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Die Berufung des Klägers gegen das am 30.08.2019 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leisten.
G r ü n d e:
2A.
3Der Kläger ist als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. Vertriebs GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) bestellt, über die durch Beschluss vom 04.12.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die Schuldnerin firmierte bis Januar 2013 unter dem Namen B. GmbH ….. (Handelsregisterauszug zur Schuldnerin = Anlage K 33). Die Schuldnerin war eine Konzerngesellschaft der A. AG (Handelsregisterauszug = Anlage K 34), über die durch Beschluss vom 01.02.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde die Schuldnerin durch die Geschäftsführer M. L. und M. R. vertreten.
4Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der Beklagte einer ihrer Prokuristen. Die Beklagte war u. a. mit der Testierung der Jahresabschlüsse für das Rumpfgeschäftsjahr 2011 und das Geschäftsjahr 2012 betraut. Die Jahresabschlüsse der Schuldnerin zum 31.12.2011 (Rumpfgeschäftsjahr vom 01.03.2011 bis 31.12.2011) und 31.12.2012 waren prüfungspflichtig im Sinne von §§ 316, 267 HGB. Die Beklagte prüfte durch den Beklagten die vorgenannten Jahresabschlüsse und erteilte den Bestätigungsvermerk gemäß § 322 HGB (Bericht vom 29.06.2012 = Anlage K 2 und Bericht vom 07.05.2013 = Anlage K 3).
5Der Kläger wirft den Beklagten Fehler bei der Prüfung der Jahresabschlüsse vor. Die Beklagten hätten bei ordnungsgemäßer Prüfung aufdecken müssen, dass die Bilanzen der Schuldnerin in vielfältiger Art und Weise von ihrem Geschäftsführer R., der Leiterin der Buchhaltung C. (die zuvor den Namen W. trug) und der Steuerberaterin/Wirtschaftsprüferin G. manipuliert worden seien, um ihre Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit zu bemänteln. Wegen der Manipulationen bei der Schuldnerin wird auf die Anlagen BE 1 bis BE 4 und B 114 Bezug genommen. Die vorgenannten Personen fälschten u. a. Eingangs- und Ausgangsrechnungen und Kontoauszüge. Auch wurden der Fa. D. gehörende Waren, die bei der Schuldnerin gelagert waren, von ihr unterschlagen und verkauft. Zu der Steuerberaterin/Wirtschaftsprüferin G. ist in erster Instanz unstreitig geblieben, dass sie freiberuflich („extern“) für die Schuldnerin tätig war. Erstmals mit dem Schriftsatz vom 01.03.2021 (durch den wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die Berufungserwiderung vom 14.05.2020 erwidert worden ist) hat der Kläger vorgetragen, Frau G. sei wie eine Angestellte der Schuldnerin aufgetreten. Die Beklagten haben diesen Vortrag im nachgelassenen Schriftsatz vom 14.05.2021 bestritten.
6Der Kläger behauptet, dass im Falle der Aufdeckung der Manipulationen bereits am 30.06.2012 und nicht erst am 14.11.2013 ein Insolvenzantrag für die Schuldnerin gestellt worden wäre. Deshalb sei ein Fortführungsschaden durch Erhöhung der Überschuldung entstanden. Diesen Fortführungsschaden hat der Kläger mit der Anlage K 27 zunächst auf 162.795.256,10 EUR, sodann mit der Anlage K 77 auf 162.299.548,60 EUR beziffert. Schadensersatz hat der Kläger unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens der Schuldnerin zunächst in Höhe von 81.397.628,05 EUR geltend gemacht (Anspruchsbegründung vom 25.04.2017, GA 35). In der Replik vom 29.01.2018 (Seite 143 = GA 335) hat er erklärt, noch 81.149.774,30 EUR geltend zu machen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat er gleichwohl auf den Antrag aus der Anspruchsbegründung Bezug genommen.
7Die Beklagten haben – u. a. gestützt auf ein mehrfach ergänztes Privatgutachten (Anlagen B 105, B 108, BE 5) – Fehler bei der Prüfung in Abrede gestellt. Sie haben sich darauf berufen, dass selbst eine intensivere Prüfung die Manipulationen nicht aufgedeckt hätte, weil die Schuldnerin in diesem Falle noch weitere gefälschte Unterlagen vorgelegt hätte. Die Beklagten haben zudem bestritten, dass die Aufdeckung der Manipulationen zu einem Insolvenzantrag geführt hätte und sind der Schadensberechnung entgegen getreten. Sie haben ein anspruchsausschließendes Mitverschulden der Schuldnerin eingewandt und die Einrede der Verjährung erhoben.
8Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, ist die Klage durch die Kammer für Handelssachen (neben der Berufsrichterin besetzt mit zwei als Wirtschaftsprüfern tätigen Handelsrichtern) abgewiesen worden. Den Beklagten falle allenfalls einfache Fahrlässigkeit zur Last. Gegenüber dem schweren Verschulden des Geschäftsführers der Schuldnerin und weiterer Mitarbeiter der Schuldnerin trete das Verschulden der Beklagten in den Hintergrund.
9Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Das Landgericht habe Teile seines Vortrags übergangen. Zu Unrecht habe es Vorsatz der Beklagten verneint. Das Verschulden der Beklagten trete daher nicht vollständig zurück.
10Der Kläger beantragt,
11unter Abänderung des Endurteils des LG Düsseldorf vom 30.08.2019 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 81.397.628,05 EUR zzgl. 5 % Zinsen p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2016 zu bezahlen.
12Die Beklagten beantragen,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung.
15B.
16Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
17I.
18Mit der Berufung stellt der Kläger den Antrag aus der Anspruchsbegründung. Nach seiner in der Replik angestellten Berechnung steht ihm indessen nur ein Anspruch in Höhe von 81.149.774,30 EUR zu. In Höhe der Differenz zu 81.397.628,05 EUR ist die Berufung daher von vornherein unbegründet.
19II.
20Der Senat geht von folgenden rechtlichen Grundsätzen aus:
211.Die Schuldnerin war prüfungspflichtig gemäß §§ 316, 267 HGB. Die Haftung der Beklagten ist daher gemäß § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung müssen der Prüfer und der bei der Prüfung mitwirkende Gehilfe Schadensersatz leisten, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig ihre Pflichten verletzen.
22Gemäß § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Abschlussprüfer zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet. Aufgrund des Prüfungsauftrags ist der Abschlussprüfer verpflichtet, die Prüfung mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durchzuführen. Die Verlautbarungen des IDW, die konkretisierende Angaben zur Abschlussprüfung machen, haben primär den Zweck, dem Abschlussprüfer einen Bestand an anerkannten Regeln aufzuzeigen. Sie enthalten aber keine Weisungen an den Abschlussprüfer. Es würde daher zu weit gehen, die Verlautbarungen des IDW als Mindestanforderungen an die Abschlussprüfung anzusehen und zu fordern, dass sie im Einzelfall eingehalten werden müssen. Allein deshalb, weil der Abschlussprüfer von einer Verlautbarung des IDW abgewichen ist, kann daher nicht angenommen werden, dass die Abschlussprüfung nicht gewissenhaft durchgeführt worden ist (Schmidt/Feldmüller, in: Beck´scher Bilanzkommentar, 12. Auflage, § 323 Rn. 12). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Prüfungsauftrag der Beklagten, wie er in den Berichten über die Abschlussprüfung (Anlagen K 2 und K 3) wiedergegeben ist. Danach sollten die IDW-Prüfungsstandards (IDW-PS) Beachtung finden. Einer „Beachtung“ kann nicht entnommen werden, dass die IDW-PS im jeden Einzelfall zur Anwendung hätten kommen müssen. Die ISA (International Standards of Accounting) entfalten unmittelbare Bindungswirkung für den Abschlussprüfer nur dann, wenn sie bei der Abschlussprüfung ausdrücklich angewendet werden (Schmidt/Feldmüller, a. a. O., § 323 Rn. 13). So liegt der Fall hier nicht. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich keine Anwendung der ISA auf der Grundlage von § 317 Abs. 5 HGB. Die Europäische Kommission hat die ISA bisher nicht angenommen (Schorse/Morfeld, in: BeckOK-HGB [15.10.2020], § 317 Rn. 56).
23Die Ausrichtung der Tätigkeit des Abschlussprüfers auf einzelne Prüfungshandlungen darf nicht den Blick darauf verstellen, dass das eigentliche Ziel der Prüfung auf einen „Überwachungserfolg“ abzielt. Außerhalb des Bereichs der Pflichtprüfung enthält der Auftrag, einen Jahresabschluss zu erstellen, eine werkvertragliche Verpflichtung mit Geschäftsbesorgungscharakter (BGH, Urt. v. 26.01.2017 – IX ZR 285/14, Rn. 14, BGHZ 213, 374). Der Abschlussprüfer kann mit seiner Prüfung nicht garantieren, dass der geprüfte Jahresabschluss zutreffend ist. Seine Prüfungshandlungen können nur darauf ausgerichtet sein, dass der Jahresabschluss mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft, weil er immerhin der Prüfung standgehalten hat. Der geschuldete Erfolg liegt somit lediglich in der Erteilung eines hinreichend abgesicherten Bestätigungsvermerks, nicht in der Erteilung eines „richtigen“ Bestätigungsvermerks. Der vom Abschlussprüfer zu erzielende Erfolg ist zugleich von der Intensität der Prüfung nicht zu trennen. Denn je tiefgehendere Prüfungsmaßnahmen ergriffen werden, um so sicherer ist das Prüfungsergebnis.
24Die Darlegungs- und Beweislast für die Pflichtverletzung liegt bei der geprüften Gesellschaft (Böcking/Gros/Rabenhorst, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 4. Auflage, § 323 Rn. 15; Schmidt/Feldmüller, a. a. O., § 323 Rn. 102). Das gilt auch für negative Tatsachen (Müller, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Auflage, § 323 Rn. 64). Allerdings kann sich der Wirtschaftsprüfer gegenüber einem konkreten Vortrag zu Pflichtverletzungen nicht damit begnügen, ganz allgemein zu behaupten, er habe ausreichend geprüft. Wenn konkreter Vortrag der geprüften Gesellschaft (oder der für sie handelnden Partei kraft Amtes) zu einer vermeintlichen Pflichtverletzung erfolgt, dann muss der Wirtschaftsprüfer zu der von ihm entfalteten Prüfungstätigkeit vortragen, will er die Pflichtverletzung in Abrede stellen. Zu weit würde es demgegenüber gehen, wollte man den Wirtschaftsprüfer gegenüber jedweder Klage als verpflichtet ansehen, seine Prüfung insgesamt in allen Details darzustellen. Dies liefe auf eine ungerechtfertigte Ausforschung hinaus und würde die Darlegungs- und Beweislast in ihr Gegenteil verkehren.
252.Die Haftung des Abschlussprüfers setzt weiter voraus, dass die Pflichtverletzung für eine Rechtsgutverletzung – im Sinne einer Primärverletzung – ursächlich geworden ist. Das haftungsbegründende Verhalten des Prüfers liegt dabei in der Erteilung eines Bestätigungsvermerks für einen nicht gesetzeskonformen Jahresabschluss infolge der (sorgfaltswidrigen) Nichtaufdeckung von unwahren oder unvollständigen Angaben (Ebke, in: Münchener Kommentar zum HGB, 4. Auflage, § 323 Rn. 69). Allein die Verletzung einer Prüfungspflicht oder das Unterlassen einer an sich gebotenen Prüfungshandlung durch den Abschlussprüfer führt daher nicht zu seiner Haftung. Es bedarf zusätzlich der Feststellung, dass die fehlerhaften oder unterlassenen Prüfungshandlungen kausal dafür geworden sind, dass der Bestätigungsvermerk erteilt worden ist, ohne dass unwahre oder unvollständige Angaben aufgedeckt worden sind. Der haftungsbegründende Tatbestand ist nicht bereits dann vollendet, wenn gebotene Prüfungshandlungen unterlassen oder Prüfungshandlungen fehlerhaft ausgeführt werden. Der rechtswidrige Erfolg tritt erst ein, wenn der unrichtige Bestätigungsvermerk (im vorgenannten Sinne) erteilt wird. Es ist demgegenüber nicht gerechtfertigt, allein in dem Unterlassen gebotener Prüfungsschritte einen haftungsbegründenden Tatbestand zu sehen, auch wenn diese Prüfungsschritte für die Erteilung des Bestätigungsvermerks irrelevant gewesen sind. Bei dieser Auslegung wirkte § 323 HGB wie ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Der haftungsbegründende Tatbestand würde allein an die Gefährdung eines Rechtsguts anknüpfen, nämlich die abstrakte Gefahr, dass das Unterlassen eines Prüfungsschritts – wenn dieser unter den konkreten Umständen relevant gewesen wäre – das Ergebnis der Prüfung beeinflussen kann. Die Haftung gemäß § 323 HGB schon an eine solche abstrakte Gefährdung anknüpfen zu lassen, ist nicht gerechtfertigt. Wenn eine Prüfungshandlung zwar abstrakt erforderlich, im konkreten Fall jedoch irrelevant ist, dann ist mit der Erteilung des Bestätigungsvermerks kein Unwert oder Unrecht verknüpft, wie es erforderlich für eine Haftung ist.
26Entgegen der Ansicht des Klägers ist daher die Frage, ob weitere Prüfungshandlungen der Beklagten durch die Vorlage von (weiteren) Fälschungen seitens der Schuldnerin konterkariert und im Ergebnis ohne Erfolg geblieben wären, nicht eine Frage des Mitverschuldens, sondern der haftungsbegründenden Kausalität. Der Kläger wirft den Beklagten das Unterlassen weiterer Prüfungshandlungen vor. Ein Unterlassen ist aber nur dann kausal, wenn die Vornahme der unterlassenen Handlung den rechtswidrigen Erfolg vermieden hätte (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 79. Auflage, vor § 249 Rn. 51). Unrichtig ist es daher auch, wenn der Kläger geltend macht, die Beklagten beriefen sich zur Abwehr ihrer Haftung auf eine hypothetische Ersatzursache. Das ist nicht der Fall, weil der Zusammenhang des Unterlassens weiterer Prüfungshandlungen mit dem Eintritt der Rechtsgutverletzung – wie dargelegt – den haftungsbegründenden Zusammenhang betrifft.
27Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass weitere – aus der Sicht des Klägers gebotene Prüfungshandlungen – zu einer Verweigerung des Bestätigungsvermerks bzw. zu einer Einschränkung geführt hätten, trifft danach den Kläger. Es verhält sich nicht anders als bei einer fehlerhaften Beratung des Steuerberaters. Dort ist der haftungsbegründende Tatbestand erst mit der Erteilung des unzutreffenden Rats vollendet und nur die weiteren Folgen sind gemäß § 287 ZPO zu beurteilen. Danach kann die Frage, ob die Verweigerung des Bestätigungsvermerks durch die Beklagten zu einer früheren Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hätte, gemäß § 287 ZPO zu beurteilen sein (vgl. BGH, Urt. v. 06.06.2013 – IX ZR 204/12, NJW 2013, 2345), nicht aber die vorgelagerte Frage zwischen dem Zusammenhang fehlerhafter und unterlassener Prüfungshandlungen und der Erteilung des Bestätigungsvermerks.
28Der Kläger macht geltend, dass für „beide Kausalitäten“ ein Anscheinsbeweis streite. Das trifft nicht zu. Ein Anscheinsbeweis setzt einen typischen Geschehensablauf voraus. Daran fehlt es hier. Es ist nicht „typisch“, dass eine ordnungsgemäße Abschlussprüfung Manipulationen aufdeckt. Auch ist es nicht „typisch“, dass ein doloser Geschäftsführer unmittelbar Insolvenzantrag stellt, wenn er mit Manipulationen konfrontiert wird. Hierzu wird ergänzend auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen.
293.Ein Schaden der geprüften Gesellschaft setzt nach der Differenzhypothese voraus, dass sich ihre hypothetische Vermögenslage bei weggedachter Pflichtverletzung besser darstellt als ihre tatsächliche Vermögenslage. Für den Fall des unterbliebenen Hinweises des Abschlussprüfers einer GmbH auf die Insolvenzreife hat der IX. Zivilsenat des BGH entschieden, dass der nach Eintritt der Insolvenzreife durch die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit erwachsende Schaden zu ersetzen ist. Die hierdurch bewirkte „Vertiefung“ der Überschuldung bilde grundsätzlich eine adäquate Schadenfolge (BGH, Urt. v. 06.06.2013 – IX ZR 204/12, NJW 2013, 2345; ablehnend Brügge VersR 2018, 705).
304.Gemäß § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB beschränkt sich die Haftung von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, auf 1,0 Mio. EUR für eine Prüfung. Die Darlegungs- und Beweislast für den Vorsatz trägt die geprüfte Gesellschaft (Meixner/Schröder, Wirtschaftsprüferhaftung, Rn. 326; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 39. Auflage, § 323 Rn. 9; Schmidt/Feldmüller, a. a. O., § 323 Rn. 106). § 323 HGB geht im Ausgangspunkt von einer begrenzten Haftung aus, die nur bei Vorsatz unbeschränkt ist. Daher muss der Anspruchsteller den Vorsatz beweisen. Der Ansicht, der Wirtschaftsprüfer müsse Vorsatz widerlegen (BB Seite 28 und SS vom 01.03.2021, Seite 21 f., siehe auch Habersack/Schürnbrand, in: Staub, HGB, 5. Auflage, § 323 Rn. 42), ist daher nicht zu folgen. Eine solche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast folgt nicht aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dort ist die Vermutung für ein Vertretenmüssen geregelt, nicht für eine bestimmte Schuldform, zumal § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht ohne weiteres auf eine Regelung zur Haftungshöhe übertragen werden kann (BGH, Urt. v. 23.12.1966 – V ZR 26/64, juris-Rn. 14, BGHZ 46, 260).
31Der Vorsatz enthält ein Willens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Bedingter Vorsatz setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Es genügt dagegen nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urt. v. 20.12.2011 – VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404).
32Bezugspunkt des Vorsatzes ist die Erteilung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks. Der Abschlussprüfer kann schon dann bedingt vorsätzlich handeln, wenn er es billigend in Kauf nimmt, dass der Abschlussvermerk infolge unterlassener oder fehlerhaft durchgeführter Prüfungen keine hinreichende Gewähr für die Richtigkeit des Jahresabschlusses bietet und er den Bestätigungsvermerk daher zu Unrecht erteilt. Im Falle von Bilanzmanipulationen ist es für die Annahme von Vorsatz dagegen nicht erforderlich, dass der Abschlussprüfer kollusiv mit der geprüften Gesellschaft zusammen arbeitet oder von den Bilanzmanipulationen positive Kenntnis hat (BGH, Urt. v. 19.04.2012 – III ZR 224/10, NZI 2012, 472).
33Von den materiellen Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes sind die Anforderungen zu unterscheiden, die an seinen Beweis zu stellen sind. Dieser Beweis einer inneren Tatsache muss nicht notwendig „direkt“ sein. So kann sich im Rahmen des § 826 BGB aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war. Vielmehr ist immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich (BGH, Urt. v. 20.12.2011 – VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404). Danach können zur Beurteilung, ob Vorsatz vorgelegen hat, auch solche Pflichtverletzungen eine Rolle spielen, die für den Schaden nicht kausal geworden sind. Wenn ein Schadensersatzanspruch besteht (weil eine Pflichtverletzung kausal für den Schaden ist), dann können weitere (nicht kausale) Pflichtverletzungen auf Vorsatz hindeuten.
345.Auch wenn der Wirtschaftsprüfer dem Grunde nach haftet, kann seine Haftung durch ein Mitverschulden der geprüften Gesellschaft beschränkt oder ganz ausgeschlossen sein, wenn auch im Hinblick auf die Funktion der Abschlussprüfung, Fehler in der Rechnungslegung aufzudecken und den daraus drohenden Schaden von der geprüften Gesellschaft abzuwenden, bei der Anwendung von § 254 Abs. 1 BGB mehr Zurückhaltung als bei anderen Schädigern geboten ist. Daher lässt auch eine vorsätzliche Irreführung des Prüfers die Ersatzpflicht nicht – wie sonst – ohne weiteres gänzlich entfallen (BGH, Beschl. v. 23.10.1997 – III ZR 275/96, NJWE-VHR 1998, 39; Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, Rn. 54, BGHZ 183, 323; BGH, Urt. v. 06.06.2013 – IX ZR 204/12, NJW 2013, 2345). Die geprüfte Gesellschaft muss jedenfalls im Rahmen der Abwägung gemäß § 254 BGB Vorsatz des Wirtschaftsprüfers beweisen (BGH, Urt. v. 19.04.2012 – III ZR 224/10, Rn. 30, ZIP 2012, 1128).
35Den rechtlichen Ausführungen des Klägers dahin, dass die Berücksichtigung eines Mitverschuldens gänzlich zu unterbleiben habe oder in aller Regel nur gering anzusetzen sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Im Gegenteil erscheint es im Ausgangspunkt als treuwidrig, wenn die Schuldnerin Ersatz für einen Schaden verlangt, den sie selbst verursacht hat. Das Handeln ihres Geschäftsführers muss sich die Schuldnerin zurechnen lassen (§ 31 BGB). Wenn es auch sein mag, dass die Haftung der Beklagten wegen des Verhaltens der Schuldnerin nicht „ohne weiteres“ entfällt, so muss es doch gewichtet werden.
36III.
37Die allgemeinen Ausführungen eingangs der Berufungsbegründung – die sich im Wesentlichen darin erschöpfen, die nachfolgenden Berufungsangriffe anzudeuten und die zudem zahlreiche Wiederholungen enthalten – verfangen nicht.
38Der Kläger macht geltend, dass das Landgericht von einem falschen Prüfungsmaßstab ausgegangen sei, wenn es die Frage aufwerfe, ob die Beklagten die Manipulationen hätten aufdecken müssen. Das überzeugt nicht. Wäre das Landgericht zu dem Schluss gelangt, dass die Manipulationen hätten aufgedeckt werden müssen, hätte die Ursächlichkeit einer oder mehrerer Pflichtverletzungen der Beklagten festgestanden. Auch der Kläger stellt darauf ab, dass die Manipulationen hätten aufgedeckt werden müssen (BB 93 f. und SS vom 01.03.2021, Seite 16, GA 1579). Gerade hiervon hängt im Übrigen die Haftung der Beklagten ab, wird doch der Schaden dadurch begründet, dass die Schuldnerin nicht schon früher Insolvenz angemeldet hat.
39Im Übrigen übergehen die Ausführungen des Klägers, dass das Landgericht zu einzelnen Pflichtverletzungen Stellung genommen hat. Die Ansicht des Klägers, das Landgericht habe ohne Bewertung der den Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen das Mitverschulden zu Lasten des Klägers (bzw. der Schuldnerin) durchgreifen lassen, trifft nicht zu. Das Landgericht hat begründet, warum es allenfalls von einfacher Fahrlässigkeit der Beklagten ausgeht und hat danach das Verschulden der Beklagten zurücktreten lassen. Danach gehen auch die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 01.03.2021 (dort Seite 8-13) ins Leere.
40Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht die Frage, welche Anforderungen an die Prüfung des Abschlussprüfers zu stellen sind, als Rechtsfrage identifiziert hat. So wie auch komplexe steuerrechtliche Fragen von den Zivilgerichten zu entscheiden sind, wenn hiervon etwa die Haftung eines Steuerberaters abhängt, ist von den Zivilgerichten zu entscheiden, welche Pflichten den Wirtschaftsprüfer treffen bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Haftung gemäß § 323 HGB in Betracht kommt. Eine Beweiserhebung über solche Rechtsfragen ist entgegen der Ansicht des Kläges (BB 12, 20) nicht möglich.
41Nicht zutreffend ist die Darstellung der Berufung, dass sich das Landgericht nicht mit der Frage befasst habe, zu welchen Prüfungshandlungen die Beklagten verpflichtet gewesen wären. Auch vermag der Senat nicht der Darstellung des Klägers im Schriftsatz vom 01.03.2021 (dort Seite 6, wiederholt auf Seite 27) zu folgen, das Landgericht habe die Rolle des Abschlussprüfers dahin missverstanden, dass er sich auf das „Abhaken von Zahlenkolonnen“ im „unreflektierten Glauben an die Richtigkeit der vorgelegten Daten und Unterlagen“ beschränken dürfe. Das Gegenteil ist richtig, wie sich aus den Ausführungen des Landgerichts auf Seite 6 des angefochtenen Urteils ergibt. Im Übrigen wird auf die einleitenden rechtlichen Ausführungen des Senats Bezug genommen. Nicht richtig ist auch die Darstellung des Klägers, das Landgericht habe die von ihm erhobenen Vorwürfe dahin verstanden, dass er eine „Unterschlagungsprüfung“ fordere (SS vom 01.03.2021, Seite 14).
42Unerheblich sind die Ausführungen zu einer angeblich durch das Landgericht verletzten Hinweispflicht. Der Kläger legt nicht dar, was er im Falle eines Hinweises vorgetragen hätte.
43Die allgemeinen Ausführungen des Klägers dazu, dass Wirtschaftsprüfer sich nicht ohne weiteres in eine „Opferrolle“ begeben dürften oder die Abschlussprüfer des Unternehmens V. fehlerhaft gehandelt hätten, spielen für den vorliegenden Rechtsstreit keine Rolle.
44IV.
45Der Kläger kann der Klage und seiner Berufung nicht dadurch zum Erfolg verhelfen, dass er die gesammelten IDW-PS vorgelegt und dazu pauschal die Frage in den Raum stellt, ob die Prüfung der Beklagten diesen Anforderungen entsprochen habe. Ein solches Vorgehen liefe darauf hinaus, dass die Beklagten umfassend zu ihrer Prüfung vortragen müssten und die den Kläger treffende Darlegungslast und Beweislast in ihr Gegenteil verkehrt würde. Der Kläger muss aber konkret zu Pflichtverletzungen vortragen. Daher kann er seine Berufung nicht darauf gründen, das Landgericht hätte abstrakt sämtliche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prüfung definieren müssen, weil dies Voraussetzung der Subsumtion der Pflichtverletzung sei und geklärt werden müsse, ob die Beklagten in einer „Gesamtschau“ eine ordnungsgemäße Prüfung durchgeführt hätten. Auch vermag der Senat nicht dem Ansatz des Klägers zu folgen, die (umfangreichen) IDW-PS seien im Sinne einer „to-do-Liste“ abzuarbeiten. Das wird dem Sinn dieser Prüfungsstandards und der Eigenverantwortlichkeit des Abschlussprüfers nicht gerecht, wozu auf die einleitenden rechtlichen Ausführungen Bezug genommen wird.
46V.
47Der Ansicht des Klägers, dass nach den von ihm vorgetragenen Verletzungen der Prüfungspflicht von Vorsatz auszugehen sei (BB 28 ff.) überzeugt nicht. Der Kläger macht geltend, es sei den Beklagten nur darum gegangen, die Jahresabschlüsse möglichst reibungslos uneingeschränkt zu testieren. Zudem ist er der Ansicht, dass ein „bewusstes Wegschauen“ vorliege. Das sind Spekulationen, für die es keinen ausreichenden Anhaltspunkt gibt. Die Beklagten haben zutreffend darauf hingewiesen, dass mit der Testierung eines unrichtigen Jahresabschlusses nicht nur ein erhebliches Haftungsrisiko, sondern auch ein Reputationsverlust einhergeht. Es erschließt sich danach nicht, warum die Beklagten billigend einen unrichtigen Bestätigungsvermerk (im Sinne einer erkannt unzureichenden Absicherung des Bestätigungsvermerks) in Kauf hätten nehmen sollen. Hinzu kommt, dass nach der Art der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers die Fassung eines Vorsatzes dahin, bewusst fehlerhaft zu prüfen, die Überwindung einer erheblichen Hemmschwelle erfordert, zumal die Erteilung eines erkannt unrichtigen Bestätigungsvermerks gemäß § 332 HGB strafbar sein kann. Auch sind die (vermeintlichen) Pflichtverletzungen entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht so schwerwiegend, dass sie den Schluss auf Vorsatz zulassen könnten. Hierzu nimmt der Senat auf die nachfolgenden Ausführungen zu den von dem Kläger gerügten Pflichtverletzungen Bezug. Hinzu kommt, dass der Kläger als grundlegende Ursache für aus seiner Sicht unzureichende Prüfungen die (vermeintlich) unzutreffende Risikoeinschätzung der Beklagten identifiziert (u. a. BB 67, 74, 81). Das wird noch unterstrichen durch die Ausführungen im Schriftsatz vom 01.03.2021 (Seite 50 ff.). Danach sieht der Kläger die entscheidende Ursache in der Prüfungsplanung; weil diese fehlerhaft gewesen sei, seien weitergehende Prüfungen unterblieben, die zu einer Aufdeckung der Manipulationen geführt hätten. Wenn sich die Beklagten aber schon durch eine unzureichende Risikoeinschätzung den Blick auf die notwendigen Prüfungshandlungen verstellt haben, dann kann letztlich nicht von einer Vielzahl von Pflichtverletzungen die Rede sein. Nach diesem Vortrag sind die unzureichenden Prüfungen Folge einer maßgeblichen Pflichtverletzung, nämlich der fehlerhaften Risikoeinschätzung. Bei dieser Risikoeinschätzung darf dann wiederum nicht ausgeblendet werden, dass sie von zahlreichen Wertungen abhängig ist; selbst wenn also eine fehlerhafte Ausübung des prüferischen Ermessens vorliegen sollte, so fehlt es hier erst recht an Anhaltspunkten für Vorsatz. Vorsatz ist nicht anzunehmen, wenn ein Prüfer innerhalb einer Gemengelage von Normen davon ausgeht, dass seine Prüfung vertretbar ist (Leplow, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage, § 332 HGB Rn. 51).
48Über den Vortrag zu angeblichen „4-Augen-Gesprächen“ des R. mit dem Beklagten zu 2) hat das Landgericht zu Recht nicht Beweis erhoben. Der Vortrag ist zu unbestimmt. Der Kläger hat nicht dargelegt, welche Nachfragen zu welchen Themen durch die angeblichen 4-Augen-Gespräche erledigt worden sind. In der Klageschrift ist völlig diffus von „kritischen Nachfragen“ die Rede. Die in seinem Schriftsatz vom 01.03.2021 (dort Seite 3, GA 1566) vorgetragene Behauptung, die 4-Augen-Gespräche hätten damit in Zusammenhang gestanden, dass der Beklagten die Manipulationen nicht entgangen seien, ist neu und daher mangels Zulassungsgrunds nicht zu berücksichtigen. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten die Manipulationen positiv erkannt hätten. Dass der Kläger insoweit ins Blaue hinein vorträgt, ergibt sich auch daraus, dass er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu dem Inhalt der Gespräche berufen hat. Eine sekundäre Darlegungslast setzt u. a. voraus, dass der Kläger der Inhalt der (angeblichen) Gespräche nicht bekannt ist und er daher hierzu nicht vortragen kann. In der Sache ist eine sekundäre Darlegungslast zum Inhalt der bestrittenen Gespräche nicht anzuerkennen. Darlegungs- und beweisbelastet ist der Kläger. Dies kann er nicht dadurch umkehren, dass er völlig unbestimmte Angaben zu (angeblichen) Gesprächen macht, um hierdurch ausforschend auf weiteren Vortrag der Beklagten neue Vorwürfe zu gründen.
49VI.
50Im Hinblick auf das besonders schwere Verschulden der Schuldnerin als geprüfter Gesellschaft ist die Würdigung des Landgerichts zum Mitverschulden nicht zu beanstanden. Der Geschäftsführer der Schuldnerin R. hat im Zusammenwirken mit der Buchhalterin C. (W.) und der Steuerberaterin/Wirtschaftsprüferin G. die Buchhaltung manipuliert, Belege aus der Buchhaltung gefälscht, Kontoauszüge gefälscht, Rechnungen und Lieferscheine gefälscht und durch ein System von teilweise nicht existenten Gesellschaften und von ihm kontrollierten Gesellschaften mit Hilfe Dritter (Angehörige der Familie E.) Gelder aus dem Unternehmen „gezogen“. Für den weiteren Geschäftsführer L. hat er vorgetragen, dass es sich um einen „Frühstücksdirektor“ gehandelt habe, der sich um das Unternehmen nicht gekümmert habe. Die Würdigung des Landgerichts, dass etwaige Prüfungsfehler der Beklagten dahinter zurücktreten, ist zutreffend.
51Es ist nicht überzeugend, wenn der Kläger geltend macht, es habe keine „groß angelegte Betrugsmaschinerie“ gegeben. So bleibt der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 01.03.2021 (Seite 63, GA 1626) sehr unbestimmt, wenn er vorträgt, die Manipulationen seien „nur sehr wenigen“ Mitarbeitern bekannt gewesen. Welche Anzahl der Kläger unter „sehr wenig“ versteht, erläutert er nicht. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass sich aus der Anlage BE 4 (Vernehmung der Zeugen P. und F. über die Vorgänge im Lager) hervorgeht, dass allein in diesem Bereich eine Vielzahl von Personen in die Manipulation der Lagerbestände involviert war. Die Zeugin C. (W.) hat berichtet (Anlage B 114, als Anlage K 44 von dem Kläger nur auszugsweise vorgelegt), dass sie gemeinsam mit Frau K. „erforderliche“ Rechnungen geschrieben habe. Zudem hat sie berichtet, dass der Geschäftsführer R. mit Mitarbeitern der IT im Bereich der Privatumsätze Buchungssätze mit mehr als hunderttausend Buchungsvorgängen „dupliziert“ habe, um höhere Umsätze im Privatkundengeschäft vorzutäuschen. Wenig plausibel ist im Übrigen die Darstellung des Klägers, die Mittäter der Familie E. seien nur „partiell“ informiert gewesen, nämlich nur soweit die von ihnen geführten Gesellschaften betroffen gewesen seien. Wenn diese Gesellschaften dazu dienten, (Bar-) Geld aus der Schuldnerin abzuziehen und die Gesellschaften von Mitgliedern der Familie E. kontrolliert wurden, ist es vielmehr naheliegend, dass die jeweiligen Familienangehörigen über das Handeln der anderen informiert waren.
52Nicht überzeugend sind die Ausführungen des Klägers dazu, dass er die Beklagten wegen der Schäden der Gläubiger in Anspruch nehmen würde und die Gläubiger kein Mitverschulden treffe. Mittelbar mögen die Gläubiger durch Erhöhung der Insolvenzquote begünstigt werden, wenn der Kläger den Schadensersatz durchsetzen könnte. Das ändert freilich nichts daran, dass ein Schadensersatzanspruch der Schuldnerin selbst zu beurteilen ist, den der Kläger als Partei kraft Amtes verfolgt. Auch das Argument des Klägers, die Gläubigerinteressen seien zu berücksichtigen, weil diese sonst schutzlos gestellt seien, verfängt nicht. Auch Dritten können Ansprüche gegen den Wirtschaftsprüfer zustehen, etwa gemäß § 826 BGB. In diesem Fall gewinnen allerdings die Überlegungen von Brügge (a. a. O.) Bedeutung, wonach das „Nebeneinander“ der Haftung gegenüber der geprüften Gesellschaft und den Gläubigern Bedenken begegnen kann.
53VII.
54Der Kläger hat (erstmals in der Replik) geltend gemacht, dass schon die Prüfungsplanung der Beklagten für beide Jahresabschlüsse fehlerhaft gewesen sei. Dabei hat er in erster Instanz den Vortrag der Beklagten zur Prüfungsplanung bestritten.
55Da der Kläger darlegungs- und beweisbelastet ist, kann er durch Bestreiten des Vortrags der Beklagten eine Pflichtverletzung nicht darlegen. Auch überzeugt es nicht, wenn der Kläger geltend macht, nicht aus den Arbeitspapieren dokumentierte Prüfungshandlungen seien als nicht geschehen zu werten. Die Dokumentation dient in erster Linie dem Abschlussprüfer, damit er seiner sekundären Darlegungslast genügen kann, wenn ihm eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird. Zudem wäre es verfehlt, nicht dokumentierte Prüfungshandlungen als ungeschehen zu werten. Denn hierdurch würde ein Fehler der Dokumentation der fehlerhaften Erfüllung des Auftrags gleichgesetzt. Die von dem Kläger im Schriftsatz vom 01.03.2021 angeführten Entscheidungen beziehen sich auf Fälle der Arzthaftung und können nicht auf die Haftung des Wirtschaftsprüfers übertragen werden. Auf die Ausgestaltung der Qualitätskontrolle der Tätigkeit der Abschlussprüfer kann nicht abgestellt werden.
56Zu der Prüfungsplanung weist der Senat darauf hin, dass sich aus dem Vortrag des Klägers schon nicht ergibt, dass eine andere Prüfungsplanung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte bzw. die Manipulationen aufgedeckt worden wären. Der Kläger legt nicht nachvollziehbar dar, welche weitergehenden Prüfungshandlungen aufgrund einer anderen Prüfungsplanung hätten durchgeführt werden müssen. Die Berufungsbegründung (BB 49) verweist hierzu auf die Replik (dort Seite 26 f.) und die Triplik (SS vom 19.10.2018, Seite 41 ff. bis 85 ff.). Darin findet sich als konkreter Vortrag, dass sich die Beklagten gegen das Vorziehen des Stichtags der Saldenbestätigung hätten entscheiden müssen. Es erschließt sich jedoch nicht, was das am Ergebnis der Prüfung geändert hätte. Nach dem von der Geschäftsführung der Schuldnerin geschaffenen System hätten Saldenbestätigungen durch die Scheindebitoren vorgelegt werden können und wären dies voraussichtlich auch. Im Falle ausbleibender Saldenbestätigungen wären die Beklagten wie in sonstigen Fällen durch gefälschte Unterlagen getäuscht worden. Insgesamt erscheint es als zweifelhaft, dass eine andere Prüfungsplanung die Erteilung des Bestätigungsvermerks vermieden hätte. Denn auch weitergehenden Prüfungshandlungen hätte die Schuldnerin mit Fälschungen begegnen können und wäre dies aller Voraussicht nach auch. Die weiteren Ausführungen des Klägers zur Kausalität im Schriftsatz vom 01.03.2021 (Seite 50 ff.) sind auf die verschiedenen (vermeintlichen) Pflichtverletzungen bezogen. Hierzu wird auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen. Der Vortrag des Klägers bleibt zudem sehr pauschal. Er macht geltend, Prüfungsplanung und IKS-Prüfung seien kausal, aber auch alle weiteren Pflichtverletzungen bezüglich der von den Beklagten ausgewählten Prüfungshandlungen (SS vom 01.03.2021, Seite 57). Von einer Darlegung zu den tatsächlichen Voraussetzungen der Kausalität kann bei diesem Vortrag keine Rede sein, es wird vielmehr nur ein Rechtsbegriff in den Raum gestellt. Im Übrigen trifft es schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht zu, dass sämtliche von ihm vorgetragenen Pflichtverletzungen kausal wären. Der Kläger hat u. a. geltend gemacht, dass die Beklagte fehlerhafte Prüfungshandlungen in Bereichen vorgenommen habe, in denen es keine Manipulationen gegeben habe. Zumindest diese fehlerhaften Prüfungshandlungen können aber nicht kausal geworden sein, denn Beanstandungen wären nicht möglich gewesen.
57Die Ansicht des Klägers, es sei „fernliegend“, dass der Geschäftsführer R. weiter getäuscht hätte, wäre er mit weiteren Prüfungshandlungen konfrontiert gewesen, ist nicht nachvollziehbar. Der Geschäftsführer der Schuldnerin hat ein umfangreiches System des Betrugs errichtet (u. a. Einschaltung externer Gesellschaften, um Geld aus dem Unternehmen zu ziehen; Fälschung von Kontounterlagen; Einbuchen von hundertausenden von Buchungssätzen). Warum er hiervon hätte ablassen sollen, wenn ihn die Beklagten zu weiteren Täuschungshandlungen veranlasst hätten, erschließt sich nicht. Dass die Schuldnerin auch auf weitergehende Prüfungen zu „reagieren“ vermochte, zeigt im Übrigen die Täuschung der Bank X AG, die sich ausweislich eines Prüfungsberichts vom 01.03.2013 ebenfalls von der Schuldnerin hat täuschen lassen (siehe die Anlage BE 2, GA 1453 ff., die den Vortrag des Klägers in einem anderen Rechtsstreit wiedergibt).
58Im Übrigen kann sich der Senat des Eindrucks nicht erwehren, dass der Kläger möglichst wenig zu den Täuschungshandlungen des Geschäftsführers R. und weiterer Angestellter und sonstiger Personen vorträgt, um das Verschulden der Schuldnerin als gering erscheinen zu lassen. Die Beklagten mussten sich ihr Recht zur Akteneinsicht gegen den Widerstand des Klägers erkämpfen; dem Kläger scheint daran gelegen, es möglichst zu vermeiden, dass nähere Umstände des Betrugs der Schuldnerin bekannt werden. Das geht im Rahmen der Beurteilung der Kausalität allerdings zu seinen Lasten. Um beurteilen zu können, ob und welche Manipulationen bei ordnungsgemäßer Prüfung aufgedeckt worden wären und welche weiteren Folgen sich hieraus ergeben hätten, ist die Kenntnis der konkreten Betrugshandlungen unabdingbar. Wenn der Kläger hierzu so wenig als möglich vorträgt, macht er letztlich die Beurteilung der Kausalität unmöglich.
59Auch bezogen auf die vermeintlichen Pflichtverletzungen überzeugen die Ausführungen des Klägers nicht. Der Berufungsangriff, die als Anlagen B 3 und B 7 vorgelegten Unterlagen seien unzureichend ausgefüllt worden (BB 47 erster Stichpunkt), berücksichtigt nicht den Vortrag der Beklagten zur Prüfungsplanung. Aus dem (vermeintlich) unzureichenden Ausfüllen einer internen Anlage zur Prüfungsplanung kann nicht auf die Fehlerhaftigkeit der Prüfungsplanung selbst geschlossen werden. Der Vortrag zur angeblichen Oberflächlichkeit von Befragungen beruht im Wesentlichen auf Spekulationen des Klägers. Der Zeitaufwand für die Befragungen kann aus der Prüfungsplanung nicht abgeleitet werden. Denn die Beklagten tragen vor, tatsächlich mehr Zeit für die Prüfungen aufgewendet zu haben, als in der Prüfungsplanung prognostiziert. Auch dies bestreitet der Kläger zwar. Angesichts seiner Darlegungs- und Beweislast kommt es aber auf das Bestreiten nicht an. Soweit der Kläger erstmals im SS vom 28.03.2019 (Seite 9, GA 897) in Abrede gestellt hat, dass im Jahr 2011 der Geschäftsführer R. und die Buchhalterin C. (W.) befragt worden seien, ist dieser Vortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt und auch nicht von der eingeräumten Schriftsatzfrist gedeckt. Mit der Berufung wird nunmehr die unzureichende Durchführung der Befragungen gerügt (BB 48, GA 1290). Dem entnimmt der Senat, dass die Befragungen selbst nicht bestritten werden sollen. Ohnehin könnte ein solches Bestreiten als neuer Vortrag nicht berücksichtigt werden (§§ 529, 531 ZPO). Nicht überzeugend ist auch die Ansicht des Klägers, bei der Buchhalterin C. (W.) hätten die Beklagten nicht berücksichtigt, dass sie „als Angestellte nicht nur weisungsabhängig, sondern auch wirtschaftlich abhängig und somit in ihren Handlungen und Aussagen beeinflussbar, wenn nicht erpressbar war“ (SS vom 19.10.2018, GA 569). Die Beteiligung an umfangreichen Bilanzfälschungen ist auch für Angestellte sehr ungewöhnlich. Die Ausführungen zur Befragung des Geschäftsführers R., mit denen der Kläger darauf abzielt, dass die Befragung des für Täuschungshandlungen Verantwortlichen nicht zur Aufdeckung beitragen könne, übersieht, dass Täuschungshandlungen nicht notwendig durch die Geschäftsführung begangen werden. Daher ist im Rahmen der Prüfung auch die Befragung des Geschäftsführers geboten. Der Kläger stellt unzutreffend auf eine ex-post-Perspektive ab.
60Der Ansicht des Klägers, das Prüfungsteam sei nicht hinreichend qualifiziert und unterbesetzt gewesen, ist nicht zu folgen. Nach den Angaben der Beklagten – diese sind aus den vorgenannten Gründen der Beurteilung zugrunde zu legen – waren die Mitarbeiter ausreichend qualifiziert. Auch haben die Beklagten dargetan, dass der zeitliche Aufwand nach ihrer Zeiterfassung höher war. Der Kläger bestreitet das, was allerdings im Hinblick auf seine Darlegungs- und Beweislast fehlgeht. Bei seinen Überlegungen zum Zeitaufwand und dem wirtschaftlichen Druck, der auf den Beklagten gelastet haben könnte, übersieht der Kläger zudem die weitere betriebswirtschaftliche Beratungstätigkeit (Durchführung einer due diligence) der Beklagten, aus der ihnen die Tätigkeit der Schuldnerin bereits bekannt war.
61Die Ansicht des Klägers, den Beklagten sei bewusst gewesen, dass Buchführung und Controlling mit der Entwicklung des Unternehmens nicht Schritt gehalten hätten, trifft nicht zu. Die Beklagten haben lediglich für das Vorziehen der Saldenbestätigung darauf hingewiesen, dass es zu Rückständen in der Buchhaltung gekommen ist. Das lässt keinen Schluss darauf zu, dass die Buchhaltung insgesamt unzureichend war. Zu Recht haben die Beklagten darauf verwiesen, dass nur eine vollständige Buchhaltung geprüft werden kann und daher auch kleine Rückstände dazu führen können, dass die Prüfung zu einem späteren Stichtag noch nicht möglich ist. Dafür, dass die Buchhaltung insgesamt unzureichend gewesen wäre, ist nichts ersichtlich. Auch bei diesen Berufungsangriffen übersieht der Kläger zudem das Ermessen bei der Einschätzung der Risikofaktoren, etwa bei der Beurteilung, ab welchem Punkt von einem zu starken Wachstum auszugehen ist. Dabei rügen die Beklagten zu Recht, dass die Sicht des Klägers einseitig ist. So war die Schuldnerin durch eine Steuerberaterin vertreten, was Manipulationen der Buchhaltung – wäre die Steuerberaterin nicht Komplizin gewesen – unmöglich gemacht bzw. wesentlich erschwert hätte. Auch im Hinblick auf sonstige Fehler stellt eine Steuerberaterin (die zudem Wirtschaftsprüferin) war, eine wirksame Kontrollinstanz dar. Auch war das Geschäftsmodell der Schuldnerin nicht kompliziert und einfach strukturiert (Einkauf/Verkauf).
62Wenn der Kläger auf die „Einbindung“ der Steuerberaterin/Wirtschaftsprüferin abstellt, kann er damit nicht gehört werden. Dieser Vortrag ist neu (er wird erstmals im Schriftsatz vom 01.03.2021 gehalten), von den Beklagten bestritten und mangels Zulassungsgrunds im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Ohnehin erschließt es sich angesichts des betrügerischen Verhaltens der für Schuldnerin agierenden Personen nicht, ob die von dem Kläger vorgelegte Visitenkarte auch gegenüber den Beklagten verwendet worden ist oder ihre Verwendung für die Schuldnerin nur in einem anderen Zusammenhang von Vorteil war.
63Auch die Einschätzung des Klägers zu den weiteren Risikoindizien, die in der Berufung nicht ausdrücklich aufgegriffen werden, teilt der Senat nicht. Insbesondere kann die nachgelagerte Stichtagsinventur nicht als Schwierigkeit bei der Erlangung eines Prüfungsnachweises eingeordnet werden. Auch sonst sind solche Schwierigkeiten nicht dargetan, wurden den Beklagten doch angeforderte Unterlagen „geliefert“ (wenn diese auch gefälscht waren). Das „Fehlen“ einer internen Revision ist nicht auffällig, da bei der Schuldnerin eine solche nicht eingerichtet sein musste und es zahlreiche Unternehmer gibt, bei denen sie nicht eingerichtet ist (vgl. Rn. 73 ff. des ersten Ergänzungsgutachtens). Es fehlte – vermittelt durch die AG – auch nicht jegliche Kontrolle. Für eine wirtschaftliche Kontrolle kommt es nicht darauf an, dass zum Beispiel der Aufsichtsrat der AG formell kein Kontrollorgan der GmbH ist. Die Beklagten haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Vorstand und Aufsichtsrat der AG mit nach ihrer Ausbildung und Erfahrung geeigneten Personen besetzt waren (siehe dazu Anlage B 27). Woher die Beklagten hätten wissen sollen, dass der Mitgeschäftsführer L. ein „Frühstücksdirektor“ gewesen sein soll, erschließt sich nicht. Der Umstand, dass der Geschäftsführer R. bereits ein Insolvenzverfahren durchlaufen hatte, musste keine Zweifel an seiner Integrität wecken. Ein wirtschaftlicher Misserfolg in der Vergangenheit lässt nicht auf die Neigung zu kriminellen Handlungen schließen.
64Der Vortrag im Schriftsatz vom 01.03.2021 zu vermeintlichen Widersprüchen im Vortrag der Beklagten, wonach es sich um eine „Schutzbehauptung“ handele, verfängt nicht. Warum sich die Beklagten mit dem IKS für den JA 2011 nicht intensiv befasst haben könnten, weil sie für den JA 2012 auf Erkenntnisse aus dem Vorjahr zurückgegriffen haben, erschließt sich nicht. Die Beklagten haben den Jahresabschluss für 2011 vor dem Jahresabschluss für 2012 geprüft. Auch die Funktionsprüfung steht mit der Aufbauprüfung des IKS nicht in Zusammenhang. Warum das Aufzeigen von Verbesserungsmöglichkeiten automatisch dazu führen sollte, dass das IKS als völlig ungeeignet hätte angesehen werden müssen, erschließt sich ebenso wenig. Nicht zu folgen ist auch der Ansicht des Klägers, die Festlegung des Kontrollrisikos mit 100 % sei nicht geboten, wenn es ein IKS gebe. Der Kläger kann konkreten Vortrag zu Pflichtverletzungen nicht durch Betrachtungen dazu ersetzen, wie aus seiner Sicht die Prüfung angesichts bestimmter Zwischenergebnisse hätte gestaltet werden müssen, die Beklagten also – weniger streng – das Kontrollrisiko mit weniger als 100 % hätten ansetzen können. Nicht überzeugend ist es auch, wenn der Kläger die Darlegung vermisst, welche weiteren aussagebezogenen Prüfungshandlungen allein deshalb durchgeführt worden sind, weil das Kontrollrisiko mit 100 % bewertet worden ist. Denn die Beklagte musste nicht dokumentieren, welche zusätzlichen Prüfungen sie deshalb ausgeführt hat, weil sie sich nicht auf das IKS verlassen wollte. Dazu hätte die Beklagte im Zuge der Prüfung die hypothetische Betrachtung anstellen müssen, welche Prüfungshandlungen durchgeführt worden wären, wenn sie das Kontrollrisiko anders bewertet hätte. Zu einer Dokumentation solcher hypothetischer Prüfungen waren die Beklagten nicht veranlasst.
65Auch wenn der Kläger im Schriftsatz vom 01.03.2021 durch Verweis auf die Quintuplik darauf zurückkommt, dass er das Vorliegen von Arbeitspapieren zu „erforderlichen Festlegungen zur Wesentlichkeit“ mit Nichtwissen bestritten habe (SS vom 28.03.2019, Seite 17, GA 905), ist hieraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Durch ein Bestreiten mit Nichtwissen kann der Kläger aufgrund der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast keine Pflichtverletzung belegen. Entgegen seiner (sich wiederholenden) Argumentation in der Triplik kann auch nicht aus (vermeintlich) unzureichender Dokumentation auf einen Fehler der Beklagten geschlossen werden.
66Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen ist die Rechtsansicht des Klägers, die „Prüfungspflichten“ bei der Prüfungsplanung seien Elementarpflichten und ihre Verletzung ließe auf Vorsatz schließen, nicht belastbar. Die Risikoeinschätzung und die Prüfungsplanung ist nach den IDW-PS ein prozesshaft ausgestalteter Vorgang, der bezüglich der einzelnen Merkmale der Einschätzung des Risikos und der zusammenfassender Einschätzung durchgängig von Wertungen des Abschlussprüfers abhängig ist. Selbst wenn man annehmen wollte, die Beklagten seien bei der Einschätzung des Risikos zu großzügig gewesen, so fehlen zusätzliche Gesichtspunkte, die den Vorsatz nahelegen könnten. Solche wären aber erforderlich; denn die Ausübung eines Ermessens schließt die Möglichkeit einer fehlerhaften Ausübung ein, ohne dass solche Fehler stets eindeutig wären.
67VIII.
68Der Kläger macht mit der Berufung (erstinstanzlich erstmals im Schriftsatz vom 19.10.2018, Seite 9, GA 561) geltend, dass Einsicht in die Buchführung vor Ort hätte genommen werden müssen. Es hätte festgestellt werden müssen, dass die den Beklagten vorgelegten Belege so tatsächlich in der Buchhaltung verarbeitet worden seien. Das geht fehl, denn die Beklagten haben vorgetragen, die ihnen von der Schuldnerin vorgelegten Belege mit den Summen- und Saldenlisten abgestimmt zu haben. Das ist ausreichend, ein „Aufschalten“ per online-Zugang ist nicht zwingend erforderlich (OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.07.2013 - 4 U 278/11, juris-Rn. 49). Die EDV-gestützte Buchhaltung kann notwendig nur auszugsweise und stichprobenartig geprüft werden. Wenn hierzu Ausdrucke von Konten vorgelegt werden, besteht für den Abschlussprüfer kein Anlass für die Annahme, diese Unterlagen seien gefälscht. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich auch nicht, was eine unmittelbare Einsichtnahme bzw. ein „Aufschalten“ auf die Buchhaltung an zusätzlichen Erkenntnissen für die Prüfung erbracht hätte.
69IX.
70Der Kläger rügt mit der Berufung, dass das Landgericht seinen Vortrag zu Fehlern bei der Prüfung des Internen Kontrollsystems (IKS) (erstmals vorgetragen mit der Replik) übergangen habe.
71Für die (vermeintlichen) Fehler der Aufbauprüfung des IKS ist wiederum darauf hinzuweisen, dass Darlegungen zur Kausalität fehlen. Es ist nicht plausibel, dass weitergehende Prüfungshandlungen in Bezug auf das IKS dazu geführt hätten, dass die Manipulationen aufgedeckt worden wären. Der Kläger weist nur auf den allgemeinen Aspekt hin, dass das Fehlen eines funktionierenden IKS dem Abschlussprüfer die Intensivierung der Prüfung gebiete, er „schlimmstenfalls“ aussagebezogene Prüfungshandlungen treffen müsse. Solche Einzelfallprüfungen – wie sie von den Beklagten auch durchgeführt worden sind – hätten aber nicht ohne weiteres dazu geführt, dass die Manipulationen entdeckt worden wären. Denn durch die Vorlage gefälschter Kontoauszüge und Rechnungen konnten – wie es tatsächlich geschehen ist – die Beklagten bei der Einzelfallprüfung getäuscht werden. Jegliche (erstinstanzliche) Darlegung zur Kausalität fehlt bei den (vermeintlichen) Fehlern der Prüfung der IT. Erstmals im Schriftsatz vom 01.03.2021 (Seite 49) wird die Erwägung angestellt, dass die Aktivitäten von „Admin B“ gezielt untersucht hätten werden müssen und dann zwangsläufig Manipulationen aufgefallen wären. Dieser Vortrag ist neu und kann mangels Zulassungsgrunds nicht berücksichtigt werden (§§ 529, 531 ZPO). Das kann allerdings dahinstehen. Der völlig pauschale Vortrag ist schon nicht nachvollziehbar. Es ist weder erkennbar, warum die Beklagten im Zuge der Prüfung gezielt nach Buchungen von „Admin B“ hätten suchen müssen, noch warum hierdurch Manipulationen aufgedeckt worden wären. Hinzu kommt, dass schon der Vortrag zur (angeblichen) Berechtigung zu Buchungen in IT-Programmen (erstmals gehalten im Schriftsatz vom 28.03.2019, Seite 51, GA 939) – der nicht mit der Berufung, aber im Schriftsatz vom 01.03.2021 aufgegriffen wird –erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz erfolgt ist, dieser Vortrag von der eingeräumten Schriftsatzfrist nicht gedeckt, von der Beklagten bestritten worden ist und daher auch dieser Vortrag mangels Zulassungsgrunds nicht berücksichtigt werden kann. Auch hier kann die Zulassung des Vortrags indessen im Ergebnis dahinstehen. Es erschließt sich von vorherein nicht, warum die Beklagten aus der (üblichen) Zugangsberechtigung mehrerer Personen für ein Programm auf Manipulationen hätten schließen sollen. Die spätere Aussage der Buchhalterin C. (W.) als Zeugin, wonach der „Admin B“ angelegt wurde, um die Verantwortlichkeit für die betrügerischen Buchungen unklar zu halten, war den Beklagten im Zeitpunkt der Prüfung nicht bekannt. Völlig unklar und unerheblich ist auch der weitere Vortrag des Klägers, die Prüfung hätte im Hinblick auf die IT völlig anders ausgerichtet werden müssen. Der Kläger erläutert nicht, welche konkreten Maßnahmen veranlasst gewesen wären.
72Auch im Übrigen, d. h. bezogen auf die vermeintlichen Pflichtverletzungen, überzeugt der Vortrag des Klägers nicht. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass eine Aufbauprüfung des rechnungslegungsbezogenen internen Kontrollsystems und den zugehörigen IT-Systemen durchzuführen ist (vgl. Orth/Eisenhardt, Beck´sches Handbuch der Rechnungslegung, B600 Rn. 128). Der Abschlussprüfer hat sich im Rahmen der Aufbauprüfung ein Grundverständnis über den unternehmensindividuellen Aufbau zu verschaffen, um eine erste Beurteilung potenzieller Fehlerrisiken vorzunehmen. Im Einzelnen hat er das Kontrollumfeld, die Risikobeurteilungsprozesse des Unternehmens, die Kontrollaktivitäten des Unternehmens hinsichtlich der Feststellung von Unrichtigkeiten und Verstößen, die rechnungslegungsrelevanten Informations- und Kommunikationssysteme sowie die Überwachung des internen Kontrollsystems zu beurteilen. Die erforderlichen Prüfungsnachweise erlangt der Abschlussprüfer z. B. durch Befragungen, Einsicht in Organigramme oder Organisationshandbücher sowie durch die Beobachtung bei der Anwendung bestimmter Kontrollmaßnahmen. Für wesentliche Kontrollprozesse sollte der Abschlussprüfer anhand der Nachverfolgung eines einzelnen Geschäftsvorfalls (so genannter Walk-Through) ein Verständnis vom internen Kontrollsystem erlangen (Orth/Eisenhardt, a. a. O., Rn. 135).
73Die Beklagten haben die Aufbauprüfung des IKS für den Jahresabschluss 2011 durch Walk-Throughs anhand der Anlagen B 39 bis B 44 dargelegt. Für die Zusammenfassung des Vortrags der Beklagten wird im Übrigen auf das zweite Ergänzungsgutachten (Anlage BE 5, dort Rn. 51 f.) Bezug genommen. Wird dieser Sachvortrag zugrunde gelegt, ist ein Fehler der Aufbauprüfung des IKS nicht erkennbar. Auch kann nach diesem Vortrag kein Fehler darin liegen, dass keine Funktionsprüfung des IKS durchgeführt worden ist. Denn die Beklagten tragen vor, es sei entschieden worden, den Umfang der aussagebezogenen Prüfungshandlungen zu erhöhen und sich für die Beurteilung nicht auf das IKS (und damit dessen Funktion) zu stützen. Unter dieser Voraussetzung bedurfte es aber der Funktionsprüfung nicht (Orth/Eisenhardt, a. a. O., Rn. 137). Die Behauptung der Beklagten ist auch nicht als Schutzbehauptung zu werten (s. o.). Der darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat nicht dargetan, dass der Vortrag unzutreffend ist. Das gilt entsprechend für den Vortrag des Klägers, es sei keine Dokumentation der Risikoeinschätzung erfolgt. Die Beklagten tragen vor, dass dies in ihrem online-Tool erfolgt sei.
74Der Kläger sieht einen Fehler der IKS-Aufbauprüfung darin, dass der „alarmierende“ Umstand nicht erkannt worden sei, dass große B2B-Geschäfte über den Geschäftsführer R. abgewickelt worden seien. Das ist nicht nachvollziehbar. Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass große Geschäfte über die Geschäftsleitung abgewickelt werden. Zudem ergibt sich aus der Anlage B 39, dass die Beklagten von der Einbindung weiterer Mitarbeiter in die B2B-Geschäfte ausgegangen sind. Es mag zutreffen, das die Beklagten aussagenbezogene Prüfungshandlungen vornehmen mussten; solche sind aber auch erfolgt, nämlich durch Prüfung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und weitere Prüfungen, u. a. eine Benford-Analyse.
75Der Vortrag des Klägers zur Prüfung der IT – der teilweise schon nicht zu berücksichtigen ist, wie vorstehend im Rahmen der Ausführungen zur Kausalität dargelegt – vermag einen Fehler dieses Teils der Aufbauprüfung des IKS nicht darzutun. Wegen der Zusammenfassung des Vortrags der Beklagten zur Prüfung der IT durch Auswertung einer Präsentation (Anlage B 38), Auswertung der Dokumentation zum Warenwirtschaftssystem Mention, Prüfung der Übernahme der Sachkontensalden von 4Sellers auf Mention und Beurteilung der auf die IT gestützten Funktionen und des Belegflusses wird auf das erste Ergänzungsgutachten (Rn. 104 f.) Bezug genommen. Danach hat der Beklagte zu 2) das Risiko als niedrig eingestuft. Es erschließt sich nicht, warum diese Einschätzung falsch gewesen sein sollte. Auch kann der Vortrag der Beklagten nicht als unsubstantiiert abgetan werden, wie es der Kläger tut. Der Kläger trägt vor, dass Prozessschritte für die Beurteilung nicht eingehalten bzw. nicht durchgeführt worden seien. Maßstab für die Tätigkeit des Abschlussprüfers ist allerdings nicht das Abarbeiten von Verlautbarungen des IDW. Im Rahmen der Prüfung des IKS soll der Abschlussprüfer eine Beurteilung von Fehlerrisiken vornehmen. Hierzu bedarf es keiner umfassenden Prüfung eines Programms, wenn eine ältere Version bereits zertifiziert ist. Dass eine neuere Programmversion eines verbreitet eingesetzten Warenwirtschaftssystems nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entspricht, erscheint als wenig plausibel. Unerheblich ist wiederum das Bestreiten des Klägers, dass Unterlagen ausgewertet worden sind. Der Vortrag der Beklagten zum Jahresabschluss 2012 ist auch nicht deshalb unsubstantiiert, weil die in den Anlagen B 47 und B 48 angeführten Dokumente nicht vorgelegt worden sind.
76Der Kläger ist der Ansicht, in der Präsentation für den Aufsichtsrat (Anlage K 14) hätten die Beklagten auf Mängel des IKS hingewiesen. Sie hätten daher nicht von einem angemessenen IKS ausgehen dürfen und es sei auch nicht überprüft worden, ob im Folgejahr die Mängel beseitigt worden seien. Das überzeugt nicht, weil die Beklagten in der Anlage K 14 Empfehlungen und Hinweise gegeben haben, die zudem auf eine Dokumentation abzielten. Die Empfehlung von Verbesserungen bedeutet nicht, dass der zu verbessernde Zustand untragbar oder im Rahmen der Prüfung nicht hinzunehmen ist.
77Es überzeugt ebenso nicht, wenn der Kläger geltend macht, es sei bei Prüfung des Jahresabschlusses 2012 keine eigenständige Aufbauprüfung vorgenommen worden. Der Vortrag der Beklagten geht dahin, dass bei der Prüfung in 2013 (für den JA 2012) auf die in 2012 gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen worden sei, was im Hinblick auf die unveränderte Unternehmensstruktur möglich gewesen sei. Danach ist eine Pflichtverletzung im Rahmen der Aufbauprüfung des IKS für den JA 2012 nicht ersichtlich.
78Der Verweis des Klägers auf IDW-PS 261, Tz. 86 überzeugt nicht, weil die Beklagten sich nicht allein auf die Aufbauprüfung des IKS stützen wollten. Zudem kann aus einem Dokumentationsfehler kein Fehler der Prüfung abgeleitet werden.
79Ein Fehler der Beklagten kann nicht deshalb vorliegen, weil sie ein vorratbezogenes IKS nicht geprüft haben. Der Kläger trägt vor, dass ein vorratsbezogenes IKS nicht vorhanden gewesen sei. Dann konnten es die Beklagten aber auch nicht prüfen.
80X.
81Der Kläger macht geltend, dass für den Jahresabschluss 2011 am 29.06.2012 der Bestätigungsvermerk verfrüht erteilt worden sei (BB 62 = GA 1304). Zu diesem Zeitpunkt habe eine ordnungsgemäße Überleitung der Salden nicht vorgelegen, so dass der Bestätigungsvermerk vor Abschluss der Prüfung erteilt worden sei. Der Kläger nimmt hierzu Bezug auf seinen Vortrag in der Klageschrift (Seite 17, GA 51), wonach die Schulderin die Überleitung (zur Roll-Forward-Prüfung) erst am 26.06.2012 übermittelt habe und diese daher nicht bis zum 29.06.2012 habe geprüft werden können.
82Die von dem Kläger gerügte Pflichtverletzung betrifft damit die Durchführung der Roll-Forward-Prüfung bei der Prüfung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen für den Jahresabschluss 2011, zu denen der Kläger an anderen Stelle ausführt (BB 76) und hierzu auf die Triplik verweist, in der er auf die Darlegungen der Beklagten zur Roll-Forward-Prüfung Bezug genommen hat. Die behaupteten Pflichtverletzungen betreffen somit in der Sache nicht den Aspekt einer zu frühen Erteilung des Bestätigungsvermerks, sondern die Frage, ob die Roll-Forward-Prüfung ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Hierzu wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter XIII. Bezug genommen.
83XI.
84Der Kläger macht unter Bezugnahme auf die Anlage K 19 (Präsentation an den Aufsichtsrat vom 08.05.2013, Seite 6) geltend, dass für die Prüfung maßgebliche Speditionsbelege/Lieferscheine im Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks vom 07.05.2013 noch nicht vorgelegen hätten. Diesen Vortrag habe das Landgericht übergegangen.
85Es ist zutreffend, dass dieser Vortrag vom Landgericht nicht ausdrücklich beschieden worden ist. Das kann aber der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.
86Vorab ist darauf hinzuweisen, dass eine Kausalität für den Schaden nicht erkennbar ist. Der Kläger stellt in den Raum, dass eine Beschränkung des Bestätigungsvermerks in Betracht gekommen wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass dies zu einer früheren Insolvenzantragstellung durch Aufdeckung der Manipulationen oder aus sonstigen Gründen geführt hätte. Auch hätte ein Insistieren der Beklagten aller Voraussicht zur Vorlage gefälschter Speditionsbelege und Lieferscheine geführt. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass sich kein anderes Prüfungsergebnis ergeben hätte (Triplik 62, GA 614).
87Die Beklagten haben bestritten, dass keine Lieferscheine vorgelegen hätten. Lediglich die Speditionsbelege hätten gefehlt. Diese seien von den Beklagten letztlich als nicht wesentlich erachtet worden, weshalb der Bestätigungsvermerk erteilt worden sei. Versandpapiere müssten nicht stets eingeholt werden.
88Nach diesem Vortrag streiten die Parteien in der Sache darum, ob im Anschluss an die Saldenbestätigungsaktion für den Jahresabschluss 2012 aussagebezogene Prüfungshandlungen ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Insofern geht es fehl, wenn der Kläger den Beklagten vorwirft, gleichsam vorsätzlich vor Abschluss der Prüfung den Bestätigungsvermerk erteilt zu haben. Die Frage, ob aussagebezogene Prüfungshandlungen (hier: der alternative Nachweis von Forderungen nach dem Ausbleiben von Saldenbestätigungen) ausreichend sind, ist notwendig wertend. Für die Ansicht des Klägers, einmal in Aussicht genommene Prüfungshandlungen dürften nachträglich nicht mehr modifziert werden, gibt es keinen Anhaltspunkt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten ihr prüferisches Ermessen überschritten haben, als sie den Bestätigungsvermerk erteilten. Soweit der Kläger eine „Drucksituation“ in den Raum gestellt hat, ist sein Vortrag spekulativ und nicht unter Beweis gestellt. Dafür, dass den Beklagten keine Lieferscheine vorgelegen haben, ist der Kläger beweisfällig geblieben. Er hat den Vortrag lediglich bestritten. Die Präsentation deutet hierauf zwar hin, bietet aber keinen Beweis. Nicht ausgeschlossen ist, dass es in der Endphase der Prüfung die Präsentation in diesem Punkt nicht mehr aktualisiert worden ist. Zu beurteilen ist danach die Entscheidung, trotz nicht vorliegender Speditionsbelege den Abschlussvermerk zu erteilen. Darin liegt kein Fehler, sondern die Ausübung eines prüferischen Ermessens.
89XII.
90Der Kläger wirft den Beklagten Fehler bei der Prüfung der Vorkassen vor. Unter dem Stichwort Vorkassen hat der Kläger in der Anspruchsbegründung vorgetragen, dass die Schuldnerin auf Kreditorenkonten (also auf Konten von Lieferanten, die für die Verbuchung von Forderungen der Lieferanten bestimmt waren) Anzahlungen in Höhe von 7.863.905,26 EUR gebucht habe, nämlich auf das Konto …..196 (M.-IT) = 2.383.906,26 EUR, auf das Konto Konto …..204 (N. Handelsgesellschaft mbH) = 3.500.000,00 EUR und auf das Konto …..157 (O. GmbH) = 1.800.000,00 EUR. Diese Vorkassen sei von der Schuldnerin am 02.01.2012 wieder storniert worden. Wegen der Stornierung hätten im Jahresabschluss keine Anzahlungen in Höhe von 7.683.905,62 EUR ausgewiesen werden dürfen. Hierdurch habe die Schuldnerin ihr Aktivvermögen als zu hoch dargestellt.
91In der Replik hat der Kläger seinen Vortrag dahin ergänzt, dass es keine mit den Buchungen der Vorkassen korrespondierenden Geldbewegungen gegeben habe. Das Konto des Lieferanten/Kreditors Q. GmbH habe einen Sollsaldo (also einen Saldo zu Gunsten der Schuldnerin) von 25.981.966,49 EUR aufgewiesen. Ein solch hoher Sollsaldo bei einem Kreditor hätte Verdacht erregen können und sei daher auf Anweisung des Geschäftsführers R. „weggebucht“ worden. Zunächst sei der Saldo des Kontos …..000 (Buchhaltungskonto für das Konto der Schuldnerin bei der Bank 2) erhöht worden. Um den Kontenstand des Buchhaltungskontos mit dem tatsächlichen Stand des Kontos bei der Bank 2 in Einklang zu bringen, seien Forderungen gegen Kreditoren gebucht worden, u. a. als Vorkasseleistungen. Hierzu habe sich die Schuldnerin von Mitgliedern der Familie E. beherrschter Gesellschaften bedient, die Scheinrechnungen gestellt hätten.
92Die Beklagten haben den Vortrag des Klägers bestritten; insbesondere haben sie in Abrede gestellt, dass die Stornierung der Vorkassen tatsächlich bereits am 02.01.2012 erfolgt sei. Es sei nicht auszuschließen, dass die Vorkassen erst nach Beendigung der Prüfung mit einem falschen Datum storniert worden seien. Die Beklagten haben geltend gemacht, dass sie die Übereinstimmung des Buchhaltungskontos …..000 mit dem Kontostand des Kontos bei der der Bank 2 abgestimmt hätten. Sie hätten den Zahlungsfluss durch Anforderung der Vorkasserechnungen und der endgültigen Lieferrechnungen plausibilisiert. Die Schuldnerin habe die angeforderten Unterlagen (Anlage K8) vorgelegt. Danach sei davon auszugehen gewesen, dass die Vorkassen tatsächlich geleistet gewesen seien.
93Der Kläger sieht Fehler der Prüfung der Beklagten darin, dass die als Anlage K 8 vorgelegten Unterlagen als ausreichende Nachweise akzeptiert worden seien. Die Verfolgung des Zahlungsvorgangs habe nicht genügt. Es hätten Bankkontoauszüge und Saldenbestätigungen eingeholt werden müssen und Einsicht in die Buchhaltung der Folgemonate genommen werden müssen. Die Passivierung von Verbindlichkeiten in 2011 sei nicht geprüft worden. Die zum Nachweis vorgelegten Rechnungen seien in sich unstimmig gewesen und hätten in Widerspruch zu den Befragungen gestanden, wonach der Schuldnerin Zahlungsziele eingeräumt gewesen seien. Die Stornierungen hätten als wertaufhellende Tatsachen berücksichtigt werden müssen.
94Eine Haftung dem Grunde nach ist nach dem Vortrag des Klägers nicht begründet. Auch wenn die Pflichtverletzungen als zutreffend unterstellt würden, so wären sie für den Schaden nicht kausal geworden. Die Anforderung von Bankkontoauszügen hätte zur Vorlage von gefälschten Auszügen geführt, so wie die Schuldnerin auch in zahlreichen anderen Fällen gefälschte Kontoauszüge vorgelegt hat. Auch Saldenbestätigungen hätten angesichts des kollusiven Zusammenwirkens der Schuldnerin mit den Gesellschaften bzw. „Scheindebitoren“ ohne weiteres vorgelegt werden können. Vor diesem Hintergrund hätten auch Nachfragen zu den (vermeintlichen) Unstimmigkeiten der als Anlage K 8 vorgelegten Rechnungen keinen Erfolg gehabt. Es steht auch nicht fest, dass durch Einsicht in die Kreditorenkonten der Folgemonate die Stornierungen aufgedeckt worden wären. Denn die Stornierungen können nachträglich gebucht worden sein, als die Prüfung bereits abgeschlossen war. Zudem hätten auch die Stornierungen von der Schuldnerin und den Scheindebitoren erklärt und durch gefälschte Unterlagen belegt werden werden können. Auch die von dem Kläger vermisste Prüfung der Passivierung hätte keinen Erfolg haben können. Zutreffend ist, dass die Vorkassen per 31.12.2011 nicht hätten ausgewiesen werden dürfen, wenn noch in 2011 den Vorkassen korrespondierende Lieferungen erfolgt wären und daher den Anzahlungen die Kaufpreisforderungen der Lieferanten gegenüber gestanden hätten. Der Kläger legt aber bereits nicht dar, dass derartige Verbindlichkeiten in 2011 ausgewiesen waren und daher die Prüfung der Passivierung zu einem anderen Ergebnis der Beklagten geführt hätte. Der Kläger macht im Schriftsatz vom 01.03.2021 abermals pauschal geltend, weitere, von ihm vermisste Prüfungsschritte in Zusammenhang mit den Vorkassen hätten zur Aufdeckung der Manipulationen geführt. Eine nachvollziehbare Begründung nennt er hierfür nicht. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang abermals auf die IT-Systemprüfung zurückkommt, wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
95Die Rechtsansicht des Klägers, es lägen Fehler bei der Prüfung der Vorkassen vor, überzeugt indessen ohnehin nicht. Nicht richtig ist zunächst die Ansicht des Klägers, die Prüfung der Beklagten in Zusammenhang mit den Vorkassen sei auf „Flüchtigkeitsfehler“ ausgerichtet gewesen (BB 67). Dem widerspricht, dass die Beklagten unstreitig Unterlagen zur Prüfung angefordert haben. Auch waren die als Anlage K 8 vorgelegten Rechnungen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, geeignet, die Leistung der Vorkassen zu plausibilisieren. Denn wenn ein Dritter geleistete Vorkassen aus einer Vorkasserechnung in einer späteren Rechnung abzieht, belegt das die Zahlung, ähnlich wie bei einer Quittung. Das Argument, Rechnungen seien keine Zahlungsausgangsbelege, verfängt daher nicht. Hier stehen Rechnungen Dritter in Rede, in denen Zahlungen aus zuvor gestellten Rechnungen abgezogen worden sind. In diesem Fall belegt die (spätere) Rechnung die Zahlung der (früheren) Rechnung. Im Zeitpunkt der Prüfung mussten die Beklagten auch nicht davon ausgehen, dass die vorgelegten Unterlagen gefälscht waren. Die von dem Kläger genannten Auffälligkeiten, wie etwa fehlende Lieferdaten, mussten im Rahmen einer Prüfung des Zahlungsvorgangs nicht zwingend auffallen. An die Prüfung der Beklagten darf kein detektivischer Maßstab angelegt werden. Der Kläger überspannt die Sorgfaltsanforderungen an den Abschlussprüfer, wenn er fordert, dass die Beklagten den – sich nicht aufdrängenden – Anhaltspunkten für eine Manipulation von Unterlagen hätten nachgehen müssen. Vor diesem Hintergrund kann der Beklagten auch nicht vorgehalten werden, dass Unterlagen nicht unmittelbar von den Lieferanten abgefragt worden sind. Allein weil die als Anlage K 8 vorgelegten Rechnungen aus der Hand der Schuldnerin kamen, musste mit einer Manipulation dieser Unterlagen nicht gerechnet werden und waren die Unterlagen als Nachweise daher nicht ungeeignet. Zu Recht verweisen die Beklagten auf das im Zeitpunkt der Prüfung vorliegende Wirtschaftsprüfer-Handbuch in der 13. Auflage, wonach eine Prüfung anhand von Rechnungen erfolgen konnte. Auch die Ansicht des Klägers, die Beklagten hätten nach der in Anlage K 93 wiedergegebenen Regelung die Passivierung einer Verbindlichkeit (für den JA 2011) prüfen müssen, überzeugt nicht. Denn nach den vorgelegten Unterlagen (Anlage K8) war von einer Lieferung im Jahr 2012 auszugehen, weil die (späteren) Lieferrechnungen aus 2012 stammten. Danach war es unwahrscheinlich, dass der Ansatz von Vorauszahlungen im Jahr 2011 deshalb unrichtig sein könnte, weil die Lieferung bereits im Jahr 2011 erfolgt und deshalb die Vorkasse gegen die Vorauszahlungen hätten gebucht werden müssen. Vor dem Hintergrund des Nachweises der Lieferungen erschließt sich auch nicht, warum die Beklagten deren Bonität im Einzelnen hätten prüfen müssen. Nicht überzeugend ist auch die Ansicht des Klägers, den Beklagten hätte ein Widerspruch zwischen den Angaben im Rahmen des Walk-Through und den Vorkassen auffallen müssen, weil die Schuldnerin bei dem Walk-Through von ihr eingeräumten Zahlungszielen berichtet habe. Das Verständnis des Klägers ist einseitig, wenn er die handschriftlichen Aufzeichnungen in der Anlage B 39 dahin interpretiert, dass seitens der Schuldnerin angegeben worden sei, selbst nur gegen Vorkasse zu liefern, ihr bei Belieferungen aber Zahlungsziele eingeräumt würden. Die Beklagten machen geltend, dass bei den Lieferanten entweder Vorkassen oder selbständige Zahlungsziele vereinbart worden seien und diese Angabe durch die handschriftliche Aufzeichnung habe festgehalten werden sollen. Zudem schließen Angaben zur generellen Abwicklung es nicht aus, dass es in konkreten Einzelfällen zu einer anderen Handhabung kommt. Der weitere Vorwurf, die Beklagten hätten die Stornierung mit „einfachsten Mitteln“ feststellen können, geht fehl. Der Kläger trifft diese Feststellung aus einer ex-post-Perspektive heraus. Im Zeitpunkt der Prüfung hätten die Beklagten die Stornierung nur dann feststellen müssen, wenn sie Anlass gehabt hätten, die Konten der Kreditoren, bei denen Vorkassen verbucht waren, nachzuvollziehen. Warum die Beklagten hierzu hätten veranlasst sein können, erschließt sich nicht. Der abstrakte Verweis des Klägers auf die Berücksichtigung von wertaufhellenden Tatsachen vermag das nicht zu begründen. Die Stornierung einer Vorkasse ist bereits keine wertaufhellende Tatsache. Als „wertaufhellend“ sind Umstände zu berücksichtigen, die bis zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber bis zur Erteilung des Bestätigungsvermerks bekannt werden (Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Auflage, E 240 ff.). Die Stornierungen lagen zum 31.12.2011 aber noch nicht vor. Auch waren die Stornierungen nach ihrem äußeren Bild für das Ergebnis nicht relevant. Bei der Stornierung der Vorkassen ist als Gegenkonto das Bankkonto gebucht worden, so dass – nach der Buchhaltung – lediglich ein Aktivtausch vorgenommen worden ist, der das das Ergebnis nicht beeinflusst. Schließlich steht auch nicht fest, dass die Stornierungen tatsächlich bereits im Januar 2012 gebucht worden sind. Es ist möglich, dass die Stornierungen erst nach Abschluss der Prüfung erfolgten und daher von den Beklagten ohnehin nicht festgestellt werden konnten.
96Dass eine Einsicht in die Finanzbuchhaltung unstreitig nicht erfolgt sei (SS vom 21.03.2021, Seite 52), ist nicht richtig. Die Beklagten haben zur Prüfung der Finanzbuchhaltung im Datev-System (also den bei der Steuerberaterin vorhandenen Daten) vorgetragen. Nicht richtig ist auch die Darstellung des Klägers, die Beklagten wollten vortragen, dass der von ihm zu den Vorkassen vorgetragene Sachverhalt nicht ergebnisrelevant sei (SS vom 21.03.2021, Seite 53). Die Beklagten haben zu dem ursprünglichen Vortrag des Klägers aus der Klageschrift (in der er allein die fehlende Berücksichtigung der Stornierung von Vorkassen reklamiert hat) darauf hingewiesen, dass nach diesem Vortrag lediglich ein Aktivtausch vorliegen würde. Das ist zutreffend. Denn die Bilanz ändert sich „unter dem Strich“ nicht, wenn statt einer Aktivposition (hier: geleistete Vorkasse) eine andere Aktivposition (z. B. Forderung gegen die Bank oder Rückzahlungsanspruch gegen den Lieferanten) gebucht wird. Zu dem nachfolgenden Vortrag des Klägers haben die Beklagten nicht die Ansicht vertreten, dass – den Sachvortrag des Klägers zugrunde gelegt – ein Aktivtausch vorliege (SS vom 16.07.2018, Seite 60, GA 431).
97Danach trifft es nicht zu, dass die Beklagten fahrlässig ihre Sorgfaltspflichten verletzt hätten. Erst Recht gibt es keinen Anhaltspunkt für ein vorsätzliches Handeln. Die Beklagten haben die Vorkassen geprüft. Auch wenn man diese Prüfung als nicht ausreichend erachten wollte, so gibt es doch keinerlei Grundlage für die Annahme des Klägers, die Beklagten hätten „bewusst weggeschaut“.
98XIII.
99Der Kläger wirft den Beklagten Fehler bei der Prüfung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bei Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2011 vor.
100Unter dem Stichwort Lieferungen und Leistungen hat der Kläger in der Klageschrift vorgetragen, dass die Schuldnerin ihre Umsatzerlöse manipuliert habe. Für die Debitoren X1 (Konto …..522), X2 (Konto …..276), Debitoren allgemein (Konto …..152) und X3 (Konto …..466) seien Scheinumsätze in Höhe von 13.250.725,34 EUR verbucht worden, die im Jahr 2012 wieder storniert oder gutgeschrieben worden seien. Tatsächliche Warenlieferungen der Schuldnerin hätten den Buchungen nicht zugrunde gelegen.
101Die Beklagten prüften die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen nicht bezogen auf den Bilanzstichtag (31.12.2011), sondern vorgezogen auf den 30.11.2011. Die Beklagten haben zu ihrer Prüfung im Wesentlichen wie folgt vorgetragen: Sie hätten zum 30.11.2011 die 9 größten Debitoren und 3 größten kreditorischen Debitoren ausgewählt (ersichtlich aus der Anlage B 56) und mit der Bitte um Saldenbestätigungen angeschrieben. Dabei sei der Debitor X4 versehentlich angeschrieben worden, der potentielle Rücklauf habe sich damit auf 8 Saldenbestätigungen von Debitoren reduziert. Von den 8 Debitoren hätten 6 den Saldo bestätigt bzw. hätte der Saldo geklärt werden können. Kein Rücklauf sei bei den Debitoren X2 und X1 erfolgt. Die zum 30.11.2011 bestätigten Salden seien in einer Roll-Forward-Prüfung auf den 31.12.2011 plausibilisiert worden anhand von Unterlagen der Schuldnerin. Den größten Anstieg habe der Debitor X1 gezeigt mit drei Rechnungen über 1,1 Mio. EUR, 3,5 Mio. EUR und 2,8 Mio. EUR. Sie, die Beklagten, hätten sich die Rechnung über 3,5 Mio. EUR mit Zahlungsnachweis vorlegen lassen. Der Debitor X2 sei durch Prüfung einer Rechnung über 2.201.071,00 EUR geprüft worden. Alle Debitoren, die den Saldo nicht bestätigt hätten, seien alternativ geprüft worden. Zusätzlich sei eine Stichprobe der Top7-Umsätze aus dem Zeitraum November/Dezember 2011 geprüft worden durch Vorlage der Rechnungen und der Nachweise zum Geldeingang. Die Umsatzerlöse seien in Beziehung zu den Transportkosten und Amazongebühren gesetzt worden. Die Umsätze des Kontos .....000 aus Dezember 2011 seien einer Benford-Analyse unterzogen worden. Die Konten .....000 und .....700 seien bezüglich der Stornierungen im Jahr 2012 untersucht worden. Anhand einer Stichprobe von 21 Geschäftsvorfällen sei die Cut-off-Prüfung (= Prüfung der periodengerechten Abgrenzung von Geschäftsvorfällen) erfolgt. Die Einzelwertberichtigungen seien geprüft worden. Eine Fälligkeitsanalyse sei durchgeführt worden.
102Auch im Hinblick auf die (vermeintlichen) Fehler der Prüfung von Lieferungen und Leistungen ist es auszuschließen, dass weitergehende Prüfungshandlungen zu einer Aufdeckung der Manipulationen geführt. So ist zum Beispiel nicht ersichtlich, dass bei Durchführung einer Saldenbestätigung zum 31.12.2011 ein anderes Ergebnis hervorgetreten wäre. Die Schuldnerin hätte auch für die Forderungen zu diesem Datum gefälschte Unterlagen vorgelegt. Entsprechend verhält es sich für die weiteren (vermeintlichen) Pflichtverletzungen. Der Kläger trägt nur in allgemeiner Form vor, dass weitere Prüfungen die Manipulationen aufgedeckt hätten. Das ist wenig wahrscheinlich, da die Schuldnerin geschickt Unterlagen zu fälschen vermochte und zudem auf den Sachverstand der Steuerberaterin (zugleich Wirtschaftsprüferin) zurückgreifen konnte, die sich an den Manipulationen beteiligte.
103Mit der Berufung wiederholt der Kläger seinen Vortrag, dass alternative Prüfungshandlungen nicht für alle Debitoren, die keine Saldenbestätigung übersandt hätten, durchgeführt worden seien. Damit kann der Kläger nicht gehört werden. Die Beklagten haben vorgetragen, dass die alternativen Prüfungshandlungen für alle Debitoren durchgeführt worden sind. Damit haben sie ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Es würde – wie bereits dargelegt – die Darlegungslast in ihr Gegenteil verkehren, wenn die Beklagten nachträglich alle Einzelheiten ihrer Prüfung darzulegen und damit gleichsam den Vortrag des Klägers „wegzubeweisen“ hätten. Wie dargelegt gibt es auch keine Grundlage für seine Rechtsansicht, dass nicht dokumentierte Prüfungshandlungen als nicht erfolgt zu gelten hätten. Das Bestreiten der Prüfungshandlungen durch den Kläger und seine weiteren Spekulationen sind danach unerheblich. Auch die Kritik des Klägers an der Prüfung der Forderungen gegen die X2 und die X1 (im Rahmen der Roll-Forward-Prüfung) überzeugt nicht. Die Beklagten haben vorgetragen, dass sich die Prüfung bei der Forderung gegen die X2 und X1 nicht allein auf die Rechnungen beschränkt habe, sondern auch Zahlungsnachweise angefordert und vorgelegt worden seien, wie sich aus dem Privatgutachten (Anlage B 105, Rn. 230) ergibt. Es trifft daher nicht zu, dass sich die Beklagte bei der Prüfung der Forderung der X2 auf die Vorlage der Rechnung beschränkt hätte, wie der Kläger mit der Schrift vom 01.03.2021 (dort Seite 36, GA 1599) reklamiert. Warum für die Prüfung einer Forderung die Einsichtnahme in die Buchhaltungskonten bis zum Prüfungsstichtag erforderlich sein sollte, erschließt sich nicht. Auch die Vorlage der Lieferdokumente ist nicht erforderlich; denn wenn die (spätere) Bezahlung einer Forderung nachgewiesen ist, ist von einer Lieferung auszugehen. Bei der Prüfung des Debitors X1 gibt es keine Grundlage für die Ansicht des Klägers, dass die Prüfung von Forderungen nicht auf Stichproben beschränkt werden dürfe; eine rechtliche Grundlage dafür, dass die Beklagten auch die weiteren Rechnungen hätten prüfen müssen (SS vom 01.03.2021, Seite 75, GA 1638) ist nicht ersichtlich. Die von dem Kläger eingeforderte Prüfung aller Forderungen des B2B-Bereichs (weil es dort kein funktionsfähiges IKS gegeben habe) ist mit Sinn und Zweck einer Abschlussprüfung nicht vereinbar. Auch die Wertung des Klägers, die Prüfung einer Rechnung durch Abgleich mit Kontoauszügen (Anlage B 60) habe keinen hinreichenden Aussagegehalt (SS vom 01.03.2021, Seite 37, GA 1600), überzeugt nicht, auch wenn die Kontoauszüge keinen direkten Bezug auf die Rechnung erkennen lassen. Wenn nämlich der zeitliche Ablauf von Rechnung und Gutschriften passend ist, kann die Beziehung zwischen Gutschrift und Rechnung aus den Umständen geschlossen werden; im normalen (nicht betrügerischen) Geschäftsgang kann davon ausgegangen werden, dass die Gutschrift von Zahlungen nicht ohne Grund erfolgt. Von einem „Abbruch“ der Saldenbestätigungsaktion kann danach keine Rede sein. Selbst wenn man die Prüfung der Beklagten nicht als ausreichend erachten wollte, so gäbe es doch keinerlei Hinweis auf einen gravierenden Sorgfaltsverstoß.
104Auch die Kritik des Klägers an der Roll-Forward-Prüfung verfängt nicht. Soweit der Kläger vorträgt, dass eine Roll-Forward-Prüfung für solche Forderungssalden sinnlos gewesen sei, die zum 30.11.2011 nicht nachgewiesen worden seien, dreht er sich im Kreis; er wiederholt lediglich seine (unzutreffende) Ansicht, dass die Salden zum 30.11.2011 nicht hinreichend geprüft worden seien. Das steht indessen – wie dargelegt – nicht fest; daher war die von der Beklagten für die Salden durchgeführte Roll-Forward-Prüfung sinnvoll. Mit dem Bestreiten der Roll-Forward-Prüfung kann der Kläger aus den zuvor genannten Gründen nicht gehört werden. Allein aus der Darstellung der zeitlichen Abläufe kann nicht geschlossen werden, dass die Überleitungsprüfung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Auch der Verweis auf die Nachverfolgung der Debitorenkonten im Jahr 2012 überzeugt nicht. Denn es steht bereits nicht fest, wann die Stornierungen/Umbuchungen erfolgt sind, ob vor oder nach Abschluss der Prüfung. Zudem bestand aus der maßgeblichen ex-ante Sicht kein Anlass zur Einsicht in die Debitorenkonten. Dem Argument des Klägers, in die Überleitungsprüfung hätten auch solche Debitoren mit einem Forderungssaldo von 0 EUR zum 31.12.2011 einbezogen werden müssen, ist nicht zu folgen. Wenn die Forderungen zum 31.12.2011 bewertet werden sollen, dann bedarf es keiner weiteren Prüfungshandlungen für Forderungen, die zu diesem Stichtag nicht mehr existieren.
105Die Berufung macht geltend, dass das Landgericht den Vortrag des Klägers übergangen habe, dass die Beklagten zur Prüfung der Top7-Umsätze keine hinreichenden Prüfungsnachweise erlangt hätten. Hierzu verweist sie auf vermeintliche Unstimmigkeiten zwischen den vorgelegten Kontoauszügen und den Rechnungen (Anlage B 63). Das überzeugt nicht, weil die durch die (gefälschten) Kontoauszüge „nachgewiesenen“ Zahlungen Akontozahlungen sind, die nach dem zeitlichen Zusammenhang plausibel mit den Rechnungsbeträgen in Zusammenhang gebracht werden konnten. Die vermeintliche Überzahlung des Debitors X5 ist durch eine weitere Rechnung erklärbar. Auch die Kritik, dass der Kontoauszug die Zahlung durch X1 nicht belege, überzeugt nicht. Denn die Kontoauszüge sind zum Nachweis der Buchungen vorgelegt worden; die Beklagten konnten sich danach von dem tatsächlichen Eingang des gebuchten Zahlungsvorfalls überzeugen. Zudem sind die Zahlungen nach dem Vortrag der Beklagten durch zusätzliche Rückfragen bei der Buchhaltung aufgeklärt worden.
106Die Ansicht des Klägers, die Saldenbestätigung hätte nicht auf den 30.11.2011 vorgezogen werden dürfen, überzeugt nicht. Dass die Beklagten das Risiko mit „mittel“ und nicht „hoch“ gewertet haben, ist nicht zu beanstanden. Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen zur Prüfungsplanung Bezug genommen. Danach mussten die Konten Debitoren allgemein und X3 nicht geprüft werden, weil sie nicht in das Prüfungsraster fielen.
107Warum der Kläger mit der Berufung rügt, dass das Landgericht auf seine Kritik an den weiteren Prüfungshandlungen der Beklagten nicht eingegangen sei, erschließt sich nicht. Der Kläger hat sich auf diese Pflichtverletzungen nicht gestützt, sondern vielmehr die Prüfungshandlungen bestritten, Verspätung gerügt und darauf hingewiesen, dass die Prüfungshandlungen mangels Manipulationen in diesem Bereich nicht von Relevanz seien (Triplik 107, GA 659). Im Übrigen beschränkt sich der Kläger im Wesentlichen auf das Bestreiten der weiteren Prüfungshandlungen. Damit genügt er seiner Darlegungs- und Beweislast nicht. Zur Benford-Analyse hat der Kläger zunächst eingeräumt, dass es sich um eine überraschende Prüfungshandlung handele. Nachfolgend hat er dies in Abrede gestellt, weil die in die Manipulationen einbezogene Steuerberaterin G. Wirtschaftsprüferin sei und damit Kenntnis der von den Abschlussprüfern angewandten Methode habe. Danach waren aber den Beklagten überraschende Prüfungen unmöglich. Der für die Prüfung des JA 2012 geäußerte Vorwurf des Klägers, die Beklagten hätten keine überraschenden Prüfungshandlungen ausgeführt, muss daher ins Leere gehen.
108Die weiteren Ausführungen des Klägers im Schrifsatz vom 01.03.2021 (Seite 34) überzeugen nicht, weil die Beklagten – entgegen der Interpretation des Klägers – als Prüfung nicht allein eine Cut-Off-Prüfung vorgetragen haben. Der Verweis des Klägers auf das Urteil des BGH vom 10.12.2009 (VII ZR 42/08, NJW 2010, 1808) überzeugt ebenfalls nicht; dass Dritte eine Saldenbestätigung nicht übersenden, ist nicht ungewöhnlich. Der der Entscheidung des BGH zugrunde liegende Fall, dass ein Geschäftsführer Bestätigungen nicht übergeben will, obwohl er hierzu in der Lage wäre, kann damit nicht gleichgesetzt werden. Soweit der Kläger darauf abstellt, dass alternative Prüfungshandlungen zumindest die gleiche Sicherheit garantieren müssten, wie die zunächst in Angriff genommene Prüfungshandlung, ist aus dieser abstrakten Feststellung nichts herzuleiten. Jede Prüfungshandlung trägt das Risiko in sich, dass das Ergebnis der Prüfung nicht zutreffend ist – so können auch Saldenbestätigungen Dritter gefälscht oder unzutreffend sein. Ob eine alternative Prüfungshandlung die gleiche Sicherheit garantiert, unterliegt danach der wertenden Beurteilung des Prüfers und zwar ebenso wie die Bewertung der ersten, aber gescheiterten Prüfungshandlung. Aus diesem Zusammenhang erhellt zugleich, dass die Wertungen des Klägers – auch wenn sie als richtig unterstellt werden – keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür bieten, dass die Beklagten „bewusst weggeschaut“ hätten.
109Soweit ersichtlich macht der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 01.03.2021 geltend, dass alle B2B-Debitoren einer Existenz- und Bonitätsprüfung hätten unterzogen werden müssen. Für diese Rechtsansicht des Klägers gibt es keine Grundlage, da eine vollständige Prüfung mit den Zwecken der Abschlussprüfung nicht vereinbar ist. Auch bei diesem Vorwurf ist im Übrigen sehr wahrscheinlich, dass die Schuldnerin die (hypothetisch) angeforderten Belege gefälscht hätte.
110XIV.
111Der Kläger wirft den Beklagten Fehler bei der Prüfung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bei Prüfung des Jahresabschluss zum 31.12.2012 vor. Der Vortrag der Parteien bezieht sich auf das Konto .....700 und das Konto .....000. Das Konto .....700 diente der Verbuchung von B2B-Umsätzen, nämlich solchen, bei denen das Reverse-Charge-Verfahren gemäß § 13b UStG Anwendung fand. Auf dem Konto .....000 wurden B2B-Geschäfte außerhalb des Anwendungsbereichs von § 13b UStG und B2C-Geschäfte verbucht.
1121.Bezogen auf das Konto .....700 hat der Kläger geltend gemacht, dass auf diesem Konto Scheinumsätze in Höhe von ca. 33,0 Mio. EUR verbucht worden seien, welche vor Beginn der Jahresabschlussprüfung wieder gutgeschrieben worden seien. Es habe sich um Scheindebitoren gehandelt, Warenbewegungen hätten den Buchungen nicht zugrunde gelegen. Der Kläger hat die von der Beklagten vorgetragenen Prüfungshandlungen bestritten und geltend gemacht, dass diese Prüfungshandlungen nicht ausreichend gewesen seien.
113Auch in Bezug auf diese (vermeintlich) unrichtigen und unterlassenen Prüfungshandlungen ist nicht erkennbar, dass eine Kausalbeziehung zur Erteilung des Bestätigungsvermerks bzw. zur unterbliebenen Aufdeckung der Manipulationen vorliegt. Es ist nicht ersichtlich, dass weitergehende Prüfungshandlungen ein anderes Ergebnis gehabt hätten und ihnen die Schuldnerin nicht durch Täuschungshandlungen begegnet wäre. Allein bei der Prüfung der Forderung von Q. hätte ein anderes Prüfungsergebnis unmittelbaren Einfluss auf den Jahresabschluss gehabt. Auch insoweit ist aber nicht ersichtlich, dass dies zu einem Insolvenzantrag geführt hätte. Denn allein die Ausweisung eines Verlustes hätte nicht automatisch zu einem Scheitern der Aufnahme von Fremdmitteln geführt. Zahlreiche Unternehmen schreiben seit Jahren Verlust; gleichwohl werden ihre Aktien hoch bewertet. Maßgeblich für die Frage, ob Fremdkapital beschafft werden kann, ist in erster Linie die zukünftige Ertragslage. Diese wäre aber durch die Wertberichtigung einer Forderung gegen Q. bzw. eine Rückstellung nicht entscheidend beeinflusst worden. Auch der Schriftsatz vom 01.03.2021 bleibt den Nachweis der Kausalität schuldig. Dort (Seite 54) wiederholt der Kläger Vortrag zu Pflichtverletzungen. Das allein macht die Kausalbeziehung nicht plausibel. Soweit der Kläger darauf abstellt, dass es angesichts der Manipulationen und der Fehlbeträge der Schuldnerin keinesfalls möglich gewesen wäre, die Insolvenz zu vermeiden, unterstellt er, dass die Beklagten sämtliche (vermeintlichen) Fehler der Jahresabschlüsse und die daraus resultierenden Fehlbeträge hätten aufdecken müssen. Dieser Schluss ist indessen nicht zulässig.
114Im Übrigen liegen die von dem Kläger gerügten Fehler nicht vor.
115Die Ansicht des Klägers, der Stichtag für die Saldenbestätigung hätte nicht auf den 30.11.2012 vorgezogen werden dürfen, trifft nicht zu. Auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen.
116Nicht richtig ist die Wertung des Klägers, die Beklagten hätten die von ihnen initiierte Saldenbestätigung abgebrochen. Das gilt zunächst für den Vortrag des Klägers, die kreditorischen Debitoren seien nicht geprüft worden. Die Beklagten haben als Anlage B 76 die Auswahl von 11 Debitoren (einschließlich der Debitoren Q. und X6, die wegen Rechtsstreitigkeiten nicht um um Saldenbestätigungen gebeten wurden) und 7 kreditorischen Debitoren vorgelegt und die Auswertung des Rücklaufs der Saldenbestätigungen als Anlage B 79. Sodann haben die Beklagten zur Prüfung der 9 Debitoren vorgetragen. Erstmals in der Triplik hat der Kläger sodann als Pflichtverletzung geltend gemacht, dass die kreditorischen Debitoren nicht geprüft worden seien. Im Schriftsatz vom 30.11.2018 (Seite 31 = GA 802) haben sich die Beklagten hierzu weiteren Vortrag vorbehalten, der zwar unmittelbar im Schriftsatz nicht erfolgt ist (SS vom 27.02.2019, Seite 34 = GA 876), sich aber aus dem Privatgutachten (dort Rn. 240) ergibt. Die Ansicht des Klägers, der Vortrag sei nicht ausreichend, trifft nicht zu. Der Vortrag der Beklagten ist nicht schon deshalb unzureichend, weil er nicht durch Urkunden oder andere Auszüge aus der Prüfungsakte belegt ist. Anderenfalls würden Dokumentationsfehler mit Fehlern der Prüfung gleichgestellt, was aus den vorstehend dargestellten Gründen nicht zulässig ist. Entsprechend verhält es sich, soweit der Kläger einen Fehler bei der Prüfung des Debitors X6 reklamiert hat. Dass die Beklagten keine näheren Angaben zur Prüfung mehr machen können, lässt nicht darauf schließen, dass eine solche Prüfung tatsächlich nicht erfolgt ist. Die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden, denn primär darlegungsbelastet ist der Kläger.
117Auch der Verweis des Klägers auf seine erstinstanzlichen Ausführungen zu der Prüfung der 9 Debitoren überzeugt nicht. Die von den Beklagten durchgeführte Prüfung muss nicht durch Vorlage von Prüfungsunterlagen liquide beweisbar sein. Deshalb geht es fehl, wenn der Kläger fehlende Unterlagen der Anlage B 80 rügt. Der Ansicht, dass im jeden Fall unterschriebene Versanddokumente hätten vorgelegt werden müssen, ist nicht beizutreten. Wenn nämlich Zahlungen auf Rechnungen nachgewiesen werden können, ist von dem Versand der bezahlten Ware auszugehen. Auch die Kritik an der Zuordnung der Zahlungen aus den vorgelegten Kontoauszügen zu den Rechnungen verfängt nicht. Es trifft zwar zu, dass bei den Gutschriften auf den Kontoauszügen teilweise keine Rechnungsnummer vermerkt ist und die Zahlungen daher (allein nach den Kontoauszügen) nicht ohne weiteres zugeordnet werden können. Das Prüfungsziel der Beklagten bestand allerdings auch nur darin, dass Bestehen der Forderungen zum 31.12.2012 durch die spätere Zahlung zu plausibilisieren. Diese Plausibilisierung ist aber schon dann erreicht, wenn die aus der Buchhaltung ersichtliche Zahlung sich in den Kontoauszügen wiederfindet bzw. die Rechnungsbeträge in Übereinstimmung mit den Überweisungsbeträgen stehen. Überspannt werden die Prüfungsanforderungen, wenn der Kläger geltend macht, dass bei 7 Debitoren die Salden nur durch ein bis zwei Buchungen im November entstanden seien. Das gilt ebenso für die Diskrepanz der Höhe der Forderung zu der Aussage in der Anlage B 39, wonach bei B2B-Geschäften gegen Vorkasse geliefert würde. Die Berücksichtigung solcher Auffälligkeiten würde einem detektivischen Prüfungsansatz entsprechen, zumal – wie vorstehend dargelegt – das Verständnis des Klägers der handschriftlichen Eintragung in die Anlage B 39 von den Beklagten bestritten ist.
118Mit der Berufung macht der Kläger geltend, dass in Bezug auf Q. das Debitorenkonto …..128 mit einem Saldo von ca. 8.268 TEUR nicht mit dem Kreditorenkonto …..075 mit einem Saldo von ca. 7.970 TEUR habe „verrechnet“ werden dürfen, weil diese Verrechnung dem Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 2 Nr. 4 HGB widersprochen habe. Dem ist nicht zu folgen. Das Vorsichtsprinzip entzieht sich weitgehend einer inhaltlichen Konkretisierung, da alle wertbeeinflussenden Risiken und Chancen beim Wertansatz kritisch zu würdigen sind. Dadurch wird dem Bilanzierenden (d. h. hier der Schuldnerin) ein Ermessensspielraum eingeräumt. Die Bewertung liegt innerhalb dieses Ermessenspielraums, wenn ein sachkundiger Dritter die Bewertung nicht als willkürlich empfindet (Störk/Büssow, Beck´scher Bilanzkommentar, 12. Auflage, HGB § 252 Rn. 32). Die Forderungen von Q. und der Schuldnerin waren Gegenstand mehrerer Rechtsstreitigkeiten. Die Beklagten haben bei den renommierten Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin den Stand der Verfahren abgefragt, nachfolgend telefonische Nachfrage gehalten und per E-Mail eine Einschätzung der Rechtslage erhalten (Anlagen B 86 und B 87). Nach dieser Auskunft hat der Prozessbevollmächtigte Erfolgsaussicht für die Durchsetzung der Ansprüche der Schuldnerin gesehen, die Ansprüche von Q. demgegenüber als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Danach war der Bilanzansatz der Schuldnerin vertretbar. Dem Vorsichtsprinzip war dadurch Rechnung getragen, dass die Forderung der Schuldnerin „aufgerechnet“ worden und mit dem überschießenden Restbetrag auf 0 wertberichtigt worden ist und somit das bilanzielle Ergebnis nicht erhöht hat.
119Der Kläger macht geltend, dass das Landgericht seinen Vortrag übergangen habe, dass die Anlage B 82 keinen Nachweis für eine ordnungsgemäße Roll-Forward-Prüfung biete. Hierauf kommt es indessen nicht an. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass alle Einzelheiten der Prüfung dokumentiert werden. Der Umstand, dass durch die Anlage B 82 die Prüfungshandlungen nicht liquide bewiesen werden, kann daher die Haftung der Beklagten nicht begründen. Auch nach den Ausführungen in der Triplik ist von einer Pflichtverletzung nicht auszugehen (Seite 124, GA 676). Der Kläger bestreitet die Durchführung von Prüfungshandlungen mit Nichtwissen und stellt die Vermutung in den Raum, die Prüfer hätten die Bedeutung einer Roll-Forward-Prüfung verkannt. Letzteres erscheint indessen als völlig unplausibel, insbesondere in Hinblick auf die Ausbildung und Erfahrung des Mitarbeiters S.. Durch Bestreiten mit Nichtwissen kann der darlegungs- und beweisbelastete Kläger zudem keine Pflichtverletzung belegen.
120Der Kläger macht geltend, das Landgericht habe den Vortrag zur nicht hinreichenden Prüfung der Existenz der Debitoren übergangen. Das ist nicht zutreffend. Das Landgericht hat den Vortrag berücksichtigt (LGU 13). Der Vortrag des Klägers überzeugt nicht. Die Beklagten durften sich bei ihrer Prüfung auf Stichproben beschränken. Der Anlage K 94 lässt sich nicht entnehmen, dass die Existenz jeden Debitors gesondert geprüft werden müsste. Die dort zitierte Randziffer zählt beispielhaft in Betracht kommende Maßnahmen auf. Dass nicht zu allen Debitoren Prüfungen zur Existenz angestellt worden sind, lässt daher nicht auf einen Fehler der Prüfung schließen. Warum es den Beklagten hätten auffallen müssen, dass bei zahlreichen (existierenden) Firmen, die als Scheindebitoren gedient haben sollen, Mitglieder der Familie E. eingetragen gewesen sind, erschließt sich nicht. Die Mitglieder der Familie E. tragen nicht alle den gleichen Namen. Der Kläger überspannt in diesem Punkt eindeutig die Anforderungen an die Prüfung und fordert einen detektivischen Prüfungsansatz ein. Dies gilt um so mehr, wenn er ohne jeden Bezug zu der Prüfung der Beklagten geltend macht, die X2 GmbH habe mit der Schuldnerin konspirativ zusammengearbeitet, um Gelder zu verschieben. Auch die Diskrepanz zwischen den Bezeichnungen N. Handelsgesellschaft mbH und N. Schmuckhandel GmbH musste von den Beklagten nicht hinterfragt werden. Das Argument der Beklagten, dass geänderte Firmennamen schon vor Eintragung im Handelsregister Verwendung finden können, trifft zu. Die Ansicht des Klägers legt wiederum einen zu strengen Prüfungsansatz zugrunde.
121Der Kläger macht geltend, das Landgericht habe Vortrag zur nicht hinreichenden Prüfung der Stornierungen übergangen. Das ist unerheblich. Der Kläger beschränkt sich im Wesentlichen auf das Bestreiten einer ordnungsgemäßen Analyse der Stornierungen durch die Beklagte. Den Vortrag der Beklagten, eine Datei (und nicht nur einen Ausdruck) erhalten zu haben, hat er nicht widerlegt. Keine Anhaltspunkte gibt es für die These, eine ordnungsgemäße Prüfung der Stornierung hätte offenlegen müssen, dass die den Scheindebitoren in Rechnung gestellten Forderungen wieder storniert worden seien. Eine tragfähige Begründung hierfür fehlt. Die Ansicht des Klägers, die Beklagten hätten sich zwingend pdf-Dateien übersenden lassen müssen, überzeugt nicht. Auch solche Dateien lassen sich manipulieren, wie die Kontoauszüge zeigen. Nach der von den Beklagten vorgetragenen Verprobung der Dateien durften sie davon ausgehen, dass sie taugliche Grundlage der Prüfung waren.
122Unerheblich ist der Hinweis des Klägers auf sein Bestreiten der weiteren Prüfungshandlungen der Beklagten. Seine Ansicht, Prüfungen seien als nicht geschehen zu werten, wenn die Beklagte hierzu keine Nachweise vorlege, verkehrt die Darlegungs- und Beweislast in ihr Gegenteil. Soweit der Kläger (wiederholt) auf die Erteilung des Bestätigungsvermerks ohne Vorliegen der Speditionsbelege zurückkommt (BB 82) wird auf die vorstehenden Ausführungen unter XI. Bezug genommen.
1232.Bezogen auf das Konto .....000 macht der Kläger geltend, dass am 11.03.2013 mit 14 Stapelbuchungen 202.000 Einzelbuchungen mit Phantasiekunden über Forderungen in Höhe von 31.495.643,24 EUR netto erfolgt seien. Die Buchungen hätten Umsätze aus November und Dezember 2012 betroffen. Die aus den Buchungen folgenden Forderungen in Höhe von 37.479.815,46 EUR brutto (= 31.495.643,24 EUR netto) seien schon vor dem 31.12.2012 über vorgetäuschte Zahlungen in Höhe von 23.763.986,14 EUR als bezahlt ausgewiesen worden, so dass zum 31.12.2012 noch Scheinforderungen in Höhe von 13.715.829,32 EUR ausgewiesen gewesen seien. Die Zahlungen seien vorgetäuscht worden, indem per Zahlungsdienstleister (Paypal etc.) an Debitor gebucht worden sei. Dann sei per Verrechnungskonto .....900 an den Zahlungsdienstleister gebucht worden. Der sich auf dem Verrechnungskonto aufbauende Saldo sei dann durch Buchung gegen Scheinkreditoren „glattgezogen“ worden.
124Die Beklagten haben zu den Prüfungshandlungen vorgetragen, dass die Top-9 Umsätze des Kontos überprüft worden seien. Hierzu haben sie die Anlage B 89 mit Rechnungen und Zahlungsnachweisen vorgelegt. Zudem sei eine Stichprobe von 30 Rechnungen gezogen und überprüft worden. Hierzu haben sie die Anlage B 90 vorgelegt. Zudem sei die Umsatzverteilung in Relation zu den einzelnen Monaten untersucht worden, sie hätten eine Benford-Analyse durchgeführt, vergleichende Betrachtungen der Transportkosten, der Umsatzerlöse und der Amazongebühren angestellt, die Gutschriften im Jahr 2012 analysiert und die Stornierungen Januar bis April 2013 analysiert.
125Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagten bei der Prüfung der Top-9 Umsätze ihre Prüfungspflichten verletzt habe. Die mit der Anlage B 89 vorgelegten Unterlagen enthielten keinen lückenlosen Nachweis. Zum Teil hätten Zahlungen nicht mit der Rechnungshöhe übereingestimmt, zum Teil fehlten Zahlungsbelege. Die Beklagten hätten sich mit mündlichen Auskünften der Schuldnerin zufrieden gegeben. Sie hätten die Angaben nicht überprüft, da sie keine schriftlichen Unterlagen hierzu vorlegten.
126Diese Ausführungen des Landgerichts überzeugen in diesem Punkt nicht. Nach der Darstellung der Beklagten gehen fehlende Zahlungsbelege darauf zurück, dass Forderungen nach Auskunft der Schuldnerin teilweise verrechnet wurden. Es lässt daher nicht auf einen Prüfungsfehler schließen, dass Zahlungsbelege teilweise nicht vorgelegt worden sind. Auch die fehlende Übereinstimmung von Rechnungsbeträgen und Überweisungen lässt nicht auf einen Prüfungsfehler schließen. Wenn nämlich in einer laufenden Geschäftsbeziehung mit einer Zahlung mehrere Rechnungen beglichen werden oder Vorauszahlungen erfolgen, dann ist es nicht weiter auffällig, wenn die Überweisungen der Rechnungshöhe nicht entsprechen. Auch nach den weiteren Ausführungen des Klägers ist eine Pflichtverletzung nicht ersichtlich. Der Kläger bestreitet Prüfungshandlungen mit Nichtwissen. Damit genügt er seiner Darlegungslast nicht.
127Das Landgericht ist weiter davon ausgegangen, dass auch die Prüfung der Stichprobe von 30 Rechnungen (Aufstellung in der Anlage K 20) fehlerhaft erfolgt sei. Nicht bei allen Rechnungen hätten die Beklagten auf der Vorlage eines Kontoauszugs bestanden, sondern sich teilweise mit Buchhaltungsunterlagen begnügt. Bei der Rechnung „T.“ sei nicht aufgefallen, dass der Zahlungseingang 5 Tage vor der Bestellung erfolgt sei. Unstimmig sei die Verwendung von 8stelligen Rechnungsnummern bei den „Phantasiebuchungen“ gewesen, da die Schuldnerin sonst 9stellige Rechnungsnummern verwendet habe.
128Auch diese Ausführungen überzeugen nicht. Bei der Durchsicht der Anlage B 90 zeigt sich, dass Kontoauszüge in den Fällen abgelegt worden sind, in denen durch Überweisung bezahlt worden ist. In den anderen Fällen ist per Zahlungsdienstleister gezahlt worden. Danach begründet es keine Auffälligkeit, dass hierzu keine Zahlungsbelege angefordert worden sind. Bei dem Vorgang „T.“ ist zutreffend, dass die Verbuchung einer zeitlich vor dem Bestellvorgang liegenden Zahlung nicht ohne weiteres plausibel ist, wenn nicht – wie die Beklagten geltend machen – eine Erklärung darin gefunden werden kann, dass sich der Kunde nachträglich für einen anderen Artikel entschieden hat. Das kann aber dahinstehen. Der Fokus der Beklagten lag im Rahmen der Stichprobe auf der Verfolgung des Zahlungsvorgangs. In der ex-ante-Sicht waren die vorgelegten Unterlagen nicht einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Deshalb ist auch der Vortrag des Klägers zu dem Vorgang „Sch.“ nicht erheblich. Das gilt ebenso im Hinblick auf die Verwendung von 8stelligen und 9stelligen Rechnungsnummern. Ein derartiges Kriterium lässt sich in der Nachschau auffinden; das besagt aber nichts dazu, ob diese Diskrepanz schon den Beklagten hätten auffallen und Anlass zu Zweifeln hätte geben müssen. Das ist nicht der Fall. Denn die Verwendung von verschiedenen Rechnungsnummernkreisen ist möglich. Entsprechendes gilt für die von dem Kläger vermisste Analyse der Journalnummern.
129Auch die weiteren Vorwürfe des Klägers, auf die in allgemeiner Form in der Berufung verwiesen wird, verfangen nicht. Der Vortrag des Klägers zur Umsatzanalyse der Beklagten (Anlage B 91) erschöpft sich im Bestreiten der Prüfungshandlung der Beklagten und ist im Übrigen spekulativ. Der Kläger macht aus der ex-post-Sicht heraus geltend, dass die Steigerung des Umsatzes im November/Dezember unplausibel sei. Damit legt er keine Pflichtverletzung dar, insbesondere wenn er Umsatzvergleiche der Beklagten mit Nichtwissen bestreitet. Entsprechend verhält es sich bei der Benford-Analyse. Der Aspekt der Überraschung kann keine Rolle spielen. Der Kläger macht selbst geltend, dass eine Wirtschaftsprüferin in die Manipulationen einbezogen war; überraschende Prüfungshandlungen waren daher kaum möglich. Unter dem Aspekt, dass die Schuldnerin bei ihrem Betrug durch eine Steuerberaterin/Wirtschaftsprüferin „beraten“ war, kann im Übrigen gerade die Wiederholung einer Prüfungshandlung überraschend sein. Das Bestreiten der Prüfung der Stornierungen ist unbeachtlich. Auch geht die Ansicht des Klägers fehl, eine Prüfungshandlung sei ohne Belang, wenn es in dem Prüfungsfeld keine Manipulationen gegeben habe. Auch die Ausführungen zur Anlage B 93 gehen fehl. Der Kläger kann zur Begründung einer Pflichtverletzung nicht seine Überlegungen zur Plausibilität an die Stelle der Überlegung des Abschlussprüfers zur Plausibilität setzen. Damit wird ein konkreter Fehler der Prüfung nicht dargelegt. Im Ausgangspunkt zutreffen kann der Vortrag des Klägers, dass der Forderungsbestand auf dem Konto .....000, auf dem überwiegend Kleinbeträge aus dem B2C-Geschäft verbucht waren, als erklärungsbedürftig erscheinen kann. Auch erscheint als fraglich, ob der hierzu gehaltene Vortrag der Beklagten verfängt, wegen der Verbuchung von B2B-Geschäften (mit Umsatzsteuer) sei der Forderungsbestand plausibel gewesen. Eher könnte als naheliegend erscheinen, dass der zeitliche Verzug bei der Nutzung von Zahlungsdienstleistern auch bei B2C-Geschäften zu einem Anstieg des Saldos führt. Das kann allerdings dahinstehen. Bei den Erwägungen des Klägers handelt es sich um eine unzulässige ex-post-Betrachtung. Die Beklagten hätten die „Zusammensetzung“ des Saldos des Kontos untersuchen müssen, um Hinweise auf einen unplausibel hohen Forderungsstand zu finden. Die von ihnen durchgeführten Prüfungshandlungen waren hierauf nicht ausgerichtet. Für die Ansicht des Klägers, das stelle eine Pflichtverletzung dar, findet sich keine Grundlage, weil eine lückenlose Abschlussprüfung nicht zu erfolgen hat.
130Im Übrigen ist auch bezüglich der von dem Kläger erhobenen Bedenken zu der Prüfung des Kontos .....000 zu konstatieren, dass weitergehende Prüfungshandlungen nicht dazu geführt hätten, dass die Manipulationen entdeckt worden wären. Die unplausiblen Angaben bei den Vorgängen „T.“ und „Sch.“ hätten erklärt werden können, z. B. durch zeitlich vorangehende, stornierte Bestellungen. Die Anforderung weiterer Belege hätten aller Wahrscheinlichkeit nach zur Vorlage von weiteren Fälschungen geführt, was angesichts der tatsächlichen Vorlage von zahlreichen Fälschungen von dem Kläger nicht als Spekulation der Beklagten abgetan werden kann.
131Nach den vorstehenden Ausführungen kann der Berufungsangriff des Klägers, das Landgericht habe aufgrund der von ihm festgestellten Pflichtverletzungen von Vorsatz ausgehen müssen, keinen Erfolg haben. Doch auch wenn der Ansicht des Landgerichts zu den Pflichtverletzungen gefolgt würde, so wäre Vorsatz der Beklagten nicht belegt. Selbst wenn der Vortrag des Klägers und seine Wertung zu den (vermeintlichen) Pflichtverletzungen zugrunde gelegt wird, so fehlt doch für seine Ansicht, die Beklagten hätten bewusst „weggeschaut“, die Grundlage.
132XV.
133Der Kläger wirft den Beklagten Fehler bei der Prüfung der Materialaufwendungen vor. Im Jahresabschluss zum 31.12.2012 seien Materialaufwendungen in Höhe von 367.480.740,51 EUR ausgewiesen. Die Schuldnerin habe durch Vorschieben von real nicht existierenden Lieferanten (M.-IT, N. Handelsgesellschaft mbH, O. GmbH) Wareneinsätze in Höhe von 31.490.434,06 EUR gebucht, die es nicht gegeben habe.
134Die Beklagten haben zu den von ihnen durchgeführten Prüfungshandlungen vorgetragen, nämlich zu einer auf den 30.11.2012 vorgezogenen Saldenbestätigungsaktion mit Roll-Forward-Prüfung und einer Cut-Off-Prüfung. Der Kläger hat Fehler bei den durchgeführten Prüfungshandlungen reklamiert.
135Vorab ist darauf hinzuweisen, dass auch hier nach dem Vortrag des Klägers keine Kausalität zwischen den vermeintlichen Fehlern bei der Prüfung und der Erteilung des Abschlussvermerks ersichtlich ist. Dass weitergehende Prüfungshandlungen zur Aufdeckung der Manipulationen geführt hätten, ist nicht wahrscheinlich. Denn die real nicht existierenden Lieferanten waren Gesellschaften, die von dem Geschäftsführer der Schuldnerin (auch) eingesetzt wurden, um Geld aus dem Unternehmen zu „ziehen“. Gerade für diese Lieferanten hätten daher Saldenbestätigungen und andere Unterlagen vorgelegt werden können.
136Der Kläger ist der Ansicht, dass das Landgericht einen Fehler der Prüfung darin gesehen oder zumindest für plausibel gehalten habe, dass nicht die Beklagten, sondern die Schuldnerin die Kreditoren für die Saldenbestätigungsaktion ausgesucht habe. Das trifft nicht zu. Das Landgericht hat darauf abgestellt, dass die Beklagten die Auswahl möglicherweise auf der Grundlage manipulierter Unterlagen getroffen haben. Dem lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagten der Schuldnerin die Auswahl überlassen hätten. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Der Vortrag des Klägers in der Triplik ist spekulativ und nicht unter Beweis gestellt. Auch soweit der Kläger die Prüfung durch die Saldenbestätigungsaktion pauschal bestreitet, hat er keinen Beweis angetreten. Die Beklagten haben detailliert zu ihren Prüfungshandlungen vorgetragen.
137Der Kläger macht mit der Berufung geltend, dass alternative Prüfungshandlungen bei allen 11 Kreditoren hätten durchgeführt werden müssen, bei denen es keinen Rücklauf in der Saldenbestätigungsaktion gegeben habe. Die Beklagten hätten alternative Prüfungshandlungen nur für 8 Kreditoren vorgetragen. Das trifft im Ausgangspunkt zu. Denn die Beklagten haben vorgetragen, sie hätten 36 Kreditoren ausgewählt und 34 Bestätigungen (ohne Q. und X7 wegen Streitigkeiten zwischen der Schuldnerin und diesen Unternehmen) versandt. Es habe 23 Rückläufe gegeben, Abweichungen bei 10 Rückläufen hätten geklärt werden können (SS vom 16.07.2018, Seite 118, GA 489). Aus den verbleibenden 11 Kreditoren, die keinen Saldo von 0 aufgewiesen hätten, seien 8 ausgewählt und alternativ geprüft worden (SS vom 27.02.2019, Seite 38, GA 880). Der Senat vermag jedoch den rechtlichen Ausgangspunkt des Klägers, die Beklagten hätten alle nicht bestätigten Salden prüfen müssen, im Ausgangspunkt nicht zu teilen. Gegenstand der Prüfung waren Forderungen von Kreditoren, also Bilanzpositionen, die zu einer Minderung des Gewinns führen. Zu Recht machen die Beklagten geltend, dass ein überhöhter Ausweis von Verbindlichkeiten eher ungewöhnlich ist und ihr Prüfungsschwerpunkt daher auf der vollständigen Erfassung der Verbindlichkeiten gelegen habe. Im Hinblick auf dieses Prüfungsziel verfängt die Kritik des Klägers von vornherein nicht. Hinzu kommt, dass der Prüfer sich auf Stichproben beschränken darf. Wenn aber ein Ermessen des Prüfers im Hinblick auf die ursprüngliche Stichprobe besteht, dann muss ebenso ein Ermessen im Zuge der weiteren Prüfungen bestehen, wenn ein Zwischenergebnis weiter geprüft werden soll. Die von den Beklagten vorgetragene Entscheidung, aus der verbleibenden Gruppe von 11 Kreditoren eine Stichprobe von 8 Kreditoren (alternativ) zu prüfen, kann daher entgegen der Ansicht des Klägers nicht als Abbruch einer Prüfung qualifiziert werden.
138Die in der Berufung vorgetragene Ansicht des Klägers, bei den alternativen Prüfungshandlungen hätten die Beklagten das gesamte Jahr überprüfen müssen, überzeugt nicht. Auch wenn der Saldo zum 30.11.2012 von den Kreditoren nicht bestätigt war, so konnte doch bei Plausibilität der Fortentwicklung des Salden zum 31.12.2012 davon ausgegangen werden, dass auch der Zeitraum davor richtig verbucht war. Es mag sein, dass die alternative Prüfungshandlung weniger Sicherheit bietet als eine Saldenbestätigung eines (real existierenden) Kreditors. Das belegt aber nicht die Fehlerhaftigkeit der Prüfung.
139Der Kläger macht mit der Berufung geltend, die Roll-Forward-Prüfung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Das überzeugt nicht. Die Beklagten haben zur Roll-Forward-Prüfung die Anlage B 95 vorgelegt. Der Kläger hat hierzu geltend gemacht, die Anlage könne keinen substantiierten Vortrag ersetzen. Dem ist nicht zu folgen, denn die Anlage ist aus sich heraus verständlich und die Beklagten haben zu den von ihnen durchgeführten Prüfungshandlungen vorgetragen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es daher nicht unstreitig, dass keine Prüfungen durchgeführt worden seien. Weiter hat der Kläger geltend gemacht, die Anlage B 95 enthalte nicht zu allen Kreditoren Weiterentwicklungsrechnungen. Das ist zutreffend, legt aber keinen Fehler der Prüfung dar. Die in die Saldenbestätigungsaktion einbezogenen Kreditoren ergeben sich aus der Anlage B 94 (ohne X7 und Q.) bzw. aus der Auswertung Anlage B 111. Die Anlage B 95 zeigt die Weiterentwicklung der Salden für die Kreditoren, bei denen die Saldenbestätigung in den Rücklauf gekommen ist (die auf den Überleitungsrechnungen handschriftlichen eingetragenen Nummern entsprechen den Nummern der ersten Spalte der Anlage B 111). Die weiteren Überleitungsrechnungen – die im Rahmen der alternativen Prüfung der nicht in den Rücklauf geratenen Kreditoren vorgenommen worden sind (s. o.) – finden sich in der Anlage B 113. Soweit der Kläger mit Bezug auf die Anlage B 95 Prüfungshandlungen mit Nichtwissen bestritten hat, geht das fehl. Denn der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast.
140Der Kläger macht als vermeintlichen Fehler der Prüfung geltend, dass die Beklagten weitere Kreditoren zum Stichtag 31.12.2012 hätten einbeziehen müssen. Durch die Auswahl der Kreditoren zum Stichtag 30.11.2012 seien Kreditoren aus der Prüfung herausgefallen, darunter auch die Scheinkreditoren. Damit legt der Kläger keine Pflichtverletzung dar. Die Abschlussprüfung erfolgt in Stichproben. Wenn der Stichtag für die Auswahl der Stichprobe auf einen bestimmten Tag gelegt wird, dann ist dieser maßgeblich. Soweit der Kläger in erster Instanz geltend gemacht hat, die Vorverlegung des Stichtags auf den 30.11.2012 sei unzulässig gewesen – worauf die Berufung nicht zurückkommt – wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. Zudem hätte die Einbeziehung der Scheinkreditoren in die Prüfung keine Relevanz für die Erteilung des Bestätigungsvermerks gehabt. Denn für diese Gesellschaften, die unter dem Einfluss des Geschäftsführers der Schuldnerin R. standen, hätten auf Veranlassung der Schuldnerin ohne weiteres Saldenbestätigungen übersandt werden können.
141Der Kläger macht geltend, die Beklagten hätten das Verrechnungskonto .....900 prüfen müssen bzw. es hätte ein Prüfungsschwerpunkt sein müssen. Das überzeugt nicht, weil das Konto keinen Saldo aufwies. Die Befassung mit einem Verrechnungskonto ist geboten, weil solche Konten häufig genutzt werden, um nicht zuzuordnende Beträge gleichsam zu „parken“. Wenn der Saldo aber 0 ist, dann gibt es keine Buchungen mehr, die möglicherweise unklar geblieben sein könnten.
142Auch der allgemeine Verweis des Klägers auf seinen erstinstanzlichen Vortrag überzeugt nicht. Der Kläger hat weitere Prüfungshandlungen der Beklagten bestritten. Das ist angesichts der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast unerheblich. Auch seine Kritik an der Cut-Off-Prüfung überzeugt nicht. Bei einer Abschlussprüfung, die notwendigerweise eine Auswahl treffen muss, ist es nicht weiter erklärungsbedürftig, warum die Beklagten das Konto …..000 geprüft haben. Auch erschließt sich die Ansicht des Klägers nicht, der Prüfungszeitraum hätten ausgeweitet werden müssen. Für die „Schönung“ der Bilanz eines Jahres muss lediglich nach dem Stichtag gebucht werden. Die Schuldnerin hatte danach keine Motivation, erst später als im Januar periodenfremd zu buchen.
143Danach gibt es auch in Bezug auf die Prüfung der Materialaufwendungen keinen Anhaltspunkt für Vorsatz der Beklagten. Insbesondere die Annahme des Klägers, die Beklagten hätten die Prüfungen willkürlich abgebrochen, ist nicht zutreffend.
144XVI.
145Der Kläger wirft den Beklagten Fehler bei der Beobachtung der nachverlegten Stichtagsinventur (das ist eine Inventur zu einem Stichtag, der nach dem Bilanzstichtag liegt) vor.
146Auch insoweit wird eine Kausalität vermeintlich fehlender Prüfungshandlung nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Ob und welche Manipulationen durch welche weitergehenden Prüfungshandlungen aufgedeckt worden wären, bleibt unklar. Der Kläger stellt lediglich die pauschale Vermutung in den Raum, dass die Ausweitung von Prüfungshandlungen zur Aufdeckung von Manipulationen geführt hätte. Warum aber eine Ausweitung der Stichproben zur Aufdeckung der Manipulationen geführt hätte, erschließt sich nicht.
147Der Kläger macht geltend, die Beklagten hätten eine Stichprobe von 35 Artikeln ausgezählt, aber nur 10 Artikel auf den Bilanzstichtag (31.12.2012) zurückgerechnet. Diesem Vortrag lässt sich keine Pflichtverletzung entnehmen. Es handelt sich bei der Auszählung von Artikeln und der Rückrechnung auf den Bilanzstichtag um verschiedene Prüfungsschritte, für die unterschiedliche Stichprobengruppen gebildet werden konnten.
148Die Ansicht des Klägers, die beiden Stichproben seien zu klein gewesen, ist nicht zu teilen. Der Abschlussprüfer soll beurteilen, ob die von der geprüften Gesellschaft durchzuführende Inventur ordnungsgemäß abgewickelt wird. Wenn der Bestand bei 35 Artiklen zutrifft, kann davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin ihre Vorräte zutreffend erfasst. Auch die Rückrechnung von 10 Artikeln erscheint als ausreichend. Die Beklagten haben den nach dem Warenwirtschaftssystem erwarteten Bestand mit dem tatsächlichen Bestand abgeglichen. Wenn sich bei 10 Artikeln keine Abweichungen zeigen, ist von einer ordnungsgemäßen Erfassung im Warenwirtschaftssystem auszugehen. Die vom Abschlussprüfer zu leistende Auswahl der Stichprobe ist ein wertender Prozess. Der Kläger legt einen Fehler bei der Ausübung des Ermessens nicht dar, wenn er schlicht die Anzahl der Stichprobe als zu klein darstellt.
149Zu Unrecht stellt der Kläger darauf ab, dass kein zusätzlicher Abgleich der Warenbewegungen durch Lieferscheine stattgefunden habe. Durch die Beobachtung der Inventur soll abgesichert werden, dass die Vorräte durch das geprüfte Unternehmen zutreffend erfasst werden. Hierfür bedarf es aber der Rechnungen und Lieferscheine nicht zwingend. Die Ansicht des Klägers, die Beklagten hätten nicht von einem funktionsfähigen Warenwirtschaftssystem, das den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entspreche, ausgehen dürfen, ist nicht zu folgen. Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen (unter IX). Hinzu kommt, dass durch die Rückrechnung der 10 Artikel die Funktion des Warenwirtschaftssystems bestätigt worden ist.
150Zu Unrecht macht der Kläger geltend, die Beklagten seien zeitlich erst nach der nachverlegten Stichtagsinventur beauftragt worden. Denn der Beklagte zu 2) hat an der nachverlegten Stichtagsinventur teilgenommen und auch andere Prüfungshandlungen wurden bereits vor der Auftragsbestätigung der Beklagten zu 1) ausgeführt. Nicht weiterführend ist auch der Vortrag, die Beklagten hätten die Prüfung des vorratsbezogenen internen Kontrollsystems unterlassen. Denn das Fehlen einer schriftlich fixierten Inventurrichtlinie besagt für sich genommen nichts. Der Kläger verweist auf Vortrag in der Triplik, wonach die Risikoeinschätzung unzutreffend gewesen sei. Was hieraus konkret folgen soll, erläutert er nicht.
151Im Schriftsatz vom 01.03.2021 kommt der Kläger auf (beiläufigen) Vortrag aus seinem Schriftsatz vom 19.10.2018 (Seite 161, GA 713) zurück, wonach den Beklagten die Einrichtung eines Konsignationslagers ab März 2013 „entgangen“ sei. Indessen bleibt der Kläger jeglichen Vortrag dazu schuldig, warum die Beklagten von diesem Konsignationslager hätten wissen müssen und was hieraus folgen soll.
152XVII.
153Es steht nicht fest, dass weitergehendere Prüfungshandlungen zu einer Verweigerung oder Einschränkung des Bestätigungsvermerks geführt hätten. Ein Anscheinsbeweis streitet hierfür nicht. Denn eine Abschlussprüfung kann auch dann fehlerfrei sein, wenn sie Fehler des Jahresabschlusses nicht aufdeckt, etwa weil Manipulationen mit großem Geschick vorgenommen worden sind. Es lässt sich daher nicht annehmen, dass typischerweise durch eine fehlerfreie Abschlussprüfung die Erteilung eines unrichtigen Abschlussvermerks vermieden würde. Hiervon ausgehend kann aber ein Fehler bei der Abschlussprüfung nicht ohne weiteres als kausal für die Erteilung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks angesehen werden.
154Die (nicht entscheidungserheblichen) Ausführungen im Urteil des 23. Zivilsenats des OLG Düsseldorf (Urt. v. 02.06.2009 – I-23 U 108/08, juris) geben für einen Anscheinsbeweis im vorgenannten Sinne nichts her. Dort (juris-Rn. 60) wird nur auf den allgemeinen Grundsatz hingewiesen, dass für den Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden ein Anscheinsbeweis bestehen kann. Erwogen worden ist von dem 23. Zivilsenat, dass eine Kreditentscheidung nach der Lebenserfahrung anders ausfällt, wenn im Vorfeld der Kreditentscheidung ein Jahresabschluss vorgelegt wird, der statt eines Gewinns einen Verlust ausweist. So liegt es auch bei der von dem Kläger angeführten Entscheidung des BGH (Urt. v. 19.12.1996 – IX ZR 327/95, NJW 1997, 1235).
155Auch steht nicht fest, dass allein durch die Einschränkung oder Verweigerung des Bestätigungsvermerks zu dem der Schadensberechnung zugrunde gelegten Zeitpunkt Insolvenz beantragt worden wäre. Es ist plausibel, dass die Einschränkung oder Verweigerung des Bestätigungsvermerks die Schuldnerin vor Schwierigkeiten gestellt hätte. Angesichts des dolosen Verhaltens des Geschäftsführers der Schuldnerin spricht aber eher wenig dafür, dass sie unmittelbar Insolvenz angemeldet hätte. Ein Anscheinsbeweis besteht hierfür nicht, weil der Fall durch die Besonderheit des dolosen Geschäftsführers der Schuldnerin geprägt ist. Der Verweis des Klägers auf den Geschäftsführer L. überzeugt nicht; denn dieser soll gerade nicht aktiv, vielmehr ein „Frühstücksdirektor“ gewesen sein. Ob die Einschaltung der A. AG genutzt hätte, ist ebenfalls zweifelhaft, nachdem der Geschäftsführer R. als Vorstand dieser Gesellschaft bestellt war. Entscheidend ist allerdings, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin aller Wahrscheinlichkeit nach getrachtet hätte, die Entscheidung über den Bestätigungsvermerk möglichst zu verzögern. Der Kläger macht selbst geltend, dass ein Wirtschaftsprüfer der geprüften Gesellschaft regelmäßig die Möglichkeit der „Nachbesserung“ einräumen werde, um Bedenken auszuräumen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Geschäftsführer R. zumindest die hierdurch eröffneten zeitlichen Spielräume genutzt hätte, wenn es ihm nicht sogar gelungen wäre, durch weitere Täuschungshandlungen doch noch den Abschlussvermerk zu erlangen.
156XVIII.
157Nach den vorstehenden Ausführungen kommt eine Haftung der Beklagten aus mehreren Gründen nicht in Betracht. Es fehlt bereits an den Voraussetzungen einer Haftung dem Grunde nach. Kausale Pflichtverletzungen liegen nicht vor. Jedenfalls gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Pflichtverletzung, so dass eine Haftung der Beklagten höchstens bis zu einem Betrag in Höhe von 2,0 Mio. EUR in Betracht kommen könnte. Schließlich würde jedenfalls das sehr schwere Mitverschulden auf Seiten der Schuldnerin zu einem Ausschluss der Haftung führen. Dabei teilt der Senat die Wertung des Landgerichts, dass auch dann, wenn den Beklagten leichte Fahrlässigkeiten im Rahmen der Prüfung unterlaufen sein sollten, ihre Haftung angesichts des außerordentlich großen Mitverschuldens der Schuldnerin zurücktreten würde.
158XIX.
159Der Berechnung des Schadens – auf die es für die Entscheidung des Senats allerdings nicht ankommt – ist zumindest insoweit nicht nachvollziehbar, als der Kläger Verbindlichkeiten gegenüber der A. AG in Höhe von ca. 80,0 Mio. EUR berücksichtigt. Denn diese Verbindlichkeiten bestreitet der Kläger und macht geltend, sie seien durch Aufrechnung erloschen, wie aus dem Schriftsatz des Insolvenzverwalters der A. AG vom 30.08.2018 (GA 536) folgt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Beklagten diesen Vortrag zu Eigen machen. Denn sie haben von dem Kläger näheren Vortrag dazu eingefordert, was es mit den Verbindlichkeiten zwischen der Schuldnerin und der A. AG auf sich habe. Wenn die Forderungen der A. AG durch Aufrechnungen erloschen sind, fehlt insoweit ein Schaden. Hinzu kommt Folgendes: Beide Gesellschaften, Schuldnerin und AG sind betrügerisch von dem Geschäftsführer der Schuldnerin R. geführt worden. Es wäre daher sinnwidrig, wenn die gegenseitigen Belastungen dieser Gesellschaften zu einer Erhöhung des Schadens führen könnten. Die Belastung einer insolventen Gesellschaft mit Verbindlichkeiten ist deshalb ein Schaden, weil die Gesellschaft verpflichtet ist, nach Kräften die Verbindlichkeiten zu bedienen. Dieser Aspekt trifft aber im Verhältnis der Schuldnerin zur A. AG nicht zu.
160Bei der Schadensberechnung übergeht der Kläger zudem das Bestreiten der Beklagten in einem wesentlichen Punkt. Die Beklagten machen geltend, dass die für den zweiten Stichtag zugrunde gelegten Verbindlichkeiten möglicherweise bereits vor dem ersten Stichtag bestanden haben. Dazu äußert sich der Kläger nicht hinreichend. Der Kläger „plausibilisiert“ den im Datenbestand der Schuldnerin aufgefundenen Zwischenabschluss vom 30.06.2012 durch einen Wertpapierprospekt vom 23.08.2012 (Replik Seite 144, GA 336). Das ist nicht überzeugend. Der Kläger macht geltend, dass die Schuldnerin deshalb ihre Bilanzen gefälscht hat, weil sie bzw. ihre Konzernmutter Geld auf dem Kapitalmarkt einwerben wollte. Angesichts der Manipulationen kann ein von der Schuldnerin erstellter Zwischenabschluss nicht Grundlage einer Schadensschätzung sein.
161XX.
162Auf die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede kommt es im Ergebnis ebenfalls nicht an. Bestünde ein Anspruch des Klägers, würde die Verjährungseinrede allerdings teilweise durchgreifen.
163Der Ansicht des Klägers, die Einrede der Verjährung sei gemäß § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert, ist nicht zu folgen. Die Einrede der Verjährung ist bereits in erster Instanz erhoben worden. Nicht überzeugend ist auch die Bezugnahme des Klägers auf die Entscheidung des BGH zur Erhebung der Einrede der Verjährung in der Berufungsinstanz (BGH, Beschl. v. 23.06.2008 – GSZ 1/08). Der Kläger ist der Ansicht, die Erhebung der Einrede in der Verjährungsinstanz sei nur dann zulässig, wenn die die Verjährungseinrede begründenden Tatsachen unstreitig seien. Derartiges ergibt sich aus der vorgenannten Entscheidung nicht; mit ihr ist lediglich entschieden worden, dass die Erhebung der Verjährungseinrede jedenfalls nicht unzulässig ist, wenn die die Verjährungseinrede tragenden Tatsachen unstreitig sind. Jedenfalls kommt es aber nicht darauf an, ob der Anspruch selbst und die ihn tragenden Tatsachen umstritten sind. Dass der Kläger die Darstellung der Beklagten zur Prüfungsplanung bestritten hat, steht mit der Verjährungseinrede nicht in Zusammenhang.
164Für die Beurteilung der Verjährung ist von dem Grundsatz auszugehen, dass Schadensersatzansprüche wegen verschiedener Mängel verschiedene Streitgegenstände sind und danach die Hemmung der Verjährung durch den Mahnbescheid und das anschließende gerichtliche Verfahren für jeden behaupteten Prüfungsfehler gesondert betrachtet werden muss. Der Wirtschaftsprüfer schuldet einen Erfolg. Bei einem Werkvertrag sind Ansprüche wegen verschiedener Mängel verschiedene Streitgegenstände (BGH, Urt. v. 19.07.2018 – VII ZR 19/18, BauR 2018, 1879; BGH, Urt. v. 04.12.1997 – IX ZR 247/96, NJW 1998, 1140). Diese Rechtsprechung ist auf die Haftung des Wirtschaftsprüfers zu übertragen. Wäre es anders, könnte eine Schadensersatzklage wegen einer bestimmten Pflichtverletzung nachfolgend mit anderen Pflichtverletzungen „unterlegt“ werden, so dass im Falle der Erhebung einer Klage die Verjährung letztlich außer Kraft gesetzt wäre. Der von dem Kläger angeführten Entscheidung des BGH (Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, NJW 2010, 1808) vermag der Senat zu dieser Frage nicht Abweichendes zu entnehmen. Der von dem Kläger im Schriftsatz vom 01.03.2021 angeführte Gesichtspunkt, dass Prüfungsplanung und Prüfung miteinander verzahnt seien und daher unter Verjährungsgesichtspunkten nicht getrennt werden dürften, steht der Würdigung des Senats nicht entgegen. So sind etwa auch bei Werkleistungen zahlreiche Leistungsschritte miteinander verzahnt und gleichwohl sind Ansprüche wegen verschiedener Leistungsdefizite der einheitlichen Werkleistung unterschiedliche Streitgegenstände.
165Für die subjektiven Voraussetzungen des Beginns der Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht auf die Kenntnis des Geschäftsführers R. abgestellt werden. Zum einen folgt aus der Kenntnis des Geschäftsführers R. von den (eigenen) Machenschaften nicht, dass er auch Kenntnis von einer Pflichtverletzung der Beklagten und damit von einem Anspruch gegen die Beklagten hatte. Zudem findet eine Zurechnung des Wissens gesetzlicher Vertreter nicht statt, wenn sich der Anspruch gegen sie selbst richtet oder der Anspruch gegen einen Dritten in einem so engen Zusammenhang mit einem Anspruch gegen sie selbst steht, dass auch hier die Befürchtung besteht, der Vertreter werde nicht zu einer sachgerechten Verfolgung des Anspruchs beitragen (BGH, Urt. v. 23.01.2014 – III ZR 436/12, NJW 2014, 1294). So liegt der Fall hier.
166Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Geschäftsführers L. ist nicht dargetan. Die Beklagten argumentieren, dass der Geschäftsführer L. grob fahrlässig von den Machenschaften des Mitgeschäftsführers R. keine Kenntnis gehabt habe und deshalb auch seine Unkenntnis von dem (unterstellten) Anspruch gegen die Beklagten grob fahrlässig gewesen sei. Das überzeugt nicht. Denn aus einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Manipulationen des Geschäftsführers R. kann nicht auf Kenntnis eines Anspruchs der Schuldnerin gegen die Beklagten geschlossen werden.
167Maßgeblich ist danach die Kenntnis des Klägers. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bereits 2013 von den (vermeintlichen) Pflichtverletzungen Kenntnis erlangt hat. Denn er ist erst durch Beschluss vom 04.12.2013 zum Insolvenzverwalter ernannt worden. Dazu, dass er bereits zuvor als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt war und bereits im Rahmen einer solche Tätigkeit Kenntnisse über etwaige Fehler der Buchführung hatte, ist nicht vorgetragen worden.
168Naheliegend ist demgegenüber, dass der Kläger im Jahr 2014 Kenntnis von den vermeintlichen Pflichtverletzung erlangt hat oder diese zumindest für möglich erachten musste. Über das Vermögen der Schuldnerin ist alsbald nach der Prüfung des Jahresabschlusses 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stand in Zusammenhang mit Unterschlagung von Ware der Fa. D. aus einem Konsignationslager. Der Kläger hat zudem vorgetragen, unmittelbar bei Antritt seines Amtes sei hervorgetreten, dass die verbuchten Lagerbestände so nicht vorhanden gewesen seien. Noch im Jahr 2014 hat der Kläger Klage gegen den Geschäftsführer R. erhoben und darin Ausführungen zur unrichtigen Bilanzierung gemacht (LG Frankfurt/Oder – 31 O 46/14, Anlage K34a). Es ist auch im Übrigen wenig plausibel, dass nicht schon 2014 Anhaltspunkte für die Manipulationen des Geschäftsführers R. hervorgetreten sind. Denn die Tätigkeit des Insolvenzverwalters beinhaltet auch, die Gründe für die Insolvenz in seinem Bericht an das Insolvenzgericht darzulegen und die Insolvenzverwaltung bringt es mit sich, dass der Insolvenzverwalter sich mit den Unternehmen intensiv befasst. Angesichts dieser Anhaltpunkte, die für Kenntnis im Jahr 2014 sprechen, ist die nicht durch konkrete Tatsachen untermauerte Behauptung des Klägers, er habe erst im Jahr 2015 Kenntnis erlangt, zu pauschal. Der Kläger macht ohne Vorlagen von Unterlagen oder unter Berücksichtigung anderer Erkenntnismöglichkeiten geltend, er habe erst durch ein Gutachten im Jahr 2015 Kenntnis erlangt. Das genügt nicht. Da die Beklagten in das Insolvenzverfahren keinen Einblick haben, trifft den Kläger eine sekundäre Darlegungslast (Grothe, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, § 199 Rn. 46).
169Eine spätere Kenntnis eines Teils der vermeintlichen Pflichtverletzungen wird auch nicht dadurch dargelegt, dass der Kläger geltend macht, er habe erst durch die Klageerwiderung von Details der Prüfung in Bezug auf die Prüfung des IKS und die Prüfungsplanung Kenntnis erlangt (SS vom 01.03.2021, Seite 42, GA 1605). Der Kläger bestreitet durchgängig den Vortrag der Beklagten und macht geltend, es habe keine IKS-Prüfung gegeben. Das hätte er schon in der Klageschrift vortragen können und müssen, um die Verjährung zu hemmen. Die Ansicht des Klägers, schon in der Klageschrift (Seite 9, Seite 22 f.) habe er zu ungenügender IKS-Prüfung vorgetragen (SS vom 01.03.2021, Seite 40, GA 1603), vermag der Senat nicht zu teilen. Dort findet sich zum IKS schlechthin nichts.
170Danach wäre – einen Schadensersatzanspruch unterstellt – Verjährung mit Ablauf des 31.12.2017 eingetreten. Ansprüche, die auf die in der Klageschrift vorgetragenen Pflichtverletzungen gestützt sind, wären somit nicht verjährt. Auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der Mahnbescheid zur Hemmung geeignet war und ob dem Beklagten zu 2) der Mahnbescheid im Jahr 2016 rechtzeitig zugestellt worden ist, kommt es deshalb nicht an. Verjährt wären indessen die erstmals in der Replik und den nachfolgenden Schriftsätzen vorgetragenen Pflichtverletzungen.
171XXI.
172Die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 01.03.2021 – soweit nicht vorstehend bereits angesprochen – führen nicht zu einer anderen Beurteilung des Senats. Der Schriftsatz wiederholt im Wesentlichen die bereits zuvor vorgetragenen Argumente des Klägers. Der Kläger hat hierzu selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, „(…) es sei nicht beabsichtigt, mit dem Schriftsatz vom 01.03.2021 wirklich neue Punkte in den Rechtsstreit einzuführen.“
173Soweit der Kläger in dem vorgenannten Schriftsatz die Ansicht vertritt, dass unstreitiger Sachvortrag einer Partei präkludiert sein könne (Seite 32, GA 1595 und Seite 5, GA 1568), ist das unrichtig. Unstreitiger Vortrag kann nicht präkludiert sein (BGH, Urt. v. 18.11.2004 – IX ZR 229/03, NJW 2005, 291).
174Der Kläger beruft sich (erstmals) im Schriftsatz vom 01.03.2021 auf § 826 BGB als weitere Anspruchsgrundlage. Das verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Zum einen liegen die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 826 BGB nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen nicht vor. Zum anderen ist für die Anwendung von § 826 BGB im Verhältnis des Wirtschaftsprüfers zur geprüften Gesellschaft kein Raum, wenn die Haftung gemäß § 323 HGB zu beurteilen ist. Gemäß § 323 HGB haftet der Wirtschaftsprüfer schon für einfache Fahrlässigkeit. Auch darf die Haftungsbeschränkung des § 323 HGB nicht durch die Anwendung von § 826 BGB unterlaufen werden. So stellt der Kläger darauf ab, dass die Beklagten grob fahrlässig gehandelt hätten und deshalb gemäß § 826 BGB haften würden. An ein grob fahrlässiges Verhalten kann aber keine unbegrenzte Haftung geknüpft werden, da nach § 323 HGB der Prüfer nur bei Vorsatz unbegrenzt haftet.
175XXII.
176Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 09.06.2021 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. In diesem Schriftsatz kommt der Kläger auf die von ihm vorgetragenen (vermeintlichen) Pflichtverletzungen zurück, die er bereits mit der Berufung vorgetragen hat. Als weiteren Aspekt – auf den er in der Berufung nicht zurückgekommen ist – spricht er an, dass die Warenbestände angesichts der Lagerkapazitäten „nicht denkbar“ gewesen seien. Auch insoweit vermag der Senat eine Pflichtverletzung nicht erkennen. So ist angesichts kleinformatiger Artikel (Mobiltelefone etc.), für die es eine ganz erhebliche Preisspanne gibt (etwa wenn der Preis eines einfachen Standardgeräts den Spitzenmodellen gegenüber gestellt wird) für den Prüfer ein Zusammenhang zwischen dem Volumen eines Lagers und dem Wert der darin gelagerten Gegenstände nicht ohne weiteres erkennbar. Zudem haben die Beklagten den Lagerbestand durch die von ihnen vorgetragenen Prüfungshandlungen plausibilisiert. Eine Pflichtverletzung kann nicht dahin erblickt werden, dass die Beklagten nicht den den Platzbedarf sämtlicher nach der Buchhaltung vorhandener Waren ermittelt und dem das Volumen der Warenlager gegenüber gestellt haben. Ein solches Vorgehen dürfte schon praktisch mit vertretbarem Aufwand kaum möglich sein, weil Verpackungs- und Gebindegrößen ermittelt werden müssten.
177XXIII.
178Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711 ZPO.
179Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.
180Berufungsstreitwert: 81.397.628,05 EUR.