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Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29.01.2019 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin hat von den Beklagten Maklerhonorar von 10.710,- € (3,57 %) verlangt für die Vermittlung des am 24.05.2017 notariell beurkundeten Kaufvertrages über ein Einfamilienhaus in E zum Preis von 300.000,- €.
4Der Beklagte zu 1) hatte über das Portal X eine Anfrage zu dem oben genannten Objekt gestellt, woraufhin sich die Klägerin unter „N - - - Anfragen & Termine hat Ihnen eine neue Nachricht geschickt“ ebenfalls über das Portal K meldete und den Beklagten zu 1) bei der „Nr. 1 bei privaten Kauf-Wohnimmobilien“ willkommen hieß. Im Anschluss an Werbung für ihr Angebot, der Aufforderung, sich als Mitarbeiter bei ihr zu bewerben oder als verkaufswilliger Eigentümer zu ihr zu kommen, erteilte sie folgende Widerrufsbelehrung:
5„Widerrufsrecht für Verbraucher
6Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angaben von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen.
7Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag des Vertragsschlusses.
8…
9Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten … unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrages bei uns eingegangen ist.
10…
11(Wenn Sie den Vertrag widerrufen wollen, dann füllen Sie bitte dieses Formular aus und senden Sie es zurück.)
12An
13N
14… (Anschrift, E-Mail-Adresse)
15hiermit widerrufe (n) ich/wir den von mir/uns abgeschlossenen Vertrag über den Kauf der folgenden Waren/die Erbringung der folgenden Dienstleistung“
16Der Beklagte zu 1) erhielt sodann ein Exposé, besichtigte das Objekt und erklärte seine Kaufbereitschaft. Nachdem er die Klägerin um Unterlagen, die seine Hausbank zur Finanzierung benötige, gebeten hatte, schrieb die Klägerin am 07.04.2017 dem Beklagten:
17„Der Bankberater hat die Unterlagen. Es geht jedoch um Zeit. Hier bekommt derjenige den Zuschlag, der am Donnerstag um 14:00 Uhr bereit ist zum Notar zu gehen. An den Unterlagen ist alles bestens.
18…
19Nur wenn Sie sich nicht trauen, ohne die Bestätigung von der Bank zum Notar zu gehen, dann wird das nichts.
20Überlegen Sie es sich. Donnerstag 14:00 Uhr.“
21Nach Verhandlungen mit dem Enkel der Verkäuferin kam es schließlich am 27.04.2017 zum notariell beurkundeten Vertragsabschluss über das Objekt in E.
22Auf die von der Klägerin den Beklagten über 10.710,- € erteilte Rechnung antwortete der Beklagte zu 1) mit anwaltlichem Schreiben vom 02.08.2017 und berief sich auf Verwirkung des von der Klägerin geltend gemachten Maklerlohns; hilfsweise erklärte er den Widerruf des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages.
23Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, sie seien nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht, insbesondere den Adressaten des Widerrufs belehrt worden. Aufgrund von Verhandlungen mit dem Enkel der Verkäuferin sei die Tätigkeit der Klägerin nicht kausal für den Vertragsabschluss geworden. Zudem habe sie einen etwaigen Provisionsanspruch verwirkt, weil sie mit ihrer E-Mail vom 07.04.2017 den Anschein erweckt habe, ein sofortiger Kaufvertragsabschluss sei angesichts weiterer Kaufinteressenten erforderlich; damit habe sie sich treuwidrig verhalten.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
25Das Landgericht hat die gegen die Beklagte zu 2) – die Lebensgefährtin des Beklagten zu 1) – gerichtete Klage abgewiesen und den Beklagten zu 1) zur Zahlung des geforderten Maklerhonorars von 10.710,- € und Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten von 958,19 € verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Maklerleistung der Klägerin sei für den Kaufvertragsabschluss kausal geworden, weil sich das Gesamtgeschehen fortwährend als Folge der Maklertätigkeit der Klägerin darstelle. Der Ursachenzusammenhang sei nicht durch Korrespondenz und Verhandlungen zwischen dem Beklagten zu 1), dem Notar und dem Enkel der Verkäuferin unterbrochen worden. Ein Widerrufsrecht habe dem Beklagten zu 1) nicht mehr zugestanden, weil die Frist von 14 Tagen zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung bereits abgelaufen gewesen sei. Die dem Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung habe den Anforderungen des Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 2 und des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB entsprochen. Es sei unschädlich, dass der Rechtsformzusatz und die Nennung eines Vertretungsberechtigten gefehlt hätten, weil durch die Nennung der Adresse und der E-Mail-Adresse eine schnelle Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation möglich gewesen sei. Auch dem Deutlichkeitsgebot sei Genüge getan. Die Klägerin habe ihren Provisionsanspruch nicht nach § 654 BGB verwirkt. Zwar sei ihr Schreiben vom 07.04.2017 bedenklich, stelle jedoch kein treuwidriges Verhalten dar, weil das Ausüben von Druck unter dem Anschein mehrerer Interessenten von einem besonnenen Käufer als „Verkaufsmasche“ durchschaut würde.
26Die Klägerin hat die Abweisung ihrer Klage gegen die Beklagte zu 2) hingenommen, wohingegen sich der Beklagte zu 1) mit der Berufung gegen seine Verurteilung wendet.
27Der Beklagte zu 1) vertritt auch in zweiter Instanz die Auffassung, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen sei, weil die Firma der Klägerin und die korrekte Anschrift nicht angegeben worden seien. Zudem habe das Landgericht zu Unrecht eine Verwirkung des Provisionsanspruchs verneint. Das Schreiben der Klägerin vom 07.04.2017 habe beim Beklagten zu 1), der zum ersten Mal ein Immobiliengeschäft getätigt habe, den Eindruck erweckt, er müsse sich umgehend zum Kauf des Objektes entschließen, wenn ihm nicht ein anderer Käufer zuvorkommen solle. Von einer Verkaufsmasche des Maklers sei er nicht ausgegangen.
28Darüber hinaus wird mit der Berufung gerügt, dass dem Beklagten zu 1) durch das angefochtene Urteil die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 100 % auferlegt worden sind, obwohl die Klägerin in Bezug auf die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage unterlegen gewesen sei.
29Der Beklagte zu 1) beantragt,
30unter Abänderung des am 29.01.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf die Klage abzuweisen.
31Die Klägerin beantragt,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit es zu ihren Gunsten ergangen ist, und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Darstellung, dass mehrere Kaufinteressenten vorhanden seien, und der Hinweis, dass derjenige den Zuschlag erhalte, welcher den Notartermin wahrnehme, sei kein unzulässiges Druckausüben und führe nicht zur Verwirkung des Provisionsanspruchs. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der vom Beklagten zu 1) erklärte Widerruf verspätet gewesen sei.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
35II.
36Die erkennbar nur für den durch das angefochtene Urteil ausschließlich beschwerten Beklagten zu 1) geführte Berufung ist zulässig und begründet.
37Der von der Klägerin geltend gemachte Provisionsanspruch aus § 652 Abs. 1 BGB ist auch gegenüber dem Beklagten zu 1) nicht gerechtfertigt, weil er den mit der Klägerin geschlossenen Maklervertrag durch das anwaltliche Schreiben vom 02.08.2017 wirksam widerrufen hat.
38Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt gemäß § 356 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei Fernabsatzverträgen grundsätzlich mit Vertragsschluss, jedoch gemäß § 356 Abs. 3 S. 1 BGB nicht bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet hat.
39Im vorliegenden Fall hat die Frist nicht zu laufen begonnen, weil die dem Beklagten zu 1) erteilte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Für den Verbraucher ist nicht hinreichend klar, auf welchen zu schließenden Vertrag die Belehrung sich bezieht (vgl. OLG Naumburg, DWW 2018, 345; Staudinger-Thüsing, BGB, 2019, § 312d Rn. 77; BeckOK/BGB, 53. Edition, § 652 Rn. 21 – Kotzian-Marggraf/Kneller – und Art. 246a § 4 EGBGB Rn. 13 – Martens –; BeckOGK/BGB-Meier, Stand: 01.02.2020, § 652 Rn. 188 Fn. 912; a. A. MüKoBGB-Roth, 8. Aufl., § 652 Rn. 90 Fn. 585; Fischer NJW 2018, 3287). Die Formulierung „Sie haben das Recht, binnen 14 Tagen… diesen Vertrag zu widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab dem Tag des Vertragsschlusses“ entspricht zwar dem Wortlaut der Musterbelehrung gem. Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB. Als zu schließender und später gegebenenfalls zu widerrufener Vertrag kommt im vorliegenden Fall aber nicht nur ein Vertrag, sondern neben dem Maklervertrag auch, wenn nicht vorrangig, der Grundstückskaufvertrag in Betracht, an dessen Abschluss der Verbraucher in erster Linie interessiert ist. Dass er mit seiner „Qualifizierten Anfrage“ über das Portal X ein Angebot auf Abschluss eines Maklervertrages abgegeben hat, das der Makler durch die Vereinbarung eines Besichtigungstermins oder die Zusendung von Informationen annehmen kann, wird dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher nicht ohne weiteres bewusst sein. Allein dadurch, dass am Ende der Widerrufsbelehrung die Beklagte als Adressatin des Widerrufs genannt ist, wird die Unklarheit hinsichtlich des in Bezug genommenen Vertrages nicht ausgeräumt, zumal Makler häufig im Namen des sie beauftragt habenden Verkäufers auftreten.
40Die von der Klägerin vertretene Ansicht, dass sich die Widerrufsbelehrung, weil sie auf einen bereits abgeschlossenen Vertrag Bezug nehme, nur auf den Maklervertrag beziehen könne, trifft – wie in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2020 erörtert – nicht zu. Allein durch die (am 19.03.2017 um 11:43 Uhr erfolgte) Bestätigung der Anfrage von Seiten der Klägerin und die Erteilung der Widerrufsbelehrung ist zwischen den Parteien noch kein Maklervertrag geschlossen gewesen. Dieser kam vielmehr erst durch die mit gesonderter Mail der Klägerin vom 19.03.2017 23:23 Uhr mehrere Stunden danach eingeräumte Gelegenheit zum Download des Exposés zustande. Auch heißt es in der vorformulierten Widerrufserklärung nicht – wie die Klägerin im Schriftsatz vom 27.02.2020 ausführt –, dass der Beklagte den mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrag, sondern den von ihm „abgeschlossenen Vertrag über den Kauf der folgenden Waren/die Erbringung der folgenden Dienstleistung“ widerrufe. Diese für Kauf- bzw. Dienstverträge bestimmte Formulierung erweckt bei dem Durchschnittsverbraucher eher nicht das Verständnis, dass sich das Widerrufsrecht auf einen mit der Klägerin noch zu schließenden Maklervertrag beziehen soll.
41Die Voraussetzungen für ein Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 356 Abs. 3, 4 BGB vor Erklärung des Widerrufs am 02.08.2017 sind nicht gegeben; hierauf beruft die Klägerin sich auch nicht.
42Angesichts obiger Ausführungen kann dahingestellt bleiben, ob die Widerrufsbelehrung auch hinsichtlich der Firmenbezeichnung der Klägerin fehlerhaft gewesen ist und ob die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Maklerlohnanspruchs gegeben sind. Beides wäre – wie in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2020 erörtert- nach Auffassung des Senats zu verneinen.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
44Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 711 ZPO.
45Im Hinblick auf die Rechtsfrage, ob in der Widerrufsbelehrung für einen im Fernabsatz zustande gekommenen Maklervertrag klargestellt werden muss, dass sich das Widerrufsrecht auf den Maklervertrag (und nicht etwa den noch abzuschließenden Hauptvertrag) bezieht, lässt der Senat gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zu. Das Auftreten dieser Frage ist in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten. Es gibt hierzu bisher eine weitere obergerichtliche Entscheidung des OLG Naumburg und unterschiedliche Auffassungen in der Literatur.
46Streitwert II. Instanz: 10.710,- €