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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.6.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 67.420,58 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
GRÜNDE:
2I.
3Am 16/17.12.2008 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Erbringung von Ingenieursleistungen für das Bauvorhaben „Wohnen am Z…“ in D…. Beauftragt wurde die Klägerin mit den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 - 5 des Leistungsbildes Tragwerksplanung nach § 64 HOAI 1996. Der Vertrag sah für die einzelnen Leistungsphasen ein Pauschalhonorar vor, für die Leistungsphase 5 ein solches in Höhe von 71.000 €. Die Leistungsphasen 1-4 rechnete die Klägerin mit Teilschlussrechnungen vom 21.5.2009 auf Basis des Pauschalhonorars ab.
4Unter dem 14.11.2009 stellte die Klägerin zur Leistungsphase 5 eine Abschlagsrechnung (9. Abschlagsrechnung), in der sie hinsichtlich der einen Bearbeitungsstand von 94% auswies und auf Basis des Pauschalhonorars eine weitere Abschlagszahlung forderte. Erst unter dem 1.3.2016 übersandte die Klägerin der Beklagten zur Leistungsphase 5 eine Schlussrechnung auf Basis der Mindestsätze. Wegen der Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
5Mit dem am 25.6.2019 verkündeten Urteil hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf, Einzelrichter, die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Klägerin stehe kein weiterer Anspruch auf Ingenieur-Honorar zu. Ein Anspruch sei jedenfalls verwirkt. Das Zeitmoment liege vor, da die Klägerin die Schlussrechnung erst über 6 Jahre nach der letzten Abschlagsrechnung übersandt habe, was das Doppelte der regelmäßigen Verjährungszeit sei. Auch das Umstandsmoment sei gegeben. Die Klägerin habe bereits mit der Abschlagsrechnung vom 14.11.2009 kundgetan, das sie 94% der Leistungsphase 5 erfüllt habe und auf dieser Basis ein Honorar in Höhe von 66.740 € begehre. Damit habe sie signalisiert, dass die Leistung weitgehend erbracht gewesen sei. Im Laufe der weiteren Kontakte habe sie nicht erkennen lassen, dass sie noch eine weitere Rechnung stellen werde. Es leuchte unmittelbar ein, dass die Beklagte sich an den Angaben der Klägerin in der Abschlagsrechnung ausrichten durfte und nach 6 Jahren nicht mit einer Nachforderung zu rechnen brauchte. Es sei ihr nicht zuzumuten, die geschäftlichen Dispositionen, die sie zu den zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbarten Bedingungen getroffen habe, zu revidieren.
6Hiergegen richtet sich die Klägerin mit der Berufung, in der sie wie folgt vorträgt: Das Landgericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen. Eine Überraschungsentscheidung liege vor, wenn die tragenden Erwägungen des Urteils im Verfahren nicht erkennbar thematisiert wurden. Ausweislich der Sitzungsprotokolle sei der Gesichtspunkt der Verwirkung nicht thematisiert worden. Das Gericht habe verfahrensfehlerhaft einen Hinweis auf die von ihm angenommene Verwirkung unterlassen. Hätte das Gericht hierauf ausdrücklich hingewiesen, hätte die Klägerin hierzu vorgetragen. Insbesondere zum Umstandsmoment wäre klargestellt worden, dass kein Verhalten vorgelegen habe, auf dass die Beklagte dahingehend habe vertrauen dürfen, die Klägerin werde ihr Resthonorar nicht durchsetzen. Auch ein die Verwirkung begründendes Zeitmoment liege nicht vor. Eine Verwirkung komme nur in Ausnahmefällen in Frage. Eine Honorarforderung könne nur dann verwirkt sein, wenn seit der Möglichkeit der Schlussrechnung sehr viel Zeit vergangen sei. Selbst 5-7 Jahre seien nach der herrschenden Meinung nicht ausreichend. Hier seien ab der letzten Abschlagsrechnung erst 6 Jahre vergangen gewesen.
7Entgegen den Ausführungen des Landgerichts lägen auch keine Umstände vor, die ein Vertrauen rechtfertigten, sie werde keine Ansprüche mehr geltend machen. Denn das bloße Unterlassen, einen Anspruch geltend zu machen, genüge nicht. Sie hätte vielmehr aktiv erkennen lassen müssen, dass sie keine Honorarforderung mehr stellen werde. Daran fehle es. Sie habe ausdrücklich nur über 94% der erbrachten Leistungen abgerechnet. Zudem müsse eine tatsächliche Vertrauensbetätigung der Beklagten hinzutreten, an der es fehle. Ein kundiger Auftraggeber, wie die Beklagte, könne ohne Schlussrechnung schon per se nicht auf das Ausbleiben weiterer Rechnungen vertrauen. Ein erfahrener Auftraggeber müsse damit rechnen, dass sich die Teilrechnungen und das Stellen der Schlussrechnung über mehrere Jahre hinziehe und dass jederzeit die Möglichkeit von Nachforderungen bestehe. Die Beklagte hätte im Übrigen selbst klare Verhältnisse schaffen können, so durch Setzung einer Frist zur Erstellung der Schlussrechnung. Hiermit hätte sie einen vorzeitigen Verjährungsbeginn auslösen können.
8Nach der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung sei das Vertrauen eines erfahrenen und der HOAI kundigen Bauherrn in den Bestand einer die Mindestsätze unterschreitenden Honorarvereinbarung nicht schutzwürdig. Zudem komme es – was die Beklagte wisse - bei größeren Bauvorhaben häufig zu Nachforderungen.
9Das Urteil des EuGH binde nur die Mitgliedsstaaten und entfalte keine Rechtswirkung für einzelnen Bürger. Das Mindestpreisgebot sei in einem Zivilrechtsstreit zwischen einem Architekten und dessen Auftraggeber weiterhin gültig. Es sei Sache der Bundesrepublik, durch geeignete Maßnahmen die Europarechtswidrigkeit für die Zukunft zu beseitigen.
10Auf den Hinweis des Senates vom 13.8.2020 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen: Vor dem schriftlichen Vertrag hätten sie die Honorarabrede bereits mündlich geschlossen. Die Leistungsphasen 1- 3 habe sie bereits vor dem 16./17.12.2008 erbracht. Das Honorar sei in Höhe der später vereinbarten Pauschalen gezahlt worden. Am 21.5.2009 habe sie – nach Abschluss der LP 4 eine Teilschlussrechnung erstellt, die beglichen worden sei.
11Die Formvorschriften aus § 4 Abs. 1, 4 HOAI 1996 seien nicht eingehalten. Aus dem Vertrag folge, dass bereits vor dem schriftlichen Vertrag die Leistungsphasen 1- 4 und 5 vereinbart worden seien. Die Leistungsphase 5 sei bereits vor dem schriftlichen Vertrag vereinbart worden. Der Abruf der Leistungsphase 5 sei keine neue Beauftragung, sondern lediglich die Bestimmung über die Fälligkeit der LP 5. Es sei von einem Abrufvertrag auszugehen.
12Später hat sie vorgetragen: Die Honorarvereinbarung müsse gleichzeitig mit dem Ingenieurvertrag getroffen werden. Die Leistungen der LP5 seien aber erst später beauftragt worden, wie sich aus den Ziffern 4.3.2 und 4.3.3 ergebe. Die LP 5 hätte gesondert beauftragt werden müssen. Bei der gesonderten Beauftragung sei kein Honorar schriftlich vereinbart worden. Die Beauftragung der Leistungsphase 5 sei in dem Vertrag ausdrücklich offen gelassen worden. Im Zeitpunkt der Unterschrift sei der Umfang der LP 5 noch nicht bekannt gewesen. Das Pauschalhonorar habe sich auf einen geringeren Leistungsumfang bezogen. Eine uferlose Ausdehnung von EU- Primärrecht auf sämtliche Konstellationen sei nicht gewollt und von der Ermächtigung zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge nicht gedeckt. Der EU-Vertrag bilde keine immer vorrangige Rechtsordnung. Es gebe nur einen Anwendungsvorrang, keinen Geltungsvorrang. Im Übrigen liege kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor.
13Sie beantragt,
14unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 25.6.2019 die Beklagte zu verurteilen, an sie 67.420,58 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2016 zu zahlen.
15hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an sie 65.457,30 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2016 zu zahlen.
16hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25.6.2019 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurück zu verweisen.
17hilfsweise, die Revision zuzulassen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Zusammenfassung ihres erstinstanzlichen Vortrags. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sei ausführlich über das Thema der Verwirkung diskutiert worden. Auch in den gewechselten Schriftsätzen sei es eigentlich nur um diese Frage gegangen. Überdies habe die Klägerin darstellen müssen, was sie auf den entsprechenden Hinweis an Sachvortrag geliefert hätte. Die in der Berufung vorgebrachte Rechtsprechung kenne das Gericht. Das Protokoll entfalte keine negative Beweiskraft, da hier eine Erörterung der Sach- und Rechtslage vermerkt sei. Das Protokoll müsse nicht den gesamten Inhalt der Verhandlung wiedergeben. Im Hinblick auf das Zeitmoment müsse es darauf ankommen, wann die Klägerin das erste Mal die Mindestsätze hätte geltend machen können. Dies sei der Zeitpunkt der ersten Teilschlussrechnung vom 21.5.2009 gewesen.
21Soweit die Klägerin darauf verweise, sie habe in der letzten Abschlagsrechnung lediglich 94% abgerechnet, übersehe sie, dass es hier nicht um die fehlenden 6% des vereinbarten Pauschalhonorars gehe. Vielmehr habe die Klägerin erstmals mit der Schlussrechnung ein Honorar nach den Mindestsätzen der HOAI verlangt. Durch die Abschlagsrechnungen habe die Klägerin wiederholt den Eindruck erweckt, sich an das Pauschalhonorar halten zu wollen. Hierdurch sei in Zusammenschau mit der anschließenden 6-jährigen Untätigkeit ein Vertrauen dahingehend erzeugt worden, dass sich die Klägerin nicht nachträglich von der Pauschalabrede lösen werde.
22Nach der Entscheidung des EuGH sei die Klage im Übrigen schon deshalb abzuweisen, da die Preisvorschriften der HOAI gegen Europarecht verstießen.
23Mit Schriftsatz vom 23.7.2020 hat sie vorgetragen, sie habe den erzielten Verkaufserlös für Auszahlungen an ausgeschiedene Gesellschafter verwandt, da sie nicht damit habe rechnen müssen, dass die Klägerin noch mit einer Nachforderung an sie herantreten würde. Zudem handele die Klägerin rechtsmissbräuchlich, wenn sie ihrem Subplaner selbst kein Honorar nach den Mindestsätzen zahlen wolle. Sie rege an, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH auszusetzen.
24Aus dem Vertrag ergebe sich, dass die Leistungsphasen 1 – 3 bereits erbracht gewesen seien. Soweit sie mit dem schriftlichen Vertrag noch weitere Leistungen beauftragt habe, seien die Anforderungen von § 7 Abs. 5 HOAI erfüllt gewesen. Es sei nicht zutreffend, dass die Beauftragung mit den LP 4 und 5 bereits vor dem schriftlichen Vertragsschluss erfolgt gewesen sei. Ein Auslandsbezug bestehe immer schon dann, wenn die Freiheit von Marktteilnehmern aus anderen europäischen Staaten eingeschränkt werde.
25Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.
26II.
27Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 67.420,58 € aus § 4 Abs. 4 HOAI 1996/2002 iVm § 631 BGB gegen die Beklagte zu.
281.
29Die Parteien haben am 16./17.12.2008 einen Vertrag über Erbringung von Ingenieurleistungen der Tragswerkplanung für das Bauvorhaben „Wohnen am Z…“ in D… geschlossen. Da der Vertrag vor dem 17. August 2009 geschlossen wurde, findet die HOAI 1996 in der 2002 überarbeiteten Fassung Anwendung. Von einer Beauftragung der mit der Schlussrechnung vom 1.3.2016 abgerechneten Leistungsphase 5 (Grundleistungen) ist nach dem unstreitigen und nicht angegriffenen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 160 GA) auszugehen (§ 314 ZPO).
302.
31Ein Vergütungsanspruch ist gemäß § 8 Abs. 1 HOAI fällig. Die Erbringung der LP 5 ist angesichts des Anlagenkonvolutes K8 nicht (mehr) streitig. Jedenfalls obläge es hier der Beklagten, hier substantiiert zu bestreiten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Leistung nicht vertragsgemäß erbracht wurde, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Die Klägerin hat unter dem 1.3.2016 eine Schlussrechnung erstellt. Einwände gegen die Prüffähigkeit hat die Beklagte ausdrücklich nicht erhoben. Der Auftraggeber ist nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen gegen die Prüffähigkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen, die er nicht spätestens innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Rechnung vorgebracht hat (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 445).
323.
33Die Klägerin kann auf Basis der Mindestsätze der HOAI 1996/2002 abrechnen.
34a)
35Eine Abrechnung nach den Mindestsätzen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Parteien für die Leistungen der Leistungsphase 5 ein Pauschalhonorar in Höhe von 71.000 € vereinbart (Ziffer 7.1.1) vereinbart hatten. Denn die Vereinbarung war nach § 4 Abs. 1 HOAI 1996/21002 unwirksam.
36aa)
37Die Vereinbarung eines Pauschalhonorars ist nach § 4 HOAI 1996/2002 wirksam, wenn die Schriftform eingehalten, der Höchstsatz nicht überschritten sowie der Mindestsatz nicht unterschritten, die Vereinbarung bestimmt und „bei Auftragserteilung“ abgeschlossen wurde.
38Die Schriftform ist gemäß § 126 Abs. 1, 2 BGB gewahrt. Die schriftliche Vereinbarung erfolgte auch bei Auftragserteilung.
39Entscheidend ist, wann die LP 5 beauftragt wurde. Der Vortrag der Klägerin in erster Instanz ist so zu verstehen, dass die LP 5 mit dem Abschluss des schriftlichen Vertrages beauftragt wurde. So hat sie vorgetragen (Bl. 77 GA), mit dem Vertrag sei sie mit der Erbringung sämtlicher Grundleistungen der LP 5 beauftragt worden. Der Vertrag ist unglücklich formuliert. § 4.3 des Vertrages sieht eine stufenweise Beauftragung vor. Zugleich ist nach dem Wortlaut der Ziffer 4.3.1 auch die Leistungsphase 5 des § 64 HOAI bereits beauftragt. Etwas unklar ist, wie dies in Verhältnis steht zu Ziffer 4.3.3, wonach eine etwaige weitere Beauftragung der „Leistungsphasen 5“ erfolgen kann und nicht „sämtliche Leistungen der Leistungsphasen 5“ erfassen muss. Die Formulierung der Ziffer 4.3.3 spricht eher für eine redaktionell misslungene Anpassung eines Standardvertrages. So ist hier eine etwaige weitere Beauftragung der „Leistungsphasen 5“ (Plural) vorgesehen. Aufgrund des Wortlauts der Ziffer 4.3.1 liegt nahe, dass die Leistungsphase 5 mit Abschluss des schriftlichen Vertrages beauftragt worden war. Der Umstand, dass die Beklagte am 21.9.2009 die Leistungsphase 5 „abgerufen“ hat, kann dabei zwanglos als die erforderliche schriftliche Freigabe (Ziffer 4.4.11) der schon beauftragten Leistung verstehen. Auf Basis dieses Verständnisses erfolgte die Honorarvereinbarung hinsichtlich der LP 5 jedenfalls bei Beauftragung.
40Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin vor dem schriftlichen Vertragsschluss mündlich mit den Leistungen der LP 1 – 3 beauftragt war. Bei einer stufen- oder abschnittweisen Beauftragung kommt der Vertrag hinsichtlich der weiteren Leistungen erst mit der späteren Annahme zustande (vgl. BGH BauR 2015, 689). Mit dem Abruf der weiteren Leistungen kommt dann erst der Vertrag zustande, weil dieser eine aufschiebende Bedingung darstellt. Vor der Beauftragung der weiteren Leistungen liegt lediglich eine einseitige Bindung des Architekten vor, wohingegen sich die andere Seite die freie Entscheidung über dessen Annahme vorbehalten hat (vgl. BGH, NZBau 2015, 170 Rn. 18, beck-online). Eine Honorarvereinbarung kann mithin noch im Zeitpunkt des Abrufs der neuen Stufe wirksam getroffen werden. Aus der im schriftlichen Vertrag erkennbaren Vorgehensweise der stufenweisen Beauftragung folgt aus der bereits zuvor erfolgten Beauftragung der Leistungsphasen 1-3 nicht automatisch, dass auch die LP 5 bereits vor dem schriftlichen Vertragsschluss verbindlich beauftragt wurde.
41Mit Schriftsatz vom 30.9.2020 hat die Klägerin sodann vorgetragen die LP 5 sei bereits vor dem schriftlichen Vertrag beauftragt worden. Es kann dahinstehen, ob dieser Vortrag ausreichend substantiiert ist. Denn mit Schriftsatz vom 22.1.2021 (Bl. 325 GA) hat die Klägerin sodann vorgetragen, die Beauftragung der LP 5 sei erst nach dem schriftlichen Vertragsschluss erfolgt. Der Leistungsumfang sei bei Unterschrift unter den schriftlichen Vertrag noch nicht bekannt gewesen.
42Der – wenig substantiierte - Vortrag im Schriftsatz vom 22.1.2021 steht in Widerspruch zu dem Vorbringen der Klägerin in erster Instanz und auch zu ihrer Abrechnung, der sie die HOAI 1996/2002 und nicht die HOAI 2009 zugrunde legt. Wäre die Leistungsphase 5 erst am 21.9.2009 beauftragt worden, fände für diese schon die HOAI 2009 Anwendung.
43Letztlich kann dieser Aspekt offen bleiben. Wenn erst mit dem Abruf vom 21.9.2009 die LP 5 beauftragt worden wäre, läge die Honorarvereinbarung ebenfalls zu diesem Zeitpunkt bereits vor. Denn die Honorarvereinbarung in Ziffer 7.1.1. des Vertrages sah gerade den Fall der späteren Beauftragung vor. Die Frage, ob eine Honorarvereinbarung „bei Auftragserteilung” i.S. des § 4 HOAI auch angenommen werden kann, wenn die preisliche Vereinbarung im Voraus getroffen wurde, war umstritten. Mit Urteil vom 27.11.2008 (Az: VII ZR 211/07) hat der BGH entschieden, dass eine für den Fall der späteren Beauftragung getroffene Honorarvereinbarung jedenfalls dann wirksam ist, wenn die auszuführenden Leistungen und das dafür zu beanspruchende Honorar von den Vertragsparteien schriftlich festgelegt werden und der Auftraggeber das Angebot des Architekten zur Erbringung dieser Leistungen später annimmt. Dies wäre hier der Fall. Sofern die Klägerin darauf abstellt, dass der Umfang der Beauftragung bei Abschluss des schriftlichen Vertrages nicht festgestanden hätte, ist dies nicht erheblich. Ziffer 4.3.1 des Vertrages bezieht sich auf sämtliche Grundleistungen der LP 5, was die Klägerin in erster Instanz auch konkret vorgetragen hatte. Bei verständiger Würdigung bezieht sich das Pauschalhonorar auf diesen Leistungsumfang.
44bb)
45Nach § 4 Abs. 1 HOAI 1996/2002 ist das vereinbarte Pauschalhonorar aber nicht wirksam, da es die geltenden Mindestsätze unterschreitet.
46Bei Anwendbarkeit der HOAI 1996/2002 sind (wie sich aus Ziffer IV der Urteilsgründe ergibt) die Mindestsätze unterschritten. Ob der Mindestsatz unterschritten wurde, ist anhand einer hypothetischen, nach HOAI richtig aufgestellten Honorarrechnung zu überprüfen. Dabei kommt es darauf an, ob das Honorar im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nach den richtigen Parametern der HOAI höher ausfiel als das vereinbarte Honorar. Unwirksam sind Pauschalhonorarvereinbarungen unter dem Gesichtspunkt des Mindestsatzes auch dann, wenn sie ursprünglich bei Vertragsvereinbarung wirksam waren, sich danach aber die anrechenbaren Kosten erhöht hatten. Maßgebend für die Entscheidung, ob der richtige Mindestsatz unterschritten war, ist nicht das geplante, sondern das tatsächlich gebaute Objekt (vgl. OLG Düsseldorf, BauR 2002, 510; Kniffka / Koeble, 5. Auflage 2020, 11. Teil, Rd. 404).
47Ein zur Unterschreitung der Mindestsätze berechtigender Ausnahmefall i.S.d. § 4 Abs. 2 HOAI liegt nicht vor. Bei der Bestimmung eines Ausnahmefalls sind der Zweck der Norm und die berechtigten Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen (BGHZ 136, 1 = NJW 1997, 2329). Dabei können alle die Umstände eine Unterschreitung der Mindestsätze rechtfertigen, die das Vertragsverhältnis in dem Sinne deutlich von den üblichen Vertragsverhältnissen unterscheiden, dass ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist (BGHZ 136, 1 = NJW 1997, 2329). Anhaltspunkte für einen derartigen Ausnahmefall hat die Beklagte nicht dargetan. Solche Anhaltspunkte liegen auch nicht darin, dass die Klägerin zu einem gewissen Umfang Leistungen eines Subplaners in Anspruch genommen und mit diesem (so die Behauptung der Beklagten) ein Pauschalhonorar vereinbart hat. Zum einen ist ein Ausnahmefall nicht bereits dann gegeben, wenn ein Architekt besonders kosteneffizient arbeitet (anders ggf. wenn nur ein geringer Aufwand anfällt, vgl. BGH aaO). Zudem zeigt auch Ziffer 4.4.5 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages, dass das an den Subplaner gezahlte Honorar in ihrem Vertragsverhältnis keine Rolle spielen sollte. Die Beklagte sollte keinen Anspruch auf Auskunft haben über die an den Subunternehmer gezahlte Vergütung. Zum anderen dürfte es dem Subplaner vorliegend nicht verwehrt gewesen sein, sich seinerseits auf die Mindestsätze zu berufen (vgl. Kniffka/Koeble aaO Teil 11 Rn. 472). Sofern teilweise angenommen wird, der Subplaner könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die Mindestsätze berufen, wenn ihm die Pauschalabrede des Hauptauftragnehmers bekannt sei (vgl. OLG Köln, NZBau 2003, 43) überzeugt dies nicht. Vielmehr ist auch im Verhältnis Subplaner zu Hauptauftragnehmer darauf abzustellen, ob besondere Umstände vorliegen, die das Vertrauen des Hauptunternehmers als schutzwürdig erscheinen lassen, wie z.B. eine langfristige Zusammenarbeit (so angenommen von OLG Stuttgart, BauR 2003, 1424; OLG Nürnberg NJW-RR 2003, 1326).
48cc)
49§ 4 Abs. 1 HOAI 1996/2002 ist anwendbar. Insbesondere ist die Regelung nicht wegen entgegenstehenden Europarechts unanwendbar.
50(1)
51Zunächst ist § 4 HOAI 1996/2002 nicht schon aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 15 der RL 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt (nachfolgend: Dienstleistungsrichtlinie) unanwendbar. In seiner Entscheidung vom 04.07.2019 (Rs. C-377/17) hat der EuGH festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland durch Beibehaltung von Mindestsätzen in § 7 Abs. 1 und 3 HOAI 2013 gegen die ihr aus der Dienstleistungsrichtlinie obliegende Pflicht zu Umsetzung verstoßen hat. Ob sich aus diesem Verstoß eine Unanwendbarkeit der Mindestsätze auch für bestehende Vertragsverhältnisse zwischen Privatpersonen ergibt, ist durch den BGH mit Urteil vom 14.5.2020 (Az: VII ZR 174/19) dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt worden. Diese Erwägungen gelten allerdings nicht in gleicher Weise für den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt, der nach der HOAI 1996/2002 zu beurteilen ist. Das Ende der Umsetzungsfrist war der 28. Dezember 2009 (Art. 44 DienstleistungsRL). Zu diesem Zeitpunkt war die HOAI 1996/2002 bereits durch die HOAI 2009 abgelöst und die LP 5 vorliegend unstreitig bereits beauftragt.
52Richtlinien enthalten finale Vorgaben für die Mitgliedstaaten, die diese durch Akte der Umsetzung zu realisieren haben. Sie enthalten eine Umsetzungsfrist. Vor Ablauf dieser Frist entfaltet eine Richtlinie bereits insofern Rechtswirkungen, als die Mitgliedstaaten Rechtshandlungen zu unterlassen haben, die den angestrebten Erfolg vereiteln können. Diese sog. Vor- oder Sperrwirkung leitete der EuGH für Richtlinien aus Art. 249 Abs. 3 i. V. m. Art. 10 Abs. 2 EGV ab (jetzt Art. 288 Abs. 3 AEUV, Art. 4 Abs. 3 EUV) (Calliess/Ruffert/Ruffert, 5. Aufl. 2016, AEUV Art. 288 Rn. 23). Dies ergibt sich für die Dienstleistungsrichtlinie aus Art. 15 Abs. 6. Die Mitgliedstaaten dürfen grundsätzlich bis zum Ablauf der in der Richtlinie gesetzten Frist mit deren Umsetzung warten (Streinz/W. Schroeder, 3. Aufl. 2018, AEUV Art. 288 Rn. 68). Der streitgegenständliche Fall spielt sich zwischen dem Erlass der Richtlinie (12. 12. 2006) und dem Ablauf der Umsetzungsfrist (28.12.2009) ab. Gründe, der Dienstleistungsrichtlinie hier bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist Rechtswirkungen zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich. Die HOAI 1996 wurde bereits vor der Dienstleistungsrichtlinie erlassen, sodass es sich gerade nicht um eine Maßnahme handelt, die die Umsetzung der Richtlinie zwischen Erlass und Umsetzungsfrist vereiteln könnte. Es handelt sich hier also um den Regelfall, dass eine Richtlinie vor Fristablauf keine unmittelbare Wirkung entfaltet (EuGH, Rs. 148/78, Slg. 1979, 1629, Rn. 43 f., Ratti; GA Jacobs, Schlußantr. zu EuGH, Rs. C-156/91, Slg. 1992, I-5567, Ziff. 18 ff., Hansa Fleisch Ernst Mundt; Rs. C-316/93, Slg. 1994, I-763, Rn. 16 ff., Vaneetveld).
53Ob die Dienstleistungsrichtlinie nach Fristablauf unmittelbare Wirkung entfaltet, ist für den streitgegenständlichen Fall irrelevant. Ein Verstoß käme nur in Betracht, wenn die Dienstleistungsrichtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist rückwirken würde auf Sachverhalte, die sich vor der Umsetzungsfrist ereignet haben. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat der Dienstleistungsrichtlinie keine rückwirkende Kraft beigelegt. In Art. 44 Abs. 1 der Richtlinie heißt es vielmehr, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis spätestens ab dem 28. Dezember 2009 nachzukommen. Gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV wird dabei den Mitgliedsstaaten die Wahl der Form und Mittel zu ihrer Umsetzung überlassen. Seitens der Bundesrepublik Deutschland ist am 17. 08. 2009 die HOAI 2009 in Kraft getreten und damit vor der Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie. Gemäß § 56 HOAI 2009 tritt mit dem Inkrafttreten der HOAI 2009 gleichzeitig die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. März 1991 (BGBl. I S. 533), die zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. November 2001 (BGBl. I S. 2992) geändert worden ist, außer Kraft. In § 55 HOAI 2009 heißt es, dass die Verordnung nicht für Leistungen gilt, die vor ihrem Inkrafttreten vertraglich vereinbart wurden; insoweit bleiben die bisherigen Vorschriften anwendbar.
54Die während der HOAI 1996/2002 entstandenen Sachverhalte fallen somit grundsätzlich nicht unter die Dienstleistungsrichtlinie und die HOAI 2009. Das Problem der Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsrichtlinie stellt sich erst mit der HOAI 2009 (vgl. ebenso OLG Celle, ZfBR 2021, 409, beck-online)
55(2)
56Der Anwendung des § 4 Abs. 1 HOAI 1996/2002 steht vorliegend auch nicht das europäische Primärrecht in Form der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) oder der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) entgegen.
57Die Vereinbarkeit des § 4 HOAI 1996/2002 mit europäischen Vorgaben (insbesondere der Dienstleistungsfreiheit) wurde vor Inkrafttreten der Dienstleistungsrichtlinie kontrovers diskutiert. Eine europarechtliche Klärung der Frage erfolgte nicht. Mit Urteil vom 27. Februar 2003 (Az: VII ZR 169/02) hat der Bundesgerichtshof - wenn auch recht pauschal - festgestellt, die Mindestsatzfiktion in § 4 Abs. 4 HOAI sei geeignet, die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 f. EG-V) der in einem anderen Mitgliedstaat der EG ansässigen Vertragspartei zu behindern. In anderen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, der Geltungsbereich des mit Art. 49 EVG garantierten freien Dienstleistungsverkehrs sei nicht berührt, da der Sachverhalt mit keinem seiner Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweise (vgl. BGH Beschl. v. 27.9.2006 – VII ZR 11/06, BeckRS 2006, 11798, beck-online).
58Obergerichtlich wurde § 4 HOAI 1996/200 teilweise ausdrücklich als europarechtskonform angesehen (vgl. OLG Stuttgart, NZBAU 2005, 350 und NZBau 2008, 332; OLG Hamm NZBau 2009, 48). Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs sei durch das mit der HOAI verfolgte zwingende Allgemeininteresse gerechtfertigt, nämlich die Verhinderung eines ruinösen Preiswettbewerbs zur Qualitätssicherung (vgl. OLG Hamm, NZBau 2009, 48, OLG Stuttgart aaO). Soweit ersichtlich wurden die Nichtzulassungsbeschwerden durch den BGH mit dem Argument zurückgewiesen, dass ein grenzüberschreitender Sachverhalt nicht erkennbar sei (vgl. BGH, Beschluss vom 24.1.2008, VII ZR 79/07 ebenso OLG Köln, Urteil vom 16.12.2005 – 20 U 204/03).
59Sowohl Art. 49 AEUV als auch Art 56 AEUV setzen einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus. Der Sachverhalt muss einen über den rein innerstaatlichen Rahmen hinausreichenden Gesichtspunkt aufweisen. Sachverhalte, die ausschließlich im Inneren eines Mitgliedsstaates spielen und keine Berührungspunkte mit Sachverhalten aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt, werden von den Grundfreiheiten nicht erfasst (vgl. EuGH, Urt. v. 15.01.1986, „Hurd“, 44/84, Rn. 55, juris; EuGH, Urteil vom 13.2.2014 - C 419/12 „crono service“).
60Allerdings lässt der EuGH zumeist die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Bezugs genügen (vgl. EuGH, Urt. v. 15.12.1982, „Oosthoek’s Uitgeversmaatschappij“, C-286/81, juris; Urt. v. 07.05.1997,„Pistre“, C-321/94 bis C-324/94, Rn. 45, juris; Urt. v. 01.06.2010 „Blanco Pérez C-570/07, Rn. 40, juris; und Urt. v. 05.12.2013 „Venturini“ C-159/12 bis C-161/12, Rn. 25, 26, juris).
61Ein grenzüberschreitender Bezug des konkreten Falls liegt nach Ansicht des Senates nicht vor. Beide Parteien sind Inländer. Das Bauprojekt wurde - soweit ersichtlich - nicht öffentlich ausgeschrieben und hat auch kein solches Ausmaß oder Prestige, dass es eine grenzüberschreitende Attraktivität zeigt. Allerdings betont der EuGH, dass ein grenzüberschreitendes Element namentlich nicht bereits dann auszuschließen ist, wenn lediglich Inländer eines Mitgliedsstaates vor einem Gericht dieses Mitgliedstaates streiten. Insbesondere in seiner Entscheidung vom 05.12.2013 (Az. C-159/12 bis 161/12) hat es der EuGH zur Niederlassungsfreiheit bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt ausreichen lassen, dass die fragliche Regelung Wirkungen entfaltet, die sich nicht auf diesen Mitgliedsstaat beschränken. Im Fall Guimont hat der EuGH - allerdings zur Warenverkehrsfreiheit - einen grenzüberschreitenden Bezug hingegen abgelehnt, da die nationale Vorschrift unterschiedslos auf nationale und eingeführte Waren anwendbar war und (anders als im Fall Pistre) aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Waren nicht mittelbar diskriminierte.
62Das OLG Düsseldorf ist in seinem Urteil vom 28.1.2020 (Az. 21 U 21/19) davon ausgegangen, § 7 Abs. 1 und 3 HOAI 2009 seien wegen Verstoßes gegen Art. 49 AEUV unanwendbar. Das grenzüberschreitende Element sei nicht bereits deshalb auszuschließen, weil nur Inländer vor Gericht streiten. Die Mindestsätze des Art. 7 Abs. 1 HOAI könnten auf einen Architekten, der sich in Deutschland niederlassen wolle, abschreckend wirken, da er nicht mit günstigeren Angeboten antreten könne (vgl. OLG Düsseldorf aaO).
63Demgegenüber hat das Kammergericht Berlin einen grenzüberschreitenden Sachverhalt verneint (vgl. KG Berlin, Urteil vom 12.5.2020 – 21 U 125/19; NJW 2020, 3656). Werde einem in Deutschland niedergelassenen Architekten ein Honorar auf Mindestsatzbasis zugesprochen, so halte dies einen ausländischen Architekten nicht davon ab, sich in Deutschland niederzulassen. Vielmehr werde diesem die Niederlassung in Deutschland attraktiv erscheinen. Das Mindestpreisgebot belaste den Leistungserbringer nur bis zum Abschluss des Vertrages (vgl. KG Berlin aaO). Auch das OLG Celle geht davon aus, dass der Schutzbereich der Art 49, 56 AEUV nicht eröffnet sei. Es handele sich hier um einen ausschließlich innerstaatlichen Sachverhalt, da auf den konkreten Fall abzustellen sei. Es genüge nicht die bloße abstrakte Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Bezugs (vgl. OLG Celle, ZfBR 2021, 409, beck-online).
64Nach Ansicht des Senates fehlt es jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat an der Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes. Stellt ein ausländischer Architekt aufgrund der Rechtsprechung des Senates fest, dass er sich einerseits mit günstigen Angeboten den Zugang zu dem deutschen Markt erschließen und andererseits im „Notfall“ doch auf ein Mindesthonorar zurückgreifen kann, hat dies keine Wirkung, die den Markteintritt behindert. Entsprechend wird auch eine Rückwirkung der Entscheidung des EuGH auf bereits geschlossenen Verträge abgelehnt, weil nicht ersichtlich ist, welchen Vorteil im Wettbewerb dies den betroffenen Architekten/Ingenieuren noch bringen soll (Kniffka/Koeble, Teil 11, Rn. 249e, beck-online). Die Vergangenheit ist im Hinblick auf den Marktzugang irrelevant.
65Dies gilt umso mehr, als die betreffende HOAI 1996/2002 nicht mehr in Kraft ist. Sachverhalte und Entscheidungen zu außer Kraft getretenen Regelungen können die Entscheidung, ob sich ein Architekt aktuell in Deutschland niederlässt oder hier seine Dienstleistung erbringt, nicht mehr beeinflussen können. Dabei wurde die – inzwischen ebenfalls außer Kraft gesetzte - HOAI 2009 zudem gegenüber der HOAI 2002 im Anwendungsbereich erheblich eingeschränkt. Nach § 1 HOAI 2009 galt diese nämlich nur noch für die die Leistungen der Auftragnehmer mit Sitz im Inland, soweit die Leistungen durch diese Verordnung erfasst und vom Inland aus erbracht wurden.
66Zudem gebietet es auch der Zweck der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nicht, die Mindestsätze vorliegend nicht anzuwenden. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Vorlagebeschluss darauf hingewiesen, dass es gegebenenfalls von Bedeutung sein dürfte, inwieweit der Zweck der Niederlassungsfreiheit es erfordert, in Rechtsverhältnissen zwischen Privatpersonen die nationalen Regelungen über die Verbindlichkeit von Mindestsätzen in § 7 HOAI unangewendet zu lassen(vgl. BGH; ZfBR 2020, 652, beck-online). Die Zielrichtung der Entscheidung des EuGH ist der Schutz von Architekten und Ingenieuren. Wenn nun in Rechtsstreiten zwischen Architekten/Ingenieuren einerseits und Auftraggebern andererseits der Mindestpreischarakter verneint wird, dann ist dies ein Ergebnis, welches der EuGH gar nicht gewollt hat. Es wäre nicht nachzuvollziehen, wenn der durch die Richtlinie und Entscheidung Geschützte (Architekt/Ingenieur) der einzige Benachteiligte wäre (Kniffka/Koeble, Teil 11 Recht der Architekten und Ingenieure Rn. 249e, beck-online). Auch im Rahmen der Dienst- und Niederlassungsfreiheit selbst kann der durch diese Freiheitsrechte Geschützte nicht der ausschließlich Benachteiligte sein. Zudem bringt eine zeitliche Rückwirkung im Hinblick auf die Erleichterung und Ermöglichung von Wettbewerb keine Vorteile (vgl. Kniffka/Koeble, Teil 11, Rn. 249f-g).
67Der Senat ist nicht verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, weil er nicht letztinstanzliches Gericht im Sinne der Vorschrift ist.
68b)
69Ein konkludenter Verzicht der Klägerin auf eine Abrechnung nach dem Mindestsätzen ist nicht festzustellen. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind strenge Anforderungen zu stellen, er darf nicht vermutet werden (BGH NJW 2007, 368; NJW 2006, 1511). Diesen Grundsätzen entsprechend liegt sogar in der Stellung einer Schlussrechnung, in der die Honorarforderung nicht vollständig ausgewiesen ist, regelmäßig kein Verzicht auf die weitergehende Forderung (vgl. BGH NJW-RR 2016, 213; OLG Hamm, NJW 2020, 247). Die Tatsache, dass die Klägerin hier Abschlagsrechnungen auf Grundlage des Pauschalpreises aufgestellt hatte, lässt allein erst recht nicht den Schluss zu, dass sie auf weitergehende Ansprüche hätte verzichten wollen, denn aus ihnen ergab sich eine lediglich vorläufige Abrechnung.
70c.
71Die Klägerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens an einer Abrechnung nach Mindestsätzen gehindert. Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrages ein Honorar, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise unterschreitet, so verhält sich der Architekt, der später nach den Mindestsätzen abrechnen will, widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einem Geltendmachen der Mindestsätze entgegen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte und der sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 14.5.2020; VII ZR 174/129 mwN).
72aa)
73Ein widersprüchliches Verhalten der Klägerin liegt vor, da es sich gegen die vertragliche Vereinbarung wendet. Vorliegend ergab sich bereits im Zeitpunkt der 9. Abschlagsrechnung für die Klägerin, dass die anrechenbaren Kosten den ursprünglich angenommenen Betrag überstiegen und das Pauschalhonorar (zumindest jetzt) die Mindestsätze erheblich (um knapp 30.000 €) unterschritt. Wenn sie dennoch mit der 9. Abschlagsrechnung und unter Offenlegung der Mindestsatzunterschreitung an dem Pauschalhonoarar festhält, ist eine spätere Abrechnung nach Mindestsätzen widersprüchlich.
74bb )
75Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht auf die Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung vertraut hätte, sind nicht ersichtlich. Gibt es keine besonderen Umstände, dann spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Auftraggeber auf die Wirksamkeit vertraut hat (Kniffka/Koeble, 11. Teil, Rn. 465, beck-online)
76cc)
77Allerdings durfte die Beklagte nicht auf die Wirksamkeit der Pauschalpreisabrede vertrauen. Denn ihr war das zwingende Preisrecht der HOAI bekannt gewesen.Dies kann schon aufgrund der Größe des Projekts angenommen werden (vgl Kniffka/Koeble Teil 11 Rn. 468). Zudem bestand der Geschäftszweck der Beklagten in der Projektentwicklung auf dem Immobiliensektor. HOAI-Kundige genießen vom Grundsatz her keinen Schutz. Dem Architekten und Ingenieur kann zwar in Ausnahmefällen nach Treu und Glauben die Abrechnung nach Mindestsätzen auch gegenüber einem HOAI-kundigen Auftraggeber untersagt sein, wenn er durch sein Verhalten ein besonderes Vertrauen dahin erweckt hat, er werde sich an die Pauschalvereinbarung halten (vgl. BGH NJW 2012, 848). Ein solches besonderes Vertrauen wird allerdings nicht allein dadurch begründet, dass ein Architekt oder Ingenieur den Vertrag nach der getroffenen Pauschalvereinbarung abrechnet (vgl. BGH aaO). Mithin genügt es nicht, dass die Klägerin die 9. Abschlagszahlung noch auf Basis des Pauschalhonorars gestellt hat, zumal es sich hier eben nur um eine Abschlagszahlung handelte und ein professioneller Auftraggeber um das Erfordernis der Schlussrechnung weiß.
78dd)
79Zuletzt ist weder ersichtlich, dass sich die Beklagte auf die unwirksame Honorarvereinbarung eingerichtet hätte, noch, dass ihr die Zahlung des Differenzbetrages unzumutbar wäre. Das „Einrichten“ auf die unwirksame Honorarvereinbarung bedarf der Substantiierung. Es genügt also nicht, wenn der Auftraggeber nur vorträgt, er habe sich auf die Honorarvereinbarung im Rahmen der Finanzierung eingestellt (Kniffka/Koeble, 11. Teil Rn. 469, beck-online). Vorliegend behauptet die Beklagte zwar, das konkrete Bauvorhaben sei abgewickelt, der Verkaufserlös ausgezahlt und einzelnen Gesellschafter ausgeschieden und einzelne Gesellschafter seien ausgeschieden. Andererseits besteht die Gesellschaft noch zur Abwicklung von Gewährleistungsansprüchen und scheint auch noch über Kapital zu verfügen, über dessen Höhe die Beklagte keine Auskunft gibt. So hat sie lediglich vorgetragen „gegebenenfalls“ wären die Gesellschafter verpflichtet, Kapital zur Erfüllung des Klageanspruch nachzuschießen (Bl. 139).
80Weitere Voraussetzung für den Ausschluss der Nachforderung auf Mindestpreisbasis ist, dass dem Auftraggeber „die Zahlung des Differenzbetrages“ nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann. Die Folgen müssen nahezu untragbar sein (Kniffka/Koeble, 11. Teil, Rn. 470, beck-online). Auch daran fehlt es. Hier lagen die Kosten mit zusätzlichen 60.000 € circa 71 % oberhalb des für die LP 5 vereinbarten Pauschalpreises. Eine „Preissteigerung“ dieser Größenordnung ist jedenfalls auf Basis des Vortrags der Beklagten nicht unzumutbar (vgl. ebenso OLG München, NJW-RR 2013, 922, beck-online).
81d)
82Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist auch nicht von einer Verwirkung der Honorarforderung auszugehen.
83Vorliegend fehlt es jedenfalls an einem Umstandsmoment. Hierfür müssten Umstände vorliegen, die das Vertrauen rechtfertigen, der Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht. Für einen in Architektenhonorarfragen kundigen Auftraggeber kommt eine Verwirkung der Honorarforderung aus einer Schlussrechnung grundsätzlich nicht in Betracht, solange die Schlussrechnung noch nicht gestellt und die Forderung damit nicht fällig ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 14.1.2014, 24 U 186/12; KG Berlin, NJOZ 2008, 376; Knifka/Koeble aaO Teil 11, Rn. 472).Angesichts der klaren Rechtsprechung zum Beginn der Verjährung besteht für den Auftraggeber von Architektenleistungen bis zur Vorlage einer solchen Rechnung kein Anlass, darauf zu vertrauen, dass der Architekt seine Honorarforderung nicht mehr geltend machen werde (Vgl. KG Berlin, NJOZ 2008, 376). Zudem kann der Vertrauenstatbestand nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (vgl. BGH NJW 2003, 824, beck-online).
84Vielmehr müssten Umstände aus der Sphäre der Klägerin hinzutreten, die ein dahingehendes Verständnis der Beklagten hervorrufen und rechtfertigen. Dies wurde beispielsweise bejaht für die die Nichtübermittlung einer vom Architekten ausdrücklich angekündigten Rechnung (OLG Köln NJW-Spezial 2014, 13; OLG Hamm IBR 2012, 403). Solche Umstände liegen nicht im schlichten Stillschweigen (vgl. auch Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rdnrn. 2788 f.; OLG München Urt. v. 24.3.2015 – 9 U 3489/14). Vorliegend ist ab dem Zeitpunkt der Schlussrechnungsreife kein Verhalten der Klägerin ersichtlich, welches ein Vertrauen der Beklagten dahingehend hätte begründen können, dass es nicht mehr zu einer Schlussrechnung kommen werde. Auf die Stellung der Abschlagsrechnung kommt es in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht an, weil diese vor Eintritt der Schlussrechnungsreife gestellt wurde. Außerdem lässt die Abschlagsrechnung klar erkennen, dass es sich gerade nicht um eine Schlussrechnung handelt.
85Auch die Umstände im Zusammenhang mit der Besichtigung von Rissen in der Tiefgarage vermögen ein solches Vertrauen nicht zu begründen. Es fehlt schon an einem Erfahrungssatz dahingehend, dass ein Unternehmer eine Schlussrechnung spätestens dann stellt, wenn ein Mangel gerügt wird. Überdies ist nicht erkennbar, dass es um Mängel in der Leistung der Klägerin ging. Vielmehr wurde diese um die Begutachtung von Rissen gebeten. Zudem richtete die Klägerin ihre Stellungnahme an die Architekten. Auch wenn die Firma Sch… hier offensichtlich im Namen der Beklagten agieren wollte, ist aus der Korrespondenz ersichtlich, dass die Klägerin die Firma Sch… als Ansprechpartnerin ansah. Insofern konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, die Klägerin werde schon deshalb keine Schlussrechnung mehr stellen, weil sie dies nicht gegenüber der Firma Sch… angezeigt hatte.
864.
87Die von der Klägerin berechnete Forderung in Höhe von 67.420,58 € stellt den Mindestsatz nach §§ 62 ff. HOAI 1996/2002 dar.
88Das Honorar für Grundleistungen bei der Tragwerksplanung richtet sich nach den anrechenbaren Kosten des Objekts, nach der Honorarzone, der das Tragwerk angehört, sowie nach der Honorartafel, vgl. § 62 Abs. 1 HOAI 2002.
89a)
90Die anrechenbaren Kosten für die Leistungsphase 5 sind unter Zugrundelegung der Kostenermittlungsarten nach DIN 276 nach der Kostenfeststellung zu ermitteln. Die Klägerin beruft sich unter Bezugnahme auf die Anlage K 3 darauf, die auf Basis der DIN 276-1 Stand 1981 ermittelten anrechenbaren Kosten beliefen sich auf 7.264.005,00 €. Diese Summe ist der Mindestsatzberechnung zugrunde zu legen. Nach § 62 Abs. 4 HOAI 2002 sind anrechenbaren Kosten bei Gebäuden und baulichen Anlagen 55 % der Kosten der Baukonstruktion und besonderen Baukonstruktion und 20 % der Kosten der Installation und besonderen Installation.
91Unstreitig war auf Basis der Anlage K 3, dass sich die Kosten der grundsätzlich maßgeblichen Kostengruppen 300 und 400 insgesamt auf 14.670.918,00 € beliefen. Die Beklagte hat dies vorprozessual zugestanden (Anlage K7) und im Verfahren nicht substantiiert bestritten. Dies wäre aber erforderlich gewesen. Sämtliche Kostenermittlungen sind Leistungen des Objekt-, nicht des Tragwerkplaners (vgl. KG Urt. v. 12.5.2020 – 21 U 125/19, BeckRS 2020, 8170 Rn. 65). Die Kostenermittlung ist Bauherrenleistung, so dass der Auftraggeber gegenüber dem Tragwerkplaner vorlagepflichtig ist und diesem einen Anspruch auf Auskunft, Einsichtnahme und Herausgabe zusteht (vgl. BGH, NJW 1995, 399). Der Tragwerkplaner muss den Anspruch nicht im Wege der Klage durchsetzen, sondern kann auch eine eigene Kostenberechnung aufstellen (vgl. BGH aaO). Erst wenn der Auftraggeber die Richtigkeit dieser Berechnung substantiiert bestritten hat, obliegt es dem Auftragnehmer seinen Sachvortrag zu den Berechnungsgrundlagen ggf. zu ergänzen (vgl. BGH a.a.O.; KG Berlin aaO.; Werner, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Auflage 2018, Rn. 1911). Auch eine Kostenschätzung kann der Honorarberechnung zugrunde gelegt werden (vgl. BGH a.a.O.; Zahn a.a.O.; Werner a.a.O.; Korbion a.a.O.).
92Sofern die Beklagte bemängelt, anstelle der DIN 276 Stand 1981 sei die DIN 276 Stand 2008 zur Anwendung gekommen (Bl. 30), betrifft dies nur die Prüffähigkeit der Rechnung. So stellt die Beklagte darauf ab, sie könne nicht prüfen, ob eine Falschzuordnung zu den Kostengruppen stattgefunden habe. Mit einem Einwand gegen die Prüffähigkeit der Rechnung ist die Beklagte aber inzwischen ausgeschlossen. Im Schreiben vom 26.4.2016 hat sie diesen Einwand nicht erhoben. Dass sich bei Anwendung der DIN 276 Stand 1981 ein Unterschied ergibt, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
93Die Beklagte hat auch hinsichtlich der von der Klägerin vorgenommenen Zuordnung der Kosten zu den Kostengruppen keine substantiierten Einwände vorgebracht. Zwar hat sie vorgerichtlich behauptet, die Kosten der Installation und besonderen Installation betrügen nicht nur 2,3 Mio. € sondern 2.636.024,82 €. Im Prozess hat sie diesen Vortrag nicht wiederholt, sondern nur die Höhe der Kostengruppe generell bestritten. Dabei obläge es ihr, konkreter darzulegen, woraus sich ihres Erachtens die etwas höhere Summe ergibt. Dies gilt schon deshalb, als die Klägerin im Prozess ihr Informationsinteresse geltend gemacht und die Beklagte aufgefordert hat, die tatsächlichen anrechenbaren Kosten offenzulegen, sofern sie von der Anlage K3 abwichen. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
942.
95Es ist von der Honorarzone III auszugehen. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass es sich bei dem Tragwerk in allen Geschossebenen um statisch unbestimmte Deckensysteme handelte, was ein Regelbeispiel der Honorarzone III darstellt, vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 3 HOAI. Dies hat die Beklagte nicht ausreichend bestritten. Sofern sie darauf rekurriert, es handele sich um ein statisch wenig komplexes Gebäude, erschöpft sich der Vortrag in einer nicht überprüfbaren Wertung. Es bleibt offen, auf Basis welcher Tatsachen die Beklagte von einer geringen statischen Komplexität ausgeht. Dies gilt umso mehr, als die Parteien für Zusatzarbeiten die Honorarzone III vereinbart haben. Solange die vertragliche Vereinbarung einer Honorarzone vertretbar ist, ist sie vom Gericht zu berücksichtigen (vgl. BGH BauR 2004, 354) und kann daher als Indiz dafür gewertet werden, wie auch die Beklagte die statische Komplexität vorab bewertet hat. Auf den Typ des Bauwerks kommt es im Rahmen von § 63 HOAI nicht an. Sonstige Fehler in der Berechnung der Klägerin sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht.
96V.
97Der Zinsanspruch der Klägerin ist aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB gerechtfertigt. Mit Schreiben vom 17.3.2016 hat die Klägerin die Beklagte zum Ausgleich der Schlussrechnung bis zum 15.4.2016 aufgefordert.
98III.
99Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind gegeben. Wie der Senat dargelegt hat, bestehen unterschiedliche Entscheidungen von Obergerichten zu der Frage, ob auch die Grundfreiheiten selbst einer Anwendung der Mindestsätze im Verhältnis zwischen Personen des Privatrechts entgegenstehen können.
100Streitwert 2. Instanz : 67.420,- €