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Die Angeklagte ist schuldig der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied in acht Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit der Verletzung ihrer Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren, in vier Fällen mit Kriegsverbrechen gegen das Eigentum, in einem Fall mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und unerlaubtem Besitz sowie unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe sowie in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Versklavung) in Tateinheit mit Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer.
Im Übrigen wird die Angeklagte freigesprochen.
Sie wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
Soweit die Angeklagte freigesprochen worden ist, werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Im Übrigen trägt die Kosten des Verfahrens die Angeklagte.
Angewendete Vorschriften:
§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 S. 1 und 2, § 171, § 239 Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 27, 52, 53 StGB, § 7 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 VStGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG in Verbindung mit Teil B, Abschnitt V Nr. 29 c) der Kriegswaffenliste, § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b),§ 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 2 WaffG i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 des WaffG, Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1 und Unterabschnitt 3 Nr. 1.1. des WaffG
Gründe:
Die heute 35 Jahre alte Angeklagte ist am 21. September 1985 als zweites Kind der Eheleute I. und J. in Kumanovo im heutigen Nordmazedonien geboren worden. Beide Eltern waren zuvor einmal verheiratet gewesen und wieder geschieden. Keiner von ihnen hat eine Berufsausbildung, die Schulbildung der Mutter beschränkt sich auf den fünfjährigen Besuch einer Grundschule. Der Vater der Angeklagten ging in den 1970er Jahren als sogenannter Gastarbeiter nach Deutschland und arbeitete bis zu seiner Verrentung als Lagerarbeiter bei der Bayer AG in Leverkusen im Schichtdienst. Die Mutter der Angeklagten und nach deren Geburten auch die Angeklagte und ihr älterer Bruder verblieben zunächst in ihrer bisherigen Heimat. Erst 1987 holte der Vater auch seine Familie nach Deutschland. Sie wohnten für kurze Zeit in Düsseldorf und zogen dann nach Leverkusen. Die Mutter kümmerte sich um den Haushalt und die Familie. Die Angeklagte empfand ihre Mutter als Kind als sehr liebevoll, ihren Vater dagegen als aggressiv, weil er bei aus seiner Sicht gegebenem Fehlverhalten der Kinder häufig schimpfte und viel „herumnörgelte“.
3Der jüngere Bruder der Angeklagten ist 1992 in Köln geboren worden. Im gleichen Jahr wurde die Angeklagte eingeschult. Zuvor hatte sie den Kindergarten besucht. In der Grundschule hatte sie Spaß am Lernen. Sie hatte eine beste Freundin, die in der Nachbarschaft wohnte und mit der sie regelmäßig zusammen die Hausaufgaben erledigte. Aufgrund dieser Umstände durfte sie die Freundin regelmäßig besuchen. 1995 begann die Mutter der Angeklagten, nachmittags stundenweise als Putzhilfe zu arbeiten. Die Angeklagte musste während der Abwesenheit der Eltern auf ihren kleinen Bruder aufpassen.
4Nach der Grundschule wechselte die Angeklagte 1996 auf die Gesamtschule. Ungefähr zur gleichen Zeit zog die Familie in ein vom Vater erworbenes Haus in Leverkusen. Die Angeklagte fühlte sich unter den veränderten Umständen nicht wohl. In der neuen Schule erfuhr sie zwar teilweise Bestätigung durch ihre Mitschüler, wurde aber teilweise auch wegen ihres Gewichts ausgegrenzt. Die in der Nähe des neuen Hauses wohnenden Mitschüler waren nicht gut zu ihr. Andere Freunde fand sie in der Umgebung nicht.
5Die Angeklagte musste viel im Haushalt helfen. Ihr Vater unterband Besuche der Angeklagten von oder bei Freunden. Ihr älterer Bruder genoss demgegenüber größere Freiheiten. Die Religion spielte in der Familie keine große Rolle. Die Eltern der Angeklagten sind muslimischen Glaubens, praktizierten diesen aber nicht streng. Die Familie fastete im Ramadan und feierte die religiösen Feste, besuchte aber nicht regelmäßig eine Moschee. Die Angeklagte musste weder beten noch ein Kopftuch tragen. Die Eltern achteten nur darauf, dass sie sich nicht zu freizügig kleidete. Als die Angeklagte 14 Jahre alt war, erhielt ihr Vater einen Heiratsantrag für sie, den er ohne Rücksprache mit der Angeklagten ablehnte, unter anderem weil er meinte, die Angeklagte sei zu jung und solle erst einen Beruf erlernen. Die Angeklagte kannte den betreffenden Jungen zwar nicht, bedauerte die Ablehnung aber gleichwohl, da sie in der Ehe einen Ausweg aus ihrer als unglücklich empfundenen Lebenssituation gesehen hätte.
6Mit 16 Jahren wurde die Angeklagte ungewollt schwanger, was zu einer heftigen Auseinandersetzung mit ihren Eltern führte, in deren Rahmen sie eine Nacht in einem Jugendheim verbrachte. Auf erheblichen Druck sowohl ihrer Eltern als auch des Kindsvaters stimmte sie schließlich einer Abtreibung zu, die in Mazedonien durchführt wurde. Die Angeklagte erlangte nach einer Nachprüfung knapp die mittlere Reife und schloss damit die Gesamtschule ab. Der Abschlussfeier blieben ihre Eltern fern, obwohl die Angeklagte an einer Aufführung dort beteiligt war.
7Nach dem Schulabschluss bewarb sich die Angeklagte zunächst erfolglos auf mehrere Ausbildungsstellen in verschiedenen Bereichen. 2002 besuchte sie ein Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung, das sie aber nach wenigen Monaten wieder verließ, weil sie dem Unterricht nicht folgen konnte. Nach weiteren erfolglosen Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz nahm die Angeklagte zeitweise eine Teilzeittätigkeit als Putzhilfe auf, und begann sodann eine Ausbildung zur Hotelfachfrau in einem Hotel, in dem eine Freundin von ihr tätig war. Sie zog vorübergehend zu dieser Freundin. Schon nach fünf Monaten brach sie die Ausbildung wieder ab, da ihr die Arbeit nicht gefiel.
8Im August 2005 wurde die Angeklagte auf ihren Antrag in Deutschland eingebürgert, nachdem sie Anfang des Jahres aus der mazedonischen Staatsbürgerschaft entlassen worden war.
9Im Jahr 2006/2007 arbeitete sie als Aushilfe in verschiedenen Restaurants und hatte in der Folgezeit mehrere andere kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse. 2010 erhielt sie eine Festanstellung bei einer Drogeriemarktkette.
10Im Jahr 2006 begann die Angeklagte eine Beziehung mit einem Mann namens K., der bereits Kinder von anderen Frauen hatte. Durch diesen kam sie mit Alkohol und Drogen in Kontakt und begann selbst mit dem Konsum von Marihuana und erheblichen Mengen Alkohols. 2008 wurden beide offiziell ein Paar und die Angeklagte zog zu ihm nach Gummersbach. Wenn K. trank, kam es zu gewalttätigen Übergriffen auf die Angeklagte.
11Ein Freund des K. weckte in dieser Zeit unter anderem durch DVDs mit Vorträgen von „Scheich“ Ka. das Interesse der Angeklagten am Islam. Sie begann, regelmäßig zu beten und ein Kopftuch zu tragen, stellte den Konsum von Marihuana und Alkohol ein und trennte sich zunächst von K.. Im Jahr 2009 begann sie allerdings erneut damit, diesen zu treffen. Sie verlobte sich dann gleichwohl zunächst mit einem Mann aus Albanien, löste diese Verlobung später aber wieder auf, was zu Verstimmungen in der Familie führte. Sie wandte sich erneut K. zu und wurde von diesem schwanger. Beide zogen in eine Wohnung im Haus der Eltern des Angeklagten. Am 20. Oktober 2011 wurde die gemeinsame Tochter M. geboren. Ihre auf sechs Monate befristete Festanstellung bei der Drogeriemarktkette wurde infolgedessen nicht verlängert. Aufgrund von Alkoholexzessen und Gewalttätigkeiten warf die Angeklagte K. kurz nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter aus der Wohnung. Sie verbrachte viel Zeit mit ihren Eltern, die ein gutes Verhältnis zu ihrer Enkelin aufbauten.
12Die Angeklagte kleidete sich nunmehr streng nach den islamischen Vorschriften und radikalisierte sich im Laufe der Zeit. Am 11. Februar 2015 begab sie sich gemeinsam mit ihrer zu diesem Zeitpunkt dreijährigen Tochter und zusammen mit ihrer Freundin N. zunächst in die Türkei und von dort aus sofort nach Syrien, wo sie sich dem IS anschloss und kurz nach ihrer Ankunft den IS-Kämpfer O. aus Husum nach islamischem Ritus heiratete und mit diesem zusammen in Raqqa und Mayadin lebte. Am 14. Dezember 2016 wurde in Syrien der gemeinsame Sohn P. geboren. Später nahmen die Angeklagte und O. auch den am 7. Juni 2017 geborenen Sohn Q. einer Zweitfrau O.s auf, die das IS-Gebiet verlassen hatte.
13Als der IS militärisch immer weiter zurückgedrängt wurde, musste die Familie aus Mayadin und in der Folgezeit im verbleibenden unter Kontrolle des IS stehenden Gebiet von einem Ort zum andern flüchten. Sie wurde schließlich am 11. Februar 2019 auf der Flucht von einer kurdischen Miliz festgenommen, die den gesondert Verfolgten O. gefangen nahm sowie die Angeklagte und die Kinder in das kurdische Lager Al Hawl verbrachte. Mit Hilfe von Schmugglern gelangte sie von dort an die türkische Grenze und wurde ab dem 5. März 2020 von den türkischen Behörden in einem Lager in Jarabulus/Syrien untergebracht. Im Juli 2020 wurde sie zunächst zur deutschen Botschaft in Ankara und anschließend am 24. Juli 2020 in Begleitung von Beamten des Bundeskriminalamtes per Flugzeug nach Frankfurt am Main zurückgeführt. Noch auf dem Flughafen wurde die Angeklagte aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Juni 2020 (2 BGs 333/20) festgenommen und befindet sich seit demselben Tag ununterbrochen in Untersuchungshaft.
14Die Angeklagte ist nicht vorbestraft.
Die Angeklagte verließ am 11. Februar 2015 gemeinsam mit ihrer damals dreijährigen Tochter M. und zusammen mit der gesondert verfolgten N. Deutschland und begab sich über die Türkei in das zu diesem Zeitpunkt von der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) beherrschte Raqqa in Syrien. Sie gliederte sich dort in den IS ein und heiratete nach wenigen Tagen das ihr vermittelte, ebenfalls aus Deutschland stammende IS-Mitglied O. nach islamischem Ritus. Sie gebar am 14. Dezember 2016 den gemeinsamen Sohn P. und kümmerte sich ab 2017 auch um den Sohn Q. einer Zweitfrau des O., die das IS-Gebiet verlassen hatte. Der Familie wurden zunächst in Raqqa und ab 2017 in Mayadin nacheinander jeweils zwei vom IS erbeutete Wohnungen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Angeklagte hatte in den Wohnungen Zugang zu einer dort außerhalb von Kampf- und Wacheinsätzen verwahrten Sturmgewehr des O., außerdem besaß sie selbst eine halbautomatische Pistole, die sie beim Verlassen der Wohnung in der Regel mitführte. In den Jahren 2016 und 2017 nahm sie für Putz- und sonstige Arbeiten in ihren jeweiligen Wohnungen in erheblichem Umfang die erzwungenen Dienste der Nebenklägerin in Anspruch, die als Jesidin von den ebenfalls aus Deutschland stammenden gesondert Verfolgten R. und S. als Sklavin gehalten wurde.
Der IS ist eine von der islamischen Glaubensrichtung der Sunniten dominierte Organisation mit militant-fundamentalistischer Ausrichtung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, einen den eigenen Vorstellungen entsprechenden autoritären islamischen „Gottesstaat“ im Irak, in Syrien und in den Nachbarstaaten unter Überwindung nationalstaatlicher Grenzen zu etablieren und zu diesem Zweck unter anderem die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zudem geht es der Organisation um die Eroberung Jerusalems sowie die physische Vernichtung der Schiiten und Alawiten sowie weiterer religiöser Minderheiten in ihrem Gebiet, wie etwa der Jesiden. Teil des bewaffneten Kampfes ist die Destabilisierung bestehender Ordnungen durch terroristische Anschläge. Wer sich den Ansprüchen der Organisation entgegensetzt, muss damit rechnen, verhaftet, gefoltert und getötet zu werden.
Hervorgegangen ist der IS aus der im Jahr 2000 im Irak von Abu Musab az-Zarqawi gegründeten Gruppe „al-Qaida im Zweistromland“, die Anschläge mit dem Ziel der Destabilisierung des irakischen Staates verübte. Nach dem Tod az-Zarqawis im Juni 2006 gab sich die Organisation im Oktober desselben Jahres nunmehr den Namen „Islamischer Staat im Irak“ (ISI) und erhob damit den Anspruch, einen eigenen sunnitischen Staat aufzubauen. Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak Ende 2011 erstarkte die mittlerweile von Abu Bakr al-Baghdadi geführte Gruppe. Sie verübte in den Jahren 2012 und 2013 hunderte Anschläge mit Autobomben, denen zahlreiche Menschen zum Opfer fielen, und weitere acht zum Teil spektakuläre Angriffe auf irakische Gefängnisse, bei denen eine Vielzahl von Gefangenen befreit wurde, die sich der Organisation anschlossen.
18Um in den 2011 ausgebrochenen syrischen Bürgerkrieg eingreifen zu können, gründeten syrische Mitglieder des ISI auf Veranlassung al-Baghdadis die „Jabhat an-Nusra li-Ahl ash-Sham“ (Nusra-Front) als dessen syrische Teilgruppe. Ausgangspunkt für den Bürgerkrieg in Syrien waren die seit Februar 2011 aus sozialen und religiösen Gründen stattfindenden friedlichen Proteste gegen das von der religiösen Minderheit der Alawiten dominierte Regime des Präsidenten Baschar al-Assad in den überwiegend von Sunniten besiedelten Teilen des Landes, die sich nach gewaltsamer Unterdrückung durch die Regierung bis Ende des Jahres 2011 zu einem bewaffneten Aufstand entwickelten, der keiner zentralen Führung unterstand. Die Aufständischen bildeten örtliche Verbände, die auch nach Ausrufung der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) im Juli 2011 nicht einheitlich kontrolliert wurden.
19Im Jahr 2012 waren weite Teile Syriens von dem Aufstand erfasst. Es kam dabei auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Gruppen, die versuchten, die militärischen Stützpunkte der Regierung im Osten, Norden und im Zentrum des Landes einzunehmen. Im Verlauf des Bürgerkriegs erstarkten insbesondere islamistisch-salafistisch ausgerichtete Gruppen, darunter die Nusra-Front, die bis Ende 2012 zu einer der wichtigsten aufständischen Gruppierungen in Syrien geworden war. Im Jahr 2013 gelang es dem syrischen Regime seine Position zu konsolidieren. Es konnte Gebiete im Zentrum des Landes sowie die strategisch wichtige Stadt Kusseir zurückerobern, Versorgungswege sichern und die Rebellen zurückdrängen, wobei ab August 2013 auch chemische Waffen eingesetzt wurden.
20Der Nusra-Front gelang es ab 2012 durch aufsehenerregende Anschläge schnell Bekanntheit und damit Zulauf zu gewinnen. Um dem ISI die Kontrolle über die Nusra-Front zu sichern, rief al-Baghdadi am 8. April 2013 den „Islamischen Staat im Irak und Großsyrien“ (ISIG, auch „Islamischer Staat im Irak und in Syrien“ [ISIS], arabisch „ad-Daula al-Islamiya fi l-Iraq wa-sh-Sham“) aus, der aus beiden Gruppen, dem ISI und der Nusra-Front, bestehen sollte, wobei die Nusra-Front als verlängerter Arm des ISI dargestellt wurde. Deren Führer Abu Muhammad al-Jaulani lehnte eine Unterstellung unter al-Baghdadis Kommando indes ab. Auch das Eingreifen von Aiman az-Zawahiri, dem Nachfolger Bin Ladens als al-Qaida-Führer in Pakistan, dem al-Jaulani zwischenzeitlich Gefolgschaft geschworen hatte, führte nicht zu einer Lösung des Konflikts. Der ISIG verweigerte sich Anweisungen aus Pakistan und übernahm im Frühsommer 2013 mit ehemaligen, zu ihm übergelaufenen Truppen der Nusra-Front eine Reihe von deren Stützpunkten im Norden und Osten Syriens. Im Spätsommer/Herbst 2013 kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Kämpfern anderer Rebellenorganisationen, darunter auch der Nusra-Front. Im Januar 2014 wurde der ISIG aus der al-Qaida ausgeschlossen.
21Im Sommer 2014 erzielte der ISIG im Irak größere Geländegewinne und nahm im Juni 2014 Mossul ein, die zweitgrößte Stadt des Landes. Daraufhin proklamierte die Organisation – nunmehr ohne räumliche Beschränkung in ihrer Bezeichnung – den „Islamischen Staat“ und rief al-Baghdadi zum Kalifen aus. Eine anschließende, gegen die Nusra-Front und die syrische Armee gerichtete Offensive brachte dem IS zudem große Geländegewinne in Syrien, sodass er ab Juni/Juli 2014 ein zusammenhängendes Gebiet in Ostsyrien und dem Nordwestirak kontrollierte. In dieser Zeit bis zum Herbst 2015 erlebte die Organisation ihre Blütezeit. Die Anzahl der Kämpfer war bereits im Jahr 2013 auf rund 10.000 bis 20.000 Mann angewachsen und nahm bis Anfang 2016 auf etwa 20.000 bis 30.000 zu. Dabei verzeichnete der IS – insbesondere nach Ausrufung des Kalifats – auch einen starken Zustrom ausländischer Kämpfer.
22Abu Bakr al-Baghdadi stand an der Spitze der hierarchisch gegliederten Organisation und hatte die ideologische Führung inne. Widerständen begegnete er gewaltsam, etwa durch Säuberungsaktionen gegen interne Gegner. Zum weiteren Führungszirkel gehörten sein Stellvertreter sowie jeweils ein Kommandeur für Syrien und für den Irak. Als Entscheidungsorgan bestand ferner ein Schura-Rat für grundlegende Fragen, wie etwa die Nachfolge des Emirs/Kalifen. Daneben gab es Komitees („Ministerien“) für Religionsangelegenheiten, Militär, Sicherheit und Nachrichtengewinnung, Finanzen, Aufsicht über die Provinzverwaltung sowie Medienarbeit. Für „Provinzen“ des IS wurden Kommandeure ernannt, die al-Baghdadi unterstanden. Die Führungsebene setzte sich überwiegend aus Irakern und Syrern zusammen. In eroberten Gebieten wurden jeweils eine rudimentäre Verwaltung sowie ein eigenes Gerichtswesen eingerichtet. Überdies existierte ein ausgeprägter Geheimdienst, der innerhalb der Organisation parallel neben sonstigen Strukturen organisiert war.
23Der IS verlangte von männlichen Mitgliedern regelmäßig die Absolvierung einer militärischen Ausbildung in speziellen Ausbildungslagern (arabisch mu’askar). Nach der Absolvierung der Grundausbildung erfolgten die Zuteilung der IS-Rekruten zu einer Kampfeinheit („Katiba“) und die Ausstattung mit einem Sturmgewehr, üblicherweise einer AK 47, nebst Munition. Die Kämpfer erhielten von der Organisation eine zum Lebensunterhalt notwendige Versorgung und einen Sold. Die Organisation finanzierte sich durch den Verkauf von Öl, lokale Steuern und Schutzgelder, Kriegsbeute, Lösegelder sowie Spenden aus dem Ausland.
24Der IS nutzte ebenso wie zuvor der ISIG als Erkennungszeichen in Anlehnung an das Logo der irakischen al-Qaida den weißen Kufi-Schriftzug „Es gibt keinen Gott außer Gott“ in arabischer Sprache und darunter das Mohammed zugeschriebene weiße „Prophetensiegel“ mit den arabischen Worten für „Gott, Prophet, Mohammed“ auf schwarzem Grund, teils ergänzt um den Organisationsnamen. Er betrieb eine mehrsprachige Öffentlichkeitsarbeit mit modernen Mitteln, insbesondere durch eigene Medienstellen. Dabei ging es ihm darum, die eigene Macht zu demonstrieren und dadurch Gegner einzuschüchtern, Anhänger zu rekrutieren sowie den Anspruch eigener Staatlichkeit zu unterstreichen. Zu diesem Zweck veröffentlichte er im Internet unzählige Videos mit brutalen Hinrichtungen, bei denen Opfern vor laufender Kamera zum Beispiel die Kehle durchgeschnitten und der Kopf abgetrennt wurde.
25Neben derartigen Taten beging die Organisation zur Durchsetzung ihrer Ziele – sowohl in Syrien als auch im Irak – eine Vielzahl von Anschlägen, auch auf Zivilisten, und nahm an diversen Kämpfen teil. Dabei richteten sich die Angriffe gegen das syrische Regime, häufig aber auch gegen andere Gruppen von Aufständischen, mit dem Ziel, von diesen gehaltene Gebiete zu übernehmen.
26Die Erfolge des IS veranlassten die US-Regierung und ihre europäischen und arabischen Verbündeten ab Herbst 2015 zu verstärkten Luftangriffen. Zudem unterstützten die USA und einige ihrer Verbündeten die Kämpfer der kurdischen PYD. Im Juli 2017 nahm die irakische Armee mit ihren Verbündeten die IS-Hauptstadt Mossul ein; im Oktober 2017 vertrieben die syrischen Kurden mithilfe des US-Militärs den IS aus Raqqa. Infolge der Niederlagen gingen auch die meisten neu aufgebauten quasistaatlichen Strukturen verloren, die Verluste an Kämpfern waren sehr hoch und Rekruten und ihre Familien flohen aus dem IS-Gebiet. Von Herbst 2017 bis März 2019 konzentrierte sich der IS mit letzten – vor allem im Bereich des mittleren Euphrats und im Südosten von Deir ez-Zor und der in diesem Gouvernement liegenden Kleinstadt Mayadin – erbittert kämpfenden Truppen auf die Verzögerung einer Kapitulation. Am 14. Oktober 2017 wurde die Stadt Mayadin, die bereits im Mai 2017 Ziel von Luftangriffen wurde, nach einer von der russischen Luftwaffe unterstützten Offensive durch die syrische Armee zurückerobert. Nach einem weiteren Rückzug zur irakischen Grenze konnte im März 2019 die letzte Bastion des IS in Baghuz eingenommen werden, der seitdem, vornehmlich im Irak, wieder im Untergrund tätig ist. In der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2019 wurde Abu Bakr al-Baghdadi durch die US-Armee getötet. Als Nachfolger wurde Abu Ibrahim Al-Hashimi Al-Qurashi zum neuen Anführer ernannt.
27Seit 2014 wurden im Namen des IS auch Anschläge in der westlichen Welt und hierbei besonders häufig in Europa begangen. Dort wurden unter anderem Anschläge am 24. Mai 2014 (Anschlag auf das jüdische Museum in Brüssel mit vier Toten), 26. Juni 2015 (Enthauptung des Chefs eines Logistikunternehmens in Lyon), 13. November 2015 (Feuerüberfälle und Selbstmordattentate auf das Stade de France, ein Konzert und Gaststätten in Paris mit 130 Toten), 22. März 2016 (Anschläge auf den Flughafen und die U-Bahn in Brüssel mit 32 Toten), 13. Juni 2016 (Anschlag auf einen Polizisten und seine Lebensgefährtin in Magnanville/Frankreich mit zwei Toten), 14. Juli 2016 (Anschlag mit einem Lastkraftwagen auf der Promenade des Anglais in Nizza mit 84 Toten), 19. Dezember 2016 (Anschlag mit einem Lastkraftwagen auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin mit zwölf Toten), 20. April 2017 (Feuerüberfall auf Polizisten auf den Champs-Élysées mit einem Toten), 22. Mai 2017 (Sprengstoffanschlag auf ein Popkonzert in Manchester mit 22 Toten), 17. August 2017 (Anschlag mit einem Personenkraftwagen in Barcelona mit 15 Toten), 18. August 2017 (Anschlag mit einem Personenkraftwagen in Cambrils/Spanien mit einem Toten) verübt.
Nach den Vorstellungen des IS hatten in dem von ihm beherrschten Gebiet neben den sunnitischen Muslimen nur Juden und Christen ein Lebensrecht, da es sich bei ihren Religionen um große monotheistischen Religionen mit einem Offenbarungsbuch handelt, die schon im Koran als solche erwähnt sind. Sie konnten ihre Religion zwar nicht öffentlich praktizieren, durften aber im islamischen Staat leben, sofern sie eine Kopfsteuer zahlten. Schiiten und Angehörige anderer Religionen galten dagegen als Abtrünnige oder Ungläubige, die in der Regel getötet oder versklavt wurden.
29Die Jesiden sind eine hauptsächlich im Irak in Sinjar und im weiter östlich gelegenen Shaikan lebende religiöse Minderheit. Die Zahl der Jesiden ist umstritten, Schätzungen schwanken zwischen 200.000 und 700.000 Personen. Die jesidische Religion ist monotheistisch und hat Elemente des Christentums, des Islam und des Zoroastrismus übernommen. Die Jesiden sind ethnische Kurden, definieren ihre Identität aber in erster Linie über ihre Religion. Da in der jesidischen Religion Engel eine besondere Rolle spielen, hält der IS die Jesiden für „Teufelsanbeter“ und hat es sich zum Ziel gesetzt, die jesidische Religion vollständig auszulöschen.
30In der Nacht vom 2. auf den 3. August 2014 überfiel der IS mit hunderten von schwer bewaffneten Kämpfern die Region um das Sinjar-Gebirge im Nordwesten des Irak, in der sich neben der Hauptstadt Sinjar mehrere hundert überwiegend von Jesiden bewohnte Dörfer befanden. Hunderttausenden Jesiden gelang die Flucht, vornehmlich in das irakische Kurdengebiet, teilweise aber auch in das Sinjar-Gebirge, wo sie von IS-Kämpfern mehrere Wochen eingekesselt waren und wo zahlreiche Menschen, insbesondere auch Kinder, ungeschützt der Hitze ausgesetzt waren und ohne Zugang zu Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung den Tod fanden. Innerhalb von drei Tagen gelang es dem IS, die Dörfer mit Ausnahme des besonders weit im Süden gelegenen Kocho einzunehmen.
31Die vom IS auf der Flucht aufgegriffenen und in den eroberten Dörfern noch angetroffenen Menschen wurden zusammengetrieben und anschließend die Frauen und Kinder von den erwachsenen Männern und männlichen Jugendlichen getrennt. Sie mussten ihre Mobiltelefone, Geld, Schmuck und sonstige Wertsachen abgeben. Die Wohnungen und Häuser der Jesiden wurden geplündert und zerstört. Systematisch zerstört wurden auch jesidische Heiligtümer und Kultstätten. Die Männer und männlichen Jugendlichen wurden in einigen Fällen sofort getötet, in anderen Fällen erhielten sie die Möglichkeit, dem Tod durch Konversion zum Islam zu entgehen, teilweise gab es Massenerschießungen. Das weitere Schicksal der konversionsbereiten Männer ist nicht vollständig geklärt. Teilweise wurde sie in zuvor von Schiiten bewohnten Dörfern angesiedelt. Soweit beim IS in der Folgezeit vielfach Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Konversion aufkamen, wurden die Betroffenen hingerichtet.
32Die Frauen und die bei ihnen verbliebenen Kinder wurden zunächst an geeigneten Sammelstellen, wie dem Gebäude der Technischen Universität in Solagh östlich der Stadt Sinjar, zusammengetrieben und von dort in Gruppenunterkünfte, beispielsweise in Schulen oder Gefängnisse in Tal Afar, Baaj, Badousch oder in die als Hochzeitshalle bekannte „Galaxy Hall“ in Mossul, verbracht. Frauen und Mädchen wurden dabei willkürlich von IS-Kämpfern herausgegriffen und vergewaltigt. Später wurden die Frauen als Sklavinnen – zur nahezu beliebigen „Verwendung“, auch und insbesondere für sexuelle Handlungen aller Art – an IS-Kämpfer teilweise unentgeltlich, etwa als Belohnung für besondere Leistungen, überwiegend aber gegen Entgelt weitergegeben. Die Frauen und Mädchen wurden zu diesem Zweck registriert und katalogisiert sowie auf Sklavenmärkten in Raqqa und Mossul veräußert oder aber auch in Online-Auktionen des IS verkauft oder verlost. Auf entsprechenden Online-Portalen wurden auch sehr junge Mädchen angeboten, die auf Lichtbildern in verschiedenen Posen und aus verschiedenen Perspektiven heraus abgebildet waren. Die jüngeren Frauen und Mädchen wurden von ihren Erwerbern in der Regel zu sexuellen Handlungen gezwungen, während die älteren Frauen zumeist für die Erledigung des Haushaltes und die Kinderbetreuung eingesetzt wurden.
33In dem vom IS im Oktober 2014 herausgegebenen englischsprachigen Magazin DABIQ 4 wurden die Tötung der männlichen Jesiden und die Versklavung von jesidischen Frauen und Kindern religiös gerechtfertigt, Preisempfehlungen für den Sklavenhandel verbreitet und konkrete Handlungsanweisungen für die Haltung der Sklavinnen erteilt. Daneben veröffentlichte der IS im Herbst 2014 ein mit „Fragen und Antworten über die Haltung von Sklaven und Gefangenen“ überschriebenes Dokument mit Regeln für die Haltung weiblicher Sklaven, insbesondere dazu, unter welchen Voraussetzungen Geschlechtsverkehr mit ihnen gestattet sei.
34Am 15. August 2014 besetzte der IS auch das bislang eingekesselte Dorf Kocho, in welchem die Nebenklägerin und ihre Familie zu diesem Zeitpunkt lebten. Die Bewohner wurden vom IS in der Schule zusammengetrieben und dort nach Geschlechtern getrennt auf die beiden Etagen des Gebäudes verteilt. Nachdem der Dorfvorsteher den IS-Kämpfern mitgeteilt hatte, dass die Dorfbewohner nicht zur Konversion zum Islam bereit seien, wurden die Männer gruppenweise in Autos weggebracht und in der Nähe des Dorfes erschossen. Unter den Toten befanden sich auch der Vater der Nebenklägerin, zwei ihrer Brüder sowie drei Onkel und zwei Cousins. Die Frauen und Kinder wurden anschließend zum Gebäude der Technischen Universität in Solagh in der Nähe von Sinjar gebracht. Dort wurden ältere Frauen, ab etwa einem Alter von 50 Jahren, abgesondert und – wohl weil sie als Sklavinnen unverkäuflich erschienen – hinter dem Gebäude erschossen. Die Nebenklägerin wurde zusammen mit den jüngeren Frauen und zunächst auch noch ihren beiden jüngeren Brüdern über verschiedene Stationen zur „Galaxy Hall“ in Mossul verbracht und an einen IS-Kämpfer verkauft. In der Folgezeit wurde sie mehrfach von Kämpfer zu Kämpfer weiterkauft, wobei sie von allen sich als „Eigentümer“ gerierenden Männern vergewaltigt wurde.
Während ihrer als unglücklich empfundenen Beziehung zu K., der trank und gewalttätig war, kam die Angeklagte etwa 2008 erstmals in Kontakt mit dem radikalen Islam. Ein Freund des K., der sie dadurch beeindruckte, dass er im Gegensatz zu K. weder rauchte noch trank und sich gut um seine Familie kümmerte, brachte DVDs mit Vorträgen von „Scheich“ Ka. mit, die das Interesse der Angeklagten weckten. Sie begann, den Koran zu lesen und fünfmal täglich zu beten, stellte den Konsum von Marihuana und Alkohol ein und trug fortan ein Kopftuch, was in der Öffentlichkeit zu von ihr als herablassend und abweisend empfundenen Reaktionen führte. Nachdem sie sich nach der Geburt ihrer Tochter im Oktober 2011 endgültig von K. getrennt hatte, begab sie sich nur noch vollverschleiert in die Öffentlichkeit, was ihre Eltern störte. Sie verbrachte viel Zeit auf Facebook, wo sie Freundinnen in ähnlicher Situation fand und mit der Vorstellung von einer Pflicht zur Auswanderung in ein islamisches Land und zum „Heiligen Krieg“ gegen die „Ungläubigen“ in Kontakt kam. Sie begann, eine Moschee in der Nähe ihres Wohnorts zu besuchen, und machte die Bekanntschaft weiterer Frauen, die sich mit dem Gedanken der Auswanderung in ein islamisches Land trugen.
Die Angeklagte und die gesondert Verfolgte N., die sich über Facebook kennengelernt hatten, beschlossen Anfang 2015, gemeinsam in das vom IS beherrschte Gebiet auszuwandern und sich dem IS anzuschließen. Die Angeklagte hielt die vom IS dort praktizierte strenge Durchsetzung der Gesetze der Scharia – auch mit tödlicher Gewalt – und den Kampf des IS gegen die „Ungläubigen“ und andere Gegner für richtig, auch wenn es ihr nicht in erster Linie auf eine Teilnahme am Jihad ankam und ihre Motivation jedenfalls auch davon geprägt war, dass sie in ihrer Lebenssituation unglücklich war. Der Angeklagten war bekannt, dass der IS das von ihm beherrschte Gebiet mit bewaffneten Kämpfern gewaltsam und unter Vertreibung
37oder Tötung Andersgläubiger erobert hatte, er allgemein Andersgläubige bekämpfte und er seine Gegner in Kämpfen aber auch durch Anschläge tötete und bestrebt war, sein Herrschaftsgebiet gewaltsam zu erweitern. Ebenso war ihr bekannt, dass der IS von Einwanderern in das von ihm beherrschte Gebiet die Unterwerfung unter seine Regeln und die Förderung seiner Tätigkeit erwartete. Hierzu war die Angeklagte bereit.
38Am 11. Februar 2015 flog die Angeklagte gemeinsam mit ihrer zu diesem Zeitpunkt etwa dreieinhalbjährigen Tochter und N. zunächst nach Kayseri in der Türkei und begab von dort aus nach Sanliurfa. Nach einer Übernachtung dort wurden sie am nächsten Tag – von N. telefonisch arrangiert – von einem Mittelsmann abgeholt und über verschiedene Stationen in ein Frauenhaus in Syrien und von dort sogleich in ein weiteres Frauenhaus in Raqqa gebracht, wo sich viele junge Frauen aus verschiedenen Ländern aufhielten. Wenige Tage nach der Einreise, am 17. Februar 2015, wurde die Angeklagte dem aus Husum in Deutschland stammenden damals 28 Jahre alten O. alias Ff. vorgestellt, dem der Mittelsmann die Angeklagte als „Heiratskandidatin“ empfohlen hatte. Beide führten ein Gespräch in Anwesenheit der Leiterin des Frauenhauses und deren Ehemannes und kamen überein, nach islamischem Ritus zu heiraten. Die Ehe nach islamischem Ritus wurde noch am selben Tag vor einem „Gericht“ des IS formell geschlossen.
39O., ein ehemaliges Mitglied der Millatu-Ibrahim-Gruppe, war für den IS in dessen Medienabteilung tätig, betätigte sich aber auch als Kämpfer und leistete Wachdienste, unter anderem am Flughafen in Deir ez-Zor.
40Die Angeklagte lebte mit O. zusammen zunächst in Raqqa. Sie kümmerte sich um den Haushalt und ab der Geburt des gemeinsamen Sohnes P. am 14. Dezember 2016 auch um diesen. Später nahmen die Angeklagte und O. zusätzlich den am 7. Juni 2017 geborenen Sohn Q. einer Zweitfrau O.s auf, die das IS-Gebiet nach der Geburt des Kindes verlassen hatte. Auch um diesen kümmerte sich fortan die Angeklagte. Auf diese Art und Weise erleichterte sie es O., wie ihr auch bewusst war, seinen Aufgaben beim IS nachzukommen.
41Aufgrund zunehmender Luftangriffe floh die Familie am 17. Februar 2017 aus Raqqa nach Mayadin. Auch dort kam es ab Mai 2017 vermehrt zu Luftangriffen. Zu einem nicht im einzelnen feststellbaren Zeitpunkt vor der Eroberung der Stadt durch die syrische Armee am 14. Oktober 2017 floh die Angeklagte mit ihrer Familie auch von dort gemeinsam mit dem sich auf dem Rückzug befindenden IS über Hajin und weitere Stationen bis nach Baghuz. Auch aus diesem Ort flohen sie kurz vor dessen Eroberung durch die sogenannten Syrischen Demokratischen Streitkräfte. Anfang 2019. Am 11. Februar 2019 wurde die Familie auf der Flucht von einer kurdischen Miliz festgenommen, die den gesondert Verfolgten O. in ein Gefängnis sowie die Angeklagte und die Kinder in das kurdische Lager Al Hawl verbrachte. Dieses wurde von den kurdischen Sicherheitskräften in Syrien vorwiegend für die Unterbringung von nach der militärischen Niederlage des IS geflüchteten IS-Anhängerinnen und deren Kindern genutzt. Das Lager war eingezäunt und bestand im Wesentlichen aus Zelten, auch die Angeklagte musste mit ihren Kindern in einem Zelt campieren. Die hygienischen Bedingungen dort waren schlecht, die medizinische Versorgung, ebenso wie die Versorgung mit Lebensmitteln und den Notwendigkeiten des täglichen Bedarfs unzureichend. Der Angeklagten gelang es, über das Telefon einer Freundin, die sie dort kennengelernt hatte, Kontakt zu ihren Eltern und den Eltern des O. aufzunehmen, wobei letztere sie finanziell unterstützten und ihr damit später auch die Flucht unter Einschaltung von Schmugglern ermöglichten. Mit Hilfe der Schmuggler gelangte sie an die türkische Grenze und wurde ab dem 5. März 2020 bis unmittelbar vor ihrer Rückführung nach Deutschland im Juli 2020 von den türkischen Behörden in einem Lager in Jarabulus/Syrien unter deutlich besseren Bedingungen untergebracht.
Die Angeklagte war sich bereits bei ihrer Ausreise aus Deutschland im Februar 2015 unter Mitnahme ihrer am 00.00.00 geborenen und damit zu diesem Zeitpunkt etwa dreieinhalb Jahre alten Tochter M. des Umstands bewusst, dass sie sich in ein Bürgerkriegsgebiet begab, in welchem trotz der zu diesem Zeitpunkt militärisch relativ gefestigten Herrschaft des IS in den von ihm eroberten Teilen Syriens und des Iraks es jederzeit zu Luftangriffen oder sonstigen Kampfhandlungen kommen konnte, und dass ihre Tochter dort womöglich vom IS begangene Gräueltaten miterleben würde. Ihr war dementsprechend klar, dass der Aufenthalt dort für ihre Tochter mit erheblichen Gefahren für deren körperliche und psychische Entwicklung verbunden war. Auch wenn sie darauf hoffte, dass ihre Tochter, die sie stets liebte, keinen Schaden nehmen werde, nahm sie diese Gefahren gleichwohl als zwangsläufige Folge der von ihr gewollten Auswanderung in das IS-Gebiet billigend in Kauf.
43Während ihres Aufenthaltes in Raqqa und Mayadin ließ die Angeklagte es gelegentlich zu, dass ihre Tochter auf dem Laptop des O. Propagandavideos des IS sah, auch wenn ihre Tochter den – von O. für seine Tätigkeit für den IS verwendeten – Computer im Regelfall nicht benutzen durfte. Vor allem aber duldete sie, dass ihre Tochter bei ihren zahlreichen Besuchen bei der gesondert verfolgten S. gemeinsam mit deren Kindern auf dem Fernseher der S. Propagandavideos ansah, unter anderem auch solche, in denen Enthauptungen gezeigt wurden. Außerdem fanden im Tatzeitraum für die Angeklagte und ihre Tochter wahrnehmbare Luftangriffe statt, deren genaue Zeitpunkte und genaue Anzahl sich nicht feststellen ließen.
44Der ab dem Alter von etwa dreieinhalb Jahren insgesamt etwa vier Jahre dauernde Aufenthalt im IS-Gebiet hat bei der Tochter der Angeklagten zu erheblichen psychischen Beeinträchtigungen geführt. Nach ihrer Rückkehr ist sie von dem Jugendamt in Frankfurt a.M. zunächst in einem Kinderheim untergebracht und sodann aufgrund von psychischen Auffälligkeiten in eine kleinere Einrichtung verlegt worden. Sie hat Schlafstörungen, ist hypersensibel, hat Ängste, insbesondere vor Flugzeuggeräuschen. Letztere sind so stark, dass ihre Betreuerinnen auf dem Weg zur Reittherapie Umwege in Kauf nehmen müssen, um nicht in die Nähe des Frankfurter Flughafens zu geraten. Sie zeigt gelegentlich eine Art von Dissoziierung dergestalt, dass sie plötzlich nicht weiß, was passiert ist, und sie sich gedanklich nicht mehr im Kinderheim befindet, sondern an einem anderen, gefährlichen Ort. Daneben hat sie starke Impulsdurchbrüche mit aggressivem Verhalten anderen Kindern, aber auch Erwachsenen gegenüber. Teilweise droht sie anderen Kindern unter anderem damit, ihnen die Haut abzuziehen oder ihr Haus anzuzünden. Gleichzeitig ist aber auch ihr Selbstwertgefühl gestört, und sie bezeichnet sich selbst gelegentlich als „Stück Scheiße“. An ihre Betreuer richtete sie die auffälligen Fragen danach, ob es in Deutschland Steinigungen gebe und ob sie, sofern sie ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit nicht trage, mit Peitschenhieben zu rechnen habe. Als dies jeweils verneint wurde, gab sie an, das Heim sei der schönste Ort der Welt und sie wolle dort nie wieder weg. Außerdem musste sie sich aufgrund von Kariesbefall erheblichen Ausmaßes einer Zahnbehandlung von mehreren Zähnen unter Vollnarkose unterziehen.
45Die Tochter der Angeklagten, die in Nordrhein-Westfalen ab dem 1. August 2018 schulpflichtig gewesen wäre, besuchte in der gesamten Zeit in Syrien keine Schule. Anstelle der dritten Klasse besucht sie deswegen nunmehr die erste Klasse.
Sowohl in Raqqa als auch in Mayadin stellte der IS der Angeklagten und ihrer Familie nacheinander jeweils zwei Wohnungen kostenfrei zur Verfügung. Diese Wohnungen hatte der IS – wie allgemein von der Organisation praktiziert – nach der Eroberung der betreffenden Orte als Kriegsbeute für sich vereinnahmt und zu deren geordneter Nutzung einer Liegenschaftsverwaltung unterworfen. Die rechtmäßigen Eigentümer der Wohnungen waren entweder vor dem IS geflüchtet oder vom IS getötet worden oder aber es handelte sich um Wohnungen im Eigentum des syrischen Staates. Die erbeuteten Wohnungen nutzte der IS unter anderem dazu, aus dem Ausland zugewanderte Mitglieder unterzubringen. Die Inbesitznahme und Verwaltung der Wohnungen diente der Festigung der Gebietsansprüche des IS und sollte zudem die Rückeroberung der Gebiete erschweren. Dass der IS auf die dargestellte Art und Weise in den Besitz der Wohnungen gekommen war, hielt die Angeklagte für möglich und nahm dies billigend in Kauf, da sie die Festigung der Gebietsansprüche des IS für richtig hielt und auf eine Unterkunft für sich und ihre Familie angewiesen war.
47Kurz bevor die Angeklagte und ihre Familie infolge von Luftangriffen im Laufe des Jahre 2017 auch aus Mayadin fliehen mussten, zogen sie in eine dritte Wohnung in oder in der Umgebung von Mayadin. Bei dieser Wohnung (Fall 7 der Anklage) kann indes nicht ausgeschlossen werden, dass O. diese Wohnung auf dem freien Markt gesucht hatte und die Familie hierfür eine Miete von 100 US-Dollar pro Monat zahlte – es sich mithin nicht um eine aus der Kriegsbeute des IS stammende Wohnung handelte.
Die Angeklagte besaß eine funktionsfähige halbautomatische Pistole, welche sie beim Verlassen der Wohnung in der Regel geladen in einem Schulterholster mitnahm. O. besaß während des gesamten Tatzeitraums ein vollautomatisches Sturmgewehr des Typs AK‑47 „Kalaschnikow“ oder ein ähnliches vollautomatisches Gewehr, das nebst der zugehörigen Munition jeweils in einem Raum der Wohnung ohne besondere Sicherungen aufbewahrt wurde, wo auch die Angeklagte die Möglichkeit des Zugriffs darauf hatte.
Die Angeklagte lernte in Raqqa die ebenfalls aus Deutschland stammende gesondert verfolgte S. („Gg.“) kennen und freundete sich mit ihr an. Sie besuchten sich regelmäßig gegenseitig.
50Zu einem nicht mehr im Einzelnen feststellbaren Zeitpunkt ab Herbst 2015 „erwarb“ S. zusammen mit ihrem Ehemann nach islamischem Ritus, dem gesondert verfolgten R., von einem Sklavenhändler mit dem Kunya-Namen Jk. in Raqqa die Nebenklägerin, um sie als Sklavin zu halten. Die Nebenklägerin wurde in den gemeinsamen Haushalt von S. und R. verbracht, wo sie für S. Hausarbeit erledigen und bei der Betreuung von deren Kindern helfen sowie R. sexuell gefügig sein musste.
51S. brachte fortan bei ihren Besuchen bei der Angeklagten neben ihren Kindern regelmäßig die Nebenklägerin mit, die dabei zu Arbeiten im Haushalt der Angeklagten herangezogen wurde. Dies geschah dergestalt, dass die Angeklagte, die sich in Ermangelung der erforderlichen Sprachkenntnisse mit der Nebenklägerin nicht verständigen konnte, der S. mitteilte, welche Arbeiten sie erledigt wissen wollte. S. wies sodann die Nebenklägerin an, die gewünschten Arbeiten auszuführen. Sehr häufig war dies die Reinigung der Küche der Angeklagten, die selbstgebackene Kuchen verkaufte und zu deren Herstellung einen großen Gasbackofen in ihrer Küche nutzte. Die Reinigungsarbeiten nahmen dabei nicht selten zwei bis drei Stunden in Anspruch. Im Übrigen musste die Nebenklägerin oft das Essen servieren und sich um die anwesenden Kinder einschließlich der Tochter der Angeklagten kümmern. Nach Ankunft von S. und der Nebenklägerin schloss die Angeklagte jeweils die Wohnungstür von innen ab.
52Zu einem nicht mehr im genau feststellbaren Zeitpunkt nach dem Umzug der Angeklagten nach Mayadin am 17. Februar 2017 wurde die Nebenklägerin von R. an dessen mittlerweile ebenfalls in Mayadin aufhältigen Bruder T. weitergegeben. In der Folgezeit war sie nur noch selten bei der Angeklagten.
53In der Zeit bis zur Übergabe der Nebenklägerin an T. kam es zu etwa 50 Besuchen der S. in den jeweiligen Wohnungen der Angeklagten, bei denen die Nebenklägerin in der dargestellten Art und Weise Hausarbeiten oder Kinderbetreuung für die Angeklagte verrichtete.
54Der Angeklagten war bekannt, dass die Nebenklägerin Jesidin ist, sie vom IS bei dessen Überfall auf die jesidischen Siedlungsgebiete gefangen genommen worden war und von der S. und deren Mann gegen ihren Willen als Sklavin gehalten wurde. Im Laufe der Zeit erfuhr sie auch davon, dass die Nebenklägerin bei S. nicht nur Hausarbeiten verrichtete, sondern auch dem R. sexuell gefügig sein musste. Die Auffassung des IS, wonach die Versklavung der Jesidinnen gerechtfertigt war, übernahm die Angeklagte kritiklos.
1. Die unter I. getroffenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen auf ihren insoweit glaubhaften Angaben und in wenigen Punkten ergänzend auf der Aussage der Zeugin KOK´in U., die die Ergebnisse der nach ihrer Ausreise durchgeführten polizeilichen Ermittlungen zur Person der Angeklagten und ihrer Familienverhältnisse bekundet hat.
562. Die unter II. 1 getroffenen Feststellungen zum IS und seinem Vorgehen gegen die Jesiden beruhen hauptsächlich auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. V., der für die Stiftung Wissenschaft und Politik tätig ist und sich seit Jahren mit dem Phänomen des islamistischen Terrorismus befasst. Sein Gutachten war für den Senat überzeugend. Die Ergebnisse seines Gutachtens werden bestätigt durch die im Selbstleseverfahren eingeführten umfangreichen Vermerke der KOK´innen W., X. und Aa., in welchen die Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes zum IS, seinem Vorgehen gegen die Jesiden und andere Minderheiten und zur Rolle der – insbesondere auch eingewanderten – Frauen im IS zusammengefasst sind. Hinsichtlich des Vorgehens gegen die Jesiden werden die Ergebnisse des Gutachtens des Sachverständigen Dr. V. bestätigt und ergänzt durch die glaubhafte Aussage der Zeugin G., die als Jesidin vor Ort das Vorgehen des IS selbst erdulden musste und auf deren Aussage die Feststellungen zu dem Überfall des IS auf ihr Heimatdorf Kocho und das nachfolgende Geschehen dort maßgeblich beruhen.
573. Die unter II. 2. getroffenen Feststellungen zu den Tathandlungen der Angeklagten beruhen auf ihrer Einlassung, soweit ihr gefolgt werden konnte, und auf den in der Hauptverhandlung erhobenen weiteren Beweisen, insbesondere der glaubhaften Aussage der Zeugin G..
58a) Fall 1
59Die unter II. 2. einleitend und unter II. 2. a) zu Fall 1 getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf der insoweit glaubhaften geständigen Einlassung der Angeklagten.
60Die Angeklagte hat insbesondere den gemeinsam mit N. gefassten Entschluss zur Ausreise in das IS-Gebiet eingeräumt und die äußeren Umstände ihrer Ausreise nach Syrien und ihres Aufenthaltes dort einschließlich ihrer Eheschließung nach islamischem Ritus mit O., ihres Zusammenlebens und der Führung des gemeinsamen Haushalts, die Geburt eines gemeinsamen Sohnes und die Aufnahme des Sohnes einer Zweitfrau des O., die Aufenthalte in Raqqa und Mayadin sowie ihre anschließende Flucht bis zu ihrer Rückreise über die deutsche Botschaft in Ankara wie festgestellt geschildert.
61Dass ihr schon beim Entschluss zur Ausreise die Ziele und Vorgehensweisen des IS wie festgestellt bekannt waren und diese von ihr auch gebilligt wurden, hat die Angeklagte nicht ausdrücklich eingeräumt. Die festgestellte Haltung der Angeklagten bei der Ausreise ergibt sich aber aus den von ihr glaubhaft eingeräumten Umständen und wird indiziell durch den Inhalt der nach ihrer Ankunft in Syrien an ihren Bruder gesendeten E-Mail vom 13. April 2015 und vorangegangene Facebook-Nachrichten an ihre Familie bestätigt.
62Ausdrücklich hat die Angeklagte zu ihrer Einstellung zum IS nur im Zusammenhang mit ihren Angaben zum Vorwurf der Versklavung eher beiläufig ausgeführt, dass sie vor Ort in Syrien „alles geglaubt“ habe, was der IS vorgegeben habe, freilich ohne sich damit näher gedanklich auseinanderzusetzen. Im Zusammenhang mit ihrer Motivation für die Ausreise hat die Angeklagte zunächst betont, dass sie aus ihrem Leben habe ausbrechen wollen, mit dem sie aufgrund ihrer unglücklichen Beziehungen in der Vergangenheit, der mangelnden Akzeptanz ihrer strengen Religiosität in der Öffentlichkeit und auch durch ihre Eltern sowie der Abhängigkeit von ihren Eltern nicht zufrieden gewesen sei. Zuletzt hätten sich zudem ihre Eltern zunehmend in die Erziehung ihrer Tochter eingemischt. Trotz dieser Relativierung hat die Angeklagte indes auch eingeräumt, sich im Internet umfangreich über das Thema einer Ausreise aus religiösen Gründen informiert zu haben, unter anderem in der Facebook-Gruppe „Iman-Hijra und Jihad“, in welcher – entsprechend dem Namen der Gruppe – der Glaube (Iman), die Auswanderung in ein islamisches Land (Hijra) und der „Heilige Krieg“ (Jihad) gegen die „Ungläubigen“ zusammengehört hätten. Auch wenn sie sich für den „Jihad“ nicht interessiert und sie davon auch keine Ahnung gehabt habe, so habe sie nach der Ausrufung des Kalifats der Propaganda geglaubt, nach der ein Verweilen in einem Land des „Unglaubens“ ein Leben in Sünde bedeute.
63Bei ihren Internet-Recherchen zur sogenannten Hijra kann der Angeklagten nicht verborgen geblieben sein, dass der IS eine strenge islamistische Ideologie vertrat, er das von ihm beherrschte Gebiet in Kämpfen erobert hatte, er sowohl in Kämpfen als auch durch Anschläge Gegner oder nach seiner Auffassung „Ungläubige“ tötete, er auch außerhalb von Kämpfen vor der Tötung von Abweichlern oder aus religiösen oder sonstigen Gründen von ihm verfolgten Personen nicht zurückschreckte und er es sich zum Ziel gesetzt hatte, sein Herrschaftsgebiet zu vergrößern und dort die Scharia mit aller Härte und Gewalt durchzusetzen. Dass sich die Angeklagte trotz dieser Kenntnisse zur Ausreise in das Herrschaftsgebiet des IS entschloss, lässt auch vor dem Hintergrund ihrer Unzufriedenheit gerade mit der mangelnden Akzeptanz des von ihr streng praktizierten Islams den Schluss darauf zu, dass sie das Vorgehen des IS billigte und sich schon vor ihrer Ausreise islamistisch radikalisiert hatte. Für eine islamistische Einstellung der Angeklagten schon zum Zeitpunkt der Ausreise spricht ferner, dass sie ihrer Familie einige Wochen nach ihrer Ankunft im IS-Gebiet per Facebook mitteilte, es gehe ihr beim IS „bestens“, und sie in einer kurze Zeit später an ihren Bruder gesendeten E-Mail ihre Familie dazu aufforderte, nicht mit der Polizei zu kooperieren, da es nach islamischem Glauben verboten („haram“) sei, bei den „Ungläubigen“ („Kuffar“) Hilfe zu suchen und ihnen womöglich gegen die Muslime zu helfen. Außerdem solle man sich keine Sorgen machen, denn falls sie und ihre Tochter von Bomben getroffen würden, kämen sie als Märtyrer ins Paradies.
64Die Feststellung, dass O. in der Medienabteilung des IS tätig war und Wachdienste verrichtete, beruht auf der Einlassung der Angeklagten, die unter anderem durch die über die Vernehmungsbeamtin, die Zeugin KOK´in Bb., eingeführte Aussage der IS-Rückkehrerin Cc. gegenüber dem Bundeskriminalamt und weitere Beweismittel bestätigt wird. Dass er darüber hinaus vom IS auch als Kämpfer eingesetzt wurde, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage der Zeugin G., die ihre Kenntnis von diesem Umstand nachvollziehbar damit begründet hat, dass IS-Frauen vor Ort ihr dies damals gesagt hätten. Für einen Einsatz des O. auch als Kämpfer spricht zudem der Umstand, dass er – wie ebenfalls die Zeugin G. glaubhaft bekundet hat – über ein Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow AK-47 oder eines ähnlichen Typs verfügte. Dass O. in seinem Interview durch die private amerikanische Organisation „International Center for the Study of Violent Extremism“ (ICSVE) bestritten hat, Kämpfer gewesen sein, stellt die gegenteilige Überzeugung des Senats nicht infrage. Das Interview ist – ungeachtet der nur mittelbar möglich gewesenen Feststellung seines Inhaltes durch die Aussage des Zeugen KHK Dz., der eine Videoaufzeichnung des in englischer Sprache geführten Videos in Anwesenheit von Dolmetschern gesehen hat – von einer deutlichen Tendenz des O. zur Beschönigung seiner Rolle beim IS gekennzeichnet. Unter anderem will er von der Sklaverei zwar gehört, aber nie eine Sklavin gesehen haben. Die Angeklagte hat sich zur Frage einer Betätigung des O. als Kämpfer nicht geäußert.
65Die Feststellungen zu den Zuständen im Flüchtlingslager Al Hawl beruhen auf der Einlassung der Angeklagten und den sie bestätigenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. V. sowie dem im Selbstleseverfahren eingeführten Vermerk von KHK´in Ac. vom 1. Juli 2020 zu den diesbezüglichen Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes.
66b) Fall 2
67Dass die Angeklagte ihre Tochter M. im Alter von gut 3 Jahren in ein zu diesem Zeitpunkt vom IS beherrschtes Bürgerkriegsgebiet mitnahm und sie nach mehrjährigem Aufenthalt dort und anschließender Flucht erst im Frühjahr 2020 mit der dann etwa 8 ½ jährigen M. in die Türkei und im Sommer 2020 zurück nach Deutschland gelangte, hat die Angeklagte glaubhaft eingeräumt.
68Die Feststellung der von der Angeklagten bestrittenen Duldung des Ansehens von gewalttägigen Propagandavideos des IS durch M. beruht auf der glaubhaften Aussage der Zeugin G.. Für die Richtigkeit ihrer Aussage sprechen zusätzlich die nach der entsprechenden Bekundung der Zeugin Bg. im Kinderheim geäußerten Fragen von M. nach möglichen Steinigungen und Auspeitschungen in Deutschland. Die Feststellungen zu den infolge des Aufenthaltes der Tochter der Angeklagten im IS-Gebiet eingetretenen Beeinträchtigungen ihrer psychischen und körperlichen Gesundheit beruhen ebenfalls auf der glaubhaften Aussage der Zeugin Bg., einer beim Jungendamt der Stadt Frankfurt am Main beschäftigten Sozialarbeiterin, die in Kontakt mit den Einrichtungen steht, in denen M. sich seit ihrer Rückkehr aufhält.
69Die Feststellung, dass M. in Syrien Luftangriffe miterlebte, beruht auf der glaubhaften Aussage der Zeugin G., die bekundet hat, dass M. bei hörbarem Bombardement, aber auch schon dann, wenn sie Flugzeuge nur wahrgenommen habe, geschrien und geweint habe. Diese Aussage findet ihre Bestätigung in der Aussage der Zeugin Bg., der zufolge M. auch heute noch so große Angst vor dem Geräusch von Flugzeugen hat, dass mit ihr auf dem Weg zur Reittherapie Umwege um den an sich auf dem Weg liegenden Flughafen gefahren würden.
70Zu der Frage, welche Vorstellungen die Angeklagte über die Auswirkungen eines längeren Aufenthaltes im vom IS beherrschten Gebiet in Syrien auf die Entwicklung ihrer im Zeitpunkt der Ausreise erst dreieinhalb Jahre alten Tochter hatte, hat die Angeklagte sich dahingehend eingelassen, dass sie nicht damit gerechnet habe, dass die Entwicklung ihrer Tochter in einem Ausmaß wie geschehen beeinträchtigt werden würde. Zwar sei sie wissentlich in ein Bürgerkriegsgebiet ausgereist, sie habe aufgrund ihrer Situation vor der Ausreise manche Sachen aber einfach ausgeblendet und sei davon ausgegangen, es werde schon gut gehen. Die Propaganda des IS habe ja auch immer suggeriert, dass Allah sie beschützen werde, wenn sie die „Hijra“ mache. Angesichts der Probleme ihrer Tochter empfinde sie große Scham. Auffälligkeiten bei M. und den anderen Kindern hätten sich allerdings erst entwickelt, nachdem auf der Flucht Probleme begonnen hätten. Im Camp – gemeint ist Al Hawl – habe sie die Kontrolle über ihre Kinder verloren.
71Ungeachtet des Umstands, dass die „Probleme“ von M. nicht allein auf Erlebnisse in Al Hawl zurückzuführen sind, entnimmt der Senat dieser Einlassung trotz ihres relativierenden Charakters im Ergebnis, dass die Angeklagte bereits zum Zeitpunkt ihrer Ausreise damit rechnete, dass sie und ihre Tochter in Syrien möglicherweise Luftangriffe oder Kampfhandlungen erleben und als Augenzeuginnen oder auf andere Weise Gewalttaten des IS mitbekommen könnten, und ihr infolgedessen bekannt war, dass der Aufenthalt im IS-Gebiet erhebliche Gefahren für die körperliche und psychische Entwicklung ihrer Tochter barg. Das ergibt sich sowohl aus der von ihr eingeräumten Befassung mit dem IS und seiner Propaganda im Internet vor der Ausreise als auch aus ihrer ebenfalls eingeräumten Kenntnis davon, in ein Bürgerkriegsgebiet auszureisen. Der Einlassung der Angeklagten ist zudem zu entnehmen, dass sie keine belastbaren Gründe für die Annahme hatte, die Entwicklung ihrer Tochter werde gleichwohl keinen Schaden nehmen, sondern diese Möglichkeit bewusst verdrängte. Sie nahm die Gefahr von Entwicklungsschäden ihrer Tochter billigend in Kauf, da ihr der erstrebte Aufenthalt im IS-Gebiet unter Geltung der Scharia wichtiger war, als die Vermeidung dieser Gefahren.
72c) Fälle 3 bis 7
73Die Feststellungen zu der Aneignung jeweils zweier Wohnungen in Raqqa und nachfolgend in Mayadin stützt der Senat auf Indiztatsachen, die sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. V., den in dem Vermerk von KOK´in Aa. aus Juli 2020 zusammengefassten Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes zu „Frauen im Islamischen Staat“, den Angaben des O. gegenüber dem ICSVE und der Aussage der Zeugin G. ergeben, und, soweit es um die Nutzung der Wohnungen als solche geht, teilweise auf die Einlassung der Angeklagten.
74Die Angeklagte hat sich zu den von ihr und ihrer Familie genutzten Wohnungen dahingehend eingelassen, ihr Mann habe in Raqqa für sie zunächst nur ein Zimmer in der Vier-Zimmer-Wohnung eines Freundes gefunden. Erst nach ein paar Monaten seien sie in eine eigene Wohnung gezogen. Am 17. Februar 2017 seien sie nach Mayadin umgezogen und hätten dort nacheinander in mehreren näher beschriebenen Wohnungen gewohnt. Für alle Wohnungen sei Miete gezahlt worden.
75Hinsichtlich der Zahl der von der Angeklagten mit ihrer Familie genutzten Wohnungen unterscheidet sich die Einlassung der Angeklagten nur für die Zeit in Raqqa maßgeblich von der Aussage der Zeugin G.. Letztere war sich sicher, in Raqqa in zwei verschiedenen Wohnungen für die Angeklagte Arbeitsleistungen im Haushalt erbracht zu haben. Insoweit folgt der Senat der Aussage der Zeugin G.. Ihre Aussage ist auch insoweit glaubhaft. Die Zeugin war sich allerdings unsicher in der Beschreibung der Gebäude, was nachvollziehbar erscheint, da der Sachverhalt mehrere Jahre zurückliegt und die Beschaffenheit der Gebäude für die Zeugin in ihrer damaligen Situation ohne besondere Bedeutung war. Die Zeugin konnte sich aber noch daran erinnern, dass in dem zuerst beschriebenen Haus die Angeklagte mit ihrer Familie einschließlich O. und in dem zweiten Haus sowohl die Angeklagte als auch die Zweitfrau des O. in getrennten Wohnungen gelebt hätten. Sie war sich auch sicher, in beiden Wohnungen Hausarbeit für die Angeklagte, vornehmlich in deren jeweiliger Küche, verrichtet zu haben.
76Dass es sich bei den beiden Wohnungen in Raqqa (Fälle 3 und 4) und den ersten beiden Wohnungen in Mayadin (Fälle 5 und 6) um solche handelte, die der IS als Kriegsbeute unter seine Verwaltung gestellt hatte, deren rechtmäßige Eigentümer entweder vor dem IS geflüchtete oder vom IS getötete Privatpersonen waren oder der syrische Staat, stützt der Senat auf nachfolgende Gesamtwürdigung der Umstände:
77Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. V. hatte der IS freie Wohnungen in dem von ihm beherrschten Gebiet unter seine Verwaltung gestellt und eine Liegenschaftsverwaltung eingerichtet. Bei diesen Wohnungen habe es sich in aller Regel um solche gehandelt, die zuvor Angehörigen des Militärs, der Sicherheitsbehörden, Beamten des alten Regimes oder Angehörigen religiöser Minderheiten gehört hätten. Die Angehörigen des Militärs hätten häufiger in zusammenhängenden Wohnblöcken gelebt. Die vom IS vereinnahmten freien Wohnungen seien in aller Regel Mitgliedern des IS kostenfrei zur Verfügung gestellt worden. Daneben habe es auch einen privaten Wohnungsmarkt gegeben, auf welchem monatliche Mieten meist in der Höhe eines niedrigen dreistelligen US-Dollarbetrages verlangt worden seien. Da der IS sich selbst als „Rechtsstaat“ verstanden habe, sei es für private, nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder aus sonstigen Gründen vom IS verfolgte Vermieter möglich gewesen, auch von IS-Mitgliedern Miete zu verlangen. Nach den in dem nicht näher datierten Vermerk von KOK´in Aa. aus Juli 2020 zusammengefassten Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes wurde in den sozialen Medien die Einwanderung in das IS-Gebiet unter anderem damit beworben, dass dort Wohnungen aus der Kriegsbeute kostenlos zur Verfügung gestellt würden. Die Auswertung des von Syrien aus geführten Blogs der gesondert verfolgten Ee. habe ergeben, dass Wohnungen entweder vom IS kostenfrei gestellt würden, wobei es zum Teil aber Wartelisten gebe, oder aber sie privat kostenpflichtig gemietet werden konnten.
78Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich in den Fällen 3 bis 6 um vom IS verwaltete Wohnungen handelte, welche der IS dem O. und der Angeklagten kostenfrei zur Verfügung stellte. Hierfür sprechen neben dem Umstand, dass dies nach dem Vorstehenden gängige Praxis war, auch die Angaben O.s gegenüber dem ICSVE und die Aussage der Zeugin G.. Seine Angaben gegenüber dem ICSVE sind allerdings von vorneherein von gemindertem Beweiswert. Die in englischer Sprache geführte Befragung ist auf Video aufgezeichnet und vom ICSVE dem Bundeskriminalamt nur zur einmaligen Sichtung zur Verfügung gestellt worden. Bei der Sichtung des Videos war unter anderem der Zeuge KHK Dz. anwesend, der nach eigenem Bekunden mit seinen Sprachkenntnissen der Befragung im Wesentlichen folgen konnte und bei Bedarf auf zwei anwesende Dolmetscher zurückgreifen konnte. Nach Bekundung des Zeugen ist O. dabei nicht gezielt zu allen von ihm in Syrien genutzten Wohnungen befragt worden, sondern hat an einer Stelle davon berichtet, dass er in Raqqa einen Platz erhalten habe, den „Dawlah“ für ihn gemietet habe, und an anderer Stelle im Zusammenhang mit Angaben zu seinem Aufenthalt in Mayadin angegeben, dass „sie“ ihm „eine gute Wohnung gegeben“ hätten und er später in eine bessere Wohnung gewechselt sei, die er gemietet habe. Dies ist inhaltlich als Eingeständnis zu werten, dass er überhaupt in den Genuss vom IS kostenlos gestellter Wohnungen gekommen ist. Auch die Zeugin G. hat bekundet, dass sie in ihrer gesamten Zeit im Haushalt der S., also etwa in der Zeit von Ende 2015 bis Herbst 2017, nichts davon mitbekommen habe, dass eines der IS-Mitglieder jemals Miete habe zahlen müssen oder ein Vermieter gekommen sei, um Miete einzuziehen oder nach dem Rechten zu sehen. Gegen die Annahme, dass die Angeklagte oder O. während ihres Aufenthaltes in Raqqa und Mayadin durchgängig Miete gezahlt hätten, spricht schließlich entscheidend auch der Umstand, dass sie sich die Miete für eine Wohnung auf dem freien Markt – nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. V. in der Regel ein niedriger dreistelliger US-Dollarbetrag – nicht ohne weiteres hätten leisten können. Nach der Einlassung der Angeklagten lagen die Einkünfte des O. in der Nähe der „Armutsgrenze“.
79Die pauschale Einlassung der Angeklagten, für alle Wohnungen sei Miete gezahlt worden, ist danach in Ansehung der der Verurteilung zugrundeliegenden Wohnungen als Schutzbehauptung zu bewerten. Als Schutzbehauptung zu werten ist auch die ebenso pauschale Angabe des O., der IS habe eine Wohnung in Raqqa für ihn „angemietet“ gehabt.
80Ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür, dass der IS seinerseits die Verfügungsgewalt über die der Angeklagten gestellten Wohnungen entgegen dem von dem Sachverständigen Dr. V. dargestellten Regelfall und dem durch den Vermerk von KOK´in Aa. dokumentierten Werbeversprechen des IS nicht durch die Vereinnahmung von Eigentum seiner Gegner erlangt, sondern sie etwa selbst angekauft oder angemietet hätte oder sie ihm von Mitgliedern vor Ort überlassen worden seien, haben sich in Ansehung der der Verurteilung zugrundeliegenden Wohnungen weder aus der Einlassung der Angeklagten noch aus der sonstigen Beweisaufnahme ergeben. Einen derartigen nur theoretisch möglichen und fernliegenden Geschehensablauf schließt der Senat insoweit aus.
81Dass es sich auch bei der dritten von der Angeklagten und O. benutzten Wohnung in Mayadin (Fall 7 der Anklageschrift) um eine geflohenen oder getöteten Gegnern des IS oder dem syrischen Staat gehörende Wohnung gehandelt hätte, hat die Beweisaufnahme dagegen nicht zur Überzeugung des Senats ergeben. O. hat gegenüber dem ICSVE angegeben, er sei aus einer vom IS zur Verfügung gestellten Wohnung in eine bessere gemietete Wohnung gewechselt. Diesen Vorgang hat er, anders als viele andere Punkte, recht detailliert beschrieben: Der Vermieter sei ein alter Mann gewesen, der zunächst 200 US-Dollar Miete verlangt habe, den er aber, weil er sich das nicht hätte leisten können, auf 100 US-Dollar herunter gehandelt habe. Das Haus hat er näher beschrieben als Backsteinhaus an einem „guten Ort“. Die gemietete Wohnung sei oben gewesen. Der Vermieter habe unten gewohnt und er habe sich mit ihm angefreundet. Die Beschreibung deckt sich in Ansätzen, insbesondere mit Blick auf die gute Lage, mit der von der Angeklagten abgegebenen Beschreibung der dritten von ihrer Familie allein genutzten Wohnung in Mayadin (ein ihrer Einlassung zufolge mit mehreren Familien geteiltes Haus zu Beginn ihres Aufenthaltes in Mayadin nicht mitgezählt) als „sehr schöne, gepflegte Wohnung in einer schönen familienfreundlichen Gegend“. Aus der Aussage der Zeugin G. ergibt sich insoweit nichts anderes. Weitere Beweismittel standen nicht zur Verfügung. Der Senat vermag daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass diese Wohnung tatsächlich privat gemietet war und nicht zur Kriegsbeute des IS gehörte.
82d) Fall 8
83Zu den ihr vorgeworfenen Waffendelikten hat die Angeklagte in ihrer Einlassung keine Angaben gemacht. Die Feststellungen zu den Waffendelikten beruhen auf der glaubhaften Aussage der Zeugin G.. Zur Art der Waffen hat sie auf Vorhalt eines Bildes einer AK-47 bekundet, die Waffe in der Wohnung der Angeklagten habe so oder jedenfalls sehr ähnlich ausgesehen. Auf Vorhalt eines weiteren Bildes einer Nachbildung einer halbautomatischen Selbstladepistole hat sie ferner bestätigt, dass es sich bei der von der Angeklagten wie festgestellt besessenen und geführten Pistole äußerlich um ein vergleichbares Modell gehandelt habe. Dass die Waffen der Angeklagten und von O. in einem Bürgerkriegsgebiet als Mitglieder einer maßgeblichen Bürgerkriegspartei nicht echt oder nicht funktionsfähig gewesen wären oder die Angeklagte über eine (kriegs-)waffenrechtliche Erlaubnis verfügt hätte, schließt der Senat in Ermangelung jeglichen Anhaltspunktes für einen derartigen, außerhalb aller Lebenswahrscheinlichkeit liegenden Sachverhalt aus.
84e) Fall 9
85Die Feststellungen zu der von der gesondert verfolgten S. begangenen Haupttat, namentlich zum „Erwerb“ der Zeugin G. als Sklavin, zu deren dauerhaftem Aufenthalt im Haushalt der S. unter Aufhebung ihrer Fortbewegungsfreiheit und der von ihr dort erfahrenen Behandlung beruhen auf der glaubhaften Aussage der Zeugin.
86Die Angeklagte hat eingeräumt, dass es Arbeitseinsätze der Zeugin G. im Haushalt der Angeklagten in der festgestellten Art und Weise gegeben hat und dass sie diese Arbeitsleistungen in Kenntnis des Umstands entgegennahm, dass die Zeugin bei dem Überfall des IS auf die Jesiden versklavt worden war und nach wie vor in Sklaverei gehalten wurde. Die Arbeiten habe die Zeugin „auf Anweisung“ der S. erbracht oder nachdem S. ihr sie aufgetragen habe. Das sei aber in „weit weniger“ Fällen passiert, als von der Zeugin behauptet. Diese habe insoweit „unrichtig vorgetragen“.
87Soweit die Einlassung zur Beteiligung S.s an dem Geschehen dahin zu verstehen sein soll, dass Art und Umfang der durchzuführenden Arbeiten im konkreten Fall jeweils von S. allein bestimmt worden seien und die Initiative zu den Arbeitseinsätzen der Zeugin jeweils ausschließlich von S. ausgegangen sei, ist dies bereits durch die auch von der Angeklagten eingeräumten Gesamtumstände widerlegt. Die Arbeiten wurden in der Wohnung der Angeklagten ausgeführt und lagen ausschließlich in deren Interesse. In der Abwesenheit des O. hatte allein die Angeklagte über das Geschehen in ihrer Wohnung zu bestimmen. Die Annahme, die Angeklagte hätte unter diesen Umständen nicht selbst entschieden, ob und welche Arbeiten erledigt werden sollten, schließt der Senat als lebensfremd aus. Dass die Arbeitsanweisungen, wie es auch die Zeugin bekundet hat, ihr gegenüber jeweils von S. ausgesprochen wurden, ist allein darauf zurückzuführen, dass die Zeugin und die Angeklagte sich mangels einer von beiden beherrschten Sprache nicht verständigen konnten. Der Senat ist davon überzeugt, dass S. dabei aber jeweils von der Angeklagten erteilte Weisungen weitergab, wobei S. allerdings das Entscheidungsrecht darüber behielt, ob die Nebenklägerin den Wünschen der Angeklagten in Bezug auf die jeweilige Tätigkeit nachkommen sollte.
88Nicht festgestellt werden konnte indes, dass – wie es der Angeklagten in der Anklage vorgeworfen wird – sie darüber hinausgehend die Dienste der Zeugin bei S. jeweils gezielt telefonisch bestellte. Die Anklage stützt diesen Vorwurf ausschließlich darauf, dass es vor den Besuchen der S. mit der Zeugin bei der Angeklagten jeweils Telefonate zwischen der Angeklagten und S. gegeben habe. Aus der Aussage der Zeugin G. ergibt sich indes, dass die Angeklagte und S. miteinander befreundet waren und regelmäßig wechselseitige Besuche stattfanden, denen jeweils Telefonate in der von der Zeugin mittlerweile als solcher identifizierbaren, aber nicht verstandenen deutschen Sprache vorausgingen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Freundschaft von S. und der Angeklagten der maßgebliche Grund für die Besuche war, die Telefonate der Abstimmung der für beide passenden Daten und Zeiten dienten und die Angeklagte die sich durch die mit den Besuchen von S. verbundene Anwesenheit der Zeugin in Verbindung mit der Bereitschaft der S. zur „Ausleihe“ der Nebenklägerin bietende Gelegenheit zum Einsatz der Zeugin für Hausarbeiten nur ausnutzte.
89Hinsichtlich der Häufigkeit der Arbeitseinsätze hält der Senat die Aussage der Zeugin G. für glaubhaft und die abweichende Einlassung der Angeklagten für einen Beschönigungsversuch. Die Zeugin hat bekundet, die genaue Zahl der Arbeitseinsätze nicht angeben zu können, es seien etwa 50 gewesen. Als Grundlage ihrer Schätzung hat die Zeugin dargelegt, die Besuche von S. bei der Angeklagten hätten regelmäßig stattgefunden, zeitweise bis zu dreimal pro Woche, zeitweise aber auch nur drei- bis viermal pro Monat. Es habe auch Gegenbesuche gegeben, diese seien aber seltener gewesen. Die Dauer ihres Aufenthaltes bei S. hat sie mit etwa zwei Jahren angegeben. Dabei hat sie ersichtlich auch die Zeit nach ihrer Weitergabe an T. mitgerechnet, in der sie allerdings nur noch sporadisch von S. – nunmehr in erster Linie zur Kinderbetreuung – zu der Angeklagten mitgenommen worden sei. Den genauen Zeitpunkt ihrer nach dem Umzug der Angeklagten nach Mayadin erfolgten Übergabe an T. konnte sie nicht benennen. In Anbetracht dieser von der Zeugin glaubhaft bekundeten Umstände, geht der Senat in Übereinstimmung mit der Schätzung der Zeugin davon aus, dass sie bis zu ihrer Übergabe an T. jedenfalls bei etwa 50 Besuchen Hausarbeiten in der festgestellten Art und Weise für die Angeklagte verrichten musste.
90Die Feststellung, dass die Angeklagte im Laufe der Zeit auch davon erfuhr, dass die Zeugin dem „Ehemann“ der S. sexuell gefügig sein musste, beruht auf der Aussage der Zeugin G., die hierzu bekundet hat, S. selbst habe ihr bei Gelegenheit erzählt, die Angeklagte und andere IS-Frauen hätten S. darauf angesprochen, wie sie es aushalte, dass ihr Mann eine „Sexbeziehung“ mit der Zeugin habe. Aus der auch insoweit glaubhaften Aussage der Zeugin ergibt sich zugleich, dass es sich nicht um eine Freiwilligkeit implizierende „Sexbeziehung“ handelte, sondern die Zeugin von R. unter Ausnutzung ihrer Versklavung zu sexuellen Handlungen gezwungen wurde. Aufgrund der Gesamtumstände ist der Senat davon überzeugt, dass dies trotz des von ihr selbst oder anderen IS-Frauen in dem Gespräch mit S. benutzten Euphemismus auch der Angeklagten klar war.
91f) Die Aussage der Zeugin G., auf die der Senat maßgebliche Teile der Feststellungen gestützt und auf deren Grundlage er Teile der Einlassung der Angeklagten für widerlegt erachtet hat, war insgesamt glaubhaft. Die Zeugin hat das Geschehen detailliert und in weiten Teilen auch übereinstimmend mit der Einlassung der Angeklagten geschildert. Soweit Unsicherheiten bestanden, etwa hinsichtlich der genauen Beschreibung der Häuser, in denen sich die Wohnungen der Angeklagten befanden oder des zeitlichen Geschehensablaufs, hat sie dies deutlich gemacht. In Anbetracht der seit den in Rede stehenden Ereignissen vergangenen Zeit und des langen von der Zeugin erduldeten Tatzeitraums sind gewisse Erinnerungslücken unvermeidbar und mindern die Glaubwürdigkeit ihrer Aussage nicht. Zwar waren die Antworten der Zeugin zuweilen etwas umständlich, aber stets war ihr Bemühen um eine möglichst genaue Darstellung des von ihnen wahrgenommenen Geschehens erkennbar. So hat die Zeugin etwa – ebenso wie der Senat (vgl. III. 3. c)) – aus dem Umstand, dass die von ihr ausgeführten Arbeiten in der Wohnung der Angeklagten stattfanden und dieser zugutekamen darauf geschlossen, dass es auch die Angeklagte war, auf welche die Arbeitsanweisungen zurückzuführen waren. Die Zeugin legte jedoch großen Wert darauf, diese Schlussfolgerung als solche kenntlich zu machen, und hat mehrfach deutlich betont, dass sie von der auf Deutsch stattgefundenen Kommunikation zwischen S. und der Angeklagten nichts verstanden habe und es ausschließlich S. gewesen sei, die ihr (auf Arabisch) gesagt habe, was zu tun sei. Auf weitere intensive Nachfrage erinnerte sie sich daran, dass S. ihr auch einmal gesagt habe, dass die Bestimmung der durchzuführenden Arbeiten seitens der Angeklagten erfolgt sei.
92Trotz einer erkennbaren (und nachvollziehbaren) Empörung und Wut der Zeugin über das erlittene Verfolgungsschicksal und dem von ihr ausdrücklich bekundeten Interesse an einer angemessenen strafrechtlichen Verfolgung der IS-Täter, ließ ihre Aussage keine Falschbelastungstendenz erkennen. Die Zeugin hat Erinnerungslücken, soweit vorhanden, zugegeben und auch die Rollen der verschiedenen IS-Frauen, mit denen sie es zu tun hatte, differenziert dargestellt. So hat sie etwa die festgestellten körperlichen und sexuellen Misshandlungen durch S. und R. bekundet, zu der Angeklagten und deren Ehemann nach islamischem Ritus dagegen angegeben, außerhalb der Ausnutzung ihrer Arbeitskraft kein weiteres Unrecht erlitten zu haben.
93Bei der Bewertung der Einlassung der Angeklagten im Gefüge der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme hat der Senat ferner berücksichtigt, dass das Einlassungsverhalten der Angeklagten insgesamt trotz ihrer im Ergebnis weitgehend geständigen Einlassung von deutlichen Beschönigungstendenzen gekennzeichnet war. So hatte sie etwa in ihrer ursprünglichen Einlassung zu dem Arbeitseinsatz der Zeugin G. behauptet, diese habe – ebenso wie ihre dem IS angehörenden Besucherinnen auch – nach dem Essen unaufgefordert beim Abräumen geholfen. Nach der Vernehmung der Zeugin räumte sie sodann in einer ergänzenden Einlassung ein, dass die Arbeitseinsätze wie von der Zeugin bekundet abgelaufen seien, verlegte sich aber zugleich auf die Behauptung, diese Arbeitseinsätze hätten jedenfalls weitaus seltener stattgefunden, als von der Zeugin bekundet.
94Eine Beschönigungstendenz ließ die ergänzende Einlassung der Angeklagten auch im Hinblick auf die Folgen der Tat für ihre Tochter M. erkennen. Zwischen den beiden Einlassungen war neben der Zeugin G. auch die Zeugin Bg. vernommen worden, welche eindrücklich die bei M. nach ihrer Rückkehr zu beobachtenden psychischen Beeinträchtigungen bekundet hat. In ihrer ergänzenden Einlassung brachte die Angeklagte, die nach der Bekundung des Zeugen KOK Cg., der sie auf ihrem Rückflug aus der Türkei begleitet hatte, einen wechselseitig liebevollen Umgang mit ihren Kindern pflegte – insoweit nachvollziehbar und glaubhaft – Erschütterung und Scham über die Entwicklung ihrer Tochter zum Ausdruck. Zugleich führte sie diese Entwicklung aber auf deren Erlebnisse im Lager al Hawl nach der Festnahme der Angeklagten und ihrer Kinder durch kurdische Kräfte zurück. Auf Nachfrage musste sie sodann allerdings einräumen, dass es in dem Lager weder Luftangriffe noch Auspeitschungen oder Steinigungen gegeben habe. Die insoweit von der Zeugin Bg. bekundeten auffälligen Äußerungen M.s können mithin nicht auf etwaige Erlebnisse im Lager Al Hawl zurückgeführt werden, mögen auch sonst dort keine die Entwicklung von Kindern begünstigenden Umstände geherrscht haben. Vielmehr sprechen auch die Äußerungen M.s dafür, dass sie, wie von der Zeugin G. bekundet, in Syrien Propagandavideos des IS zu sehen bekam.
Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf das nahezu ausschließlich in Syrien stattgefundene Tatgeschehen ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Die Angeklagte ist deutsche Staatsbürgerin und die jeweiligen Tatorte in Syrien befanden sich zur Tatzeit unter alleiniger Kontrolle des IS und unterlagen damit faktisch keiner Strafgewalt. Für das Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zusätzlich aus dem in § 1 Satz 1 VStGB normierten Weltrechtsprinzip.
96Daneben liegen auch die in § 129b Abs. 1 StGB normierten Voraussetzungen für die Anwendung des §129a StGB auf terroristische Vereinigungen außerhalb der europäischen Union vor. Maßgeblich ist insoweit neben der deutschen Staatsbürgerschaft der Angeklagten (§ 129 Abs. 1 Satz 2 StGB) eine nach § 129b Abs. 1 Satz 3 und 4 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung, welche das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 18. März 2014 für die strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern des ISIG erteilt und am 13. Oktober 2015 an die nunmehr von der Organisation geführte Bezeichnung „IS“ angepasst hat.
971. Durch die unter II. 2. a) festgestellte Tat (Fall 1) hat sich die Angeklagte der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 129 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.
98a) Der IS ist eine in Zweck und Tätigkeit auf die Begehung von Mord, Totschlag, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den weiteren in § 129b Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB bezeichneten Verbrechen gerichtete Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Seine Organisationsstruktur erfüllt sowohl die Anforderungen des früher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Vereinigungsbegriffs (s. dazu etwa BGH, Urteil vom 20. März 1963, 3 StR 5/63, BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH, Urteil vom 14. August 2009, 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 123) als auch die hinsichtlich der Organisationsstruktur und Willensbildung geringfügig abgesenkten Anforderungen der Legaldefinition einer Vereinigung in § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung.
99b) Die Angeklagte hat sich am IS als Mitglied beteiligt.
100Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt eine mitgliedschaftliche Beteiligung vor, wenn sich der Täter, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet. Diese Förderungshandlung kann darin bestehen, etwa durch die Beteiligung an Kampfhandlungen unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen. Sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Betätigungsakt (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019, AK 22/19 mwN).
101Als Anhaltspunkte für eine aktive Förderung hat die höchstrichterliche Rechtsprung im Rahmen einer Gesamtschau unter anderem insbesondere angesehen die bewusste Einreise in das Hoheitsgebiet des IS, die Heirat eines IS-Mitglieds, die Zuweisung von Geld und Unterkunft durch den IS, das Befolgen von Anweisungen des mit Befehlsgewalt ausgestatteten Ehemannes und anderer örtlicher Befehlshaber, die bewusste Entscheidung für die Erweiterung des „Staatsvolkes“ des IS, das Auffordern in Blogbeiträgen von Gleichgesinnten in Europa, ebenfalls in das Hoheitsgebiet des IS einzureisen und sich dieser Vereinigung anzuschließen, sowie die Ausbildung im Umgang mit Waffen. Dass sich die Tätigkeit vornehmlich auf eine solche im Rahmen der Haushaltsführung beschränkt, steht einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (Gericke/Moldenhauer NStZ-RR 2020, 329 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr.)
102Nach diesem Maßstab war die Angeklagte nicht nur passives Mitglied des IS, sondern förderte als solches aktiv dessen Ziele und gliederte sich im Einverständnis mit der Organisation in diese ein. Sie entschloss sich bewusst in Kenntnis und unter Billigung der Ziele und Vorgehensweisen des IS zu einer Auswanderung aus Deutschland in das vom IS beherrschte Gebiet. Sie nahm zusammen mit N. bei der Einreise die Dienste eines Mittelsmannes in Anspruch, lebte zunächst kurze Zeit in zwei Frauenhäusern des IS, führte in Anwesenheit der Leitung des Frauenhauses eine Gespräch mit einem männlichen IS-Mitglied, dem sie als Ehekandidatin empfohlen worden war, und schloss am 17. Februar 2015 mit ihm formell vor einem „Gericht“ des IS die Ehe nach islamischem Ritus. Spätestens hierdurch erfolgte ihre einvernehmliche Eingliederung in den IS. Die Ansiedlung der Familie einschließlich des Kindes und die Geburt eines weiteren Kindes im Herrschaftsgebiet des IS diente auch der Schaffung und dem Erhalt der Grundlagen für die Aktivitäten des IS. Dem gesondert Verfolgten O. erleichterte die Angeklagte durch Führung des Haushalts und die Versorgung der Kinder die Wahrnehmung seiner Aufgaben beim IS. Die Angeklagte lebte bis zu ihrer Flucht aus Baghuz im Jahr 2019 durchgängig im IS-Gebiet.
103c) Die Angeklagte handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
1042. Durch das unter II. 2. b) festgestellte Verbringen ihre Tochter in das IS-Gebiet und den anschließenden mehrjährigen Aufenthalt dort (Fall 2) hat die Angeklagte sich tateinheitlich (§ 52 StGB) zur Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied der Verletzung ihrer Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gemäß § 171 StGB schuldig gemacht.
105a) Die Verbringung ihrer zu Beginn des Tatzeitraums dreieinhalbjährigen Tochter in das Herrschaftsgebiet des IS in Syrien und der anschließende rund vier Jahre dauernde Aufenthalt dort unter einer menschenverachtenden Willkürherrschaft in einem Bürgerkriegsgebiet ohne Schulbesuch stellt sich als gröbliche Verletzung der der Angeklagten als Mutter obliegenden Fürsorge- und Erziehungspflicht im Sinne des § 171 StGB dar. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn die betreffende Handlung objektiv in einem besonders deutlichen Widerspruch zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Erziehung steht und subjektiv, gemessen an den Möglichkeiten des Täters, ein erhöhtes Maß an Verantwortungslosigkeit erkennen lässt (BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2019, AK 56/19, Rn. 44). Diese Voraussetzungen sind offensichtlich erfüllt.
106Durch die gröbliche Pflichtverletzung der Angeklagten wurde ihre Tochter in die Gefahr gebracht, in ihrer körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden. Dass der Aufenthalt in einem Bürgerkriegsgebiet, in welchem Luftangriffe stattfinden und eine ordnungsgemäße ärztliche Versorgung nicht sichergestellt ist, mit der Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen Entwicklung eines dreieinhalbjährigen Kindes verbunden ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Ebenso offensichtlich ist, dass das Ansehen der teilweise äußerst brutalen Propagandavideos des IS der psychischen Entwicklung eines Kindes erhebliche Schäden zufügen kann. Auch der Aufenthalt unter einer der Werteordnung des Grundgesetzes vollständig widersprechenden Willkürherrschaft ohne Schulbesuch begründet die Gefahr erheblicher psychischer Entwicklungsschäden. Solche sind bei der Tochter der Angeklagten – insoweit über die Anforderungen des Tatbestandes des § 171 StGB hinausgehend – auch tatsächlich eingetreten.
107Die Angeklagte handelte vorsätzlich. Sie nahm die mit der Ausreise und dem Aufenthalt im IS-Gebiet verbundenen Gefahren für die Entwicklung ihrer Tochter bewusst in Kauf, um die von ihr für sich selbst gewollte Beteiligung am IS in dessen Gebiet zu ermöglichen.
108Die Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft.
109b) Die Verbringung der Tochter der Angeklagten in das IS-Gebiet stellt sich zugleich als weitere tateinheitlich verwirklichte (§ 52 StGB) mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung der Angeklagten am IS dar, da die Einreise und Niederlassung mit Kindern zur Vergrößerung des für einen „Staat“ unerlässlichen Staatsvolkes und damit der Etablierung des Kalifats beitrug. Die Angeklagte handelte auch insoweit vorsätzlich, rechtwidrig und schuldhaft.
1103. Durch die unter II. 2. c) festgestellte Nutzung von Wohnungen, deren rechtmäßige Eigentümer IS-Gegner waren (Fälle 3 bis 6), hat die Angeklagte sich jeweils tateinheitlich (§ 52 StGB) zur Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied in vier Fällen eines Kriegsverbrechens gegen das Eigentum gemäß § 9 Abs. 1 VStGB schuldig gemacht.
111a) Nach den Feststellungen hat die Angeklagte sich durch Nutzung von insgesamt vier vom IS kostenfrei zur Verfügung gestellten Wohnungen jeweils nach § 9 Abs. 1 VStGB strafbar gemacht.
112aa) Der objektive Tatbestand des § 9 Abs. 1 VStGB ist unter anderem dann erfüllt, wenn der Täter im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sich in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei aneignet, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen. Diese Voraussetzungen liegen vor.
113(1) Bei dem syrischen Bürgerkrieg, in dem mehrere gut organisierte bewaffnete Gruppen, unter anderem der IS, die Al-Nusra Front, die FSA und kurdische Milizen teilweise gegeneinander und gegen das syrische Regime kämpften, handelt es sich um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt, der in dem gesamten Tatzeitraum andauerte. Die Erbeutung der Wohnungen durch den IS war infolge der Eroberung von Raqqa und Mayadin in diesem Konflikt möglich geworden und stand deswegen mit diesem im Zusammenhang. Sie diente zudem der Festigung der Herrschaft des IS und dem Erschweren der Rückeroberung.
114(2) Bei den von der Angeklagten genutzten Wohnungen, die den Gegenstand der vorliegenden Verurteilung bilden, handelte es sich um Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei, namentlich des IS, unterlagen. Rechtmäßige Eigentümer waren nach den getroffenen Feststellungen Zivilpersonen oder Bedienstete des syrischen Staates, die entweder vor dem IS geflohen oder von diesem vertrieben oder getötet worden waren oder aber der syrische Staat selbst und damit Angehörige der im Verhältnis zum IS gegnerischen Partei.
115Der gegnerischen Partei ist diejenige Person zuzurechnen, die den Absichten der eigenen Konfliktpartei entgegenstehende Ziele verfolgt (MüKo-StGB/Ambos, 3. Aufl. 2018, VStGB § 9 Rn. 10). Dabei ist der IS auch im Verhältnis zu der Zivilbevölkerung und erst recht im Verhältnis zum syrischen Staat als Gegner anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019, AK 22/19 Rn. 29).
116(3) Durch die Nutzung der vier Wohnungen, die den Gegenstand der vorliegenden Verurteilung bilden, zusammen mit ihrer Familie hat die Angeklagte diese sich angeeignet, weil ihr Verhalten darauf gerichtet war, die Wohnungen den rechtmäßigen Eigentümern dauerhaft zu entziehen. Dass die Wohnungen bereits zuvor durch den IS unter seine Verwaltung gestellt worden waren, ist dabei ohne Belang (BGH, aaO). Da es sich bei den Aneignungsgegenständen um Wohnungen handelte, hatten die Aneignungen jeweils einen erheblichen Umfang.
117(4) Die Aneignungen der Wohnungen waren weder durch die Erfordernisse des bewaffneten Konfliktes geboten, noch waren völkerrechtliche Rechtfertigungsgründe gegeben.
118(5) Die Angeklagte handelte mindestens mit Eventualvorsatz. Aufgrund der Gesamtumstände geht der Senat davon aus, dass der Angeklagten klar war, dass die Wohnungen, die in vom IS zuvor mit Waffengewalt eroberten Städten lagen, nicht ursprünglich im Eigentum des IS gestanden haben konnten. Sie rechnete zumindest damit, dass der IS die Wohnungen für seine eingewanderten Mitglieder auch nicht etwa nach der Eroberung käuflich erworben oder von anderen Mitgliedern vor Ort zur Verfügung gestellt bekommen hatte, sondern er die Wohnungen von Gegnern und aus seiner Sicht „Ungläubigen“ erbeutet hatte. Dies nahm sie jedoch billigend in Kauf, da sie im Tatzeitraum das Vorgehen des IS insgesamt für richtig hielt und auch auf Unterkunft angewiesen war.
119(6) Die Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft.
120b) Die Aneignung der vier Wohnungen stellt sich zugleich jeweils als weitere tateinheitlich verwirklichte (§ 52 StGB) mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung der Angeklagten am IS dar, da sie auch der Festigung der tatsächlichen Gebietsherrschaft des IS diente. Auch insoweit handelte die Angeklagte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Untereinander stehen die vier Taten im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).
1214. Durch die unter II. 2. d) festgestellte Ausübung der tatsächlichen Gewalt über ein Sturmgewehr und den Besitz und außerhalb der Wohnung das Führen eine halbautomatischen Pistole (Fall 8) hat die Angeklagte sich tateinheitlich (§ 52 StGB) zur Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und des unerlaubten Besitzes sowie des unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe nach § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG in Verbindung mit Teil B, Abschnitt V Nr. 29 c) der Kriegswaffenliste, § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b), § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 2 WaffG i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 des WaffG, Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1 und Unterabschnitt 3 Nr. 1.1. des WaffG schuldig gemacht.
122Da die Angeklagte in der gemeinsamen Wohnung Zugriff auf das Sturmgewehr des Typs AK-47 oder ein ähnliches Modell des O. hatte, übte sie mit diesem gemeinsam die tatsächlich Sachherrschaft über dieses i.S.d. § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG aus.
123Die Angeklagte handelte hinsichtlich beider Waffendelikte vorsätzlich, schuldhaft und rechtswidrig.
124Beide Waffendelikte stehen untereinander im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB), da der unerlaubte Besitz der Pistole und die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft über eine Kriegswaffe überwiegend zeitgleich in der jeweils gleichen Wohnung stattfanden und das Dauerdelikt des unerlaubten Besitzes der Pistole alle Tathandlungen einschließlich des Führens der Pistole außerhalb der Wohnung zu einer Tat verklammert.
125Tateinheitlich hat die Angeklagte durch die Waffendelikte eine weitere Beteiligungshandlung am IS als Mitglied begangen, da sie durch ihren Mitbesitz an der dem Kampf des IS dienenden Kriegswaffe und den eigenen Besitz einer Schusswaffe die Verteidigungsfähigkeiten der Vereinigung förderte.
1265. Durch den unter II. 2. e) festgestellten Einsatz der von S. versklavten Nebenklägerin für Hausarbeiten in ihren jeweiligen Wohnungen (Fall 9) hat die Angeklagte sich tateinheitlich (§ 52 StGB) zur Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Versklavung) in Tateinheit mit Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB, § 239 Abs. 1 und 3 Nr. 1, § 27StGB schuldig gemacht.
127a) Die Haupttäterin S. hat nach den getroffenen Feststellungen in Gestalt der Versklavung der Nebenklägerin vorsätzlich und rechtswidrig ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB begangen. Der Tatbestand setzt voraus, dass der Täter im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung Menschenhandel betreibt oder auf andere Weise einen Menschen versklavt und sich dabei ein Eigentumsrecht an ihm anmaßt.
128aa) Bei den Jesiden, die aufgrund ihrer Religion vom IS angegriffen wurden, handelt es sich um eine Zivilbevölkerung im Sinne des § 7 VStGB. Dies ist eine größere Gruppe von Menschen, die über gemeinsame Unterscheidungsmerkmale verfügen, aufgrund derer sie angegriffen werden (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018, 3 StR 236/17, Rn. 164).
129bb) Das Vorgehen des IS gegen die Jesiden war ein ausgedehnter und systematischer Angriff auf die jesidische Zivilbevölkerung.
130Der Überfall des IS auf die jesidischen Siedlungsgebiete und die anschließende Behandlung dieser Bevölkerungsgruppe stellt sich ohne weiteres als Angriff im Sinne der Vorschrift dar. Ein Angriff beschreibt einen Gesamtvorgang, in welchen sich die Einzeltaten einfügen müssen (Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Auflage 2016, Rn. 932). Erforderlich ist die mehrfache Begehung der in Abs. 1 genannten Taten (MüKo StGB/Werle, 3. Aufl. 2018, VStGB § 7 Rn. 24). Ein militärischer Angriff ist für das Vorliegen der Gesamttat nicht erforderlich. Vielmehr ist jede Form der Misshandlung der Zivilbevölkerung vom Merkmal „Angriff“ umfasst (Werle/Jeßberger, aaO Rn. 933).
131Der Angriff war sowohl ausgedehnt als auch systematisch. Sein Ausmaß ist dadurch belegt, dass an dem Angriff in der Nacht vom 2. auf den 3. August 2014 hunderte Milizionäre des IS beteiligt waren und sich in dem angegriffenen Gebiet um das Sinjar-Gebirge hunderte von jesidischen Dörfern befanden. Der Angriff war zugleich systematisch, da die Gewaltanwendung organisiert und planmäßig im Sinne eines konsequenten Handelns ausgeführt wurde und es sich nicht etwa nur um isolierte oder zufällig gehäuft auftretende Taten handelte (vgl. MüKoStGB/Werle, aaO Rn. 27).
132Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht entschiedene Frage, ob ein Angriff darüber hinaus ein „Politikelement“ erfordert (BGH, aaO Rn. 168), kann offen bleiben, da dem Angriff des IS auf die Jesiden eine solches Element jedenfalls innewohnte. Denn er erfolgte in Ausführung der vom IS verfolgten Politik der Vernichtung der jesidischen Religion und Kultur.
133cc) Täter eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit können alle Personen sein, die in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik des Staates oder der Organisation handeln (MüKoStGB/Werle aaO Rn. 42), was bei S. der Fall war. Tathandlung des Einzeltäters im Fall des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB ist das Betreiben von Menschenhandel oder die Versklavung eines Menschen unter Anmaßung eines Eigentumsrechtes an ihm.
134Voraussetzung der Versklavung ist, dass der Täter ein angemaßtes Eigentumsrecht an einem Menschen ausübt. Nach der Legaldefinition des Art. 7 Abs. 2 Buchst. c IStGH-Statut bedeutet Versklavung „die Ausübung aller oder einzelner mit einem Eigentumsrecht an einer Person verbundenen Befugnisse.“ Klassische Erscheinungsformen der Versklavung sind etwa der Kauf, der Verkauf, die Ausleihe oder der Tausch einer oder mehrerer Personen, einschließlich „ähnlicher“ Formen des Freiheitsentzugs (MüKoStGB/Werle, aaO Rn. 57).
135Damit stellte sich der „Erwerb“ der Nebenklägerin durch S. und R. und die anschließende vollständige Bestimmung über ihren Aufenthalt und ihre Tätigkeiten als Versklavung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB dar.
136Die Versklavung der Nebenklägerin durch S. erfolgte im Rahmen des IS-Angriffs auf die Jesiden, da S. selbst als IS-Mitglied handelte, das die Ziele des IS – auch im Hinblick auf die Jesiden – kannte und billigte.
137dd) S. handelte in Ermangelung jeglichen Rechtfertigungsgrundes rechtswidrig.
138b) Durch das unter II. 2. d) festgestellte Tatgeschehen hat S. zudem vorsätzlich und rechtswidrig den Tatbestand der Freiheitsberaubung von mehr als einer Woche Dauer gemäß § 239 Abs. 1 und 3 Nr. 1 StGB zum Nachteil der Nebenklägerin verwirklicht.
139c) Die auf eine Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB gerichteten Handlungen der S. hängen sachlich, zeitlich und räumlich eng zusammen. Sie richteten sich stets in gleichartiger Weise gegen dieselbe Geschädigte und waren in denselben ausgedehnten und systematischen Angriff gegen die jesidische Zivilbevölkerung eingebunden. Sie stellen deshalb eine Tat im Rechtssinne dar, welche in Tateinheit (§ 52 StGB) mit dem Dauerdelikt der qualifizierten Freiheitsberaubung steht.
140d) Durch die Nutzung der Arbeitskraft der von S. versklavten Nebenklägerin hat die Angeklagte zu dem von S. begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Tateinheit mit Freiheitsberaubung von mehr als einer Woche Dauer Beihilfe geleistet.
141aa) Indem die Angeklagte wie festgestellt bei den Besuchen der S., bei denen diese die Nebenklägerin mitbrachte, jeweils die Wohnungstür von innen verschloss, der Nebenklägerin durch S. Arbeitsanweisungen übermitteln ließ und anschließend die Arbeitsleistungen zum eigenen Nutzen entgegennahm, förderte sie sowohl die von S. begangene qualifizierte Freiheitsberaubung als auch deren Menschlichkeitsverbrechen. Die Förderung der Tat der S. liegt dabei zum einen in der Mitwirkung der Angeklagten an der konkreten Ausgestaltung der Versklavung und auch der Freiheitsberaubung während der Aufenthalte von S. und der Nebenklägerin in der Wohnung der Angeklagten, dem Abschließen der Tür und auch darin, dass die Angeklagte durch die Ausnutzung der Versklavung und der damit einhergehenden qualifizierten Freiheitsberaubung gegenüber S. ihre Akzeptanz und Billigung der Haupttat zum Ausdruck brachte, was dazu geeignet war, S. in ihrem Tun zu bestärken.
142bb) Anders als die Anklage erblickt der Senat in dem Handeln der Angeklagten keine mittäterschaftliche Beteiligung an der Tat der S..
143Die Frage, ob sich bei mehreren Tatbeteiligten das Handeln eines von ihnen als Mittäterschaft im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB darstellt, ist vom Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei sind die maßgeblichen Kriterien der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängen (st. Rspr, vgl. BGH NStZ 2020, 22 mN). Erschöpft sich die Mitwirkung nach dem Willen des sich Beteiligenden in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so fällt ihm lediglich Beihilfe zur Last (BGH, Beschluss vom 28. April 2020, 3 StR 85/20)
144Nach diesem Maßstab handelte die Angeklagte nicht als Täterin. Zwar war sie es, die entschied, ob und gegebenenfalls welche Arbeiten sie durch die Nebenklägerin erledigen lassen wollte. Gleichwohl konnte sie den Einsatz der Nebenklägerin nicht selbständig anordnen, sondern musste wegen deren Stellung als „Eigentümerin“ der Sklavin wie auch in Ermangelung einer Verständigungsmöglichkeit jeweils S. darum bitten, ihre Vorstellungen an die Nebenklägerin zu übermitteln. Jene war – neben dem bei den Taten der Angeklagten nicht anwesenden R. – nach den Maßstäben des IS allein zur Entscheidung über den Einsatz der Nebenklägerin befugt. Sie erwies der Angeklagten eine Art „Freundschaftsdienst“ auf Kosten der Nebenklägerin. S. hatte auch ein eigenes Interesse an dem Einsatz der Nebenklägerin bei der Angeklagten, da durch den Arbeitseinsatz der Nebenklägerin ihre Stellung als „Herrin“ gefestigt wurde. Die endgültige Entscheidung darüber, ob und wann sie die Angeklagte besuchte, und ob und in welchem zeitlichen Umfang bei dem einzelnen Besuch dem Wunsch der Angeklagten nach Arbeitsleistungen der Nebenklägerin Rechnung getragen wurde, oblag allein S.. Die Angeklagte trug zwar durch das Abschließen der Wohnungstür in geringem Maß zur Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit bei, hätte aber nicht gegen den Willen der S. über eine Freilassung der Nebenklägerin entscheiden können.
145Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umfang der für die Angeklagten erbrachten Dienstleistungen. Diese waren nicht zwingend Bestandteil ihrer Versklavung, sondern intensivierten diese lediglich. Gemessen an der etwa zweijährigen durchgehenden Dauer der Versklavung und der Freiheitsberaubung zum Nachteil der Nebenklägerin war die Angeklagte trotz des erheblichen Umfangs der Arbeitsleistungen auch zeitlich nur an einem kleinen Bruchteil des (Haupt-)Tatgeschehens beteiligt.
146cc) Die Angeklagte handelte sowohl hinsichtlich der Haupttat der S. als auch hinsichtlich ihrer Beihilfehandlungen vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
147e) Die Beihilfe zur Versklavung und zur Freiheitsberaubung zum Nachteil der Nebenklägerin stellt sich zugleich als weitere tateinheitlich verwirklichte (§ 52 StGB) mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung der Angeklagten am IS dar, weil dadurch, wie die Angeklagte auch erkannte, die vom IS bezweckte Auslöschung der jesidischen Religion und Kultur gefördert wurde. Die Angeklagte handelte auch insoweit rechtswidrig und schuldhaft.
1486. Von dem Anklagevorwurf, durch Aneignung einer dritten Wohnung in Mayadin ein weiteres Kriegsverbrechen gegen das Eigentum gemäß § 9 Abs. 1 VStGB in Tateinheit mit Beteiligung ein einer ausländischen terroristischen Vereinigung als Mitglied begangen zu haben (Fall 7 der Anklageschrift), war die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Wie unter III. 3. c) ausgeführt, konnte nicht festgestellt werden, dass es sich auch bei dieser Wohnung um eine Sache einer im syrischen Bürgerkrieg im Verhältnis zum IS gegnerischen Partei handelte.
1497. Soweit sich aus der Aussage der Zeugin G. Anhaltspunkte für etwaige weitere strafbare Handlungen der Angeklagten ergeben, sind diese nicht Gegenstand der Anklage. Die Zeugin G. hat bekundet, nach ihrer Weitergabe an den Bruder des R. noch in vereinzelten Fällen von S. zu der Angeklagten mitgenommen worden zu sein, vornehmlich um sich dabei um S.s Kinder zu kümmern. Die Zeugin sei in dieser Zeit einmal für eine Woche zu der im gleichen Haus wie die Angeklagte wohnenden „Hh.“ gebracht worden und habe in dieser Zeit einmal dem „Ehemann“ der Angeklagten bei der Beseitigung eines Wasserschadens helfen müssen und auch Tätigkeiten im Haushalt der Angeklagten verrichtet. Die Tat des Bruders des R., der zu diesem Zeitpunkt (Haupt-)Täter eines Menschlichkeitsverbrechens zum Nachteil der Nebenklägerin war, und damit eine etwaige Beteiligung der Angeklagten an dessen Tat, ist indes nicht von der Anklage umfasst.
Bei der Bemessung der Einzelstrafen für alle festgestellten Taten hat der Senat innerhalb des jeweils anzuwendenden Strafrahmens in allen Fällen zu Lasten der Angeklagten die besonders hohe Gefährlichkeit und die grausame Vorgehensweise des IS berücksichtigt. Die Organisation war nicht nur auf das ungerechtfertigte Töten von Menschen und auf die Begehung von Kriegsverbrechen gerichtet, sondern hat diese Taten auch in erheblichem Umfang begangen und ist darüber hinaus auch für Anschläge außerhalb des von ihr beherrschten Gebietes unter anderem in Europa verantwortlich. Zu Lasten der Angeklagten sprach ferner der mit einer Dauer von vier Jahren lange Tatzeitraum.
151Demgegenüber standen zahlreiche zugunsten der Angeklagten wirkende Umstände. Hierzu zählte insbesondere ihre – mit Einschränkungen bei den Kriegsverbrechen gegen das Eigentum (Fälle 3 bis 6) – weitgehend geständige und insgesamt von Reue getragene Einlassung und ihre nach ihrer Rückkehr erfolgte Distanzierung vom IS, welche sie glaubhaft dargelegt hat.
152Zu Gunsten der Angeklagten hat der Senat ferner berücksichtigt, dass sie durch die bislang seit etwa neun Monaten vollzogene Untersuchungshaft infolge der damit verbundenen Trennung von ihren Kindern besonders einschneidend getroffen wird und sie sich infolge der Tat zuvor auch bereits nach ihrer Festsetzung durch kurdische Kräfte am 11. Februar 2019 gut ein Jahr lang mit ihren Kindern unter ungünstigen hygienischen Bedingungen und bei unzureichender medizinischer und sonstiger Versorgung in dem als Zeltstadt bestehenden Lager Al Hawl und anschließend noch einige Monate, wenn auch unter deutlich besseren Bedingungen, in einem türkischen Lager in Jarabulus aufhalten musste. Eine Anrechnung dieser Zeit gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB auf die verhängte Freiheitsstrafe kommt indes nicht in Betracht, da ihr Aufenthalt in den Lagern nicht auf einer staatlichen Anordnung der Freiheitsentziehung wegen der Tat beruhte.
153Zugunsten der Angeklagten war schließlich zu berücksichtigen, dass sie nicht vorbestraft ist.
154Eine bei geringer Schuld und Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung nach § 129a Abs. 6 StGB mögliche Milderung des Strafrahmens kam in der Gesamtbewertung bei keiner der Taten in Betracht.
1551. Für die unter II. 2. a) festgestellte in der Zeit von Anfang Februar 2015 bis mindestens Februar 2019 begangene Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung als Mitglied (Fall1) war eine
156Einzelstrafe von zwei Jahren
157tat- und schuldangemessen.
158Die Strafe ist dem Strafrahmen des § 129a Abs. 1 Nr.1 StGB entnommen, der von einem Jahr bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe reicht.
159Bei der Bemessung der Strafe innerhalb des Strafrahmens hat der Senat neben den vorbezeichneten für alle Taten geltenden Umständen zugunsten der Angeklagten ihre nicht allzu ausgeprägte Radikalität und auch ihren verhältnismäßig geringen Förderungsbeitrag zum IS durch ihre Eingliederung und die Haushaltsführung für O. berücksichtigt. Allerdings kann bei der Bewertung ihres Förderungsbeitrags – insoweit zu ihren Lasten – nicht außer Betracht bleiben, dass O. als Mitarbeiter der Medienabteilung beim IS eine herausgehobene Stellung innehatte, mag diese auch nicht entsprechend wirtschaftlich honoriert worden sein.
1602. Für die unter II. 2. b) festgestellte Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht in Tateinheit mit Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied (Fall 2) war eine
161Einzelstrafe von zwei Jahren
162tat- und schuldangemessen.
163Auch diese Strafe war dem von einem Jahr bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen des § 129a Abs. 1 Nr.1 StGB entnehmen, da die tateinheitlich begangene Tat nach § 171 StGB nach letztgenannter Vorschrift nur mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist.
164Bei der Bemessung der Einzelstrafe hat der Senat zu Lasten der Angeklagten die ganz erhebliche Beeinträchtigung der psychischen und physischen Entwicklung der Tochter der Angeklagten infolge der Tat gewertet sowie den Umstand, dass die für eine gesunde Entwicklung förderliche Beschulung der Tochter der Angeklagten erst mit erheblicher Verspätung begonnen hat mit der Folge, dass sie derzeit die erste Klasse besucht, während sie bei der durch die Tat vereitelten altersgerechten Einschulung in Deutschland mittlerweile die dritte Klasse erreicht hätte.
165Zugute zu halten ist der Angeklagten demgegenüber, dass sie sich außerhalb der Tat um eine liebevolle Ausübung ihrer Rolle als Mutter bemüht und sie in der Hauptverhandlung erhebliche Betroffenheit über den Zustand ihrer Tochter zeigte. Die Angeklagte ließ in diesem Zusammenhang in besonderem Maße Reue erkennen.
1663. Für die unter II. 2. c) festgestellten vier Fälle eines Kriegsverbrechens gegen das Eigentum, jeweils in Tateinheit mit Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied (Fälle 3 bis 6) war jeweils eine
167Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten
168tat- und schuldangemessen.
169Der anzuwendende Strafrahmen reicht sowohl nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch nach § 9 Abs. 1 VStGB von einem Jahr bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe.
170Zugunsten der Angeklagten wirkte sich aus, dass es sich jeweils um eine „Zweitaneignung“ ohnehin vom IS in Beschlag genommener Wohnungen handelte. Die Angeklagte spielte bei der Ausführung der Taten eine untergeordnete Rolle, da die Wohnungssuche durch ihren „Ehemann“ O. erfolgte. Schließlich war sie – auch im Hinblick auf ihre Kinder – auf Unterkünfte angewiesen.
171Zu Lasten der Angeklagten war demgegenüber zu berücksichtigen, dass es sich bei den Wohnungen um Sachen handelte, die einen ganz erheblichen Wert und eine existenzielle Bedeutung für die Betroffenen hatten. Das Gewicht der Tat liegt damit deutlich über der von § 9 Abs. 1 VStGB geforderten Schwelle einer Aneignung in erheblichem Umfang.
1724. Für die unter II. 2. d) festgestellten tateinheitlich begangenen Waffendelikte in Tateinheit mit Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied (Fall 2) war eine
173Einzelstrafe von einem Jahr
174tat- und schuldangemessen.
175Die Strafe war dem von einem Jahr bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB entnehmen, da die tateinheitlich begangene Tat nach § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG, § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG selbst ohne Berücksichtigung des in beiden Vorschriften jeweils vorgesehenen minder schweren Falls nur mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren(KrWaffKontrG) oder sechs Monaten bis fünf Jahren (WaffG) bedroht ist.
176Auch bei isolierter Anwendung der waffenrechtlichen Vorschriften wäre der Besitz von einsatzbereiten Waffen – in einem Bürgerkriegsgebiet mit erhöhter Einsatzwahrscheinlichkeit verbunden – jeweils nicht als minder schwerer Fall zu bewerten. Bei der Kriegswaffe hat der Senat allerdings zu Gunsten der Angeklagten berücksichtig, dass sie bei wertender Betrachtung letztlich nur über eine durch O. „aufgedrängte“ Mitsachherrschaft verfügte.
1775. Für die unter II. 2. e) festgestellten Beihilfe zu einem in Tateinheit mit qualifizierter Freiheitsberaubung begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Tateinheit mit Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied (Fall 2) war eine
178Einzelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
179tat- und schuldangemessen.
180Die Strafe ist dem Strafrahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB entnommen, der grundsätzlich von fünf Jahren bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe reicht und sich vorliegend durch Milderung gemäß §§ 27, 49 Abs. 2 StGB auf Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis 11 Jahre und drei Monate belief.
181Ein minder schwerer Fall nach gemäß § 7 Abs. 2 VStGB liegt, auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes, nicht vor.
182In erheblichem Maß für die Angeklagte spricht allerdings ihr überwiegendes und von Reue getragenes Geständnis und ihre gegenüber der Nebenklägerin erklärte emotional vorgetragene, aufrichtige persönliche Entschuldigung in der Hauptverhandlung. Für die Angeklagte spricht weiterhin die verhältnismäßig geringe Bedeutung ihres Tatbeitrags für die Haupttat, dass sie selbst keine tätliche Gewalt gegen die Nebenklägerin ausübte, dass es sich bei den von der Nebenklägerin auf Veranlassung der Angeklagten durchgeführten Arbeiten nicht um schwere Arbeit handelte und dass die Angeklagte lediglich eine ihr von S. gebotene Tatgelegenheit ausnutzte.
183Gegen die Angeklagte sprachen dagegen ihre ideologische, wenngleich nicht von besonderer Radikalität geprägte Weltanschauung und ihr Eigennutz als Tatmotive sowie die Dauer des Tatzeitraums und der erhebliche Umfang der insgesamt in Anspruch genommenen Arbeit.
184Die Gesamtbewertung aller Umstände rechtfertigt die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 7 Abs. 2 VStGB auch unter Berücksichtigung des bei einer Beihilfetat zur Anwendung kommenden vertypten Strafmilderungsgrundes des § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB nicht. Die Voraussetzungen des weiteren vertypten Strafmilderungsrundes des § 46a StGB sind durch die von der Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin erklärte Entschuldigung nicht erfüllt. Es fehlt an dem hierfür erforderlich kommunikativen Prozess zwischen der Angeklagten und der Nebenklägerin. Die Nebenklägerin selbst hat nicht unmittelbar auf die Entschuldigung mit einer Erklärung reagiert. Ihre Vertreterin hat in dem darauffolgenden Hauptverhandlungstermin, an dem die Nebenklägerin selbst nicht teilnahm, erklärt, die Entschuldigung habe durchaus Bedeutung für die Nebenklägerin, annehmen könne sie diese derzeit jedoch nicht.
185Der Strafrahmen war jedoch nach §§ 27, 49 Abs. 2 StGB zu mildern mit der Folge, dass ein Strafrahmen von zwei Jahren bis 11 Jahre und drei Monate zur Anwendung kam. Innerhalb dieses Strafrahmens ist der Senat unter Berücksichtigung der vorstehend bezeichneten strafzumessungsrelevanten Umstände zu der ausgesprochenen Einzelfreiheitsstrafe gelangt.
1866. Bei der Festsetzung der nach § 54 StGB zu bildenden Gesamtstrafe hat der Senat die zuvor dargelegten Gesichtspunkte insgesamt nochmals gewürdigt und dabei in den Blick genommen, dass die Taten in einem engen zeitlichen und inneren Zusammenhang stehen.
187Danach hat der Senat unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten auf eine
188Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten
189erkannt.
Die Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten beruht auf § 465 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 467 Abs. 1 StPO.
Dem Urteil liegt keine Verständigung nach § 257c StPO zugrunde.