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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach (1 O 462/18) vom 27.01.2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
2I.
3Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz im Zusammenhang mit der Verwendung einer Abschalteinrichtung geltend. Der Kläger erwarb von einem nicht am Verfahren beteiligten Autohaus am 30.5.2017 einen Audi Q5 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 29.990 €. Das Fahrzeug wies einen Kilometerstand von 65.688 km auf. Er finanzierte den Kaufpreis teilweise durch ein Darlehen der A.-Bank AG. Der Kläger begehrte erstinstanzlich die Erstattung des Kaufpreises nebst an die A.-Bank AG gezahlter Darlehenszinsen in Höhe von 1.200,48 €.
4In dem Fahrzeug ist ein von der Volkswagen AG hergestellter Motor der Baureihe EA 189 eingebaut. Dieser enthielt eine Software, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltete in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
5Das Kraftfahrtbundesamt ordnete gegenüber der A.-AG die Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung an. Auf das Fahrzeug wurde am 31.5.2017 - noch vor dessen Auslieferung an den Kläger - ein von dem KBA freigegebenes Software-Update aufgespielt. Hiernach steuert das Abgsrückführungssystem die Abgasreinigung in Abhängigkeit der Außentemperatur (Thermofenster). Wegen der Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
6Mit dem am 27.1.2020 verkündeten Urteil hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach, Einzelrichterin, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz zu, insbesondere nicht aus § 826 BGB oder aus §§ 823 BGB, 263 StGB.
7In Bezug auf die Motorsteuerungssoftware sei die Klage im Grunde schon unschlüssig, da nicht hinreichend zwischen der Volkswagen AG und der Beklagten differenziert werde. Hinzu komme, dass für die Fragen der Zurechnung und des Vorsatzes trotz teilweiser Personalunionen in den Organen der VW-AG und der Beklagten andere Anforderungen an den Klägervortrag zu stellen seien als in Verfahren gegen die VW-AG. Die sekundäre Darlegungslast der Beklagten greife nicht so schnell, da als Anknüpfungspunkt nicht die Entwicklung und Herstellung des Motors in Betracht komme.
8Ein Anspruch scheide aber auch deshalb aus, weil es an der erforderlichen Irrtumserregung durch eine Täuschung und an der Sittenwidrigkeit fehle. Das Gericht sei überzeugt, dass der Kläger im Rahmen der umfassenden Berichterstattung ab September 2015 Kenntnis über den Verbau der Software erlangt habe. Es sei nicht vorstellbar, dass ihm die über Monate erfolgende Behandlung der Abgasproblematik in sämtlichen Medien entgangen sein könne. Ebenso könne der Beklagten ab Herbst 2015 kein verwerfliches Verhalten mehr vorgeworfen werden. Es lasse sich auch kein Schädigungsvorsatz der Beklagten gegenüber Käufern wie dem Kläger feststellen, die die Fahrzeuge erst nach dem Herbst 2015 erworben hätten.
9Ein Anspruch wegen des sogenannten Thermofensters sei gleichermaßen zu verneinen. Jedenfalls fehle es an einem sittenwidrigen Verhalten. Eine Sittenwidrigkeit komme nur in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise hinaus zugleich Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dies von Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein geschehen sei, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der Vortrag des Klägers erschöpfe sich in abstrakten Formulierungen. Bei einer Abschalteinrichtung, die im normalen Fahrbetrieb und auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeite, könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Handelnden in dem Bewusstsein gehandelt hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Ebenso müsse eine möglicherweise falsche aber vertretbare Auslegung seitens der Beklagten in Betracht gezogen werden.
10Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Berufung. Die Entscheidung zum Einbau der Manipulationssoftware sei zwischen 2005 und 2006 in der Motorenentwicklung in der VW-Zentrale getroffen worden. Mehrere VW-Ingenieure hätten eingestanden, die Manipulationssoftare installiert zu haben. Der frühere VW-Konzernchef B. habe vor Bekanntwerden der Abgas-Affäre von den Manipulationen gewusst und diese zunächst gedeckt (S. 11 BB). 2018 sei bekannt geworden, dass der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten eine Präsentation zur Falschinformation der US Umweltbehörde manipuliert haben soll. Er gelte als Beschuldigter im Abgasskandal und sei deshalb in Untersuchungshaft genommen und angeklagt worden (S. 13 BB). Für den Audi Q5 mit EA 189 seien insgesamt 13 Rückrufe durch das KBA angeordnet worden.
11Die Entscheidung des Landgerichts verletze ihn in seinen Rechten. Die Beklagte sei als Herstellerin des Fahrzeuges verantwortlich für den eingetretenen Schaden, da sie das Fahrzeug in den Verkehr gebracht habe. Indes sprächen auch neu aufgedeckte Tatsachen zur Rolle der Beklagten für ihre volle Verantwortlichkeit. Der Bayrische Rundfunk habe aufgedeckt, dass vier Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen der Beklagten verbaut gewesen seien. Der KBA-Rückruf 23 Z 1 beweise, dass die Updates zu neuen Problemen führten. Der Kläger könne der Beklagten – einer überführten Betrügerin – nicht mehr vertrauen. Solange die Quellcodes der Steuerungssoftware nicht veröffentlicht seien, werde sich hieran nichts ändern. Umso schlimmer sei, dass das KBA eher Beweise vereitele als an einer Aufklärung mitzuwirken. Zur Verantwortlichkeit der Beklagten werde auf die Berichte des BR vom 1.7.2019 Bezug genommen. Die Beklagte solle mitteilen, wie viele Abschalteinrichtungen verbaut seien, damit zur Frage der Zulässigkeit dezidiert Stellung genommen werden könne.
12Richtig sei, dass sich sein Vortrag auch auf die Volkswagen AG beziehe, was angesichts der Kartellabsprachen und der Konzernverbindung auch zulässig sei. Die Schummelsoftware sei eingesetzt worden, um Geld zu sparen. Der Beklagten sei es egal gewesen, ob die Käufer irgendwann die Zulassung für ihr Fahrzeug verlören. Aus den bekannt gewordenen Gedichten bei Audi sei ersichtlich, dass dem gesamten Haus bekannt gewesen sei, was man tue. Nach seinem Dafürhalten sei er Betrug ausreichend unter Beweis gestellt worden, insbesondere die Kenntnis des Vorstandes C. (S. 29 BB). Ohnehin müsse sich die Beklagte die Täuschung des Mutterkonzerns zurechnen lassen. Es bedürfe keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich gehandelt habe. Er habe im Rahmen seiner Möglichkeiten vorgetragen, so dass der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast obliege.
13Das Landgericht gehe rechtfehlerhaft davon aus, dass er Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeuges gehabt habe. Zwar habe er gewisse Kenntnis von dem Abgasskandal an sich gehabt. Es sei ihm aber nicht bewusst gewesen und habe es auch nicht sein können, dass das von ihm erworbene Fahrzeug betroffen gewesen sei. Eine Ad-Hoc Mitteilung der Beklagten habe es nicht gegeben. Rechtlich könne eine Information der Medien keine Information durch die Beklagte ersetzen (S. 37 BB). Zudem betreffe Kenntnis alle für den Anspruch relevanten Aspekte. Über Fragen der Verantwortlichkeit sei nicht informiert worden. Klare Aussagen, welche Fahrzeuge betroffen seien, fänden sich in keiner offiziellen Mitteilung der Beklagten. Denke man die Intention der Beklagten konsequent fort, hätte niemand nach dem 22.9.2015 einen VW; Audi o.ä. kaufen dürfen. Man könne allenfalls anhand der Rückrufbeginne über eine Kenntnis der Mangelhaftigkeit diskutieren. Da die Beklagte aber weiterhin behaupte, die Fahrzeuge seien uneingeschränkt fahrbereit, sei auch hier keine Kenntnis betreffen der Voraussetzungen der §§ 434, 826 BG gegeben.
14Er habe sich in dem Glauben zum Kauf entschieden, das Fahrzeug sei nicht betroffen gewesen sei. Der Verkäufer habe ihn trotz Nachfrage weder über die Betroffenheit der PKW vom Abgasskandal noch über die anstehende Durchführung des Updates unterrichtet. Er habe den Angaben des Verkäufers vertrauen dürfen.
15Die durch das Inverkehrbringen des PKW vollendete vorsätzliche sittenwidrige Schädigung könne nicht durch die Ad-Hoc Mitteilung des Mutterkonzerns ausgehebelt werden. In der Mitteilung sei nicht eingestanden worden, dass der Wagen mangelbehaftet oder mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sei. Das Landgericht verkenne die Reichweite der Sittenwidrigkeit. Allein der Umstand, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit den zuständigen Behörden in Kontakt gestanden habe, genüge nicht, die einmal eingetretenen Sittenwidrigkeit zu beseitigen. Insbesondre hätte es eines Tätigwerdens auch gegenüber Neukunden bedurft. Zudem habe die Beklagte mit dem Update eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung implementiert.
16Sein Schaden liege in dem Abschluss des Kaufvertrages. Das Update lassen den Schaden nicht entfallen, da die technische Tauglichkeit umstritten sei.
17Die Beklagte hafte zudem nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB sowie §§ 6, 27 EG-FGV. Die Beklagte hätte über das Vorhandensein der Manipulationssoftware und des Thermofensters aufklären müssen. Bei §§ 6, 27 EG-FGV handele es sich um ein Schutzgesetz, da der Schutz der Umwelt nicht der einzige Zweck dieser Normen sei. Vielmehr diene die Vorschrift der Ermöglichung des freien Warenverkehrs, indem Käufer darauf vertrauen könnten, dass das Fahrzeug aufgrund des einheitlichen Prüfverfahrens zugelassen worden sei.
18Wenn das Gericht meine, der Einsatz eines Thermofensters könne gerechtfertigt sein, stelle sich die Frage, inwieweit dies von der Beklagten überhaupt dargelegt worden sei. Insbesondere trage die Beklagte nicht vor, dass die Versottungsgefahr nicht anders habe vermieden werden können (S. 65 BB). Art. 5 Abs. 2 der Verordnung müsse eng ausgelegt werden. Eine Abschalteinrichtung, die nahezu ununterbrochen arbeite, sei nicht notwendig und damit unzulässig. Mit einer zwingenden Notwendigkeit, den Motor vor Beschädigungen zu schätzen habe ein Bauteilschutz nach dem Wortlaut der eindeutigen gesetzlichen Regelung nichts zu tun. Das Landgericht habe sich nur unzureichend mit dem Thermofenster auseinander gesetzt und nicht durchleuchtet, ob dieses nun eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle. Dies hätte das Gericht aber aufklären müssen.
19Auf den Hinweis des Senates vom 23.2.2021 hat der Kläger ergänzend vorgetragen, die ad-hoc Mitteilung sei nicht geeignet, den Schädigungsvorsatz der Beklagten im Hinblick auf das Thermofenster in Frage zu stellen. Das Thermofenster sei zweifelsfrei eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Sittenwidrigkeit liege in dem Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit dem Thermofenster. Die Beklagte habe die bewusste und strategische Entscheidung getroffen, die EG-Typengenehmigung für das Fahrzeug und alle mit einem Thermofenster ausgestatteten Fahrzeuge zu erschleichen. Die Beklagte habe durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorsätzlich gehandelt. Dies sei mit der bewussten Täuschung von Verbrauchern und KBA erfolgt. Es könne nur davon ausgegangen werden, dass die Installation dieser Abschalteinrichtung mit Wissen und Wollen von Vorstandsmitgliedern der Beklagten erfolgt sein müsse. Der Einbau könne nicht von wenigen Mitarbeitern im Alleingang vorgenommen worden sein. Die Beklagte solle auf die ihr obliegende sekundäre Darlegungslast hingewiesen werden. Entgegen der Ansicht des Senates sei es nicht notwendig, das er darlege, welche Person die behauptete Täuschungshandlung vorgenommen haben solle. Der Fahrzeugkäufer sei vor dem mit der Wissensaufsplitterung auf Seiten der Beklagten verbundenen Risiken zu schützen. Im Übrigen habe er die Vernehmung von Herrn C. als Zeugen angeboten. Es seien die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten gewesen, die die Entscheidung getroffen hätten, eine Einrichtung zu konstruieren, bei der festgestanden habe, dass sie temperaturabhängig die Abgasrückführung abschalten werde. Die Beklagte habe nie darüber aufgeklärt, dass mit dem Update (erneut) eine unzulässige Abschalteinrichtung implementiert werde. Die Entscheidungen des OLG Köln vom 18.12.2020 (Az 20 U 288/19) und des OLG Hamm vom 19.1.2021 (Az: 19 U 1304/19) zeigten, dass die Beklagte sich nicht darauf berufen könne, dass mit dem Update eine Sittenwidrigkeit entfalle.
20Nachdem der Kläger in der Berufungsinstanz zunächst die Rückzahlung des Kaufpreises nebst gezahlter Darlehenszinsen (31.190,48 €) verfolgt hat, hat er mit Schriftsatz vom 21.12.2020 die Klage in Höhe von 6.088,80 € teilweise zurückgenommen. Dies entspricht nach seinem Vortrag dem Vorteil, den er durch die Nutzung des Fahrzeuges auf Basis einer zu erwartenden Gesamtfahrleistung von 350.000 km erlangt hat. Er hat vorgetragen, der Tacho habe zuletzt 123.585 km aufgewiesen. Die Beklagte hat der teilweisen Klagerücknahme zugestimmt.
21Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß,
22das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 27.1.2020 abzuändern und
231) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.101,68 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent pro Jahr seit dem 31.5.2017 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …..;
242) festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;
253) die Beklagte zu verurteilen, ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren iHv 1.809,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen;
264) hilfsweise die Revision zuzulassen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Die Volkswagen AG habe die Öffentlichkeit, die betroffenen Halter und die Vertragshändler ab dem 22.9.2015 ausführlich und umfassend informiert und konkrete Schritte zur Überarbeitung der Motorsteuerungssoftware eingeleitet. Aus der Berichterstattung in den Medien im Herbst 2015 sei deutlich hervorgegangen, dass Konzernfahrzeuge mit einem Dieselmotor Typ EA 189 von der Software betroffen seien.
30Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Kläger bei Erwerb der Fahrzeuges Kenntnis von der Betroffenheit des Fahrzuges von dem Dieselskandal gehabt habe. Es fehle mithin an Täuschung und Irrtum. Es liege außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, dass eine in Deutschland lebende Person von dem Einbau der Software in Dieselfahrzeuge des VW-Konzerns keine Kenntnis genommen habe. Für die Annahme einer anspruchsausschließenden Kenntnis genüge bereits eine Parallelwertung in der Laiensphäre.
31Auf der Internet-Seite der VW AG habe ab Oktober 2015 jeder Käufer durch Eingabe der FIN überprüfen können, ob ein konkretes Fahrzeug mit der Umschaltlogik ausgestattet gewesen sei. Auch sie habe Anfang Oktober eine entsprechende Webseite geschaltet und hierüber informiert. Die VW AG und sie selbst hätten ihre Vertriebspartner am 23.9.2015 informiert. Sie habe alles getan, damit Kunden schon 2015 die Möglichkeit hatten, sich über die Ausstattung des Fahrzeuges zu informieren. Wenn der Kläger dennoch behaupte, ihm sei die konkrete Betroffenheit nicht bewusst gewesen, so lasse dies nur den Schluss zu, dass es ihm auf die Konfiguration der Motorsteuerungssoftware nicht angekommen sei. Aufgrund der umfassenden Information der Öffentlichkeit habe sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch keinen Schädigungsvorsatz gehabt und sich nicht sittenwidrig verhalten.
32Zudem sei dem Kläger kein ersatzfähiger Schaden entstanden. Er verfüge über ein uneingeschränkt nutzbares Fahrzeug. Im Zeitpunkt des Kaufes sei die Verwendung der streitgegenständlichen Software öffentlich bekannt gemacht gewesen. Ein Vertragsschluss sei nur dann als Schaden im Rechtssinn anzusehen, wenn er (objektiv) wirtschaftlich nachteilig oder aufgrund eingeschränkter Brauchbarkeit des Vertragsgegenstandes subjektiv konkret nachteilig sei. Das Fahrzeug habe durch die Software und keinen Wertverlust erlitten und auch das Update habe keine negativen Auswirkungen, so dass kein objektiver, wirtschaftlicher Nachteil bestehe. Das Stilllegungsrisiko begründe kein rechnerisches „Minus“, unabhängig davon, dass ein solches Risiko im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr bestehe. Das Stilllegungsrisiko habe nur eine Vermögensgefährdung dargestellt, die sich nicht realisiert habe. Das Fahrzeug sei für die Zwecke des Klägers jederzeit uneingeschränkt brauchbar, so dass auch keine subjektive Zweckverfehlung ersichtlich sei. Zudem entfalle ein Schaden wegen des verbrieften Rückgaberechts des Klägers. Für Käufer, die sich nach Bekanntwerden der EA 189 Thematik bewusst für den Erwerb des Eigentumes an dem Fahrzeug durch Zahlung der Schlussrate entschieden hätten, könnten diese Umstände keine Rolle gespielt haben.
33Sie habe eine Kenntnis von der Umschaltlogik bei Inverkehrbringen des Fahrzeuges im Jahr 2013 bestritten. Eine entsprechende Kenntnis habe der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Sie habe bestritten, dass ihre Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinne von der Programmierung der Software Kenntnis gehabt hätten. Eine sekundäre Darlegungslast treffe sich auch angesichts des Urteils des BGH vom 25.5.2020 nicht, da sie anders als die VW AG den Motor nicht entwickelt habe. Die Entwicklungshoheit für Drei- und Vierzylinder-Reihendieselmotoren liege bei der VW AG in Wolfsburg. Sie sei daran nicht beteiligt gewesen, so dass es nicht verwunderlich sei, dass kein Strafverfahren gegen einen ihrer Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Entwicklung des EA 189 geführt werde. Sie selbst entwickle nur V-6 und V-8 Motoren. Sie verfüge nicht über Erkenntnisse, dass einzelne Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinne – einschließlich Herrn D. - an der Entwicklung der Umschaltlogik beteiligt gewesen seien oder diese gebilligt hätten. Herr E. sei kein Organ im aktienrechtlichen Sinne. Das Ermittlungsverfahren gegen Herrn C. habe nicht die Motoren des Typs EA 189 (Euro 5) zum Gegenstand.
34Sie gehe weiterhin davon aus, dass die Thematik im Rahmen des Verkaufsgespräches angesprochen und die Klagepartei sich in Kenntnis der Umschaltlogik zum Kauf entschieden habe. Wenn der Kläger sich hingegen nicht aktiv vor dem Kauf informiert habe, spreche dies gegen einen Kausalzusammenhang. Denn dann sei davon auszugehen, dass die Frage der Umschaltlogik für ihn keine Rolle gespielt habe.
35Der Kläger habe keine Nachteile substantiiert vorgetragen, die das Fahrzeug konkret durch das Update aufweisen solle. Über 99% der EA-189 Fahrzeuge hätten ein Update erhalten, die Beanstandungen bewegten sich im Promillebereich. Die Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch seien weiterhin gültig. Die Lebensdauer der Bauteile werde nicht negativ beeinträchtigt. Das Update selbst stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters dar. Das applizierte Thermofenster habe dem modernsten Stand der Technik entsprochen und sei aus Gründen des Motorschutzes notwendig und damit zulässig gewesen. Ihr sei kein Hersteller bekannt, der einen Diesel-Motor mit AGR aber ohne Thermofenster im Einsatz habe (Bl. 487). Die verwendete Technik sei gegenüber dem KBA bei der Antragsstellung auf Freigabe des Updates offengelegt worden. So habe die VW AG dem Antrag die Applikationsrichtlinien als auch die konkrete Abrampung bei niedrigen Temperaturen beigelegt. In Kenntnis der Thermofenster-Bedatung habe das KBA das Update freigegeben und das Thermofenster als zulässig angesehen. Jedenfalls scheide insofern ein Schädigungsvorsatz aus.
36Ein Anspruch auf Deliktszinsen bestehe nicht. Sie befinde sich schon deshalb nicht in Annahmeverzug, weil der Kläger die Gegenleistung nicht in der geschuldeten Art und Weise angeboten habe.
37Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.
38II.
39Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Beschluss ergeht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 23.02.2021 (Bl. 623 GA) Bezug genommen. Die Stellungnahme des Klägers gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
401.
41Eine eigenständige vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung oder eine Fortsetzung der vorherigen Vorgehensweise sieht der Senat weiterhin nicht. Sie liegt auch nicht darin, dass das Fahrzeug nach dem Update (weiterhin oder erstmals) ein Thermofenster aufweist. Wie im Hinweisbeschluss ausgeführt, genügt der Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift für eine besondere Verwerflichkeit nicht. Das bloße Vorhandensein einer, auch unzulässigen, Abschalteinrichtung rechtfertigt nicht die Qualifikation des Verhaltens als sittenwidrig (vgl. BGH, Beschluss vom 9.3.2021, VI ZR 889/20; BGH Beschluss vom 19.1.2021 VI ZR 433/19).
42Konkrete Umstände, die eine besondere Verwerflichkeit im Hinblick auf das Thermofenster begründen könnten, hat der Kläger auch mit dem Schriftsatz vom 11.3.2021 nicht vorgetragen. Vielmehr hat er Wertungen vorgetragen und pauschal die Begründungssätze angeführt, mit denen im Hinblick auf die Umschaltlogik ein verwerfliches Verhalten bejaht wird. Einen konkreten Sachvortrag stellt dies nicht dar. So hat er vorgebracht, die Beklagte habe die bewusste und strategische Entscheidung getroffen, die EG-Typengenehmigung für das Fahrzeug und alle mit einem Thermofenster ausgestatteten Fahrzeuge zu erschleichen. Die Beklagte habe durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorsätzlich gehandelt. Dies sei mit der bewussten Täuschung von Verbrauchern und KBA erfolgt.
43Konkreten Sachvortrag stellt dies nicht dar. Zwar ist die Behauptung eines Anspruchs schlüssig und damit als Prozessstoff erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das mit der Klage geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muss aber in der Lage sein, auf Grund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen (vgl. BGH NJW-RR 2003, 69). Dies ist nicht der Fall. Unabhängig davon, dass der streitgegenständliche Motor und das Update nicht von der Beklagten entwickelt wurden, legt der Kläger nicht dar, in welcher Phase das Verhalten der Beklagten stattgefunden haben soll. Auf das ursprüngliche Inverkehrbringen des Fahrzeuges kann es schon deshalb nicht ankommen, da später das Update, mit dem konkret implantierten Thermofenster, durch das KBA ohne Beanstandungen freigegeben wurde (vgl. zu diesem Aspekt auch: OLG Hamm, Urteil vom 2.9.2020, Az: 20 U 192/19). Nach Ansicht des Senates ist durch die Aufklärungskampagne durchaus eine Zäsur eingetreten.
44Tatsachen, die unter den Rechtsbegriff der Täuschung subsumiert werden könnten, trägt der Kläger weiterhin nicht vor. Jedenfalls hat er hierfür keinerlei Beweis angetreten. Demgegenüber hat die Beklagte konkret vorgetragen, die Applizierung des Thermofensters sei durch die Volkswagen AG gegenüber dem KBA bei der Antragsstellung auf Freigabe des Updates offengelegt worden. Der Umstand, dass das KBA inzwischen eine Rückrufaktion 23R7 veranlasst hat, lässt keinen zwingenden Schluss auf eine „Täuschung“ im Rahmen des Freigabeprozesses für das Update zu. Ebenso kann die Rückrufaktion auf einer geänderten Rechtsauffassung des KBA im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 beruhen.
452.
46Auch der Vortrag des Klägers zu dem Wissen und Wollen der Beklagten ist weiterhin pauschal. Dabei ist unerheblich, ob ein ausreichender Vortrag (nebst Beweisantritt) dahingehend besteht, dass bei einem Repräsentanten der Beklagten Wissen und Wollen im Hinblick auf die Umschaltlogik und die hieraus resultierende Schädigung der Käufer vorlag. Denn ein etwaiges sittenwidriges Verhalten wirkte jedenfalls im Zeitpunkt des Kaufs durch den Kläger nicht fort. Dies gilt auch im Hinblick auf ein ggf. anfänglich programmiertes Thermofenster.
47Ein substantiierter Vortrag dahingehend, welche Kenntnis und welches Wollen bei der Beklagten im Hinblick auf das Update und das hiermit implementierte oder aktualisierte Thermofenster vorgelegen haben, fehlt. Zwar trägt der Kläger mit dem Schriftsatz vom 23.2.2021 vor, die Installation dieser Abschalteinrichtung (Thermofenster) müsse mit Wissen und Wollen von Vorstandsmitgliedern der Beklagten erfolgt sein. Der Einbau könne nicht von wenigen Mitarbeitern im Alleingang vorgenommen worden sein. Für diese Schlussfolgerung des Klägers fehlt es aber an einer ausreichenden Grundlage. Aufgrund des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils steht als unstreitig fest, dass das Software-Update von der Volkswagen AG entwickelt wurde. Ob und inwiefern die Beklagte in die Entwicklung des Updates eingebunden war, folgt aus dem Vortrag des Klägers nicht. Es liegt auch nicht auf der Hand, dass die Beklagte in die Details des Software-Updates für den ebenfalls nicht von ihr entwickelten Motor eingeweiht war. Eine Zurechnung des Wissens von verfassungsgemäßen Vertretern der Volkswagen AG entsprechend § 166 BGB auf die Beklagte findet im Rahmen von § 826 BGB nicht statt (vgl. BGH, Urteil vom 8.3.2021, VI ZR 505/19)
48III.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 544 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
50Der Streitwert für die 2. Instanz beträgt 31.190,48 €