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Bei der Entscheidung über eine nachträgliche Verlängerung der Frist zur Anzeige einer Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV darf die Bundesnetzagentur den Umstand, dass der bei einer Fristverlängerung anfallende Erstattungsbetrag über die § 19 StromNEV-Umlage durch die Gesamtheit der Netznutzer refinanziert wird, nicht als erheblichen, gegen die Fristverlängerung sprechenden Umstand berücksichtigen. Etwas anderes gilt für das öffentliche Interesses bzw. Kollektivinteresses der Netznutzer an der Vermeidung von Verwerfungen bei der § 19 StromNEV-Umlage, wenn eine präjudizielle Wirkung der Fristverlängerung auf eine Vielzahl von vergleichbaren Verfahren nach den Gesamtumständen nennenswerte Verwerfungen konkret befürchten lässt.
Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom …, wird aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, über den Antrag der Beschwerdeführerin zur Verlängerung der Frist zur Anzeige einer Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV für die Abnahmestelle mit der Marktlokations-ID …für die Jahre 2014 bis 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin trägt die Bundesnetzagentur.
Der Beschwerdewert wird auf … Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
2A.
3Die Beschwerdeführerin betreibt am Standort …ein Werk …. Zuvor wurde dies von der … betrieben, deren gesamten Geschäftsbetrieb die Beschwerdeführerin mit Wirkung zum … übernahm.
4Die hier streitgegenständliche Abnahmestelle … ist unter der Marktlokations-ID …über drei Trafos an das Elektrizitätsversorgungsnetz der Beteiligten angeschlossen, wobei über die Trafos … elektrische Energie aus dem Netz der Beteiligten bezogen und über den Trafo … elektrische Energie aus dem von der Beschwerdeführerin bzw. zuvor ihrer Rechtsvorgängerin (im Folgenden zur Vereinfachung ebenfalls als Beschwerdeführerin bezeichnet) betriebenen Biomassekraftwerk eingespeist wird. Die Entnahme über die Trafos … in den Jahre 2012 bis 2016 belief sich jeweils auf eine Jahresbenutzungsstundenzahl von über 7.000 Stunden, bei einer Saldierung mit den über den Trafo … vorgenommenen Einspeisungen lag sie unter 7.000 Stunden.
5Mit Schreiben vom 31.01.2014 forderte die Beschwerdeführerin die Beteiligte zum Angebot einer Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV für das Jahr 2014 und die Folgejahre für die Abnahmestelle ... auf. Die Beteiligte vertrat - wie die Bundesnetzagentur in ihrem Schreiben vom 10.07.2014 - die Ansicht, dass Entnahmen und Einspeisungen einer Abnahmestelle bei der Bestimmung der Benutzungsstunden zu saldieren seien, sofern ein physikalischer Zusammenhang zwischen dem Einspeisepunkt eines Biomassekraftwerks und den Entnahmepunkten bestehe. Auf die Anfrage der Beschwerdeführerin teilte die Bundesnetzagentur mit E-Mail vom 11.09.2014 mit, dass nach ihrer Einschätzung ein physikalischer Zusammenhang zwischen den Entnahme- und Einspeisestellen bestehe. Am 17.09.2014 übersandte die Beschwerdeführerin der Beteiligten die Stellungnahme der Bundesnetzagentur vom 11.09.2014 und führte aus, dass sie die Auffassung der Bundesnetzagentur für fehlerhaft und rechtswidrig halte. Gleichzeitig schlug sie den Abschluss der in Kopie beigefügten individuellen Netzentgeltvereinbarung vor, die sodann zur Genehmigung bei der Bundesnetzagentur eingereicht werden sollte. Gegen eine etwaige Versagung der Genehmigung würde sie sodann ein Rechtsmittel einlegen und den von der Bundesnetzagentur bejahten physikalischen Zusammenhang gerichtlich überprüfen lassen. Die Beteiligte verweigerte den Abschluss einer solchen Vereinbarung mit Schreiben vom 23.09.2014.
6Nachdem der Senat mit rechtskräftigem Beschluss vom 04.08.2018 (VI-3 Kart 46/17 [V]) die Beschwerde der Beteiligten gegen die am 30.01.2017 erfolgte Genehmigung einer mit der Beschwerdeführerin für die Kalenderjahr 2012 und 2013 getroffenen individuellen Netzentgeltvereinbarung (Az.: BK4-16-163) mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass es für die Ermittlung des individuellen Netzentgeltes nur auf die aus dem Netz der Beteiligten erfolgte Stromentnahme ankomme, ohne dass eine Saldierung mit der über die EEG-Anlage erfolgten Einspeiseleistung vorzunehmen sei, erklärte sich die Beteiligte im Januar 2019 erstmals zum Abschluss einer individuellen Netzentgeltvereinbarung für die Jahre 2014 bis 2016 unter dem Vorbehalt bereit, dass die Beschwerdeführerin eine Fristverlängerung für die Anzeige der Vereinbarung eines individuellen Netzentgeltes erwirkt. Entsprechend beantragte die Beschwerdeführerin bei der Bundesnetzagentur mit Schreiben vom 25.01.2019 gemäß § 31 Abs. 7 VwVfG die rückwirkende Verlängerung der Frist zur Anzeige einer Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV für die Abnahmestelle ... für die Jahre 2014 bis 2016. Gemäß Punkt II.5.e) der Festlegung der Bundesnetzagentur zur sachgerechten Ermittlung individueller Netzentgelte vom 11.12.2013 (Az. BK4-13-749) sind Vereinbarungen über individuelle Netzentgelte spätestens am 30.09. des Jahres, in dem sie erstmals zur Anwendung kommen sollen, gegenüber der Bundesnetzagentur anzuzeigen. Die Bundesnetzagentur lehnte sodann den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Anzeige der Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt durch Beschluss vom 05.06.2019 (Az. BK4-19-004) ab. In dem hiergegen geführten Beschwerdeverfahren hob der erkennende Senat die Entscheidung auf den Hilfsantrag der Beschwerdeführerin durch Beschluss vom 01.04.2020 (VI-3 Kart 779/19 [V]) auf und verpflichtete die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung, da die Begründung der Ermessensentscheidung keine hinreichenden, konkret auf den Fall der Beschwerdeführerin bezogenen Sacherwägungen aufweise und deshalb ein Abwägungsdefizit vorliege.
7Mit dem hier streitgegenständlichen Beschluss vom 10.08.2020 (Az. BK4-19-004A001) hat die Bundesnetzagentur nach Anhörung der Beschwerdeführerin deren Fristverlängerungsantrag erneut abgelehnt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in eine gesetzliche Frist, bei deren Vorliegen eine nachträgliche Verlängerung der Anzeigefrist gemäß § 31 Abs. 7 S. 2 VwVfG zu gewähren sei, nicht vorlägen. Eine nachträgliche Fristverlängerung sei auch nicht aus Billigkeitserwägungen geboten. Bei Abwägung der relevanten Interessenpositionen sei das wirtschaftliche Individualinteresse der Antragstellerin als gering einzustufen und trete als solches hinter die Kollektivinteressen zurück. Die Netzentgeltreduktion entspreche gerade einmal einem Anteil von 0,54 % der im selben Zeitraum erzielten Umsätze, ausgehend vom Umsatz der Konzernmutter in der Sparte …, in der die Beschwerdeführerin am Standort ... tätig sei, weshalb diesem Gesichtspunkt keine gesteigerte Bedeutung und damit kein besonderes Gewicht im Rahmen der Abwägung beigemessen werden könne. Das wirtschaftliche Interesse sei vielmehr allenfalls als normal, eher aber bereits aus diesem Grund als gering einzustufen. Auch eine Betrachtung des Anteils der hier streitgegenständlichen Stromkosten an der Bruttowertschöpfung rechtfertige keine andere Beurteilung. Jedenfalls ergebe sich das geringe Gewicht des wirtschaftlichen Interesses angesichts des der Beschwerdeführerin vorwerfbaren Verschuldens an der Fristversäumnis, in deren Rahmen der – nicht rechtsverbindlichen - Auskunft der Beschlusskammer aus dem Jahr 2014 keine gesteigerte Bedeutung beizumessen sei. Die Unterstützung des Begehrens der Beschwerdeführerin durch den Netzbetreiber sei hingegen für die Billigkeit der Verweigerung der Fristverlängerung nicht ausschlaggebend. Die offensichtlich nachteiligen Auswirkungen einer nachträglichen Fristverlängerung für die Gemeinschaft der Netznutzer ließen es angesichts der eigenen Versäumnisse der Beschwerdeführerin als unbillig erscheinen, dass die Netznutzergemeinschaft die Netzentgeltreduktion zugunsten der Beschwerdeführerin refinanziere. Wenn man in diesem Zusammenhang auf die materiell-rechtliche Ordnungsgemäßheit der Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts abstelle, liefe die Anzeigefrist im Ergebnis faktisch leer. Schließlich sprächen auch der Sinn und Zweck der Anzeigefrist gegen eine Fristverlängerung. Es bestehe ein öffentliches Interesse dahingehend, dass Verwerfungen im bundesweiten Refinanzierungsmechanismus, der sog. § 19 StromNEV-Umlage, vermieden würden. Insoweit sei insbesondere - höchstrichterlich bestätigt – die Präjudizwirkung im Massenverfahren zu berücksichtigen.
8Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den von ihr als ermessensfehlerhaft angesehenen Beschluss und macht geltend, dass die Bundesnetzagentur zunächst die wirtschaftliche Bedeutung der Ablehnungsentscheidung verkannt habe. Sie begründe nicht, warum es nicht auf den absoluten Erstattungsbetrag, sondern dessen Verhältnis zur Größe und Finanzkraft des Unternehmens ankomme, und könne dies nicht – zudem mit verfehlten Erwägungen – in der Beschwerdeerwiderung nachholen. Allenfalls könne der Gewinn des Unternehmens und nicht dessen Umsatz als Vergleichsgröße herangezogen werden. Der maßgebliche Umsatz der Jahre 2014 bis 2016 könne ohnehin nicht aus dem Gesamtkonzernumsatz des Geschäftsjahres 2017/2018 hergeleitet werden. Es bleibe unklar, unter welchen konkreten Voraussetzungen eine „erhebliche wirtschaftliche Betroffenheit“ anzunehmen sei. Die von der Bundesnetzagentur vorgenommene Einordnung sei willkürlich, der angenommene „Grenzwert“ verkenne die wirtschaftliche Bedeutung der Netzentgelte. Tatsächlich sei sie wirtschaftlich erheblich betroffen, da ihre Jahresüberschüsse ausweislich der vorgelegten Jahresabschlüsse im Jahr 2014 bei – …Euro, im Jahr 2015 bei … Euro und im Jahr 2016 bei … Euro gelegen hätten, so dass der ausstehende Erstattungsbetrag von ca. … Euro 47 % des Unternehmensgewinns in diesem Zeitraum entspreche. Gleichzeitig entspreche er mehr als 3,5 % ihrer gesamten Bruttowertschöpfung in diesem Zeitraum. Soweit die Bundesnetzagentur feststelle, dass dem wirtschaftlichen Interesse in der Abwägungsentscheidung angesichts der Versäumnisse der Beschwerdeführerin ohnehin nur ein geringes Gewicht beizumessen sei, verkenne sie, dass das wirtschaftliche Interesse als eigenständiges Kriterium unabhängig vom behaupteten Versäumnis zu berücksichtigen sei und keine subjektive Abwertung rechtfertige.
9Eine Abwägungsfehleinschätzung liege zudem deshalb vor, weil sich die Bundesnetzagentur bei ihrer Ermessensentscheidung von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen. Hierzu zähle das Abstellen auf den Schutz der Solidargemeinschaft der Netzentgeltzahler, über die der Erstattungsbeitrag nach § 19 StromNEV refinanziert werde. Eine Reduzierung der Netzkosten durch die Ablehnung der Fristverlängerung sei weder vom Sinn und Zweck der Regelung des § 31 Abs. 7 VwVfG noch der nachträglich zu verlängernden Anzeigefrist gedeckt. Erstere verlange eine Abwägung der Rechtsfolgen des Fristablaufs für den Betroffenen mit denen der Fristverlängerung für die Behörde, letztere diene dazu, die Ermittlung der § 19 StromNEV-Umlage in angemessener Zeit zu gewährleisten und Anschlussnetzbetreibern Rechtssicherheit mit Blick auf die Erlössituation zu vermitteln. Es stehe der Bundesnetzagentur nicht zu, über die Ablehnung einer Fristverlängerung faktisch eine Entscheidung über die materiell-rechtliche Berechtigung der Beschwerdeführerin über die Inanspruchnahme eines individuellen Netzentgelts zu treffen. Auch die mit der Entscheidung ersichtlich bezweckte „Sanktionierung“ des Versäumnisses der Beschwerdeführerin stelle eine sachfremde Erwägung dar, was schon daraus deutlich werde, dass das betroffene Netzentgelt das 43-fache der Geldbuße betrage, die maximal für einen Verstoß gegen eine Anordnung der Bundesnetzagentur verhängt werden könne.
10Die Ablehnungsentscheidung sei darüber hinaus unverhältnismäßig, da die abzuwägenden Belange nicht im Verhältnis ihrer objektiven Gewichtigkeit bewertet worden seien. So habe die Bundesnetzagentur ihren eigenen erheblichen Verursachungsbeitrag an dem Fristversäumnis nicht angemessen berücksichtigt. Die Bundesnetzagentur gehe selbst davon aus, dass sich die Parteien in aller Regel nach der eingegebenen Einschätzung richten würden. Die Beteiligte habe sich ausdrücklich auf Grund der Rechtsauskunft der Bundesnetzagentur geweigert, eine individuelle Netzentgeltvereinbarung abzuschließen. Hätte die Bundesnetzagentur die falsche Rechtsauskunft nicht erteilt, wäre es gar nicht erst zu einem Fristversäumnis gekommen. Auch die Position der Beteiligten habe die Bundesnetzagentur nicht angemessen gewürdigt. Entscheidend für die Abwägungsentscheidung sei, dass es – anders als üblich – keine gegenläufigen Interessen der beteiligten Netzbetreiber gebe. Auch das eigene Interesse der Beteiligten an der Bewilligung der Fristverlängerung sei zu berücksichtigen. Dieser stünden auch keine öffentlichen Interessen entgegen. Schon wegen des Volumens des bundesweiten Wälzungsmechanismus seien Verwerfungen nicht zu befürchten und könnten per se eine Abwägungsentscheidung gegen die Fristverlängerung nicht rechtfertigen. Es sei ausgeschlossen, dass eine Fristverlängerung eine Ausstrahlungswirkung auf eine Vielzahl anderer Fälle hätte. Anhaltspunkte, dass eine Vielzahl vergleichbarer Fälle sie an ihre kapazitativen Grenzen bringe, habe die Bundesnetzagentur nicht geliefert. Die Bundesnetzagentur selbst nehme nur eine hypothetische, nicht eine konkrete Ausstrahlungswirkung an und benenne keinen einzigen konkreten Fall, auf den sich die Entscheidung übertragen lasse. Fälle, in denen mit Blick auf individuelle Netzentgeltvereinbarungen nachträgliche Fristverlängerungsanträge gestellt würden, unterschieden sich in kapazitativer Hinsicht und ihren Auswirkungen auf die rechtssichere Abwicklung des Umlageprozesses nicht von solchen, in denen ein Betroffener unmittelbar gegen die Ablehnung des individuellen Netzentgelts oder die fehlerhafte Rechtsauskunft vorgehe. Die Begründung der Ablehnung der Fristverlängerung mit öffentlichen Interessen widerspreche zudem der Rechtsprechung des Senats und führe dazu, dass der Anzeigefrist eine materiell-rechtliche Ausschlusswirkung zukomme. Schließlich sei ihr eigenes Verschulden nicht angemessen berücksichtigt, da der Verursachungsbeitrag der Bundesnetzagentur und auch der Beteiligten zu Unrecht ausgeblendet werde und keine Bewertung ihres eigenen Verursachungsbeitrags im konkreten Einzelfall erfolge. Der Vorwurf beschränke sich darauf, dass sie im September 2014 die Einleitung eines Missbrauchsverfahrens versäumt habe, wobei er wiederum voraussetze, dass die Bundesnetzagentur in diesem Fall auch eine (zumindest konkludente) Verlängerung der Anzeigefrist gewährt hätte. Ihr Unterlassen könne allenfalls als leicht fahrlässig bewertet werden, zumal sie mit Blick auf ihre Rechtsposition gerade nicht untätig geblieben sei.
11Die Beschwerdeführerin beantragt,
12den Beschluss des Bundesnetzagentur vom 10.08.2020, Az. BK4-19-004A001, aufzuheben und die Bundesnetzagentur zu verpflichten, über den Antrag der Beschwerdeführerin zur Verlängerung der Frist zur Anzeige einer Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV für die Abnahmestelle mit der Marktlokations-ID … für die Jahre 2014 bis 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
13Die Bundesnetzagentur beantragt,
14die Beschwerde zurückzuweisen.
15Die Bundesnetzagentur verteidigt den angefochtenen Beschluss als rechtmäßig. Ihre Ermessensentscheidung sei rechtfehlerfrei. Der von ihr angelegte Prüfungsmaßstab sei zutreffend. Insbesondere sei höchstrichterlich anerkannt, dass sie auch das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Verwerfungen der sog. § 19 StromNEV-Umlage und insoweit die Präjudizwirkung des Einzelfalls im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung einstellen dürfe.
16Es liege keine Abwägungsfehleinschätzung vor. Es sei sachlich zutreffend, für die Bewertung des wirtschaftlichen Interesses der Beschwerdeführerin nicht allein auf die Höhe der Netzentgeltreduktion abzustellen, da in den Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 S. 2 StromNEV nur sehr intensive Netznutzer mit hohen Netzentgeltbeträgen fielen. Auch könne es nicht darauf ankommen, für wie viele Anzeigejahre ein Antrag gestellt werde. Es sei vielmehr sachgerecht, den Umsatz als Vergleichswert heranzuziehen. Die Umsätze nach den originären Jahresabschlüssen der Beschwerdeführerin seien sogar noch höher als die im Beschluss zugrunde gelegten Spartenabschlüsse der Konzernmutter (… statt …Euro). Ihrer Vergleichsbetrachtung lasse sich entnehmen, welche Bedeutung die Netzentgeltreduktion für die Geschäftstätigkeit des Letztverbrauchers habe, da die zu zahlenden Netzentgelte eine Kostenposition seien, die den Umsatzerlösen gegenüberstehe. Eine im Einzelfall trotz Umsatzstärke gleichwohl vorliegende Insolvenzgefahr wäre zwar zu berücksichtigen, sei aber von der Beschwerdeführerin nicht vorgetragen worden. Jahresüberschuss und Bruttoproduktionswert seien gegenüber dem Umsatz weniger geeignete Vergleichsgrößen. Die Berechnung der Beschwerdeführerin belege zudem, dass die ausgebliebene Netzentgeltreduktion keine wirklich bedeutsame Kostenposition im Geschäftsbetrieb sei. Der Bruttoproduktionswert umfasse ausschließlich den im Produktionsprozess geschaffenen Mehrwert und sei des Weiteren praxisuntauglich, da er nicht veröffentlichungspflichtig sei. Generelle Grenzen bei der Entscheidung über die Gewichtung habe sie nicht benennen müssen.
17Sie habe bei der getroffenen Ermessensentscheidung auch keine sachfremden Erwägungen angestellt. Zutreffend habe sie die Kollektivinteressen der die individuellen Netzentgelte refinanzierenden Netznutzer an einer sachgerechten Handhabung des Privilegierungstatbestandes berücksichtigt. Die streitgegenständliche Anzeigefrist sei zwar keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, diene aber der Ausgestaltung des Anzeigeverfahrens nach § 19 Abs. 2 StromNEV. Ließe man das Interesse der Netznutzer unberücksichtigt, drohe die Anzeigefrist faktisch leerzulaufen. Die Fristverlängerung könne aber – höchstrichterlich bestätigt – kein zwingendes, sondern nur ein mögliches Ergebnis im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 31 Abs. 7 S. 2 VwVfG sein. Dass sie das Verschulden der Beschwerdeführerin im Rahmen der Billigkeitsprüfung berücksichtigt habe, sei sachangemessen und habe keinen Sanktionscharakter.
18Sie habe die betroffenen Interessenspositionen auch zutreffend gegeneinander abgewogen. Das Verschulden der Beschwerdeführerin habe sie im Rahmen der Gewichtung deren Interesses an der Fristverlängerung, zu der auch die Schutzwürdigkeit des Interesses gehöre, berücksichtigt und lediglich im Rahmen der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen wieder aufgegriffen, so dass eine Doppelberücksichtigung nicht vorliege. Mit Blick auf den Verschuldensmaß sei im Rahmen der Billigkeitsentscheidung keine Einordnung in die Kategorien von Vorsatz und Fahrlässigkeit erforderlich. Zudem sei in Ansehung der angestellten Vergleichsbetrachtung selbst dann keine abweichende Gewichtung angezeigt, wenn man das Verschulden der Beschwerdeführerin als leicht fahrlässig einstufen wollte. Dies sei aber angesichts des bewussten Verzichts der bereits anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin auf die Klärung einer für sie wirtschaftlich bedeutsamen Frage auch nicht gerechtfertigt. Ihren eigenen Verursachungsbeitrag habe sie angemessen berücksichtigt. Schon weil die Beschwerdeführerin in der Position gewesen sei, Rechtssicherheit herbeizuführen, überwiege deren Verursachungsbeitrag deutlich. Auch die Verweigerung des Anschlussinhabers sei berücksichtigt worden. Dass sie mit Blick auf dessen wirtschaftliches Interesse darauf abgestellt habe, dass sich dieses in der für individuelle Netzentgelte typischen Interessenlage erschöpfe, sei rechtlich nicht zu beanstanden, hieran ändere auch das mit der Beschwerdeführerin geführte Zivilverfahren nichts.
19Entscheidend gegen die Fristverlängerung stritten die aufgezeigten öffentlichen Interessen. Verwerfungen im Wälzungsmechanismus seien zwar nicht durch den hier streitgegenständlichen Einzelfall, aber durch eine Vielzahl vergleichbarer Fälle zu befürchten und nicht unwahrscheinlich. So habe es im Jahr 2020 in ihrem Zuständigkeitsbereich 844 Neuanzeigen nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV und 77 Anzeigen nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV gegeben, in den Vorjahren sogar deutlich mehr als 1000 Anzeigen. Die Beschwerdeführerin verkenne den Anknüpfungspunkt für die im angefochtenen Beschluss skizzierte Ausstrahlungswirkung. Es sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich, dass bereits eine Vielzahl weiterer Anträge vergleichbaren Inhalts vorliege, vielmehr seien auch potentielle Fallkonstellationen relevant. Zudem fasse die Beschwerdeführerin die Fälle, die von der Ausstrahlungswirkung betroffen seien, zu eng. Mit Blick auf die zu befürchtenden Verwerfungen im bundesweiten Wälzungsmechanismus habe sie sich nicht auf kapazitative Engpässe berufen. Maßgeblich sei, dass in dem Szenario, in dem Letztverbraucher die höchstrichterliche Klärung ihrer Rechtsfrage untätig abwarteten, sie keine Kenntnis hiervon habe und ihrer Überwachungsfunktion insoweit nicht nachkommen könne – im Unterschied zu den Fällen, in denen in regulierungsbehördlichen und gerichtlichen Verfahren um die Handhabung von Privilegierungstatbeständen gestritten würde. Insgesamt habe sie die streitgegenständliche Ablehnungsentscheidung gerade nicht allein auf das rechtskräftig festgestellte Verschulden der Beschwerdeführerin und die abstrakte Möglichkeit von Verwerfungen im Wälzungsmechanismus gestützt, sondern eine umfassende, einzelfallbezogene Prüfung der betroffenen Interessenpositionen vorgenommen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
21B.
22Die nach §§ 75 Abs. 1, 78 Abs. 1 und 3, § 83 Abs. 4 EnWG statthafte und auch im Übrigen zulässige Verpflichtungsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin vom 25.01.2019 auf rückwirkende Verlängerung der Fristen für die Anzeige der Vereinbarung eines individuellen Netzentgeltes für die Kalenderjahre 2014 bis 2016 durch den angefochtenen Beschluss vom 10.08.2020 ist rechtswidrig.
23Die streitgegenständliche Frist zur Anzeige eines individuellen Netzentgeltes nach Punkt II.5.e) der Festlegung der Bundesnetzagentur zur sachgerechten Ermittlung individueller Netzentgelte vom 11.12.2013 (Az. BK4-13-749) ist keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, sondern eine behördliche Verfahrensfrist im Sinne des § 31 Abs. 2 VwVfG, die den Maßgaben des § 31 Abs. 7 VwVfG unterfällt und rechtlich nicht zu beanstanden ist (BGH, Beschluss vom 15.05.2017, EnVR 39/15, Rn. 15; Beschluss vom 13.12.2016, EnVR 34/15 Rn. 38 ff., juris). Fristen, die von Behörden gesetzt werden, können nach § 31 Abs. 7 S. 1 VwVfG verlängert werden. Das kann nach S. 2 auch rückwirkend geschehen, insbesondere wenn es unbillig wäre, die Folgen des Fristablaufs bestehen zu lassen. Dabei muss der Antrag nicht innerhalb der zu verlängernden Frist, sondern kann auch noch nach deren Ablauf gestellt werden (Kallerhoff/Stamm in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 31 Rn. 49; Michler in: BeckOK VwVfG, 51 Ed., § 31 Rn. 58 m.w.N.). Dies ist im Streitfall geschehen, da die Beschwerdeführerin die Fristen für die Anzeige der Vereinbarung eines individuellen Netzentgeltes für die Kalenderjahre 2014 bis 2016, die bis zum 30.09.2014, 30.09.2015 bzw. 30.09.2016 liefen, versäumt und erst mit Schreiben vom 25.01.2019 beantragt hat, die jeweiligen Fristen nachträglich zu verlängern.
24Das ihr durch § 31 Abs. 7 VwVfG eingeräumte Ermessen bei der Entscheidung über die rückwirkende Fristverlängerung hat die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss fehlerhaft ausgeübt.
25I. Die Ermessensentscheidung hat zu berücksichtigen, dass § 31 Abs. 7 VwVfG für die behördlich gesetzten Fristen an die Stelle der bei gesetzlichen Fristen allein möglichen Wiedereinsetzung tritt. Die Voraussetzungen, unter denen eine Fristverlängerung erfolgt, dürfen also nicht strenger sein als bei der Wiedereinsetzung nach § 32 VwVfG. Daher ist das Ermessen der Behörde bei der Entscheidung über die Fristverlängerung auf null reduziert, wenn die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung vorliegen; dann muss die Behörde die Frist verlängern, um nicht ermessensfehlerhaft zu entscheiden (VGH Mannheim, Urteil vom 08.10.2018, 9 S 804/17, Rn. 41, juris). Ermessensfehler liegen auch dann vor, wenn die Behörde persönliche oder sachliche Gründe, die sie zu berücksichtigen hat, nicht berücksichtigt und dadurch die Nichtverlängerung unbillig ist. Vergleichbares gilt, wenn die behördliche Berufung auf die Nichteinhaltung der Frist gegen Treu und Glauben verstößt (zu alledem Senat, Beschluss vom 12.07.2017, VI-3 Kart 21/16 [V], Rn. 39, juris, m.w.N.; vgl. auch Kallerhoff/Stamm in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 31 Rn. 51; Michler in: BeckOK VwVfG, a.a.O., § 31 Rn. 60 m.w.N.). Soweit keine wesentlichen Gesichtspunkte dagegensprechen, hat die Behörde in der Regel zugunsten des Betroffenen zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 23.10.1993, 6 C 10/92, Rn. 25, juris; Michler in: BeckOK VwVfG, a.a.O., § 31 Rn. 61 m.w.N.).
26II. Die Bundesnetzagentur ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Streitfall nicht erfüllt sind, so dass die Fristverlängerung nicht bereits aus diesem Grund geboten ist. Dies folgt aus den von der Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss auch in Bezug genommenen Erwägungen unter Rn. 30 ff. des Senatsbeschlusses vom 01.04.2020 (VI-3 Kart 779/19 [V], juris), wonach die Fristversäumung nicht unverschuldet war und auch die Jahresfrist des § 32 Abs. 3 VwVfG abgelaufen war. Auf die dortigen umfangreichen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Darauf, ob der Antrag auf nachträgliche Fristverlängerung zudem nicht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gemäß § 32 Abs. 2 VwVfG erfolgt ist und der Wegfall spätestens mit Rechtskraft der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16.05.2018 (VI-3 Kart 46/17 [V]) zu konstatieren war, wie die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss weiterhin ausführt, kommt es deshalb nicht an.
27III. Die Annahme der Bundesnetzagentur, dass eine nachträgliche Fristverlängerung auch nicht aus Billigkeitserwägungen im Sinne von § 31 Abs. 7 S. 2 VwVfG geboten sei, ist hingegen rechtsfehlerhaft.
28Die von ihr zu treffende Ermessensentscheidung ist darauf zu kontrollieren, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der betroffenen Belange richtig erkannt worden ist und schließlich, ob der Ausgleich zwischen ihnen zur objektiven Gewichtigkeit der Belange in einem angemessenen Verhältnis steht (BGH, Beschluss vom 22.07.2014, EnVR 59/12, Rn. 25, juris). In der angefochtenen Entscheidung hat die Bundesnetzagentur als relevante Interessenpositionen, die es im Rahmen der Ermessensentscheidung gegeneinander abzuwägen gilt, das wirtschaftliche Individualinteresse der Antragstellerin, das Kollektivinteresse an einer funktionierenden § 19 StromNEV-Umlage und einer sachgerechten Ausgestaltung des Privilegierungstatbestandes sowie die zu einem Kollektivinteresse verdichteten, weil insoweit gleich gerichteten, wirtschaftlichen Individualinteressen der übrigen Netznutzer in der Bundesrepublik und schließlich das wirtschaftliche Interesse des am Verfahren beteiligten Netzbetreibers identifiziert und in ihre Ermessenserwägungen eingestellt. Dabei hat sie die Bedeutung nicht aller betroffener Belange richtig erkannt und diese in der Folge auch nicht in verhältnismäßiger Weise zueinander zum Ausgleich gebracht, so dass sowohl eine Abwägungsfehleinschätzung als auch eine Abwägungsdisproportionalität vorliegen.
291. Beurteilungsfehlerfrei hat die Bundesnetzagentur zunächst allerdings der wirtschaftlichen Bedeutung der Netzentgeltreduktion für die Beschwerdeführerin im engeren Sinne, ausgehend von einer Betrachtung deren Umsatzanteils, keine gesteigerte Bedeutung und damit kein besonderes Gewicht im Rahmen der anzustellenden Abwägung beigemessen, sondern dieses vielmehr mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführerin „allenfalls als normal, eher aber (…) bereits als gering“, d.h. letztlich als noch durchschnittlich, eingestuft.
301.1. Es ist im Ausgangspunkt sachangemessen, dass die Bundesnetzagentur zur Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung nicht auf die absolute Höhe der betroffenen Netzentgeltreduktion, die sie im angefochtenen Beschluss ausgehend von der näherungsweisen Angabe der Beschwerdeführerin mit … Euro beziffert hat, sondern vielmehr auf deren Relation zur Größe und Finanzkraft der Beschwerdeführerin abgestellt hat. Die Bundesnetzagentur hat zutreffend erkannt, dass sich die wirtschaftliche Bedeutung der Netzentgeltreduktion und damit das Gewicht des wirtschaftlichen Individualinteresses der Beschwerdeführerin nicht allein aus deren tatsächlicher bzw. näherungsweise ermittelter Höhe herleiten lässt, sondern für die Frage, inwieweit sich die Entscheidung auf die Antragstellerin wirtschaftlich auswirkt und ob ggfs. erhebliche finanzielle Auswirkungen zu erwarten sind, der Reduktionsbetrag auch in Relation zur Größe und zur Finanzkraft des betroffenen Unternehmens zu bewerten ist. Dies ist ohne Weiteres einsichtig, weil eine abschlägige Entscheidung über die Fristverlängerung hinsichtlich desselben absoluten Reduktionsbetrags ein kleineres Unternehmen in seiner Existenz gefährden kann, während sie sich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines großen Unternehmens möglicherweise nur minimal auswirkt. Einer weitergehenden Begründung ihrer Annahme durch die Bundesnetzagentur bedurfte es im angefochtenen Beschluss deswegen nicht. Es ist deshalb auch unschädlich, dass sie erst in der Beschwerdeerwiderung zutreffend ergänzend darauf verwiesen hat, dass die absolute Höhe des Reduktionsbetrages auch davon abhängt, für welchen Zeitraum dieser geltend gemacht wird, was eine relativierende Betrachtung umso mehr rechtfertigt.
311.2. Die erforderliche Beurteilung der wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Beschwerdeführerin wird durch die Bewertung der Relation der Netzentgeltreduktion zum Unternehmensumsatz ermöglicht. Zwar lässt allein der Umsatz eines Unternehmens als Gesamtwert der (innerhalb eines bestimmten Zeitraums) abgesetzten Waren und erbrachten Dienstleistungen keine Aussage über den wirtschaftlichen Zustand einer Unternehmung zu. Allerdings sind über die Umsatzerlöse die Kosten zu decken, zu denen im Falle der Beschwerdeführerin als eine wesentliche Position auch die Netzkosten zählen. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, muss ein Unternehmen über die Umsatzerlöse seine Kosten nicht nur decken, sondern über den Kosten liegende Umsätze erzielen. Die von der Bundesnetzagentur angestellte Vergleichsbetrachtung untersucht somit, wie groß der Anteil der Umsatzerlöse ist, der notwendig wäre, um die Netzentgelte zu bezahlen, wenn die begehrte Netzentgeltreduktion ausbleibt. Hieraus lassen sich belastbare Rückschlüsse auf die Bedeutung der Netzentgeltreduktion für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ziehen.
32Die Heranziehung des Gewinnanteils als Vergleichsgröße ist demgegenüber nicht besser geeignet. Der Jahresüberschuss beruht auf einem Vergleich aller Kostenpositionen mit den Umsatzerlösen. Die Bundesnetzagentur macht deshalb zutreffend geltend, dass die Gesamtbetrachtung der unternehmerischen Kosten durch sämtliche Kosten aus allen Geschäftsbereichen des Unternehmens beeinflusst wird, auch solchen, die nicht in einem direkten kausalen Zusammenhang mit den Netzentgelten stehen, und die Aussage bezüglich der Gewichtung des wirtschaftlichen Interesses an einer Netzentgeltreduktion entsprechend verzerren können. Soweit die Beschwerdeführerin einwendet, dass die Kenngröße des Jahresüberschusses im konkreten Fall genauso wenig wie die Umsatzerlöse durch Kostenpositionen aus anderen Geschäftsbereichen des Konzerns beeinflusst werde, kommt es darauf nicht an, sondern vielmehr auf die Gefahr einer Verzerrung der Betrachtung der Kosten, die in ihrem Geschäftsbereich innerhalb des Konzerns entstanden sind, aber keinen Bezug zu den Netzentgelten aufweisen.
331.3. Die Annahmen der Bundesnetzagentur zur Relation von Netzentgeltreduktion zum Umsatz sind auch zutreffend.
34Soweit die Beschwerdeführerin moniert, die Bundesnetzagentur habe bei den von ihr zugrunde gelegten Umsätzen nicht auf die Werte aus den im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüssen der Beschwerdeführerin abgestellt, sondern auf den Gesamtkonzernumsatz des Geschäftsjahres 2017/2018, so hat dies nicht zu unrichtigen Annahmen geführt. Die Bundesnetzagentur hat in sachgerechter Weise auf die Umsätze der Sparte …, die von der Beschwerdeführerin betrieben wird, abgestellt und zudem den diesbezüglichen Umsatz in 2017/2018 von ca. … Euro mit den in den vorausgegangenen Geschäftsjahren 2014/2015, 2015/2016 und 2016/2017 erzielten Umsätzen von … Euro, … Euro und …Euro plausibilisiert. Unter Zugrundelegung der im Jahresabschluss der Beschwerdeführerin ausgewiesenen Umsätze ergibt sich demgegenüber sogar ein höherer Umsatz von insgesamt … Euro gegenüber dem von der Bundesnetzagentur angesetzten … Euro. Hieraus errechnet sich ein Umsatzanteil der Netzentgeltreduktion von sogar nur 0,51 %. Selbst unter weiterer Berücksichtigung des erstmals im Rahmen des Beschwerdeverfahrens von der Beschwerdeführerin vorgetragenen konkreten Wertes der streitgegenständlichen Netzentgeltreduktion von … Euro - gegenüber dem im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegten, der Schätzung der Beschwerdeführerin folgenden Wert von ca. … Euro – beträgt der Anteil der Netzentgeltreduktion an den Umsatzerlösen bei 0,55 % und unterscheidet sich nur so geringfügig von dem von der Bundesnetzagentur ermittelten Wert, dass die Erwägungen der Bundesnetzagentur hierauf ohne Weiteres übertragbar wären.
351.4. Der von der Bundesnetzagentur gezogene Schluss, dass ein Umsatzanteil der Netzentgeltreduktion von 0,54 % keine nachhaltige Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, geschweige denn eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz befürchten lässt, und deshalb von einem (allenfalls) normalen, aber keinem gesteigerten wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerin auszugehen ist, ist tragfähig und bewegt sich im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums. Ein Umsatzanteil von ca. 1/200 ist so gering, dass davon auszugehen ist, dass ein Unternehmen diesen zur Deckung höherer Netzkosten erzielen kann, ohne dabei in seiner Geschäftstätigkeit erheblich und nachhaltig negativ betroffen zu sein. Dass die Bundesnetzagentur in diesem Zusammenhang keinen festen Grenzwert angegeben hat, ab wann ein gesteigertes wirtschaftliches Interesse anzunehmen ist, ist unschädlich, da sie nur zur Prüfung und Beurteilung des konkreten Einzelfalles gehalten war. Es ist auch nicht ersichtlich, dass unter Zugrundelegung der Beurteilung im konkreten Fall faktisch niemals ein erhebliches wirtschaftliches Interesse festgestellt werden könnte. Auch wenn man mit der Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Wert der Netzentgeltreduktion im Verhältnis zu den Umsätzen eines Unternehmens regelmäßig deutlich weniger als 0,5 % ausmacht, so führt dies allenfalls dazu, dass die Feststellung eines gesteigerten wirtschaftlichen Interesses gegenüber der Annahme eines „normalen“ wirtschaftlichen Interesses die Ausnahme darstellt. Ein solchermaßen gesteigertes wirtschaftliches Interesse kann aber bei einer ausnahmsweisen Überschreitung des Wertes von 0,5 % oder bei Vorliegen sonstiger Umstände des Einzelfalls wie etwa einer drohenden Insolvenzgefährdung durchaus eintreten. Wenn die Bundesnetzagentur insoweit hohe Anforderungen an eine gesteigerte und damit überdurchschnittliche wirtschaftliche Betroffenheit stellen sollte, ist dies nicht zu beanstanden.
361.5. Eine erhebliche wirtschaftliche Betroffenheit der Beschwerdeführerin, die es erforderte, diese im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung besonders zu gewichten, ergibt sich im Streitfall auch nicht aus anderen Anknüpfungstatsachen.
37Die Bundesnetzagentur hat sich im angefochtenen Beschluss mit dem Anteil der begehrten Netzentgeltreduktion an der Bruttowertschöpfung befasst und ist beurteilungsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass weder der Umstand, dass die Rückforderungssumme ca. 5,5 % der Stromkosten beträgt, noch die nachträgliche Steigerung der Bruttowertschöpfung durch die Netzentgeltreduktion um ca. 3,5 % auf gravierende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens schließen ließen.
38Eine nachhaltige Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens der Beschwerdeführerin durch die Zahlung der allgemeinen Netzentgelte, folgt auch nicht aus den Jahresüberschüssen der Jahre 2014 bis 2016. Zwar fällt bei einem Gesamtgewinn von … Euro der Erstattungsbetrag für die überzahlten Netzentgelte von ca. … Euro durchaus ins Gewicht. Unabhängig von der eingeschränkten Aussagekraft der Relation der Netzentgeltreduktion zum Gewinn (vgl. vorstehend unter III.1.1.2.), war es der Beschwerdeführerin in den Jahren 2015 und 2016 möglich, auch ohne die begehrte Netzentgeltreduktion Gewinne in Höhe von ca. … Euro (2015) bzw. … Euro (2016) zu erzielen, die damit um ein Mehrfaches über dem Wert der begehrten Netzentgeltreduktionen für diese Jahre von ca. … Euro (2015) bzw. …Euro (2016) liegen. Dass im Jahr 2014 die begehrte Netzentgeltreduktion um ca. … Euro die Beschwerdeführerin angesichts eines Jahresüberschusses von ca. … Euro erst in die Gewinnzone geführt hätte, rechtfertigt deshalb nicht den Schluss, die Beschwerdeführerin sei nachhaltig auf die begehrte Netzentgeltreduktion angewiesen, um ihr Unternehmen überhaupt profitabel führen zu können.
392. Des Weiteres ist zwar nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen der Betrachtung des berücksichtigungsfähigen wirtschaftlichen Interesses der Beschwerdeführerin an der Fristverlängerung festgestellt hat, dass diese ein Verschulden trifft. Auch die Bedeutung ihrer eigenen - falschen - Rechtsauskunft aus dem Jahr 2014 hat sie in diesem Kontext fehlerfrei bewertet. Bedenken begegnet jedoch, dass die Bundesnetzagentur das festgestellte Verschulden zum Anlass genommen hat, dem Interesse der Beschwerdeführerin in der Gesamtbetrachtung nur ein geringes Gewicht zuzubilligen.
402.1. Die Bundesnetzagentur hat das Verschulden der Beschwerdeführerin an der Fristversäumung im angefochtenen Beschluss im Rahmen des Gliederungspunktes a) ihrer Interessenabwägung berücksichtigt, unter dem sie das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin an einer Fristverlängerung und damit der nachträglichen Vereinbarung individueller Netzentgelte umfassend gewichtet hat.
41Für die Gewichtung dieses Interesses kommt es unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht allein auf die wirtschaftlichen Auswirkungen im eigentlichen Sinne an, sondern auch auf die Frage, inwieweit den Antragsteller ein Verschulden an der Fristversäumung trifft. Im Streitfall hat die Bundesnetzagentur damit das Verschulden der Beschwerdeführerin bei der Gewichtung der sich gegenüberstehenden Interessen nicht in unzulässiger Weise mehrfach berücksichtigt, sondern vielmehr einmal, und zwar im Anschluss an die Bewertung des wirtschaftlichen Interesses im engeren Sinne.
422.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin ein Verschulden an der Fristversäumnis vorzuwerfen ist, ist zutreffend.
43Sie steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats, der in seinem Beschluss vom 01.04.2020 (VI-3 Kart 779/19 [V]) bereits festgestellt hat, dass ein eigenes Verschulden der Beschwerdeführerin an der Fristversäumung zu bejahen ist, weil sie sich von 2014 an bis zur Stellung des Antrags auf nachträgliche Fristverlängerung mehrere Jahre nicht in der sachlich gebotenen Weise um die Durchsetzung ihrer Rechtsposition im Wege eines besonderen Missbrauchsverfahrens gegen die Beteiligte gemäß § 31 EnWG bemüht hat, obgleich ihr dies als Letztverbraucherin, der nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Verantwortung für eine rechtzeitige Erstattung der Anzeige eines individuellen Netzentgeltes oblag, möglich und zumutbar war. Die Beschwerdeführerin kann hiergegen nicht einwenden, dass sie bereits überobligatorische Anstrengungen zur Durchsetzung ihrer Rechtsposition unternommen hätte, insbesondere nicht mit Blick auf das von der Beteiligten und nicht der hiesigen Beschwerdeführerin geführte regulierungsrechtliche Beschwerdeverfahren vor dem Senat zum Az. VI-3 Kart 46/17 [V] betreffend die Genehmigung der Vereinbarung eines individuellen Netzentgeltes für das Jahr 2013 oder ein zunächst vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) geführtes und zwischenzeitlich vor dem Oberlandesgericht Brandenburg zweitinstanzlich zum Az. 17 U 2/19 anhängiges, gegen die Beteiligte gerichtetes Zivilverfahren. Besondere Umstände, die im Streitfall die Annahme rechtfertigen würden, die Wahrung ihrer Rechtsposition sei der Beschwerdeführerin im Streitfall ausnahmsweise nicht möglich oder zumutbar gewesen, liegen nicht vor. Insbesondere wäre ein etwaiger Verschuldensvorwurf gegenüber der Bundesnetzagentur wegen der von dieser im Jahr 2014 erteilten rechtlichen Auskunft, wenn man ihn annehmen wollte, so gering, dass er nicht geeignet wäre, das eigene Verschulden der Beschwerdeführerin zu relativieren. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter Rn. 33 ff. des Senatsbeschlusses (a.a.O.) verwiesen.
44Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss das Verschulden der Beschwerdeführerin bei der Bewertung ihres Individualinteresses an der Fristverlängerung zu ihrem Nachteil berücksichtigt hat. Insbesondere hat die Bundesnetzagentur unter Berücksichtigung der zitierten Senatsrechtsprechung fehlerfrei angenommen, dass der Auskunft der Beschlusskammer aus dem Jahr 2015 in diesem Zusammenhang keine gesteigerte Bedeutung zuzumessen war. Dies gilt angesichts der Möglichkeit der Durchführung eines Missbrauchsverfahrens gemäß § 31 EnWG gegenüber der Beteiligten auch mit Blick auf deren Weigerung zum Abschluss einer individuellen Netzentgeltvereinbarung, die das Verschulden der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht in erheblicher Weise relativiert. Dass die Beteiligte eine anzeigefähige Vereinbarung unter Vorbehalt hätte abschließen können, führt angesichts der im zitierten Senatsbeschluss aufgezeigten Verantwortlichkeit der Letztverbraucher für die Klärung der streitigen Rechtslage unabhängig davon, ob bzw. welche Prozessrisiken hiermit für die Beteiligten verbunden gewesen wären, zu keiner anderen Beurteilung.
452.3. Letztlich kann dahinstehen, ob die Bundesnetzagentur, die das festgestellte Verschulden zum Anlass genommen hat, das Individualinteresse der Beschwerdeführerin insgesamt nur gering zu gewichten, bereits hierdurch das Verschulden in ermessensfehlerhafter Weise objektiv zu stark gewichtet hat. Die damit verbundene erhebliche Gewichtung des Verschuldens der Beschwerdeführerin begegnet deshalb erheblichen Bedenken, weil der Umstand, dass ein schuldhaftes Verhalten des Letztverbrauchers vorliegt, für sich gesehen keine Ermessensentscheidung zu seinen Lasten begründen kann (so bereits Senat, Beschluss vom 06.12.2017, VI-3 Kart 89/16 [V], Rn. 56, juris). Ohne das schuldhafte Verhalten hätte die Frist - bei Vorliegen auch der weiteren, fristbezogenen Wiedereinsetzungsvoraussetzungen - zwingend verlängert werden müssen. Allein das Vorliegen eines Verschuldens darf deshalb nicht dazu führen, dass die Fristverlängerung deshalb faktisch ausgeschlossen oder das vom Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich anerkannte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Fristverlängerung und Verweigerung der Fristverlängerung (Urteil vom 23.10.1993, 6 C 10/92, Rn. 25) ins Gegenteil verkehrt wird. Dies aber könnte geschehen, wenn bereits die Feststellung des Verschuldens des Letztverbrauchers zu einer Geringgewichtung seines Interesses an der Fristverlängerung führt, während gleichzeitig – wie vorstehend unter 1.4. festgestellt - hohe Anforderungen an die Annahme einer überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Betroffenheit durch die Verweigerung der Fristverlängerung gestellt werden, die dies ausgleichen könnte.
46Unabhängig davon, ob die Gewichtung des Verschuldens bereits ein Abwägungsdefizit begründet, ist aber jedenfalls ihre Gewichtung im Verhältnis zu den anderen betroffenen Belangen ermessensfehlerhaft (vgl. hierzu nachstehend unter 5.).
473. Dass die Bundesnetzagentur die zu berücksichtigenden Interessen der Beteiligten als Netzbetreiberin für nicht ausschlaggebend gehalten hat, weil ein spezielles und damit berücksichtigungsfähiges Interesse an einer Gewährung der Fristverlängerung nicht erkennbar sei, ist hingegen beurteilungsfehlerfrei.
48Zutreffend hat die Bundesnetzagentur darauf abgestellt, dass die Beteiligte zwar zum Abschluss einer nachträglichen Vereinbarung für die Jahre 2014 bis 2016 bereit, ein spezielles finanzielles Interesse hieran aber nicht erkennbar ist, weil die Vereinbarung eines individuellen Netzentgeltes sich für den Netzbetreiber im Ergebnis - abgesehen von möglichen Rechtsverfolgungs- und eventuellen Vergleichskosten - wegen der Einstellung der Erlösausfälle in das Umlageverfahren nicht auswirkt. Die im Streitfall erkennbare Motivlage, den mit der Beschwerdeführerin geführten Zivilrechtsstreit zu beenden, ist somit kein für die Abwägung maßgeblicher oder gar ausschlaggebender Gesichtspunkt. Dies gilt umso mehr, als die Beteiligte als Netzbetreiberin gleichzeitig das allgemeine, gegen eine Fristverlängerung sprechende Interesse der Netzbetreiber teilt, sich darauf einzustellen zu können, dass nur diejenigen entgangenen Erlöse in den Wälzungsmechanismus eingestellt werden müssen, die auch fristgerecht angezeigt worden sind, und gerade keine fortlaufende Einstellung erfolgt (hierzu Senat, Beschluss vom 12.07.2017, VI-3 Kart 21/16 [V]; BeckRS 2017, 154438, Rn. 56).
494. Es stellt jedoch eine sachfremde Erwägung dar, dass die Bundesnetzagentur die Auswirkungen einer nachträglichen Fristverlängerung für die Gemeinschaft der Netznutzer deshalb als nachteilig und letztlich unbillig eingestuft hat, weil diese als Letztverbraucher die Netzentgeltreduktion zu Gunsten der Antragstellerin zu refinanzieren haben.
504.1. Zwar sind die Interessen der Gemeinschaft der Netznutzer – wie auch die der Bundesnetzagentur und der Netzbetreiber - im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung berücksichtigungsfähig. Nach gefestigter Rechtsprechung ist insoweit eine Abwägung der Rechtsfolgen für die Beschwerdeführerin als Antragstellerin einerseits und für die Bundesnetzagentur als Behörde andererseits vorzunehmen (etwa BVerwG, Urteil vom 23.10.1993, 6 C 10/92, Rn. 25, juris). Dies bedeutet aber nicht, dass auf Seiten der Bundesnetzagentur lediglich die unmittelbar sie selbst betreffenden Folgen einer Fristverlängerung (z.B. ein erhöhter Verwaltungsaufwand) berücksichtigungsfähig wären. Vielmehr ist im Rahmen der Folgenbetrachtung auch der von der Behörde mit der Fristsetzung verfolgte Zweck zu beachten. Die Fristsetzung dient der Ausgestaltung des Anzeigeverfahrens für individuelle Netzentgelte gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV und damit auch der Wahrung der Interessen Dritter, auf die sich die Genehmigung individueller Netzentgelte auswirkt, hier neben den Letztverbrauchern die betroffenen Netzbetreiber und die Gemeinschaft der Netznutzer. Deren Interessen sind folglich auf Seiten der Behörde ebenfalls zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 01.04.2020, VI-3 Kart 779/19 [V], Rn. 65, juris).
51So ist als erhebliches Interesse der Gemeinschaft der Netznutzer deren Kollektivinteresse an einer funktionierenden Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV berücksichtigungsfähig, das die Bundesnetzagentur unter dem Gesichtspunkt von Sinn und Zweck der Anzeigefrist unter Gliederungspunkt d) des angefochtenen Beschlusses gewürdigt hat (vgl. die nachstehenden Ausführungen unter 5.).
524.2. Den Umstand, dass der bei einer Fristverlängerung anfallende Erstattungsbetrag über die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV durch die Gesamtheit der Netznutzer refinanziert wird, hat die Bundesnetzagentur hingegen rechtsfehlerhaft als erheblich angesehen, indem sie die Belastung der Netznutzergemeinschaft durch die Umlage angesichts der eigenen Versäumnisse der Beschwerdeführerin als unbilliges Ergebnis einordnet.
53Diese Bewertung wird der objektiven Gewichtung des wirtschaftlichen Interesses der Gemeinschaft der Netznutzer nicht gerecht, da sie nicht berücksichtigt, dass nach der materiellen Rechtslage der Anspruch der Beschwerdeführerin auf die Vereinbarung eines individuellen Netzentgeltes nach § 19 Abs. 2 S. 2 EnWG besteht. Bei einem der materiellen Rechtslage entsprechenden Sachablauf, d.h. wenn die Bundesnetzagentur von vornherein die zutreffende Rechtsansicht vertreten hätte oder wenn die Beschwerdeführerin die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts gerichtlich erfolgreich erstritten hätte, wäre die Gemeinschaft der Netznutzer ebenfalls durch die Umlage nach § 19 StromNEV belastet worden. Zwar ist im Rahmen der Entscheidung über das Fristverlängerungsgesuch nicht zwingend der materiellen Rechtslage Rechnung zu tragen, da sonst die Anzeigefrist faktisch leerliefe, wie die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss zutreffend geltend macht. Im Gegenzug kann aber allein der Umstand, dass wirtschaftliche Nachteile Dritter, die sich bei einem der materiellen Rechtslage entsprechenden Sachablauf ohnehin eingestellt hätten, die Versagung der Fristverlängerung nicht maßgeblich rechtfertigen. Eben dies hat die Bundesnetzagentur aber ersichtlich angenommen.
545. Dass die Bundesnetzagentur als gegen die nachträgliche Verlängerung der Anzeigefrist sprechenden Umstand ein öffentliches Interesse bzw. Kollektivinteresse der Netznutzer daran identifiziert hat, Verwerfungen im bundesweiten Refinanzierungsmechanismus, der sog. § 19 StromNEV-Umlage, zu vermeiden und sie ihrer Überwachungsfunktion genügen kann, um Fehlentwicklungen möglichst zu vermeiden, ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Die erhebliche Gewichtung dieses Interesses setzt allerdings voraus, dass die von der Bundesnetzagentur angenommene präjudizielle Wirkung einer Fristverlängerung auf eine Vielzahl von vergleichbaren Verfahren nach den Gesamtumständen nennenswerte Verwerfungen in der § 19 StromNEV-Umlage auch konkret befürchten lässt.
555.1. Das in der Festlegung vom 11.12.2013 (BK4-13-739) vorgesehene Anzeigeverfahren hat ausweislich der Begründung den Zweck, die Umlage gemäß § 19 Abs. 2 S. 15 StromNEV zeitnah ermitteln zu können und nachträgliche gravierende Einnahmeausfälle für die Netzbetreiber zu vermeiden (S. 48 der Festlegung, vgl. auch BGH, Beschluss vom 11.12.2018, EnVR 59/17, Rn. 42, juris). Dieser Zweck wird durch eine verspätete Anzeige nicht nur geringfügig bzw. gar nicht betroffen. Wie vom Senat bereits im Beschluss vom 12.07.2017 (VI-3 Kart 21/16 [V], BeckRS 2017, 154438, Rn. 54) im Einzelnen ausgeführt, handelt es sich bei dem vorliegenden Anzeigeverfahren um ein Massenverfahren, das die Bundesnetzagentur nur sachgerecht mittels einer vorgegebenen Anzeigefrist durchführen kann. Ohne eine solche Ordnungsfrist würden unbegrenzt Anzeigen eingehen, ohne dass die Bundesnetzagentur in der Lage wäre, eine Gesamtbetrachtung des Marktes im Hinblick auf die sachgerechte Ermittlung individueller Netzentgelte vorzunehmen, um sicherzustellen, dass die Netzentgelte angemessen und diskriminierungsfrei sind und etwaigen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Anzeigen über die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts sollten daher bis zu dem dafür vorgesehenen Stichtag eingehen.
565.2. Anders als die Beschwerdeführerin meint, handelt es sich vorliegend auch nicht um einen atypischen Sonderfall, sondern es besteht die von der Bundesnetzagentur angenommene Ausstrahlungswirkung auf andere Fälle, die dem dargestellten Sinn und Zweck der Anzeigefrist entgegenläuft.
575.2.1. Vergleichbare Fälle, in denen die Gewährung einer Fristverlängerung im Streitfall eine Bindungswirkung an die eigenen Verwaltungspraxis nach Art. 3 Abs. 1 GG begründen könnten, hat die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss richtigerweise als solche definiert, in denen sie auf die – häufig gestellten – Anfragen von Netzbetreibern und Letztverbrauchern mit Blick auf die Voraussetzungen für individuelle Netzentgelte außerhalb eines förmlichen Verfahrens ihre von der des Letztverbrauchers abweichende Ansicht mitteilt, sodann der Letztverbraucher zunächst untätig bleibt und erst Jahre später im Wege eines nachträglichen Fristverlängerungsantrags vorteilhafte Erkenntnisse aus nachträglicher höchstrichterlicher Rechtsprechung in bereits vollständig abgeschlossene Anzeigejahre einbringen möchte.
585.2.2. Vorliegend ist abstrakt eine Vielzahl solcher Fälle denkbar. Da die streitgegenständliche Anzeigefrist für Anzeigen nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV und § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV gleichermaßen gilt und von derselben Zwecksetzung getragen ist, ist es sachlich geboten, an die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung bei einer erheblichen Abweichung von der zeitgleichen Jahreshöchstlast dieselben Maßstäbe anzulegen wie bei einer intensiven Netznutzung i.S.d. § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV. Es kommt damit auf die Gesamtzahl der Anzeigen an, die im Jahr 2020 bei 921 und in sonstigen Jahren regelmäßig deutlich über 1.000 gelegen hat, so dass es sich bei dem Anzeigeverfahren ohne Weiteres um ein Massenverfahren handelt. Gleichzeitig erreichen die Bundesnetzagentur jedes Jahr zahlreiche Anfragen von Netzbetreibern und Letztverbrauchern mit Blick auf die Voraussetzungen für individuelle Netzentgelte. Die Bundesnetzagentur erteilt deshalb - ebenfalls unstreitig - jedes Jahr eine Vielzahl von informellen Rechtsauskünften, und zwar sowohl einzelfallbezogen als auch standardisiert durch den von ihr auf ihrer Internetseite veröffentlichten FAQ-Katalog. Die Erteilung solcher Auskünfte erfolgt dabei angesichts der Komplexität der Rechtsmaterie und der Vielzahl ungeklärter Detailfragen im Interesse der begünstigten Unternehmen und der betroffenen Netzbetreiber.
59Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kommt es mit Blick auf die befürchtete Ausstrahlungswirkung nicht darauf an, ob eine Vielzahl von Fällen existiert, in denen dieselbe Fallkonstellation bereits eingetreten ist und die die Bundesnetzagentur nicht hat vortragen können. Vielmehr hat die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss zu Recht die Befürchtung adressiert, dass im Falle der Gewährung einer Fristverlängerung im Streitfall auch andere Letztverbraucher, anstatt eine streitige Rechtsfrage einer zeitnahen gerichtlichen Klärung zuzuführen, fortan untätig bleiben, um Erkenntnisse aus nachträglicher höchstrichterlicher Rechtsprechung erst Jahre später im Wege des nachträglichen Fristverlängerungsantrags für sich nutzbar zu machen.
605.2.3. Auch die von der Bundesnetzagentur befürchteten negativen Konsequenzen für den Wälzungsmechanismus sind denkbar.
61Dass sich allein der Streitfall auf den Wälzungsmechanismus auswirkt, hat die Bundesnetzagentur nicht geltend gemacht, so dass es hierauf nicht ankommt. Die Bundesnetzagentur hat mit Blick auf die Auswirkungen auf den Wälzungsmechanismus vielmehr auf die potentielle Vielzahl vergleichbarer Fälle abgestellt, die von der Ausstrahlungswirkung einer Fristverlängerung umfasst sind. Diese sind grundsätzlich geeignet, Verwerfungen im bundesweiten Wälzungsmechanismus hervorzurufen, weil sie dazu führen können, dass nachträglich Netzentgeltausfälle – unter Umständen für mehrere Jahre - über die Umlage gewälzt werden müssen. Insoweit liegt in der hier relevanten Fallkonstellation auch ein qualitativer Unterschied zu denjenigen Fällen vor, in denen ein Betroffener unmittelbar gegen die Ablehnung des individuellen Netzentgeltes oder eine fehlerhafte Rechtsauskunft der Bundesnetzagentur gerichtlich vorgeht. Auch hier kann es nach einer günstigen gerichtlichen Entscheidung für den Beschwerdeführer zwar mit mehrjähriger Verspätung zur nachträglichen Einstellung von Netzentgeltausfällen in den Wälzungsmechanismus kommen. Dies hat jedoch weniger gravierende Auswirkungen auf eine verbindliche und rechtssichere Abwicklung des Umlageprozesses, da die Bundesnetzagentur über die mit der gerichtlichen Klärung verbundenen Unsicherheiten informiert ist und diese im Rahmen ihrer Überwachungsfunktion berücksichtigen kann. Wenn untätige Letztverbraucher demgegenüber die höchstrichterliche Klärung einer Rechtsfrage untätig abwarten, besteht eine vergleichbare Kenntnis der Bundesnetzagentur nicht.
625.3. Gleichwohl rechtfertigen die vorstehenden Feststellungen noch nicht die erhebliche Gewichtung des Interesses an einer funktionierenden § 19 StromNEV-Umlage, die die Bundesnetzagentur im angefochtenen Beschluss ausdrücklich vorgenommen hat.
63Die Bundesnetzagentur hat die Gefahr einer Ausstrahlungswirkung einer Fristverlängerung im Streitfall auf eine Vielzahl anderer Fälle, die zu Verwerfungen im Wälzungsmechanismus führen können, allein mit den vorstehend aufgeführten, allgemein-abstrakten Erwägungen begründet. Um diese Gefahr als (ein) maßgebliches Kriterium in die Abwägung einstellen zu können, muss diese Gefahr indes auch konkret und ernstlich bestehen, d.h. es muss ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit für den befürchteten Eintritt von Verwerfungen im Wälzungsmechanismus bestehen, das diesem Gesichtspunkt das erforderliche Gewicht verleiht. Denn das Bundesverwaltungsgericht fordert gerade das Vorliegen wesentlicher, mithin hinreichend gewichtiger, gegen eine Fristverlängerung sprechender Gesichtspunkte, um von der Regel abweichen zu können, wonach zugunsten des Betroffenen zu entscheiden ist (BVerwG, Urteil vom 23.10.1993, 6 C 10/92, Rn. 25, juris).
64Dazu, dass die Annahme nennenswerter Verwerfungen im Wälzungsmechanismus infolge der Ausstrahlungswirkung dieses Falls tatsächlich gerechtfertigt ist, müsste die Bundesnetzagentur konkretere Feststellungen treffen können als sich im angefochtenen Beschluss finden. So dürfte der Bundesnetzagentur jedenfalls die Würdigung der gegenwärtigen Sachlage möglich sein, aus der sich Anhaltspunkte auch für künftig zu befürchtende Verwerfungen gewinnen ließen. Sie kann etwa darlegen, ob bzw. in welchem Umfang gegenwärtig einzelne behördliche Entscheidungen zu Vereinbarungen über individuelle Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle sind und ob diese Verfahren Rechtsfragen betreffen, die sich im Falle einer abweichenden Würdigung durch den Bundesgerichtshof auch auf andere Letztverbraucher auswirken, die nachträglich einen Fristverlängerungsantrag mit der Begründung stellen könnten, infolge einer fehlerhaften Rechtsauskunft der Bundesnetzagentur keine individuelle Netzentgeltvereinbarung geschlossen bzw. ihren Abschluss gegenüber dem Netzbetreiber durchgesetzt zu haben.
656. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt gleichzeitig, dass die Bundesnetzagentur die zur Abwägung stehenden Belange nicht in angemessener Weise zum Ausgleich gebracht hat.
666.1. Die Abwägungsdisproportionalität ergibt sich im Streitfall bereits aus der aufgezeigten fehlerhaften Gewichtung der finanziellen Interessen der Gesamtheit der Netzbetreiber, von der Umlage der Netzentgeltreduktion verschont zu bleiben. Die Bundesnetzagentur hat diesen Umstand maßgeblich als gegen eine Fristverlängerung sprechenden Umstand gewichtet, indem sie im angefochtenen Beschluss ausführt, dass angesichts der eigenen Versäumnisse der Antragstellerin eine Refinanzierung der Netzentgeltreduktion durch die Letztverbraucher ein unbilliges Ergebnis darstelle. Auch wenn die Bundesnetzagentur noch andere Interessen identifiziert hat, die gegen eine Fristverlängerung sprechen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Übergewichtung der finanziellen Interessen der Gesamtheit der Netznutzer das Abwägungsergebnis maßgeblich beeinflusst hat und damit eine Abwägungsdisproportionalität vorliegt.
67Gleichzeitig ergibt sich hieraus unter Berücksichtigung der Ausführungen unter 2.3. eine rechtswidrige Verengung der Interessenabwägung auf den Verschuldensgesichtspunkt.
686.2. Eine solche ergibt sich auch mit Blick auf die Gewichtung des öffentlichen Interesses und des Kollektivinteresses der Netznutzer, Verwerfungen im Wälzungsmechanismus zu vermeiden. Jedenfalls unter Berücksichtigung der allgemein-abstrakten Erwägungen im angefochtenen Beschluss stellt es eine Übergewichtung der letztgenannten Interessen gegenüber dem Individualinteresse der Beschwerdeführerin dar, dass die Bundesnetzagentur allein die befürchteten Verwerfungen im Umlagemechanismus unter Berücksichtigung des Verschuldens der Beschwerdeführerin zum Anlass nimmt, die Fristverlängerung als unbillig einzuordnen.
69Etwas anderes folgt auch nicht aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zwar hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, das es vor dem Hintergrund der Zwecksetzung der Anzeigepflicht, die Umlage nach § 19 Abs. 2 S. 15 StromNEV zeitnah ermitteln zu können und nachträgliche gravierende Einnahmeausfälle für die Netzbetreiber zu vermeiden, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist, wenn die Bundesnetzagentur in Fällen von einer Fristverlängerung absieht, in denen der Antragsteller schuldhaft eine erhebliche Verzögerung verursacht hat (BGH, Beschluss vom 11.12.2018, EnVR 59/17, Rn. 42, juris). Der Entscheidung lag jedoch eine Fallkonstellation zugrunde, in denen der Letztverbraucher nach Ablauf der Anzeigefrist eine günstigere Berechnung ermittelt hat. Diese unterscheidet sich maßgeblich von der hier streitgegenständlichen Fallkonstellation, in der die Bundesnetzagentur einen eigenständigen Beitrag dazu geleistet hat, dass es nicht zur Vereinbarung des materiell rechtmäßigen individuellen Netzentgeltes gekommen ist. Die Erwägungen sind deshalb auf den Streitfall nicht ohne Weiteres übertragbar.
707. Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung der Beschwerdeführerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.
717.1. Mit Blick auf die Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Anzeigeverfahrens wird auf Folgendes hingewiesen:
72Sofern sich die Gefahr von Verwerfungen des Wälzungsmechanismus aufgrund der Beurteilung der gegenwärtigen Sachlage als hinreichend konkret darstellt, kann die Bundesnetzagentur dies im Rahmen der Interessenabwägung maßgeblich berücksichtigen. Dass hierdurch in Fällen einer schuldhaften Fristversäumung durch den Letztverbraucher die Verweigerung der Fristverlängerung zur Regel wird und nur bei besonderen Umständen des Einzelfalls wie einer erheblichen, überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Relevanz der begehrten Netzentgeltreduktion für den Letztverbraucher oder einem relevanten Mitverschulden der Bundesnetzagentur oder Dritter eine nachträgliche Fristverlängerung in Betracht kommt, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Eine materiell-rechtliche Ausschlusswirkung der Anzeigefrist ist damit nicht verbunden, da das Ergebnis der Ermessensentscheidung hierdurch gerade nicht abschließend für jeden Einzelfall determiniert wird.
73Wenn sich hingegen keine hinreichend konkrete Gefahr von Verwerfungen des Wälzungsmechanismus aufgrund der Beurteilung der gegenwärtigen Sachlage feststellen lässt, schließt das zwar nicht aus, dass es zukünftig zu einer Ausstrahlungswirkung auf eine Vielzahl von Fällen kommen kann, die gegenwärtig noch nicht konkret abzusehen ist, weil die - fehlerhafte - Rechtansicht der Bundesnetzagentur derzeit noch nicht gerichtlich geprüft wird. In diesem Fall aber dürfte es an der präjudiziellen Wirkung der Fristverlängerung im Streitfall fehlen, da es der Bundesnetzagentur bei der Entscheidung über künftige Fristverlängerungsanträge nicht verwehrt ist, einer geänderten Sachlage bzw. einer darauf gestützten geänderten Gefahrenprognose Rechnung zu tragen.
747.2. Die Bundesnetzagentur hat schließlich zwar zutreffend angenommen, dass ihrer Auskunft der Beschlusskammer aus dem Jahr 2015 keine gesteigerte Bedeutung zuzumessen war, weil diese nicht ausschlaggebend für die vorliegende Situation der Beschwerdeführerin gewesen sei. Ihren eigenen Verursachungsbeitrag an dem eingetretenen Fristversäumnis hat sie jedoch nur im Rahmen der Bewertung des Verschuldens der Beschwerdeführerin gewürdigt, nicht wie geboten als eigenständigen, für eine Fristverlängerung sprechenden Umstand.
75C.
76I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 S. 1 EnWG. Es entspricht billigem Ermessen, der unterlegenen Bundesnetzagentur die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Eine Einbeziehung der Beteiligten in die Kostenentscheidung war nicht angezeigt, da sich diese am Beschwerdeverfahren nicht aktiv beteiligt hat.
77II. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO.
78Das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin bemisst sich nach der Differenz zwischen den gezahlten allgemeinen Netzentgelten und den individuellen Netzentgeltten, die sich für die Jahre 2014 bis 2016 ergeben hätten. Diese hat die Beschwerdeführerin im streitgegenständlichen Verfahren konkret mit … Euro (… Euro für 2014, … Euro für 2015 und … Euro für 2016) beziffert.
79Dass hier lediglich der Anspruch der Beschwerdeführerin auf nachträgliche Verlängerung der Frist zur Anzeige des individuellen Netzentgeltes in Streit steht, führt nicht zu einer Reduzierung dieses Interesses. Es ist zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig, dass sämtliche weiteren Voraussetzungen für die Vereinbarung eines individuellen Netzentgeltes vorliegen, so dass anzunehmen ist, dass bei einer positiven Bescheidung des Fristverlängerungsantrags die Beschwerdeführerin letztlich nur die vereinbarten individuellen Netzentgelte zu zahlen haben wird. Die Inanspruchnahme individueller Netzentgelte steht und fällt damit allein mit dem Erfolg des Fristverlängerungsgesuchs.
80D.
81Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die hierfür in § 86 Abs. 2 EnWG normierten Voraussetzungen nicht vorliegen. Insbesondere haben die streitgegenständlichen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung (§ 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG). Zur Ausübung des behördlichen Ermessens im Rahmen der Entscheidung über die Verlängerung einer behördlichen Frist nach § 31 Abs. 7 VwVfG existieren höchstrichterliche Vorgaben aus der verwaltungsgerichtlichen und energiewirtschaftsrechtlichen Rechtsprechung, die es auf den konkreten Einzelfall anzuwenden gilt. Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich insoweit nicht.
82Rechtsmittelbelehrung:
83Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf einzulegen. Die Nichtzulassungbeschwerde kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht werden. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung) vom 24.11.2017 (BGBl. I, S. 3803). Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen einem Monat zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 87 Abs. 4 Satz 1, 80 Satz 2 EnWG).