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Auf die Beschwerde der Antragsteller vom 29.09.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts Velbert vom 20.09.2021 abgeändert und der Rechtsbehelfsverzicht der gesetzlichen Vertreter des Kindes bzgl. des Ergebnisses der Grenzermittlung und vorgenommene Abmarkung der Flurstücksgrenze Gemeinde A., Flur 01, Gemarkung B., Flurstück 02 im Termin vom 05.03.2021 durch den öffentlich bestellten Vermessungsingenieur C. (2021/ 9028-1 / 20) familienrechtlich genehmigt.
Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die Beteiligten tragen ihre Kosten selbst.
Gründe:
2I.
3Das minderjährige Kind ist gemeinsam mit der Kindesmutter, der Antragstellerin zu 1. Miterbe nach der verstorbenen D.. Sie war Eigentümerin an einem Grundstück im Landkreis Prignitz / Brandenburg, Gemeinde A., Gemarkung B., Flur 01, Flurstücke 03 und 04. Dieses Grundstück grenzt unmittelbar an das der Gemeinde A. gehörende Flurstück 02 an, wobei ein (größerer) Teil des Flurstücks 02 in das Flurstück 03 hineinragt (vgl. Flurstück-Skizze, Bl. 8 d.A.). Gerade die Grenzen dieses Teils des Flurstücks 02 gelten bisher noch nicht im katasterrechtlichen Sinne vollständig als festgestellt. Daher wurde hierzu am 05.03.2021 ein Grenztermin vom öffentlich bestellten Vermessungsingenieur C. durchgeführt und eine Grenzermittlung und Abmarkung von der Grundstücksgrenze Flurstück 02 (Grenze Flurstück 03) vorgenommen. Da die Kindeseltern beim Grenztermin nicht teilgenommen hatten, wurde ihnen mit Schreiben vom 05.03.2021 (Bl. 4 d.A.) das Grenzergebnis und die vorgenommene Abmarkung bekannt gegeben und gebeten, im Falle des Anerkenntnisses der Grenzermittlung in Vertretung für ihre Tochter eine Rechtsbehelfsverzichtserklärung abzugeben.
4Die Kindeseltern begehren nunmehr die familiengerichtliche Genehmigung der Rechtsbehelfsverzichtserklärung für ihre Tochter. Sie tragen unter Verweis auf eine Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 20.12.2005 (10 B 14.05) vor, dass die Grenzermittlung „einer Verfügung über das Grundstück“ gleichkomme. In der Mitwirkung eines Beteiligten an der Anerkennung des der Abmarkung zugrunde zulegenden Ergebnisses der Grenzermittlungen liege eine Willenserklärung. Die Grenzfeststellung sei zu erteilen, da die Grenzfeststellung den Wert des Grundbesitzes des Kindes steigere und Nachteile für das Kind beziehungsweise den Grundbesitz des Kindes nicht ersichtlich seien.
5Das Amtsgericht Velbert hat mit Beschluss vom 20.09.2021 dem Antrag der Kindeseltern nicht entsprochen und die Erteilung einer familiengerichtlichen Genehmigung nicht als erforderlich angesehen. Als Begründung hat es ausgeführt, dass die Grenzermittlung nur das Flurstück der Gemeinde A. betreffe und nicht des Kindes. Eine Verfügung über das Grundstück des Kindes liege daher nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass die Kindeseltern als Vertreter des Kindes lediglich beteiligt worden seien, da die Erbengemeinschaft in einem zweiten Schritt einen Teil des Grundstücks der Gemeinde A. erwerben wolle.
6Hiergegen wenden sich die Kindeseltern mit der Beschwerde unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens. Das Amtsgericht gehe von falschen Voraussetzungen aus. Die Schwester der Kindesmutter, die ebenfalls mit ihren vier Kindern Erbin nach Frau D. geworden sei, habe ohne Probleme vom Amtsgericht Braunschweig eine entsprechende familiengerichtliche Genehmigung mit Beschluss vom 13.08.2021 erhalten.
7Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 08.10.2021 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.
8II.
9Die Beschwerde der Kindeseltern ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 ff FamFG zulässig, insbesondere sind die Kindeseltern gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt. Die Beschwerde ist auch begründet.
101.
11Gemäß § 1643 Abs. 1 BGB ist bei Rechtsgeschäften für das Kind von den Eltern dann eine Genehmigung des Familiengerichts einzuholen, wenn nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine Verfügung über das Grundstück erfolgen soll. Zwar ist eine sachenrechtliche Verfügung der zur Miterbenmasse gehörenden Flurstücke unmittelbar nicht geplant, allerdings soll zur Vorbereitung einer solchen die Grenze neu vermessen und bindend festgestellt werden. Die Grenzfeststellung entfaltet im Land Brandenburg, indem auch das streitgegenständiche Grundstück liegt, eine konstituierende Rechtskraft, da sie für jede Grenze nur einmal erfolgen kann und die betroffenen Grundstückseigentümer diese blockieren können. Die Abmarkung, die sich der Grenzfeststellung anschließt, ist dagegen ein reiner Verwaltungsakt.
12Die Stelle des neu vermessenen Grundstücks Gemarkung B., Flur 01, Flurstück 02, grenzt und ragt in das auch der Minderjährigen gehörende Grundstück Gemarkung B., Flur 01, Flurstücke 03 hinein. Eine Grenzfeststellung des Flurstücks 02 stellt daher zugleich eine Grenzfeststellung des Flurstücks 03 dar. Daher sind auch die Miteigentümer des Flurstücks 03, also auch das minderjährige Kind von der Grenzfeststellung betroffen, denn vom Grenzeigentümer ist eine Anerkennung der neuen Vermessung notwendig bzw. bei Bedenken gegen die Vermessung sind gegen das Ergebnis der Grenzermittlung Einwendungen zu erheben. Dies stellt eine Willenserklärung dar, die einer Verfügung gleichkommt, so dass sie der familiengerichtlichen Genehmigung fähig ist. Denn alle betroffenen Grenzeigentümer sind aktiv zu beteiligen.
13Dem steht der Ablauf der Rechtsbehelfsfrist nicht entgegen. Denn das minderjährige Kind wird zwar von den gesetzlichen Vertretern bei Empfang der Bekanntgabe der Ergebnisses der Grenzermittlung vertreten, die Willenserklärung, die Abmessung anzuerkennen, ist jedoch, da dies rechtliche Folgen hat, genehmigen zu lassen.
142.
15Die Anerkennung der Grenzfeststellung hat für das minderjährige Kind auch keine nachteiligen Folgen, da die Grenzen des fraglichen Grundstücks nicht so verschoben werden, dass dadurch die Größe zu Ungunsten der Grundstückseigentümer verändert würde. Vielmehr bewirkt die Tatsache, dass die Grenze nach der Anerkennung der Beteiligten als festgestellt angesehen werden darf, eine „Qualitätssicherung und -steigerung“ des Grundstücks, da eine einmal festgestellte Grenze jederzeit anhand des Katasternachweises in die Örtlichkeit übertragen werden kann (Grenzwiederherstellung) und gfls. erneut abgemarkt werden kann. Dies führt gerade bei der Frage der Bebaubarkeit eines Grundstückes zur Klarstellung sowie Vereinfachung und daraus folgend zu einer möglichen Wertsteigerung.
163.
17Von einer persönlichen Anhörung des erst einjährigen Kindes hat das Gericht nach§ 159 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 4 FamFG abgesehen.
184.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.