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lebenslanger Freiheitsstrafe
verurteilt.
Freiheitsstrafe von neun Jahren
verurteilt.
Angewendete Strafvorschriften:
Für den Angeklagten A.:
§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, § 211 Abs. 2 Var. 4, § 25 Abs. 2, § 52 StGB, § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB.
Für den Angeklagten B.:
§ 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, § 211 Abs. 2 Var. 4, §§ 27, 52, § 74 Abs. 2 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung, § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB.
Gründe:
Gegenstand der Verurteilung ist die Hinrichtung eines Offiziers der syrischen Streitkräfte, des Oberstleutnants F., durch Angehörige von zwei Katibas der Jabhat al-Nusra im Rahmen des syrischen Bürgerkrieges. Der gefangen genommene Offizier wurde durch Kämpfer der von G. geleiteten Katiba Ghurabaa Muhassan und der von E. angeführten Katiba Ezz El Din Al Qassam als Repräsentant des ihnen verhassten Assad-Regimes gemäß einem gemeinsamen Tatplan am 10. Juli 2012 in der syrischen Stadt Muhassan erschossen.
3Dem Angeklagten A., einem Mitglied der Ghurabaa Muhassan, kam die Aufgabe zu, den Gefangenen auf dem Weg zum Hinrichtungsort zu bewachen. Der Angeklagte B. war als örtlicher Medienaktivist zur Hinrichtung hinzugerufen worden, um ein Propagandavideo der Exekution zu erstellen. Durch die Aufnahme des Opfers und seine zeitgleich gesprochenen, die Tat verherrlichenden Kommentare bestärkte er die Mitglieder der beiden Katibas in ihrem Tatentschluss. Er selbst gehörte der Jabhat al-Nusra nicht an und war auch nicht an der Planung der Hinrichtung beteiligt. Der Senat hat das Handeln des Angeklagten B. daher – abweichend von der Anklageschrift vom 14. Dezember 2020 – lediglich als Beihilfe zur Tötung des Offiziers gewertet und ihn anders als den Angeklagten A. nicht als Mittäter verurteilt.
4Wesentliches Beweismittel ist neben dem vom Angeklagten B. erstellten Propagandavideo ein weiteres Video, das von Mitgliedern der Katibas erstellt wurde und das Hinrichtungsgeschehen nahezu vollständig dokumentiert.
5Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren nach §§ 154, 154a StPO auf die zur Verurteilung gelangten Taten und die in der Urteilsformel aufgeführten Straftatbestände beschränkt.
6Das Urteil beruht nicht auf einer Verständigung gemäß § 257c StPO.
Der zur Tatzeit 34 Jahre alte syrische Staatsangehörige A. wurde in der Stadt Z. in der gleichnamigen Provinz im Osten Syriens in eine kinderreiche Familie geboren. Er ist Muslim sunnitischer Glaubensrichtung und mit zwei Frauen verheiratet. Eine Ehefrau und fünf 2003 bis 2014 geborene Töchter halten sich in Deutschland auf. Die zweite Ehefrau und weitere Kinder leben in der Türkei.
8In Syrien besuchte der Angeklagte die Schule bis zur 9. Klasse. Nach einer vorübergehenden Tätigkeit als Bäcker war er Berufssoldat bei den Grenzschutzeinheiten der syrischen Armee und für diese zwischen 1996 und 2012 im Einsatz. Anfang 2012 verließ er die Armee aufgrund seiner Gegnerschaft zum herrschenden Assad-Regime, begab sich in seine Heimatprovinz Z. und schloss sich dort den revolutionären Kräften an. Bei einem Gefecht mit Einheiten der syrischen Armee im August 2012 erlitt er eine Schussverletzung und verlor einen Teil des rechten Lungenflügels sowie die linke Niere, ohne dass ihn dies heute nachhaltig beeinträchtigt.
9Im November 2013 verließ der Angeklagte seine Heimat und flüchtete in die Türkei. Dort hielt er sich bis 2015 auf und gelangte dann über die sog. Balkanroute und einen Aufenthalt in den Niederlanden im Januar 2016 mit zwei seiner damals minderjährigen Töchter nach Deutschland. Hier beantragte er im März 2016 Asyl. Im März 2017 wurde ihm und seinen beiden Töchtern die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der Ehefrau und den drei weiteren Kindern war bereits im August 2016 subsidiärer Schutz zuerkannt worden. Zuletzt lebte der Angeklagte mit seiner Familie in Naumburg (Saale). Einer beruflichen Tätigkeit ging er nicht nach. Die Familie lebte von staatlicher Unterstützung.
10Der Angeklagte ist nicht vorbestraft. Er befindet sich seit dem 13. Juli 2020 in dieser Sache in Untersuchungshaft.
Der zur Tatzeit 27 Jahre alte syrische Staatsangehörige B., ebenfalls ein sunnitischer Muslim, wurde im syrischen Homs als jüngstes von zehn Kindern geboren. Er ist seit 2013 verheiratet und hat mit seiner Ehefrau zwei 2017 und 2019 geborene Kinder.
12Nach dem Besuch des Gymnasiums absolvierte er eine Ausbildung zum Informatiker. Nach mehrmonatigen beruflichen Tätigkeiten im arabischen Ausland leistete er von 2009 bis Februar 2011 Wehrdienst in der syrischen Armee. Anschließend fand er eine Anstellung als Informatiklehrer in der Provinz Z. und ließ sich in der Kleinstadt Muhassan nieder.
13Im Frühjahr 2011 schloss er sich dort der aufkommenden Oppositionsbewegung an. Er nahm an Demonstrationen teil, von denen er Videoaufnahmen anfertigte, die er mit Kommentaren über die Situation vor Ort im Internet veröffentlichte. Wegen dieses Engagements als oppositioneller Medienaktivist wurde er im Frühjahr 2011 kurzzeitig verhaftet, konnte aber danach seine Tätigkeit als Lehrer wieder aufnehmen. Im Herbst 2011 wurde er erneut inhaftiert und am 27. Mai 2012 nach Zahlung eines Lösegeldes durch seine Familie wieder freigelassen. Während dieser Haft wurde er in verschiedenen Gefängnissen des Assad-Regimes gefoltert, ohne dass er hierdurch bleibende Beeinträchtigungen davongetragen hat.
14Nach der Haftentlassung lebte der Angeklagte wieder in Muhassan und setzte ungeachtet der erlittenen Repressalien seine Tätigkeit als Medienaktivist für die syrische Opposition fort. Gemeinsam mit seinem Freund D. betrieb er ein Medienbüro, das die Aktivitäten der gegen das Assad-Regime gerichteten Opposition in Muhassan und Umgebung propagandistisch unterstützte. Der Angeklagte und D. begleiteten als Betreiber des Medienbüros verschiedene oppositionelle Gruppierungen zu deren Kampfeinsätzen, dokumentierten das Geschehen auf Video und kommentierten es im Sinne des gemeinsamen Kampfes gegen das Regime. Aufgrund ihrer Tätigkeit in dem Medienbüro waren sie über die Geschehnisse in Syrien und insbesondere der Region Z. gut informiert.
15Ab Oktober 2013 arbeitete der Angeklagte als Journalist für den arabischsprachigen Nachrichtensender Al Arabiya. Im Juli 2014 wurde er von Mitgliedern der Vereinigung „Islamischer Staat“, die mittlerweile Muhassan eingenommen hatte, kurzzeitig verhaftet. Nachdem einer seiner Brüder ihn freigekauft hatte, floh er aus Syrien und reiste über die Türkei und die sog. Balkanroute nach Deutschland, wo er Mitte September 2014 eintraf. Mitte Juli 2015 wurde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Im Februar 2016 folgte ihm seine Ehefrau im Wege des Ehegattennachzugs.
16Der Angeklagte erlernte die deutsche Sprache und absolvierte eine Weiterbildung zum IT-Netzwerktechniker. Zuletzt lebte er in Essen und bezog staatliche Unterstützung.
17Der Angeklagte ist nicht vorbestraft. Er befindet sich seit dem 13. Juli 2020 in dieser Sache in Untersuchungshaft.
Die seit Februar 2011 in Syrien gegen die Regierung des Staatspräsidenten Bashar al‑Assad schwelenden Proteste eskalierten ab Mitte März 2011 aufgrund des gewaltsamen Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte, Milizen sowie der syrischen Armee gegen Demonstranten und Oppositionelle. Schauplatz der Demonstrationen waren zunächst vorwiegend ländliche Gebiete und kleine Städte im überwiegend sunnitisch besiedelten Zentrum, Norden und Osten des Landes. In den darauffolgenden Wochen und Monaten weiteten sich die zumeist friedlichen Aktionen gegen das Regime aus, worauf die Regierung zunehmend repressiv und gewalttätig reagierte. Die dadurch bewirkte Militarisierung der Protestbewegung entwickelte sich zu einem bewaffneten Aufstand, der Anfang des Jahres 2012 weite Teile des Landes, darunter auch das Gouvernement Deir ez-Zor, erfasste und sich bis Juni 2012 zu einem großflächigen Bürgerkrieg ausweitete.
19Zu Beginn des Bürgerkriegs trat auf Seiten der bewaffneten Opposition die Freie Syrische Armee (FSA) als Hauptakteur in Erscheinung. Sie versuchte, als Dachverband eine Vielzahl inhomogener Kampfverbände und Gruppierungen mit unterschiedlichen Motivationslagen zu vertreten. Die in ihrem Verbund agierenden Milizen begannen jedoch aufgrund widerstreitender Interessen schon bald, sich auch untereinander zu bekämpfen. Zumindest in der Provinz Deir ez-Zor trat bereits ab Frühjahr 2012 unter den aufständischen Kämpfern auch die Jabhat al-Nusra in Erscheinung.
20Bei den intensiv geführten kriegerischen Auseinandersetzungen wurden in zunehmendem Maße von allen Konfliktparteien gravierende Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen, u.a. Verbrechen gegen nicht an Kampfhandlungen beteiligte Personen und kampfunfähige gegnerische Kämpfer. Insbesondere die im Lager des Assad-Regimes stehenden Kräfte folterten in ihren Gefängnissen und Militärkrankenhäusern politische Gegner, wobei sich die Maßnahmen gegen Männer, Frauen, Jugendliche und in Einzelfällen selbst Kinder richteten. In einer Vielzahl von Fällen starben die Menschen durch Misshandlungen und Folter. Überdies wurde die in Opposition zum Regime stehende Zivilbevölkerung durch das Militär gezielt be- bzw. erschossen.
21Den Angeklagten waren diese Umstände im Wesentlichen bekannt.
Die „Jabhat al-Nusra“ („Jabhat al-nusra li-ahli ash-sham“ [Hilfsfront für das Volk Großsyriens]) wurde Ende 2011 von Abu Muhammad al-Jawlani und anderen syrischen Mitgliedern der seinerzeitigen Organisation „Islamischer Staat im Irak“ (ISI) im Auftrag deren Anführers Abu Bakr al-Baghdadi in Syrien gegründet und sollte als Ableger der irakischen Organisation im Nachbarland operieren. Die Gründung wurde im Januar 2012 in einem im Internet veröffentlichten Video bekannt gegeben, nachdem die Vereinigung bereits erste große Anschläge verübt hatte. Im Laufe des Jahres 2012 wuchs sie zu einer der stärksten aufständischen Gruppierungen in Syrien heran.
23Ziel der Jabhat al-Nusra war der Sturz des Assad-Regimes in Syrien, das sie durch einen islamischen Staat auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Scharia ersetzen wollte. Darüber hinaus erstrebte sie die „Befreiung“ des historischen Großsyrien, das Syrien sowie Teile der südlichen Türkei, des Libanon, Jordaniens, Israels und der palästinensischen Gebiete umfasst. Diese Ziele verfolgte die Vereinigung mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate, Entführungen sowie gezielte Tötungen von Angehörigen des syrischen Militär- und Sicherheitsapparats und nicht am Konflikt beteiligten Zivilisten. Insgesamt werden der Gruppierung mehr als 2.000 Anschläge zugerechnet, bei denen mindestens 10.000 Menschen getötet wurden.
24Die Jabhat al-Nusra war militärisch-hierarchisch organisiert. Dem Anführer al-Jawlani war ein aus fünf bis sechs Personen gebildeter Schura-Rat zugeordnet. Unterhalb dieser Führungsebene standen die Kommandeure der insgesamt aus mehreren Tausend Personen bestehenden kämpfenden Einheiten, die ihrerseits in die vor Ort agierenden Kampfgruppen untergliedert waren. Ihre militärische Ausbildung erhielten die Kämpfer in einem verzweigten Netz von Trainingslagern. Daneben gab es sogenannte „Scharia-Komitees“ in den von der Organisation kontrollierten Gebieten, die religiöse Angelegenheiten regelten und den Aufbau eines eigenen Justiz- und Verwaltungssystems vorantrieben. Für ihre Öffentlichkeitsarbeit bediente sie sich einer eigenen Medienstelle, über die sie im Internet Verlautbarungen, Operationsberichte und Anschlagsvideos verbreitete. Darüber hinaus unterhielt sie ein Netzwerk von „Korrespondenten“ in Syrien, die ihre Berichte über Twitter-Kanäle veröffentlichten.
25Auch diese Umstände waren den Angeklagten im Wesentlichen bekannt.
Anfang des Jahres 2012 formierte sich in Muhassan die bewaffnete Gruppierung Ghurabaa Muhassan. Sie stand in Gegnerschaft zum Assad-Regime und rekrutierte sich im Wesentlichen aus früheren Angehörigen der syrischen Streitkräfte. Anfangs bestand die Gruppe aus etwa zehn Personen. Ihr Anführer war der Bruder des Angeklagten A., der Zeuge G. (genannt Abu C.), ein desertierter früherer Unteroffizier aus einer Grenzschutzeinheit des syrischen Militärs. Nach ihrer Gründung kämpfte die Einheit zunächst im Lager der FSA gegen das Regime.
27Am 6. Juni 2012 verübte die Ghurabaa Muhassan einen Sprengstoffanschlag auf ein Militärobjekt der syrischen Streitkräfte in Muhassan, die sog. Teppichfabrik. Dabei arbeitete sie mit der – im Vergleich zu den Kräften der FSA deutlich besser organisierten und ausgerüsteten – Jabhat al-Nusra zusammen, die den Sprengstoff zur Verfügung stellte. Die Mitglieder der Ghurabaa Muhassan nahmen diese erfolgreiche Kooperation zum Anlass, der Jabhat al-Nusra die Treue zu schwören. Sie gliederten sich unter der Leitung von G. – im Einvernehmen mit den örtlichen Repräsentanten der Jabhat al-Nusra – noch vor dem 10. Juli 2012, dem Tag der verfahrensgegenständlichen Tat, als Kampfeinheit in deren Organisation ein.
Nachdem der Angeklagte A. aufgrund seiner Ablehnung des Assad-Regimes Anfang 2012 die syrischen Streitkräfte verlassen hatte, begab er sich nach Muhassan und schloss sich dort im Frühjahr 2012 der von seinem Bruder G. geführten und zunächst noch der FSA zugehörigen Ghurabaa Muhassan an.
29Als Mitglied der Ghurabaa Muhassan war dem Angeklagten bekannt, dass sich seine Einheit nach dem Anschlag auf die Teppichfabrik und vor dem 10. Juli 2012 einvernehmlich in die Jabhat al-Nusra eingegliedert hatte. Er wollte nach der Eingliederung fortdauernd als Mitglied der Katiba Ghurabaa Muhassan am Verbandsleben der Jabhat al-Nusra teilnehmen und deren Ziele fördern.
Nach seiner Entlassung aus der Haft Ende Mai 2012 nahm der Angeklagte B. seine propagandistische Tätigkeit als Medienaktivist alsbald wieder auf.
31Er wusste vor dem 10. Juli 2012, dass sich die von G. geführte und anfänglich dem Lager der FSA zugehörige Ghurabaa Muhassan nach dem Anschlag auf die Teppichfabrik und vor dem 10. Juli 2012 einvernehmlich in die Jabhat al-Nusra eingegliedert hatte. Ihr Charakter als gegen das Assad-Regime kämpfende, bewaffnete Einheit war dem Angeklagten bereits vor der Eingliederung bekannt.
Der Oberstleutnant der syrischen Armee Qusai F. war im Rahmen der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen oppositionellen Gruppierungen und der syrischen Armee in der Provinz Deir ez-Zor gefangen genommen worden. Am frühen Morgen des 10. Juli 2012 befand er sich mit auf dem Rücken gefesselten Händen und unbewaffnet in der Hand von Mitgliedern der Ghurabaa Muhassan und der ebenfalls der Jabhat al-Nusra zugehörigen Gruppierung Ezz El Din Al Qassam. Diese hatten beschlossen, ihn als hochrangigen Repräsentanten des verhassten Assad-Regimes und damit aus politisch-ideologischen Gründen zu töten und die Hinrichtung für propagandistische Zwecke auf Video zu dokumentieren. Dabei war ihnen bewusst, dass die Tötung eines Menschen aus politischen Gründen sittlich auf tiefster Stufe steht und verachtenswert ist.
33Der Gefangene war von schweren Misshandlungen gezeichnet: Sein Gesicht war blutverklebt und sein rechtes Auge stark geschwollen. Sein nackter Oberkörper war von Striemen und Hautabschürfungen überzogen.
34Leiter des Hinrichtungskommandos war G., der von dem Angeklagten A. und A.1 als weiteren Mitgliedern der Ghurabaa Muhassan begleitet wurde. Für die Ezz El Din Al Qassam nahmen deren Anführer E. und ein weiterer unbekannter Kämpfer dieser Gruppierung an der Hinrichtung teil.
35Ebenfalls zugegen waren die beiden in der Stadt bekannten oppositionellen Medienaktivisten, der Angeklagte B. und D., die G. tatplangemäß hinzugezogen und mit der Anfertigung von Propagandaaufnahmen beauftragt hatte. Sie waren über die bevorstehende Hinrichtung unterrichtet und mit den für die Kommentierung der Videoaufnahmen notwendigen Informationen über den Offizier versorgt worden. Dass sie bereits an der vorangegangenen Planung der Tötung durch die Angehörigen der beiden Katibas beteiligt gewesen waren, konnte der Senat nicht feststellen.
36In Umsetzung ihres Tatplans brachten die Angehörigen der beiden Kampfeinheiten – begleitet von den beiden Medienaktivisten – den Offizier vom Hauptquartier der Ghurabaa Muhassan mit einem Geländewagen an eine abgelegene Stelle am Ufer des Euphrats. Auf der Fahrt verhöhnten sie ihn („Sollen wir Dich beschneiden?“, „Man soll ihn Muakhar [Hintern] statt Muqadam [Oberstleutnant] nennen!“, „Lass mich auf sein Gesicht spucken!“) und machten ihn lautstark als Schiiten und Alawiten, dessen Eigenschaft als Muslim sie in Frage stellten, sowie als Angehörigen des Assad-Regimes verächtlich.
37Nach ihrer Ankunft am Fluss zwangen sie den Gefangenen zunächst, einige Minuten auf einem Feldweg am Ufer entlangzugehen, und erreichten schließlich über einen kleinen Abhang eine Freifläche am Wasser. In Ausführung des gemeinsamen Tatplans der beiden Katibas nahm der Angeklagte A. die Aufgabe wahr, den Gefangenen auf dem Fußweg mit einem Schnellfeuergewehr zu bewachen, um dessen Flucht oder Widerstand zu verhindern und so die sich anschließende Hinrichtung abzusichern. Zu Beginn des Fußweges forderte er den innehaltenden Gefangenen zudem auf, in Richtung des Ortes der Erschießung weiterzugehen. Dem Angeklagten A. war bewusst, dass er durch seine Beteiligung an der Hinrichtung als Mitglied der Jabhat al-Nusra zugleich deren Ziele förderte und er wollte dies auch.
38Auf der Freifläche am Wasser ergriff G. das Wort und verkündete dem Gefangenen, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dem Regime, das Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen habe, sterben werde. Dann schossen – entsprechend dem gemeinsamen Tatplan – zumindest G. mit einem Revolver und im Anschluss E. mit einem Maschinengewehr mehrfach auf den Gefangenen, der hierdurch zu Tode kam. Unter den Tatbeteiligten erhoben sich vielstimmige Allahu-Akbar-Freudenrufe.
39Der Angeklagte B. fertigte dem Auftrag des G. entsprechend auf dem Fußweg zum Ort der Hinrichtung und während der Erschießung Videoaufnahmen des Geschehens und kommentierte es (Video „0‑3752.mp4“). Vor der Tötung nannte er Ort und Datum der Hinrichtung, stellte den Gefangenen namentlich und als Offizier des Regimes vor, gab an, dass er Zivilisten bombardiert habe, und teilte anerkennend mit, dass die Festnahme „mit Allahs Hilfe“ gelungen sei. Nach der Erschießung nannte er die Namen der beiden Kampfeinheiten und rechtfertigte die Tötung als „Strafe aller Verräter und auch derjenigen, die Unschuldige und deren Häuser bombardiert haben“. Der Angeklagte B. achtete bei der Erstellung seiner Aufnahme darauf, möglichst nur den Gefangenen und keinen der unvermummt agierenden Tatbeteiligten zu filmen. Er tat dies, um zu verhindern, dass die Angehörigen der beiden Katibas bei einer späteren Veröffentlichung des Videos erkannt werden könnten.
40Das für alle wahrnehmbare Filmen und Kommentieren des Geschehens durch den Angeklagten B. bestärkte die Mitglieder beider Kampfeinheiten in ihrem Entschluss, die von ihnen geplante Hinrichtung zum Abschluss zu bringen, zumal sie wussten, dass das Video des Angeklagten später zu propagandistischen Zwecken eingesetzt werden sollte.
41Dem Angeklagten B. war beim Erstellen der Aufnahmen bewusst, dass die Angehörigen der beiden Katibas den Gefangenen aus politisch-ideologischen Gründen töten würden. Ihm war klar, dass er durch die Anfertigung des Videos und die für die anderen wahrnehmbare Kommentierung des Geschehens die Kämpfer der Katibas in ihrem Tatentschluss bestärkte und so die Hinrichtung förderte. Er teilte deren Motiv, denn auch er war als Oppositioneller zur Förderung der Tötung des Gefangenen motiviert, weil es sich um einen politischen Gegner in Gestalt eines Repräsentanten des Assad-Regimes handelte. Ihm war bewusst, dass die Tötung eines anderen Menschen aus politisch-ideologischen Gründen sittlich auf tiefster Stufe steht und verachtenswert ist.
42Ebenso war dem Angeklagten B. bewusst, dass er durch sein Handeln die mitgliedschaftliche Betätigung der Angehörigen der beiden Katibas für die Jabhat al-Nusra förderte und so die Vereinigung unterstützte.
43Neben der von dem Angeklagten B. erstellten Aufnahme fertigten die Angehörigen der Katibas ein Video („0‑8003.avi“) der Fahrt zum Fluss, des Ganges am Ufer und der Erschießung an, das die an der Hinrichtung beteiligten Männer offen zeigt. Weitere Aufnahmen fertigten D. mit einer Digitalkamera und zeitweise der Angeklagte A. mit einem Mobiltelefon. Deren Videos wurden nicht sichergestellt.
44Die Aufnahme des Angeklagten B. wurde neun Tage nach der Tat auf der arabischsprachigen Website des russischen Auslandssenders Russia Today und später mehrmals durch nicht näher bekannte Personen bei YouTube veröffentlicht.
Das Verfahren gegen die Angeklagten wurde 2019 eingeleitet.
46Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten B. in U. am 17. Oktober 2019 wurde die in seinem Eigentum stehende Festplatte Toshiba USB 3.0 HDD (Seriennummer 20120819006329F, Asservat 7.2.1.4) sichergestellt.
47Auf dem Datenträger waren – neben einer Vielzahl weiterer Videos aus der Zeit des Angeklagten als Medienaktivist in Syrien sowie einer Videodatei mit kinderpornografischem Inhalt – das von ihm gefertigte Video „0‑3752.mp4“ sowie das weitere im Rahmen der Hinrichtung gefertigte Video „0‑8003.avi“ gespeichert. Diese beiden Dateien können von der Festplatte nicht isoliert gelöscht werden, ohne dass die Gefahr einer späteren Rekonstruktion der Daten besteht. Für eine rückstandsfreie Entfernung der Daten ist die Löschung des gesamten Datenträgers mit sämtlichen darauf gespeicherten Inhalten erforderlich.
Die Angeklagten haben vor Eröffnung des Hauptverfahrens Angaben gemacht. Soweit diese für eine Aufklärungshilfe relevant sein können, stellen sie sich wie folgt dar:
In seiner polizeilichen Vernehmung am 15. Mai 2019 hat der Angeklagte A. angegeben, Mitglied der Ghurabaa Muhassan gewesen zu sein, die Gruppierung aber durchweg im Lager der FSA verortet. Seine Beteiligung an der verfahrensgegenständlichen Hinrichtung, für die die Ermittlungsbehörden zum damaligen Zeitpunkt noch keine Anhaltspunkte hatten, hat er nicht eingeräumt, aber die Annahme geäußert, dass diese von Mitgliedern der Jabhat al-Nusra begangen worden sei.
50Im Rahmen einer Lichtbildvorlage hat er G. identifiziert, ohne sich zu dessen Beteiligung an der verfahrensgegenständlichen Tat oder dessen Zugehörigkeit zur Ghurabaa Muhassan zu äußern. Gegen den ebenfalls nach Europa geflüchteten G. betreiben die niederländischen Strafverfolgungsbehörden ein Strafverfahren wegen seiner Beteiligung an der verfahrensgegenständlichen Hinrichtung.
51Auf weiteren Lichtbildern hat der Angeklagte die in Deutschland aufhältigen Syrer B.1, C1 und D1 identifiziert. Gegen diese, den Ermittlungsbehörden im Zeitpunkt der Vernehmung bereits bekannten Personen betreibt der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an der Ghurabaa Muhassan als Katiba der Jabhat al-Nusra. Eine Zuordnung dieser Personen zur Ghurabaa Muhassan oder zur Jabhat al-Nusra hat der Angeklagte nicht vorgenommen.
In seiner polizeilichen Vernehmung am 17. Oktober 2019, bei der das von ihm aufgenommene Video „0‑3752.mp4“ den Ermittlungsbehörden aufgrund seiner Veröffentlichung im Internet bereits zur Verfügung stand und diese Anhaltspunkte dafür hatten, dass es vom Angeklagten aufgenommen worden war, hat der Angeklagte B. in Abrede gestellt, an der verfahrensgegenständlichen Tat beteiligt gewesen zu sein. Er hat angegeben, „die Leute“ hätten damals die Ghurabaa Muhassan der Jabhat al-Nusra zugeordnet und für die Tat verantwortlich gemacht. G. hat er auf Lichtbildern identifiziert, ihn aber nicht mit der Ghurabaa Muhassan oder der Tat in Verbindung gebracht.
53In seiner Vernehmung am 20. Februar 2020 hat er darauf bestanden, nicht an der Tat beteiligt gewesen zu sein und das Video „0‑3752.mp4“ nicht gedreht zu haben.
54In seiner Vernehmung am 6. Juni 2020, zu der er sich eigeninitiativ bei der Polizei meldete, hat er die Tat erneut der Jabhat al-Nusra zugeschrieben. Zudem hat er seine und G. Anwesenheit bei der Hinrichtung eingeräumt. Er hat – vor Auswertung des Videos „0‑8003.avi“, das das Hinrichtungsgeschehen nahezu vollständig dokumentiert – jedoch unzutreffend angegeben, G. sei nicht bewaffnet gewesen, habe nicht geschossen und nur versucht, von E. die Überlassung des Gefangenen für einen Austausch gegen seinen in Haft befindlichen Bruder D.1 zu erbitten, wobei er ihn habe unterstützen sollen. Er hat weiter angegeben, G. sei Gründer der Ghurabaa Muhassan gewesen. Manche deren Mitglieder seien zwar zur Jabhat al-Nusra übergelaufen, nicht aber G.
a. Zu seinen persönlichen Verhältnissen hat der Angeklagte A. Angaben gemacht, die der Senat den hierzu getroffenen Feststellungen zu Grunde gelegt hat.
56b. Zur Sache hat er sich im Kern dahingehend eingelassen, dass er weder Mitglied der Ghurabaa Muhassan noch der Jabhat al-Nusra gewesen sei, sondern nur zufällig auf dem Fußweg zum Ort der Hinrichtung dabei gewesen sei und sich vor der eigentlichen Erschießung wieder entfernt habe.
57Im Einzelnen:
58Nachdem er Anfang des Jahres 2012 in seine Heimatprovinz Z. zurückgekehrt sei, um sich dort auf Seiten der Revolutionäre gegen das Assad-Regime zu engagieren, habe er für die FSA ein landwirtschaftliches Gut im Dorf Buleil unweit von Muhassan bewacht. Auf dem Landgut habe er am 6. Juni 2012 auch den Sprengstoffanschlag auf die sog. Teppichfabrik in Muhassan akustisch wahrgenommen. Von den Anschlagsplanungen habe er keine Kenntnis gehabt. Er habe die Explosion zunächst für Raketenbeschuss durch das Regime gehalten.
59Er sei zu keinem Zeitpunkt Mitglied der von seinem Bruder G. geleiteten Ghurabaa Muhassan gewesen. Nach dem Anschlag auf die Teppichfabrik habe ihm sein Bruder berichtet, dass zwei Mitglieder der Ghurabaa Muhassan – E.1 und F.1 – am Anschlag auf die Teppichfabrik beteiligt gewesen seien und sich neben anderen Mitgliedern der Ghurabaa Muhassan der Jabhat al-Nusra angeschlossen hätten. G. selbst und einige andere seien nicht zur Jabhat al-Nusra gewechselt. Über Ziele, Aufbau und Methoden der Jabhat al-Nusra sei der Angeklagte gleichwohl in Grundzügen informiert gewesen, habe man doch darüber gesprochen. Auch die Entwicklung des syrischen Bürgerkrieges sei ihm im Wesentlichen bekannt gewesen.
60In der Nacht auf den 10. Juli 2012 habe der Angeklagte den Funkverkehr abgehört und so zufällig erfahren, dass ein Offizier des Regimes gefangen genommen und zu seinem Bruder G. gebracht worden sei. Darüber habe er sich sehr gefreut, denn er habe gedacht, G. werde den Offizier sicherlich gegen den weiteren Bruder D.1, der sich seinerzeit in der Gefangenschaft des Regimes befunden habe, austauschen. Daher habe er sich noch in der Nacht auf die Suche nach G. gemacht, um mit ihm darüber zu sprechen.
61In den frühen Morgenstunden habe er G. in Begleitung des gefangenen Offiziers und weiterer Personen zufällig in Buleil getroffen, wo diese mit einem Geländewagen unterwegs gewesen seien. Die Begleiter G.s seien ihm nicht näher bekannt gewesen. G. habe ihn aufgefordert, ins Fahrzeug einzusteigen. Das habe er getan. Er habe gedacht, man werde den Gefangenen nun zeitnah gegen D.1 austauschen. Dann sei man zum Euphrat gefahren, wo alle ausgestiegen seien. Von den Gesprächen im Fahrzeug habe er nichts mitbekommen, weil er in Gedanken ganz bei seinem Bruder D.1 gewesen sei. Dass der Offizier getötet werden könnte, habe er nicht in Betracht gezogen.
62Nach dem Aussteigen sei von einem Video die Rede gewesen. Er habe gedacht, dabei handele es sich um ein Video für den bevorstehenden Gefangenenaustausch. Es treffe zu, dass er – wie im Video „0‑8003.avi“ ersichtlich – dem Gefangenen bedeutet habe weiterzulaufen. Dies habe er nur getan, um den bevorstehenden Gefangenenaustausch zu beschleunigen. Nachdem die Gruppe ein Stück am Fluss entlanggelaufen gewesen sei, sei G. auf ihn zugegangen, habe ihm ein mitgeführtes Kissen in die Hand gedrückt und ihn aufgefordert, sich zu entfernern. Er habe gedacht, G. tue das, weil er kein Vertrauen zu ihm habe. Er habe das Kissen zunächst zur Seite gelegt und selbst Filmaufnahmen des Offiziers gemacht, denn er habe es den anderen Filmenden gleichtun wollen. Dann habe er das Kissen wieder an sich genommen und sei weggegangen.
63Erst zwei Tage später habe er davon erfahren, dass der Offizier getötet worden sei. Darüber sei er sehr erzürnt gewesen und habe G. dafür gescholten, den Gefangenen nicht für einen Gefangenenaustausch eingesetzt zu haben.
a. Zu seinen persönlichen Verhältnissen hat der Angeklagte B. Angaben gemacht, die der Senat den hierzu getroffenen Feststellungen zu Grunde gelegt hat.
65b. Zur Sache hat er sich im Kern dahingehend eingelassen, dass er weder einer der beteiligten Katibas noch der Jabhat al-Nusra angehört habe. Er sei von G. zu dem Geschehen hinzugebeten worden, um ein Video für einen Gefangenenaustausch zu drehen. G. selbst habe den Gefangenen nämlich nicht töten, sondern austauschen wollen. Für den Fall, dass die anderen Beteiligten dies nicht zugelassen hätten, habe er ein Video drehen sollen, mit dem diese später für die Erschießung zur Rechenschaft hätten gezogen werden können.
66Im Einzelnen:
67Er sei revolutionärer Medienaktivist gewesen und habe als solcher im Sommer 2012 die Einsätze verschiedener oppositioneller Kampfeinheiten begleitet, auf Video aufgezeichnet und anerkennend kommentiert. Er sei sehr gut über die Situation in Muhassan und Umgebung wie auch über die Entwicklung des syrischen Bürgerkrieges im Allgemeinen informiert gewesen, denn das sei Voraussetzung für seine Arbeit als Medienaktivist und seine Akzeptanz bei den oppositionellen Kämpfern gewesen.
68Am Vorabend der Hinrichtung habe sich der ihm bekannte G., der Anführer der Ghurabaa Muhassan, an ihn gewandt, und ihm erklärt, dass er am nächsten Tag seinen Internetanschluss benötige. Worum genau es gehen sollte, habe er noch nicht gewusst. Am nächsten Morgen sei er von einem Vertrauten G.s abgeholt und zum Hauptquartier der Ghurabaa Muhassan gebracht worden, wo neben den Mitgliedern dieser Gruppierung auch E. von der Ezz El Din Al Qassam und der gefangen genommene syrische Offizier zugegen gewesen seien. Zu seiner Überraschung habe er dort auch D. getroffen, seinen engen Freund und Mitbetreiber des Medienbüros. D. habe ihm gesagt, er sei ebenfalls von G. hinzugebeten worden. Mehr habe man nicht miteinander besprochen.
69G. habe ihm für die anderen unbemerkt bedeutet, dass E., der sich kurz vorgestellt habe, den Offizier hinrichten, er selbst aber versuchen wolle, von E. die Überlassung des Offiziers für einen Austausch gegen seinen in der Gefangenschaft des Regimes befindlichen Bruder D.1 zu erbitten. Es habe im Raum gestanden, dann vom Internetanschluss des Angeklagten eine Live-Video-Schaltung zu Vertretern des Assad-Regimes aufzubauen, um den Gefangenenaustausch zu besprechen. Darüber hinaus habe ihn G. aber auch aufgefordert, ein Video zu drehen: Zum einen habe er den Gefangenen filmen sollen, damit dieses Video später im Rahmen des geplanten Gefangenenaustausches hätte eingesetzt werden können, um gegenüber dem Regime zu belegen, dass sich der Offizier in der Hand von G. befand. Zum anderen habe er für den Fall des Scheiterns des Austausches ein Video der Hinrichtung anfertigen sollen, damit die hieran Beteiligten später hätten zur Rechenschaft gezogen werden können.
70Dann sei man gemeinsam Richtung Euphrat gefahren. E. habe ihn mit den Details über die Person des Gefangenen und die Namen der Katibas versorgt und aufgefordert, in seinem Video insbesondere die Katibas namentlich zu benennen.
71Obwohl er den Eindruck gehabt habe, dass sich G. mit seinem Begehren gegenüber E. nicht habe durchsetzen können, habe er bis zuletzt die Hoffnung gehabt, dass es zum Geiselaustausch kommen werde. In seinem Innersten habe er aber doch damit gerechnet, dass die Hinrichtung stattfinden würde. Er habe dann die Filmaufnahmen gemacht und wie festgestellt kommentiert. Wie es später zur Veröffentlichung des Videos gekommen sei, wisse er nicht.
72G. habe im Zeitpunkt der Tat zur FSA gehört. Die Ghurabaa Muhassan habe sich nach dem Anschlag auf die Teppichfabrik gespalten, G. sei aber mit einigen Vertrauten bei der FSA geblieben, nur andere Mitglieder seien zur Jabhat al-Nusra gewechselt. Dieser Wechsel sei unter den Aktivisten Thema gewesen. E. habe nach dessen eigener Aussage ebenfalls zur FSA gehört. Über Ziele, Aufbau und Methoden der Jabhat al-Nusra sei der Angeklagte als erfahrener Medienaktivist in Grundzügen informiert gewesen.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten A. beruhen im Wesentlichen auf seinen eigenen Angaben. Diese wurden bestätigt und ergänzt durch die glaubhaften Bekundungen des polizeilichen Ermittlungsführers KHK G.1, des Vernehmungsbeamten KK H.1, dem gegenüber sich der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren zu seiner Person eingelassen hatte, die ärztliche Bescheinigung des Leiters des Krankenhauses von Muhassan vom 9. August 2012 zur Schussverletzung des Angeklagten, den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. März 2017 zu seinem Asylstatus sowie die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 16. Juni 2021.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten B. beruhen im Wesentlichen auf seinen eigenen Angaben. Diese wurden bestätigt und ergänzt durch die glaubhaften Bekundungen des polizeilichen Ermittlungsführers KHK G1, den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Juli 2015 zu seinem Asylstatus, beim Angeklagten sichergestellte Dokumente zu seinem Werdegang und seinen Verhaftungen in Syrien sowie die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 16. Juni 2021.
Die Feststellungen zur Entstehung und Entwicklung des syrischen Bürgerkriegs bis Mitte 2012 beruhen auf den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. I.1, denen sich der Senat nach kritischer Prüfung angeschlossen hat. Der Sachverständige ist dem Gericht seit Jahren als historisch, politologisch und islamwissenschaftlich versierter Experte für die Situation im Nahen Osten und die dort agierenden Gruppierungen bekannt.
76Dass den Angeklagten diese Umstände im Wesentlichen bekannt waren, haben sie eingeräumt. Diese Kenntnis liegt sowohl für den Angeklagten A. als früheren Berufssoldaten und späteren Angehörigen der Oppositionsbewegung als auch für den Angeklagten B. als gut informierten oppositionellen Medienaktivisten nahe.
Die Feststellungen zur Jabhat al-Nusra als islamistischer terroristischer Vereinigung beruhen ebenfalls auf den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. I.1, denen sich der Senat nach kritischer Prüfung angeschlossen hat. Sie stehen zudem in Einklang mit Behördenerklärungen des Bundesnachrichtendienstes und Ermittlungsvermerken des Bundeskriminalamtes.
78Dass den Angeklagten Ziele, Aufbau und Methoden der Jabhat al-Nusra im Wesentlichen bekannt waren, haben sie eingeräumt. Für den Angeklagten A. als Mitglied der Vereinigung (siehe B. IV. 1.) liegt dies auf der Hand. Für den Angeklagten B. versteht es sich angesichts seiner Stellung als gut informierter oppositioneller Medienaktivist.
a. Die Feststellungen zur Gründung der Ghurabaa Muhassan als gegen das Assad-Regime gerichteter oppositioneller Kampfeinheit, die zunächst im Lager der FSA stand, sich vorwiegend aus früheren Armeeangehörigen rekrutierte und unter der Führung des Zeugen G. agierte, beruhen auf dessen insoweit glaubhaften Angaben. Sie decken sich mit den Erkenntnissen des Sachverständigen Dr. I.1 und stehen zu den Einlassungen der Angeklagten nicht in Widerspruch.
80b. Die Feststellungen zur späteren Eingliederung der Ghurabaa Muhassan in die Jabhat al-Nusra nach dem Anschlag auf die Teppichfabrik beruhen auf einer wertenden Gesamtschau aller zu dieser Frage erhobenen Beweise. Nach deren Ergebnis gliederte sich die gesamte Ghurabaa Muhassan unter der Führung von G. in die Jabhat al-Nusra ein. Damit sind die Einlassungen der Angeklagten widerlegt, es sei zu einer Spaltung der Gruppierung gekommen und lediglich andere, nicht aber G. und seine engsten Vertrauten, seien zur Jabhat al-Nusra gewechselt.
81Der Senat hat bei seiner Würdigung bedacht, dass auch Indizien vorliegen, die einen Anschluss in Frage stellen könnten. Im Ergebnis greifen diese jedoch nicht durch.
82Im Einzelnen:
83aa. Wesentliches Argument für die Eingliederung ist, dass diese von dem Anführer der Ghurabaa Muhassan selbst, nämlich G., gegenüber einem Vertreter der internationalen Presse berichtet wurde.
84Am 30. Juli 2012 erschien in der britischen Tageszeitung „The Guardian“ ein Artikel des Nahost-Experten Ghaith Abdul-Ahad, dem ein Interview des Journalisten mit G. zu Grunde lag. Darin hatte G. dem Journalisten von der Kooperation zwischen der von ihm angeführten Ghurabaa Muhassan und der Jabhat al-Nusra bei dem Anschlag auf die Teppichfabrik berichtet, bei dem die Jabhat al-Nusra der Ghurabaa Muhassan einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen zur Verfügung gestellt hatte, den zwei Angehörige der Ghurabaa Muhassan zur Teppichfabrik fuhren und dort zündeten. Weiter ist dem Artikel zu entnehmen, dass sich G. nach dieser erfolgreichen Zusammenarbeit mit seiner Einheit Ghurabaa Muhassan im Einvernehmen mit den örtlichen Repräsentanten der Jabhat al-Nusra in deren Struktur eingliederte. Von einer Spaltung der Ghurabaa Muhassan hat er nicht berichtet.
85Es bestehen keine Zweifel, dass sich G. gegenüber dem Journalisten Abdul-Ahad so geäußert hat. Zum einen hat G. dies als Zeuge gegenüber dem Senat bestätigt. Zum anderen ist der Journalist dem Sachverständigen Dr. I.1 seit Jahren für seine gewissenhafte Berichterstattung aus der Region bekannt.
86bb. Der Senat ist davon überzeugt, dass der vorgenannte Bericht des Zeugen G. gegenüber dem Journalisten der Wahrheit entspricht. Die gegenteiligen Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung sind demgegenüber unglaubhaft.
87In seiner Vernehmung durch den Senat hat der Zeuge G. angegeben, seine Äußerungen gegenüber dem Journalisten seien nicht zutreffend gewesen. Er sei an dem Anschlag auf die Teppichfabrik nicht beteiligt gewesen und hätte sich daran aufgrund einer Schussverletzung auch nicht beteiligen können. Auch die Eingliederung der Ghurabaa Muhassan in die Jabhat al-Nusra habe nicht stattgefunden. Vielmehr habe er die Jabhat al-Nusra gegenüber dem Journalisten dadurch positiv darstellen wollen, dass er vom Anschluss einer ganzen Einheit aus dem Lager der FSA berichtet habe. Dadurch habe er die Verantwortlichen der Jabhat al-Nusra gewogen stimmen wollen, nachdem er sich zuvor negativ über die Vereinigung geäußert habe, worüber deren Anführer sehr ungehalten gewesen seien. Anders als gegenüber dem Journalisten dargestellt habe sich nicht die gesamte Ghurabaa Muhassan unter seiner Führung in die Jabhat al-Nusra eingegliedert. Lediglich einige andere, am Anschlag auf die Teppichfabrik beteiligte Mitglieder der Ghurabaa Muhassan hätten sich dieser Organisation nach dem Anschlag angeschlossen; er selbst und seine engsten Vertrauten seien aber im Lager der FSA geblieben.
88Dies trifft nach Überzeugung des Senats nicht zu, denn die Kooperation der Ghurabaa Muhassan mit der Jabhat al-Nusra bei dem Anschlag auf die Teppichfabrik am 6. Juni 2012 unter der Beteiligung G. und die sich anschließende Eingliederung der Einheit unter seiner Führung wird durch eine Vielzahl von Beweisanzeichen bestätigt.
89(1) Es ist – in Übereinstimmung mit den Wertungen des Sachverständigen – bereits im Ansatz fernliegend, dass sich jemand gegenüber der internationalen Presse zur Zusammenarbeit mit einer terroristischen Vereinigung bekennt bzw. sich als Mitglied einer solchen Gruppierung ausgibt, der er tatsächlich nicht angehört. Damit würde er sich der Gefahr aussetzen, dass die Organisation ein solches eigenmächtiges Verhalten sanktioniert.
90Dem steht auch nicht entgegen, dass ausweislich des Aktenvermerks „Internetrecherche“ von KHK G.1 vom 13. Juli 2018 auf den Facebook-Profilen „MVB“ und „Barakat Ehwaich“ in den Jahren 2013 und 2016 Nachrichten gepostet wurden, die auf eine Festnahme von G. durch die Jabhat al-Nusra hindeuten. Denn zum einen hat der Zeuge G. diese Festnahme nicht bestätigt, so dass fernliegt, dass sie überhaupt stattgefunden hat. Zum anderen ergibt sich aus den Einträgen nicht, dass Ursache für die angebliche Verhaftung das Interview war. Schließlich datieren die Postings viele Monate nach Juli 2012, so dass für die angebliche Verhaftung auch zwischenzeitlich eingetretene, andere Umstände ursächlich gewesen sein könnten.
91(2) Zudem ist die Zusammenarbeit zwischen der Ghurabaa Muhassan und der Jabhat al-Nusra bei dem Anschlag auf die Teppichfabrik in einem Bekennervideo der Medienstelle der Jabhat al-Nusra zu diesem Anschlag (Video „sw21.mp4“) dokumentiert, das auf einer Mauer der Teppichfabrik die Aufschrift „Jabhat al-Nusra Katiba Ghurabaa Muhassan“ zeigt. Diesen Schriftzug hat auch der Sachverständige Dr. I.1 als Zeichen für eine Beteiligung der Jabhat al-Nusra an dem Anschlag gewertet. In ihrem Bekennerschreiben Nr. 18 vom 12. Juni 2012 hat sich die Jabhat al-Nusra überdies schriftlich zu dem Anschlag bekannt. Dass eine solche Kooperation ohne Beteiligung des Anführers der Ghurabaa Muhassan stattgefunden haben könnte, liegt fern.
92Der Zeuge G. war auch nicht durch eine Verletzung an der Teilnahme am Anschlag auf die Teppichfabrik gehindert. Zwar hat er angegeben, dass er am 15. Mai 2012 am Arm verwundet und diese Verletzung um den 25. Mai 2012 im Krankenhaus in der Stadt Z. operiert worden sei, das er spätestens Ende Mai wieder verlassen und sich noch einige Tage in der Stadt aufgehalten habe. Er hat aber zuletzt eingeräumt, bereits einige Tage vor dem Anschlag auf die Teppichfabrik am 6. Juni 2012 wieder nach Muhassan zurückgekehrt zu sein und dort am gesellschaftlichen Leben teilgenommen zu haben. Daher bestehen keine Zweifel, dass ihm auch eine Beteiligung am Anschlag auf die Teppichfabrik möglich war, zumal ihm nach seinen Angaben gegenüber dem Journalisten eher eine – seinem Status als Anführer entsprechende – koordinierende Funktion zukam und das mit Sprengstoff beladene Fahrzeug durch andere Mitglieder der Ghurabaa Muhassan zum Ort der Detonation gebracht wurde.
93(3) Die sich anschließende Eingliederung der Ghurabaa Muhassan in die Jabhat al-Nusra wird dadurch bestätigt, dass sich diese in der Bekanntgabe Nr. 70 ihrer Medienstelle vom 13. September 2012 zur verfahrensgegenständlichen Hinrichtung vom 10. Juli 2012 bekannt hat. Die Beteiligung G. als Anführer der Ghurabaa Muhassan an dieser Tat (siehe B. IV. 3.) belegt, dass auch er sich – entgegen seinen Bekundungen – der Jabhat al-Nusra angeschlossen hat. Aus dem Bekenntnis der Jabhat al-Nusra zu der von Angehörigen der Ghurabaa Muhassan begangenen Tat ergibt sich auch, dass die Eingliederung vor dem 10. Juli 2012 stattgefunden haben muss.
94Die Jabhat al-Nusra hat das Videomaterial zur Tat zwar nicht selbst und unter eigenem Namen veröffentlicht. Dies hat nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. I.1 seinen Grund aber darin, dass die Vereinigung grundsätzlich auf die Publikation grausamer Videos verzichtete, um nicht die Gunst der Bevölkerung zu verlieren.
95Dass die Hinrichtung vom 10. Juli 2012 am 29. Juli 2012 auf einer arabischen Nachrichtenwebsite noch der FSA zugeschrieben wurde, erklärt sich daraus, dass diese Veröffentlichung vor dem Bekenntnis der Jabhat al-Nusra datiert.
96(4) Für eine Eingliederung der Ghurabaa Muhassan in die Jabhat al-Nusra unter Führung von G. spricht auch dessen ideologische Nähe zur Jabhat al-Nusra. Seine bei der Hinrichtung zum Ausdruck gebrachte Verachtung schiitischer Alawiten entspricht nach plausibler Einschätzung des Sachverständigen der Ideologie der Jabhat al-Nusra. Zudem nahm er gegenüber dem gefangen genommenen Offizier auf ein Massaker des syrischen Regimes in Al Holas und Ereignisse in Homs Bezug und bemühte damit eine Argumentation, die sich in gleicher Weise in dem Bekennervideo der Jabhat al-Nusra zum Anschlag auf die Teppichfabrik wiederfindet.
97(5) Indiz für die Eingliederung in die Jabhat al-Nusra ist zudem die Zusammenarbeit der Ghurabaa Muhassan mit der von E. angeführten Ezz El Din Al Qassam bei der verfahrensgegenständlichen Tat (siehe B. IV. 3.). Denn auch diese war im Tatzeitpunkt eine Katiba der Jabhat al-Nusra.
98(a) Die Zuordnung der Ezz El Din Al Qassam zur Jabhat al-Nusra hat der Sachverständige Dr. I.1 für den Tatzeitraum überzeugend vorgenommen. Er hat dargelegt, dass sich diese Erkenntnis aus dem Studium einer Vielzahl übereinstimmender und belastbarer Quellen, auch solcher aus dem Internet, ergibt.
99(b) Der Inhalt des Videos „0-8002.avi“ stellt dieses Ergebnis nicht in Frage. Es zeigt E. im Kreise seiner Anhänger einige Stunden vor der Hinrichtung bei einem Verhör des bereits gefolterten Offiziers. Bei dieser Befragung verlangte E. von dem Offizier die Erklärung, er gehöre nicht länger der syrischen Armee, sondern der FSA an. Zwar könnte man daraus den Schluss ziehen, E. selbst sei Anhänger der FSA. Die Aufforderung lässt sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen indes dadurch erklären, dass E. seine Zugehörigkeit zur Jabhat al-Nusra bei dem Verhör nicht offenlegen wollte, weil im Falle einer späteren Verbreitung dieses Videos, das den Gefangenen bereits in einem erbärmlichen Zustand zeigt, das Ansehen der Jabhat al-Nusra in der Bevölkerung Schaden genommen hätte.
100(c) Die Erkenntnisse des Sachverständigen werden auch nicht durch die Einlassung des Angeklagten B., E. habe zur Zeit der Tat zur FSA gehört, in Frage gestellt. Bei dieser Äußerung handelt es sich um eine Schutzbehauptung. In seiner polizeilichen Vernehmung vom 6. März 2000, zu der der Zeuge KHK G.1 glaubhaft bekundet hat, hat der Angeklagte B. – in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen des Sachverständigen – die von E. angeführte Ezz El Din Al Qassam der Jabhat al-Nusra zugerechnet. Ersichtlich hat er nunmehr in der Hauptverhandlung versucht, jeden Bezug der Tat zur Jabhat al-Nusra abzustreiten, nachdem er erkannt hat, dass ihm deren Unterstützung zur Last gelegt wird.
101(6) Aus dem am 19. Oktober 2013 im Internet veröffentlichten, mit Musik unterlegten und aus einer Collage von Standbildern bestehenden Propagandavideo der Ghurabaa Muhassan (Video_aus_Google_Konto_A..mp4) ergibt sich ein weiterer Hinweis auf deren Verbindung zur Jabhat al-Nusra, denn in diesem Video werden drei vor einer Flagge der Jabhat al-Nusra posierende Männer eingeblendet.
102Dass dieses Video möglicherweise erst kurz vor seiner Veröffentlichung und damit mehr als ein Jahr nach der verfahrensgegenständlichen Tat erstellt wurde, lässt seine indizielle Bedeutung für eine Zugehörigkeit der Ghurabaa Muhassan zur Jabhat al-Nusra im Juli 2012 nicht entfallen. Denn wenn das Video zu diesem Zeitpunkt noch Bezüge zur Jabhat al-Nusra aufweist, belegt dies deren zumindest zeitweise und möglicherweise noch fortbestehende Einbindung in diese Organisation.
103Dass es sich bei dem Video nicht um eine offizielle Veröffentlichung der Jabhat al-Nusra handelt, lässt seinen Beweiswert ebenfalls nicht entfallen, zumal nicht zu erwarten ist, dass die Jabhat al-Nusra selbst für jede ihrer zahlreichen Katibas ein eigenes Propagandavideo erstellt.
104Der Senat hat nicht verkannt, dass das Video in seinem Titel die Ghurabaa Muhassan als Katiba der FSA ausweist und einzelne der abgebildeten Personen – der Ideologie der Jabhat al-Nusra widersprechend – rauchen. Dies schließt die Zuordnung der Ghurabaa Muhassan zur Jabhat al-Nusra im Juli 2012 jedoch nicht aus. Der Konsum von Rauschmitteln lässt sich dadurch erklären, dass die abgebildeten Personen die strengen Regeln der Jabhat al-Nusra selbst nicht strikt befolgten. Die Zuordnung in dem Titel des Videos kann darauf beruhen, dass der Ersteller des Videos – nach den Ermittlungen des Zeugen KHK G.1 naheliegend der minderjährige Sohn des G., da das Video in einem sozialen Netzwerk auf dem Profil eines Kindes gepostet wurde, das den Namen des Sohnes trägt – keine Kenntnis von der Eingliederung in die Jabhat al-Nusra hatte oder diese – wenn auch nur im Titel des Videos – zu verbergen versuchte. Letzteres stünde mit der in dem Artikel der Zeitung „The Guardian“ erwähnten Äußerung des G. in Einklang, die Ghurabaa Muhassan habe versucht, ihre Zugehörigkeit zur Jabhat al-Nusra zu verbergen, um so das Risiko US-amerikanischer Angriffe zu verringern, wenngleich dies gegenüber der Bevölkerung von Muhassan nicht gelungen sei.
105(7) Schließlich haben die seinerzeit in der Region lebenden Zeugen J1 und K1 glaubhaft bekundet, die unter der Führung des G. stehende Ghurabaa Muhassan habe zur Jabhat al-Nusra gehört.
106(8) Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist der Senat – in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen – davon überzeugt, dass sich die Eingliederung der Ghurabaa Muhassan in die Jabhat al-Nusra wie vom Zeugen A. gegenüber dem Journalisten berichtet und vom Senat festgestellt vollzogen hat.
a. Dass der Angeklagte A. das Regime ablehnte, die Streitkräfte verließ und sich als Streiter für die revolutionäre Sache nach Muhassan begab, hat er eingeräumt.
108b. Soweit er abweichend von den Feststellungen angegeben hat, er sei nicht Mitglied der Ghurabaa Muhassan gewesen und habe lediglich für die FSA ein landwirtschaftliches Gut bewacht, handelt es sich um eine Schutzbehauptung. Sie ist widerlegt durch die von dem Vernehmungsbeamten KK H.1 glaubhaft referierten Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Vernehmung vom 7. Juni 2019. Darin hat er seine Zugehörigkeit zur Ghurabaa Muhassan seit dem Frühjahr 2012 eingeräumt. Warum er diese nunmehr in Abrede stellt, vermochte er nicht plausibel zu erklären. Gestützt werden seine Angaben gegenüber KK H.1 durch den Umstand, dass er im Propagandavideo der Ghurabaa Muhassan (Video_aus_Google_Konto_Khedr.mp4) in Kämpferpose und mit einem Maschinengewehr bewaffnet zu sehen ist. Dass es sich bei der Person in dem Video um ihn handelt, hat er in seiner polizeilichen Vernehmung vom 7. Juni 2019 eingeräumt. Dass der Angeklagte der Ghurabaa Muhassan auch noch am 10. Juli 2012 angehörte, folgt daraus, dass er im Video „0‑8003.avi“ als Teil des Hinrichtungskommandos Wachaufgaben wahrnimmt (siehe B. IV. 3.).
109Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass der Zeuge G. die Einlassung des Angeklagten bestätigt und dessen Mitgliedschaft in der Ghurabaa Muhassan in Abrede gestellt hat. Der Senat glaubt ihm aus den gerade genannten Gründen nicht. Dies gilt umso mehr, als der Zeuge nicht anzugeben vermochte, welcher Katiba sein Bruder stattdessen angehört haben soll. Vielmehr erklärte er – schwerlich nachvollziehbar – der Angeklagte habe sich vielleicht nur eingebildet, Mitglied der Ghurabaa Muhassan gewesen zu sein.
110Gegen eine Mitgliedschaft in der Ghurabaa Muhassan spricht auch nicht, dass der Angeklagte nach seiner unwiderlegten Einlassung nicht am Anschlag auf die Teppichfabrik teilgenommen hat und über diesen vorab auch nicht informiert worden war. Die fehlende Einbindung in die Planung und Ausführung dieser Aktion schließt eine Zugehörigkeit zu der Gruppierung nicht aus, auch wenn diese zu jener Zeit mit etwa zehn Mitgliedern überschaubar war, der Angeklagte zu seinem Bruder in einem familiären Näheverhältnis stand und der Anschlag für die Gruppierung von besonderer Bedeutung war. Vielmehr ist es möglich, dass nicht sämtliche Mitglieder der Ghurabaa Muhassan an dem Anschlag auf die Teppichfabrik beteiligt waren und die Unbeteiligten über die Planung nicht in Kenntnis gesetzt wurden, um den Kreis der Eingeweihten klein zu halten und den Erfolg der Unternehmung nicht zu gefährden.
111c. Als Mitglied der Gruppierung war dem Angeklagten die einvernehmliche Eingliederung der Ghurabaa Muhassan in die Jabhat al-Nusra bekannt. Diese betraf die Gruppierung in ihrer konzeptionellen Grundstruktur, denn mit ihr war ein Wechsel aus dem eher weltlich geprägten Lager der FSA in das eher ideologisch-religiös geprägte Lager der Jabhat al-Nusra verbunden. Der Senat ist davon überzeugt, dass ein solch fundamentaler Schritt – anders als möglicherweise die vorangegangene bloße Zusammenarbeit mit der Jabhat al-Nusra bei dem Anschlag auf die Teppichfabrik – vor seiner Umsetzung in der Gruppierung besprochen wurde. Gestützt wird die Annahme seiner Kenntnis von der Eingliederung dadurch, dass der Angeklagte A. – freilich ohne seine Beteiligung offenzulegen – in seiner polizeilichen Vernehmung vom 7. Juni 2019 die Annahme äußerte, die Jabhat al-Nusra könne hinter der verfahrensgegenständlichen Hinrichtung gestanden haben.
112d. Dass der Angeklagte eine dauerhafte Teilnahme am Verbandsleben der Jabhat al-Nusra anstrebte und deren Ziele fördern wollte, folgt aus dem Umstand, dass er bereits kurz nach der Eingliederung an der verfahrensgegenständlichen Tat – einer solchen der Jabhat al-Nusra – teilnahm.
a. Soweit sich der Angeklagte B. dahingehend eingelassen hat, der unter G. an der verfahrensgegenständlichen Hinrichtung vom 10. Juli 2012 teilnehmende Teil der Ghurabaa Muhassan habe sich – anders als andere Angehörige dieser Gruppierung – nicht der Jabhat al-Nusra eingegliedert, ist dies widerlegt (siehe oben B. III. 3.).
114b. Der Angeklagte hatte von der Eingliederung der gesamten Katiba in die Jabhat al-Nusra sichere Kenntnis.
115Dies ergibt sich aus seiner von ihm eingeräumten und durch Inaugenscheinnahme von mehreren Videos bestätigten engen Einbindung in die Oppositionsbewegung in Muhassan als gut informierter und für die revolutionäre Sache streitender Medienaktivist: Nach der Entlassung aus der Haft Ende Mai 2012 nahm er seine propagandistische Tätigkeit als Medienaktivist alsbald wieder auf. Gemeinsam mit seinem Freund D. war er Mitglied des im Juni 2012 gegründeten Medienbüros der Stadt Muhassan. Er bereitete Mitteilungen der Oppositionsgruppen vor und veröffentlichte diese. Zudem filmte er Sitzungen der oppositionellen Gremien in der Region und dokumentierte die Folgen des Kriegsgeschehens. Im Zuge seiner Tätigkeit begleitete und videografierte er bewaffnete oppositionelle Gruppierungen bei Vorbereitungs- und Kampfhandlungen und hieß deren Tätigkeit gut. Er war folglich mit den Geschehnissen innerhalb der Oppositionsbewegung in Muhassan bestens vertraut. Der Anschluss der Ghurabaa Muhassan an die Jabhat al-Nusra nach dem Anschlag auf die Teppichfabrik war, wie er bestätigt hat, Gesprächsthema unter den Aktivisten. Dass der Angeklagte nicht gewusst haben könnte, dass die an der Hinrichtung unter der Führung von G. beteiligte Ghurabaa Muhassan eine Einheit der Jabhat al-Nusra war, hält der Senat daher für ausgeschlossen, selbst wenn die Eingliederung erst kurze Zeit zurückgelegen haben mag.
116Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 6. März 2020, deren Inhalt der Zeuge KHK G.1 glaubhaft bekundet hat, das Hinrichtungsgeschehen in seiner Gesamtheit zunächst wiederholt der Jabhat al-Nusra zugeschrieben hat. Erst zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Vernehmung hat er zwischen der Ghurabaa Muhassan als Katiba der FSA und der Ezz El Din Al Qassam als Katiba der Jabhat al-Nusra differenziert. Der Senat geht davon aus, dass die ursprünglichen, unbefangenen Angaben des Angeklagten zutreffen, mit denen er das gesamte Hinrichtungsgeschehen der Jabhat al-Nusra zuordnete. Die späteren Differenzierungen innerhalb der Vernehmung hatten den Zweck, G. aus dem Lager der Jabhat al-Nusra herauszurücken und damit in Schutz zu nehmen. Dass der Angeklagte ihn schützen wollte, lässt sich auch daran festmachen, dass er vor Entdeckung des Videos „0‑8003.avi“ angab, dieser sei weder bewaffnet gewesen, noch habe er geschossen. Für die Unrichtigkeit der späteren Differenzierung spricht auch, dass sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung abermals korrigierte und E., den Anführer der Ezz El Din Al Qassam, nunmehr ebenfalls der FSA zuschrieb, um jeglichen Bezug zur Jabhat al-Nusra in Abrede zu stellen (siehe B. III. 3. b. bb. (5) (c)).
117Dass die Ghurabaa Muhassan ausweislich des Artikels in „The Guardian“ versuchte, ihren Wechsel zur Jabhat al-Nusra geheim zu halten, um keine US-amerikanischen Angriffe zu provozieren, steht einer Kenntniserlangung durch den Angeklagten nicht entgegen, denn aus dem Artikel geht auch hervor, dass die örtliche Bevölkerung von diesem Wechsel wusste. Dies legt nahe, dass der Wechsel auch den örtlichen Medienaktivisten bekannt war.
1183. Zur Hinrichtung des syrischen Oberstleutnants F. am 10. Juli 2012
119Der Ablauf der Hinrichtung ist im Wesentlichen den beiden Videos „0‑8003.avi“ und „0‑3752.mp4“ zu entnehmen. Dabei dokumentiert das lange Video „0‑8003.avi“, das alle Beteiligten zeigt, im Detail die Autofahrt zum Euphrat, das Aussteigen aus dem Wagen, den Gang am Fluss entlang, das Hinabsteigen zum Wasser, die dortigen Ausführungen G. gegenüber dem Opfer sowie dessen Erschießung. Das vom Angeklagten B. gefertigte kurze Video „0‑3752.mp4“ zeigt – in der Kameraführung streng auf den von körperlichen Misshandlungen gezeichneten Gefangenen fokussiert – nur einen Ausschnitt des Geschehens, nämlich einen Teil des Ganges am Fluss und des Abstiegs zum Wasser, der anschließenden Äußerungen G. gegenüber dem Opfer und dessen Erschießung. Die gesprochenen Inhalte und ihre Zuordnung zu einzelnen Sprechern hat der Senat den durch Übersetzer für die arabische Sprache angefertigten deutschen Verschriftungen der Videos entnommen.
120Soweit die Angeklagten ihre Beteiligung am Hinrichtungsgeschehen abweichend von den Feststellungen und für sie günstiger dargestellt haben, handelt es sich um Schutzbehauptungen, die durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt sind.
121Im Einzelnen:
122a. Zeit und Ort der Hinrichtung wurden von den Angeklagten eingeräumt und vom Zeugen G. bestätigt. Dass die Tötung am 10. Juli 2012 am Ufer des Euphrat in Muhassan in der syrischen Provinz Deir ez-Zor stattfand, wird zudem mehrfach in den Videoaufnahmen erwähnt.
123b. Dass es sich beim Opfer der Tat um einen Oberstleutnant der syrischen Streitkräfte handelte, folgt daraus, dass er in den Videos mehrfach als solcher vorgestellt und angesprochen wurde. Einher geht dies damit, dass ihm seine Zugehörigkeit zum Assad-Regime zum Vorwurf gemacht wurde. Sein körperlicher Zustand, seine Fesselung und seine fehlende Bewaffnung ergeben sich aus den Aufnahmen.
124Dass der zusammengesackte und auf dem Boden liegende Gefangene, dessen Kopf nach einem der Schüsse zu platzen schien, zu Tode kam, stand für alle an der Hinrichtung Beteiligten außer Frage. Der Angeklagte B., der Zeuge G. und der Angeklagte A. haben es bestätigt, letzterer vom Hörensagen. Gestützt wird es durch Kommentare verschiedener Personen im Video „0‑8003.avi“, die das Ableben des Opfers thematisieren („das Ende […] aller Verräter“, „Hinrichtung wurde durchgeführt“, „Leiche verunreinigt den Fluss“). Zudem hat sich die Jabhat al-Nusra in der Bekanntgabe Nr. 70 ihrer Medienstelle vom 13. September 2012 zu seinem Tod bekannt. Schließlich lässt auch das Gutachten des Niederländischen Forensischen Instituts vom 28. Januar 2021 keinen Zweifel bestehen, dass jedenfalls durch die Gesamtheit der Schüsse der Tod des Opfers eingetreten ist, weil der Körper des Gefangenen ab einem gewissen Zeitpunkt keinerlei Eigenbewegung oder Atmung mehr zeigte.
125c. Die Identität der beiden Kampfeinheiten wird durch die Videoaufnahmen belegt. In diesen werden die Katibas namentlich vorgestellt. Dass es sich um die Ghurabaa Muhassan und die Ezz El Din Al Qassam handelte, haben auch der Angeklagte B. und der Zeuge G. eingeräumt.
126d. Eine Identifizierung der sich aus den Videoaufnahmen ergebenden Tatbeteiligten und – mit Ausnahme des Angeklagten A. – ihre Zuordnung zu einer der beiden Kampfeinheiten bzw. ihre Einstufung als nicht den Einheiten zugehörige Medienaktivisten haben der Angeklagte B. und der Zeuge G. übereinstimmend und glaubhaft vorgenommen. Der Angeklagte A. hat – in Übereinstimmung mit einem Lichtbildvergleichsgutachten des Sachverständigen M. vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg – seine eigene Person sowie die seines Bruders G. identifiziert.
127e. Dass die Tötung des Gefangenen auf einem gemeinsamen Tatplan der bei der Hinrichtung anwesenden Angehörigen der beiden Katibas beruhte, schließt der Senat aus dem Umstand, dass das Geschehen gleichsam einem Drehbuch folgte (nachfolgend aa.) und jedem Beteiligten der Katibas eine bestimmte Rolle zugedacht war (nachfolgend bb.). Entgegen ihren Angaben waren an dieser Planung auch der Zeuge G. (nachfolgend cc.) und der Angeklagte A. (nachfolgend dd.) beteiligt.
128aa. Das Video „0‑8003.avi“ dokumentiert die Hinrichtung als zielgerichtetes, gleichsam einem Drehbuch folgendes Geschehen, bei dem sich keine Anhaltspunkte für Verzögerungen, Stockungen, Unklarheiten oder das Erfordernis von Absprachen ergeben.
129Zunächst fuhren die Beteiligten gemeinsam mit dem Gefangenen aus besiedeltem Gebiet zu einer außerhalb der Stadt gelegenen Stelle am Ufer des Euphrat, die aufgrund ihrer abgelegenen Lage für eine Hinrichtung besonders geeignet war, weil Störungen durch Dritte nicht zu besorgen waren. Während der Fahrt erklärte A. dem Medienaktivisten D., dass es dem Opfer „nichts gebracht hätte“, wenn er „netter wäre“ und „Geständnisse gemacht hätte“, was zeigt, dass die Tötung zu diesem Zeitpunkt beschlossene Sache war. Bestätigt wird dies nach dem Aussteigen durch die keiner bestimmten Person zuordenbare Aussage gegenüber dem Opfer „Du hast es bald hinter Dir!“ sowie die Bestätigung dieser Äußerung durch G. („Du hast es bald…“) und den Kameramann des Videos „0‑8003.avi“ („Und Du bekommst es…“).
130Dass selbst der genaue Ort der Erschießung an der Freifläche am Wasser bereits feststand, folgt daraus, dass der Kameramann des Videos „0‑8003.avi“ die Gruppe über den Weg dorthin informierte („Hinter dem Haus ist der Weg!“), der dann von den Beteiligten eingeschlagen wurde. Auf dem Weg fielen wiederholt Äußerungen verschiedener Personen, die verdeutlichen, dass das Geschehen auf die beabsichtigte Tötung zusteuerte („Geh zur Hölle!“, „auf dem Weg zu seinem Schicksalsende“, „[die Einheiten sind] dabei, den [Gefangenen] zu erledigen“).
131Nach dem Herabsteigen zum Wasser veranlasste G. den Offizier, zu wiederholen, dass er zuvor 15 Millionen syrische Pfund geboten habe, um freigelassen zu werden. Dies lieferte G. das gewünschte Stichwort, im Hinblick auf die Videodokumentation zu verkünden, dass diese Summe nichts sei im Vergleich „mit einem Blutstropfen eines getöteten Kindes in Deir ez-Zor oder Homs oder Al Holas oder sonst irgendwo“, bevor das Geschehen darin gipfelte, dass er den ersten Schluss auf das Opfer abgab.
132bb. Im Rahmen dieses Geschehensablaufs war jedem Mitglied der Kampfeinheiten eine bestimmte Rolle zugedacht, die es ausfüllte und so zum Erfolg der Gesamtunternehmung beitrug.
133G. leitete als Anführer der Ghurabaa Muhassan die Hinrichtung, was sich neben seinem gesamten Habitus u.a. daran zeigte, dass er das Fahrzeug steuerte, der Gruppe über weite Teile des Geschehens voranschritt, die letzten Worte an den Gefangenen richtete und den ersten Schuss abgab.
134E., in dessen Gewalt der Gefangene nach den Angaben des Zeugen G. zunächst gelangt war und der ihn nach Muhassan gebracht hatte, nahm als Anführer der Ezz El Din Al Qassam die Rolle des „zweiten Mannes“ ein. Dies zeigt sich daran, dass er gemeinsam mit G. der Gruppe ebenfalls voranschritt und nach diesem mit einem Maschinengewehr auf das Opfer schoss. Zudem führte er beim und kurz nach dem Aussteigen aus dem Wagen die Kamera für das Video „0‑8003.avi“.
135Dem Angeklagten A., A.1 und dem unbekannten Angehörigen der Ezz El Din Al Qassam, die jeweils mit einem Maschinengewehr ausgerüstet waren, kam die Aufgabe zu, das Opfer zu bewachen und mit der zu dritt aufgebauten Drohkulisse eine Flucht oder Widerstand zu verhindern. Der Unbekannte aus dem Lager der Ezz El Din Al Qassam fertigte zudem über weite Teile des Geschehens das Video „0‑8003.avi“.
136cc. Dass G. als Anführer der Ghurabaa Muhassan in diesen Tatplan beider Katibas einbezogen war, steht für den Senat außer Frage.
137(1) Zwar hat er in seiner Zeugenvernehmung angegeben, er habe nur zufällig davon gehört, dass der Gefangene in der Gewalt E. gewesen sei. Daher habe er sich an diesen gewandt, um die Herausgabe des Gefangenen zu erbitten. Diesen habe er gegen seinen in der Gewalt des Regimes befindlichen Bruder D.1 austauschen wollen. E. habe das aber nicht gewollt. Um nicht als Abtrünniger zu erscheinen, habe er dann so getan, als ob er sich an der von E. ausgerichteten Hinrichtung federführend beteilige. Daher habe er auch nur zum Schein auf den Gefangenen gezielt. Tatsächlich habe er durchweg danebengeschossen und den Offizier nie getroffen.
138(2) Der Senat ist davon überzeugt, dass diese Angaben nicht zutreffen, sondern sich das Geschehen wie festgestellt zugetragen hat.
139(a) Den Videoaufnahmen sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass G. versuchte, die Herausgabe des Gefangenen zu erbitten. Ganz im Gegenteil: Seine Rolle als Leiter des Hinrichtungskommandos steht hierzu in unauflöslichem Widerspruch. Dass er nur deshalb als Anführer des Kommandos agiert haben will, um nach dem Scheitern der angeblich erbetenen Herausgabe des Gefangenen nicht als Abtrünniger zu erscheinen, ist lebensfremd. Es hätte dann vielmehr nahegelegen, sich im Hintergrund zu halten und die Organisatoren der Hinrichtung ihre Tat zum Abschluss bringen zu lassen. Zudem wäre das Geschehen dann, wenn sich ein Unbeteiligter plötzlich zum Anführer aufgeschwungen hätte, nicht „nach Drehbuch“ abgelaufen, sondern es wären erkennbare Irritationen und Brüche zu erwarten gewesen.
140(b) Entgegen seinen Angaben hat der Zeuge G. auch nicht durchweg danebengeschossen, sondern das Opfer zumindest mit einem seiner Schüsse in die Brust getroffen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Niederländischen Forensischen Instituts vom 28. Januar 2021, für das Sachverständige für Waffen- und Munitionsuntersuchung, Sprach- und Audiountersuchung, Bilduntersuchung sowie Gerichtsmedizin die beiden Tatvideos multidisziplinär untersucht haben. Dabei haben sie die Schüsse den in den Videos sichtbaren mehreren Maschinengewehren und dem einen Revolver primär visuell (Rauch aus dem Lauf, Bewegung der Waffe, Einschlag der verschossenen Kugel, Auswurf einer Hülse) zugeordnet. Sofern die eingesetzte Waffe bei einzelnen Schüssen nicht sichtbar war, haben sie die Waffengattung anhand der beim Schuss wahrnehmbaren Geräusche im Vergleich mit den Schüssen, bei denen die Waffe auch visuell wahrgenommen werden konnte, bestimmt. Ob die jeweiligen Schüsse das Opfer trafen, wurde insbesondere anhand von sichtbaren Verletzungen oder Bewegungen des Opfers beurteilt. Dabei ergab sich, dass mit dem Revolver G. fünf – möglicherweise auch sechs – Schüsse abgegeben wurden, von denen mindestens einer (Schuss 16) – möglicherweise auch drei – das Opfer trafen. Bei Schuss 16 war die Waffe zwar nicht sichtbar. Das Geräusch des Schusses und das Maß, in dem das Wasser aufspritzte, passen aber zu den vorherigen Schüssen mit dem bei diesen Schüssen sichtbaren Revolver G., zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Hinrichtungsgruppe weitere Revolver zur Verfügung standen. Die Kugel des Schusses schlug rechts in die Brust ein und landete nach dem Durchschlagen des Körpers hinter dem Opfer im Wasser. Hätte der Zeuge G. absichtlich sein Ziel verfehlt, wäre ein derart gefahrgeneigter Treffer an so zentraler Stelle des Körpers nicht zu erwarten gewesen. Dass die übrigen Schüsse des Zeugen demgegenüber das Opfer nicht getroffen haben mögen, deutet aus Sicht des Senats in einer Gesamtschau nicht auf ein absichtliches Danebenschießen hin. Es kann auch andere Ursachen wie den Zustand des Revolvers oder die unzureichenden Fertigkeiten des an einem Arm verletzten G. haben.
141dd. Der Senat hat auch keine Zweifel, dass der Angeklagte A. in diesen Tatplan einbezogen war und daher als Wachmann an der Hinrichtung teilnahm. Seine Einlassung, er sei an der Planung nicht beteiligt gewesen, sondern nur zufällig zu der Gruppe hinzugestoßen und habe gedacht, der Offizier solle gegen seinen Bruder D.1 – der sich ausweislich des polizeilichen Aktenvermerks „Video D.1“ vom 29. Oktober 2020 tatsächlich in der Hand des Assad-Regimes befand – ausgetauscht werden, erweist sich als bloße Schutzbehauptung.
142Der Angeklagte A. war Mitglied der Ghurabaa Muhassan (siehe B. IV. 1.), was eine Beteiligung an einer ihrer Aktionen bereits nicht fernliegend erscheinen lässt. Seine Einlassung deckt sich zudem nicht mit dem im Video „0‑8003.avi“ dokumentierten Geschehen: Er erweist sich nicht als zufällig hinzugestoßener externer Teilnehmer, der mit den übrigen Beteiligten wenig vertraut ist und völlig in Gedanken versunken das Geschehen um sich herum nicht wahrnimmt, sondern fügt sich harmonisch und unter Wahrnehmung für die Hinrichtung relevanter Wachaufgaben in das Gesamtgeschehen ein. Dabei wirkt er mit den übrigen Beteiligten vertraut und winkt sogar einmal lächelnd in die Kamera, als er im Fahrzeug aufgenommen wird. Schließlich ist er mit einem Maschinengewehr bewaffnet und es liegt fern, dass die beiden Kampfeinheiten dies zugelassen hätten, wenn er nicht Teil der Unternehmung gewesen wäre.
143f. Angesichts des gemeinsamen Tatplans erweist sich auch die Einlassung des Angeklagten A. als unzutreffend, er habe sich vor der Tötung des Offiziers auf Geheiß seines Bruders wieder entfernt. Vielmehr war er bis zum Abschluss der Hinrichtung zugegen.
144Zwar ist er in den letzten drei Minuten und zehn Sekunden vor der Erschießung des Offiziers im Video nicht mehr zu sehen. Das beruht aber darauf, dass die Aufnahme in dieser Zeit auf das spätere Opfer und dessen Hinrichtung fokussiert war und daher die hinter der Kamera befindlichen Beteiligten nicht mehr abbildet. Dass ihn sein Bruder aufgefordert haben soll, sich zu entfernern, ist fernliegend, weil der Angeklagte – entgegen seiner Einlassung – Teil des Hinrichtungskommandos und in die Planung der Tat einbezogen war.
145Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass der Zeuge G. die Einlassung bestätigt hat. Er hat angegeben, er habe seinen Bruder auf dem Fußweg zur Hinrichtung erstmals wahrgenommen, was angesichts der vorangegangenen gemeinsamen Autofahrt unglaubhaft ist. Dies stimmt zudem nicht mit der Einlassung des Angeklagten A. überein, sein Bruder G. habe ihn zum Einsteigen aufgefordert. Der Zeuge hat weiter angegeben, er habe dem Angeklagten A. im Hinblick darauf, dass ihm die Tötung nicht mehr abwendbar erschien, das Kissen, mit dem er seinen verletzten Arm gegen seinen Körper abgepolstert habe, in die Hand gedrückt, um ihn – für die anderen unbemerkt – zum Weggehen aufzufordern, damit er nicht an der Hinrichtung teilnähme. Zwar ist auf dem Video „0‑8003.avi“ zu erkennen, dass der Zeuge dieses Kissen innerhalb der sich fortbewegenden Gruppe nach hinten reichte. Der schnelle Schritt des Zeugen und sein vom Körper weggestreckter Arm, mit dessen Hand er das Kissen nach hinten reichte, passen indes nicht zu der von ihm geäußerten Absicht, sich mit dem Angeklagten A. im Geheimen zu besprechen, weil er mit dieser Körperhaltung maximale räumliche Distanz zu seinem angeblichen Dialogpartner aufbaute. Außerdem war der Angeklagte etwa eine halbe Minute nach der vermeintlichen Kontaktaufnahme noch Teil der weiter fortschreitenden Gruppe und machte keine Anstalten sich zu entfernen; vielmehr filmte er nun selbst in aller Ruhe das Geschehen. Der Senat geht daher davon aus, dass der Zeuge dem Angeklagten das Kissen übergab, weil er wenig später die abschließenden Worte an den Gefangenen richten und den ersten Schuss auf ihn abgeben wollte. Es liegt nahe, dass es ihm angesichts der geplanten Verwendung der von dem Hinrichtungsgeschehen gefertigten Videoaufzeichnung für Propagandazwecke unpassend schien, wenn in dieser Situation das polsternde Kissen als orthopädisches Hilfsmittel sichtbar gewesen wäre.
146g. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte B. – entgegen seiner relativierenden Einlassung und den diese stützenden Bekundungen des Zeugen G. – sicher wusste, dass die beiden Katibas die Hinrichtung des Gefangenen beabsichtigten und er diese einzig zu Propagandazwecken auf Video dokumentieren sollte.
147aa. Das von ihm erstellte Video ist ein Propagandavideo. Der Angeklagte B. kommentierte die Hinrichtung positiv, nannte die beteiligten Katibas beim Namen und richtete die Kamera nahezu ausschließlich auf das Opfer, so dass beim Einsatz der Aufnahme für propagandistische Zwecke eine Identifizierung der Täter nicht möglich war. Demgegenüber ist die Aufnahme für die vom Angeklagten in seiner Einlassung genannten Zwecke ungeeignet. Zum einen taugt es nicht zur Vorbereitung eines Gefangenenaustausches, denn hierfür würde man – auch wenn man damit möglicherweise Druck aufbauen könnte – keine Aufnahme einsetzen, die den Gefangenen halbnackt, verletzt und blutverklebt zeigt. Vielmehr verwendete man für diese Zwecke – auch seinerzeit in Syrien, wie der Angeklagte B. zuletzt eingeräumt hat – Videos, die den Gefangenen in einem ordentlichen Zustand präsentierten, um der Gegenseite deutlich zu machen, dass dessen unversehrte Übergabe garantiert war. Zum anderen ist das Video auch nicht geeignet, die an der Hinrichtung beteiligten Personen später zur Rechenschaft zu ziehen, denn sie sind auf dem Video, das nur den Offizier zeigt, nicht identifizierbar zu sehen.
148Gestützt wird die Annahme, dass der Einsatz des Angeklagten B. allein der Aufzeichnung eines Propagandavideos diente, durch den Umstand, dass der Angeklagte, wie er selbst eingeräumt hat, in dieser Zeit ständig an Aktionen revolutionärer Einheiten teilnahm und diese propagandistisch kommentierte. Dazu passt, dass sein Freund D. – ebenfalls oppositioneller Medienaktivist – vor Ort war, der nach der glaubhaften Einlassung des Angeklagten auch von G. einbestellt worden war und sich regelmäßig in unmittelbarer Nähe des Angeklagten aufhielt. Entgegen der Einlassung des Angeklagten, traf er D. dort aber nicht zufällig. Vielmehr hatte G. beide – dem Tatplan der Katibas entsprechend, da die Anwesenheit Externer vorheriger Absprache bedurfte – gemeinsam einbestellt, um Propagandaaufnahmen anzufertigen. Denn sie waren ihm als gemeinsame Betreiber des örtlichen Medienbüros, die bereits für andere Einheiten Propagandamaterial gefertigt hatten, bekannt.
149bb. Der Senat hält auch die Einlassung des Angeklagten B., er habe in gewissem Maße noch auf das Gelingen des Gefangenenaustausches gehofft, für eine relativierende Schutzbehauptung. Er glaubt dem Angeklagten bereits nicht, dass G. sich ihm gegenüber dahingehend äußerte, E. wolle den Offizier töten, er aber wolle versuchen, den Gefangenen von E. für einen Austausch gegen seinen in Haft befindlichen Bruder D.1 herauszuverlangen.
150Wie bereits ausgeführt war ein Gefangenenaustausch nicht vorgesehen. Der Senat schließt auch aus, dass G. sich gegenüber dem Angeklagten B. – in der Sache unzutreffend und vielleicht um diesen zu beruhigen – so geäußert haben könnte. Denn auf der Fahrt zum Euphrat erklärte G. dem ebenfalls von ihm einbestellten Freund und Medienkollegen des Angeklagten B., D., der Offizier hätte seine Hinrichtung auch durch ein „Geständnis“ nicht abwenden können. Warum er sich dann gegenüber dem Angeklagten als engem Vertrauten des D. gegenteilig hätte äußern sollen, erschließt sich nicht.
151h. Der Angeklagte B. bestärkte durch sein Handeln die Angehörigen der beiden Katibas in ihrem Tatentschluss: Die beiden Medienaktivisten waren von G. aufgrund des gemeinsamen Tatplans der Angehörigen der Katibas zur propagandistischen Dokumentation der Hinrichtung einbestellt worden. E. legte nach Einlassung des Angeklagten zudem besonderen Wert darauf, dass auch die Namen der Einheiten erwähnt wurden. Durch ihre auftragsgemäße Präsenz, positive Kommentierung des Geschehens und Anfertigung des zur Veröffentlichung vorgesehenen Videomaterials bestärkten die Medienaktivisten folglich die Mitglieder der beiden Katibas in ihrem Entschluss, die Hinrichtung zum Abschluss zu bringen. Dies war dem Angeklagten B. bewusst, da er als Anhänger der Oppositionsbewegung eigens zur propagandistischen Dokumentation hinzugezogen worden war.
152i. Das Hauptmotiv der an der Hinrichtung des Offiziers beteiligten Kämpfer der Jabhat al-Nusra – und damit auch des Angeklagten A. – war politisch-ideologischer Natur. Der Gefangene sollte als hochrangiger militärischer Repräsentant des verhassten Assad-Regimes umgebracht werden.
153Die primär politische Motivation liegt schon deshalb nahe, weil ausweislich der Angaben des Sachverständigen Dr. I.1 die Jabhat al-Nusra in politischer Gegnerschaft zum Assad-Regime stand, einen islamischen Staat auf Grundlage der Scharia errichten wollte und hierzu unter anderem gezielt Angehörige des syrischen Militär- und Sicherheitsapparats tötete.
154Bestätigt wird dieser Befund durch Äußerungen der an der Hinrichtung Beteiligten gegenüber dem Opfer in dem Video „0‑8003.avi“ („Syrien ist mächtiger als Du und Dein Bashar [al-Assad]!“; „Verräter“). Ferner wurde der Offizier als schiitischer Alawit verächtlich gemacht und seine Eigenschaft als Muslim in Frage gestellt. Dies steht in Einklang mit der Ideologie der Jabhat al-Nusra, nach der Schiiten und Alawiten keine Muslime sind und in dem auf der Grundlage der Scharia zu errichtenden islamischen Staat keinen Platz haben sollten.
155Gestützt wird die Annahme einer primär politischen Motivation auch durch die Absicht, die Hinrichtung auf Video dokumentieren zu lassen, um die Aufnahme später für Propagandazwecke zu nutzen.
156Zu keiner anderen Bewertung führt der Umstand, dass sich aus den Äußerungen der Mitglieder der Katibas im Video „0‑8003.avi“ ergibt, dass die Hinrichtung auch eine „Bestrafung“ des Offiziers F. für die „Bombardierung“ und „Tötung“ von „Zivilisten“, das „Leid des syrischen Volkes“ und die „getöteten Kinder in Deir ez-Zor oder Homs oder Al Holas oder sonst irgendwo“ darstellen sollte. Denn diese Äußerungen dienten dazu, die Hinrichtung des politischen Gegners in Gestalt des gefangen genommenen Offiziers vorgeblich und für das Propagandavideo zu „rechtfertigen“, gehen also im politischen Motiv auf. Letzteres gab der Tat aufgrund der politisch-ideologischen Gegnerschaft und der propagandistischen Verwertung ihr Gepräge. Dass die Mitglieder der Katibas und damit der Angeklagte A. zur Tötung auch durch ein Bedürfnis nach Rache für das der Zivilbevölkerung angetane Leid motiviert worden sein könnten, würde als zusätzlicher, lediglich nachrangiger Beweggrund nicht dazu führen, dass das politische Motiv in den Hintergrund träte.
157Schließlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass für den Angeklagten A. die Sorge um seinen in der Gewalt des Regimes befindlichen Bruder D.1 oder gar sein eigenes Schicksal wesentlicher Beweggrund für die Beteiligung an der Tötung war. Derartiges kommt an keiner Stelle des Videos zum Ausdruck. Die politische Motivation prägt ausweislich der Aufnahme die Stimmungslage aller Beteiligten, was sich insbesondere aus den Äußerungen der Beteiligten ergibt. Dass den Angeklagten das Schicksal seines Bruders oder sein eigenes daneben nachrangig motiviert haben mag, ändert daher nichts am politisch-ideologischen Hauptmotiv.
158j. Dieses Hauptmotiv der Kämpfer beider Katibas war für den Angeklagten B. offenkundig. Er wusste um die Gegnerschaft zwischen dem Regime und der Jabhat al-Nusra, war über die politisch-ideologischen Gründe für die Hinrichtung informiert und hatte als Medienaktivist Kenntnis von der beabsichtigten propagandistischen Verwertung.
159Dass er die Mitglieder der Kampfeinheiten seinerseits primär aus politisch-ideologischen Gründen unterstützte, folgt daraus, dass er als oppositioneller Medienaktivist im Sinne der revolutionären Sache agierte und der Gefangene auch für ihn den politischen Gegner in Gestalt des verhassten Assad-Regime repräsentierte.
160Soweit er in seinem Video den Grund für die Hinrichtung dahin kommentierte, es handele sich um eine Strafe für die Bombardierung von Zivilisten, stellt dies – wie auch die ähnlichen Äußerungen der Mitglieder der beiden Katibas – eine vorgeschobene Begründung der Hinrichtung des politischen Gegners dar, geht also im politischen Motiv auf.
161Dafür, dass der Angeklagte durch selbst erlittenes Unrecht zur Förderung der Tötung motiviert war, hat die Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte ergeben; er nahm vielmehr geschäftsmäßig und routiniert einen von vielen Propagandaeinsätzen als oppositioneller Medienaktivist wahr.
162Sollte den Angeklagten auch sein eigenes Schicksal oder der Gedanke an Rache für das Schicksal der Zivilbevölkerung bewegt haben, würde es sich dabei lediglich um nachrangige Motive handeln, die das politische Hauptmotiv nicht in den Hintergrund treten ließen.
163k. Die Feststellungen zur Veröffentlichung des vom Angeklagten B. gefertigten Videos ergeben sich aus dem Vermerk „Hinrichtung F. – Daten“ des Zeugen KHK G.1 vom 7. Mai 2020.
Die Feststellungen zur Sicherstellung und zum Inhalt der Festplatte ergeben sich aus dem Vermerk von PK L.1 und KHK M.1 „Auswertebericht Asservat 7.2.1.4 (Festplatte Toshiba)“ vom 28. Oktober 2020. Dass die Festplatte im Eigentum des Angeklagten B. steht, hat dieser eingeräumt. Die Feststellungen zur Löschbarkeit der Dateien und zur Möglichkeit der Wiederherstellung gelöschter Dateien ergeben sich aus dem Vermerk der Diplom-Informatikerin S.1 und des Diplom-Informatikers R.1 vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg vom 28. Juli 2021.
Die Feststellungen zum Inhalt der polizeilichen Vernehmung des Angeklagten A. vom 15. Mai 2019 beruhen auf den glaubhaften Bekundungen des Zeugen KK H.1, der diese Vernehmung durchgeführt hat.
166Die Feststellung, dass in den Niederlanden ein Strafverfahren gegen G. wegen der hiesigen Tat betrieben wird, sowie die Feststellungen zu den weiteren durch den Generalbundesanwalt in Deutschland betriebenen Verfahren beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen KHK G.1.
Die Feststellungen zu den Inhalten der Vernehmungen des Angeklagten B. vom 17. Oktober 2019 und 20. Februar 2020 beruhen auf seinen eigenen, mit dem Akteninhalt übereinstimmenden Angaben, die zur Vernehmung vom 6. Juni 2020 auf den glaubhaften Bekundungen des Vernehmungsbeamten KHK G.1.
Die von Rechtsanwalt N. in seinem Schlussvortrag vom 19. August 2021 für den Fall der Verurteilung des Angeklagten A. gestellten Hilfsbeweisanträge waren abzulehnen.
a. Der Antrag auf Vernehmung von Rechtsanwalt N. als Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte A. vor der Vorführung des Hinrichtungsvideos „0‑8003.avi“ in der Justizvollzugsanstalt am 6. Oktober 2020 gegenüber Rechtsanwalt N. spontan geäußert habe, er sei umgekehrt und man könne ihn da sicher nicht sehen, war abzulehnen.
170Die behauptete Tatsache ist aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO. Eine Indiztatsache ist aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos, wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnte, weil sie nur mögliche, nicht zwingende Schlüsse zulässt und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 244 Rn. 56 mwN).
171Zwar könnte die unter Beweis gestellte Spontanäußerung des Angeklagten dafür sprechen, dass er vor der Erschießung umgekehrt ist. Wenn ihm das Video nämlich vorab nicht durch die Verteidigung, die Ermittlungsbehörden oder das Gericht gezeigt worden ist, würde er sonst Gefahr laufen, bei der Vorführung als Lügner entlarvt zu werden, wenn er bei der Erschießung zu sehen wäre.
172Der Senat würde diesen möglichen Schluss indes nicht ziehen. Denn zum einen besteht die Möglichkeit, dass der Angeklagte das Video bereits in den Jahren vor dem hiesigen Verfahren zur Kenntnis genommen hat und daher wusste, dass er in den letzten Minuten der Aufnahme nicht mehr zu sehen ist. Das liegt deshalb nahe, weil der Angeklagte B. glaubhaft eingeräumt hat, dass derartige Videos unter den Beteiligten nach der Aufnahme geteilt wurden, was ausweislich der überzeugenden Ausführungen des Sprachsachverständigen T.1 auch im Video „0‑8003.avi“ thematisiert wurde („Jungs, kann uns jemand das Video schicken?“). Dass eine solche Versendung stattgefunden hat, wird durch den Umstand bestätigt, dass das von den Angehörigen der Katibas gefertigte Video „0‑8003.avi“ auch auf der Festplatte des Angeklagten B. der es gerade nicht aufgenommen hat, gespeichert war. Zudem ist es möglich, dass der Angeklagte A. deshalb wusste, dass er in den letzten Minuten nicht mehr auf dem Video zu sehen ist, weil ihm noch erinnerlich war, dass er sich während der Aufnahme hinter oder neben der Kamera befand.
173b. Damit sind auch die vorgreiflichen Anträge auf Einholung einer Auskunft, dass Rechtsanwalt N. den Angeklagten nur am 30. Juli 2000 und 6. Oktober 2000 besucht habe, sowie die Vernehmung des am 30 Juli 2000 anwesenden Dolmetschers O.1 als Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass an diesem Tag das Video nicht gezeigt worden sei, als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abzulehnen.
174c. Da die behaupteten Tatsachen aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind, sah sich der Senat auch von Amts wegen nicht zur Beweiserhebung gedrängt.
a. Der Antrag auf Vernehmung des Vorsitzenden Richters P.1 als Zeugen bzw. auf Beiziehung, Übersetzung und Verlesung des Urteils der Rechtbank Den Haag vom 16. Juli 2021 aus dem Verfahren gegen G. zum Beweis der Tatsache, dass die – im Antrag im Einzelnen wiedergegebene – Beweiswürdigung des niederländischen Gerichts, dass der Umstand, dass am 6. Juni 2012 die Teppichfabrik in Muhassan bombardiert worden sei, keinen Beleg dafür liefere, dass G. hieran beteiligt gewesen sei, „nicht zu beanstanden“ sei, war abzulehnen.
176aa. Es handelt sich nicht um einen Beweisantrag, denn die Behauptung, die Würdigung des niederländischen Gerichts sei „nicht zu beanstanden“, ist eine Wertung, jedoch keine konkrete Beweistatsache.
177bb. Selbst wenn es sich um einen Beweisantrag handelte, wäre dieser abzulehnen, weil die Tatsache der Vornahme der „nicht zu beanstandenden“ Beweiswürdigung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung ist. Daraus, dass das niederländische Gericht aufgrund der von ihm vorgenommenen Würdigung der Beweise nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass G. am Anschlag auf die Teppichfabrik „beteiligt“ war, würde der Senat den entsprechenden Schluss nicht ziehen. Der Senat würde vielmehr die unter B. III. 3. b. bb. (2) dargelegte eigene Würdigung vornehmen und zu dem Ergebnis gelangen, dass G. jedenfalls in koordinierender Funktion an dem Anschlag beteiligt war.
178Sollte der Antrag – was sich aus seinem Wortlaut nicht eindeutig ergibt – so zu verstehen sein, dass nicht nur das Ergebnis der Beweiswürdigung des niederländischen Gerichts unter Beweis gestellt wird, sondern sämtliche in der zitierten Beweiswürdigung genannten Tatsachen, so wäre der Antrag ebenfalls abzulehnen. Die Wandaufschrift ist bereits erwiesen i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 StPO und wurde im Rahmen der Beweiswürdigung des Senats berücksichtigt. Gleiches gilt für den Umstand, dass G. geäußert hat, er habe an diesem Anschlag nicht teilgenommen und nur Teilnehmer an diesem Anschlag seien von der Ghurabaa Muhassan zur Jabhat al-Nusra gewechselt, sowie für die Tatsache, dass er Mitte Mai durch eine Schusswunde am Arm schwer verletzt worden und im Krankenhaus operiert worden sei (siehe jeweils B. III. 3. b.).
179Dass G. in den Niederlanden – abweichend von seiner hiesigen Bekundung – erklärt haben soll, er habe sich „im Juni 2012 für zehn Tage“ im Krankenhaus aufgehalten, ist in tatsächlicher Hinsicht bedeutungslos. Denn der Senat würde aus einer solchen Äußerung in den Niederlanden nicht den Schluss ziehen, dass sich G. zum Zeitpunkt des Anschlags auf die Teppichfabrik im Krankenhaus befand. Zum einen ergibt sich dies aus den angegebenen Daten nicht zwingend. Zum anderen würde der Senat vor dem Hintergrund der Angaben des Zeugen im hiesigen Verfahren, in dem er zeitlich klar orientiert die Krankenhausbehandlung vor dem Anschlag auf die Teppichfabrik und bis maximal Ende Mai 2012 datiert und seine Rückkehr nach Muhassan einige Tage vor dem Anschlag erinnert hat, davon ausgehen, dass der Zeuge in den Niederlanden unzutreffende und für ihn günstigere Angaben gemacht hat, wofür er – zumal er dort Angeklagter war – Anlass hatte (siehe auch B. III. 3. b. bb. (2)).
180b. Der weitere Antrag auf Vernehmung des Vorsitzenden Richters P.1 als Zeugen bzw. auf Beiziehung, Übersetzung und Verlesung des Urteils der Rechtbank Den Haag vom 16. Juli 2021 zum Beweis der Tatsache, dass das niederländische Gericht positiv festgestellt habe, dass G. verletzungsbedingt nicht an dem Anschlag auf die Teppichfabrik teilgenommen habe, war ebenfalls als in tatsächlicher Hinsicht bedeutungslos abzulehnen. Denn eine solche gerichtliche Feststellung wäre lediglich eine Wertung des niederländischen Gerichts auf Grundlage der dort erhobenen Beweise, die den möglichen Schluss zulassen würde, dass die im niederländischen Urteil festgestellte Tatsache tatsächlich zutrifft. Der Senat würde diesen Schluss aber nicht ziehen, sondern auf Basis der erhobenen Beweise die im hiesigen Verfahren vorgenommene Beweiswürdigung vornehmen.
181c. Die zur Verfügung stehenden gesetzlichen Ablehnungsgründe lassen auch die gerichtliche Aufklärungspflicht entfallen. Dies gilt umso mehr, als der Senat das niederländische Urteil, mit dem G. – nicht rechtskräftig – wegen der Tötung des Offiziers zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt und in dem lediglich seine Mitgliedschaft in der Jabhat al-Nusra nicht festgestellt wurde, im Freibeweis zur Kenntnis genommen hat. In diesem Urteil hat das niederländische Gericht auf keine relevanten Beweismittel zurückgegriffen, die nicht auch im hiesigen Verfahren zur Verfügung standen.
a. Der Antrag auf Vernehmung des Vorsitzenden Richters P.1 als Zeugen bzw. auf Beiziehung, Übersetzung und Verlesung des Urteils der Rechtbank Den Haag vom 16. Juli 2021 aus dem Verfahren gegen G. zum Beweis der Tatsache, dass die – im Antrag im Einzelnen wiedergegebene – Beweiswürdigung des niederländischen Gerichts, das in Augenschein genommene Propagandavideo vom 18. Oktober 2013 sei nicht geeignet, einen terroristischen Akt der Ghurabaa Muhassan zu belegen, „nicht zu beanstanden“ sei, war abzulehnen.
183aa. Es handelt es sich abermals nicht um einen Beweisantrag, denn die Behauptung, die Würdigung des niederländischen Gerichts sei „nicht zu beanstanden“ ist eine Wertung, aber keine konkrete Beweistatsache.
184bb. Selbst wenn es sich um einen Beweisantrag handelte, wäre dieser abzulehnen, weil die Tatsache der Vornahme der „nicht zu beanstandenden“ Beweiswürdigung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung ist. Daraus, dass das niederländische Gericht aufgrund der von ihm vorgenommenen Würdigung der dort erhobenen Beweise nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass das Propagandavideo eine terroristische Aktivität der Ghurabaa Muhassan – gemeint ist eine Aktivität als Teil der Jabhat al-Nusra – nicht belegt, würde der Senat nicht den Schluss ziehen, dass sich die Ghurabaa Muhassan vor dem 10. Juli 2012 nicht der Jabhat al-Nusra eingliederte. Er würde vielmehr die in diesem Urteil vorgenommene eigene Würdigung vornehmen (siehe B. III. 3.). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Senat über das Propagandavideo hinaus weitere Indizien zur Verfügung stehen, die eine Eingliederung der Ghurabaa Muhassan in die Jabhat al-Nusra belegen.
185Sollte der Antrag – was sich aus seinem Wortlaut nicht eindeutig ergibt – so zu verstehen sein, dass nicht nur das Ergebnis der Beweiswürdigung des niederländischen Gerichts unter Beweis gestellt wird, sondern sämtliche in der zitierten Beweiswürdigung genannten Tatsachen, so wäre der Antrag ebenfalls abzulehnen. Der Erstellungszeitpunkt des Videos am 18. Oktober 2013 um 16:31 Uhr ist aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos. Der Senat zöge hieraus nicht den Schluss, das Video sei ungeeignet, Hinweise auf die Situation im Juli 2012 zu geben. Hierzu wird auf die Ausführungen unter B. III. 3. b. bb. (6) verwiesen. Im Übrigen sind die Umstände, dass es sich nicht um eine offizielle Veröffentlichung der Jabhat al-Nusra handelt, deutliche Bezüge zur FSA bestehen und Rauschmittelkonsum dokumentiert wird, bereits erwiesen und in die Beweiswürdigung des Senats eingegangen.
186b. Die weiteren Anträge auf Vernehmung des Vorsitzenden Richters P.1 als Zeugen bzw. auf Beiziehung, Übersetzung und Verlesung des Urteils der Rechtbank Den Haag vom 16. Juli 2021 zum Beweis der Tatsache, dass das niederländische Gericht positiv festgestellt habe, dass das Propagandavideo erst am 18. Oktober 2013 um 16:31 Uhr produziert worden sei, und auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass das Video zu dem genannten Zeitpunkt erstellt/produziert worden sei, waren ebenfalls als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abzulehnen (siehe B. VI. 3. a. bb. [2. Absatz]).
187c. Die zur Verfügung stehenden gesetzlichen Ablehnungsgründe lassen auch die gerichtliche Aufklärungspflicht entfallen.
Der Antrag auf Vernehmung des Vorsitzenden Richters P.1 als Zeugen bzw. auf Beiziehung, Übersetzung und Verlesung des Urteils der Rechtbank Den Haag vom 16. Juli 2021 aus dem Verfahren gegen G. zum Beweis der Tatsache, dass die – im Antrag im Einzelnen wiedergegebene – Beweiswürdigung des niederländischen Gerichts, das in Augenschein genommene Hinrichtungsvideo vom 10. Juli 2012 sei nicht geeignet, einen terroristischen Akt der Ghurabaa Muhassan zu belegen, „nicht zu beanstanden“ sei, war abzulehnen.
189a. Es handelt sich wiederum nicht um einen Beweisantrag, denn die Behauptung, die Würdigung des niederländischen Gerichts sei „nicht zu beanstanden“, ist eine Wertung, aber keine konkrete Beweistatsache.
190b. Selbst wenn es sich um einen Beweisantrag handelte, wäre dieser abzulehnen, weil die Tatsache der Vornahme der „nicht zu beanstandenden“ Beweiswürdigung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung ist. Daraus, dass das niederländische Gericht aufgrund der von ihm vorgenommenen Würdigung der Beweise nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass das Hinrichtungsvideo eine terroristische Aktivität der Ghurabaa Muhassan – gemeint ist eine Aktivität als Teil der Jabhat al-Nusra – belegt, würde der Senat nicht den Schluss ziehen, dass sich die Ghurabaa Muhassan vor dem 10. Juli 2012 nicht der Jabhat al-Nusra eingliederte. Er würde vielmehr die in diesem Urteil vorgenommene eigene Würdigung vornehmen (siehe B. III. 3.). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Senat über das Hinrichtungsvideo hinaus weitere Indizien zur Verfügung stehen, die eine Eingliederung der Ghurabaa Muhassan in die Jabhat al-Nusra belegen.
191Sollte der Antrag – was sich aus seinem Wortlaut nicht eindeutig ergibt – so zu verstehen sein, dass nicht nur das Ergebnis der Beweiswürdigung des niederländischen Gerichts unter Beweis gestellt wird, sondern sämtliche in der zitierten Beweiswürdigung genannten Tatsachen, so wäre der Antrag ebenfalls abzulehnen. Die Erwähnung lediglich der beiden Kampfeinheiten statt der Jabhat al-Nusra selbst ist erwiesen und wurde vom Senat bei seiner Würdigung bedacht. Dass in dem Video keine Fakten und Umstände zu sehen seien, die auf eine Verbreitung der salafistischen Ideologie von Jabhat al-Nusra hindeuteten, ist eine vom Senat aus den im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Gründen nicht geteilte Wertung des niederländischen Gerichts und keine Beweistatsache. Die Bezüge zur FSA im Video „0‑8002.avi“ sind erwiesen und vom Senat im Rahmen seiner Würdigung berücksichtigt worden. Dass die niederländische Akte zeige, dass die Jabhat al-Nusra häufiger Angriffe behauptete, die von anderen Gruppen begangen wurden, ist – wenn es sich in seiner Pauschalität überhaupt um eine konkrete Beweistatsache handelt – in tatsächlicher Hinsicht bedeutungslos. Der Senat würde aus dem Umstand, dass die Jabhat al-Nusra in anderen Fällen von Dritten begangene Taten für sich reklamierte, angesichts der beachtlichen, für eine Begehung durch die Jabhat al-Nusra sprechenden und im Rahmen der Beweiswürdigung im Einzelnen dargelegten Erwägungen nicht den Schluss ziehen, dass die hiesige Tat nicht von der Jabhat al-Nusra begangen wurde (siehe jeweils B. III. 3.).
192c. Die zur Verfügung stehenden gesetzlichen Ablehnungsgründe lassen auch die gerichtliche Aufklärungspflicht entfallen.
Der Antrag auf Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten B. und auf seine Vernehmung als Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte A. drei bis vier Minuten vor dem Eintreffen der auf dem Video „0‑8003.avi“ dokumentierten Personengruppe am Hinrichtungsort am Ufer des Euphrat umgekehrt und zurückgelaufen sei, die Personengruppe gleichsam verlassen habe und bei der Hinrichtung des Offiziers F. am Ufer des Euphrat nicht anwesend gewesen sei, war abzulehnen.
194a. Bereits eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten B. scheidet aus. Diese steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats.
195Gegen eine Abtrennung spricht, dass – bei grundsätzlicher Zulässigkeit eines solchen Rollentauschs – der Mitangeklagte B. zu demselben Tatgeschehen, das auch ihm zur Last gelegt wird, als Zeuge vernommen würde. Hierdurch würde die Verfahrensregel umgangen, dass ein Angeklagter in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren nicht zugleich Zeuge sein kann (vgl. KK-StPO/Bader, 8. Aufl. 2019, Vorb § 48 Rn. 9 mwN).
196Auch die Aufklärungspflicht gebietet eine Abtrennung nicht: Der Aussage des Angeklagten B. käme bei seiner Vernehmung als Zeuge kein höherer Beweiswert zu, denn dieser bestimmt sich nicht nach der verfahrensrechtlichen Stellung der Auskunftsperson, sondern ergibt sich aus einer Vielzahl von Kriterien wie dem persönlichen Gesamteindruck, der Art und Weise der Bekundung und der inneren Wahrscheinlichkeit der Schilderung (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1963 – 1 StR 265/62, NJW 1963, 869, 870). Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich der Angeklagte B., der in der Hauptverhandlung nicht angegeben hat, dass sich der Angeklagte A. entfernt habe, sondern nur, dass er ihn nach der Hinrichtung nicht mehr wahrgenommen habe, als Zeuge abweichend äußern würde.
197b. Da die Abtrennung des Verfahrens nicht in Betracht kommt, ist die Vernehmung des Mitangeklagten B. als Zeuge unzulässig (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, Vor § 48 Rn. 20).
Der Antrag, im Wege der Rechtshilfe durch eine Europäische Ermittlungsanordnung die Niederlande zu veranlassen, eine über Skype oder ein vergleichbares Medium geschaltete Videovernehmung mit dem in Syrien aufhältigen Zeugen Q.1 zum Beweis der Tatsache durchzuführen, dass dieser im Rahmen einer durch den Verteidiger organisierten Skype-Videovernehmung in dem gegen G. in den Niederlanden gerichteten Strafverfahren bestimmte, im Einzelnen aufgeführte Umstände bekundet hat, war abzulehnen.
199a. Der Antrag ist in sich widersprüchlich: Er richtet sich primär auf die Durchführung einer Vernehmung des Zeugen durch die niederländischen Strafverfolgungsbehörden, in der der Zeuge bestätigen soll, dass er im Strafverfahren gegen G. in den Niederlanden bestimmte Angaben zu den Zuständen in Syrien gemacht habe. Der Begründung des Antrags ist allerdings zu entnehmen, dass der Zeuge Angaben zu den Zuständen in Syrien selbst machen soll, nicht zu den Angaben, die er vorab im niederländischen Verfahren zu diesen Zuständen gemacht hat. Der Senat geht davon aus, dass es Ziel des Antrags ist, die Wahrnehmungen des Zeugen zur Situation in Syrien unmittelbar oder zumindest mittelbar in das Verfahren einzuführen.
200b. Es handelt sich nicht um einen Beweisantrag, denn der Antragsteller benennt kein im Strengbeweis zugelassenes Beweismittel. Er begehrt nicht die Vernehmung des Zeugen Q.1 im Wege der niederländischen Rechtshilfe, sondern ein an die Niederlande gerichtetes Ersuchen um eigenständige Vernehmung einer in Syrien aufhältigen Person.
201Zudem liegen die Anordnungsvoraussetzungen für die im Antrag begehrte Europäische Ermittlungsanordnung nicht vor. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b) RL 2014/41/EU darf eine solche nur dann erlassen werden, wenn die begehrte Maßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen hätte angeordnet werden können. Deutsche Strafverfolgungsbehörden dürfen indes nicht außerhalb der Rechtshilfe mit den syrischen Behörden eine Skype-Videovernehmung mit dem in Syrien aufhältigen Zeugen durchführen, da jeder Staat Hoheitsgewalt grundsätzlich nur auf seinem eigenen Staatsgebiet ausüben darf.
202Schließlich benennt der Antrag weit überwiegend keine Tatsachen, die dem Beweis zugänglich sind, sondern nennt lediglich Beweisziele (bspw. „Mitglied der FSA“, „zeitgleiche Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“).
203c. Selbst wenn es sich um einen Beweisantrag handelte, wäre er abzulehnen.
204aa. Die Einvernahme des Auslandszeugen ist nach pflichtgemäßem Ermessen zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO).
205(1) Bei der Prüfung der insoweit maßgeblichen Aufklärungspflicht hat das Tatgericht namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen. In diesem Rahmen ist es von dem sonst geltenden Verbot der Beweisantizipation befreit und darf seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie die zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. Kommt es unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass der Zeuge die Beweisbehauptung nicht bestätigen werde oder dass ein Einfluss auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der benannte Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigt, ist eine Ablehnung des Beweisantrags in aller Regel nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 3 StR 144/18, juris Rn. 5). Das Tatgericht darf dementsprechend den Beweiswert der mit dem Beweisantrag behaupteten (zu erwartenden) Bekundungen als gering und als zur Erschütterung der bereits aufgrund des bisherigen Beweisergebnisses gewonnenen Überzeugung nicht geeignet ansehen, selbst wenn die Vernehmung des Auslandszeugen der Widerlegung der belastenden Beweise dienen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 − 1 StR 336/13, NStZ 2014, 469 Rn. 20).
206(2) So liegen die Dinge hier, wobei der Senat berücksichtigt hat, dass der Angeklagte bei einem Tatgeschehen, das sich im Ausland zugetragen hat, in besonderem Maße auf ausländische Beweismittel angewiesen sein kann. Vor dem Hintergrund der Beweiswürdigung des hiesigen Urteils gilt zu den einzelnen Beweisbehauptungen Folgendes:
207(a) Die Behauptung, dass die Ghurabaa Muhassan vom 6. Juni 2012 bis zur Ausreise des Zeugen G. aus Syrien eine Gruppierung gewesen sei, die die Ordnung und Sicherheit in Muhassan aufrecht erhalten und die Besetzung der Checkpoints rund um Muhassan durchgeführt habe, ist aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Daraus würde der Senat nicht schließen, dass sich die Ghurabaa Muhassan nach dem Anschlag auf die Teppichfabrik nicht der Jabhat al-Nusra eingliederte. Einer Zugehörigkeit zu dieser terroristischen Vereinigung stünden die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit sowie die Kontrolle von Checkpoints nicht entgegen, zumal diese der zivilen Ordnung dienenden Aufgaben dem Ansehen der Jabhat al-Nusra in der Bevölkerung gedient hätten. Hieran hatte die Jabhat al-Nusra nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. I.1 ein Interesse.
208(b) Die Behauptung, dass der Zeuge G. nach dem 6. Juni 2012 bei der Ghurabaa Muhassan blieb und nicht wie F.1 und E.1 zur Jabhat al-Nusra wechselte, würde der Senat dem Zeugen Q.1 auf Grundlage des oben im Einzelnen dargelegten (siehe B. III. 3.) und belastbaren Beweisergebnisses nicht glauben. Dies gilt auch deshalb, weil der Zeuge bereits in einem wesentlichen Punkt, der das Verhältnis von FSA und Jabhat al-Nusra betrifft, unwahre Angaben gemacht hat: Er hat in seiner Vernehmung am 4. September 2020 im Verfahren gegen G. in den Niederlanden eine Kooperation von FSA und Jabhat al-Nusra in Abrede gestellt. Diese Aussage war ersichtlich unzutreffend. Das ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. I.1, der ausgeführt hat, dass die gemeinsame Opposition zum Assad-Regime – ungeachtet möglicher religiöser Differenzen – Grund für diese Zusammenarbeit gewesen sei. Die Kooperation hat auch G. in seinem Interview für „The Guardian“ hinsichtlich des Anschlags auf die Teppichfabrik beschrieben. Sie wird ferner bestätigt durch die von PK L.1 und KHK M.1 vorgenommene Auswertung der Videos auf Asservat 7.2.1.4 (Festplatte Toshiba) vom 28. Oktober 2020. Darüber hinaus hat der Q.1 in einem im Juli 2013 bei YouTube veröffentlichten Video selbst die Zusammenarbeit zwischen FSA und Jabhat al-Nusra bestätigt, wie sich aus dem Vermerk des Bundeskriminalamts „Militärrat der Provinz Deir Ezzor“ vom 28. September 2020 ergibt. Hierzu hat der Zeuge auf Vorhalt des Videos bei seiner Vernehmung in den Niederlanden – nicht glaubhaft – angegeben, er könne sich an eine solche Äußerung nicht erinnern, müsse sich in einer emotional aufgeladenen Situation befunden und in der Sache versehentlich so geäußert haben.
209(c) Die Beweisaufnahme über die Behauptungen, die von der Ghurabaa Muhassan am 6. Juni 2012 zur Jabhat al-Nusra übergelaufenen Personen F.1 und E.1 seien in Folge ihres Überlaufens zur Jabhat al-Nusra im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Teppichfabrik aus dem Militärrat „geworfen“ und aufgrund der durch den Überlauf hervorgetretenen jihadistisch-terroristischen Gesinnung in dem von der FSA unter dem Zeugen Q.1 geführten Militärrat nicht mehr geduldet worden, G. sei jedoch auch nach dem 6. Juni 2012 weiter Mitglied des Militärrats geblieben, war ebenfalls nicht veranlasst.
210Der Senat würde dem Zeugen Q.1 aufgrund der Kooperation von FSA und Jabhat al-Nusra zum damaligen Zeitpunkt und des Umstands, dass der Zeuge Q.1 diese Kooperation in dem o.g. Video bestätigt hat (siehe unter (b)), nicht glauben, dass F.1 und E.1 aufgrund ihrer jihadistisch-terroristischen Gesinnung vom Zeugen aus dem von ihm geführten Militärrat ausgeschlossen wurden. Dies gilt umso mehr, als sich dem Vermerk des Bundeskriminalamts „Militärrat der Provinz Deir Ezzor“ vom 28. September 2020 entnehmen lässt, dass der Rat zwar formal als Gremium der FSA fungierte, ihm faktisch aber auch zahlreiche islamistische und salafistisch-jihadistische Einheiten angehörten.
211(d) Soweit der Zeuge bekunden soll, der Angeklagte A. sei zum Tatzeitpunkt Mitglied der FSA gewesen und eine zeitgleiche Mitgliedschaft in der FSA und der Jabhat al-Nusra sei nicht möglich gewesen, würde der Senat dies – unabhängig davon, dass es sich nicht um eine konkrete Beweistatsache handelt – ebenfalls nicht glauben.
212Der Senat würde seine oben dargelegte belastbare Schlussfolgerung, dass der Angeklagte A. im Tatzeitpunkt zur Jabhat al-Nusra und nicht zur FSA gehörte (siehe B. IV. 1.), nicht erschüttert sehen, wenn der Zeuge bekunden würde, dass der Angeklagte Mitglied der FSA gewesen sei, zumal der Zeuge zu der damit in Zusammenhang stehenden Frage der Kooperation zwischen FSA und Jabhat al-Nusra schon einmal falsche Angaben gemacht hat (siehe unter (b)), so dass seine Angaben auch insoweit nicht belastbar sind.
213Ebenso wenig würde der Senat dem Zeugen glauben, dass zeitgleiche Mitgliedschaften nicht möglich waren: Dass seinerzeit eine Kooperation zwischen den Kräften der FSA und der Jabhat al-Nusra stattfand, hat nicht nur der Zeuge im o.g. Video selbst eingeräumt. Angesichts dieser seinerzeitigen engen Zusammenarbeit liegt es nahe, dass Kämpfer jedenfalls in der Übergangsphase des Wechsels von einer Organisation zu einer anderen zumindest kurzfristig zeitgleich zwei verschiedenen Einheiten angehören konnten.
214bb. Der Zeuge ist zudem unerreichbar i. S. v. § 244 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 StPO. Aufgrund der von den niederländischen Strafverfolgungsbehörden mitgeteilten Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass sich der Zeuge in dem syrischen Ort U.1 aufhält. Ein Rechtshilfeverkehr mit Syrien findet derzeit ausweislich des Schreibens des Bundesamtes für Justiz an den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof vom 26. Februar 2019, Az. III 1 – 9351 E – S 9 – B 2 371/2019, nicht statt. Eine Ladung des Zeugen kann daher nicht bewirkt werden. Es besteht auch keine begründete Aussicht, den Zeugen in absehbarer Zeit herbeizuschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2016 – 2 StR 556/15, juris Rn. 11).
215Es besteht auch keine Verpflichtung des Senats, den Zeugen auf anderem Wege als durch Ladung – etwa telefonisch – zu einem Erscheinen in der Hauptverhandlung zu veranlassen oder gar selbst eine Videovernehmung per Skype oder Messenger-Dienst durchzuführen. Denn der Senat ist – wie ausgeführt – nicht zu Maßnahmen verpflichtet, die von einem anderen Staat – hier Syrien – als Beeinträchtigung seiner Hoheitsrechte angesehen werden könnten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 1 StR 559/89, juris Rn. 14). Hierzu zählen sowohl eine nicht durch internationale Abkommen legitimierte mündliche Ladung eines Zeugen zur Vernehmung in Deutschland als auch – unabhängig von der technischen Umsetzung – eine audiovisuelle Vernehmung eines Zeugen, der sich im Hoheitsgebiet des anderen Staates aufhält. Hinzu kommt, dass nicht damit zu rechnen ist, dass sich der Zeuge, der auch in den Niederlanden nur über die Skype-Verbindung eines Rechtsanwalts vernommen worden ist, nach Deutschland begeben wird. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass ihm hier oder auf der Reise nach Deutschland Strafverfolgung droht, weil Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er mit terroristischen Organisationen wie der Jabhat al-Nusra kooperiert hat.
216d. Die zur Verfügung stehenden gesetzlichen Ablehnungsgründe lassen auch die gerichtliche Aufklärungspflicht entfallen, zumal der Senat, der die Verschriftung der Skype-Vernehmung des Zeugen aus den Niederlanden im Freibeweis zur Kenntnis genommen hat, sich nach deren Lektüre – auch wegen der o.g. unzutreffenden Angabe des Zeugen in einem zentralen Punkt – von Amts wegen nicht gedrängt gesehen hat, ihre Inhalte zu erheben.
a. Der Antrag auf Vernehmung des Vorsitzenden Richters P.1 als Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass die Rechtbank Den Haag in dem Urteil gegen G. festgestellt habe, dass die Ghurabaa Muhassan bis zu deren Auflösung Teil der FSA gewesen sei und dem Militärrat der FSA unterstanden habe, war abzulehnen.
218Die Beweistatsache ist aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos. Aus dem Umstand, dass das niederländische Gericht aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Schluss gekommen sein mag, die Ghurabaa Muhassan sei durchweg Teil der FSA gewesen und habe deren Militärrat unterstanden, würde der Senat nicht den Schluss ziehen, dass dies zutrifft. Der Senat würde nach eigener Beweiswürdigung (siehe B. III. 3.) weiter davon ausgehen, dass sich die Ghurabaa Muhassan nach dem Anschlag auf die Teppichfabrik in die Kommandostruktur der Jabhat al-Nusra eingliederte, mögen ihre Vertreter auch weiterhin an Sitzungen des – lediglich formal (siehe B. VII. 6. c. aa. (2) (c)) – unter dem Dach der FSA stehenden Militärrats teilgenommen haben.
219b. Der zur Verfügung stehende gesetzliche Ablehnungsgrund lässt auch die gerichtliche Aufklärungspflicht entfallen.
Der Angeklagte A. hat sich durch seine mittäterschaftliche Beteiligung an der Hinrichtung des Offiziers wegen eines Kriegsverbrechens gegen eine Person durch Tötung in Tateinheit mit Mord sowie mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, § 1 VStGB, § 211 Abs. 2 Var. 4, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, § 25 Abs. 2, § 52 StGB).
Bei den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der staatlichen syrischen Armee und oppositionellen Gruppierungen handelte es sich jedenfalls im Juli 2012 um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB.
222Maßgebend für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts ist der Einsatz von Waffengewalt, die einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist. Während ein internationaler bewaffneter Konflikt die Anwendung von Waffengewalt zwischen Staaten voraussetzt, sind unter einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt solche Auseinandersetzungen zu verstehen, bei denen Streitkräfte innerhalb eines Staates gegen organisierte bewaffnete Gruppen oder solche Gruppen untereinander kämpfen, sofern die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind. Die Erfordernisse einer gewissen Organisationsstruktur der betreffenden Gruppen sowie der Intensität und Dauer der bewaffneten Auseinandersetzungen stellen sicher, dass bloße innere Unruhen, Spannungen, Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als bewaffnete Konflikte eingestuft werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – 3 StR 57/17, NJW 2017, 3667 Rn. 11 mwN).
223Die in Syrien unter Einsatz von Waffengewalt geführten Kämpfe zwischen der staatlichen Syrischen Armee und oppositionellen bewaffneten Gruppierungen dauerten zur Tatzeit bereits längere Zeit an und hatten einen Großteil des Landes, auch die Region Deir ez-Zor, erfasst. Zumindest die FSA und die Jabhat al-Nusra verfügten über eine hierarchische Struktur, hielten die militärische Kontrolle über weite Landesteile und waren in der Lage, koordinierte Angriffe durchzuführen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. Februar 2021 – AK 1 und 2/21, juris Rn. 6, 15).
Der Oberstleutnant der syrischen Streitkräfte, F., war gemäß § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, da er zum Zeitpunkt seiner Hinrichtung – für alle Beteiligten ersichtlich – als unbewaffneter und gefesselter Gefangener der beiden oppositionellen Katibas der Jabhat al-Nusra nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnahm und sich in der Gewalt der Jabhat al-Nusra als gegnerischer Konfliktpartei befand (vgl. MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl. 2018, VStGB § 8 Rn. 90).
Dem Angeklagten A. ist die Tötung des Gefangenen durch mehrere Schüsse mit einem Revolver und einem Schnellfeuergewehr gemäß § 25 Abs. 2 StGB, § 2 VStGB zuzurechnen.
226Bei Beteiligung mehrerer Personen an einer Straftat, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung der anderen Beteiligten und umgekehrt deren Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft oder Beihilfe anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.11.2017 – 3 StR 344/17, BeckRS 2017, 143439 Rn. 9).
227Gemessen hieran stellt sich das Handeln des Angeklagten A. als täterschaftliche Begehung dar. Der Angeklagte handelte aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses und im Wege arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit den weiteren Beteiligten. Zwar hat er am Tatort nicht die maßgeblichen Direktiven für den Ablauf des Tatgeschehens gegeben; auch ließ sich nicht feststellen, dass er auf den Offizier geschossen hat. Bei der anzustellenden wertenden Gesamtbetrachtung stellt sich sein Handeln – wie ihm bewusst war – jedoch als wesentlicher Beitrag zur Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans dar. So war er während der gesamten Tatausführung mit einem Maschinengewehr bewaffnet. Während des Fußmarschs zum Hinrichtungsort am Ufer des Euphrat hielt er sich zumeist in unmittelbarer Nähe des späteren Tatopfers auf. In einer Situation gab er diesem die Anweisung weiterzugehen. Hierdurch baute er zusammen mit den weiteren bewaffneten Mitgliedern der Ghurabaa Muhassan und der Ezz El Din Al Qassam zielgerichtet eine Drohkulisse auf, die einen Fluchtversuch oder Widerstand des von vorangegangenen Misshandlungen schwer gezeichneten Tatopfers aussichtslos machte. Als Mitglied einer Einheit der Jabhat al‑Nusra hatte der Angeklagte darüber hinaus ein eigenes Interesse an der Tötung des Gefangenen. Dieser stand als Funktionsträger der gegnerischen Streitkräfte für das aus Sicht des Angeklagten zu bekämpfende Regime, das in Verfolgung der Ziele der Jabhat al‑Nusra gestürzt werden sollte, um den erstrebten islamischen Staat auf der Grundlage der Scharia zu errichten (zur Einordnung als Täter wegen der Wahrnehmung der Bewachung vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2018 – StB 29/17 u.a., juris Rn. 33; vom 20. Februar 2019 – AK 4/19, juris Rn. 23 f.; vom 3. Februar 2021 – AK 1 und 2/21, juris Rn. 15).
Schließlich stand die Tötung des Oberstleutnants mit dem bewaffneten Konflikt auch in dem für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen funktionalen Zusammenhang. Dieser ist gegeben, wenn das Vorliegen des bewaffneten Konflikts für die Fähigkeit des Täters, das Verbrechen zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung, für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung war; die Tat darf nicht lediglich „bei Gelegenheit“ des bewaffneten Konflikts begangen werden. Eine Tatausführung während laufender Kampfhandlungen oder eine besondere räumliche Nähe dazu sind hingegen nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 27.7.2017 – 3 StR 57/17, NJW 2017, 3667 Rn. 55). Der Gefangene wurde vorliegend aufgrund seiner Stellung als Funktionsträger der syrischen Streitkräfte hingerichtet.
Die vorsätzliche Tötung des Offiziers stellt sich zudem als Mord gemäß § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB dar, weil der Angeklagte A. aus niedrigen Beweggründen handelte. Niedrig sind solche Beweggründe, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich, ja verächtlich sind (vgl. Lackner/Kühl/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 211 Rn. 5 mwN zur Rspr.).
230Das insoweit relevante Hauptmotiv (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2019 – 1 StR 370/19, NStZ-RR 2020, 142) für die Tötung war vorliegend politisch-ideologischer Natur. Jenseits des – bei der Tötung eines wehrlosen Gefangenen nicht zur Debatte stehenden – Widerstandsrechts aus Art. 20 Abs. 4 GG sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine politischen Beweggründe zur Tötung eines Menschen denkbar, die sich nicht als niedrige Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB erweisen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Mai 2018 − 3 StR 355/17, NStZ 2019, 342 Rn. 12; vom 6. April 2017 – AK 14/17, juris Rn. 29; BeckOK StGB/Eschelbach, 48. Ed. 1.11.2020, StGB § 211 Rn. 29).
231Auch bei Vornahme einer eigenen Gesamtwürdigung kommt der Senat zu keinem anderen Ergebnis. Dabei hat er berücksichtigt, dass der Angeklagte nachrangig dadurch motiviert worden sein mag, dass er selbst unter dem syrischen Regime und dem Bürgerkrieg litt, sich sein Bruder D.1 in Haft befand und er davon ausgegangen sein mag, dass der Offizier Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen hatte. Auch war gegebenenfalls nicht damit zu rechnen, dass der Gefangene durch das Assad-Regime zur Rechenschaft gezogen werden würde. Gleichwohl sind auch unter solchen Bedingungen Akte der Selbstjustiz in Form einer hinrichtungsgleichen Tötung höchst verwerflich (vgl. auch MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl. 2021, § 211 Rn. 95). Das gilt umso mehr, als das Hauptziel der Aktion die Beseitigung eines Repräsentanten des gegnerischen politischen Lagers war und die Erschießung eines wehrlosen Gefangenen in jedem Kulturkreis inakzeptabel ist.
Durch dieselbe Handlung betätigte sich der Angeklagte A. gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB mitgliedschaftlich für die Jabhat al-Nusra (zu deren Charakter als terroristische Vereinigung im Ausland vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 3. Februar 2021 – AK 1 und 2/21, juris Rn. 7 ff., 14). Zum Tatzeitpunkt war die Ghurabaa Muhassan, der er sich angeschlossen hatte, in die Organisation der Jabhat al-Nusra eingegliedert. Das Töten eines im Lager der Regierungspartei stehenden, alawitischen Oberstleutnants entsprach den Zielen der terroristischen Vereinigung. Dies war dem Angeklagten bekannt und er wollte es auch.
Der Angeklagte B. hat sich durch seine Beteiligung an der Hinrichtung des Offiziers wegen Beihilfe zu einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung in Tateinheit mit Beihilfe zum Mord sowie Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, § 1 VStGB, § 211 Abs. 2 Var. 4, § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, § 27, § 52 StGB).
Zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Kriegsverbrechens gegen Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB durch die Tötung des Gefangenen wird auf die Ausführungen zu dem Angeklagten A. Bezug genommen.
235Im Unterschied zu diesem fällt dem Angeklagten B. jedoch nur eine Beihilfe zu der Tötung des Offiziers zur Last.
236Gemessen an den oben dargelegten Maßstäben zur Abgrenzung der Beteiligungsformen stellen sich die Handlungen des Angeklagten B. lediglich als Unterstützung der Tötung dar. Der Angeklagte hatte zwar als Angehöriger der Opposition ein Interesse an der Tötung des Offiziers als Repräsentant des Regimes, wenngleich für ihn – anders als für die Mitglieder der Jabhat al-Nusra – die Beseitigung des Regimes als Voraussetzung für die spätere Errichtung eines islamischen Staates auf der Grundlage der Scharia keine Rolle spielte. Er hatte indes keine Tatherrschaft. Seine Funktion im Rahmen der Tatausführung beschränkte sich – seinem Status als hiermit beauftragtem externem Medienaktivsten entsprechend – auf die filmische Dokumentation und propagandistische Kommentierung des Geschehens. In die unmittelbare Durchführung oder Absicherung der Tötung war er nicht einbezogen, wenngleich der Senat nicht verkennt, dass seine ständige Präsenz im unmittelbaren Umfeld des Tatopfers auf dieses einschüchternd gewirkt haben mag. Die Tat wäre – auch wenn die Dokumentation durch den Angeklagten für die Mitglieder der beiden Katibas besondere Bedeutung hatte – in der konkreten Situation auch ohne ihn zum Abschluss gebracht worden, da bereits alle organisatorischen Vorbereitungen getroffen worden waren und neben den Videoaufnahmen des Angeklagten auch solche weiterer Personen zur Verfügung standen, die – wenn auch möglicherweise nicht mit gleicher Eignung – propagandistisch hätten eingesetzt werden können. Hinzu kommt, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Angeklagte an der Planung der Hinrichtung beteiligt war.
237Die Anfertigung der propagandistischen Videoaufzeichnung mit die Tat verherrlichenden Kommentaren ist aber auch nicht als straflose Berichterstattung eines neutralen Journalisten zu bewerten. Der Angeklagte hat das Geschehen nicht lediglich distanziert auf Video festgehalten und allenfalls sachlich kommentiert. Vielmehr hat er die Hinrichtung zum Zwecke der Erstellung eines Propagandavideos gefilmt und die Handlungen der Katibas positiv kommentiert. Ihm war bewusst, dass er die Kämpfer in ihrem Entschluss bestärkte, den Offizier zu töten. Ein solches Verhalten ist keine sozialadäquate journalistische Tätigkeit, sondern strafbare Beihilfe zu einem Tötungsdelikt (vgl. auch BGH, Beschluss 26. Januar 2017 − 1 StR 636/16, NStZ 2017, 461).
Die vorgenannten Handlungen des Angeklagten B. erfüllen zugleich den Tatbestand der Beihilfe zur Tötung eines Menschen im Sinne der §§ 27, 211 Abs. 2 StGB.
239Seine Beteiligung stellt sich als Beihilfe zum Mord gemäß § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB dar. Er förderte durch seinen Gehilfenbeitrag bewusst die Tötung des Offiziers, wobei ihm bekannt war, dass die Angehörigen der beiden Katibas den Gefangenen aus politisch-ideologischen Gründen töteten. Damit hatte er Kenntnis von den Umständen, die deren Mordmotiv (niedrige Beweggründe) zugrunde lagen, was seine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord begründet (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 211 Rn. 92, 95 mwN).
Der Angeklagte B. unterstützte durch das Filmen und tatverherrlichende Kommentieren der von Kampfeinheiten der Jabhat al-Nusra durchgeführten Hinrichtung – mithin zugleich durch Beihilfe zu einem mitgliedschaftlichen Betätigungsakt – eine terroristische Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 – 3 StR 286/17, NJW 2018, 2425 Rn. 29).
Wegen des in § 1 VStGB normierten Weltrechtsprinzips ist § 8 VStGB auf den vorliegenden Auslandssachverhalt anwendbar.
242Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts folgt im Hinblick auf die Begehung des Mordes jedenfalls aus einer Annexkompetenz zu § 1 Satz 1 VStGB, da dieselbe Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB bei weitgehender Identität der Tatbestandsmerkmale die Strafbarkeit wegen Mordes und wegen Kriegsverbrechens gegen eine Person durch Tötung begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2020 – StB 28/20, juris Rn. 38 mwN).
243Hinsichtlich der tateinheitlich verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB (A.) bzw. der Unterstützung einer solchen nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 StGB (B.) folgt die Geltung des deutschen Strafrechts aus § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB bzw. aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB: Der notwendige Deutschlandbezug ist gegeben, weil sich die Angeklagten im Inland aufhalten. Auslieferungsverkehr mit Syrien findet derzeit grundsätzlich nicht statt (vgl. Schreiben des Bundesamts für Justiz vom 26. Februar 2019, Az.: III 1 – 9351 E – S 9 – B 2 371/2019). Die Tat ist als Mitgliedschaft nach Art. 1, 3 Abs. 2 des syrischen Antiterrorgesetztes Nr. 19 vom 28. Juni 2012 bzw. der zuvor geltenden Art. 304 bis 306 des syrischen Strafgesetzbuches von 1949 als Unterstützung in Verbindung mit Art. 4 Buchst. c) des Antiterrorgesetzes Nr. 19 bzw. Art. 218 Buchst. d) des syrischen Strafgesetzbuches strafbar (vgl. Gutachten Max-Planck-Institut Freiburg Nr. 14/20 vom 2. Juli 2020; BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2020 – AK 14/20, BeckRS 2020, 16204 Rn. 26; vom 2. April 2015 – AK 8/15, BeckRS 2015, 7571 Rn. 18).
Die gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten liegt für die ausländische terroristische Vereinigung Jabhat al-Nusra in der Fassung vom 26. November 2015 (Az.: II B 1 zu 4030 E (1380) 21 704/2015) vor.
Das Kriegsverbrechen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 1 VStGB steht zu dem durch dieselbe Handlung verwirklichten Mord gemäß § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB sowie dem gleichzeitig verwirklichten Vereinigungsdelikt im Sinne der §§ 129a, 129b StGB jeweils in Tateinheit (§ 52 StGB) (vgl. BGH, Beschluss vom 3 Februar 2021 – AK 1 und 2/21, juris Rn. 14, 18).
1. Gegen den Angeklagten A. war gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB und § 211 Abs. 1 StGB
247lebenslange Freiheitsstrafe
248zu verhängen.
2492. Die Voraussetzungen des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden und gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Gesetz anwendbaren Fassung liegen nicht vor.
250a. Dabei kann dahinstehen, ob der Angeklagte durch seine Angaben gegenüber der Polizei vor Eröffnung des Hauptverfahrens wesentlich i.S.d. § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB aF dazu beigetragen hat, dass eine andere Straftat aufgedeckt werden konnte.
251b. Denn jedenfalls würde der Senat in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens nach § 46b Abs. 1 und Abs. 2 StGB aF eine Milderung der Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB nicht vornehmen.
252Die Angaben des Angeklagten A. hatten allenfalls geringes Gewicht.
253Das äußere Erscheinungsbild von G., B.1, C.1 und D.1 war den niederländischen und deutschen Ermittlungsbehörden im Zeitpunkt der Vernehmung vom 15. Mai 2019 bereits bekannt. Daher hatte eine Bestätigung ihres Aussehens – zumal vor dem Hintergrund, dass sich die Personen in den Niederlanden und Deutschland und damit im Zugriffsbereich der Ermittlungsbehörden aufhielten – nur geringen Wert. Angaben zur Zugehörigkeit der Personen zu terroristischen Vereinigungen hat der Angeklagte nicht gemacht.
254Die vage Angabe, dass die Jabhat al-Nusra hinter der Hinrichtung stehe, war allenfalls geeignet, ein durch weitere Beweismittel bestätigtes Beweisergebnis – sei es im hiesigen Verfahren gegen den Angeklagten B., sei es im Verfahren in den Niederlanden gegen G. – ergänzend zu stützen; es kam ihr indes kein besonderes Gewicht zu.
255Auch unter Berücksichtigung der Schwere der Taten der von ihm gegenüber der Polizei benannten Personen bzw. des Mitangeklagten B. kommt eine Strafrahmenverschiebung trotz der deutlich vor Eröffnung des Hauptverfahrens datierenden Angaben des Angeklagten nicht in Betracht, zumal die von ihm begangene Tat wie auch seine Schuld schwer wiegen.
1. Bei der Bemessung der Strafe für den Angeklagten B. war nach § 211 Abs. 1, § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 VStGB, § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB von einem Strafrahmen von drei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
2572. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB schied aus, weil der Angeklagte B. zur Förderung der Tötung durch politische Gründe motiviert war (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 211 Rn. 92, 95 mwN) und damit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbst aus niedrigen Beweggründen handelte.
258Auch bei Vornahme einer eigenen Gesamtwürdigung kommt der Senat zu keinem anderen Ergebnis. Dabei hat er berücksichtigt, dass der Angeklagte nachrangig dadurch motiviert worden sein mag, dass er selbst unter dem syrischen Regime und dem Bürgerkrieg litt, gefoltert worden war und auch er davon ausgegangen sein mag, dass der Offizier Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen hatte. Im Übrigen wird auf die Erwägungen betreffend den Angeklagten A. (siehe C. I. 2.) Bezug genommen.
2593. Auch hinsichtlich des Angeklagten B. liegen die Voraussetzungen des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB aF nicht vor.
260a. Dabei kann wiederum dahinstehen, ob der Angeklagte durch seine Angaben gegenüber der Polizei vor Eröffnung des Hauptverfahrens wesentlich i.S.d. § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB aF dazu beigetragen hat, dass eine andere Straftat aufgedeckt werden konnte.
261b. Denn jedenfalls würde der Senat in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens nach § 46b Abs. 1 und 2 StGB aF eine Milderung der Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB nicht vornehmen.
262Auch die Angaben des Angeklagten B. hatten allenfalls geringes Gewicht.
263Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Zuschreibung der verfahrensgegenständlichen Tat zur Jabhat al-Nusra nur sehr pauschal von dem Angeklagten vorgenommen wurde und damit für sich betrachtet nur von geringer indizieller Bedeutung war. Die Identität des G. war den niederländischen Strafverfolgungsbehörden bereits bekannt. Der unzutreffenden und beschönigenden Beschreibung dessen Tatbeitrags kam angesichts des die Tat umfassend dokumentierenden Videos „0-8003.avi“ nur marginale Bedeutung zu. Der Information, dass G. die Ghurabaa Muhassan gründete, kam als randständigem Gesichtspunkt, den G. selbst bestätigt hat, ebenfalls kein erhebliches Gewicht zu.
264Auch unter Berücksichtigung der Schwere der Taten des G. bzw. des Mitangeklagten A. kommt damit eine Strafrahmenverschiebung trotz der deutlich vor Eröffnung des Hauptverfahrens datierenden Angaben des Angeklagten, der sich zu seiner dritten polizeilichen Vernehmung eigeninitiativ meldete, nicht in Betracht, zumal auch seine Beteiligung an der Tat wie auch seine Schuld schwer wiegen.
2654. Bei der Bemessung der konkreten Strafe hat der Senat zugunsten des Angeklagten B. berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist und die Tat mehr als neun Jahre zurückliegt. Er beging die in das Bürgerkriegsgeschehen eingebundene Tat vor dem Hintergrund eigener Gewalterfahrungen durch das Assad-Regime. Auch mag die regelmäßige propagandistische Begleitung von Kampfeinsätzen oppositioneller Kampfeinheiten die Hemmschwelle zur Begehung der Tat herabgesetzt haben. Zumindest in objektiver Hinsicht hat der Angeklagte seinen Tatbeitrag weitgehend eingeräumt. Er hat Angaben gemacht, die zur Aufklärung der Beteiligungshandlungen Dritter beigetragen haben, auch wenn die Voraussetzungen des § 46b StGB nicht erfüllt sind. Sein Gehilfenbeitrag zur Tötung des Offiziers ist – verglichen mit anderen Beihilfehandlungen zu Tötungsdelikten – von eher geringer Bedeutung. Aufgrund der Verurteilung muss er mit aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Strafhaft – wie auch die mehr als einjährige Untersuchungshaft – wird er als nichtdeutscher Muttersprachler und getrennt von seiner Familie aller Voraussicht nach als besonders hart empfinden. Schließlich wurde seine Festplatte Toshiba mit sämtlichen darauf gespeicherten Dateien eingezogen.
266Zulasten des Angeklagten war demgegenüber zu berücksichtigen, dass er mit der Jabhat al-Nusra eine besonders gefährliche Vereinigung unterstützt hat, die aufgrund ihrer Mitgliederzahl, starken Medienpräsenz und öffentlichkeitswirksamen Anschläge eine erhebliche Anziehungskraft auf gewaltbereite Islamisten hatte. Zudem hat der Angeklagte tateinheitlich drei Straftatbestände verwirklicht.
267Nach Abwägung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hat der Senat auf die tat- und schuldangemessene
268Freiheitsstrafe von neun Jahren
269erkannt.
Der Senat hat die im Eigentum des Angeklagten B. stehende Festplatte Toshiba USB 3.0 HDD (Seriennummer 20120819006329F, Asservat 7.2.1.4) als Tatprodukt eingezogen (§ 74 Abs. 1 StGB).
271Die beiden Dateien sind Produkte der zur Verurteilung gelangten Tat. Der Angeklagte hat das Video „0‑3754.mp4“ durch seine Beihilfe zur Tötung des Gefangenen, die zugleich eine Unterstützung der Vereinigung darstellt, geschaffen. An der Erstellung des Videos „0‑8003.avi“ hat er sich insoweit beteiligt, als er mit seinen Handlungen auch die Kameraleute dieses Videos in ihrem Entschluss, die Hinrichtung zu dokumentieren, bestärkte.
272Da eine Einziehung der Dateien selbst nicht möglich ist, kam allein eine Einziehung des Datenträgers in Betracht (vgl. LK/Lohse, StGB, 13. Aufl. 2020, § 74 Rn. 11 mwN). Diese hat der Senat in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens vorgenommen. Dabei hat er bedacht, dass dem Angeklagten sämtliche Inhalte der Festplatte verloren gehen, wobei dem Datenträger selbst kein hoher materieller Wert zukommt.
273Ein Vorbehalt der Einziehung nach § 74b Abs. 2 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung kam nicht in Betracht, weil eine Löschung lediglich der inkriminierten Dateien von dem Datenträger mit der Gefahr verbunden ist, dass diese wiederhergestellt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – 4 StR 192/16, BeckRS 2016, 19422 Rn. 5).
274Über das bloße Löschen hinausgehende Maßnahmen der Datensicherung wie das Kopieren lediglich nicht inkriminierter Dateien auf einen neuen Datenträger oder eine Sicherung der nicht inkriminierten Dateien vor dem vollständigen Löschen der Festplatte und das anschließende Zurückkopieren der Sicherung auf diese kamen als weniger einschneidende Maßnahme i.S.d. § 74 Abs. 2 StGB aF auch in Ansehung des teils kinderpornografischen Inhalts der Dateien und des Umstandes, dass der Staat für solche Maßnahmen vorleistungspflichtig wäre, ebenfalls nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 3 StR 422/17, juris Rn. 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs.1 StPO.