu schicken, entgegnete die Angeklagte:
417„Uns fehlt kein Geld, gestern haben sie uns 118 $ gegeben. Das ist jeden Monat!“.
418Auch in einem Telefonat vom 6. Juni 2014 gab die Angeklagte ihrem Vater gegenüber an, dass sie Geld von „Dawla“ bekämen. M. A. seinerseits erzählte seiner in Frankreich lebenden Schwester N. im Verlauf eines Gesprächs am 17. Mai 2014, dass er S. Geld über Western Union geschickt habe, die „Dawla“ „ihnen“ aber auch „monatlich“ etwas „geben“ und ihnen Sachen besorgen würde.
419(4) Dass die Angeklagte A. hingegen Wach- oder Polizeidienste gemeinsam mit I. B. abgeleistet hätte, konnte nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden. Zwar ergeben sich aus überwachten Gesprächen durchaus Anhaltspunkte für eine Beteiligung der Angeklagten an der entsprechenden Tätigkeit des I. B.. Beispielsweise schilderte er seiner Mutter in einem Telefonat vom 13. Februar 2014, dass er in der Nacht habe Wache halten müssen und S. „zu sich geholt“ habe. In einem Telefonat vom 12. Mai 2014 erzählte er ihr ferner, dass er zur Arbeit müsse und S. mitnehmen werde; sie solle schließlich auch ein bisschen arbeiten. In Anbetracht dessen, dass eine Zusammenarbeit von Frauen und Männern bei Wachdiensten nicht üblich war und die Beweisaufnahme auch keine näheren Erkenntnisse zu einer konkreten von der Angeklagten gemeinsam mit B. ausgeübten Tätigkeit erbracht hat, hat der Senat sich jedoch insoweit keine entsprechende Überzeugung bilden können.
420(5) Die Feststellungen dazu, dass sich die Familie, nachdem die Luftangriffe von IS-Gegnern auf die Stadt Mayadin zugenommen hatten und auch das Haus der Angeklagten und I. B.s bombardiert worden war, Ende 2017 / Anfang 2018 auf die Flucht in Richtung Türkei begab, beruhen auf den Angaben der Angeklagten A.. Sie werden bestätigt durch das Telefonat der Angeklagten C. mit ihrem Bruder Ö. Ö. vom 5. Februar 2018, in dem sie ihm die Umstände dieser Flucht und der damit einhergehenden Gefahren dem entsprechend schilderte.
421c) Fall 4
422Die Feststellungen zu Fall 4 beruhen auf der Einlassung der Angeklagten A., soweit ihr gefolgt werden konnte, sowie insbesondere den Angaben der Nebenklägerinnen X., Y. und Z. und der weiteren Zeuginnen Z35, Z32, Z31 sowie J., die zur Tatzeit ebenfalls in Syrien lebten, und einer Mitgefangenen der Angeklagten A. in Deutschland, der Zeugin Z19, zudem auf Telekommunikationsinhalten und Behördenerklärungen des Bundesnachrichtendienstes.
423Den allgemeinen Umstand der Versklavung der sieben jesidischen Frauen und Mädchen im Haushalt von I. B. und der Angeklagten A., deren Erwerb von dem Sklavenhändler Abu H2 und einem saudi-arabischen IS-Mitglied, die festgestellten Aufenthaltszeiträume und die Abfolge der Versklavungen hat die Angeklagte A. wie festgestellt eingeräumt. Ihre Angaben stehen insoweit insbesondere auch in Einklang mit den Angaben der Nebenklägerinnen X., Y. und Z., welche ihr eigenes Schicksal und dasjenige der weiteren Sklavinnen – soweit ihrer Wahrnehmung zugänglich – im Haushalt der Angeklagten A. jeweils umfangreich geschildert haben. Insbesondere haben die Nebenklägerinnen auch die festgestellte – im Wesentlichen gleichförmige – allgemeine Behandlung der Sklavinnen durch die Angeklagte und I. B., die gegenüber ihnen und der Sklavin M1 ausgeübte körperliche Gewalt sowie die unter Beteiligung der Angeklagten A. erfolgten sexuellen Übergriffe durch I. B. wie festgestellt beschrieben.
424Auf der Grundlage ihrer Angaben hat der Senat zudem die Überzeugung gewonnen, dass entgegen der Einlassung der Angeklagten A. diese selbst neben I. B. an der Anschaffung der Sklavinnen beteiligt war und über diese im gemeinsamen Haushalt jeweils – jedenfalls in dessen Abwesenheit auch alleine – die Befehlsgewalt ausgeübt hat. Auch die Überzeugung, dass I. B. und die Angeklagte A. in Kenntnis der Verfolgung der Jesiden durch den IS und zur Durchsetzung seiner Ideologie und im Wissen um die vom IS aufgestellten und veröffentlichten Regeln zum Umgang mit Sklavinnen handelten, konnte der Senat insbesondere anhand der Angaben der Nebenklägerinnen X., Y. und Z., die durch weitere Beweismittel bestätigt werden, gewinnen.
425Die konkreten Umstände zum durch die Nebenklägerinnen X. und Y. jeweils bestätigten Tod der Sklavin M2 hat die Angeklagte A. in ihrer Einlassung detailliert dargestellt. Der Tod M2s anlässlich einer Überlandfahrt im Kriegsgebiet wird zudem durch ein Behördenzeugnis des Bundesnachrichtendienstes bestätigt.
426aa) Angaben der Nebenklägerinnen
427(1) Nebenklägerin X.
428Die an 13 Verhandlungstagen vernommene Nebenklägerin X. hat im Wesentlichen ausgesagt, aus dem Dorf K. in der Sinjar-Region zu stammen; dort habe sie zum Zeitpunkt des Überfalls des IS gemeinsam mit ihrer Familie gelebt. Nach dem Angriff, den die Zeugin in allen Einzelheiten geschildert hat, sei sie gemeinsam mit den anderen Bewohnern ihres Dorfes im Schulgebäude in K. festgehalten worden. Dort habe der IS die Männer von den Frauen getrennt. Die Frauen und Kinder seien mit Bussen abtransportiert und über mehrere Monate an verschiedenen Orten – u.a. Soulaa, Tal Afar, Al Kash und Mossul – in Sammelunterkünften festgehalten worden. Die Frauen seien dazu gedrängt worden, zum Islam zu konvertieren. Sie selbst sei mit ihren drei und acht Jahre alten Brüdern, die sie, um bei den IS-Mitgliedern nicht als Jungfrau zu gelten, als ihre Söhne ausgegeben habe, nach Raqqa transportiert worden. Dort sei ihr achtjähriger Bruder von IS-Leuten abgeholt und in ein Ausbildungslager des IS gebracht worden. Sie selbst und ihr dreijähriger Bruder seien an einen IS-Mann verkauft worden, dem sie als Sexsklavin habe dienen müssen. In der Folgezeit sei sie insgesamt sieben Mal an IS-Kämpfer weiterverkauft worden, von denen sie jeweils körperlich misshandelt und vergewaltigt worden sei. Sie sei schließlich zu einem Sklavenhändler in Raqqa namens Abu H2 gebracht worden. Von diesem sei sie an Abu H1 und Umm H1, die Angeklagte A., verkauft worden. In deren Haushalt habe sich bereits eine jesidische Sklavin im Alter von 13 bis 14 Jahren namens M1 befunden. Sie und M1 hätten Hausarbeiten erledigen und die Töchter von Abu und Umm H1, M4 und die später geborene M5, betreuen müssen. M5 habe unmittelbar nach ihrer Geburt aus medizinischen Gründen in ein ziviles Krankenhaus gebracht werden müssen. I. B. und sie hätten das Kind dorthin gebracht und ihr sei aufgegeben worden, dort bei dem Kind zu bleiben, was sie drei Tage lang getan habe. I. B. habe ihr gedroht, sie umzubringen, wenn sie im Krankenhaus mitteile, dass sie Jesidin und vom IS verschleppt worden sei. Aus Furcht hiervor habe sie sich nicht offenbart, obwohl eine Ärztin Verdacht geschöpft und sie darauf angesprochen habe. Aus dem gleichen Grund habe sie auch nicht versucht zu fliehen. Insgesamt habe sie etwa eineinhalb Jahre bei Abu und Umm H1 gelebt, bis Abu H1 sie an seinen Bruder, Abu G1, weitergegeben habe. Während der Zeit ihres Aufenthaltes im Haushalt der Angeklagten sei sie von dieser oft, „wenn nicht täglich, dann einen Tag später“, geschlagen worden, auch mit Gegenständen wie einem Schlauch, Schuhen oder einem Holzstock. Beispielhaft schilderte die Nebenklägerin die in den Feststellungen entsprechend dargestellten Anlässe. Nähere Einzelheiten konnte sie nicht benennen.
429Auch M1 sei von der Angeklagten geschlagen worden, in einem Fall, weil sie geduscht habe, ohne zuvor deren Erlaubnis eingeholt zu haben. Sie, die Nebenklägerin, habe das Haus in der ganzen Zeit einmal alleine verlassen dürfen, weil sie den Auftrag erhalten habe einzukaufen. Ansonsten sei ihr das Verlassen des Hauses nur in Begleitung der Angeklagten und Abu H1s gestattet gewesen. Die Haustür und Fenster des Hauses seien stets verschlossen gewesen. Den Haustürschlüssel habe Umm H1 verwahrt. Während der Abwesenheit des I. B. habe diese die alleinige Befehlsgewalt über sie als Sklavin ausgeübt. Wenn sie die Angeklagte A. zu Besuchen bei deren Freundin Umm J1, der Zeugin J., habe begleiten müssen, habe die Angeklagte sie zur Verrichtung der dortigen Hausarbeit angewiesen. Sie habe Abu H1 häufig zu dessen Arbeit im „Quartier“ begleiten und auch dort putzen müssen. In diesem Quartier seien unter anderem Nachtferngläser, Patronengurte und Militärbekleidung gelagert worden.
430Mit Billigung durch die Angeklagte A. sei sie von I. B. vergewaltigt worden, mehr als 100 Mal, manchmal täglich, jedenfalls an jedem dritten Tag mit Ausnahme der Zeiten, in denen sie ihre Regel gehabt habe oder I. B., etwa wegen stattfindender Kämpfe oder aus sonstigen Gründen, abwesend gewesen sei. Als die weitere Sklavin Y., die Nebenklägerin Y., angeschafft worden sei, seien sie beide vergewaltigt worden. Die Angeklagte A. habe ihr berichtet, dass Abu H1 Y. sexuell bevorzuge, weil diese erfahrener sei.
431Die Angeklagte A. habe sie an dem auf ihre Ankunft folgenden Tag aufgefordert zu duschen, und habe ihr ein blaues Kleid mit Nähten zum Anziehen gegeben. Nach dem gemeinsam mit Abu und Umm H1 zu verrichtenden Acht-Uhr Gebet, bei dem sie aus Angst davor, als Ungläubige zu gelten, mitgebetet habe, habe Umm H1 den Raum verlassen. Sie habe ihr folgen wollen, jedoch habe Abu H1 sie an der Hand festgehalten und die Tür abgeschlossen. Die Nebenklägerin habe gedroht, so laut zu schreien, dass Umm H1 dies hören werde. Trotz ihres Weinens habe er sie – wie im Einzelnen festgestellt – vergewaltigt. M1 habe ihr hinterher berichtet, dass sie und die Angeklagte A. ihr Weinen im Nebenzimmer gehört hätten.
432Die Angeklagte A. habe ihr bereits bei ihrem Erwerb mitgeteilt, dass es für eine Sklavin eine Sünde sei, sich dem Geschlechtsverkehr mit ihrem Herrn zu entziehen. Allah erlaube es, Ungläubige wie die Jesiden zu vertreiben, ihren Besitz zu nehmen und die Frauen zu vergewaltigen. Der Islam erlaube es, eine „Sabiya“ (Sklavin) zu vergewaltigen. Wer eine Sklavin kaufe, dürfe sie auch vergewaltigen. Ohne das Einverständnis der Angeklagten hätte sich I. B. nicht sexuell an ihr und den anderen jesidischen Frauen vergangen. Dies habe ihr I. B. selbst mitgeteilt.
433Das Mädchen M2 hätten die Angeklagte A. und I. B., nachdem sie selber durch Abu H1 und die Angeklagte A. an Abu G1 als Sklavin übergeben worden sei, und nach dem Umzug nach Mayadin, den auch sie mitgemacht habe, gekauft. M2 sei etwa 13 Jahre alt gewesen. Auch M2 sei von I. B. vergewaltigt worden.
434Zum Tod M2s hat sie angegeben, dass M2 und sie, auch nachdem sie selbst nicht mehr dessen Sklavin gewesen sei, von Abu H1 mehrmals im Fahrzeug mit in das Kriegsgebiet in Mayadin mitgenommen worden seien. Dort habe es Gefechte gegeben. Sie und M2 seien von Abu H1 als „Schutzschilder“ verwandt worden: Abu H1 habe ihnen auch aufgegeben, die Gewehre zu tragen, um so die Aufmerksamkeit etwaiger Gegner auf die Frauen und von sich wegzulenken. Sie hätten stets große Angst um ihr Leben gehabt. An dem Tag, an dem M2 umgekommen sei, sei sie selbst nicht mitgefahren. Die Straße, auf dem das durch Abu H1 geführte Fahrzeug gefahren sei, sei bombardiert worden. Eine Bombe habe das Fahrzeug getroffen. M2 sei von Abu H1 ins Krankenhaus gebracht worden und dort verstorben. Dies habe sie von der Angeklagten A. erfahren.
435Zusammen mit Abu G1 sei sie später geflohen und zunächst in kurdische Haft geraten, bis sie selbst dann im Dezember 2017 befreit worden und zu ihrer Familie zurückgekehrt sei. Sie sei von verschiedenen Hilfsorganisationen, insbesondere auch mehrfach von Mitarbeiterinnen der Menschenrechtsorganisation Yazda, zu ihren Erlebnissen in der Gefangenschaft beim IS befragt worden.
436Die Nebenklägerin Y. habe sie nach ihrer Befreiung einmal, nämlich auf einer Veranstaltung für die aus IS-Gefangenschaft befreiten Jesidinnen, wiedergesehen, sie habe sie dort jedoch nur kurz begrüßt.
437(2) Nebenklägerin Y.
438Die Nebenklägerin Y. wurde an acht Verhandlungstagen vernommen. Sie hat den Überfall des IS auf ihr Heimatdorf S.S. in der Nähe der Stadt Sinjar ausführlich geschildert. Sie sei gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Schwester sowie Neffen und Nichten von IS-Männern gefangen genommen und zur Polizeidienststelle in S.S. verbracht worden. Ihre Kinder, zwei Töchter und zwei Söhne, hätten sich damals nicht bei ihr, sondern in Obhut des von ihr getrennt lebenden Ehemannes befunden. Von der Polizeidienststelle sei sie mit weiteren Frauen und ihrem Neffen, den sie als ihren Sohn ausgegeben habe, mit Bussen u.a. über Mossul und Tal Afar nach Raqqa und Palmyra verbracht worden. In den verschiedenen Unterkünften seien die Frauen fotografiert und Preise für sie festgelegt worden, bevor sie dann verkauft worden seien. Der erste IS-Mann, der sie gekauft habe, habe ihr ihren Neffen weggenommen. Sie sei insgesamt 24 Mal an IS-Kämpfer weiterverkauft worden, von denen sie jeweils körperlich misshandelt und vergewaltigt worden sei, u.a. an Abu H2 in Raqqa, einen Frauenhändler, der sie wiederum an Abu H1 weiterverkauft habe. Erstmalig sei die Angeklagte A. ihr bei Abu H2 begegnet, den I. B. mit der Angeklagten und einer ihr bis dahin unbekannten weiteren Sklavin, der Nebenklägerin X., besucht habe. Hiernach habe Abu H2 ihr mitgeteilt, dass Abu H1 beabsichtige, sie zu kaufen. Wenige Tage später habe dieser sie abgeholt. Bei ihrer Ankunft im Haushalt der Angeklagten und I. B.s habe „X.“ ein grünes Kleid getragen. X. habe ihr erzählt, dass die Angeklagte A. und I. B. vor ihr noch zwei weitere jesidische Frauen namens Z. und M7 als Sklavinnen gehalten hätten.
439Die Nebenklägerin X. sei von der Angeklagten A. häufig, unter anderem auch mit einem Schlauch oder Besenstil, geschlagen worden. Die Angeklagte habe „das Mädchen aus K.“ „sehr heftig“ und „sehr oft“ geschlagen, und zwar immer dann, wenn X. nicht getan habe, was die Angeklagte A. gewollt habe. Sie selber sei – wie festgestellt – von der Angeklagten A. geschlagen worden; dann habe sie sich bei Abu H1 beschwert und diesem gegenüber geäußert, sie lasse sich nicht so behandeln wie X.; danach habe die Angeklagte es unterlassen, sie zu schlagen. Die Angeklagte habe sehr darauf geachtet, dass X. und sie den islamischen Glauben praktizierten und regelmäßig beteten. Auch bei dieser Gelegenheit habe die Angeklagte A. X. geschlagen. X. und sie hätten nach Anweisung der Angeklagten die Wohnung regelmäßig und gründlich putzen müssen, auch das Zimmer in den jeweiligen Wohnungen, in dem Waffen und Munition gelagert worden seien. Sie selber sei mit Einverständnis der Angeklagten A. von I. B. vergewaltigt worden.
440Die erste Vergewaltigung durch I. B. habe einige Tage nach dem Beginn ihres dortigen Aufenthalts stattgefunden, nachdem sie ihren Körper auf Aufforderung der Angeklagten A. habe rasieren müssen. I. B. habe eine schwere Doppelmatratze gekauft, die er nicht alleine habe tragen können. Sie habe ihm daher helfen müssen, die Matratze in ein Zimmer zu bringen. Dann habe er, als sie das Zimmer habe verlassen wollen, die Tür abgeschlossen und sie – wie im Einzelnen festgestellt – vaginal vergewaltigt. Sie habe vor Schmerz geschrien. Das sei ihr besonders unangenehm gewesen, weil die Angeklagte A. und X. sie hätten hören können. Als sie I. B. darauf angesprochen habe, was seine Frau dazu sage, dass er sie vergewaltige, habe er ihr deren Kenntnis hiervon und ihr bestehendes Einverständnis verdeutlicht. Die Vergewaltigungen seien im Wesentlichen gleich gewaltsam abgelaufen. I. B. habe sie während der Vergewaltigungen mit der flachen Hand geschlagen, er habe sie gegen ihren Willen geküsst und sei auch in ihren Mund eingedrungen. Nach den Vergewaltigungen habe sie duschen müssen. In diesem Zusammenhang schilderte die Nebenklägerin Y. ein mit der Nebenklägerin X. geführtes Gespräch über eine Vergewaltigung. Sie habe die Nebenklägerin X., „X.“, gefragt „Macht er das genau selbe mit Dir? Warum schreist Du nicht? Weil ich habe Schmerzen.“ X. habe gesagt „Bei mir dauert nicht so lange. Der vergewaltigt mich ganz kurz und geht wieder raus.“ Auch habe X. ihr gesagt, dass I. B. ihr vorgehalten habe, dass sich die Nebenklägerin Y. „besser bewege“. Sie habe sich jedoch nicht getraut, genauer zu fragen, „wie er mit ihr schläft“.
441Sie sei etwa jede zweite Nacht vergewaltigt worden, manchmal auch täglich. I. B. habe mitunter an einem Abend sowohl X. als auch sie vergewaltigt. Er sei stets gegen ihren erklärten Willen mit seinem Glied in sie eingedrungen und habe sie auch oral vergewaltigt. Dabei habe er sie auf die Oberschenkel geschlagen und an den Haaren gezogen. Der Geschlechtsverkehr habe lange gedauert. Sie vermute, dass er dafür „Pillen“ genommen habe. Der Geschlechtsverkehr sei auch sehr schmerzhaft und mit Verletzungen im Genitalbereich verbunden gewesen, weshalb die Angeklagte A. sie zu einer Frauenärztin gebracht habe. Anschließend sei sie weiter vergewaltigt worden. Sie sei dann weiterverkauft worden, bis sie schließlich von ihrer Familie freigekauft worden sei. Auf der Veranstaltung für die aus IS-Gefangenschaft befreiten Jesidinnen habe sie die Nebenklägerin X. wiedergesehen, aber nicht mit ihr gesprochen, sondern sie nur gegrüßt.
442Sie habe nach ihrer Befreiung von der Stiefmutter von M2 erfahren, dass M2 während ihrer Versklavung im Haushalt von Umm und Abu H1 durch einen Bombenangriff gestorben sei.
443(3) Nebenklägerin Z.
444Die Nebenklägerin Z. hat an neun Verhandlungstagen ausgesagt. Vor dem Überfall des IS habe sie mit ihrem Ehemann, ihren drei Söhnen und zwei Töchtern zusammengelebt. In ihrem Heimatort K. in der Sinjar-Region nahe der syrischen Grenze hätten nur Jesiden gelebt. Sofort nach dem Überfall am 3. August 2014 sei sie durch den IS unter anderem nach K., Tal Afar, Mossul und schließlich auf einen Sklavinnenmarkt nach Palmyra verbracht worden. In ihrer Obhut habe sich ihre zweijährige Tochter befunden. Auf dem Sklavinnenmarkt seien sie und die anderen Frauen zunächst registriert und dann verkauft worden. Der erste IS-Mann, der sie und ihre Tochter erworben habe, habe sie nach etwa zwei Monaten an Abu H2 verkauft, der sie und ihre Tochter dann wiederum an Abu H1 weiterverkauft habe. Bei ihm und „S.“ sei sie etwa zwei Monate gegen ihren Willen gefangen gewesen. Dort sei sie von der Angeklagten A. zur Hausarbeit und Betreuung deren Tochter M4 angehalten worden, bis sie weiterverkauft worden sei. Bis zu ihrer Befreiung vom IS seien ihre Tochter und sie noch mehrfach weiterverkauft und sei sie vielfach vergewaltigt worden. Die Angeklagte A. habe sie ständig grundlos geschlagen und hierzu bemerkt, dass sie eine Sklavin, eine Ungläubige sei. Abu H1 habe sie zuhause und in seinem Quartier, dort auch gemeinsam mit weiteren IS-Mitgliedern, teilweise vor den Augen ihres Kindes vergewaltigt. Die Vergewaltigungen habe die Angeklagte A. mitbekommen und gesagt, „Du bist eine Sabaya und Abu H1 kann machen, was er möchte mit Dir“. Insgesamt sei ihr die Angeklagte A. nicht glücklich, sondern zornig erschienen.
445Ihre weitere, ältere Tochter, die ebenfalls in die Gefangenschaft des IS geraten sei, und über deren und ihr eigenes Schicksal ein Buch erschienen sei, lebe mittlerweile in Frankreich. Vom Schicksal ihrer drei Söhne und ihres Ehemannes habe sie keine Kenntnis.
446bb) Würdigung der Aussagen der Nebenklägerinnen
447Der Senat hält die den Feststellungen zugrunde gelegten Aussagen der Nebenklägerinnen für glaubhaft.
448Der Senat hat besonders in den Blick genommen, dass vor allem angesichts des erheblichen Verfolgungsschicksals, das die Nebenklägerinnen und die jesidische Bevölkerung insgesamt durch den IS erlitten haben, die Möglichkeit besteht, dass ein generelles Rachebedürfnis – gerade auch für das gesamte jesidische Volk – zu bewusst fehlerhaften Angaben oder Übertreibungen der Nebenklägerinnen geführt haben könnte. Ebenso hat der Senat in Betracht gezogen, dass bereits angesichts der Vielgestaltigkeit des Verfolgungsschicksals der Nebenklägerinnen unbewusste Fehlübertragungen ähnlich gelagerter, tatsächlich erlittener Taten anderer IS-Mitglieder geschildert und fälschlich der Angeklagten A. zugeschrieben worden sein könnten. Der Senat sah sich zudem veranlasst, sich mit der jeweiligen Aussageentstehung und insoweit mit gegebenenfalls vorhandenen Widersprüchen zu vorherigen Angaben gegenüber Dritten in besonderem Maße auseinanderzusetzen. Zur Frage der Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin Z. hat der Senat ein Sachverständigengutachten des Sachverständigen Z36 eingeholt.
449Insbesondere vor dem Hintergrund der Detailliertheit und Übereinstimmung der Angaben untereinander, aber auch der Korrespondenz mit weiteren Beweismitteln hat der Senat im Ergebnis keine durchgreifenden Zweifel an der Glaubhaftigkeit der den Feststellungen zugrunde gelegten Angaben der Nebenklägerinnen. Allerdings erachtet der Senat deren teilweise vagen und in weiten Teilen (nachvollziehbar) stark emotionalen Angaben zur konkreten Art und Häufigkeit der erfolgten Körperverletzungshandlungen und erlittenen Sexualgewalt nicht für hinreichend belastbar, um hierauf – auch nicht im Wege einer Schätzung – über die festgestellten Umstände hinausgehend weitergehende Feststellungen zu stützen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
450(1) Die Angaben der Nebenklägerinnen X., Y. und Z. zum Angriff des IS auf die Sinjar-Region und über ihr weiteres individuelles Schicksal, wonach sie vom IS infolge des Angriffs in der von ihnen geschilderten Weise gefangengenommen, verschleppt und versklavt wurden, fügen sich jeweils nahtlos in die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Z2 sowie in die Ergebnisse der angeführten polizeilichen Auswertungsvermerke zum Angriff des IS auf die Jesiden in der Sinjar-Region ein.
451Ihre jeweiligen Berichte beschränkten sich insbesondere nicht auf Angaben, die den Medien oder Veröffentlichungen internationaler Organisationen hätten entnommen werden können, sondern enthielten jeweils eine Fülle von Einzelheiten, die mit der eigenen persönlichen Situation verbunden waren. Alle Nebenklägerinnen haben detailliert den Überfall auf ihr Dorf, die Trennung von konkret bezeichneten Familienmitgliedern und die Stationen der weiteren Gefangennahme und Verschleppung durch den IS geschildert. Sie haben jeweils Angaben zum Schicksal der sich in ihrer Begleitung befindlichen Verwandten gemacht. Die Nebenklägerin X. hat etwa angegeben, ihren jüngeren Bruder zu ihrem eigenen Schutz als ihren Sohn ausgegeben zu haben; die Nebenklägerin Y. hat bekundet, ihren jungen Neffen bei sich behalten und als ihren Sohn deklariert zu haben, bis er ihr von dem ersten IS-Mann, der sie gekauft habe, weggenommen worden sei. Die Nebenklägerin Z. hat wiederum die Anwesenheit ihrer zweijährigen Tochter während der Zeit ihrer Gefangenschaft eindrücklich geschildert. Sowohl der Bruder der Nebenklägerin X. als auch die Tochter der Nebenklägerin Z. finden wiederum Erwähnung in der Einlassung der Angeklagten A., die ihr – letztlich erfolgreiches – Bemühen um die Organisation eines Treffens der Nebenklägerin X. mit ihrem Bruder und die Anwesenheit der Tochter der Nebenklägerin Z. in ihrem Haushalt ebenfalls schilderte. Dagegen, dass die Nebenklägerinnen das Verfolgungsgeschehen erfunden haben könnten, sprechen auch die ausführlichen Schilderungen der Besonderheiten ihrer verschiedenen „Sklavenhalter“ und der Einzelheiten dessen, was ihnen dort jeweils wiederfahren ist. Dabei waren die von ihnen geschilderten Abläufe von unterschiedlichen Komplikationen und individuellen Verläufen geprägt.
452(2) Für die Richtigkeit der Darstellungen der Nebenklägerinnen spricht die hohe Detaildichte ihrer Angaben zum festgestellten unmittelbaren Tatgeschehen, aber insbesondere auch zum Randgeschehen, so dass es zwar theoretisch denkbar erscheint, indes nach dem Dafürhalten des Senats fernliegt, dass die Nebenklägerinnen ihre Aussage erfunden oder wesentlich übertrieben haben könnten. Die Nebenklägerinnen konnten insbesondere auch angeben, woher ihre jeweiligen Detailkenntnisse stammen oder aus welchen Gründen ihnen nähere Angaben zu bestimmten vereinzelten Umständen nicht möglich waren. Für die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerinnen X. und Y. gilt zudem, dass sie Situationen, an denen die Angeklagte nach ihrer Aussage beteiligt war, in einer Weise geschildert haben, die eine Überprüfung durch weitere Zeugen ohne weiteres ermöglicht. Schließlich vermochten die Nebenklägerinnen vermeintliche Brüche in der Aussagekonstanz nachvollziehbar zu begründen.
453(3) Die Nebenklägerin X. hat etwa die Erstbegegnung mit der Angeklagten A. ausführlich und lebensnah beschrieben. Diese hätte im Beisein von I. B. und deren Sklavin M1 bei dem Sklavenhändler Abu H2, bei dem sie zu der Zeit aufhältig gewesen sei, stattgefunden. Während M1 ihr bei diesem Anlass mitgeteilt habe, dass Abu H1 sie kaufen wolle, habe Umm H1 alle Mädchen aufgefordert, den Raum zu verlassen, damit I. B. sie habe begutachten können. Umm H1, die selbst anwesend geblieben sei, habe Arabisch gesprochen. Sie, die Nebenklägerin, habe gegenüber der Angeklagten A. ausdrücklich geäußert, nicht erneut gekauft werden zu wollen, weil sie nicht wieder vergewaltigt werden wolle. Daraufhin habe die Angeklagte A. ihr gesagt, dass es eine Sünde sei, etwas Derartiges zu sagen; wenn IS-Männer eine jesidische Sklavin kauften, entspräche es der islamischen Religion, sie auch vergewaltigen zu dürfen. Beide, die Angeklagte A. und Abu H1, hätten ihr zudem versichert, dass sie nicht weiterverkauft würde, wenn sie die Hausarbeit erledige und I. B. sexuell zur Verfügung stehe. Erst am nächsten Tag oder zwei Tage später habe Abu H2 dann sie und M8, eine weitere Jesidin, zu Umm und Abu H1 gebracht und gesagt, dass Abu H1 sich eine der beiden Frauen aussuchen solle. Man habe letztlich sie ausgewählt, während M8 nach einigen Tagen in das Haus des Abu O. gebracht worden sei.
454Die Nebenklägerin X. vermochte ausführliche Angaben zu den einzelnen Wohnungen der Familie, etwa zu deren Grundrissen, dem vorhandenen Mobiliar sowie zur Wohnsituation zu machen. Sie hat unter anderem präzise geschildert, in welcher Form die Fenster und Türen jeweils verschlossen gewesen seien, so dass sie nicht habe fliehen können, und inwiefern für die Angeklagte und I. B. jeweils vor Ort Zugriff auf das Internet bestanden habe. Sie konnte zudem – auch im Rahmen ihrer Befragung durch den Sachverständigen Z2 – konkrete Angaben zu einer Vielzahl von Kontakten der Angeklagten A. und I. B.s in Syrien tätigen. Die Angeklagte A. habe oft – durch die Nebenklägerin im Einzelne beschriebene und bezeichnete – IS-Frauen zu Besuch bekommen, die sich untereinander mit ihren „Umm-Namen“ angesprochen hätten. Es sei dabei Deutsch gesprochen worden, was sie zwischenzeitlich beurteilen könne. Sie, die Nebenklägerin X., habe die Frauen bedienen müssen. I. B. sei zudem häufig von durch die Nebenklägerin im Einzelnen benannten IS-Männern aufgesucht worden, die in seinem Warenlager Ausrüstungsgegenstände ausgewählt hätten. I. B. sei gelegentlich mehrere Wochen weg gewesen; dann sei eine Freundin der Angeklagten A. namens Umm S. eingezogen.
455Die Nebenklägerin X. hat eingehend zur Tochter M4, zur Schwangerschaft der Angeklagten A. mit der zweiten Tochter M5, zu deren Geburt und zur anschließenden Betreuung dieses Kindes durch sie sowie zum späteren Tod M2s berichtet.
456(a) Individuelle Besonderheiten enthielt insbesondere auch die Schilderung der Umstände ihrer ersten Vergewaltigung durch I. B. sowie der weiteren Vergewaltigung anlässlich des Opferfestes im Jahr 2016.
457Der Senat konnte allerdings keine bestimmte Anzahl hinreichend konreter weiterer Vergewaltigungen feststellen. Die Nebenklägerin vermochte die Anzahl der insgesamt erlittenen Vergewaltigungen lediglich pauschal zu beziffern („mehr als 100 Mal“). Ihre insoweit (nachvollziehbar) emotionale Darstellung beruhte ersichtlich nicht auf einer belastbaren numerischen Erfassung des Geschehens, sondern enthielt lediglich eine nicht auf bestimmbare Einzelfälle bezogene Beschreibung – grundsätzlich glaubhaft dargestellter – weiterer Tatabläufe. Allerdings hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass es zu einer Vielzahl ähnlicher, jedoch nicht näher konkretisierbarer sexueller Übergriffe gekommen ist.
458Eine belastbare Schätzung – etwa anhand einer „mathematischen Hochrechnung“ – war dem Senat auch deshalb nicht möglich, weil diese von vielfältigen weiteren Umständen abhing, welche die Nebenklägerin X. im Einzelnen glaubhaft schilderte, so insbesondere, ob sie ihre Regel hatte, was zu einem Verzicht auf sexuelle Handlungen führte, I. B. – aus unterschiedlichen Gründen, etwa für Kampfeinsätze oder Wachdienste – länger abwesend war, oder aber eine andere Sklavin – namentlich die Nebenklägerin Y. – sexuell bevorzugte und sie selbst daher zeitweilen weniger häufig sexuell belangte.
459(b) Die Nebenklägerin X. hat zudem die allgemeinen Anlässe für körperliche Gewalt durch die Angeklagte und als beispielhafte Vorfälle die festgestellten sechs Körperverletzungshandlungshandlungen der Angeklagten A. näher geschildert. Soweit sie den festgestellten Vorfall anlässlich des Opferfestes beschrieben hat, hat die Angeklagte A. selbst bestätigt, dass es einen körperlichen Vorfall („geschubst und angeschrien“) bei dieser Gelegenheit gegeben hat.
460Eine darüber hinausgehende Konkretisierung der erlittenen Körperverletzungen war auf Grundlage der insoweit (nachvollziehbar) emotionalen und nicht im Sinne einer belastbaren numerischen Erfasssung und im Übrigen vagen Angabe der Nebenklägerin, wegen ähnlicher Vorfälle regelmäßig, etwa jeden zweiten Tag von der Angeklagten geschlagen worden zu sein, nicht möglich. Auch eine Schätzung der Anzahl der über die sechs bezeichneten Vorfälle hinausgehenden Gewalthandlungen schied mangels hierfür bestehender geeigneter Schätzungsgrundlage aus.
461(c) Für die gesamte Aussage der Nebenklägerin X. gilt im Übrigen, dass die Zeugin spontan und plausibel angeben konnte, woher ihre jeweiligen Detailkenntnisse stammen. So konnte sie etwa nachvollziehbar erläutern, woher sie die nicht in Syrien aufhältigen Verwandten der Angeklagten A. und I. B.s, nämlich die Schwester und den Vater der Angeklagten A. sowie die Angeklagte C. kannte. Mit ihrem Vater und ihrer Schwester T., deren Namen die Nebenklägerin X. zu benennen wusste, habe die Angeklagte A. per Laptop kommuniziert. Dies habe sie mitbekommen, weil sie sich im selben Raum befunden habe und sie die auf Arabisch geführten Gespräche habe verfolgen können. Abu G1 habe ihr Fotos und Videos von seiner Mutter, der Angeklagten C., auf seinem Handy gezeigt. Deshalb erkenne sie die Angeklagte C. auch als die Mutter von Abu H1 wieder. Den bürgerlichen Namen der Angeklagten habe sie herausgefunden, als sie diese zum Frauenarzt begleitet und einen Blick in ihre Tasche habe werfen können, wo sich ein Ausweisdokument befunden habe. Ihren „richtigen“ Namen hätten „Daesch-Leute“ aus Sorge vor späterer Verfolgung regelmäßig nicht verraten.
462Genauso konnte die Nebenklägerin X. plausibel erläutern, aus welchen Gründen ihr nähere Angaben zu bestimmten Umständen nicht möglich waren. Dies gilt etwa für die konkrete terminliche Benennung des Zeitraumes ihres Aufenthaltes bei der Angeklagten A.. Dies begründete sie zum einen mit der ihr nahezu fehlenden Schulbildung und zum anderen damit, dass sie während ihrer Gefangenschaft keinen Zugriff auf ein Handy oder einen Kalender gehabt habe. Eine Orientierung an den jesidischen Feiertagen sei ihr nicht möglich gewesen, weil diese zum Teil flexibel seien und sie zudem stets Angst gehabt habe, dieser zu gedenken oder über diese zu reden. Hingegen vermochte sie den Anfang ihres Aufenthaltes bei der Angeklagten A. anhand sonstiger äußerer Umstände, nämlich der Schwangerschaft der Angeklagten, festzumachen. Diese habe ihr etwa einen Monat nach ihrer Ankunft dort berichtet, dass ihre Periode ausgeblieben sei. Bis zum siebten oder achten Lebensmonat M5s sei sie bei der Angeklagten geblieben. Dass sie sich an bestimmte erfragte Einzelheiten, etwa daran, welche Elektrogeräte sie bei der Flucht bei sich geführt habe, nicht mehr erinnern konnte, begründete sie nachvollziehbar mit der Dauer der Gefangenschaft und der Vielzahl der Erlebnisse während dieser Zeit. Teilweise habe sie Umstände vergessen. Sie könne sich nicht verlässlich an sämtliche Details erinnern.
463(d) Für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht weiter, dass die Nebenklägerin X. die Situationen, an denen die Angeklagte nach ihrer Aussage beteiligt war, in einer Weise geschildert hat, die eine Überprüfung durch weitere Zeugen ohne weiteres ermöglicht. Zeitgleich mit ihr hätten sich die Nebenklägerin Y. („Y.“), M8 und M1 im Haushalt der Angeklagten A. und I. B.s aufgehalten. Von ihrer Vergewaltigung habe jedenfalls auch Y. Kenntnis gehabt. Y. und M1 seien – ebenso wie sie – von I. B. vergewaltigt worden. Dass vor ihr zwei jesidische Frauen, nämlich Z. und M7 als Sklavinnen gehalten worden seien, habe sie von der Angeklagten A. selbst erfahren.
464Wäre es der Nebenklägerin darum gegangen, die Angeklagte mit einem erfundenen oder übertragenen Sachverhalt absichtlich zu Unrecht zu belasten, hätte es angesichts des damit verbundenen Entdeckungsrisikos näher gelegen, keine gleichzeitige Wahrnehmung diverser belastender Umstände durch Dritte und die Einzelheiten des Vorgehens gegenüber Dritten anzugeben.
465(e) Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben ergeben sich auch nicht ob einer durch die Nebenklägerin verschwiegenen oder wahrheitswidrig verneinten partnerschaftlichen Beziehung zu E. Y. B., wie die Verteidigung der Angeklagten A. bei der Befragung der Nebenklägerin unterstellt hat. Die Nebenklägerin hat hierzu angegeben, eine partnerschaftliche Beziehung zu E. Y. B. habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. „Abu G1“ habe ihr gegenüber nie davon gesprochen, sie heiraten zu wollen. Sie selbst habe sich deshalb vorstellen können, „Abu G1“ zu heiraten, um nicht weiterverkauft zu werden. Das Leben als „Sabaya“ habe nur aus „Handeln, Verkaufen, Kaufen“ bestanden. Ein „Syrer“, bei dem sie zuvor gewesen sei, habe sie massiv geschlagen, auch damit sie ihn heirate. Dies habe sie aber nicht. Sie habe immer nur von ihm weglaufen wollen. Als sie danach gesehen habe, wie das Leben als „Sabaya“ nur aus „Kaufen und Verkaufen“ bestanden habe und sie als Diener existierten, habe sie keine Lust mehr auf ein solches Leben gehabt. Auch deswegen habe sie E. Y. B., obwohl sie durch ihn vergewaltigt und geschlagen worden sei, gefragt, „Wenn du mich vergewaltigst, warum heiratest du mich nicht?“, woraufhin dieser geantwortet habe, er heirate keine Sklavin. „Du bist Sabaya. Wir können auch verkaufen“.
466Der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben steht insbesondere nicht entgegen, dass auf den beschlagnahmten Medien von E. Y. B. ein die Nebenklägerin X. berücksichtigendes „Testament“ aufgefunden wurde. Gleichzeitig hebt E. Y. B. hierin nämlich ausdrücklich hervor, dass „X.“ in seinem Todesfall „freizulassen“ sei, und umschreibt damit gerade ihren fortbestehenden Status als Sklavin. Soweit auf einem Datenträger E. Y. B.s befindliche Lichtbilder aus dem Jahr 2017 die Nebenklägerin X. in äußerlich gelöst erscheinender Stimmung bei der Verrichtung häuslicher Tätigkeiten abbilden, hat diese plausibel erläutert, sie sei jahrelang bei der Familie als Sklavin gewesen. Wenn es mal etwas zum Lachen gegeben habe, habe sie auch gelächelt. „Egal, was einem passiert, irgendwann lacht oder lächelt ein Mensch“.
467Dass insbesondere während der gemeinsamen Flucht eine Form von Nähebeziehung zwischen der Nebenklägerin X. und E. Y. B. bestanden haben kann, begründet im Übrigen keinen Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer durch weitere Beweismittel gestützten belastenden Aussage zu den vorgehenden Zeiträumen im Haushalt der Angeklagten A. und I. B.s; insbesondere ergibt sich hieraus kein Motiv für eine Falschbelastung.
(g) Durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin X., weil sie im Irak zu einem maßgeblichen Punkt ihrer Aussage in der Hauptverhandlung widersprechende Angaben gemacht hätte, hat der Senat ebenfalls nicht. Die Nebenklägerin X. ist im Irak von der Hilfsorganisation „Yazda“, die unter anderem um eine Dokumentation des Verfolgungsschicksals der Jesiden bemüht ist, insgesamt vier Mal befragt worden. Dabei fanden, wie die Nebenklägerin jeweils bestätigte und wie sich aus den Gesprächsaufzeichnungen ergab, zunächst zwei von Mitarbeiterinnen der Organisation protokollierte Gespräche am 18. Dezember 2017 und 14. Januar 2018 statt. Zwei weitere Interviews mit der Zeugin am 16. Januar und 30. April 2018 wurden auf Video aufgezeichnet. Bei dem im April 2018 aufgenommenen Video waren die Angeklagte A. und I. B. nicht Gegenstand der Befragung. Hinsichtlich des kurz nach ihrer Befreiung geführten eher kurzen Gesprächs am 18. Dezember 2017 gab die Nebenklägerin an, dass es sein könne, dass dort ebenfalls durch Yazda gefilmt worden sei, sie wisse es aber nicht mehr.
469Sowohl in dem – kurzen – Gespräch am 18. Dezember 2017 als auch in der ausführlichen Videobefragung durch Yazda-Mitarbeiter am 16. Januar 2018 hatte die Nebenklägerin X. hingegen, wie sie auf Vorhalt der angefertigten Übersetzungen bestätigte, angegeben, sie sei von der Angeklagten und I. B. „gut“ behandelt worden. Die Angeklagte habe sexuelle Übergriffe durch I. nicht zugelassen und sich auch sonst teilweise für die Belange der Sklavinnen eingesetzt. In diesem Zusammenhang hat die Nebenklägerin auf Vorhalt bestätigt, in der Videobefragung vom 16. Januar 2018 ausgeführt zu haben, dass die Frauen der Migranten beim IS besser zu den Sklavinnen gewesen seien als die Irakerinnen oder Syrerinnen. Die Frauen der Einwanderer hätten zu ihnen gesagt: „Euch, den Jesiden, das anzutun, war nicht menschlich“. In Europa existierten alle Religionen nebeneinander und keiner störe sich am anderen. In dem nicht auf Video aufgezeichneten Interview vom 14. Januar 2018 hatte sie dagegen die Umstände ihrer Behandlung im Wesentlichen so geschildert wie in der Hauptverhandlung, was mit der Nebenklägerin unter Vorhalt ihrer dortigen Angaben nachvollzogen werden konnte.
470Auf Vorhalt der abweichenden Angaben hat die Nebenklägerin erklärt, sie habe bei Videoaufzeichnungen Angst gehabt, dass das Video veröffentlicht werde und sich bei wahrheitsgemäßer Darstellung nachteilige Folgen zum einen für noch in Gefangenschaft des IS befindliche Verwandte ergäben oder zum anderen auch für sie selbst. Denn sie habe befürchtet, dass I. B. und die Angeklagte Kontakte zu Personen in dem Flüchtlingslager hätten, in welchem sie sich im Zeitpunkt der Befragung aufgehalten habe. Die Hervorhebung der guten Behandlung durch die Europäerinnen sei erfolgt, weil sie über die Angeklagte A. und I. B. viele Europäer gekannt und sie auch von diesen nachteilige Folgen für sich und ihre Familie befürchtet habe. Dass sie im Gegensatz hierzu beim ersten Interview am 18. Dezember 2017 die sehr schlechte Behandlung durch den Sklavenhalter A. L. ausdrücklich erwähnt habe, habe daran gelegen, dass sie von dessen Tod gewusst und keine Sorge gehabt habe, dass dessen Verwandte oder Bekannte ihr Aussageverhalten sanktionieren würden. Unabhängig davon habe sie sich geschämt, vor einer Videokamera im Einzelnen über das zu berichten, was „die mit ihr gemacht“ hätten.
471Insgesamt führte die Nebenklägerin die – von ihr eingeräumten – unterschiedlichen Angaben gegenüber der Organisation Yazda nach dem Dafürhalten des Senats damit auf nicht unplausible Erklärungen zurück.
472Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie bei ihrer vorhergehenden Vernehmung durch den Generalbundesanwalt die ihr vorgehaltenen Angaben, welche ihre Behandlung durch die Angeklagte A. und I. B. in einem positiveren Licht erschienen ließen, zunächst als mutmaßliche „Übersetzungsfehler“, Fehlverständigung oder mögliches Resultat technischer Schwierigkeiten und der darauf beruhenden mehrfachen Wiederholung des Interviewvorgangs bezeichnete. Im weiteren Verlauf dieser Vernehmung stellte die Nebenklägerin nämlich – ihren Angaben in der Hauptverhandlung entsprechend – ausdrücklich klar, dass sie sich kurz nach ihrer Befreiung sehr dafür geschämt habe, zu berichten, was ihr widerfahren sei. Sie habe das Vertrauen zu Yazda teilweise noch nicht gehabt. Es sei daher möglich, dass manche Sachen „falsch“ aufgenommen worden seien. Es habe dabei eine Rolle gespielt, dass sich Familienangehörige von ihr noch in der Gefangenschaft des IS befunden hätten. Diese hätten nicht gefährdet werden sollen. Die Organisationen hätten Videos gemacht, die vielleicht im Internet veröffentlicht werden sollten. Sie habe mit solchen Veröffentlichungen selbst schlechte Erfahrungen gemacht, als ihr in der Gefangenschaft von A. L. ein Foto ihrer Mutter gezeigt worden sei, welche aus Tal Afar geflüchtet sei.
(h) Unergiebig waren insoweit hingegen die Angaben der – durch den Senat (zum Zeitpunkt der Befragung nicht rechtskräftig) unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung am IS verurteilten – Zeugin J.. Die Zeugin gab an, dass sie nicht beurteilen könne, ob es der Nebenklägerin X. im Haushalt der Angeklagten und I. B.s gut gegangen sei. Über die Behandlung der versklavten Frauen im Haushalt der Angeklagten A. und Vergewaltigungen der Sklavinnen durch I. B. habe sie keinerlei Kenntnisse („Dazu, was zwischen deren vier Wänden passiert ist, kann ich nichts sagen.“). Über die Versklavung jesidischer Frauen habe sie mit der Angeklagten A. nie gesprochen, weswegen sie deren Haltung dazu nicht beurteilen könne. Dieses Thema sei tabu gewesen. Dasselbe habe für die Beziehung der Angeklagten A. zu I. B. gegolten, die auch nicht näher thematisiert worden sei. Die Angeklagte A. und I. B. hätte sie als „normales Paar“ wahrgenommen.
474(4) Die Nebenklägerin Y. schilderte ebenfalls insbesondere zentrale Ereignisse, wie ihre erste Begegnung mit der Angeklagten A. und das – entsprechend festgestellte – Geschehen der ersten Vergewaltigung durch I. B. und der Gewalthandlungen der Angeklagten A. anlässlich des durch sie getragenen Schleiers, aber auch eine Vielzahl von Umständen des Randgeschehens ihres Aufenthalts bei der Angeklagten A. detailreich und lebensnah.
475Auch zu den familiären und finanziellen Hintergründen der Angeklagten A. und I. B.s verfügte die Nebenklägerin Y. über Detailwissen und vermochte ihre Erkenntnisquellen zu benennen. So hätten ihr Abu H1 und Abu G1 Fotos von ihrer Mutter, der Angeklagten C., gezeigt, weswegen sie diese im Sitzungssaal auch wiedererkenne. Die Angeklagte A. habe ihr erzählt, dass ihre Mutter psychisch krank sei. Die Angeklagte habe nach ihrer Darstellung bereits in Deutschland Sympathie für den Islam entwickelt und dort entschieden, sich dem Jihad anzuschließen. Von diesen Plänen habe ihre Schwester gewusst, die sie dabei unterstützt habe. In Syrien habe die Angeklagte C. auf eine Heirat mit I. B. gedrängt. Die Nebenklägerin X. habe ihr erzählt, dass die Angeklagte A. mit richtigem Namen S. heiße. Von ihrer Schwiegermutter habe S. regelmäßige finanzielle Unterstützung erhalten. Die Angeklagte A. habe ihr eigenes Geld gehabt und auch Pakete mit Kleidung für sich und die Töchter aus Deutschland erhalten.
476Als besonders anschaulich und lebensnah erwiesen sich etwa auch die Angaben der Nebenklägerin über die Beziehung der Angeklagten A. zu I. B.. Diese habe sie als harmonisch empfunden. I. B. habe die Angeklagte A. in ihrer Gegenwart nie geschlagen, beide hätten sich sehr gut verstanden, sie hätten sich nicht gestritten. Dass beide fröhlich gewesen seien, habe sie, da sie die beiden, die miteinander Deutsch gesprochen hätten, nicht verstanden habe, deren Gesichtern entnehmen können. Beide hätten sich gegenseitig mit „Schatz“ angesprochen. Auf die Bedeutung dieses ihr nicht bekannten Wortes angesprochen, habe die Angeklagte A. ihr erklärt, dass diejenigen, die sich mögen würden, sich so ansprächen. Dass sich I. B. und die Angeklagte A. tatsächlich mit „Schatz“ angesprochen haben, hatte auch die Nebenklägerin X. – ebenfalls ohne die deutsche Bedeutung des Wortes zu kennen – spontan bekundet.
477Für die Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin Y. spricht weiter, dass sie die Angeklagte A. an verschiedenen Punkten nicht belastete, obwohl es ihr leicht möglich gewesen wäre. Dies gilt etwa, soweit die Nebenklägerin angegeben hat, lediglich einmal von der Angeklagten A. geschlagen worden zu sein. Die Frage nach einem Waffenbesitz der Angeklagten A. hat sie verneint und ausgeführt, dass die Angeklagte zwar Pakete erhalten habe, diese aber, wie sie beobachtet habe, keine Waffen, sondern Kleidung enthalten hätten. Daran, ob die Angeklagte A. einen Sprengstoffgürtel oder eine Sprengstoffweste getragen habe, könne sie sich nicht erinnern. Auf den Vorhalt, sie habe in einer zuvor in einer von der Opferschutzorganisation „Back to Life“ (Action Yazidis) am 3. Dezember 2019 im Irak durchgeführten Videovernehmung angegeben, gesehen zu haben, dass die Angeklagte A. eine solche Weste getragen habe, wenn sie mit dem Fahrzeug rausgefahren sei, hat sie dargelegt, sich angesichts der Vielzahl der Ereignisse weder an einen Waffenbesitz der Angeklagten A. noch an eine diesbezügliche Angabe bei einer Befragung erinnern zu können.
478Schließlich unterlagen die Angaben der Nebenklägerin Y. einer für die Zeugin offensichtlichen Überprüfungsmöglichkeit durch weitere Zeugen. Ihr war zum Zeitpunkt ihrer Aussage insbesondere auch bekannt, dass die Nebenklägerin X. als weitere Zeugin in Deutschland vor Ort war und zur Überprüfung ihrer Angaben zur Verfügung stand, auch wenn beide in Deutschland vor ihren Vernehmungen keinen Kontakt zueinander hatten.
479Der Senat ist allerdings angesichts des Umstandes, dass die Nebenklägerin lediglich die erste Vergewaltigung detailliert schildern konnte und im Übrigen die genauen Abläufe und eine konrete Anzahl der weiteren – nach den glaubhaften Angaben der Nebenklägerin vergleichbaren – sexuellen Übergriffe nicht benennen konnte, von einer konkretisierbaren Tat und im Übrigen von einer nicht näher zu benennenden Anzahl von regelmäßigen weiteren sexuellen Übergriffen ausgegangen. Auch insoweit konnte der Senat aufgrund der weiteren durch die Nebenklägerin Y. glaubhaft mitgeteilten Umstände, dass insbesondere während der Regelzeiten der Nebenklägerin und bei Abwesenheiten des I. B. sowie in bestimmten weiteren Sondersituationen keine Vergewaltigungen stattfanden, eine konkrete Zahl weiterer Vergewaltigungen nicht schätzen.
480(5) Die Nebenklägerin Z. hat die Angeklagte A. als Umm H1 bzw. S., in deren Haushalt sie sich aufgehalten habe, identifiziert. Sie hat die Geschehnisse im Haushalt der Angeklagten A. und I. B.s, was die nach der erfolgten Verfolgungsbeschränkung allein in Rede stehende Vorwürfe der Versklavung und Freiheitsberaubung als solche betrifft, glaubhaft geschildert. Hingegen waren die Angaben der Nebenklägerin zu den einzelnen Umständen ihrer Behandlung sowie der ihrer Tochter oft pauschal, detailarm und nach der Art ihrer Darstellung schwer nachvollziehbar.
481Durchgreifende Zweifel an der generellen Aussagetüchtigkeit der Zeugin bestehen im Ergebnis jedoch nicht. Zwar hat diese auf Nachfrage nach körperlichen oder seelischen Folgen ihrer Erlebnisse zunächst bekundet, jedes Mal, wenn sie sich an die Ereignisse erinnern müsse, an Atemnot zu leiden und deswegen in psychologischer Behandlung zu sein. Sie nehme Antidepressiva ein. Ferner hat sie einerseits angegeben, sie sei in ihrer Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit sehr beeinträchtigt, andererseits aber bekundet, sie könne sich an die Geschehnisse erinnern und werde diese nicht vergessen. Der Zeugin wurden im Rahmen der Vernehmung zudem zwei Lichtbilder von I. B. – der Dateibezeichnung nach aus dem Jahr 2017 – gezeigt. Auf einem Lichtbild hat sie I. B. nicht wiedererkannt, zu dem anderen Foto, das I. und seinen Bruder E. Y. B. zeigt, gab sie an, „die“ gesehen zu haben, sie seien auch zu dem „Quartier“ gekommen, in dem sie teilweise unter Beteiligung von Dritten und teilweise in Anwesenheit ihrer kleinen Tochter von I. B. vergewaltigt worden sei.
482Dass die Nebenklägerin – etwa infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung – in ihren kognitiven Fähigkeiten so eingeschränkt ist, dass sie nicht in der Lage ist, wahrheitsgemäß über einen vorangegangenen Geschehensverlauf zu berichten, hat sich indes nicht ergeben. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des im Verlauf der Hauptverhandlung eingeholten Sachverständigengutachtens zur Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin Z. fest. Der Sachverständige Z36, anerkannter Experte auf dem Gebiet der Nervenheilkunde, Neurologie und forensischen Psychiatrie, der dem Senat aus verschiedenen Verfahren bekannt ist und an dessen Fachkunde keine Zweifel bestehen, hat nach ausführlicher Exploration der Nebenklägerin ausgeführt, dass diese zwar tatsächlich unter einer posttraumatischen Belastungsstörung von derzeit noch leichter Ausprägung leide, sich bei ihr aber keine Anhaltspunkte für eine psychopathologisch begründbare Einschränkung ihrer Aussagetüchtigkeit feststellen ließen. Die Grundvoraussetzungen adäquater Situationswahrnehmung, die Speicherung über einen längeren Zeitraum, ein angemessenes Quellenmonitoring sowie der weitgehend selbständige Abruf von Erinnerungen seien nicht beeinträchtigt. In der Explorations- und Untersuchungssituation sei die Nebenklägerin in der Lage gewesen, eine nachvollziehbare Schilderung zu produzieren, sich sprachlich differenziert und detailliert darzustellen und sowohl psychisch belastende als auch neutrale Anteile der Erinnerung im situativen Kontext psychischer Belastung mitzuteilen. Es hätten bei ihr zudem keine Anhaltspunkte für eine besonders inszenierende Darstellungstendenz vorgelegen.
483Zweifel an der Glaubhaftigkeit der den Feststellungen zugrunde gelegten – mit weiteren Beweismitteln übereinstimmenden – Angaben der Nebenklägerin Z. ergeben sich auch nicht wegen etwaiger Diskrepanzen ihrer Angaben zu dem Inhalt des Buches „Pp.“. Über die Gefangenschaft der Nebenklägerin und ihrer mittlerweile erwachsenen Tochter R. D. I. durch den IS haben die Journalisten A.H. und A.M. 2018 das Buch „Pp.“ in französischer Sprache herausgegeben. Der Senat hat die die Nebenklägerin betreffenden Teile des Buches übersetzen lassen und in die Hauptverhandlung eingeführt. Vorab hatten die Journalisten die Nebenklägerin Z., wie diese berichtete, im Irak befragt. Auf Vorhalt, dass in dem Buch weder die Angeklagte A. bzw. „S.“ oder Umm H1 noch Abu H1 namentlich genannt würden, hat die Nebenklägerin Z. nachvollziehbar erläutert, sie habe den Journalisten alles erzählt, was sie erlebt habe, mit Ausnahme einiger Vorfälle, wegen derer sie sich geschämt habe. Sie habe beispielsweise nicht berichtet, dass einige Männer vor der Vergewaltigung Pillen eingenommen hätten und sie im dort bezeichneten „Hauptquartier“ von mehreren Männern gleichzeitig vergewaltigt worden sei. Sie habe den Journalisten auch über die Angeklagte A. und I. B. und das Geschehen in deren Haushalt berichtet. Es sei jedoch nicht geplant gewesen, ein Buch über diese zu schreiben. Was die Journalisten letztlich verwertet hätten, wisse sie überdies nicht. Vom Inhalt des Buches habe sie nie Kenntnis erlangt, da sie nicht lesen könne und das Buch auch nicht vorgelesen bekommen habe. Für die Richtigkeit ihrer Angabe, den Journalisten auch über ihre Erlebnisse bei der Angeklagten A. und I. B. berichtet zu haben, gleichsam für die mangelnde Sorgfalt der journalistischen Erfassung der berichteten Umstände, spricht, dass I. B. („Abu H1“) und dessen (schlechte) Behandlung der Nebenklägerin in dem Buch offensichtlich unter dem Namen „Abu Q.“ beschrieben wird. Dass es sich bei „Abu Q.“ um I. B. handeln könnte, hat die Zeugin Z22, die als wissenschaftliche Analystin beim Bundeskriminalamt mit der Auswertung des Buches beauftragt war, nachvollziehbar anhand der Beschreibung des Mannes als einem Türken, der verheiratet war und eine kleine Tochter von sieben Monaten hatte, und der phonetischen Ähnlichkeit der Namen hergeleitet.
484Zudem handelt es sich bei dem Buch „Pp.“ von Aufbau und Inhalt her nicht um ein dokumentarisches Werk, so dass Abweichungen des Buchinhalts von den durch weitere Beweismittel und in wesentlichen Umständen auch durch die Einlassung der Angeklagten selbst bestätigten Angaben der Nebenklägerin Z. für sich gesehen keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer den Feststellungen zugrunde gelegten Angaben wecken.
485Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin Z. zu ihrer Gefangenschaft bei der Angeklagten A. und I. B. ergeben sich schließlich auch nicht daraus, dass sie im Irak gegenüber der Organisation Yazda diesen Umstand, wie die Zeugin bestätigte, als solches nicht erwähnte. Denn den dortigen Aufenthalt der Nebenklägerin als Sklavin hat die Angeklagte A. selbst eingeräumt; dieser wird zudem durch die Angaben der weiteren Nebenklägerinnen bestätigt.
486(6) Die Angaben der Nebenklägerinnen X. und Y., die sich auch nach der Einlassung der Angeklagten A. zeitweise gemeinsam in deren Haushalt aufhielten, stimmen, soweit die Ereignisse Gegenstand der Wahrnehmung beider Zeuginnen waren, in allen wesentlichen Punkten und in einer Vielzahl von Besonderheiten auch zum Randgeschehen überein.
487So bekundeten etwa die Nebenklägerinnen X. und Y. übereinstimmend, dass die Angeklagte A. nicht eingeschritten sei, wenn I. B. sie vergewaltigt habe, obwohl ihr dies durchaus möglich gewesen wäre, denn in der häuslichen Beziehung mit I. B. habe die Angeklagte die Entscheidungen getroffen und habe sein Vorgehen daher jederzeit unterbinden können. Sie habe „die Hosen an gehabt“ bzw. sei „die Herrin im Haus“ gewesen.
488Die Nebenklägerinnen X., Y. und Z. haben das Verhältnis der Angeklagten A. zu I. B. – wie bereits ausgeführt („Schatz“) – übereinstimmend als liebevoll und harmonisch beschrieben. Körperliche Auseinandersetzungen zwischen ihnen seien nicht zu beobachten gewesen. Übereinstimmend gaben die Nebenklägerinnen zudem an, dass die Angeklagte A. die Sklavenhaltung und die Vergewaltigung der Frauen ihnen gegenüber damit gerechtfertigt habe, dass die Frauen „Ungläubige“ und „Sabayas“ seien und der Islam dieses Vorgehen erlaube.
489Die Nebenklägerinnen X. und Y. schilderten beide, dass I. B. sie nicht vergewaltigt habe, wenn sie ihre Periode gehabt hätten, dass I. B. die Nebenklägerin Y. aufgrund der mit dieser ausgeführten Praktiken sexuell vorgezogen und ein Kondom benutzt habe. Auch deshalb, weil sich die Kondome im gemeinsamen Schlafzimmer der Angeklagten A. und I. B.s befunden hätten, hätte diese – nach den Angaben beider Nebenklägerinnen – Kenntnis von den Vergewaltigungen und ihrer Häufigkeit gehabt.
490Dass die Angeklagte A. hierbei wie festgestellt im Sinne der IS-Ideologie handelte, haben ebenfalls alle drei Nebenklägerinnen anschaulich näher erläutert. Sie beschrieben die Angeklagte als dem IS, „Daesh“, angehörig und das Vorgehen des IS gegen die Jesiden und die Versklavung jesidischer Frauen ausdrücklich befürwortend. So hat die Nebenklägerin X. etwa angegeben, dass die Angeklagte die IS-Ideologie wie folgt propagierte:
491„Umm H1 hat gesagt: Kauf und Verkauf von Sklaven, das Schlagen, ist erlaubt; Tausch von Sabiya ist auch erlaubt. Euch ist nicht erlaubt, um eure Angehörige zu weinen. Ihr seid Ungläubige, ihr müsst fünfmal am Tag beten und den Koran auswendig lernen, ihr müsst den jesidischen Glauben vergessen.“
492Die Zeugin Y. gab etwa an:
493„Sie war genau wie diese IS-Leute, hat auch so gehandelt. Sie ist auch ein Daesh.“
494Die Nebenklägerinnen beschrieben die Angeklagte A. als überzeugt darin, ihnen den Koran beibringen zu wollen; sie sei sehr religiös gewesen. Sie habe die Frauen früh zum Morgengebet geweckt und fünf tägliche Gebete kontrolliert. Die Nebenklägerinnen X. und Y. gaben übereinstimmend an, dass die Angeklagte A. sie zum Islamunterricht gebracht habe, bei der Nebenklägerin X. habe sie zudem eine Teufelsaustreibung durchführen lassen.
495Die Einlassung der Angeklagten A., M1 und die Nebenklägerin X. hätten sich freiwillig dem Islam zugewandt, regelmäßig gebetet und um Teilnahme am Koranunterricht gebeten, erachtet der Senat angesichts dieser übereinstimmenden Angaben der Nebenklägerinnen als unzutreffend und im Sinne der Feststellungen widerlegt, wobei nicht auszuschließen ist, dass insbesondere die Nebenklägerin X. sich teilweise nach außen hin angepasst verhalten hat, um Sanktionen zu entgehen.
496Alle drei Nebenklägerinnen schilderten ihre – so festgestellten – gleichförmigen alltäglichen Pflichten im Haushalt der Angeklagten A. und deren Sauberkeitsmaßstab. Insoweit bekundeten sie übereinstimmend, das Haus habe dreimal täglich komplett gesäubert werden müssen. Die Nebenklägerinnen X. und Y. schilderten beide, dass die Angeklagte A. mit dem Finger über die gereinigten Möbel gestrichen habe, um zu überprüfen, ob der Staub beseitigt worden sei. Alle Nebenklägerinnen gaben an, dass die Angeklagte A. ihnen auch das Waschen und Wickeln ihrer Töchter übertragen habe. Wenn die Töchter eingenässt hatten, hätten sie sofort gewickelt werden müssen. Anderenfalls wäre die Angeklagte sehr wütend geworden.
497Übereinstimmung bestand zudem auch bezüglich der Beschreibung des in den jeweiligen Wohnungen befindlichen Waffen- und Ausrüstungslagers I. B.s und der erteilten Anweisung, bei der Reinigung dieses Zimmers besondere Vorsicht walten zu lassen.
498Die Nebenklägerinnen beschrieben jeweils übereinstimmend den Kontakt der Angeklagten A. zu ihrem Vater, ihrer „Schwiegermutter“, der Angeklagten C., und ihrer Schwester per Bild und Ton. Auch zur Sprache, in der diese Gespräche geführt wurden, nämlich mit dem Vater auf Arabisch und der „Schwiegermutter“ auf Deutsch, stimmten die Aussagen überein.
499Angesichts der Detaildichte, Spontaneität und Individualität ihrer jeweiligen Angaben sieht der Senat keine Anhaltspunkte für eine Absprache zwischen der Nebenklägerin X. und der Nebenklägerin Y., etwa anlässlich ihrer Begegnung bei dem Treffen für die aus IS-Gefangenschaft befreiten Jesidinnen. Hierzu haben sie übereinstimmend angegeben, sich dort nicht miteinander ausgetauscht zu haben. Sie begründeten dies nachvollziehbar damit, Abstand zu ihrer jüngsten Vergangenheit gewünscht zu haben. Zudem sei ein Austausch wegen der vielen anwesenden Frauen nicht möglich gewesen. Sowieso hätten sie daran angesichts eines nicht gänzlich spannungsfreien Verhältnisses untereinander während ihrer Zeit bei der Angeklagten A. und I. B.s kein Interesse gehabt. So seien sich die Nebenklägerinnen seinerzeit etwa bezüglich der Intensität, in der die Wohnungen zu putzen waren, nicht einig gewesen. Die Nebenklägerin X. habe – nach ihrer Darstellung aus Furcht vor der Angeklagten A. – strengere Maßstäbe angesetzt. Eine Absprache in Deutschland schließt der Senat ebenfalls aus. Insoweit hat die Nebenklägerin Y. glaubhaft angegeben, erst unmittelbar vor ihrer Vernehmung in diesem Verfahren davon erfahren zu haben, dass „X.“ als Zeugin bereits ausgesagt habe, ohne jedoch den Inhalt ihrer Aussage mitgeteilt bekommen zu haben.
500(7) Für die Glaubhaftigkeit der den Feststellungen zugrunde gelegten Angaben der Nebenklägerinnen spricht schließlich, dass diese Bestätigung in verschiedenen weiteren Beweismitteln finden.
501Dafür, dass die Angeklagte A. selbst an der Anschaffung und Haltung sämtlicher Sklavinnen im Sinne der getroffenen Feststellungen ab Mitte September 2015 bis Herbst 2017 beteiligt war, spricht, dass sie bereits in einem Telefongespräch mit ihrem Vater am 1. Februar 2015 mit Interesse davon berichtete, bei ihrer Hebamme kurdisch sprechende Sklavinnen gesehen zu haben. In einem Chat mit ihrer Schwester am 20. September 2015 erklärte sie sodann „hab die Sklavin gekauft“, ohne insoweit einen Bezug zu I. B. herzustellen, welcher sich auch nicht aus dem Kontext der Nachricht ergibt. Die Einlassung der Angeklagten A., diese Nachricht nicht geschrieben zu haben unter Verweis darauf, das Handy von I. B. geschenkt bekommen zu haben, der es ab und zu benutzt habe, erachtet der Senat als unzutreffende Schutzbehauptung. Zwar besteht die denktheoretische Möglichkeit, dass das Handy auch von I. B. benutzt wurde. Jedoch wäre in diesem Fall zu erwarten gewesen, dass I. B. sich seiner Gesprächspartnerin zu erkennen gegeben hätte. Stattdessen gibt es bereits keinen Anhaltspunkt dafür, dass I. B. überhaupt mit T. A., insbesondere zu den Umständen seiner Handlungen als IS-Mitglied, kommuniziert hat, zu der eine Kontaktaufnahme wegen der vom IS verlangten Geschlechtertrennung im Übrigen auch nicht nahe lag.
502Die Zeugin Z32, die über ihren Aufenthalt in Syrien unter dem Pseudonym „M. A.“ das Buch „Rr.“ geschrieben hat, hat angegeben, dort sei „Umm H1“ sehr bekannt gewesen, weil sie schon so jung ausgereist und daher auch in den Medien präsent gewesen sei. Anfang des Jahres 2016 sei sie von „Umm H1“ in Raqqa an einer Moschee aufgelesen und mit dem Auto zu deren Wohnsitz gefahren worden. Neben ihr und „Umm H1“ hätten sich deren Tochter – wohl mit dem Namen „M4“ – und eine etwa 13- bis 14‑jährige jesidische Sklavin im Auto befunden. „Umm H1“ habe ihr unter anderem mitgeteilt, dass ihr Mann Türke sei und einen Bruder habe. „Umm H1“ habe in einem Mehrfamilienhaus in der Nähe von Dawar Saa in der ersten Etage gewohnt. In der Wohnung sei sie einer weiteren, etwa 20 Jahre alten jesidischen Sklavin begegnet. „Umm H1“ habe erklärt, dass beide weiblichen Personen ihre Sklavinnen seien und ihr Mann eine weitere, ältere Sklavin zuvor wieder verkauft habe. Sie und „Umm H1“ seien von den Sklavinnen höflich bedient worden.
503Zudem hat auch die – unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung am IS durch den Senat rechtskräftig verurteilte – Zeugin Z31, die der Angeklagten A. in Raqqa begegnet ist, bekundet, dass die Angeklagte dort mit jesidischen Sklavinnen aufgetreten sei, was im Übrigen mit der Einlassung der Angeklagten A. korrespondiert, sie habe in Raqqa dritten Personen mitgeteilt, dass es sich bei den sie begleitenden Frauen und Mädchen um ihre Sklavinnen handele. Allerdings hat die Angeklagte hierfür als – im Sinne der Feststellungen widerlegten – Grund angegeben, dass deren tatsächliche Zuordnung zu I. B. ihr unangenehm gewesen sei, weil sich damit für die Gesprächspartnerinnen ergeben hätte, dass er Geschlechtsverkehr mit den Frauen hatte.
504Die Zeugin Z35, die ebenfalls in Syrien aufhältig war, gab an, die Angeklagte aus einer Chat-Gruppe zu kennen, in der ausschließlich Ehefrauen von IS-Mitgliedern kommuniziert hätten. Die Angeklagte sei unter den Deutschen dafür bekannt gewesen, dass sie oder ihr Mann angeblich eine Sklavin gehabt hätten. Die Angeklagte A. habe in der Chatgruppe einmal mitgeteilt, sie hätten „eine […] zu Hause“, dass „die putzt“ und ihr „im Haushalt hilft“.
505Schließlich hat die Zeugin J., die durch den Senat unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung am IS – zum Zeitpunkt ihrer Zeugenaussage nicht rechtskräftig – verurteilt worden ist, bestätigt, die Nebenklägerin X. als Sklavin der Angeklagten A. kennengelernt zu haben. Sie habe die Angeklagte A. Ende März / Anfang April 2015 in Raqqa kennengelernt. Die Angeklagte sei sehr freundlich und für ihr Alter sehr reif und verantwortungsbewusst gewesen. Die Angeklagte A. habe sie in Begleitung der Sklavinnen X. (X.) und „A.“ (M1) mehrfach besucht und ihr beim ersten Treffen die Frauen namentlich vorgestellt. M1 sei – nach den Angaben der Angeklagten A. – 15 Jahre alt gewesen. Es sei ihr – der Zeugin J. – klar gewesen, dass es sich bei den Frauen um Sklavinnen gehandelt habe. Die Angeklagte A. habe ihr angeboten, dass X. bei ihr Hausarbeiten verrichten könne. Dieses Angebot habe sie angenommen. Auf Anweisung der Angeklagten A. habe X. dann des Öfteren bei ihr die Küche geputzt. Dass die Nebenklägerin X. freiwillig bei der Angeklagten A. und I. B.s gearbeitet habe, schlösse sie aus.
506Dass die Angeklagte A. die Nebenklägerin X. bei der anderweitig verurteilten O., die mit dem ebenfalls mit I. B. befreundeten Denis Cuspert nach islamischem Ritus verheiratet war, hat Hausarbeiten verrichten lassen, ergibt sich auch aus dem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts und den dort wiedergegebenen Angaben der Nebenklägerin X..
507Der Tod der Sklavin M2 während einer Autofahrt in Begleitung von I. B. wird – neben der Einlassung der Angeklagten und den Angaben der Nebenklägerinnen X. und Y. – auch durch ein Behördenzeugnis des Bundesnachrichtendienstes bestätigt. Danach soll I. B. in seinem Haushalt mit der Angeklagten A. mindestens zwei Sklavinnen gehalten haben, von denen eine minderjährig gewesen sei. Die minderjährige Sklavin sei bei einer Überlandfahrt durch einen Luftschlag ums Leben gekommen.
508Übereinstimmungen der Angaben der Nebenklägerinnen mit weiteren Beweismitteln bestanden aber auch außerhalb des Kerngeschehens. Das gilt etwa für die von der Nebenklägerin X. beschriebenen Sauberkeitsanforderungen der Angeklagten A., von denen I. B. der Angeklagten C. in Telefonaten vom 10. März 2014 und 1. Mai 2015 berichtet. Die Mutter der Angeklagten beschreibt die Angeklagte A. in einem Telefonat mit einer Bekannten am 29. August 2015 dahin, dass „S. so eine saubere“ sei.
509Die von der Nebenklägerin X. dargestellte erlittene „Teufelsaustreibung“ findet zudem (neben den Angaben der Nebenklägerin Y.) Bestätigung in den Ausführungen des Sachverständigen Z2. Dieser hat erläutert, dass die „Ruqia“ – als Teufelsaustreibung – von Salafisten sehr geschätzt gewesen sei und ihm derartige Praktiken auch aus dem Islamischen Staat bekannt seien. Zum Hintergrund hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Koran den „Dschinn“ als Dämon beschreibe, von dem Verrückte oder Ungläubige besessen seien; nach dem Koran sei Heilung durch dessen Verlesen zu erzielen.
510Die Bekundung der Nebenklägerin X., dass die Angeklagte M1 angewiesen habe, ein kurzes Jeanskleid anzuziehen, sie sodann geschminkt und mit ihrem Mobiltelefon Fotos von ihr gefertigt habe, die in einem Onlinesklavenmarkt des IS mit dem Hinweis der Verkaufsverfügbarkeit von M1 veröffentlicht worden seien, findet Bestätigung in den Ausführungen des Sachverständigen Z2 zur Existenz und Verbreitung von entsprechenden Online-Sklavenmärkten. Zudem hat der Senat in ähnlicher Weise vorhandene Fotos der Nebenklägerin X. in Augenschein genommen.
511Lichtbilder eines von der Nebenklägerin X. vorab beschriebenen und im Zimmer der Tochter M4 befindlichen Teppichs wurden in Augenschein genommen; diese stimmten mit der Beschreibung überein.
512Die von der Nebenklägerin dargestellte finanzielle Unterstützung der Angeklagten A. und I. B.s durch deren Eltern wird durch den Inhalt einer Vielzahl von Telefonaten bestätigt; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen zu Fall 5 verwiesen (vgl. unter C. III. 4.). Sie findet zudem Bestätigung in der Einlassung der Angeklagten A..
513Dass die von der Nebenklägerin X. geschilderten Gespräche der Angeklagten A. mit ihrer Schwester, in denen es unter anderem darum gegangen sei, dass deren Ehemann nach Syrien kommen solle, da er als Arzt dort gebraucht werde, tatsächlich geführt wurden, belegt der bereits aufgeführte Chat der Angeklagten A. mit ihrem Schwager vom 27. Mai 2014.
514Die von allen drei Nebenklägerinnen beschriebene Katzenliebe I. B.s findet neben der Wahl seines Kunya-Namens schließlich etwa Bestätigung in einem Telefonat mit seiner Mutter vom 1. April 2015, in dem er ihr berichtet, gerade mit der Katze zu spielen.
515cc) Dass die Angeklagte A. und I. B. in Kenntnis der Verfolgung der Jesiden durch den IS und zur Durchsetzung seiner Ideologie handelten und dabei von den vom IS aufgestellten und veröffentlichten Regeln zum Umgang mit Sklavinnen wussten, folgt zum einen aus den festgestellten Umständen des äußeren Tatgeschehens, zum anderen aus der Einlassung der Angeklagten A., den Angaben verschiedener Zeugen vor Ort und den Ausführungen des Sachverständigen Z2.
516Die Angeklagte hat selbst angegeben, ihr sei bekannt gewesen, dass der IS die Versklavung als erlaubt angesehen habe. Kenntnis über Jesiden habe sie in Syrien erlangt, als andere Frauen sie hierüber unterrichtet hätten.
517Die Zeugin Z35, die sich im Tatzeitraum in Syrien aufgehalten hat, hat glaubhaft bekundet, dass nach ihrer Wahrnehmung sämtliche im Kalifat lebende Personen Kenntnis von der Verfolgung der Jesiden durch den IS und zu dessen Regeln zum Umgang mit Sklavinnen gehabt hätten. Die Versklavung der Jesiden sei nämlich Thema in den IS-Medien, namentlich auf vom IS verbreiteten Videos, Radiobotschaften und in den Zeitungen der Organisation gewesen. Die im Kalifat lebenden Ausländer hätten sich über diese Medien informiert. Über die vom IS insoweit aufgestellten Regeln sei auch ausdrücklich in einer Chat-Gruppe kommuniziert worden, der unter anderem die Angeklagte A. („Umm H1“) und die Zeugin selbst angehört hätten. Die Zeugin Z31 hat auf Nachfrage des Senats ebenfalls bestätigt, dass die Angeklagte nach ihrer Wahrnehmung die Regeln des IS zum Umgang mit den jesidischen Sklavinnen gekannt habe; der IS habe zu allem – so auch hierzu – Regeln verfasst und bekannt gegeben. Hiermit korrespondierend hat der Sachverständige Z2 ausgeführt, die Regeln des IS insgesamt und zum Umgang mit jesidischen Sklavinnen seien in den im Kalifat verbreiteten Medien dargelegt und unter den Ausländern diskutiert worden.
518Die positive Kenntnis der Angeklagten um die hinter der Versklavung von Jesidinnen stehenden Vorgaben des IS ergibt sich schließlich aus den Angaben der Nebenklägerin X.. Sie hat anschaulich und detailliert bekundet, wie die Angeklagte A. die Umstände der Versklavung der Jesidinnen und deren Behandlung durch Mitglieder des IS im Internet verfolgt, ihr gegenüber das entsprechende Handeln des IS gebilligt und sich zur Rechtfertigung ihres und I. B.s Verhaltens auf die Vorgaben des IS berufen hat. Dies haben die Nebenklägerinnen Y. und Z. entsprechend bestätigt.
519dd) Die Einlassung der Angeklagten, sie habe innerlich Abstand zu I. B. genommen, nachdem sie erstmals seine sexuellen Kontakte mit einer Sklavin bei M7 mitbekommen und er hierauf beharrt habe, und er habe mit ihr in der Folge ebenfalls gegen ihren Willen geschlechtlich verkehrt, sieht der Senat aufgrund der dargestellten Beweismittel und der folgenden weiteren Umstände als widerlegt an.
520So fanden sich auf dem im Verlauf der Hauptverhandlung durch den Senat beschlagnahmten Mobiltelefon der Angeklagten C. – der Mutter des I. B. – unter anderem abfotografierte Briefe der Angeklagten an I. B. vom 6. und 17. Juni sowie vom 4. und 5. Juli 2019, in denen die Angeklagte unter anderem von ihrem Haftalltag berichtet und erklärt, ständig an die Kinder und I. denken zu müssen. Die Briefe sind allesamt mit aufgedrückten Kussmündern versehen und mit „In Liebe S.“ unterschrieben. Ein weiterer Brief vom 7. Juli 2019 endet mit „Love You“. Ferner befand sich auf dem Mobiltelefon der Angeklagten C. das Bild einer von der Angeklagten A. an sie übermittelten Postkarte, auf der sie sich bei dieser dafür bedankt, dass sie I. B. zu dem „Traumann“ (offensichtlich gemeint: Traummann) der Angeklagten erzogen habe. Daneben waren auf dem Mobiltelefon Fotos zahlreicher Briefe I.s an die Angeklagte vorhanden, deren Inhalt für eine auch auf seiner Seite fortbestehende Zuneigung spricht.
521Soweit die Zeugin Z19, die zeitweise in derselben Haftanstalt wie die Angeklagte A. inhaftiert war und sich dort mit ihr angefreundet hat, angegeben hat, sie und andere mit der Angeklagten A. befreundete Mitinsassinnen hätten Briefe und Postkarten für die Angeklagte A. gefertigt oder geschrieben, weil die Karten der Angeklagten nicht liebevoll genug ausgesehen hätten, rechtfertigt dies ebenfalls keine andere Beurteilung. Die Zeugin hat berichtet, dass mit der Angeklagten über die Inhalte der Briefe gesprochen worden sei. Dafür, dass sie ohne Kenntnis der Angeklagten A. geschrieben oder gar an die Angeklagte C. geschickt worden sind, bestehen keine Anhaltspunkte.
522Dass die Beziehung der Angeklagten A. zu I. B. bis zumindest Herbst 2019 fortbestand, ergibt sich auch aus weiteren Angaben der Zeugin Z19. Diese hat glaubhaft bekundet, dass die Angeklagte A. sich im Herbst 2019 mit der Frage einer etwaigen Trennung von I. B. ernsthaft befasst habe. Als Grund habe die Angeklagte ihr gegenüber – allein – den Wunsch nach einem Neuanfang mit ihren Töchtern angegeben. Auch habe die Angeklagte ihr von „Höhen und Tiefen“ während der gemeinsamen Zeit mit I. B. berichtet, ohne jedoch ins Detail gegangen zu sein. Die Angeklagte habe ihr gegenüber die Sorge geäußert, ob I. B., den sie als guten Vater beschrieben habe, „eine Trennung verkraften“ werde.
523Die Angaben der Zeugin Z19 finden schließlich Bestätigung durch die Aussage des Zeugen Z18, der bekundet hat, dass er als Ansprechparter der Angeklagten A. in der Justizvollzugsanstalt bemerkt habe, dass diese sich im Spätsommer 2020 „langsam von ihrem Mann und dessen Familie“ löse.
524d) Zum Nachgeschehen
525Die Feststellungen dazu, dass die Angeklagte A. trotz zunehmend angespannter Sicherheitslage das IS-Gebiet im Herbst 2017 zunächst nicht verlassen und – entgegen ihrer Einlassung – I. B., der von seiner Mutter, der Angeklagten C. und seinem Bruder zur Ausreise gedrängt wurde, vom Verbleib mit ihr in Syrien überzeugen wollte, beruhen auf den glaubhaften Angaben der Nebenklägerin X.. Diese hat bekundet, dass Abu H1 sie und seinen Bruder – Abu G1 – bei der Flucht habe begleiten wollen, die Angeklagte A. sich aber geweigert und ihr gegenüber angegeben habe, nicht ins Land der „Ungläubigen“ zu wollen.
526Diese innere Haltung der Angeklagten A. findet Bestätigung in dem bereits aufgeführten Telefonat der Angeklagten C. mit ihrer Schwester M. D. vom 23. November 2017, in dem die Angeklagte C. eine Auseinandersetzung zwischen ihren Söhnen hinsichtlich der Frage des weiteren Aufenthalts in Syrien schildert, wonach die Angeklagte A. E. Y. B. unter Vorhalt einer Waffe aufgefordert habe, in Syrien zu bleiben.
527Die Feststellungen zur Fluchtroute und Festnahme der Angeklagten A. und ihrer Familie beim Grenzübergang in der Nähe der türkischen Stadt Akçakale am 23. Februar 2018 sowie zur folgenden Behandlung durch die türkischen Behörden und das türkische Strafgericht, insbesondere zu dem Militär- bzw. Polizeigewahrsam bis zum 6. März 2018, der Verbringung in den Abschiebegewahrsam in Gaziantep und den Umständen ihres ununterbrochenen Aufenthaltes dort bis zu ihrer Abschiebung nach Deutschland am 21. September 2018, beruhen auf der Einlassung der Angeklagten A., dem dortigen Festnahmeprotokoll und einer Interpoldatenbankabfrage der türkischen Behörden vom 24. Februar 2018. Dass sich I. B. seit dem 28. Februar 2018 und die Angeklagte seit dem 6. September 2018 in Untersuchungshaft befunden haben und die Angeklagte die festgestellten Angaben gegenüber dem türkischen Strafgericht getätigt hat, folgt ebenso wie der Umstand der späteren Verurteilung der Angeklagten in Abwesenheit aus dem Inhalt des Urteils des 2. Strafgerichts Sanliurfa vom 9. Januar 2019. Nähere Erkenntnisse zur Frage der Rechtskraft des Urteils konnten mangels entsprechender Rechtshilfe durch die türkischen Behörden nicht erlangt werden.
528Schließlich ergeben sich aus der Einlassung der Angeklagten sowie den Angaben der Zeugen Z5 und Z18 die Feststellungen zu ihrer Abschiebung und der Trennung von ihren Töchtern sowie die Einzelheiten ihrer sich anschließenden Festnahme und Inhaftierung in Deutschland.
529Der Kontakt zwischen den deutschen und den türkischen Behörden folgt aus einem Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf vom 20. März 2018, wonach unter anderem ein telefonischer Austausch zwischen den deutschen und türkischen Behörden bestehe. Die Rückführung der Angeklagten in die Bundesrepublik Deutschland werde durch das Auswärtige Amt und das Bundeskriminalamt nach Maßgabe der aus der Türkei erhaltenen Informationen geregelt.
5304. Zu den Taten der Angeklagten C. und B.
531a) Organisationsabrede und innere Haltung der Angeklagten
532Dass die Angeklagten C. und B. mit ihren Söhnen I. und E. Y. B. vor dem 10. Oktober 2013 übereinkamen, arbeitsteilig über einen unbestimmten Zeitraum – spätestens ab Mitte November 2013 auch in Kenntnis der mitgliedschaftlichen Betätigung ihrer Söhne für den IS – die Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen und Waffenzubehör für islamistische Kämpfer in Syrien zu organisieren, und seit dem Jahr 2014 in Anpassung der gemeinsamen Organisationsabsprache deren geschäftliche Tätigkeit für den IS auch durch Geldzahlungen zu fördern, ergibt sich insbesondere aus der Einlassung des Angeklagten B., den Umständen der Besuche der Angeklagten vor Ort in Syrien, den Inhalten von Chats, Facebookeintragungen, überwachter Telekommunikation und den festgestellten Warenbestellungen und Geldtransfervorgängen.
533aa) Kenntnis von den Gegebenheiten vor Ort, den Tätigkeiten ihrer Söhne sowie deren mitgliedschaftlicher Beteiligung am IS
534Die Kenntnis der Angeklagten C. und B. von den Gegebenheiten vor Ort folgt zunächst aus eigenen Besuchen bei ihren Söhnen in Syrien im Oktober und November 2013. Dass die Angeklagte C. sich jedenfalls vom 28. bis 31. Oktober, 15. November bis 18. November sowie am 30. November 2013 und der Angeklagte B. sich jedenfalls vom 4. bis 8. November 2013 zu den Söhnen nach Syrien begeben haben, ergibt sich zunächst aus der Einlassung des Angeklagten B., der den ihn betreffenden Zeitraum explizit bestätigt und hinsichtlich der Angeklagten C. angegeben hat, dass diese drei Mal in Syrien gewesen sei, nämlich Ende Oktober und danach noch zwei weitere Male.
535Im Reisepass der Angeklagten C. ist sowohl am 28. Oktober 2013 als auch am 15. November 2013 jeweils die Ausreise von und am 31. Oktober 2013 sowie 18. November 2013 die jeweilige Einreise nach Gaziantep vermerkt. Die Ausreise nach Syrien (und Übergabe von etwa 50 AK 47-Magazinen an ihre Söhne) am 30. November 2013 wird, wie noch im Einzelnen auszuführen ist, insbesondere durch einen Erkenntnisvermerk der Bundespolizei, Chatinhalte und überwachte Telekommunikation sowie durch die Einlassung des Angeklagten B. bestätigt. Auch I. B. spricht in seinen Antworten auf die fernkommunikative Befragung durch die Verteidigung der Angeklagten C. von mehreren – jedenfalls zwei – Aufenthalten der Angeklagten C. bei ihm und seinem Bruder in Syrien. In einem Telefonat vom 5. Juni 2014 bittet der Journalist Z37 die Angeklagte C., von Syrien zu erzählen, weil sie doch schon „dreimal“ dort gewesen sei, was diese im weiteren Verlauf des Gesprächs nicht in Abrede stellt.
536Der Aufenthalt des Angeklagten B. Anfang November 2013 in Syrien wird – neben dessen Einlassung – durch dessen Reisepass, der in diesem Zeitraum eine Ausreise aus Gaziantep enthält, vor Ort in diesem Zeitraum aufgenommene und auf einem bei ihm sichergestellten Laptop gespeicherte Lichtbilder, die ihn mit seinen Söhnen zeigen, sowie durch spätere Telefongespräche belegt. Am 29. April 2014 bestätigt der Angeklagte B. etwa einem Gesprächspartner namens S. Y. auf dessen Nachfrage, dass die Sicherheitsbehörden Kenntnis von seinem stattgefundenen Aufenthalt in Syrien hätten. In einem Gespräch zwischen E. Y. B. und S. N. vom 21. Mai 2014 zeigt sich E. Y. B. ungehalten, weil sein Vater noch „die Fotos von seinem Besuch“ auf seinem Rechner gespeichert gehabt habe.
537Die Kenntnis der Angeklagten C. und B. von den jeweiligen Tätigkeiten ihrer Söhne ergibt sich – neben ihrer jeweiligen Wahrnehmung der Verhältnisse vor Ort in Syrien im Oktober und November 2013 – darüber hinaus aus dem bereits beschriebenen regelmäßigen und engen Kontakt zu ihren Söhnen seit deren Ausreise aus Deutschland. Dass sich die Angeklagten untereinander stetig – auch hierüber – austauschten, findet sich auch in der Einlassung des Angeklagten B. wieder, wonach ihm die Angeklagte C. die Fotos und Videos von dem Aufenthalt ihres Ehemannes bei den Söhnen habe zukommen lassen. Hiermit korrespondierend folgt ein trotz Scheidung intensiver Kontakt zwischen den Angeklagten C. und B. aus den Inhalten des sichergestellten Notizbuches des Angeklagten B. aus dem Jahr 2012, das der Zeuge KHK Z33 ausgewertet hat. Darin heißt es etwa unter dem 30. September 2012: „Ich bin nach der Arbeit zu P. gefahren“. Am 7. Oktober 2012 notierte er: „Um 18:00 Uhr mit P. zusammen in der ….. zum Essen gefahren“. Am 15. Oktober 2012: „Mit P. zusammen gefrühstückt.“
538Ein enger Kontakt und Informationsaustausch der Angeklagten C. und B. folgt auch aus einem Telefonat des Angeklagten B. mit seinem Sohn I. B. vom 29. Januar 2015, in dem der Sohn ihm anbietet, ihm ein Video der Wohnung zuzuschicken. Der Angeklagte B. teilt mit, dieses bereits von der Angeklagten C. erhalten zu haben: „Wenn du es deiner Mutter geschickt hast, deine Mutter hat es mir geschickt“.
539Angesichts der Kenntnisse von den Umständen vor Ort und des engen Kontakts zu ihren Söhnen insbesondere auch in diesem Zeitraum ist der Senat davon überzeugt, dass die Angeklagten ab Mitte November 2013 auch von der mitgliedschaftlichen Betätigung ihrer Söhne für den IS wussten.
540Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der Einlassung des Angeklagten B., bei seinem Besuch in Syrien Anfang November 2013 keine kriegerischen Auseinandersetzungen wahrgenommen zu haben. Denn er hat gleichermaßen angegeben, dass ihm durchaus aufgefallen sei, dass in den Läden vor Ort Waffenzubehör verkauft worden sei. Zudem habe er seine Söhne auf deren Bewaffnung und die bei ihnen vorhandenen Flaggen angesprochen; seine Söhne hätten ihm erklärt, dass es verfeindete Gruppen gäbe, gegen die sie sich verteidigen müssten, dass sie einer Organisation angehörten, weil es nicht anders ginge, und dass es sich bei der Flagge um die des Propheten handele und sie Probleme bekämen, wenn sie diese entfernten. Seine Söhne hätten sich ihm gegenüber als Salafisten bezeichnet. Sie seien „an erster Stelle dorthin gegangen, um zu kämpfen“.
541Neben dieser ausdrücklichen Mitteilung der Söhne ergibt sich die Kenntnis der Angeklagten von deren mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS ab Mitte November 2013 auch aus dem Wissen beider Angeklagten um die seit Oktober 2013 durch die Söhne getätigten Bestellungen von Ausrüstungszubehör sowie über die Kampfeinsätze ihrer Söhne. Insoweit wird einerseits auf den bereits aufgeführten Chat der Angeklagten C. mit S. N. vom 20. November 2013 über die Kämpfe von I. und E. Y. B. um die Militärbasis „Liwa 80“ bei Aleppo vom 20. bis 28. November 2013 sowie andererseits auf die dort ebenfalls beschriebenen Telefonate der Angeklagten C. und B. über die Kampfeinsätze der Söhne auf Seiten des IS im Januar 2014 ergänzend verwiesen.
542Spätere Telefonate verdeutlichen ebenfalls die Kenntnis der Angeklagten C. von der Mitgliedschaft ihrer Söhne im IS. Am 10. Juli 2015 bestätigt sie etwa ihrer Mutter, dass I. B. zum Kämpfen „dorthin“ gegangen sei. In einem Gespräch vom 10. Januar 2018 diskutiert sie mit ihrem Bruder Ö. Ö. über die Situation I. B.s. Auf die Feststellung ihres Bruders, dass I. getötet werde, wenn seine Zugehörigkeit zum IS bekannt würde, erwidert die Angeklagte C., dass sich I. jetzt noch verstecke und niemand von denjenigen, vor denen er flüchte, wisse, „dass er so einer ist“. In einem Gespräch vom 26. Februar 2018 beantwortet die Angeklagte C. wiederum die Frage ihrer Gesprächspartnerin, welcher Gruppe E. Y. B. angehöre, mit „Islamischer Staat“.
543Dafür, dass auch der Angeklagte B. bereits ab Mitte November 2013 wusste, dass es sich bei der Organisation, der seine Söhne angehörten, um den IS handelt, sprechen zudem die auf einem bei dem Angeklagten sichergestellten Laptop unter einem Dateipfad mit der Bezeichnung „Abu H1“ gespeicherten, Anfang November 2013 aufgenommene Lichtbilder, auf denen er mit seinen Söhnen und S. N. sowie einem Sturmgewehr und einer schwarzen Flagge mit dem islamischen Glaubensbekenntnis in weißer Schrift zu erkennen ist.
544Es liegt nach dem Dafürhalten des Senats darüber hinaus nah, dass die Angeklagten die bereits aufgeführten, mit den Kampfeinsätzen für den IS im November 2013 und Januar 2014 korrespondierenden Veröffentlichungen ihres Sohnes I. B. auf Facebook verfolgt und sich hierüber ausgetauscht haben. Aus einem zeitnah geführten Telefonat zwischen den Angeklagten C. und B. vom 7. Januar 2014 ergibt sich etwa, dass die Angeklagte C. Nachrichten ihrer Söhne auch über Facebook erhielt, worüber sie sich mit dem Angeklagten B. austauschte. In diesem Telefonat teilt sie dem Angeklagten B. mit, dass sie (die Söhne) ihr sicher geschrieben hätten, sie aber noch nicht auf ihrer Facebook-Seite habe nachgucken können.
545Dass den Angeklagten schließlich auch Struktur, Vorgehensweise und Ziele des IS – jedenfalls den Grundzügen nach – bekannt waren, folgt aus der bereits erörterten Kenntnis von den Umständen und der Tätigkeit der Söhne vor Ort, aus der dargestellten – insoweit glaubhaften – Einlassung des Angeklagten B. und den bereits unter C. III. 2. d aufgeführten Telekommunikationsinhalten. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Angeklagten auch über die Berichterstattung in den Medien von diesen Umständen jedenfalls grundlegende Kenntnis erhielten. In dem ebenfalls bereits aufgeführten Telefonat vom 25. Februar 2014 teilt etwa die Angeklagte C. ihrem Sohn I. B. mit, dass im Radio berichtet worden sei, dass schon viele Leute aus Nordrhein-Westfalen in Syrien gestorben seien, und spricht mit ihrem Sohn über die Sinnhaftigkeit, Syrienreisenden den Pass abzunehmen. In einem Telefonat vom 26. Februar 2014 unterhalten sich beide darüber, dass der WDR nur noch „darüber“ berichte, „Es sollen einige Deutsche gegangen sein. Sie sind in Syrien umgekommen und so.“
546bb) Organisationsabsprache mit den Söhnen
547Dass die Angeklagten C. und B. im Herbst 2013, vor dem 10. Oktober 2013, mit ihren Söhnen I. und E. Y. B. übereinkamen, über einen unbestimmten Zeitraum arbeitsteilig die Beschaffung von im syrischen Kampfgebiet benötigten Ausrüstungsgegenständen und Waffenzubehör für islamistische Kämpfer zu organisieren, ergibt sich zum einen aus der Einlassung des Angeklagten B., der die Bestellung der Waren durch die Söhne in Absprache mit der Mutter und die Begleichung der Rechnungen durch ihn bestätigt hat. Die Übereinkunft über das entsprechende Vorgehen folgt zum anderen daraus, dass die Angeklagten C. und B. in Kenntnis von der Tätigkeit ihrer Söhne in Syrien spätestens ab dem 10. Oktober 2013 entsprechend arbeitsteilig mit ihren Söhnen bei einer Vielzahl von Bestellungen, Warenlieferungen und Geldtransfers mit der festgestellten Aufgabenverteilung vorgingen und regelmäßig hierüber kommunizierten.
548Dass die Angeklagte C. ihren Söhnen die Bestellung der Ware von Syrien aus über das Internet bei diversen Unternehmen unter Verwendung ihres Namens und ihrer Wohnanschrift in K. als Lieferadresse gestattete, wobei ihr selbst absprachegemäß vor allem die Aufgabe zufiel, die an ihre Wohnanschrift gelieferte Ware in Empfang zu nehmen, zu sammeln und für deren Verbringung zu einem geeigneten Zeitpunkt und in einer beförderungsfähigen Größenordnung – gegebenenfalls in mehreren Vorgängen – in die Türkei sowie von dort weiter nach Syrien zu ihren Söhnen zu sorgen, ergibt sich insbesondere aus den bereits unter C. III. 2. e sowie später unter C. III. 4. b (zu Fall 5) aufgeführten Beweismitteln, unter anderem ausgewerteten Rechnungen sowie Chats und Telefonaten, in denen die Ankunft der bestellten Gegenstände bei der Angeklagten C. und die Verbringung der Ware nach Syrien durch die Angeklagten C. und B. ausdrücklich thematisiert werden.
549Dass tatsächlich für die Söhne bestimmte Ware bei der Angeklagten C. angeliefert wurde, haben zudem die seinerzeit im selben Haus wie die Angeklagte wohnenden Zeugen F. G. (ehemals A.) und B. A. glaubhaft bekundet. Auch wenn die Zeugen keine Details zu einzelnen Lieferungen benennen konnten, haben sie glaubhaft die Entgegennahme von Paketen für die Angeklagte C. geschildert, die ihnen gegenüber ausdrücklich angegeben habe, dass es sich um Pakete für ihre Söhne handele. In einem Fall habe es sich um einen langen, rohrähnlichen Gegenstand gehandelt. Beide Zeugen haben allerdings klargestellt, dass ihre Angabe zum Inhalt des Paketes auf Vermutungen, basierend auf der Form, der Größe und dem Gewicht des Paketes, beruhe.
550Dass die vereinbarte Aufgabe des Angeklagten B. im Wesentlichen darin bestand, die Ware über sein Konto zu bezahlen, ergibt sich außer aus seiner eigenen Angabe, die ihm durch die Angeklagte C. vorgelegten einzelnen oder gesammelten Rechnungen beglichen zu haben, insbesondere aus der noch im Einzelnen unter Fall 5 (vgl. sogleich unter C. III. 4. b) darzustellenden Auswertung seiner Kontenbewegungen. Dieser Umstand folgt zudem aus den bereits unter C. III. 2. f wiedergegebenen – ab Anfang 2014 geführten – Telefonaten zwischen den Angeklagten und ihren Söhnen, in denen der Geldfluss über den Angeklagten B. für den späteren Zeitraum ausdrücklich erörtert wird.
551Dass die Angeklagten C. und B. wussten, dass ihre Söhne das bestellte Waffenzubehör und die Ausrüstungsgegenstände selber nutzten und an andere islamistische Kämpfer – auch des IS – verkauften, und dass solche Gegenstände für den Einsatz bei Kampfhandlungen bestimmt waren, ergibt sich aus der dargestellten Kenntnis der Angeklagten C. und B. von den Umständen vor Ort und der Tätigkeit ihrer Söhne in Syrien und aus der besonderen Art und Menge der unter ihrer Einbindung bestellten Waren, nämlich im Zeitraum vom 10. Oktober bis 10 Dezember 2013 insgesamt jedenfalls 435 Magazinen für das Sturmgewehr AK 47, 33 Magazinen für die Selbstladepistole Glock 17, vier Magazinen für das Gewehr M16 sowie Magazintaschen und Gewehrgurte, Montageschienen und Waffenumwandlungszubehör, die den entsprechenden Rückschluss zulassen.
552Insoweit ist der Senat auch davon überzeugt, dass die Beschaffung der Ware nicht dazu diente, die Söhne aus dem IS „freizukaufen“, was die Angeklagte C. gegenüber dem Journalisten Z37 des SWR in einem Telefonat vom 4. Oktober 2014 behauptete. Zum einen widerspricht dies nämlich bereits ihren vorhergehenden Angaben gegenüber demselben Journalisten in einem Telefongespräch vom 5. Juni 2014, in dem sie auf dessen Nachfrage, warum sie die Kalaschnikowmagazine dorthin gebracht habe, mitteilt, dass sie das gemacht habe, um „Leute“ dort heraus zu bringen, wobei sie die Schlussfolgerung von Z37, dass man ihr wohl gesagt habe, man lasse die Leute gehen, wenn sie Ausrüstungsgegenstände dorthin bringe, mit den Worten bestätigt: „So ungefähr, die Mädchen raus da, ja.“ Damit nimmt sie aber gerade nicht auf die eigenen Söhne Bezug, was sie zudem in der Folge – nach den wie dargestellt anzunehmenden Umständen des fortdauernden Aufenthalts ihres Sohnes I. in Syrien sowie des freiwilligen Umzuges von E. in die Türkei wahrheitswidrig – dahin ergänzt, die Sachen seien aber auch ein Dankeschön dafür gewesen, dass man ihre Söhne dort entlassen habe. Zum anderen widerspricht dies der Einlassung des Angeklagten B., die Ware habe (ausschließlich) dazu gedient, „gutes Geld zu verdienen“.
553Darüber hinaus äußert sich E. Y. B. in einem Telefonat vom 25. Februar 2014 gegenüber der Angeklagten C. zu dem tatsächlichen Verwendungszweck der Ware, indem er anführt, dass die Waren dem Handel dienten: „Aber sie wissen doch selber, dass es nur geschäftlich war, bzw. um Geld zu verdienen…“. Die Angeklagte C. bemerkt im Weiteren, dass sie bei der Kontrolle am Flughafen nicht gesagt habe, dass die Ware für die Söhne sei; vielmehr habe sie den Polizisten erzählt, dass ihre Söhne tot seien. „Dem …..“ – gemeint ist offensichtlich ihr Verteidiger Rechtsanwalt O. – habe sie gesagt, dass ihre Söhne sich nicht frei bewegen könnten, sondern immer von den Brüdern bewacht würden. Über diese offensichtlich erfundenen Geschichten lachten beide anschließend.
554cc) Anpassung der Organisationsabsprache
555Dass die Angeklagten C. und B. nach den erfolgten Ausreiseuntersagungen die Tätigkeit ihrer Söhne für den IS ab (spätestens) Mai 2014 unter entsprechender Anpassung der gemeinsamen Absprache durch Geldzahlungen für deren Geschäftstätigkeit zu Gunsten des IS förderten, ergibt sich aus der entsprechenden Vorgehensweise der Beteiligten – vgl. im Einzelnen zu den Fällen 12, 13, 17 bis 20 unten C. III. 4. d – und wird insbesondere auch durch die bereits unter C. III. 2. f aufgeführten Telefongespräche zwischen den Angeklagten und ihren Söhnen belegt.
556Die Anpassung der Organisationsabsprache mit ihren Söhnen wird zudem aus weiteren Telefonaten deutlich. Beispielsweise berichtet E. Y. B. der Angeklagte C. bereits in einem Gespräch vom 30. Dezember 2013, dass er Online-Bestellungen aus der Türkei aufzugeben plane. Als sie sich darüber beraten, über wen die Zahlungen abgewickelt werden könnten, teilt die Angeklagte C. mit, Kontakt zu jemandem aufgenommen zu haben, dem sie Geld überweisen könne. Sie habe ihn mal gefragt, ob sie ihm Geld überweisen könne, „wenn sie die Söhne was einkaufen“ ließe, was dieser bejaht habe. Im Weiteren erwägen sie, dauerhaft so zu verfahren. In einem Telefonat vom 1. Mai 2014 unterrichtet die Angeklagte ihren Sohn I., dass sie ihm Geld zukommen lassen werde, wenn jemand dorthin ginge oder sie kommen könne: Auf die Aussage I. B.s, er müsse seinen Bruder am Gewinn teilhaben lassen, wenn er etwas verkaufe, verständigen sich beide, dass I. B. seinem Bruder kein Geld zurück in die Türkei schicken solle, sondern die Angeklagte C. diesem Geld zusenden werde und I. B. stattdessen seinen erzielten Gewinn behalten solle. I. B. fasste zusammen: „Ich muss ja meinem Bruder Geld schicken, wenn ich was verkaufe“ und „Dafür schickst Du ihm das Geld und ich werde hier das [an]behalten, was ich ihm schicken muss“. In einem Telefonat mit seiner Mutter am 8. Mai 2014 stellt wiederum E. Y. B. klar, dass er „nicht wegen 50 €, sondern wegen Taschengeld gefragt“ habe, sie habe doch von „jedem Monat“ gesprochen. Wenn er das Geld habe, könne er „Dings machen“.
557Am 18. Mai 2014 bat I. B. seine Mutter telefonisch, E. Y. Geld zu schicken, damit dieser Ware, u.a. Bekleidung, kaufen und ihm schicken könne. Am selben Tag berichtete I. B. seiner Mutter von der Idee, „Internet zu machen“, wozu er 1000 bis 1500 € benötige. Erneut bat er seine Mutter, Geld an E. zu schicken, der werde „Dings machen“, das Geld solle bei ihm bleiben. Die Angeklagte C. sicherte zu, 500 € und dann zwei Wochen später 300, 350 zu schicken, für sein Geschäft werde er „noch ein bisschen brauchen“.
558Für eine auf Dauer angelegte und systematische finanzielle Unterstützungsabrede mit ihren Söhnen spricht schließlich ein zwischen beiden Angeklagten geführtes Telefonat vom 17. Juni 2014, in dem die Angeklagte C. dem Angeklagten B. mitteilt, „dass wieder 6/700 in die Türkei“ müssten und ihn fragt, ob er es schicke oder sie es machen solle. Die ihm zugedachte Rolle, die durch die Angeklagte C. avisierten Zahlungen an E. Y. B. durchzuführen, hat der Angeklagte B. in seiner Einlassung und auf Befragen des Senats eingeräumt, allerdings in Abrede gestellt, dass das Geld – wovon der Senat indes überzeugt ist – der geschäftlichen Tätigkeit von I. B. zugutekommen sollte; vielmehr habe es sich für ihn lediglich um die Rückzahlung von Schulden gegenüber der Angeklagten C. gehandelt.
559Dass die Angeklagten C. und B. dabei um die Einzelheiten der Geschäftstätigkeit ihrer Söhne für den IS – in Syrien und in der Türkei – und den damit einhergehenden zwischenzeitlichen wirtschaftlichen Erfolg wussten, geht aus unterschiedlichen, im Einzelnen bereits unter C. III. 2. f aufgeführten Telefongesprächen hervor. Ihr Wissen um die Geschäftstätigkeit der Söhne und deren teilweise erheblichen geschäftlichen Finanzbedarf ergibt sich auch aus einem Telefonat der beiden Angeklagten vom 24. April 2015, in dem in Rede steht, dass E. Y. B. dringend 15.000 € brauche, um Ware zu kaufen, er „jetzt ganz dringend aber 10 haben möchte“.
560Die nähere Kenntnis vom Umfang der geschäftlichen Tätigkeit der Söhne belegt überdies ein Gespräch der Angeklagten C. mit ihrer Mutter S. Ö. am 18. August 2015, in dem sie dieser mitteilt, dass die Geschäfte I. B.s noch immer gut liefen; ein weiteres Telefonat am 6. Oktober 2015, in dem sie ihrer Mutter berichtet, dass I. B. ein Fahrzeug für 7.000 € erworben habe und Lebensmittel und Kleidung verkaufe, und schließlich ein Telefongespräch vom 23. November 2017 mit ihrer Schwester Z4a), der sie erzählt, dass E. Y. B. ca. 200.000 € aus der Türkei mit nach Syrien genommen habe.
561dd) Kenntnis von Beschränkungen des Kapital- und Warenverkehrs und vom Waffenembargo
562Aus ihrem Wissen um die Gesamtumstände vor Ort und die Tätigkeit ihrer Söhne in Syrien, spätestens ab Mitte November 2013 auch aus der Kenntnis der Angeklagten vom Anschluss ihrer Söhne an die ihnen nach der Zielsetzung bekannte terroristische Vereinigung IS und der durch die Angeklagten C. und B. – wie ausgeführt – verfolgten Medienberichterstattung ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass die Angeklagten es im Tatzeitpunkt jedenfalls für möglich hielten und auch billigend in Kauf nahmen, dass der Kapital- und Warenverkehr mit der Vereinigung aufgrund der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze sowie Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft strafbewehrten Sanktionen unterlag und dass die Ausfuhr von Waffenzubehör zur Weitergabe an Kämpfer des IS gegen ein in Deutschland geltendes und strafbewehrtes Waffenembargo verstößt, auch wenn die einzelnen beschafften Gegenstände in Deutschland frei erworben werden konnten und die Angeklagte C. am 30. November 2013 trotz Sichtung der Koffer, in denen sich unter anderem Waffenmagazine für das Sturmgewehr AK 47 befanden, die Zollkontrolle am Flughafen passieren durfte.
563Dafür sprechen auch verschiedene Inhalte von Telefongesprächen. In einem Telefonat am 25. Februar 2014 legte die Angeklagte C. ihrem Sohn E. Y. B. dar, dass es nicht gut sei, dass in der Presse gestanden habe, dass sie fünf bis sechs Mal mit Magazinen angehalten und ihr die Sachen abgenommen worden wären. Herr O. – der Verteidiger der Angeklagten C. – habe ihr gesagt, dass das nicht gut sei; ihr drohe eine Gefängnisstrafe. Sie äußerte in dem Telefonat unter anderem, die Zeitungen würden sich fragen: „Warum konnte sie in die Türkei gehen, warum durfte sie die Magazine mitführen, warum ist sie immer noch nicht im Knast“.
564In einem zwischen den Angeklagten C. und B. geführten Telefonat vom 6. April 2014 erörterten sie vor dem Hintergrund des der Angeklagten C. erteilten Ausreiseverbotes die Risiken der Verbringung weiterer Waren nach Syrien durch A. B.. So bemerkte dieser: „Ich verstehe es nicht. Es ist nicht was Verbotenes. Es handelt sich um eine Sache, was in Deutschland frei käuflich ist.“ Hierauf regte die Angeklagte C. an, die Kartons nicht mitzunehmen, wenn er Angst habe; woraufhin der Angeklagte B. erwiderte: „Wenn ich schon hingehe, nehme ich sie mit.“
565Am 29. April 2014 erläuterte der Angeklagte B. seinem Cousin, bei der Ausreise mit Ferngläsern und „dem was man auf Waffen montiert“ zu den Kindern gehindert worden zu sein. Auf die Fragen, ob sie „Dings bekommen“ hätten, „dass“ er „nach Syrien gegangen“ sei, antwortete der Angeklagte B. mit „Ja.“ Als sein Cousin weiter fragte, ob es verboten sei, ein Fernglas mitzunehmen, ob es ein Militärfernglas gewesen sei, bestätigte der Angeklagte, dass es ein Fernglas gewesen sei, das man auf Waffen montierten könne. Es wisse nicht, ob die was erreichen könnten, er habe es dem Anwalt übergeben. Im Weiteren entgegnete sein Cousin, bereits „ein paar Mal gewarnt“ zu haben, dass er aufpassen solle. Weiter führte er aus, dass der Angeklagte gegenüber den Polizeibeamten hätte sagen sollen, dass er den Waffenaufsatz für ein in der Türkei befindliches Jagdgewehr benötige.
566In einem Telefonat der Angeklagten C. und B. vom 24. April 2015 stellte der Angeklagte B. klar, dass er das Geld in mehreren Teilbeträgen zu E. Y. B. bringen werde: „15 kann ich geben. Aber ich sage, ich schicke Stück für Stück in die Türkei, also, so soll es bleiben“. „Ich schicke mal so allmählich in die Türkei“, langsam, so 2000“, woraufhin die Angeklagte C. korrigierte: „Nein, äh, so 200, 300, 200… äh 2000, 2000?“ Sie wies ihn darauf hin, nicht den gesamten Betrag auf einmal zu schicken, um Probleme zu vermeiden: „wenn du jetzt die 15 schickst, nicht, dass es später Probleme für dich gibt.“
Dass die Angeklagten C. und B. im gemeinsamen Zusammenwirken und im Zusammenwirken mit ihren Söhnen in der festgestellten Art und Weise durch ihre Söhne oder in deren Auftrag bestelltes Waffenzubehör- und Ausrüstungsgegenstände in Deutschland entgegennahmen, bezahlten und sammelten, um sie dann bei einer sich bietenden Gelegenheit im Rahmen des zulässigen Mitnahmegepäcks, gegebenenfalls in mehreren Teilschritten, per Flugzeug in die Türkei und sodann weiter nach Syrien zu transportieren, ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
Die Feststellungen zu den Bestell- und Liefervorgängen beruhen insbesondere auf den Angaben der Zeugen KHK Z33 und KHK Z38, deren Ermittlungsvermerken zu den Bestellmodalitäten und zur Zahlungsweise, einer Auskunft der X-Bank vom 4. März 2014 zum Konto des Angeklagten B., den Rechnungen zu den ermittelten Vorgängen, einem Bestellblatt mit Kundendaten, den Angaben der Zeugin G., sichergestellten Waren und Lichtbildern.
569(1) Den Bestellvorgang bei der Firma Cc) am 10. Oktober 2013 hat der Zeuge KHK Z33 näher erläutert. Nach seinen Ermittlungen seien über die Online-Handelsplattform „kk)“, auf der Waffen und Waffenzubehör vertrieben würden, unter dem Nutzerkonto „...997“ und der damit verknüpften E-Mail-Adresse Y..E..B.91@googlemail.com fünf Magazine für das Sturmgewehr AK 47 für 198,75 € bestellt worden. Dass die Lieferung auf den Namen und über die Zeugin F. G. (ehemals A.) unter der Wohnanschrift der Angeklagten C. in K. erfolgte, ergibt sich aus der Rechnung der Firma Cc), in der diese Daten aufgeführt sind. Die Annahme des Paketes hat die Zeugin G. glaubhaft bekundet. Sie hat insoweit ausgeführt, dass sie erbost darüber gewesen sei, dass die Angeklagte C., für die sie wiederholt Pakete angenommen habe, eine Bestellung unter ihrem Namen aufgegeben habe. Dies habe sie der Angeklagten C. bei Übergabe des Pakets auch gesagt. Dass das Paket schließlich zu der Angeklagten C. gelangte, ergibt sich zudem daraus, dass die Ware den Ermittlungen des KHK Z33 zufolge nicht an den Empfänger zurückgesandt und die Rechnung durch den Angeklagten B. beglichen wurde. Die Überweisung des Betrages am 16. Oktober 2014 vom Konto des Angeklagten B. unter Angabe der Firma Cc) als Empfänger und unter Bezugnahme auf die konkrete Bestellung ergibt sich aus seiner Einlassung und wird durch eine Auskunft der X-Bank vom 4. März 2014 über die Kontenbewegungen das Angeklagten B. bestätigt, wozu auch der Zeuge KHK Z38 entsprechende Angaben machte.
570(2) Die Feststellungen zu der Bestellung von 100 Magazinen für das Sturmgewehr AK 47 für 990 € bei der Firma dd) GmbH am 31. Oktober 2013 über die E-Mail-Adresse ll)@yahoo.com.tr und der zu dieser als Kundin verzeichneten Angeklagten C., zur dort angegebenen Lieferanschrift der Angeklagten C. in K. und zur Zahlweise per Nachnahme ergeben sich aus der vom Zeugen KHK Z33 erläuterten Rechnung der dd) GmbH vom 31. Oktober 2013.
571(3) Die Einzelheiten der Bestellung von drei Magazinen für die Selbstladepistole Glock 17 für 104,85 € und 15 Magazinen für das Sturmgewehr AK 47 für 119,25 € bei der Firma Cc) am 31. Oktober 2013 – mithin zu einem Zeitpunkt, als sich die Angeklagte C. in Syrien bei ihren Söhnen befand – hat der Zeuge KHK Z33 geschildert. Danach sei die Bestellung unter dem Konto „...71“ und der damit verknüpften E-Mail-Adresse ll)@yahoo.com.tr, welche nach den Ermittlungen der Angeklagten C. zuzuordnen sei, erfolgt. Die Ware sei auftragsgemäß an die Anschrift der Angeklagten C. in K. geliefert worden. Ausweislich einer schriftlichen Auskunft der X-Bank vom 4. März 2014 bestätigt ein dort vermerkter korrespondierender Zahlungsvorgang, dass der Angeklagte B. eine entsprechende Rechnung am 5. November 2013 – mithin zum Zeitpunkt des Syrienaufenhalts des Angeklagten B. – zusammen mit der Rechnung für die folgende Bestellung unter (4) beglichen hat.
572(4) Für die Feststellungen über die Bestellung von 35 Magazinen für das Sturmgewehr AK 47 für 278,25 € bei der Firma Cc) am 3. November 2013 über das Konto „...71“ und der damit verknüpften E-Mail-Adresse ll)@yahoo.com.tr der Angeklagten C. sowie zur Zahlung durch den Angeklagten B. über dessen Konto bei der X-Bank gelten die Ausführungen zu den Beweisgrundlagen unter (3) entsprechend.
573(5) Dass am 13. November 2013 über das Online-Aktionshaus „kk)“ unter dem dortigen Konto „...997“ und der damit verknüpften E-Mail-Adresse „Y..E..B.91@googlemail.com“ bei der Firma hh) mbH & Co KG zehn Magazine für das Sturmgewehr AK 47 für 98 € bestellt wurden, hat ebenfalls der Zeuge KHK Z33 erläutert. Dies folgt auch aus der dazu passenden Rechnung vom selben Tag, die als Besteller E. B. mit Lieferanschrift der Angeklagten C. aufführt. Davon, dass die Zahlung der Ware durch den Angeklagten B. erfolgte, ist der Senat angesichts weiterer, sich aus der Auskunft der X-Bank vom 4. März 2014 ergebender Überweisungen des Angeklagten B. an das Auktionshaus kk) vom 16. Oktober 2013 und vom 8. November 2013 sowie des Umstandes, dass der Angeklagte allgemein eingeräumt hat, sämtliche ihm vorgeworfenen Zahlungen geleistet zu haben, überzeugt.
574(6) Für die Feststellungen zur Bestellung von 250 Magazinen für das AK 47 für 1.987,50 €, einem Gehörschutz für 24,95 € und einem Zweibein variabel 6-9 Zoll mit Drehgelenk und Zubehör für 67,85 € bei der Firma Cc) am 17. November 2013 wird ebenfalls auf die auch hier geltenden Ausführungen unter (3) verwiesen. Laut der schriftlichen Auskunft der X-Bank vom 4. März 2014 hat der Angeklagte B. diese Rechnung am 21. November 2013 in zwei Teilbeträgen beglichen. Angesichts der entsprechenden Nennung eines „Zweibeins“ im Sicherstellungsverzeichnis ist der Senat davon überzeugt, dass es sich bei dem gelieferten Zweibein um dasjenige handelt, das am 6. Dezember 2013 beim Ausreiseversuch der Angeklagten C. sichergestellt wurde.
575(7) Die Bestellung von Kälteschutzstiefeln für 39,98 € und einem Leuchtpunktvisier Walter EPS 3 für 168,98 € bei der Fa. Ff) am 18. November 2013 ergibt sich zunächst aus der entsprechenden Rechnung vom selben Tag, in der die Angeklagte C. als Bestellerin und ihre K.er Anschrift als Lieferadresse angegeben sind. Die Zahlung entsprechend der ausweislich des Rechnungsinhalts vereinbarten Nachnahme ergibt sich daraus, dass die Ware nicht zurückgesandt wurde und beim Ausreiseversuch der Angeklagten C. am 6. Dezember 2013 ausweislich des Sicherstellungsverzeichnisses vom 6. Dezember 2013 unter anderem eine entsprechende Zielvorrichtung sichergestellt wurde.
576(8) Die Feststellungen zum Kauf von Kleinteilen für insgesamt ca. 250 €, einem Ladehebel für ein Sturmgewehr für 10,84 €, zwei Magazintaschen für 48,74 €, Magazinhalterungen für 10 €, Visierzubehör für 10 €, zwei „Tactical Kit“ für die AK 47 für 50,26 €, Zubehör für die Glock Pistole für 12,52 €, einer Magazintasche für 8,24 €, drei Gewehrgurten für 19,92 €, einem Gewehrgurt für 6,64 €, Zubehör (Schiene) AK 47 für 16,72 € und einer AK QD Sidemount (zur Befestigung von Zielhilfen) für 16,72 €, bei der Firma Gg) GmbH am 22. November 2013 beruhen auf dem dort erstellten Bestellblatt mit Kundendaten und den sich aus der dazugehörigen Rechnung ergebenden Daten. Danach erfolgte die Bestellung unter dem Namen der als Kundin mit der E-Mail-Adresse ll)@yahoo.com.tr verzeichneten Angeklagten C., wobei als Lieferadresse wiederum ihre Anschrift in K. aufgeführt war. Ebenfalls ist auf der Rechnung vermerkt, dass die Zahlung per Vorkasse erfolgte. Dass der Angeklagte B. diese Zahlung bereits am 21. November 2013 veranlasste, geht aus der Auskunft der X-Bank vom 4. März 2014 hervor.
577(9) Für die Feststellungen zur Bestellung von vier Magazinen für das Sturmgewehr M16 für 41 € bei Hh) über das Online-Aktionshaus „kk)“ unter dem Konto „...71“ und der damit verknüpften E-Mail-Adresse ll)@yahoo.com.tr der Angeklagten C. gilt das bereits zum Bestellvorgang über diese Online-Plattform unter (5) Gesagte. Dafür, dass ihr Sohn E. Y. B. ihre E-Mail-Adresse für diese Bestellung nutzte, spricht der bereits unter C. III. 2. e aufgeführten Chat vom 22. November 2013 zwischen der Angeklagten C. und S. N., der diese Bestellung und die Bitte des Händlers um Zahlung zum Inhalt hat. Die Bezahlung der Bestellung durch den Angeklagten B. folgt wiederum aus der Auskunft der X-Bank vom 4. März 2014.
578(10) Die Bestellung von 30 Magazinen für die Pistole Glock 9 mm für 1.290 €, einem AGR-47S Pistolengriff für AK-Serie für 35 € und einem System für die Pistole Glock zur Umwandlung in ein Gewehr für 499,99 € bei der Firma ii) GmbH am 23. November 2013 erfolgte ebenfalls über das Online-Aktionshaus „kk)“ unter dem Konto „...71“ und der damit verknüpften E-Mail-Adresse ll)@yahoo.com.tr der Angeklagten C.. Die Bestelldaten ergeben sich aus der Rechnung der Firma ii) GmbH von diesem Tag, aus der zudem die Lieferadresse der Angeklagten C. in K. hervorgeht. Die Feststellungen zur Zahlungsweise per Vorkasse ergeben sich ebenfalls aus dieser Rechnung. Deren Begleichung durch den Angeklagten B. ergibt sich aus der Auskunft der X-Bank vom 4. März 2014. Entsprechend wurden bei der versuchten Ausreise der Angeklagten C. am 6. Dezember 2013 in deren Gepäck 31 Pistolen-Magazine Glock 9 mm sowie ein Griffstück AGR-47 sichergestellt.
Die Feststellungen zur (versuchten) Verbringung der erworbenen Waren durch die Angeklagten C. und B. nach Syrien beruhen auf der Einlassung des Angeklagten B., polizeilichen Erkenntnismitteilungen, Vermerken und Sicherstellungen, den Aussagen der Zeugen KHKin Z39, POK Z40 und ZI Z41, Whatsapp-Chats, überwachten Telefonaten und Lichtbildern.
580(1) Dass die Angeklagte C. am 30. November 2013 beim Flug vom Flughafen Köln/Bonn über Istanbul nach Gaziantep in ihrem Gepäck ca. 50 Magazine für Sturmgewehre des Typs AK 47 mit sich führte, beruht zunächst auf den Angaben des Zeugen POK Z40. Dieser hat bekundet, dass bei einer Koffernachschau ein Koffer und ein Trolley gefüllt mit ca. 50 fabrikneuen AK-47-Magazinen aufgefallen seien. Die Zuordnung der Gepäckstücke zur Angeklagten C. und die Destination Gaziantep hätten sich aus den darauf befindlichen Gepäckaufklebern ergeben und daraus, dass die Angeklagte sich als deren Inhaberin ausgegeben habe.
581Dass die Angeklagte mit diesem Gepäck zunächst in die Türkei reiste, ist aus dem in ihrem Reisepass enthaltene Ausreisevermerk des Flughafens Istanbul vom 1. Dezember 2013 zu schließen. Dass sie sich im Zeitraum vom 30. November bis 1. Dezember 2013 von dort nach Syrien begab, folgt aus der Einlassung des Angeklagten B., die Angeklagte C. habe beim ersten Mal, als sie „mit Magazinen nach Syrien geflogen“ sei, 50 Magazine bei sich gehabt und sei trotz Kontrolle nicht aufgehalten worden.
582Ihren Aufenthalt in Syrien in dieser Zeit legen zudem Whatsapp-Chats mit S. N. am 23. November 2013 und E. Y. B. am 28. November 2013 nahe. Darin geht es um zwei Flugreisen der Angeklagten zu ihren Söhnen. So berichtet sie S. N., dass die gebuchten Tickets teuer seien und sie deshalb für den 6. Dezember 2013 günstigere Tickets gebucht habe. Bei dem Flug werde sie die Kosten für das Gepäck sparen, weil sie Reisende gefunden habe, die kein Gepäck hätten und ihr Gepäck mitnehmen könnten. Dadurch spare sie 500 €. Mit E. Y. B. tauscht sich die Angeklagte entsprechend aus. Auf seine Frage, ob sie jetzt komme oder nicht, antwortet sie, dass sie komme. Sie habe für „nächste Woche Tickets gekauft, nächste Woche noch mal“. Denn der Flug in der nächsten Woche sei günstiger: „Es ist viel Geld, fast 700 €, ich kann kommen; morgen 400 € plus Gepäck, 200 € nächste Woche, kein Gepäckgeld, da zwei Leute mitfliegen und haben kein Gepäck“.
583Gegen eine Reise nach Syrien in dieser Zeit spricht auch nicht, dass der Reisepass der Angeklagten C. keine Vermerke enthält, aus denen sich unmittelbar eine Einreise nach oder Ausreise aus Syrien ergeben. Naheliegend erscheint es, dass nicht sämtliche Reisen der Angeklagten C. von der Türkei nach Syrien und zurück kontrolliert und vermerkt wurden. Dem Journalisten Z37 hat die Angeklagte in einem Telefonat vom 5. Juni 2014 etwa berichtet, dass sie bei keinem ihrer Aufenthalte die ganze Zeit in Syrien gewesen, sondern zwischendurch immer wieder in die Türkei gefahren sei. Zu diesen weiteren Ein- und Ausreisen enthält der Reisepass der Angeklagten ebenfalls keine entsprechenden Vermerke.
(2) Die Feststellungen zur versuchten Auslieferung des beschafften Waffenzubehörs nach Syrien durch die Angeklagte C. am 6. Dezember 2013 beruhen auf den Angaben des Zeugen ZI Z41. Dieser hat bekundet, an diesem Tag von der Nachschau der Bundespolizei darüber informiert worden zu sein, dass in einem Koffer Magazine für Waffen aufgefunden worden seien. Aus dem auf dem Koffer befindlichen Etikett seien der Name der Angeklagten C. und die Destination Ankara ersichtlich gewesen. Es sei zudem ermittelt worden, dass die Angeklagte noch zwei weitere Gepäckstücke aufgegeben habe. Er selber habe diese beiden weiteren Gepäckstücke, nachdem sie aus dem Flugzeug geholt worden seien, geöffnet und zwei oder drei Zielfernrohre und Magazine vorgefunden. Diese Waren und diejenige aus dem bereits von der Bundespolizei geöffneten Koffer seien zusammengetragen und sichergestellt worden.
585Dass es sich dabei insgesamt um 183 Waffenmagazine für das Sturmgewehr AK 47, 31 Magazine für Pistolen des Typs Glock 9 mm, vier Magazine für das Gewehr AR 15, Typ Brownells Montezuma 12238, drei Zielvorrichtungen (Walther Evolution Pointsight 3, Walther PS 44, Walther PS 55), eine Zielvorrichtung für eine Jagdwaffe (Ritter Optik), ein Griffstück für das Sturmgewehr AK 47, eine Standhilfe für Waffen (Artemis BP09 Zweibein, 6 9 Zoll) und einen Waffenaufsatz ohne Bezeichnung handelte, ergibt sich aus dem entsprechenden Sicherstellungsverzeichnis vom 6. Dezember 2013 und aus im Rahmen der Sicherstellung angefertigten Lichtbildern.
586Bei der Durchsuchung der Angeklagten und ihres Gepäcks konnten neben den aufgeführten Gegenständen zudem die Visitenkarte eines in Gaziantep ansässigen Händlers für Waffenzubehör sowie die türkischen Personalausweise ihrer Söhne I. und E. Y. B. sichergestellt werden.
(3) Dass die Angeklagte am 7. Dezember 2013 einen weiteren Versuch unternahm, das seit Oktober 2013 beschaffte Waffenzubehör zu ihren Söhnen zu bringen, ergibt sich hinsichtlich der Reise zunächst daraus, dass ihre Einreise am Flughafen Ankara an diesem Tag in ihrem Reisepass vermerkt ist. Ausweislich der Anklageschrift der Oberstaatsanwaltschaft Gaziantep vom 25. Dezember 2013 wurde sie zudem am 9. Dezember 2013 am Flughafen in Gaziantep mit 97 Waffenmagazinen für das AK 47 angehalten, die von den türkischen Behörden beschlagnahmt wurden. Bei der Durchsicht ihres Gepäcks durch den deutschen Zoll bei ihrer Wiedereinreise aus der Türkei am 13. Dezember 2013 wurden unter anderem ein Zettel mit der Bemerkung „3x9x40 rifflescope", die Visitenkarte eines Softairwaffenshops (A…) sowie eine Bedienungsanleitung für ein Modifikationsmodul der Pistole Glock 17/19 aufgefunden; zudem befanden sich zwei leere Rucksäcke und eine Laptoptasche ohne Laptop in ihrer Reisetasche, was einem Erkenntnisvermerk des ZS Lau vom 13. Dezember 2013 zu entnehmen ist.
588Dass die von der Angeklagten C. am 30. November 2013 und 7. Dezember 2013 ausgeführten sowie die am 6. Dezember 2013 sichergestellten Waffenmagazine, das Griffstück für das AK-47-Gewehr und das Zweibein Artemis der Ausfuhrliste der Außenwirtschaftsverordnung unterfallen, wird durch eine Stellungnahme des Bundesamts für Ausfuhr- und Wirtschaftskontrolle vom 12. März 2014 bestätigt.
(4) Die Feststellungen zur versuchten Ausfuhr von Gegenständen durch den Angeklagten B. am 8. April 2014 beruhen auf den Angaben der Zeugin KHKin Z39. Diese hat bekundet, dass sich aus einem überwachten Telefonat zwischen den Angeklagten C. und B. ergeben habe, dass der Angeklagte in die Türkei fliege. Bei der daraufhin veranlassten Gepäcknachschau beim Angeklagten sei Waffenzubehör gefunden, durch die Bundespolizei sichergestellt und dann an das Polizeipräsidium Köln übergeben worden. Am Folgetag sei eine Ausreiseuntersagung gegen den Angeklagten B. erwirkt worden. In der Nacht zum 10. April 2014 sei es jedoch zu einem neuerlichen Ausreiseversuch des Angeklagten B. gekommen. Die Angaben der Zeugin KHKin Z39 finden Bestätigung in einem Vermerk des ZOI Z42 vom 8. April 2014 über die Kontrolle des Gepäcks des Angeklagten sowie seiner Frau.
590Dass im Vorfeld tatsächlich über die Reise und die Mitnahme von Waffenteilen kommuniziert wurde, ergibt sich aus den überwachten Telefonaten. Bereits am 10. März 2014 kündigte die Angeklagte C. ihrem Sohn I. an, dass der Angeklagte B. ein Paket von M. A. für S. und 500 € für I. mit in die Türkei nehmen werde; E. solle die Sachen dann weiterleiten. Am 6. April 2014 fragte der Angeklagte B. – wie bereits ausgeführt – wiederum zeitnah die Angeklagte C., ob die Ware problemlos mitgenommen werden könne.
591Dass sich in dem sichergestellten Gepäck drei Zielfernrohre (Walther ZF4-12x50, Walther ZF3-9x44 Sniper, Walther 3-9x56), ein Sporting type scope Mount „MNT-970T“, drei Ringe für Zielfernrohre “Mount rings”, 1 Reflexvisier (GP 686), ein Walther „Tactical Cordswitch“, zwei Waffenkleinteile ohne Bezeichnung sowie fünf Montageschienen „AK QD Sidemount“ zur Befestigung von Zielfernrohren am Sturmgewehr AK 47 befunden haben, ergibt sich aus dem Sicherstellungsverzeichnis vom 8. April 2014 und Lichtbildern der Gegenstände.
592Dass das Gepäck dem Angeklagten B. zuzuordnen ist, ergibt sich schließlich jedenfalls aus einem Telefonat mit seinem Schwager M. Ö. vom 10. April 2014, in dem er von der Sicherstellung seines Gepäcks am Flughafen berichtet.
593Die Einbindung der Angeklagten C. in die Beschaffung der Waren wird zudem durch den auf ihren Namen ausgestellten Lieferschein der Firma Gg) GmbH vom 8. Dezember 2013 über fünf entsprechende Montageschienen bewiesen. Der Lieferschein wurde am 8. April 2014 beim Ausreiseversuch des Angeklagten B. ebenfalls sichergestellt.
594Dass die im Gepäck des Angeklagten B. sichergestellten Zielfernrohre von I. und E. Y. B. im Internet bestellt worden waren, folgt aus einem am 20. April 2014 überwachten Telefonat, in dem der Angeklagte B. dem Vater der Angeklagten A., M. A., davon berichtete.
595Dass der Angeklagte B. in der Nacht zum 10. April 2014 erneut versucht hat auszureisen, folgt aus einem Telefonat vom 13. April 2014, in dem die Angeklagte C. I. B. berichtete, dass dem Angeklagten B. schriftlich mitgeteilt worden sei „bis dahin, nächsten Tag, darfst Du nicht fliegen, aber danach ja.“ Der Angeklagte B. habe nach ausdrücklicher Nachfrage ein neues Ticket gekauft, sei aber dennoch an der Ausreise gehindert worden. Die Ehefrau des Angeklagten hingegen habe beim zweiten Mal fliegen dürfen.
Dass die Angeklagte C. im Zeitraum vom 23. Dezember 2014 bis 27. März 2015 insgesamt 25 Ladegeräte mit hoher Kapazität (sog. „Power Banks“), die von ihrem Sohn E. Y. B. für den Geschäftsverkehr mit I. B. bei Amazon bestellt worden waren, für diesen entgegennahm, ergibt sich aus überwachten Telefonaten und einer schriftlichen – automatisierten – Auskunft der Firma Amazon vom 23. November 2015.
597Dass die Power Banks unter dem Kundennamen Y. E. B.s und der damit verbundenen E-Mail-Adresse yes.B.@gmail.com am 23. Dezember 2014 (zwei Geräte), am 24. März 2015 (zwei Geräte) und am 27. März 2015 (21 Geräte) bestellt und mit dessen Mastercard bezahlt wurden, folgt ebenso aus der genannten Amazon-Auskunft wie die dort ebenfalls eingetragene Lieferanschrift der Angeklagten C.. Während diese als Adressatin der Lieferungen vom 24. und 27. März 2015 vermerkt ist, ist bezüglich der Bestellung vom 23. Dezember 2014 S. N. als Adressatin unter der Anschrift der Angeklagten C. aufgeführt.
598Dass die bestellten Ladegeräte für die geschäftliche Tätigkeit der Söhne in Syrien vorgesehen waren, ergibt sich aus dem Inhalt mehrerer Telefonate, in denen die Problematik der Stromversorgung in Syrien angesprochen wurde, sowie aus der Anzahl der in mehreren Bestellvorgängen über einen kürzeren Zeitraum insgesamt bestellten Geräte.
599In einem Gespräch vom 3. Juni 2014 berichtete I. B. etwa der Angeklagten C. zur allgemeinen Versorgungslage mit Strom, einen Dieselgenerator kaufen zu wollen, da sie „seit gestern keinen Strom“ hätten. Die Besorgung von Speicherladegeräten durch E. Y. B. für die geschäftliche Tätigkeit seines Bruders ist zudem ausdrücklich Gegenstand eines vorgelagerten Telefonats zwischen der Angeklagten C. und E. Y. B. vom 14. August 2014. Darin berichtete E. Y. B., dass er „diese Power-Bank“, „was I. immer bei Amazon gekauft hatte“, „um Handys aufzuladen“, nunmehr in großer Menge und günstiger in China zu erwerben beabsichtige. Der Transport von Akkuladegeräten von Deutschland aus zu I. B. wird zudem bereits in einem Gespräch zwischen der Angeklagten C. und E. Y. B. vom 5. Februar 2014 thematisiert. Darin teilte die Angeklagte C. E. Y. B. mit, dass „Papa die Akkus, die zum I. gehen“ über die Tochter seiner Frau in die Türkei nach Ankara geschickt habe. In der Folge wird die Weiterleitung in der Türkei an E. Y. B. per Post oder durch Übergabe erörtert. In einem Telefonat vom 13. April 2014 teilte der Angeklagte B. seinem Sohn E. mit, dass der Koffer mit Ladegeräten für I. „hier“ geblieben sei, woraufhin beide erörtern, auf welchem Weg die Elektrogeräte transportiert werden können. In einem Gespräch am 26. April 2014 wies I. B. wiederum gegenüber der Angeklagten C. darauf hin, dass er die Ladegeräte, die in K. vergessen worden seien, brauche, weil er vor Ort nur „Gefälschte“ bekäme.
600Aufgrund der zeitlichen Nähe der beiden Bestellvorgänge vom 24. und 27. März 2015 konnte der Senat nicht ausschließen, dass die zu diesen Zeitpunkten bestellten Geräte einer einheitlichen Aufbewahrung und Vorbereitung zur Weiterleitung an E. Y. und I. B. zugeführt wurden.
aa) (Fall 12) Dass die Angeklagte C. am 28. Mai 2014 eine Barüberweisung in Höhe von 500 € an E. Y. B. ausführte, wovon 200 € an I. weitergeleitet werden sollten, ergibt sich aus einem Telefonat zwischen der Angeklagten C. und E. Y. B. an diesem Tag, worin die Angeklagte C. ihrem Sohn mitteilt, dass sie eine entsprechende Barüberweisung veranlasst habe und davon 200 € für I. bestimmt seien. Der Vorgang einer solchen Barüberweisung durch die Angeklagte C. an E. Y. B. wird durch einen entsprechenden Kontoauszug der Y-Bank vom 5. Juni 2014 bestätigt. Am 30. Mai 2014 wird der am Vortag erfolgte Eingang des Geldes von E. Y. B. gegenüber seiner Mutter mitgeteilt.
bb) (Fall 13) Dass die Angeklagten C. und B. im Juni 2014 an E. Y. B. 700 € zur Anschaffung zweier Laptops für I. B.s Geschäftsbetrieb in Syrien schickten, ergibt sich aus dem Kontoauszug der Y-Bank vom 14. Juli 2014, aus dem die Überweisung eines solchen Geldbetrages von dem Angeklagten B. an seine Eltern am 18. Juni 2014 hervorgeht, die die Summe sodann an E. Y. B. weiterleiten sollten, wie sich aus der überwachten Telekommunikation ergibt.
603Dass das Geld von der Angeklagten C. stammte und für den Erwerb von Laptops vorgesehen war, die E. Y. B. für I. B. kaufen und diesem in Syrien für dessen geschäftliche Tätigkeit zukommen lassen sollte, ergibt sich aus verschiedenen Telefonaten. So berichtete I. B. seiner Mutter am 8. Juni 2014, dass er beabsichtige, ein Internetcafé mit Verkauf von Getränken und Süßigkeiten zu eröffnen, und hierfür Rechner benötige („so viele wie möglich“). Beide verständigten sich darauf, dass die Angeklagte C. E. Y. Geld schicken sollte, damit dieser in der Türkei für I. zwei Laptops besorgen konnte. In einem Gespräch vom 9. Juni 2014 kündigte die Angeklagte C. dementsprechend E. Y. B. an, ihm Geld für Laptops – 300 € je Gerät – für seinen Bruder zu übersenden. Sie habe I. zwei Laptops versprochen; er wolle das Internetcafé eröffnen. E. Y. B., dem sie das Geld schicken werde, solle hierfür zwei Laptops besorgen.
604In einem Telefonat vom 17. Juni 2014 teilte die Angeklagte C. dem Angeklagten B. mit, „dass wieder 6/700 in die Türkei“ müssten und fragte ihn, ob er es schicke oder sie es machen solle. Dieser entgegnete, dass er es schicken werde: „Ich werde es noch heute über Internet schicken, dann bekommt er es morgen. Also, ich schicke es zu meiner Mutter, die wird es abheben und ihm geben.“ Daraufhin bestimmte die Angeklagte C., dass er 700 € schicken solle, sie werde dem Angeklagten B. das Geld in den Briefkasten werfen.
cc) (Fall 17) Dass E. Y. B. um den 14. Januar 2015 über den Angeklagten B. und dessen Vater M. 500 € aus dem Vermögen der Angeklagten C. (auch) für die festgestellten geschäftlichen Zwecke erhielt, ergibt sich insbesondere aus dem Inhalt von Telefongesprächen, Bankunterlagen sowie der Einlassung des Angeklagten B..
606In einem Gespräch vom 13. Januar 2015 erwähnte der Angeklagte B. gegenüber seinem Vater eine an ihn vorgenommene Zahlung: „Wenn du zur Bank gehst … da ist auch etwas auf Deinen Namen“. Am 14. Januar 2015 wies er seinen Vater an, E. Y. B. „von dem Geld 500 € zu geben“. Kurz zuvor teilte die Angeklagte C. diesem mit, dem Angeklagten B. Geld für einen entsprechenden Transfer in den Briefkasten zu werfen.
607Eine Überweisung von 1000 € durch den Angeklagten B. an seinen Vater bereits am 6. Januar 2015 folgt aus dem Kontoauszug der Y-Bank vom 19. Januar 2015.
608Dass das Geld jedenfalls auch für den Wareneinkauf für I. B.s Geschäfte in Syrien bestimmt war, ergibt sich aus den Umständen der vorgehenden Zuwendungen und deren jeweiliger Verwendung. Darüber hinaus hatte E. Y. B. im Herbst 2014 die Firma „W. G.“ gegründet, deren Geschäftszweck die Beschaffung von Outdoorbekleidung und -ausrüstung, Tarnkleidung, Messern, Zielvorrichtungen für Schusswaffen, Drohnen und Zweibeine war, die an I. B. nach Syrien weitergeleitet wurden. Dass I. B. zu diesem Zeitpunkt tatsächlich (weiterhin) Ware von seinem Bruder erhielt, folgt aus der Einlassung der Angeklagten A., nach dem Umzug nach „Minbij“ Ende 2014/Anfang 2015 sei I. B. – nach den Berichten ihr gegenüber – öfter nach Raqqa und Al Bab gereist, um dort Ware von seinem Bruder E. Y. B. zu erhalten. I. B. habe diese Waren dann weiterverkauft.
609Die nach ihrer Höhe nicht unerhebliche und eine rein private Verwendung nicht nahelegende Zahlung fügt sich in die bestehende Abrede und die vielfach praktizierte Vorgehensweise der Angeklagten und ihrer Söhne, Geld an E. Y. B. zu schicken, damit dieser aus der Türkei heraus seinen Bruder mit Waren versorgte, die I. B. wiederum in Syrien veräußerte.
dd) (Fall 18) Die Feststellungen zur zeitnah vor dem 13. März 2015 erfolgten weiteren Übersendung von 1.000 € von der Angeklagten C. an E. Y. B. mit der Maßgabe, hiervon jeweils 500 € für sich und 500 € für I. B. zu verwenden, beruhen auf den entsprechenden Angaben der Angeklagten C. in einem überwachten Telefonat mit ihrem Vater am 13. März 2015. Darin teilte sie ihrem Vater auf dessen Frage mit, dass sie „Taschengeld geschickt“ habe, „500 an I. und 500 an E.“. Auf die Frage ihres Vaters, was die Söhne damit machten, erklärte sie, dass E. „für sich etwas, für I. etwas kauft. Er kauft Schuhe und schickt sie I., und so.“
611Aus der bereits unter aa) dargestellten Verwendung des Begriffs „Taschengeld“ als nicht nur geringfügige, sondern beabsichtigte regelmäßig – monatlich – wiederkehrende Zahlung in beträchtlicher Höhe („nicht wegen 50 €, sondern wegen Taschengeld“) und den Umständen der vorhandenen Organisationsabrede sowie der nach dieser Vereinbarung erfolgten vorgehenden Leistungen sowie der Gründung der auch auf den Verkauf von Outdoorbekleidung gerichteten Firma „W. G.“ durch E. Y. B. hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass dieser Betrag (jedenfalls auch) den beschriebenen Geschäften der Söhne diente.
(1) In diesem Gespräch berichtete der Angeklagte B. der Angeklagten C., dass er einen Kredit in Höhe von 20.000 € erhalten habe. C. forderte ihn daraufhin auf, „alles“ zu geben, worauf B. erwiderte, er beabsichtige, zunächst Schulden zurückzuzahlen. Die Angeklagte C. forderte ihn daraufhin auf, dann „wenigstens 15.000“ zu geben, worauf der Angeklagte B. einwilligte. C. bat ihn, das Geld in kleinen Raten von etwa 3.000 € oder 5.000 € an seinen Vater zu überweisen, der es dann E. Y. B. weitergeben solle. Dieser benötige für seine Geschäfte 15.000 €, davon 10.000 € dringend. Auf die Frage des Angeklagten B., ob sie das Geld „E. geben wolle, damit der eine Wohnung kauft“, antwortete sie, dass der Sohn das Geld für die Arbeit nutzen werde: „er wird Ware kaufen, er wird ein Geschäft machen, er wird Ware kaufen“.
613Der Umstand, dass der Angeklagte B. tatsächlich entsprechende Darlehensvaluta ausgereicht erhielt, wird durch eine Auskunft der Y-Bank vom 13. Juli 2015 bestätigt, wonach am 24. April 2015 eine entsprechende Gutschrift in Höhe von 20.000 € auf das Konto des Angeklagten erfolgte.
614Die Zuwendung von insgesamt 15.900 € an E. Y. B. im April und Mai 2015 über den Angeklagten B. belegen zum einen ebenfalls die Kontoauszüge des Angeklagten B. bei der Y-Bank. Daraus gehen Überweisungen des Angeklagten an seinen Vater am 24. April 2015 in Höhe von 5.000 € und 2.900 € hervor. Zum anderen ergibt sich aus einem Telefonat vom 30. April 2015, dass eine weitere Summe (die Hälfte von „15“) an die Angeklagte C. übergeben werden sollte, damit deren Vater das Geld bei seiner Reise in die Türkei am 5. Mai 2015 zur Weiterreichung an E. Y. B. mitnehmen konnte. In diesem Telefonat leitete die Angeklagte C. die Frage ihres Sohnes E. Y. B., ob der Vater 15.000 schicken werde, damit er dementsprechend Ware kaufen könne, an den Angeklagten B. weiter. Dieser bestätigte, dass er das Geld mit ihrem Vater schicken werde.
615Eine korrespondierende Bargeldabhebung von 8.000 € vom Konto des Angeklagten B. am 4. Mai 2015 ergibt sich aus der Auskunft der Y-Bank vom 13. Juli 2015.
616Dass die Angeklagte C. dieses Geld ihrem Vater unmittelbar vor dessen Flug übergab, legt wiederum ein Telefonat mit ihrer Familie vom 4. Mai 2015 nahe, in dem sie dringend um ein Gespräch mit ihrem Vater bat. Dass das Geld bei E. Y. angekommen war, folgt aus Telefonaten zwischen der Angeklagten C. und ihrer Mutter. So beklagte sich die Mutter der Angeklagten am 10. Mai 2015 über die hohe Geldzahlung an E. Y.. Dieser brauche kein Geld, er habe sogar einen Mitarbeiter, der nach Russland reise. Am 10. Juli 2015 bestätigte die Angeklagte C. ihrer Mutter auf Nachfrage ausdrücklich, dass sie E. „15“ für seine Geschäfte geschickt habe. Dieser habe ihr gesagt: „Mutter, ich will Geschäfte machen und das Geld vervielfachen“.
(2) Der seitens der Verteidigung der Angeklagten C. hilfsweise für den Fall, dass der Senat zu dem Ergebnis kommen sollte, die Angeklagte C. habe im Fall 19 der Anklage im Wissen um beabsichtigte Geschäfte ihres Sohnes E. Y. mit Waffen und Zubehör für Kampfhandlungen gehandelt, gestellte Antrag war abzulehnen.
618Mit dem Antrag begehrte die Verteidigung die Vernehmung des M. Ö., des Bruders der Angeklagten, zu der Behauptung, E. Y. B. habe in der gemeinsam mit seinem Großvater bewohnten Wohnung Damenschuhe sowie zivile Bekleidung für Damen und Männer aufbewahrt und „ihm“ – gemeint wohl der Zeuge – dazu erklärt, er werde mit dem Handel dieser Gegenstände Geld verdienen. Weiterhin habe E. Y. B. von diesen Gegenständen Fotos gemacht und sie in die Familienchatgruppe, zu der auch die Angeklagte C. gehört habe, mit der Angabe geschickt, er werde sich mit dem Handel dieser Gegenstände selbständig machen.
619Die Vernehmung des Zeugen war zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 244 Abs. 5 Sätze 1 und 2 StPO), wobei es nicht darauf ankommt, dass der Antrag nur auf eine als „folgend“ beschriebene, tatsächlich aber nicht genannte Anschrift in Ankara Bezug nimmt.
620Die Aufklärungspflicht gebot die Vernehmung des in der Türkei zu ladenden Zeugen aufgrund einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der Bedeutung und des Beweiswerts der Aussage vor dem Hintergrund der übrigen Beweisaufnahme sowie des zeitlichen und organisatorischen Aufwands einer Ladung nicht.
621Dem Antrag sind bereits die näheren Umstände der behaupteten Mitteilung an den Zeugen nicht zu entnehmen, insbesondere wann sie erfolgt sein soll und welchen genauen Inhalt sie danach hatte. Gleiches gilt für die genannten Fotos. Jedenfalls wäre weder aus einer entsprechenden Mitteilung an ihren Bruder noch durch die – anzunehmende – Kenntnis der Angeklagten C. von in die Familienchatgruppe eingestellten Bildern mit ziviler Bekleidung für Damen und Herren der Schluss zu ziehen, die Angeklagte sei in der Folge davon ausgegangen, E. Y. B. handele ausschließlich mit solcherart Waren.
622Das ergibt sich zunächst daraus, dass die Angeklagte C. bis zur Ausreise E. Y. B.s von Syrien in die Türkei bereits mehrfach für diesen Waffenmagazine und militärische Zubehörstücke gesammelt und in die Türkei verbracht oder dies jedenfalls versucht hatte.
623Dass E. Y. B. auch in der Türkei mit Waffenzubehör und militärischen Ausrüstungsgegenständen handelte, folgt namentlich aus Bezeichnung und Geschäftszweck der von ihm – wie ausgeführt – spätestens im Herbst 2014 und damit zeitlich deutlich vor der hier gegenständlichen Zahlung gegründeten Firma „W. G.“. Der Angeklagten C. waren sowohl die Gründung des Geschäfts wie auch dessen Geschäftszweck bekannt. So hatte E. Y. B. die Angeklagte bereits am 8. Juli 2014 über die Vorbereitungen zur Gründung telefonisch informiert. Zudem hat die Auswertung des Mobilfunkgeräts der Angeklagten C. ein dort gespeichertes Foto mit einer Visitenkarte des Unternehmens ergeben. Das Angebot des Unternehmens ergab sich unmittelbar aus dessen Internetauftritt; es umfasste, wie sich aus der Auswertung durch das Bundeskriminalamt vom 4. November 2014 ergibt, Outdoorbekleidung, Tarnkleidung, Outdoorausrüstung, Messer, Zielvorrichtungen für Schusswaffen, Drohnen und Zweibeine.
ff) (Fall 20) Dass die Angeklagte C. um den 11. Mai 2015 ihrem Sohn I. B. für einen zu geschäftlichen Zwecken erfolgten Fahrzeugkauf Geld zukommen ließ, beruht auf den Inhalten überwachter Telefonate.
625In einem Gespräch mit ihrer Schwester vom 11. Mai 2015 berichtete die Angeklagte C., dass „ein Sohn“ ein Fahrzeug für 4.500 € gekauft habe, weshalb sie innerhalb von zehn Tagen 1.000 € besorgen müsse. Die Unterstützung sei nötig, andernfalls könne er vor Ort nicht arbeiten.
626Dass es sich bei dem erwähnten Sohn um I. B. handelt, ergibt sich aus einem Telefonat der Angeklagten C. und B. vom 18. Mai 2015. Darin bat C. den Angeklagten B., I. die noch fehlenden 1.000 € für das Auto zukommen zu lassen, sie werde ihm das Geld Anfang Juni erstatten. Sie habe zwar schon Geld geschickt, das habe aber nicht genügt. Der Angeklagte B. sagte daraufhin die Zahlung über seinen Vater zu, während C. es übernehmen wollte, E. Y. darüber zu informieren, dass er den Betrag erhalten werde.
627Am selben Tag ist ausweislich der Auskunft der Y-Bank vom 13. Juli 2015 eine entsprechende Überweisung des Angeklagten B. an seinen Vater festzustellen. Gegenüber ihrer Mutter erklärte die Angeklagte C. am 22. Mai 2015, dass sie die Hälfte des Kaufpreises für das Auto von I. gezahlt habe.
Dass die Angeklagten C. und B. auch über den Tatzeitraum hinaus den Kontakt zu ihren Söhnen aufrecht hielten und auch während der Flucht I. B.s mit diesem in Verbindung standen, ergibt sich aus Telefongesprächen, Chats und Lichtbildern.
629In einem Telefonat vom 3. Januar 2018 teilte die Angeklagte C. ihrem Ehemann G. C. mit, dass I. am Morgen geschrieben habe, dass sie noch eine Weile „hier“ seien und nicht rauskönnten. Am 10. Januar 2018 unterrichtete sie ihren Bruder Ö. Ö. darüber, dass I. sich noch weit von der Grenze entfernt befinde. In einem Telefonat am 5. Februar 2018 berichtete die Angeklagte ihrem Bruder, dass I. B. nur ein Motorrad habe und er, die Angeklagte A. und die Kinder rund 150 km zu Fuß gehen müssten. Es sei beschwerlich, da die Angeklagte A. noch nicht entbunden habe. Aus einem Telefonat der Angeklagten C. mit ihrer Tante am 26. Februar 2018 geht wiederum hervor, dass die Flucht I. B.s und der Angeklagten A. in die Türkei nunmehr gelungen sei, wofür die Angeklagte C. 3.500 € habe aufbringen müssen.
630In einem Telefonat am 6. März 2018 erläuterte die Angeklagte C. ihrer Schwester A., dass sie einen Anwalt beauftragt habe, der zu I. B. gegangen sei und der auch zur Angeklagten A. gehen solle. Sie habe den Anwalt gebeten, ihrem Sohn mitzuteilen, dass die Angeklagte A. mit den Kindern in „Antep“ (Gaziantep) sei und mit ihnen nach Deutschland gehen werde.
631Dass die Angeklagte C. Kenntnis von der Inhaftierung E. Y. B.s durch kurdische Kräfte erlangte, ergibt sich ebenfalls aus dem bereits aufgeführten Telefonat vom 3. Januar 2018 zwischen der Angeklagten C. und ihrem Ehemann G. C., in dem sie ihm auf die Frage, ob sie von dem älteren Bruder etwas gehört habe, mitteilte, dass sein „älterer Bruder wahrscheinlich im Knast“ sei, die „PKKler“ hätten ihn verhaftet. Dies habe sie von I. B. erfahren. In dem bereits aufgeführten Gespräch mit ihrer Tante vom 26. Februar 2018 teilte sie dieser mit, dass E. Y. bei der PKK sei, sie habe mit den „PKKlern“ gesprochen und habe auch mit ihrem Sohn reden können. Sie habe dem „PKKler“ 50.000 € für die Freilassung E.s angeboten, aber der habe das Angebot abgelehnt: „Der (E.) ist unser Feind, wir verkaufen den nicht, sagt er, für Geld.“ Auf die Frage ihrer Tante, wer der Feind sei, stellte die Angeklagte C. klar: „E., E., der in der Gruppe der IS ist.“
632Davon, dass auch der Angeklagte B. über diese Umstände unterrichtet war, ist der Senat aufgrund des engen Austauschs der beiden Angeklagten über die Belange ihrer Kinder überzeugt.
633Dass die Angeklagte C. sich wie festgestellt bei ihrem Sohn I. B. in der Türkei aufhielt, ergibt sich aus der Auswertung ihres im Verlauf der Hauptverhandlung sichergestellten Mobiltelefons sowie aus dort abgespeicherten Lichtbildern aus diesem Zeitraum, auf denen sie mit ihrem Sohn abgebildet ist.
634Auf diesem Mobiltelefon der Angeklagten C. fand sich zudem unter anderem ein Chat zwischen ihr und I. B. vom 3. Oktober 2019, aus dem sich ergibt, dass auch der Angeklagte B. seinen Sohn I. zu dieser Zeit in der Türkei getroffen hatte. Der Besuch des Angeklagten B. in der Türkei ergibt sich auch aus einem an die Angeklagte A. gerichteten, abfotografierten und auf dem Handy der Angeklagten C. abgespeicherten Brief I. B.s, in dem er ihr die Begegnung mit seinem Vater schildert.
635Die Feststellungen zur aktuellen Lebenssituation des Angeklagten B. und zu seinem zwischenzeitlich distanzierten Verhältnis zu den Söhnen beruhen auf seiner insoweit glaubhaften Einlassung. Die Einlassung wird bestätigt durch Textnachrichten des I. B. an den Angeklagten.
636Die Feststellungen zur Anklageerhebung gegen die Angeklagte C. durch die Oberstaatsanwaltschaft Gaziantep stützen sich auf den Inhalt der Anklageschrift vom 25. Dezember 2013. Dass die Angeklagte C. in einem Telefongespräch vom 6. Oktober 2017 angab, „nur wegen Steuerhinterziehung“ bestraft worden zu sein und die Steuerforderung nachgezahlt zu haben, ergibt sich aus dem Inhalt des bereits dargestellten Telefonats mit ihrer Tante vom 6. Oktober 2017.
Angeklagte A.
Die Angeklagte A. hat sich durch die festgestellten Taten – in den nach der Verfolgungsbeschränkung zur Entscheidungsfindung verbliebenen Fällen 1 und 4 der Anklageschrift – wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge durch Versklavung, einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung, Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Vergewaltigung, Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer (in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen), Freiheitsberaubung mit Todesfolge und mit Körperverletzung (in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen) strafbar gemacht.
640Die ebenfalls verwirklichten Tatbestände des schweren Menschenhandels (in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen), des besonders schweren Menschenhandels, des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (gemäß § 233 Abs. 1 StGB in der bis zum 14. Oktober 2016 geltenden Fassung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen), der Freiheitsberaubung und der Beihilfe zur Vergewaltigung (gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung bzw. § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 und 3, Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 StGB in der seither geltenden Fassung) treten im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.
6411.
642a) Für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3, 6 und 10, Abs. 3 VStGB ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts bereits aus dem in § 1 Satz 1 VStGB normierten Weltrechtsprinzip; dies gilt gemäß § 2 VStGB auch für Beteiligungsformen unterhalb der Täterschaft.
643Es kann dahin stehen, ob sich für die tateinheitlich mitverwirklichten Tatbestände die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts bereits hieraus als Annex ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 71; ferner vom 3. Februar 2021, AK 50/20, juris Rn. 51; dagegen Gierhake NJW 2019, 2635 f.). Hinsichtlich des Menschenhandels gemäß § 232 StGB folgt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nämlich zudem aus § 6 Nr. 4 StGB. Sie ergibt sich ferner für sämtliche weiteren verwirklichten Tatbestände aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Die Angeklagte ist deutsche Staatsbürgerin und die jeweiligen Tatorte in Syrien befanden sich zur Tatzeit unter Kontrolle des IS; sie unterlagen daher faktisch keiner Strafgewalt (vgl. etwa BGH vom 3. März 2021, AK 10/21, juris Rn. 41; vom 9. Juni 2020, AK 12/20, juris Rn. 32 jeweils m.w.N.).
c) Die Angeklagte, die im Tatzeitraum bis zum 24. Januar 2016 als Jugendliche gehandelt hat, verfügte gemäß § 3, § 104 Abs. 1 Nr. 1 JGG nach ihrer geistigen und sittlichen Entwicklung über die Reife, das Unrecht ihrer Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
645Die Angeklagte besuchte vor ihrer Ausreise nach Syrien regulär die 10. Klasse eines Gymnasiums und erbrachte dort gute schulische Leistungen. Ferner half sie ihrer Mutter bei der Alltagsbewältigung.
646Der vom Senat herangezogene jugendpsychiatrische Sachverständige Z3 hat nachvollziehbar ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte für eine jugendpsychiatrische Störung bei der Angeklagten vorlägen. Ihre damalige Radikalisierung und Hinwendung zum IS seien als alterstypische Identitätssuche und Identitätsfindungsprozess zu bewerten. Die von ihm bei der Exploration der Angeklagten durchgeführten Intelligenztests mit dem Ergebnis einer jedenfalls durchschnittlichen intellektuellen Leistungsfähigkeit zeugten von einer zumindest ebensolchen im jugendlichen Alter, wofür auch die gesamte Schulkarriere der Angeklagten spreche. Eine geistige Reifeverzögerung sei zu verneinen. Verzögerungen des sittlichen Reifeprozesses, namentlich die Fähigkeit, emotional getragen etwas als Unrecht zu empfinden, seien angesichts der Biografie der Angeklagten ebenfalls auszuschließen. Sowohl im familiären als auch im schulischen Umfeld seien ihr Werte und Normen vermittelt worden, wovon bereits ihr von den Mitschülerinnen bestätigtes soziales Engagement während ihrer Schulzeit zeuge.
2.
648Durch die unter B.III.2.b festgestellte Tat (Fall 1) hat sich die Angeklagte der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB schuldig gemacht.
649a) Der IS ist eine in Zweck und Tätigkeit auf die Begehung von Mord, Totschlag, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den weiteren in § 129b Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB bezeichneten Verbrechen gerichtete Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Seine Organisationsstruktur erfüllt sowohl die Anforderungen des früher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Vereinigungsbegriffs (s. dazu etwa BGH, Urteil vom 20. März 1963, 3 StR 5/63, BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH, Urteil vom 14. August 2009, 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 123), als auch die hinsichtlich der Organisationsstruktur und Willensbildung geringfügig abgesenkten Anforderungen der Legaldefinition in § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung.
650b) Die Angeklagte hat sich am IS als Mitglied beteiligt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt eine mitgliedschaftliche Beteiligung vor, wenn sich der Täter, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet. Diese Förderungshandlung kann darin bestehen, etwa durch die Beteiligung an Kampfhandlungen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen. Sie kann aber auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Betätigungsakt (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019, AK 22/19 m.w.N.).
651Als Anhaltspunkte für eine aktive Förderung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Rahmen einer Gesamtschau insbesondere die bewusste Einreise in das Hoheitsgebiet des IS, die Heirat eines IS-Mitglieds, die Zuweisung von Geld und Unterkunft durch den IS, das Befolgen von Anweisungen des mit Befehlsgewalt ausgestatteten Ehemannes und anderer örtlicher Befehlshaber, die bewusste Entscheidung für die Erweiterung des „Staatsvolkes“ des IS, das Auffordern von Gleichgesinnten in Europa, ebenfalls in das Hoheitsgebiet des IS einzureisen und sich dieser Vereinigung anzuschließen, sowie die Ausbildung im Umgang mit Waffen angesehen. Dass sich die Tätigkeit vornehmlich auf eine solche im Rahmen der Haushaltsführung beschränkt, steht einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (Gericke/Moldenhauer, NStZ-RR 2020, 329 mit Nachweisen aus der Rspr.).
652Nach diesen Maßstäben war die Angeklagte nicht nur passives Mitglied des IS, sondern förderte als solches aktiv dessen Ziele und gliederte sich im Einverständnis mit der Organisation in diese ein. Sie entschloss sich bewusst in Kenntnis und unter Billigung der Ziele und Vorgehensweisen des IS zu einer Auswanderung aus Deutschland in das vom IS beherrschte Gebiet. Sie schloss am 4. Januar 2014 mit dem IS-Mitglied I. B. die Ehe nach islamischem Ritus. Spätestens hierdurch erfolgte ihre einvernehmliche Eingliederung in den IS. Die Geburt ihrer Kinder im Herrschaftsgebiet des IS diente auch der Schaffung und dem Erhalt der Grundlagen für die Aktivitäten des IS. I. B. erleichterte die Angeklagte durch Führung des Haushalts und die Versorgung der Kinder die Wahrnehmung seiner Aufgaben beim IS. Zudem nahm sie gemeinsam mit I. B. übergangsweise Neuankömmlinge für den IS auf und versuchte, Familienangehörige – so mehrfach ihre Schwester T. und im Mai 2014 sowie Februar 2015 deren Ehemann nach islamischem Ritus N. L. – zur Reise nach Syrien zu bewegen, um ihrerseits dem IS zu dienen. Für ihre Tätigkeit für den IS erhielten die Angeklagte und I. B. von der Organisation einen monatlichen Geldbetrag von 118 US-Dollar, der zur Versorgung beider bestimmt war. Die Angeklagte lebte schließlich bis zu ihrer Flucht im Jahr 2017 durchgängig im IS-Gebiet.
6533.
a) Die Versklavung der sieben Frauen und Mädchen durch die Angeklagte A. und I. B. war in die in § 7 Abs. 1 VStGB vorausgesetzte Gesamttat eingebunden; sie ist Teil eines vorsätzlich durchgeführten Angriffs auf die Zivilbevölkerung, der sowohl als systematisch als auch ausgedehnt zu qualifizieren ist.
655Bei einer Zivilbevölkerung handelt es sich um eine größere Gruppe von Menschen, die über gemeinsame Unterscheidungsmerkmale verfügen, aufgrund derer sie angegriffen werden. Kennzeichnend ist, dass die Maßnahmen auf die einzelnen Tatopfer nicht in erster Linie als individuelle Persönlichkeiten, sondern wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe zielen. Nicht erforderlich ist, dass die gesamte so beschriebene Bevölkerung von dem Angriff betroffen ist. Ausreichend ist vielmehr, dass gegen eine erhebliche Anzahl von Einzelpersonen vorgegangen wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018, 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10 Rn. 164; Beschluss vom 6. Juni 2019, StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 56; Beschluss vom 9. Februar 2021, AK 5/21, juris Rn. 32; MükoStGB/Werle, 3. Aufl. 2018, § 7 VStGB Rn. 15, 21 m.w.N.).
656Ein Angriff im Sinne des § 7 Abs. 1 VStGB ist unter Rückgriff auf die Legaldefinition in Art. 7 Abs. 2a des IStGH-Statuts ein Gesamtvorgang, in den sich die mehrfache Verwirklichung der Einzeltatbestände des § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 VStGB einfügt, und hinter dem ein Kollektiv – ein Staat oder eine Organisation – steht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2021, AK 5/21, juris Rn. 33; vom 17. Juni 2010, AK 3/10, BGHSt 55, 157, Rn. 25; vom 6. Juni 2019, StB 14/19, BGHSt 64, 89, Rn. 57).
657Ausgedehnt ist der Angriff – in Anlehnung an die Rechtsprechung der internationalen Strafgerichte (vgl. MükoStGB/Werle, a. a. O., Rn. 26) – bei einem in großem Maßstab durchgeführten Vorgehen mit einer hohen Anzahl von Opfern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021, AK 5/21, juris Rn. 33).
658Als systematisch ist er zu beurteilen, wenn die Gewaltanwendung organisiert ist und planmäßig im Sinne eines konsequenten Handelns ausgeführt wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018, 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10, Rn. 166; vom 6. Juni 2019, StB 14/19, BGHSt 64, 98, Rn. 57; Beschluss vom 9. Februar 2021, AK 5/21, juris Rn. 33; MüKoStGB/Werle, a.a.O. Rn. 27).
659Das Vorgehen des IS gegen die kurdische Bevölkerung jesidischen Glaubens in der Region um das Sinjar-Gebirge im Nordwesten des Iraks, beginnend mit dem Überfall in der Nacht vom 2. auf den 3. August 2014, ist als ausgedehnter Angriff im Sinne der Vorschrift zu bewerten. Dem Übergriff durch die IS-Milizionäre folgte eine Vielzahl von Gewalttaten gegen eine hohe Anzahl von Opfern, namentlich sofortige Hinrichtungen nicht konversionsbereiter Männer und die Versklavung von Frauen und Kindern. Die Bündelung der vom IS gesteuerten Maßnahmen zum vollständigen Auslöschen des jesidischen Glaubens begründet den systematischen Charakter des Angriffs (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021, AK 5/21, juris Rn. 31 ff.).
b) Die Angeklagte (und I. B.) haben die sieben jesidischen Frauen und Mädchen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB (gemeinschaftlich) versklavt.
661Darunter ist die Ausübung eines angemaßten „Eigentumsrechts“ an einem Menschen zu verstehen (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021, AK 5/21, juris Rn. 39 mit Verweis auf die sich an dem Übereinkommen betreffend die Sklaverei vom 25. September 1926 in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 7. Dezember 1953 [BGBl. 1972 II S. 1473 ff.] orientierende Legaldefinition des Art. 7 Abs. 2 Buchst. c IStGH-Statut ["die Ausübung aller oder einzelner mit einem Eigentumsrecht an einer Person verbundenen Befugnisse"]; BT-Drucks. 14/8524 S. 20; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1022; MüKoStGB/Werle, a.a.O., Rn. 57). Nachdem es von Rechts wegen allerdings kein solches Eigentumsrecht an einer Person gibt, umfasst der Tatbestand der Sklaverei eine de facto vergleichbare Behandlung, bei der der Täter einen Menschen seinem Willen und seinen Interessen unterwirft und diesem die Freiheit abspricht, selbstbestimmt zu handeln (vgl. Werle/Jeßberger, a.a.O. Rn. 1024). Wesentliche Indizien dabei sind die Kontrolle der Bewegungsfreiheit des Opfers, seine Verletzlichkeit, Misshandlungen und die wirtschaftliche Beherrschung oder Ausnutzung der betroffenen Person. Nicht zwingend erforderlich ist es dagegen, dass das Opfer entgeltlich oder gegen eine sonstige Vergütung „erworben“ oder wieder „veräußert“ worden bzw. die Ausübung des „Eigentumsrechts“ von längerer Dauer ist. Diese Aspekte können jedoch starke Indizien für eine Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB sein (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021, AK 5/21, juris Rn 39; Werle/Jeßberger, a.a.O., Rn. 1024).
662Nach diesen Maßstäben versklavte die Angeklagte A. die aufgeführten Frauen und Mädchen (gemeinschaftlich mit I. B.). Die von Angehörigen des IS gefangen genommenen jesidischen Frauen und Mädchen wurden von dem Sklavenhändler Abu H2 und im Falle von M2 von einem weiteren IS-Mitglied wie Gegenstände gekauft. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Angeklagte A. oder I. B. letztlich finanziell für den Erwerb der Frauen und Mädchen aufkamen, denn die Angeklagte A. unterwarf die Frauen jedenfalls anschließend ihrem Willen und ihren Interessen. Sie sprach den Frauen die Freiheit ab, selbstbestimmt zu handeln. Sie kontrollierte ihre Bewegungsfreiheit und verbot ihnen, ihre Religion auszuüben. Sie zwang die Frauen dazu, den Koran zu lernen und unentgeltlich die Hausarbeit und Kinderbetreuung in ihrem Haushalt sowie auf ihre Anweisung im Haushalt ihrer Freundinnen zu verrichten. Verhielten sich die Frauen nicht nach ihren Wünschen, wurden jedenfalls die Nebenklägerinnen X., Y. und das Mädchen M1 von der Angeklagten geschlagen. Bei Abwesenheit I. B.s übte sie die alleinige Herrschaftsgewalt über die Frauen und Mädchen aus.
d) Dadurch, dass das versklavte jesidische Mädchen M2 auf einer Einkaufsfahrt mit I. B. ums Leben kam, zu der sie trotz der erkannten konkreten Bedrohungslage in und um Mayadin mit Einverständnis der Angeklagten A. mitgenommen wurde, hat sich die besondere Folge des § 7 Abs. 3 VStGB verwirklicht.
664Eine Erfolgsverursachung „durch eine Tat nach Abs. 1 Nr. 3“ kann sowohl dann vorliegen, wenn der Tod schon durch den Akt der Versklavung selbst, als auch dann, wenn er während des durch die Versklavung geschaffenen Zustands, insbesondere als Folge der dem Opfer widerfahrenen Behandlung eintritt (vgl. etwa zu § 239b StGB: BGH vom 18. September 1985, 2 StR 378/85, BGHSt 33, 322; Schluckebier in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2015, § 239a Rn. 39 ff.). Wird der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch das Handeln oder Unterlassen des Täters, sondern durch das hinzutretende Eingreifen Dritter oder ein hinzukommendes Verhalten des Opfers selbst herbeigeführt, ist erforderlich, dass sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken realisieren, die typischerweise mit der Verwirklichung des Grundtatbestandes einhergehen (BGH a.a.O, 324). Nicht zuzurechnen ist dagegen der Tod des Opfers infolge eines Jedermanns- oder Alltagsrisikos, etwa eines allgemeinen Verkehrsunfalles, auch während der Bemächtigungslage, wenn dieser Umstand nicht auf besondere tatbestandstypische Risiken zurückgeht, die sich aus der Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung durch den Täter in Verbindung mit der individuellen Disposition des Opfers ergeben (vgl. Schluckebier in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2015, § 239a Rn. 41 f.).
665Die konkrete Durchführung der Sklavenhaltung war nicht nur ursächlich für den Tod M2s, sondern es hat sich durch diesen gerade die besondere Gefahr, der sie aufgrund der Versklavung durch die Angeklagte und I. B. ausgesetzt war, realisiert. Sie konnte ihren Aufenthalt nicht selbst bestimmen, sondern war gezwungen, sich fern ihrer Heimat in der Stadt Mayadin, die zur fraglichen Zeit als Rückzugsgebiet des IS Bombenangriffen durch dessen Gegner ausgesetzt war, im Haushalt bzw. in Begleitung von IS-Mitgliedern aufzuhalten. Das dadurch bereits bestehende Risiko, bei diesen Kampfhandlungen verletzt oder getötet zu werden, ist signifikant erhöht worden, indem M2 in ihrer Eigenschaft als Sklavin an einer Einkaufsfahrt mit I. B. teilnehmen musste, der dabei eine Hauptstraße befuhr, die bereits am Tag zuvor bombardiert worden war und auf die weitere mögliche Angriffe erwartet wurden. Diese Gefährdung war der Angeklagten bekannt.
666Die zu Einkaufszwecken vorgenommene Fahrt entsprach den gemeinsamen Vorstellungen der Angeklagten und I. B.s und dem üblichen Umgang mit den Sklavinnen, zu deren Aufgaben es gehörte, die Angeklagte und I. B. bei Einkäufen und sonstigen Besorgungen zu begleiten (vgl. zur mittäterschaftlichen Zurechnung etwa BeckOK StGB/Kudlich, 50. Ed. 1.5.2021, StGB § 18 Rn. 20-21 m.w.N.).
667Dass der Tod M2s unmittelbar durch das eigenverantwortliche Verhalten eines Dritten, nämlich der Bürgerkriegspartei, die für den Beschuss verantwortlich war, zurückzuführen ist, steht einer Zurechnung nicht entgegen. Im Tod des Opfers realisieren sich im vorliegenden Fall nämlich gerade tatbestandsspezifische Risiken (Verbringung der Sklavin gegen deren Willen an einen besonders gefährdeten Ort in erkannt gefährlicher Situation), die typischerweise mit der Verwirklichung des Grundtatbestands einhergehen (vgl. BGH a.a.O, 324). Hingegen handelt es sich im konkreten Fall nicht um ein sich realisierendes Jedermanns- oder Alltagsrisiko.
e) Die von der Angeklagten im Rahmen des ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung zum Nachteil der sieben jesidischen Frauen und Mädchen durch Versklavung begangenen Verletzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VStGB stellen sich als eine Tat im Rechtssinne dar.
669Die Einbettung der von der Angeklagten zum Nachteil der sieben jesidischen Frauen und Mädchen begangenen Versklavungen – in einem Fall mit Todesfolge – in die von § 7 Abs. 1 VStGB vorausgesetzte Gesamttat bewirkt im vorliegenden Fall trotz der Verschiedenheit der betroffenen Opfer ausnahmsweise eine tatbestandliche Bewertungseinheit, da zwischen den Einzeltaten ein diese Annahme rechtfertigender besonderer sachlicher, zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019, StB 14/19, juris Rn. 69; Beschluss vom 3. Februar 2021, AK 50/20, juris Rn. 47; vgl. mit Nachweisen aus der Rspr. der internationalen Strafgerichte Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1120; MüKoStGB/Werle, 3. Aufl 2018, § 7 VStGB Rn. 141).
a) Voraussetzung für die Tatbestandserfüllung ist die in den Gesamtangriff des IS gegen die Jesiden eingebettete Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft durch Entziehung oder wesentliche Einschränkung grundlegender Menschenrechte (vgl. MüKoStGB/Werle, a.a.O. Rn. 109). Opfer der Verfolgung kann die Gruppe als solche sein; die Verfolgung kann sich aber auch gegen Einzelpersonen richten, wenn diese als Repräsentanten einer identifizierbaren Gruppe angegriffen werden (MüKoStGB/Werle, a.a.O.).
671Grundlegende Menschenrechte sind diejenigen unveräußerlichen Rechte, die etwa in den Artt. 3, 4, 5 und 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt sind, insbesondere die Rechte auf Leben, auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit (MüKoStGB/Werle a.a.O., Rn. 110); hierzu zählt auch das Verbot der Sklaverei (vgl. auch Brückner, Minderheitenschutz im Völkerstrafrecht, 2018, S. 343).
b) Die Angeklagte handelte vorsätzlich und aus diskriminierenden Beweggründen, nämlich aus solchen der Religion und des Geschlechts (vgl. zum Erfordernis der diskriminierenden Absicht MüKoStGB/Werle, a.a.O. Rn. 116 m.w.N.).
673Der Täter handelt aus religiösen Beweggründen, wenn er das Opfer wegen dessen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft diskriminiert (vgl. MüKoStGB/Werle, a.a.O. Rn. 119; Brückner, a.a.O., S. 286). Geschlechtsspezifisch kann die Verfolgung insbesondere dann sein, wenn ein Mann und eine Frau, die Mitglieder derselben betroffenen Gruppe sind, je nach ihrem Geschlecht auf unterschiedliche Weise oder durch unterschiedliche Formen der Gewalt angegriffen werden, z.B. durch die Tötung der Männer und die Vergewaltigung der Frauen (vgl. in diesem Sinne etwa Vorverfahrenskammer I des ICC vom 30. September 2019, ICC-01/12-01/18, Rn. 667 ff.; Hall/Powderly/Hayes, in: Triffterer/Ambos, The Rome Statute of the International Criminal Court, 3. Aufl. 2015, S. 225; Brückner, a.a.O., S. 288).
c) Die von der Angeklagten verwirklichte Verfolgung zum Nachteil der sechs jesidischen Frauen und Mädchen M7, M1, M8, den Nebenklägerinnen X. und Y. sowie M2 – der Senat hat die Strafverfolgung, was die Nebenklägerin Z. betrifft, insoweit gemäß § 154a Abs. 2 StPO beschränkt – begründet aus den genannten Gründen der besonderen sachlichen und zeitlichen Nähe und der Gleichartigkeit des erfolgten Angriffs im vorliegenden Fall eine tatbestandliche Bewertungseinheit und stellt sich daher als eine materielle Tat im Rechtssinne dar.
5.
676Indem die Angeklagte A. die Nebenklägerinnen X. und Y. jeweils auf den ersten erzwungenen Geschlechtsverkehr mit I. B. vorbereitete und ihm gegenüber bestärkend zum Ausdruck brachte, dass sie mit dessen sexuellen Übergriffen gegen die Nebenklägerinnen aus Gründen der IS-Ideologie einverstanden war, hat sie sich zudem wegen Beihilfe zum Menschlichkeitsverbrechen durch Vergewaltigung des I. B. gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6, § 2 VStGB, § 27 StGB strafbar gemacht.
677a) I. B. hat ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Vergewaltigung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB begangen.
678Danach macht sich strafbar, wer im Rahmen eines Gesamtangriffes auf eine Zivilbevölkerung einen anderen Menschen sexuell nötigt oder vergewaltigt. Das Tatbestandsmerkmal der sexuellen Nötigung ist jedenfalls dann verwirklicht, wenn der Täter eine Person durch Gewalt, durch Ausnutzung ihrer schutzlosen Lage oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Vornahme und Duldung sexueller Handlungen bestimmt (MüKoStGB/Werle, a.a.O., Rn. 82). Vergewaltigung liegt vor, wenn der Täter durch den Einsatz von Gewalt, die Androhung von Gewalt oder Zwang oder das Ausnutzen einer strukturellen Zwangssituation in den Körper des Opfers eingreift und dies eine Penetration zur Folge hat (MüKoStGB/Werle, a.a.O. Rn. 83-85).
b) Hierzu leistete die Angeklagte physische und psychische Beihilfe.
680Letztere liegt vor, wenn der Haupttäter ausdrücklich oder konkludent in seinem Willen zur Tatbegehung – sei es bereits in seinem Tatentschluss – bestärkt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. September 2016, 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, juris Rn. 17).
681Die Angeklagte A. erklärte sich in Erfüllung der IS-Ideologie I. B. gegenüber damit einverstanden, dass dieser mit den Nebenklägerinnen X. und Y. sexuell verkehre. Hierdurch bestärkte sie ihn, die Nebenklägerinnen notfalls unter Anwendung von Gewalt, in jedem Fall unter Ausnutzung von deren schutzlosen Lage als Sklavinnen im Haushalt von IS-Mitgliedern, zum Geschlechtsverkehr zu zwingen und damit in seinem Willen zur Tatbegehung.
d) Das gleichartige Vorgehen des I. B. zu Lasten der Nebenklägerinnen X. und Y., die sich teilweise gleichzeitig im Haushalt der Angeklagten und I. B.s aufhielten, stellt sich insbesondere aufgrund der besonderen sachlichen und zeitlichen Nähe nach der Bewertung des Senats als tatbestandliche Bewertungseinheit und damit als als eine Tat des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (durch Vergewaltigung) im Rechtssinne dar.
683Dieses Menschlichkeitsverbrechen des I. B. als gesondert beihilfefähige Haupttat wird nicht durch die ebenfalls verwirklichten Menschlichkeitsverbrechen der Versklavung und Verfolgung verdrängt (vgl. JStGH vom 12. Juni 2002, IT-96-23 & IT-96-23/1-A, „Kunarac u.a.“, Rn. 186 für „Versklavung durch Vergewaltigung“; SLSGH vom 26. September 2013, SCSL-03-01-A, I 0766-11114, „Taylor“ vom 26. September 2013, Rn. 577, für „Vergewaltigung und sexuelle Versklavung“; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, Rn. 1068).
6.
7.
8.
687Die unter B.II.2.c.cc festgestellten acht körperlichen Übergriffe gegen die Nebenklägerinnen X. und Y. sowie das Mädchen M1 erfüllen jeweils den Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB. Der Generalbundesanwalt hat gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
688Die aufgrund der Klammerwirkung des Menschlichkeitsverbrechens der Versklavung tateinheitlich verwirklichten Körperverletzungen treten hingegen nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter die Strafbarkeit wegen des Menschlichkeitsverbrechens durch Versklavung zurück, sondern stehen in Tateinheit zu ihm. Der Schutzzweck des § 223 StGB geht über denjenigen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB hinaus. Die Körperverletzungen sollten zwar dazu dienen, die Frauen zu Gehorsam anzuhalten bzw. das Über-/Unterordnungsverhältnis zu unterstreichen, sind jedoch zur Erüllung des Tatbestands des Menschlichkeitsverbrechens gemäß § 7 Abs. 1 Nr 3 VStGB nicht zwingend erforderlich.
6899.
10.
691Das Tatgeschehen im Fall 4 stellt sich als weitere tateinheitlich verwirklichte (§ 52 StGB) mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung der Angeklagten i.S.d. §§ 129a, 129b StGB dar, weil dadurch, wie die Angeklagte auch erkannte, die vom IS bezweckte Auslöschung der jesidischen Religion und Kultur gefördert wurde.
11.
693Gegenstand der Urteilsfindung war gemäß § 264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete (prozessuale) Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellte.
694Insofern stand der Verurteilung nicht entgegen, dass weder sämtliche der versklavten Frauen noch die sexuellen und Gewalthandlungen in der Anklageschrift erwähnt sind. So wurden die zum damaligen Zeitpunkt bekannten versklavten Frauen und deren konkrete Behandlung in der Anklage entsprechend dem Erkenntnisstand beschrieben, womit eine Konkretisierung im Falle weitergehender Sachverhaltsaufklärung in der Hauptverhandlung bereits zu erwarten war (vgl. auch S. 61 Anklageschrift: „mindestens drei jesidische Frauen“). Sämtliche Handlungen ereigneten sich in dem Zeitraum, auf den sich der Vorwurf im Fall 4 der Anklage bezieht. Die Aufenthalte der versklavten Frauen im Haushalt der Angeklagten und I. B.s überschnitten sich weitgehend und waren – wie ausgeführt – jeweils Teil des einheitlichen Angriffs des IS gegen die jesidische Zivilbevölkerung. Eine Behandlung der einzelnen Versklavungen als jeweils eigenständige prozessuale Taten stellte sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falls als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts dar. Dass auch die Handlungen zu Lasten der nicht in der Anklageschrift namentlich erwähnten Frauen und die Verletzungshandlungen Teile der angeklagten Tat sind, folgt schließlich auch aus der tateinheitlichen Verwirklichung des Menschlichkeitsverbrechens und der Straftaten nach dem StGB. Grundsätzlich hat das Vorliegen nur einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne zur Folge, dass auch nur eine prozessuale Tat gegeben ist.
69512.
13.
Die Angeklagte C. hat sich, soweit das Verfahren nicht im Übrigen nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellt wurde (Fälle 9, 10, 11, 14, 15 und 16), wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in neun Fällen (Fälle 5, 6, 7, 12, 13, 17, 18, 19 und 20), davon in sieben Fällen (Fälle 5, 12, 13, 17, 18, 19 und 20) in Tateinheit mit bandenmäßiger Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, und in einem Fall (Fall 5) mit Terrorismusfinanzierung sowie mit drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, wobei es in einem dieser Fälle beim Versuch geblieben ist, strafbar gemacht.
1.
a) Die aufgeführten Tathandlungen der Angeklagten erfüllen die Voraussetzungen sowohl des zur Tatzeit geltenden § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 StGB in der Fassung vom 30. Juli 2009 als auch die des § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB.
(4) Die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor. Die Angeklagten handelten wissentlich bezüglich der konkreten Vorbereitungshandlung, dem Sammeln und Entgegennehmen der Waffenmagazine und kriegstauglichen Waren sowie deren Verbringung.
701Sie handelten auch vorsätzlich, mit positiver Kenntnis, bezüglich des „Ob“ der Gewalttat. Die Angeklagten handelten im sicheren Wissen darüber, dass mit den für ihre Söhne gesammelten und diesen teilweise zur Verfügung gestellten Magazinen und militärischen Ausrüstungsgegenständen staatsgefährdende Gewalttaten in Syrien ausgeführt würden. Die durch die Rechtsprechung in verfassungskonformer Auslegung der Norm vorgenommene Einschränkung, wonach der Täter zur Begehung der vorbereiteten Tat fest entschlossen sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2014, 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 89a Rn. 19), ist auf die vorliegende Konstellation, in der Vorbereitungstäter und Täter der Gewalttat nicht personenidentisch sind, nicht unmittelbar übertragbar. Dagegen spricht, dass durch die Vorbereitungsleistung ein zusätzliches Gefahrenmoment für die spätere Rechtsgutverletzung des Gewalttäters geschaffen wird, das der Vorbereitungstäter selbst nicht mehr kontrollieren kann, während dem Vorfeldverhalten des mit dem Gewalttäter personenidentischen Vorbereitungstäters im Fall des lediglich Fürmöglichhaltens, die Gewalttat (irgendwann) einmal zu begehen, sonst der (noch straflose) Charakter der Vorbereitung genommen würde (vgl. Engelstätter in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2021, § 89a, Rn. 142 m.w.N.). Zudem kann der nicht mit dem Gewalttäter identische Vorbereitungstäter die Gewalttat zwar wollen und auch wissen, dass eine solche stattfinden soll; er selber kann hierzu aber nicht fest entschlossen sein.
702Ob in einer derartigen Konstellation die Vorschrift des § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 StGB einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass der subjektive Tatbestand mindestens dolus directus 2. Grades des Vorbereitungstäters in Bezug auf den späteren deliktischen Einsatz des erhaltenen Gegenstandes durch den Gewalttäter voraussetzt (vgl. allg. Engelstätter, a.a.O.), kann dahingestellt bleiben. Denn diese subjektive Voraussetzung ist bei beiden Angeklagten erfüllt.
(1) Die von den Angeklagten in den Blick genommen Taten waren im Sinne des § 89c Abs. 1 Satz 2 StGB geeignet, in der syrischen Bevölkerung ein allgemeines Angstgefühl hervorzurufen, aufrechtzuerhalten oder zu steigern, mithin die Bevölkerung einzuschüchtern, sowie die politischen Grundstrukturen des syrischen Staates zu beseitigen (vgl. MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl. 2021, § 89c Rn. 17; § 129a Rn. 47). Angesichts der Vielzahl der begangenen Anschläge und des Umfangs der militärischen Aktionen des IS waren die Taten geeignet, den syrischen Staat erheblich zu schädigen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. November 2007, StB 43/07, NJW 2008, 86, 88).
e) Bezüglich der Angeklagten C. hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 16. April 2014 eine Verfolgungsermächtigung erteilt, soweit die Tat im Ausland begangen wurde.
7052.
706Indem die Angeklagte C. Waffenzubehör und Ausrüstungsgegenstände, die im syrischen Kriegsgebiet für Kampfeinsätze des IS gegen das syrische Regime zum Einsatz kommen sollten, entgegennahm, verwahrte und teilweise nach Syrien verbrachte, wobei der Angeklagte B. die Waren teilweise bezahlte, haben sich die Angeklagten C. und B. im Fall 5 zudem jeweils der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StGB strafbar gemacht.
b) Nach ständiger Rechtsprechung ist unter einem Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. April 2018, 3 StR 286/17, juris Rn. 17 ff. m.w.N.). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert. Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus und bezieht sich gleichermaßen auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds hilfreich beitragen muss. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGH, a.a.O.).
c) Trotz mehrerer tatbestandlicher Fälle des Unterstützens durch das Bezahlen und Sammeln der Ware – für die Angeklagte C. gilt dies im Hinblick auf die Unterfälle 6 bis 12 und für den Angeklagten B. für die Unterfälle 6, 8, 9 und 10 des Falles 5 – liegt im Ergebnis jeweils nur eine Tat im Rechtssinne vor. Das Tatgeschehen stellt sich als natürliche Bewertungseinheit im bereits beschriebenen Sinne dar. Im Übrigen folgt dies auch aus dem Umstand, dass die geschilderten Unterstützungshandlungen (teil-)identisch mit dem Dauerdelikt des Sammelns von Vermögenswerten i.S.v. § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB sind und auch unter diesem Gesichtspunkt zu einer Tat verknüpft werden.
3.
bb) Die von der Angeklagten C. am 30. November 2013 und am 7. Dezember 2013 ausgeführten und die am 6. Dezember 2013 vom Zoll in Deutschland sichergestellten Waffenmagazine für Gewehre des Typs Kalaschnikow AK 47 und AR 15 sowie für die Pistole des Typs Glock 9 mm und die Waffenstandhilfe Zweibein Artemis fallen unter Teil I Abschnitt A Nr. 0001d der Ausfuhrliste (AL), während das am 6. Dezember 2013 sichergestellte Griffstück für das Gewehr des Typs Kalaschnikow AK 47 von AL-Nr. 0001a erfasst wird.
711c) Mit der Ausfuhr der Waffenmagazine nach Syrien am 30. November und in die Türkei am 7. Dezember 2013 verwirklichte die Angeklagte C. jeweils einen vollendeten Verstoß gegen das gegen den IS verhängte Waffenembargo gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 AWG, § 74 Abs. 2 Nr. 3 AWV. Ein solcher setzt nicht voraus, dass die betreffenden Güter am endgültigen Bestimmungsort bei der gelisteten Person oder Organisation ankommen. Tatvollendung tritt vielmehr bereits mit der Überschreitung der EU-Außengrenze ein (Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Pietsch, AWR-Kommentar, Vor §§ 17, 18 AWG, 56. Erg.-Lfg., Rn. 79).
bb) Ein strafbefreiender Rücktritt der Angeklagten C. von dem Versuch gemäß § 24 Abs. 2 StGB scheidet aus Rechtsgründen aus. Der Versuch ist fehlgeschlagen, da der Taterfolg nach der Entdeckung der Ware durch den Zoll aus ihrer Sicht mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden konnte, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird.
713e) Die Handlungen der Angeklagten C. sind dem Angeklagten B. mittäterschaftlich zuzurechnen, § 25 Abs. 2 StGB. Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen der Tat selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr bereits ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 6. August 2019, 3 StR 189/19, juris Rn. 4f.). Bei der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls sind die maßgeblichen Kriterien der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängen müssen (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.).
f) Beide Angeklagten handelten ferner gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 AWG als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Embargoverstößen der vorliegenden Art verbunden hatte.
715Die bandenmäßige Begehung setzt voraus, dass sich mindestens drei Personen mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002, 4 StR 499/01, juris Rn. 8). Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der insoweit getroffenen deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Februar 2021, 3 StR 184/20, juris Rn. 16 ff.). Diese erfordert allerdings keine gegenseitige verbindliche Verpflichtung zu Begehung bestimmter Delikte, eine Übereinkunft im zuvor dargestellten Sinne genügt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2007, 2 StR 372/07, juris Rn. 12). Sie bedarf auch keiner ausdrücklichen Vereinbarung, sondern kann durch schlüssiges Verhalten zustande kommen und aus dem konkret feststellbaren wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2007, 2 StR 372/07, a.a.O.). Besondere Anforderungen an die Dauer des in Aussicht genommenen Zusammenwirkens bestehen im Übrigen nicht; die bandenmäßige Beteiligung kann vielmehr selbst bei einer kurzen, im Einzelnen noch nicht genau bestimmten Zeitspanne in Betracht kommen. Für das Bestehen einer Bandenabrede sprechen etwa gleichartige Tatabläufe, arbeitsteiliges Zusammenwirken und ein zeitlicher Zusammenhang der Taten (BGH, Urteil vom 10. Februar 2021, 3 StR 184/20, juris Rn. 16 ff.). Eine familiäre Verbundenheit steht der Annahme bandenmäßiger Begehung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2006, 2 StR 180/06, juris Rn. 9)
g) Den Angeklagten fehlte auch nicht die Einsicht, Unrecht zu tun, § 17 StGB.
717Dass die Angeklagten im Sinne einer Verkennung der Rechtswidrigkeit ihrer Taten davon ausgingen, dass die von ihnen gesammelten und transportierten Waren rechtmäßig zu ihren Söhnen als IS-Mitglieder in Syrien ausgeführt und zur Verfügung gestellt werden durften, ist nicht ersichtlich.
4.
f) Ein versuchter Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 a AWG wegen des Vorgehens der Angeklagten C. und B. am 6. und 7. Dezember 2013 sowie am 8. April 2014 scheidet hingegen mangels unmittelbaren Ansetzens zur Tat aus.
g) Zwischen den verwirklichten Tatbeständen des § 17 Abs. 1 Nr. 2 AWG und des § 18 Abs. 1 Nr. 1 a AWG im Fall 5 besteht wegen der unterschiedlichen Zweckrichtung der Strafvorschriften – einerseits Anknüpfung an bestimmte Gegenstände, andererseits an gelistete Personen und Organisationen – Tateinheit (vgl. Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Pietsch, AWR-Kommentar, § 18 AWG, 56. Erg.-Lfg., Rn. 111). Der außerdem verwirklichte Tatbestand der Ausfuhr ohne Genehmigung gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 AWG, § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV in Verbindung mit Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 17 Abs. 1 Nr. 2 AWG, § 74 Abs. 2 Nr. 3 AWV zurück (vgl. Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Pietsch, AWR-Kommentar, § 18 AWG, 56. Erg.-Lfg., Rn. 111).
5.
722Durch die Bestellung und anschließende Verwahrung von Ladegeräten am 23. Dezember 2014 sowie am 24. und 27. März 2015 (Fälle 6 und 7 [sowie 8] der Anklage) zwecks Weiterleitung an E. Y. B. hat die Angeklagte C. jeweils mitgliedschaftliche Betätigungshandlungen ihres Sohnes gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b StGB unterstützt.
6.
724Die Angeklagte C. hat sich in sechs weiteren Fällen (Fälle 12, 13, 17, 18, 19, 20) und der Angeklagte B. in vier weiteren Fällen (Fälle 13, 17, 19, 20) der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b StGB strafbar gemacht, indem sie jeweils durch Geldtransfers die vereinigungsbezogene geschäftsmäßige Betätigung ihrer Söhne förderten.
7.
a) Ob die Söhne der Angeklagten C. und B. zur Tatzeit eine Position in der Vereinigung inne hatten, die es gerechtfertigt erscheinen lässt, bereits in dem Empfang der Gelder durch diese einen unmittelbaren Vermögenszufluss auf Seiten der Vereinigung anzunehmen, kann dahinstehen (vgl. insoweit etwa BGH, Beschl. vom 14. Juli 2021 – AK 37/21, juris Rn. 40). Denn die Angeklagten stellten durch die Übersendung der genannten Beträge an ihre Söhne der Vereinigung IS jedenfalls mittelbar Gelder zur Verfügung.
b) Die Angeklagten hielten es jedenfalls für möglich und nahmen es auch billigend in Kauf, dass der Kapital- und Warenverkehr mit dem IS strafbewehrten Sanktionen unterlag.
8.
729In den Fällen 12 bis 20 liegen hinsichtlich der Angeklagten C. sechs (Fälle 12, 13, 17, 18, 19 und 20) und hinsichtlich des Angeklagten B. vier (Fälle 13, 17, 19, 20) weitere im Sinne des § 53 Abs. 1 StGB rechtlich selbständige Fälle der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland vor. Diese stehen jeweils in Tateinheit, § 52 Abs. 1 StGB, mit dem bandenmäßigen Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot des § 18 Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 7 Nr. 2 AWG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002.
1.
731Die Angeklagte A. hat die Taten sowohl als Jugendliche als auch als Heranwachsende gemäß § 1 Abs. 2 JGG begangen.
732In den Tatzeiträumen der Fälle 1 und 4 von Anfang Januar 2014 und September 2015 bis zum 00.00.2016 war die Angeklagte Jugendliche. Seit Vollendung ihres 18. Lebensjahres am 00.00.2016 und bis zur jeweiligen Tatbeendigung im Oktober 2017 war sie Heranwachsende im Sinne des § 1 Abs. 2 JGG.
733Auch soweit die Angeklagte als Heranwachsende gehandelt hat, war auf sie gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 112 Sätze 1 und 2, § 104 Abs. 1 Nr. 1 JGG einheitlich das Jugendstrafrecht anzuwenden.
734Die insoweit erforderliche Gesamtwürdigung der Persönlichkeit der Angeklagten bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass sie im Tatzeitraum vom 25. Januar 2016 bis Oktober 2017 nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand.
735Bei seiner Würdigung hat der Senat insbesondere in den Blick genommen, dass bei der Angeklagten auch in diesem Tatzeitraum noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam waren (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 20. Mai 2014, 1 StR 610/13, NStZ 2015, 230 f. m.w.N.). Bereits die Kindheit und frühe Jugend der Angeklagten waren – auch nach den entsprechenden überzeugenden Ausführungen des jugendpsychiatrischen Sachverständigen Z3 – von Entwicklungsbrüchen in den entscheidenden Lebensbereichen Familie und Schule geprägt. Hierfür maßgeblich waren ihre Auseinandersetzungen mit dem strengreligiösen Vater, die psychische Erkrankung ihrer Mutter und die damit verbundene verstärkte Übernahme von Verantwortung in jungen Jahren sowie die Konfrontation mit den im muslimisch orientierten Elternhaus geltenden Regeln einerseits und den in der Schule gelebten westlichen Werten andererseits.
736Dies führte – in Übereinstimmung mit der entsprechenden nachvollziehbaren Bewertung des Sachverständigen Z3 – zu einer inneren Zerrissenheit, welche die Entwicklungs- und Orientierungsphase der Angeklagten als Jugendliche nachhaltig beeinflusste und verzögerte. Nach ihrer Rückkehr von einem Algerienaufenthalt bei ihrer Verwandtschaft nach Deutschland entwickelte die Angeklagte zunehmend radikale Ansichten, die sich verfestigten. Sie vernachlässigte schließlich ihre anderweitigen – den Entwicklungsstand als Jugendliche tragenden und fördernden – sozialen Kontakte und entschloss sich stattdessen im Herbst 2013 im Alter von lediglich 15 Jahren, ihre Familie zu verlassen und nach Syrien zu reisen, wo sie die für Jugendliche typische Entwicklungs- und Orientierungsphase weiter durchlebte.
737Die Angeklagte orientierte sich nunmehr abweichend von der üblichen Werteentwicklung eines Jugendlichen vollständig an den dortigen Gegebenheiten, heiratete unmittelbar nach ihrer Ankunft in Syrien den deutlich älteren I. B. nach islamischem Ritus, wurde in einem frühen Lebensalter mit den Auswirkungen des Krieges konfrontiert und engagierte sich ihrer radikal-islamischen Einstellung folgend in den Reihen des „Islamischen Staates“ allein nach dessen Werteordnung. Sie gebar in dieser Zeit drei Kinder und übernahm bereits in jungen Jahren die ihr durch die Organisation vorgegebene Mutterrolle.
738In der Gesamtwürdigung hat der Senat danach keine Zweifel, dass bei der Angeklagten insbesondere nach der bestehenden deutlichen Hemmung ihrer Persönlichkeitsentwicklung auf der Grundlage ihrer individuellen Lebensbedingungen Reifeverzögerungen i.S.d. § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG gegeben waren, die gerade auch während der Zeit ihres Aufenthalts in Syrien vom 25. Januar 2016 bis Oktober 2017 vorlagen. Eine Nachreifung kann nach der Einschätzung des Senats auch zum jetzigen Zeitpunkt noch stattfinden; insbesondere arbeitet die Angeklagte bereits erfolgreich daran, ihre schulische Karriere fortzusetzen und abzuschließen, sowie sich als weiteren Prozess der Persönlichkeitsentwicklung (erneut) in das bestehende Wertesystem einzugliedern.
7392.
740Gemäß § 105 Abs. 1, § 17 Abs. 2 JGG war wegen der Schwere der Schuld Jugendstrafe gegen die Angeklagte A. zu verhängen.
aa) Bei der Bewertung des Tatunrechts nach Erwachsenenstrafrecht wäre im Fall 1 vom Regelstrafrahmen des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahre vorsieht. Eine Strafrahmenverschiebung unter Anwendung der sogenannten Mitläuferklausel des § 129a Abs. 6 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 2 StGB käme vorliegend nicht in Betracht. Weder ist die Schuld der Angeklagten gering, noch sind ihre Tatbeiträge als von untergeordneter Bedeutung einzustufen:
742Im Fall 1 ist zwar zu ihren Gunsten ihre geständige Einlassung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit ihr eine mitgliedschaftliche Betätigung für den IS durch Haushaltsführung und Unterstützung ihres Ehemannes vorgeworfen wird. Die Tatzeit liegt zudem bereits erheblich zurück. Zu ihren Gunsten ist weiter zu beachten, dass sie mittlerweile die Ausreise nach Syrien und ihre Betätigung für den IS bereut und die Dauer der Hauptverhandlung mit deutlich mehr als einem Jahr und sechs Monaten erheblich war. Für sie spricht zudem die Tatsache, dass sie bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, sowie ihr beanstandungsfreies und positiv zu bewertendes Verhalten in der Untersuchungshaft. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Angeklagte besonders haftempfindlich ist. Sie ist zusätzlichen belastenden Sicherheitsmaßnahmen ausgesetzt und von ihren drei minderjährigen Kindern getrennt. In die Bewertung einzustellen sind weiter die bei einer Verurteilung gegebenenfalls eintretenden nachteiligen familienrechtlichen Folgen. Schließlich gereichen zu ihren Gunsten die besonderen Belastungen und Stigmatisierung durch ihre Person betreffende Presseveröffentlichungen.
743Zu Lasten der Angeklagten ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass sie aufgrund einer gefestigten radikal-religiösen Motivation gehandelt hat, wobei sie bis zu ihrer Flucht aus Syrien mit besonderer Überzeugung hinter der Ideologie und dem Vorgehen des IS stand. Schließlich ist die besondere Gefährlichkeit des IS zu würdigen, als der terroristischen Vereinigung, deren Mitglied die Angeklagte im Tatzeitraum war und deren Ziele sie förderte. Zu ihren Lasten wirkt sich zudem die lange Zeit ihrer Mitgliedschaft im IS von Januar 2014 bis Oktober 2017 aus, und dass sie durch ihr Verhalten zugleich für die Vereinigung besonders wichtige Betätigungshandlungen des I. B. unter anderem als „Beschaffungsoffizier“ des IS förderte.
bb) Im Fall 4 wäre bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht vom Regelstrafrahmen des Menschlichkeitsverbrechens durch Versklavung mit Todesfolge gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VStGB auszugehen. Dieser sieht Freiheitsstrafe von nicht unter zehn Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe vor.
745Ein minder schwerer Fall nach § 7 Abs. 4 VStGB läge nicht vor, da das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle nicht in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erschiene.
746Zu Gunsten der Angeklagten sind hier zu berücksichtigen, dass sie die äußeren Umstände der Tat überwiegend eingeräumt hat, mittlerweile Unrechtseinsicht zeigt und anerkennt, dass den Nebenklägerinnen allgemein erhebliches Unrecht widerfahren ist. Die Tatzeit, die im September 2015 begann, liegt teilweise bereits erheblich zurück.
747Für sie spricht ferner der Umstand, dass die Angeklagte nicht die dominierende Kraft für die Versklavungen der jesidischen Frauen und Mädchen war; dies war nach der Überzeugung des Senats der erwachsene Mittäter I. B.. Darüber hinaus sind auch insoweit die bereits zu Fall 1 unter 2. a. aa genannten, für sie sprechenden weiteren Zumessungserwägungen zu berücksichtigen.
748Zu Lasten der Angeklagten ist hingegen im Fall 4 der teilweise erhebliche Zeitraum, über den die jesidischen Frauen und Mädchen – mit Ausnahme von M8 und M7 – jeweils von der Angeklagten versklavt worden sind, zu werten, wobei es sich bei M1 und M2 um sehr junge Tatopfer gehandelt hat. Zu ihren Lasten gereicht ferner der Umstand, dass die Angeklagte die Arbeitskraft der Nebenklägerin X. und des Mädchens M1 nicht nur selbst ausgenutzt, sondern auch Dritten für Haushaltsdienste zur Verfügung gestellt hat. Zu Lasten der Angeklagten sind ebenfalls der lange Tatzeitraum von etwa zwei Jahren (September 2015 bis Oktober 2017) und der Umstand zu berücksichtigen, dass insgesamt sieben Frauen und Mädchen als Opfer betroffen sind, die durch die Tat erheblich psychisch und körperlich belastet wurden. Durch die Tat hat die Angeklagte zudem tateinheitlich weitere Tatbestände verwirklicht. Schließlich ist die besondere Gefährlichkeit des IS zu ihren Lasten zu würdigen, dessen Ziele sie durch die Versklavung der Jesidinnen förderte.
b) Soweit bei der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG vor allem die innere Tatseite der Angeklagten in den Blick zu nehmen ist, ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass sie die Taten über einen erheblichen Zeitraum aufgrund einer bereits gefestigten radikal-religiösen Motivation begangen hat, bei dem massiven Vorgehen der Versklavung der jesidischen Frauen und Mädchen im Fall 4 mit erheblicher krimineller Energie handelte und sowohl deren sexuelle Ausbeutung als auch die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft für religiös gerechtfertigt und ideologisch geboten erachtete. Dabei stand die Angeklagte noch bis zu ihrer Flucht aus Syrien mit gefestigter Überzeugung hinter der Ideologie und dem Vorgehen des IS.
3.
751Schädliche Neigungen, namentlich erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die bereits vor der Tat, aber auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und ohne längere Gesamterziehung weitere Straftaten befürchten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018, 3 StR 532/17, juris Rn. 5), konnte der Senat im Urteilszeitpunkt nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.
752Die Angeklagte hat in der Untersuchsuchungshaft damit begonnen, sich mit ihren Taten auseinanderzusetzen und bereits eine deutliche Entwicklung im schulischen und persönlichen Bereich durchschritten, die eine beginnende Distanzierung von der der Tat zugrunde liegenden Einstellung und inneren Haltung verdeutlicht.
7534.
754Die zu verhängende Jugendstrafe war – gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 JGG einheitlich – innerhalb des nach § 105 Abs. 3 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG eröffneten Strafrahmens von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu bestimmen. Dabei war Grundlage der Bemessung, was zur erzieherischen Einwirkung auf die Angeklagte erforderlich ist, § 18 Abs. 2 JGG. Der Senat hat jedoch berücksichtigt, dass der Erziehungsgedanke angesichts des Alters der Angeklagten nur noch von vermindertem Gewicht ist (BGH, Beschlüsse vom 20. August 2015, 3 StR 214/15, NStZ 2016, 101 f.; vom 5. April 2017, 1 StR 76/17, NStZ-RR 2017, 231; Urteil vom 29. November 2017, 2 StR 460/16, juris Rn. 17 ff.).
755Neben dem Erziehungsgedanken ist, weil es sich um besonders schwerwiegende Straftaten handelt, das Erfordernis eines angemessenen Schuldausgleichs zu berücksichtigen (vgl. für Jugendstrafen von mehr als fünf Jahren BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2019, 1 StR 206/19). Schließlich ist das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung der Angeklagten abzuwägen.
756Zu Gunsten der Angeklagten sind im Rahmen des Erziehungsbedarfs und der Schuldschwere die bei der Prüfung des § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG genannten Umstände einzustellen. Dies gilt auch für die dort bereits aufgeführten strafschärfenden Kriterien, soweit sie Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Angeklagten und ihre Schuld zulassen. Erziehungsbedarf begründet insbesondere die Tatbegehung aufgrund einer gefestigten radikal-religiösen Motivation. Insofern ist der lange Zeitraum in den Blick zu nehmen, in dem die Angeklagte sich radikalisierte, der Ideologie des IS ausgesetzt war und diese intensiv verfolgte. Die Dauer und der bisherige Verlauf der Untersuchungshaft sind demgegenüber positiv zu würdigen.
757Auch die dargestellte Schuldschwere und damit der Strafzweck des angemessenen Schuldausgleichs erfordert eine empfindliche Jugendstrafe von deutlich mehr als fünf Jahren (vgl. für Jugendstrafen von mehr als fünf Jahren BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2019, 1 StR 206/19). Die Angeklagte hat im Fall 1 auch aufgrund des langen Tatzeitraums und der von ihr erkannten Gefährlichkeit der Organisation des IS sowie in Fall 4 durch die festgestellte Versklavung der sieben Frauen und Mädchen mit den einhergehenden Körperverletzungen und dem von ihr mitverursachten Tod des Mädchens M2 sowie ihrer Beihilfe zu den sexuellen Übergriffen des I. B. in Durchsetzung ihrer ideologischen Haltung außergewöhnlich schwere Schuld auf sich geladen. Dies gilt auch eingedenk des persönlichen Werdegangs der Angeklagten, der vorgenannten mildernden Umstände sowie der Tatsache, dass sie gemeinschaftlich mit dem gesondert verfolgten I. B. gehandelt hat.
758Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung ist auch in den Blick zu nehmen, dass eine erhebliche Jugendstrafe der Angeklagten das Erreichen des Abiturs erschweren könnte und den Kontakt zu ihren Kindern beeinträchtigen wird.
759Nach Abwägung aller genannten, den Erziehungsbedarf und den Schuldausgleich bestimmenden Umstände sowie unter Berücksichtigung der Persönlichkeit der Angeklagten und eingedenk der Folgen der Strafe für ihre weitere Entwicklung hält der Senat für die festgestellte Taten eine (Einheits-)Jugendstrafe von
5.
b) Die Angeklagte befand sich nach ihrer Ergreifung in der Türkei vom 23. Februar 2018 bis zum 6. März 2018 zunächst in militärpolizeilichem Gewahrsam. Sodann wurde an ihr bis zum 6. September 2018 Abschiebehaft vollzogen. Daran schloss sich schließlich bis zur Abschiebung nach Deutschland am 21. September 2018 türkische Untersuchungshaft an.
bb) Soweit die Verteidigung der Angeklagten A. im Plädoyer beantragt hat, für den Fall eines geringeren Anrechnungsmaßstabs als 1:2 für den in der Türkei erlittenen Freiheitsentzug einen überreichten türkischen Presseartikel übersetzen zu lassen und als Urkunde zu verlesen sowie ein Sachverständigengutachten einzuholen, war dem nicht nachzukommen.
763Die Anträge benennen bereits keinen konkreten tatsächlichen Vorgang oder Zustand, der mit den genannten Beweismitteln unmittelbar belegt werden soll. Es handelt sich daher nicht um (bedingte) Beweisanträge im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO.
764Die Aufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO gebietet weder die Übersetzung und Verlesung des überreichten türkischen Presseartikels noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
765Die vorzunehmende Bestimmung des Anrechnungsmaßstabes des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB unterliegt tatrichterlichem Ermessen. Die Angeklagte A. hat die tatsächlichen Umstände des sie betreffenden Freiheitsentzuges in der Türkei – auch auf ergänzendes Befragen des Senats – ausführlich und detailliert geschildert. Der überreichte türkische Presseartikel bezieht sich bereits nach der mündlichen Antragsbegründung nicht auf den individuellen Fall der Angeklagten A., sondern enthält allgemeine Ausführungen unter anderem zu den Haftbedingungen in Gaziantep, aus denen Schlüsse für den konkreten Fall der Angeklagten aber nicht gezogen werden könnten.
766Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist insoweit ebenfalls nicht geboten, zumal nicht ersichtlich ist, dass es in tatsächlicher Hinsicht abweichende Erkenntnisse zu den von der Angeklagten geschilderten und durch den Senat auch zugrunde gelegten individuellen Umständen der ausländischen Freiheitsentziehung erbringen könnte.
1.
b) Für die zwei Fälle der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (Fälle 6 und 7) ist der anzuwendende Strafrahmen gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB jeweils sechs Monate bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.
2.
770a) Bei der Bemessung der Einzelstrafen spricht in sämtlichen Fällen zu Gunsten der Angeklagten C., dass sie nicht vorbestraft ist, die Tatzeit mit Oktober 2013 bis Mai 2015 bereits erhebliche Zeit zurückliegt, die Hauptverhandlung länger als ein Jahr und sechs Monate gedauert hat und die Angeklagte die Taten in erster Linie aus Zuneigung und familiärer Verbindung zu ihren Söhnen begangen hat. Zu ihren Gunsten sind weiter die besondere Form der vorhandenen sie belastenden Presseveröffentlichungen und die möglicherweise daraus resultierenden Nachteile für ihre Person anzuführen. Zudem traf sie die mit besonderen Beschränkungen verbundene Untersuchungshaft deshalb schwer, weil ihr Adoptivater in dieser Zeit verstorben ist.
b) Für die unter B.II.3.b festgestellte Tat (Fall 5) erachtet der Senat eine (Einsatz-) Freiheitsstrafe von
als tat- und schuldangemessen. Bei der Bemessung der Strafe innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens hat der Senat neben den vorbezeichneten für alle Taten geltenden Umständen zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass das Waffenzubehör und die Geräte teilweise nicht zum IS gelangt sind und es bei dem tateinheitlich verwirklichten Ausfuhrdelikt am 6. Dezember 2013 beim Versuch geblieben ist.
773Auch ist zu Gunsten der Angeklagten zu werten, dass im Fall der versuchten Ausreise des Mittäters B. am 8. April 2014 die Zollbeamten am Flughafen Köln/Bonn bereits sensibilisiert waren. Es war deshalb objektiv unwahrscheinlich, dass die mitgeführten Waren ins Ausland gelangten. Zu ihren Gunsten ist weiter der freiwillige Verzicht auf die sichergestellten Gegenstände anzuführen.
c) Für die unter B.II.3.c.aa festgestellte Tat (Fall 6) war eine Freiheitsstrafe von
für die unter B.II.3.c.bb festgestellte Tat (Fall 7 [und 8]) eine Freiheitsstrafe von
tat- und schuldangemessen.
d) Für die unter B.II.3.d.aa, bb, cc und dd festgestellten Taten (Fälle 12, 13, 17, 18) erachtet der Senat jeweils eine Freiheitsstrafe von
für die unter B.II.3.d.ee festgestellte Tat (Fall 19) eine Freiheitsstrafe von
und für die unter B.II.3.d.ff festgestellte Tat (Fall 20) eine Freiheitsstrafe von
für tat- und schuldangemessen.
781In den Fällen 12, 13 sowie 17 bis 20 hat der Senat neben den bereits benannten für alle Taten geltenden Zumessungserwägungen die erhebliche kriminelle Energie, mit der die Angeklagte vorgegangen ist, die die Modalitäten ihrer Tat umstellte, nachdem der Zoll bereits bei ihrer Ausreise am 6. Dezember 2013 eine Vielzahl von Zubehörstücken in ihrem Gepäck sichergestellt hatte und ein Ausreiseverbot ausgesprochen worden war, strafschärfend berücksichtigt.
e) Bei der Festsetzung der nach § 54 StGB zu bildenden Gesamtstrafe hat der Senat die zuvor dargelegten Gesichtspunkte insgesamt nochmals gewürdigt und dabei in den Blick genommen, dass die Taten in einem engen zeitlichen und inneren Zusammenhang stehen.
783Danach hat der Senat unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von
erkannt.
1.
2.
787a) Hinsichtlich der Bemessung der Einzelstrafen spricht in sämtlichen Fällen zu Gunsten des Angeklagten, dass er nicht vorbestraft ist, sich in Teilen geständig gezeigt hat und seine Taten bereut. Die Tatzeit liegt bereits erhebliche Zeit zurück. Die Hauptverhandlung hat zudem länger als ein Jahr und sechs Monate gedauert, weshalb der Angeklagte letztlich seine langjährig ausgeübte Arbeitsstelle verloren hat. Der Angeklagte hat die Taten in erster Linie aus familiärer Verbundenheit begangen. Innerhalb der Bande kam ihm lediglich eine untergeordnete Rolle zu. Der Angeklagte hat sich gegenüber den Nebenklägerinnen mitfühlend geäußert und hat glaubhaft versichert, dass das Vorgehen des IS nichts mit seinem Verständnis vom Islam zu tun habe.
b) Für die unter B.II.3.b festgestellte Tat (Fall 5) erachtet der Senat eine (Einsatz-) Freiheitsstrafe von
als tat- und schuldangemessen.
790Bei der Bemessung der Strafe innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens hat der Senat neben den vorbezeichneten für alle Taten geltenden Umständen zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass das Waffenzubehör und die Geräte teilweise nicht zum IS gelangt sind und es bei dem tateinheitlich verwirklichten Ausfuhrdelikt am 6. Dezember 2013 beim Versuch geblieben ist. Auch ist zu Gunsten des Angeklagten zu werten, dass im Fall der versuchten Ausreise am 8. April 2014 die Zollbeamten am Flughafen Köln/Bonn bereits sensibilisiert waren. Es war deshalb objektiv unwahrscheinlich, dass die mitgeführten Waren ins Ausland gelangten. Zu seinen Gunsten ist weiter der freiwillige Verzicht auf die sichergestellten Gegenstände anzuführen.
c) Für die unter B.II.3.d.bb, cc und ff festgestellten Taten (Fälle 13, 17 und 20) erachtet der Senat jeweils eine Freiheitsstrafe von
und für die unter B.III.3.b.ee festgestellte Tat (Fall 19) eine Freiheitsstrafe von
für tat- und schuldangemessen.
d) Bei der Festsetzung der nach § 54 StGB zu bildenden Gesamtstrafe hat der Senat die zuvor dargelegten Gesichtspunkte insgesamt gewürdigt und dabei in den Blick genommen, dass die Taten in einem engen zeitlichen und inneren Zusammenhang stehen.
795Danach hat der Senat unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von zwei Jahren und drei Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von
erkannt.
1.
2.
3.
800Die deswegen veranlasste Kompensationsentscheidung trifft der Senat auf der Grundlage der Vollstreckungslösung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008, GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 135 ff.) und stellt fest, dass jeweils drei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten.
I. Angeklagte A.
802In Bezug auf die Angeklagte A. hat der Senat gemäß § 74, § 104 Abs. 1 Nr. 13, § 109 Abs. 2 Satz 1, § 112 Sätze 1 und 2 JGG insgesamt davon abgesehen, ihr Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
803Da die – nach Jugendstrafrecht zu beurteilende – Angeklagte A. sich noch in der schulischen Ausbildung befindet, eigenes Vermögen nicht vorhanden ist und angesichts der verhängten Einheitsjugendstrafe reguläre Einkünfte zunächst nicht zu erwarten sind, stünde die nicht unerhebliche Kostenbelastung einem sozial eingegliederten Leben der Angeklagten in der Zukunft entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2016 - 4 StR 145/16, StV 2017, 717 f. m.w.N.).
804Der Senat hat in Ausübung des bestehenden Ermessens aus diesen Gründen – auch unter Berücksichtigung des Gewichts der abgeurteilten Taten und ihrer massiven Folgen für die Nebenklägerinnen – ebenfalls davon abgesehen, der Angeklagten die (erheblichen) notwendigen Auslagen der Nebenklage aus erzieherischen Gründen aufzuerlegen, § 472 Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO, § 74 JGG (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2018, 4 StR 314/18, StraFo 2019, 75-77; sowie vom 10. März 2021, StB 32/20, juris Rn. 11). Eine gesetzliche Grundlage dafür, diese entsprechend dem Antrag der Nebenklage (ausnahmsweise) der Staatskasse aufzuerlegen, besteht – ungeachtet des aufgrund von § 397a Abs. 1 StPO, § 53 Abs. 2 RVG ohnehin eingeschränkten Kostenrisikos – nicht (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 9. November 1962, 1 Ss 1362/62, NJW 1963, 1168; MüKoStPO/Maier, 1. Aufl. 2019, StPO, § 472 Rn. 7 bis 10).
805Angeklagte C. und B.
Hinsichtlich der Angeklagten C. und B. beruht die Kostenentscheidung jeweils auf § 465 Abs. 1 StPO.
808Der Senat hat davon abgesehen, hinsichtlich der Kostenhaftung der Angeklagten C. und B. im Sinne einer eintretenden Haftung nach Kopfteilen zu berücksichtigen, dass der Angeklagten A. insgesamt keine Kosten und Auslagen auferlegt wurden, wodurch ein Kostengesamtschuldner weggefallen sein könnte (vgl. abweichend für den Fall gesamtschuldnerischer Kostenhaftung OLG Koblenz StV 1999, 665).
809Im Hinblick auf die im – abweichende prozessuale Taten betreffenden – Verfahren der Angeklagten A. verursachten und ausscheidbaren Kosten besteht keine Kostengesamtschuld und damit auch keine Kostenhaftung der weiteren Angeklagten C. und B. i.S.d. § 466 Satz 1 StPO. Die Vorschrift des § 466 Satz 1 StPO begründet lediglich die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Angeklagter, die wegen derselben (prozessualen) Tat verurteilt worden sind. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift ist bei Verurteilungen wegen verschiedener prozessualer Taten nicht geboten (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 466 Rn. 5). Auch die bestehende Verbindung des Verfahrens gegen die Angeklagte A. gemäß § 237 StPO außerhalb des engen sachlichen Zusammenhangs des § 3 StPO verändert dessen kostenrechtliche Eigenständigkeit nicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21. Februar 2017, 5 Ws 245/16, juris Rn. 19).